© 2009 saarbrücken: vdm - univie.ac.at · 2 das vorliegende buch basiert auf einer...
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Das vorliegende Buch basiert auf einer Evaluationsstudie der Universität Wien, mit dem die
AutorInnen unter Leitung von Rudolf de Cillia von der MA 17 der Stadt Wien beauftragt wurden,
und ist inhaltlich identisch mit Band 1 der Diplomarbeit an der Universität Wien mit dem Titel
"'Jetzt merke ich, dass ich doch etwas kann'. Dokumentation und Evaluation der 'Mama lernt
Deutsch'-Kursreihe der Stadt Wien im Schuljahr 2006/ 2007". Band 2 der Diplomarbeit umfasst
den Materialienanhang der Studie und ist am Hochschulschriften-Service der Universitätsbibliothek
Wien unter der Adresse http://othes.univie.ac.at/195 als elektronischer Volltext im pdf-Format
online verfügbar. Zudem wurde die Studie - unter dem gleichen Titel wie die Diplomarbeit und in
einer teilweise identen Version - der MA 17 der Stadt Wien als Endbericht abgegeben.
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Vorwort
Wir danken allen an der Evaluation Beteiligten, ohne die die erfolgreiche Durchführung dieser
Studie nicht möglich gewesen wäre. Wir möchten uns bei Andreas Ehlers, Mag. Dr. Thomas Fritz,
Werner Mayer, Mag.a Carmen Nardelli und Mag. Manfred Pinterits für die Unterstützung des
Evaluationsvorhabens bedanken.
Auch für die Unterstützung der KursträgerInnen, Mag. Martin Wurzenrainer, Maria Haberl, Hannes
Gmeiner und Mag.a Ruth Pleyer, Mag.a. Uli Zimmermann und Mag.a Eva Schröder, sowie der
Vorsitzenden des Elternvereins und der Muttersprachlichen LehrerInnen möchten wir uns herzlich
bedanken.
Dank gebührt auch den DirektorInnen der qualitativen Studie, ohne deren Kooperation die
Datenerhebung in den Schulen unmöglich gewesen wäre. Des Weitern bedanken wir uns bei
unseren DolmetscherInnen Frau Mag.a Mürvet Özagac, Frau Raoudha Lejri, Frau Emina Pirkic und
Herrn Mag. Bernd Hrdy sowie unserer Transkribentin Mag.a Sabine Nezhiba.
Ganz besonderer Dank gilt jedoch den Kursleiterinnen und Kursteilnehmerinnen der qualitativen
Studie, die mit sehr großem Engagement und viel zeitlichem Aufwand unser Evaluationsvorhaben
tatkräftig unterstützt haben.
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INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG ......................................................................................................................................................... 9
2. SPRACHE UND INTEGRATION ...................................................................................................................... 10
2.1. DEFINITIONEN DES BEGRIFFES INTEGRATION................................................................................................. 10
2.2. EINFLUSSFAKTOREN BEIM ZWEITSPRACHERWERB......................................................................................... 12
2.2.1. Gruppenspezifische Faktoren ................................................................................................................... 15
2.2.2. Individuelle Faktoren................................................................................................................................ 17 2.2.2.1. Kontaktausmaß und –qualität ...........................................................................................................................17 2.2.2.2. Einstellung zu Sprache und Kultur ...................................................................................................................18 2.2.2.3. Persönlichkeitsfaktoren.....................................................................................................................................21 2.2.2.4. Affektive Faktoren............................................................................................................................................23
2.2.3. Die Reziprozität der sozialpsychologischen Faktoren und ihr Einfluss auf den Spracherwerb ............... 24
2.3. RAHMENBEDINGUNGEN FÜR ERFOLGREICHE KURSMAßNAHMEN.................................................................... 26
2.3.1. Sprachzwang............................................................................................................................................. 26
2.3.2. Kosten ....................................................................................................................................................... 27
2.3.3. Erreichbarkeit und soziale Besserstellungen ............................................................................................ 28
2.3.4. Politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung............................................................................... 28
2.4. "INTEGRATIONSVEREINBARUNG" UND STAATSBÜRGERSCHAFTSPRÜFUNGEN................................................ 29
2.5. DIE VERMITTLUNG REZEPTIVER VARIETÄTENKENNTNISSE IM DAZ- UNTERRICHT........................................ 32
2.5.1. Deutsch als plurizentrische Sprache......................................................................................................... 32
2.5.2. Die Varietätenbreite des Deutschen im DaZ-Unterricht .......................................................................... 34 2.5.2.1. Argumente ........................................................................................................................................................36 2.5.2.2. Rahmenbedingungen ........................................................................................................................................37 2.5.2.3. Stufen und sprachliche Teilfertigkeiten ............................................................................................................37 2.5.2.4. Welche Dialekte, auf welche Weise und in welchem Umfang?........................................................................39
2.6. DAZ-KURSMAßNAHMEN FÜR ERWACHSENE M IGRANTINNEN......................................................................... 41
3. "MAMA LERNT DEUTSCH"- KONZEPTE..................... ............................................................................... 47
3.1. "MAMA LERNT DEUTSCH" IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM ........................................................................... 47
3.2. "MAMA LERNT DEUTSCH" IN WIEN................................................................................................................ 49
3.2.1. Konzept ..................................................................................................................................................... 49
3.2.2. Kursdesign ................................................................................................................................................ 50
3.2.3. Curriculum................................................................................................................................................ 51
3.2.4. Beteiligte Institutionen und Personen ....................................................................................................... 52
4. DESIGN DER EVALUATION............................................................................................................................ 56
5. DARSTELLUNG DER DATENERHEBUNGSMETHODEN UND – INSTRU MENTE .............................. 63
5.1. QUANTITATIVE UND QUALITATIVE METHODEN............................................................................................. 63
5.1.1. Quantitative Studie ................................................................................................................................... 67
5.1.2. Qualitative Studie ..................................................................................................................................... 71
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5.1.2.1. Fallstudien an 13 ausgewählten Kursstandorten ...............................................................................................71 5.1.2.2. Hospitationen in den Kursen.............................................................................................................................73 5.1.2.3. Qualitative Interviews.......................................................................................................................................73 5.1.2.4. Akustisches Lerntagebuch und Lernfortschrittsdokumentation........................................................................79 5.1.2.5. Ausbildungs- und Reflexionsworkshop............................................................................................................81 5.1.2.6. Gruppendiskussion mit einer Kursleiterinnen-Gruppe......................................................................................82 5.1.2.7. Kursberichte und Lernmappen..........................................................................................................................87
6. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE............................................................................................................... 89
6.1. QUANTITATIVE STUDIE .................................................................................................................................. 89
6.1.1. Beschreibung der Kursteilnehmerinnen mittels statistischem Datenblatt................................................. 89
6.1.2. Ergebnisse der Online-Fragebogenerhebung........................................................................................... 96 6.1.2.1. Kursleiterinnen .................................................................................................................................................96 6.1.2.2. DirektorInnen .................................................................................................................................................116 6.1.2.3. Vorsitzende des Elternvereins ........................................................................................................................127 6.1.2.4. Muttersprachliche LehrerInnen.......................................................................................................................129 6.1.2.5. KursträgerInnen..............................................................................................................................................132
6.1.3. Resümee ..................................................................................................................................................141
6.2. QUALITATIVE STUDIE................................................................................................................................... 145
6.2.1. Themenzentrierte Interviews mit den Kursteilnehmerinnen.................................................................... 145 6.2.1.1. Resümee .........................................................................................................................................................166
6.2.2. Themenzentrierte Interviews mit den Kursleiterinnen............................................................................ 168 6.2.2.1. Resümee .........................................................................................................................................................189
6.2.3. Themenzentrierte Interviews mit den DirektorInnen .............................................................................. 191 6.2.3.1. Resümee .........................................................................................................................................................198
6.2.4. Gruppendiskussion mit einer Kursleiterinnen-Gruppe........................................................................... 199
6.2.5. Reflexionsworkshop ................................................................................................................................ 236
7. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN......................................................................... 239
LITERATUR ................................................................................................................................................................ 245
A) ALLGEMEIN ....................................................................................................................................................... 245
B) MAMA LERNT DEUTSCH-KURSE IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM ..................................................................... 256
ANHANG ...................................................................................................................................................................... 258
TRANSKRIPTIONSKONVENTIONEN...................................................................................................................... 258
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Abkürzungsverzeichnis
AT Akustisches Lerntagebuch
B/K/S Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch
DaF Deutsch als Fremdsprache
DaZ Deutsch als Zweitsprache
KL Kursleiterin/Kursleiterinnen
KT Kursteilnehmerin/Kursteilnehmerinnen
KTr Kursträgerorganisation(en)
LFD Lernfortschrittsdokumentation
MA 17 Magistratsabteilung 17 der Stadt Wien (zuständig für Integrations- und
Diversitätsangelegenheiten)
MLD "Mama lernt Deutsch"
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1. Einleitung
Die vorliegende Studie wurde im Rahmen eines Projektes zur Evaluierung der "Mama lernt
Deutsch"-Kursreihe der Stadt Wien durchgeführt und umfasst die wissenschaftliche Dokumentation
und Evaluation dieser Kursmaßnahme. Die "Mama lernt Deutsch"-Kurse – als Deutsch als
Zweitsprache-Kurse für Mütter mit anderen Erstsprachen als Deutsch konzipiert – fanden im
Schuljahr 2006/2007 erstmals an 90 Wiener Schulen statt. Die Evaluation des Projektes wurde von
der Magistratsabteilung 17 der Stadt Wien in Auftrag gegeben und von den AutorInnen unter
Leitung von Rudolf de Cillia von September 2006 bis August 2007 durchgeführt.
Das auf die Einleitung folgende zweite Kapitel der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit Sprache
und Integration sowie mit Deutsch als Zweitsprache-Kursmaßnahmen für erwachsene
MigrantInnen: Neben einer allgemeinen Einführung in die Thematik "Sprache und Integration", die
auch die speziellen Bedingungen des Spracherwerbs in der Migration im Allgemeinen und von
Frauen im Besonderen berücksichtigt, finden dabei auch die früheren "Sprachoffensiven" der Stadt
Wien und die in Österreich obligatorischen "Integrationsvereinbarungs"-Kurse sowie die Kurse zur
Erlangung der Österreichischen Staatsbürgerschaft Erwähnung.
Im dritten Kapitel wird das Konzept der "Mama lernt Deutsch"-Kurse im deutschsprachigen Raum
unter besonderer Berücksichtigung der Wiener Ausführung und der daran beteiligten Institutionen
und Personen erläutert. Kapitel vier widmet sich der Darstellung des Evaluationsdesigns. Die
Datenerhebungsmethoden und -instrumente werden in Kapitel fünf einer Beschreibung unterzogen.
Auch die genaue Vorgehensweise bei der Durchführung der Evaluation wird näher beschrieben. In
Kapitel sechs werden die Ergebnisse sowohl der qualitativen als auch der quantitativen Studie nach
untersuchten Personengruppen und Instrumenten dargestellt.
Kapitel sieben enthält schließlich die Zusammenführung aller erhobener Daten und die daraus
gewonnenen Schlussfolgerungen sowie Empfehlungen für die weitere Durchführung der "Mama
lernt Deutsch"-Kursmaßnahme. Im Anhang, der den zweiten Band der Diplomarbeit ausmacht,
befinden sich alle Dokumente, die die verschiedenen Arbeitsschritte der Evaluation dokumentieren.
Für das Verständnis des Textes ist das Lesen des Anhanges jedoch nicht notwendig, lediglich um
das Zustandekommen der vorliegenden Evaluationsstudie besser nachvollziehen zu können.
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2. Sprache und Integration
Die folgenden Kapitel und Subkapitel dienen der theoretischen Untermauerung der durchgeführten
Evaluation. Es wird versucht, das Konzept sowie die Umsetzung der "Mama lernt Deutsch"- Kurse
mit den Befunden der wissenschaftlichen Forschung in Verbindung zu setzten, um ihre
Wirksamkeit auch aus fachlicher Sicht beurteilen zu können.
2.1. Definitionen des Begriffes Integration
Der Begriff Integration ist sehr vielschichtig und variantenreich, er ist nicht nur in verschiedenen
Wissensbereichen gebräuchlich, sondern wird auch in Politik und Alltag nahezu beliebig eingesetzt.
Im Folgenden wird auf seine Verwendung im sozialen und politischen Kontext der Migration
fokussiert.
Beschränkt man sich nun auf diesen Bereich, finden sich unzählige Definitionen und Bedeutungen
dieses Wortes: Verstehen die einen unter Integration Assimilierung, bedeutet es für die anderen eine
Art Erneuerung eines Ganzen gemäß der etymologischen Herkunft des Wortes1.
Eine ähnliche Definition bietet auch der Fremdwörter-Duden (1994: 643):
Integration die: -, -en <aus lat. integration "Wiederherstellung eines Ganzen" zu integrare, vgl. integrieren>: 1. [Wieder]herstellung einer Einheit [aus Differenziertem]; Vervollständigung. 2. Einbeziehung, Eingliederung in ein größeres Ganzes; […] 3. Zustand, in dem sich etwas befindet, nachdem es integriert worden ist; […].
Laut Lexikon der Politik (Nohlen 1999: 213) werden mit dem Begriff "Integration" in der Sozial-
und Politikwissenschaft unabhängig von Kontext und Theorie unterschiedliche Prozesse und Ziele,
etwa die Europäische Integration oder die Integration bestimmter sozialer Gruppen, bezeichnet,
wobei es keinen allgemein akzeptierten Integrationsbegriff gibt. Es geht bei der Integration daher
grundsätzlich um die Herstellung bzw. Entstehung einer Einheit aus einzelnen Elementen oder die
Aufrechterhaltung des Zusammenhalts einer solchen Einheit, wobei "Integration" für eine Funktion,
einen Prozess oder ein Ziel stehen kann (ebd. 1998: 277).
In der Soziologie unterscheidet man zwei Arten von Integration: Integration in die Gesellschaft und
Integration der Gesellschaft, wobei letzterer Ansatz in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt
wird. Dem gegenüber steht laut Jakober/ Zuser (1999: 6-9) der Integrationsbegriff der
1 "integrieren: Entlehnt aus l. integrare (integratum) ´wiederherstellen, ergänzen`, zu l. integer ´unversehrt, unberührt, unbefangen, unbescholten` […]. Abstraktum: Integration" (KLUGE (1999, 23. erweiterte Auflage): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin/ New York: 403.)
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Migrationsforschung, der Integration als Prozess der Eingliederung in eine bestehende Gesellschaft
versteht.
Für die Politikwissenschafter Patrik Volf und Rainer Bauböck (2001: 13f.) müssen die beiden
Grundbedeutungen von Integration im Migrationskontext, Aufnahme und Zusammenhalt,
miteinander verknüpft werden. Somit sind unter Integration von EinwanderInnen alle jene Prozesse
gemeint, durch die sie zu anerkannten Mitgliedern der aufnehmenden Gesellschaft werden.
Darunter fallen nicht nur die Kenntnis der Sprache, der sozialen Regeln und Gesetze des
Einwanderungslandes, sondern auch die Anerkennung und Toleranz seitens der Mehrheit für
kulturelle Differenzen, die aus der Immigration entstehen. Integration ist somit "ein Prozess der
wechselseitigen Anpassung und Veränderung zwischen einer aufnehmenden und einer
aufzunehmenden Gruppe" (Volf/ Bauböck 2001: 14).
Innerhalb der Fachdiskussion2 wird Integration als zweiseitiger Prozess verstanden, der eine
Herausforderung nicht nur an die MigrantInnen, sondern auch an die Aufnahmegesellschaft
bedeutet: Eine erfolgreiche Integration kann nur durch Anstrengungen auf beiden Seiten
bewerkstelligt werden (vgl. Pöschl 2003: 2; verbal 2002: 99; Krumm 2002a: 34). Die Leistung des
Aufnahmelandes besteht dabei darin, gesellschaftliche, politische, soziale und kulturelle
Partizipationsrechte zu gewähren, es muss also bereit sein, Integration zuzulassen, d.h.
MigrantInnen ins bestehende System aufzunehmen. Auch die kulturellen Werte und
Überlieferungen sollten im Sinne der kulturellen Integration im Rahmen der Gesetzgebung und
Verfassung ein anerkannter Teil der Nationalkultur werden können (Oberndörfer 2001: 18), da sie
für die Aufnahmegesellschaft eine Chance zur kulturellen Öffnung und Erweiterung darstellen
(Krumm 2005: 1; Auditor 2003: 16).
Voraussetzung für Integration ist jedoch, das "identitätsstiftende Konstrukt einer scheinbar
homogenen 'Heimat' und die daraus folgende Stigmatisierung der 'fremden MigrantInnen'" (Auditor
2003: 17) aufzugeben und die heutzutage reale Pluralität von Gesellschaften zu akzeptieren3.
Der Integrationsbegriff in Österreich
Laut Graf (1999: 16) habe der Integrationsbegriff in Österreich ein semantisches Paradoxon
erfahren, 2 Vgl. Auditor 2003; Bade 2001; Volf/ Bauböck/ Volf 2001; Boeckmann/ Eder/ Furch/ Plutzar 2003; de Cillia 2003; 2006; Graf 1999; Krumm 2002b; Jakober/ Zuser 1999; Pöschl 2003; Wodak/ de Cillia 2006.
3 Vgl. Krumm 2002b und Scheck (2003: 35), der betont, dass für eine erfolgreiche Integration der Abbau von Ethnozentrismus notwendig sei.
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indem hierzulande Integration mit Anpassung, Monolingualismus und Enthnozentrismus konnotiert wird. Integration jedoch als einseitige Leistung der einen verstehen zu wollen, die von den anderen, der Mehrheit, einfach nur toleriert werden, führt den Begriff per se ad absurdum und forciert zudem die Stupidität einer Gesellschaft, deren Selbstbewusstsein darauf basiert, sich als die einzig denkbare Norm zu definieren (ebd.).
Welcher Integrationsbegriff in Österreich vorherrscht, kann nicht festgestellt werden: Während die
Politik unter dem Deckmantel des zweiseitigen Verständnisses eigentlich eine einseitige Auslegung
des Begriffes ausübt (vgl. Krumm 2005), wird Integration in der Öffentlichkeit sowie in den
Medien völlig undifferenziert verwendet.
Rohsmann (2003: 18) sieht die Tatsache, dass in Österreich an Untersuchungen über für die
Migrationspolitik entscheidenden Fragestellungen (etwa Sprachstandsfeststellungen bei
MigrantInnen, Erhebungen der Sprachkursangebote oder des Bevölkerungsanteils mit einer anderen
Erstsprache als Deutsch) kein Bedarf herrsche, als "Parallele zu einer Politik […], die Österreich
nach wie vor nicht als Einwanderungsland ansieht und daher die Notwendigkeit zur Beschäftigung
mit dem Themenbereich 'Migration und Integration' vielfach ignoriert" (ebd.).
Neben der von Graf (1999: 16) und de Cillia (2001: 15) georteten Germanisierung der Minderheiten
durch den Zwang Deutsch zu lernen und dem politischen sowie sozialökonomischen
Assimilierungsdruck attestieren Graf (1999: 18) sowie auch Krumm (2002a: 34) für Österreich
rassistische Tendenzen:
Dass gerade in Österreich mit seiner historisch erfahrenen Multikulturalität und Mehrsprachigkeit unter dem Etikett der Integration die Unterdrückung von Vielfalt, die Sanktionierung bis hin zur Ausweisung politisch Konjunktur hat, hat mit dem im europäischen Verständnis von Integration nicht [sic!] mehr zu tun, sondern ist im sozialwissenschaftlichen Verständnis nichts anderes als ein Symptom für Rassismus (Krumm 2002a: 34).
2.2. Einflussfaktoren beim Zweitspracherwerb
Beim Spracherwerb in der Migration handelt es sich um Zweitspracherwerb, also um den Erwerb in
nicht-erstsprachlicher, sondern zielsprachlicher Umgebung, der im Gegensatz zum
Fremdspracherwerb in gesteuerter oder ungesteuerter Form erfolgen kann (vgl. Henrici/ Riemer
2003: 39). Die Unterscheidung zwischen Fremd- und Zweitspracherwerb ergibt sich aus den
verschiedenen LernerInnengruppen und ihren spezifischen Sprachverwendungszecken (Bachmayer
1993: 68): Während das Lernziel im Fremdspracherwerb die Alltagsrealität der Lernenden nicht
unmittelbar beeinflusst und die Sprache aus vielen verschiedenen Gründen gelernt wird (Bsp.:
Urlaub, Freundschaften, Verbesserung der Qualifikation), ist es bei ZweitsprachenlernerInnen für
das gesellschaftliche und soziale Überleben entscheidend, die Zielsprache zu beherrschen, da die
Zweitsprache dem Rang nach die zweite Sprache ist und der Erstsprache in ihrer sozialen und
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kommunikativen Bedeutung folgt (Barkowski 2003b: 157). Hierdurch erklären sich auch die
unterschiedlichen Anforderungen und Lernziele: Im Zweitspracherwerb geht es nicht so sehr um
grammatische Richtigkeit, sondern um Verständlichkeit sowie die Erweiterung
umgangssprachlicher Fähigkeiten und alltagsüblicher Kommunikationsstrategien. Neben der
Vermittlung linguistischer und kommunikativer Kompetenzen soll auch ein sozial integratives
Anliegen verfolgt werden (Bachmayer 1993: 34f.):
Die Entwicklung von Zweitsprachen ist besonders bestimmt von den Lebens- und Lernbedingungen, wie sie für die große Mehrheit ihrer Sprecher charakteristisch sind. Ein wesentliches Merkmal dieser Bedingungen ist die soziale, kulturelle und politische Unterprivilegierung verbunden mit der fehlenden Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft, in Bemühungen zur sozialen und sprachlichen Eingliederung der Einwanderer angemessen zu investieren (Barkowski 2003b: 157).
Gesteuerter vs. ungesteuerter Spracherwerb
Da der Zweitspracherwerb auf der Basis einer entwickelten und gefestigten Erstsprache, die auch
eine herkunftsgeprägte Persönlichkeitsentwicklung mit einschließt, geschieht, (Barkowski 2003b:
159), gilt der Einfluss der Erstsprache als wichtiger, aber nicht allein determinierender Faktor,
vielmehr ist Zweitspracherwerb ein komplexer und vielschichtiger Vorgang (Bachmayer 1993: 69).
Der Zweitspracherwerb, der gesteuert oder ungesteuert erfolgen kann, generiert einen besonderen
Lerntyp, der seine ersten Erfahrungen mit der Zielsprache nicht im Unterrichtskontext (gesteuert),
sondern auf der Straße macht (ungesteuert), wobei der außerunterrichtliche Spracherwerb einen
anderen Verlauf nimmt und Annäherungen an die zielsprachliche Kompetenz geprägt sind von
Erwerbsprozeduren und – bedingungen sui generis (Barkowski 2003b: 158). Diese
Erwerbsprozeduren und – bedingungen stehen dem Erstspracherwerb näher als dem
Fremdspracherwerb, da er ohne unterrichtliche Steuerung hauptsächlich auf dem Kontakt mit der
zielsprachlichen Gesellschaft beruht (Klein 1984: 27).
Beim Zweitspracherwerb sind also Aneignung und Gebrauch der Sprache synchrone Vorgänge, die
durch Sprachunterricht unterstützt werden können (vgl. Reich 2001b: 45; Scheck 2003: 43). Der
Unterschied zum Fremdsprachenunterricht ist, dass die Lernenden zu Beginn der Kurse meist schon
hohe rezeptive und teilweise auch produktive Kompetenzen aufweisen und dass sich die
Kursgruppenzusammensetzung durch die unterschiedlichen Vorkenntnisse der TeilnehmerInnen oft
als sehr heterogen herausstellt. Dieser Umstand erschwert nicht nur die Lernzielbeschreibung,
sondern kann sich in der Unterrichtsdurchführung als problematisch erweisen.
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Sozialpsychologische Faktoren und ihr Einfluss auf den Spracherwerb
Da Spracherwerb ein sehr komplexer Vorgang ist, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, dass der Besuch eines Deutschkurses bei den Lernenden tatsächlich eine Verbesserung der
Sprachkenntnisse nach sich zieht. Spracherwerb beansprucht nicht nur eine unbestimmbare Zeit,
sondern ist auch von sehr vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig, die sich unterschiedlich
klassifizieren lassen. Im Heidelberger Forschungsprojekt "Pidgin-Deutsch" (1977) etwa werden die
Faktoren in zwei Gruppen, die Bias- und Umgebungsfaktoren, unterteilt: Die Biasfaktoren betreffen
die individuellen (Lern)Voraussetzungen, also unter anderem Alter, Lerninteressen, Erstsprache,
Bildungshintergrund und soziale Herkunft, während die Umgebungsfaktoren Art, Dauer und
Intensität der zielsprachlichen Äußerungen, aber auch Engagement des Lehrers/ der Lehrerin,
Attraktivität des gebotenen Materials und sozialen Druck umfassen (ebd.: 18).
Eine andere Einteilung trifft Kuhs (1989: 4-12), die die Einflussfaktoren als
� in der Natur des Menschen angelegt � die Beschaffenheit beider Sprachen betreffend � aus dem Umfeld und der Persönlichkeit des Lerners hervorgehend
klassifiziert.
Während sich die ersten beiden Gruppen auf Sprachvermögen und Sprachtypologie beziehen und
dadurch nicht im Interessensfeld der vorliegenden Arbeit liegen, betrifft die dritte Gruppe die
außersprachlichen Faktoren des Zweitspracherwerbs und somit die Frage, inwieweit sprachliche
Variablen (Struktur der Erstsprache, zielsprachlicher Input), Individuenvariablen
(Persönlichkeitsmerkmale, Alter, Intelligenz, Motivation, affektive Faktoren, Einstellung) und
soziale Variablen (soziale Rolle, Kontakt, soziale Dominanz) den Zweitspracherwerb beeinflussen
(Kuhs 1989: 11).
Entscheidenden Einfluss auf die lernerInnentypische Variation beim Spracherwerb haben
sozialpsychologische Faktoren, da sie den Spracherwerb verstärken, aber auch behindern können.
Verstärkend wirken sie, etwa wenn der Lerner/ die Lernerin sehr motiviert ist, die Zielsprache zu
lernen, oder wenn eine sehr positive Einstellung zum Zielland besteht. Im gegenteiligen Fall können
sozialpsychologische Barrieren auftreten, die den Spracherwerb verzögern und sogar aufhalten
können (vgl. Tarone 2006: 157-172).
Sozialpsychologische Faktoren werden in gruppenspezifische und individuelle Faktoren
unterschieden: Erste beziehen sich auf das Umfeld des Lerners/ der Lernerin und seine/ ihre
Erfahrungen und Einstellungen das Zielland betreffend (Kuhs 1989: 13), beinhalten also auch die
politisch-ökonomischen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen der Lebenssituation von
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MigrantInnen, die die Herausbildung personaler Faktoren beeinflussen (Clahsen/ Meisel/
Pienemann 1983: 259).
Die Komplexität der Variablen ergibt sich aus dem Zusammenwirken der gruppenspezifischen und
der individuellen Faktoren, die beispielsweise Motivation, Einstellungen, Ausmaß der
zielsprachlichen Kontakte, Persönlichkeit und affektive Faktoren umfassen.
2.2.1. Gruppenspezifische Faktoren
Bei der Beschreibung von gruppenspezifischen Faktoren muss davon ausgegangen werden, dass
(Zweit)SprachenlernerInnen einer bestimmten Zielsprache eine Gruppe bilden, die gewisse
gemeinsame Charakteristika aufweist. So sprechen Barkowski/ Harnisch/ Kumm (1986: 21) von
Zweitsozialisation, die von den ökonomischen, sozialen und psychischen Bedingungen bestimmt
wird (ebd.: 17). Einen Bereich der Zweitsozialisation umfasst der Spracherwerb, der durch die
Einstellung zur Zielgesellschaft und – sprache gekennzeichnet ist. Wenn nun diese Einstellung nicht
nur individuell, sondern gruppenspezifisch ident ist, etwa durch die gemeinsame Erfahrung der
Diskriminierung im Aufenthaltsland (Barkowski/ Harnisch/ Kumm (1986: 22; 24), lässt dies
Rückschlüsse auf gruppenspezifische Faktoren zu4.
Frauen als besondere DaZ-Lernerinnengruppe
Rohrer (1983) hat bereits vor ca. 25 Jahren auf die spezifischen Probleme von ausländischen Frauen
als DaZ-Lernerinnen in Deutschland hingewiesen sowie auf deren Potential als Interessentinnen für
Sprachkurse und den daraus resultierenden neuen Formen der Spracharbeit wie Stadtteilarbeit und
Elternkurse aufmerksam gemacht. Obwohl Rohrers Befund schon lange zurück liegt und für die
Situation in Deutschland getroffen wurde, besteht nicht zuletzt aufgrund der Ergebnisse der
vorliegenden Studie Grund zur Annahme, dass er auf die gegenwärtige Situation in Österreich
größtenteils umgelegt werden kann (vgl. Hölscher et al. 2003).
Rohrer führt die frauenspezifischen Probleme auf die Benachteiligung von ausländischen und
insbesondere türkischen Frauen zurück, die sich auf mehreren Ebenen manifestiert: Migrantinnen
sind oft beruflich schlechter gestellt als Männer, sofern sie überhaupt berufstätig sind. Die so
4 Schumann (1986: 379-390) nennt in diesem Zusammenhang die soziale und psychische Distanz als entscheidenden Faktor: Je größer die soziale Distanz der MigrantInnen zum Zielland ist, desto schwieriger gestaltet sich der Spracherwerb; vgl. auch Heidelberger Forschungsprojekt "Pidgin-Deutsch"HPD 1977: 30; 130.
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genannten "Gastarbeiter" erwerben ihre Deutschkenntnisse oft am Arbeitsplatz, für Migrantinnen
jedoch fällt diese Möglichkeit daher zumeist weg. Während die Situation für MigrantInnen an sich
schon eine sehr schwierige ist, stehen Frauen oft noch weniger Chancen zur Teilhabe am
wirtschaftlichen, aber auch am gesellschaftlichen Leben zu Verfügung. Diese Schwierigkeiten
gehen mit einer schweren Identitätsverunsicherung der Frauen durch die kulturellen Differenzen
zwischen Heimat- und Gastland einher, wie Rohrer konstatiert:
Die Lebenssituation der ausländischen Frauen ist sehr stark von einer Identitätsverunsicherung
geprägt, die von den divergierenden Wertvorstellungen ihrer heimatlichen und der fremden Kultur
herrühren. Mehr noch als den ausländischen Männern und den Kindern ist den ausländischen
Frauen die Kontaktaufnahme mit dem Gastland verwehrt. Das Leben im Ausländerghetto, die
Fixierung auf die eigene Wohnung, die Abschirmung und Verhinderung von Außenkontakten durch
die Ehemänner, wie die fehlende Berufstätigkeit können zu einer nahezu gänzlichen Isolation von
der deutschen Umwelt führen (Rohrer 1983: 222).
Rohrer weist in diesem Zusammenhang auf das typische Beispiel einer türkischen Landfrau hin, die
sich in einer anonymen Großstadt wieder findet, wo sie zur Änderung ihres Rollenverhaltens
gezwungen wird. Diese Umstellung erfolgt oft nicht nur unfreiwillig, etwa aufgrund eines
Familiennachzugs, sondern ist auch durch das Wegfallen der landwirtschaftlichen Tätigkeiten der
Migrantinnen sowie der Halt gebenden Frauengruppe innerhalb deren ehemaliger Dorfgemeinschaft
gekennzeichnet. Als besonders gravierend stellt sich die Situation für die Migrantinnen dann dar,
wenn die Ehemänner aufgrund ihrer eigenen Identitätskrise und wirtschaftlichen Probleme ihren
Machtanspruch innerhalb der Familie verstärken. Die Irritationen der Migrantinnen und ihrer
Ehemänner, die sich in kulturellen, sozialen und familiären Konflikten entladen, lassen oft den
Rückzug ins nationale Ghetto als einzige Lösung erscheinen und führen so zur Isolation und
letztendlich zur Verringerung der Integrationschancen der zugewanderten Frauen.
Dass Migrantinnen der Weg in die Erwerbstätigkeit oft unmöglich ist, hat hierbei mehrere Gründe.
Zum einen kann die Berufstätigkeit bei türkischen Frauen von ihren Ehemännern als Traditions-
und Rollenbruch sowie Verletzung der männlichen Ehre aufgefasst werden. Zum anderen müssen
sich die Frauen vielfach um ihre Kinder kümmern, was die Aufnahme einer Berufstätigkeit
erschwert. Die Erziehung der Kinder ist zudem mit weiteren Schwierigkeiten für die Frauen
verbunden, haben sie doch "Kinder in und für eine Welt zu erziehen, die sie nur zum Teil kennen
und verstehen gelernt haben, während die Kinder wiederum oftmals zu der Heimat ihrer Eltern
wenig Beziehung haben" (Rohrer 1983: 223). Zwar kommen die Kinder in stärkerem Ausmaß mit
der deutschsprachigen Umgebung in Kontakt als ihre Eltern und haben es insofern in einigen
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Bereichen sicher leichter, andererseits führt diese Konstellation oft zu kulturellen Konflikten
innerhalb der Familie, was wiederum negative Auswirkungen auf den Spracherwerb haben kann.
Neben den bereits genannten Aspekten können noch folgende weitere Faktoren den Spracherwerb
und die Integration der Frauen erschweren: der unsichere und oftmals an den Ehemann gekoppelte
Aufenthaltsstatus, die fehlende Arbeitserlaubnis, die geringe Schulbildung im Heimatland sowie die
mangelnde Akzeptanz in der Aufnahmegesellschaft und die damit einhergehenden negativen
Alltagserfahrungen.
Rohrer hält abschließend fest, dass (insbesondere türkische) Frauen geringere Sprachkompetenz
aufweisen als zugewanderte Männer, wobei sich eine Wechselwirkung zwischen mangelnden
Sprachkenntnissen und sozialer Isolation sowie Nichterwerbstätigkeit belegen lässt (ebd.: 225; 232).
Aufgrund des (damaligen) expansiven Familiennachzugs, des steigenden Bedarfs von
Deutschkursen für Frauen und der insgesamt veränderten Anforderungen der Ausländerarbeit
kommt Rohrer zum Schluss, dass "die gemeinsame Erarbeitung eines umfassenden kulturellen,
sprachlichen, kommunikativen und informativen Dialogangebots angezeigt erscheint" (ebd.: 232).
2.2.2. Individuelle Faktoren
2.2.2.1. Kontaktausmaß und –qualität
Als Ursache für lernerInnentypische Variation nennen Clahsen/ Meisel/ Pienemann (1983: 8)
unterschiedliche Orientierungen der LernerInnen im Aufnahmeland: Die Grenzen der
Integrationsbemühungen steckt nicht nur das Aufnahmeland ab, sondern auch die Einstellung der
LernerInnen, die entweder eine segregative oder eine integrative Orientierung hervorbringt.
Während nun eine integrative Orientierung den Spracherwerb positiv beeinflussen kann, sorgt die
segregative Orientierung für das Gegenteil, da in diesem Fall die Beziehungen und Kontakte zur
Aufnahmegesellschaft so minimal wie möglich gehalten werden (Clahsen/ Meisel/ Pienemann
1983: 8). Die Bedeutung der Kontakt-Variable wird von vielen Studien5 betont, vor allem, weil eine
weitere wesentliche Komponente, die Motivation, eng damit verbunden ist:
Wenn das im Unterricht6 Gelernte keine Bestätigung in der alltäglichen Kommunikation findet, ja nicht einmal eine Anwendungsmöglichkeit, so ist zu erwarten, daß es sehr schnell wieder "verlernt", vergessen wird, weil es sich als absolut nutzlos erweist (Barkowski/ Harnisch/ Kumm 1978: 186)7.
5 Z.B.: Heidelberger Forschungsprojekt "Pidgin-Deutsch" 1977; Barkowski/ Harnisch/ Kumm 1986; Kuhs 1989; Bachmayer 1993. 6 Diese Aussage trifft unseres Erachtens auch für ungesteuerte Lernsituationen zu. 7 Hervorhebung im Original.
18
Folglich ist auch die Kommunikationsbereitschaft der Mitglieder der Aufnahmegesellschaft von
großer Bedeutung für den Spracherwerb von MigrantInnen (vgl. Wölbert 2001: 40-42). Diese
Tatsache unterstreicht die Zweiseitigkeit des Integrationsprozesses, denn die
Kommunikationsbereitschaft der Einheimischen kann sich direkt auf die Lernmotivation und
folglich auf die Sprachkenntnisse der MigrantInnen auswirken (Auditor 2003: 19; Reich 2001b: 45;
Wölbert 2001: 40; Krumm 2002a: 32)8.
Ein Aspekt fremdsprachlichen Kontakts, nämlich der über das Medium Fernsehen, darf vor allem
wegen seines großen Einflusses auf jüngere Leute nicht unterschätzt werden (Kuhs 1989: 18).
2.2.2.2. Einstellung zu Sprache und Kultur
Eine wichtige Rolle bei der Untersuchung von Einstellungen zu Sprache und Kultur spielt die
soziale, persönliche und kulturelle Identität der Lernenden, für die Sprache eine entscheidende
Rolle spielt: "[D]urch unserer Erstsprache wird es uns möglich, uns als Ich zu begreifen und zu
artikulieren" (Krumm 2002b: 93)9. Gerade diese konstituierende Funktion von Sprache erschwert es
vielen MigrantInnen, eine Zweitsprache zu akzeptieren, da sie als "Gefährdung der eigenen
Identität, als Verlust der eigenen Biographie" (Krumm 2002b: 93) empfunden wird. Nur wenn die
Zweitsprache nicht als Bedrohung angesehen wird, kann erfolgreicher Spracherwerb gewährleistet
werden, denn zugleich mit einer Sprache erwirbt man auch (neue) kulturelle Werte, die die Identität
verändern können (vgl. Krumm 2002b: 93; 2002a: 33; Scheck 2003: 42):
Es geht also nicht um die Aufgabe und Verdrängung der eigenen Vergangenheit, der eigenen bisherigen Sozialisation, sondern um die Ankoppelung der neuen Lebenswirklichkeit an diese, indem versucht wird, das bisherige Weltbild, also die bisher geltenden Wirklichkeitskonstruktionen, in Frage zu stellen, zu erweitern sowie teilweise durch neue zu ersetzen und die eigene Identität auf diese Weise neu zu orten (Auditor 2003: 18f.).
Auch soziale Identität, die durch die politischen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen
beeinflusst wird, muss mit der persönlichen Identität in Einklang gebracht werden (Clahsen/ Meisel/
Pienemann 1983: 266), denn
in dem Maß wie der Lerner eine soziale Identität erwirbt, die (einige) Rollen- und Wertesysteme der 'fremden' Kultur mit einschließt, besteht auch die Notwendigkeit, die sprachlichen Mittel zum Ausdruck dieser sozialen Identität zu verwenden (ebd.: 265).
Die Einstellungen stehen somit im Schnittpunkt zwischen den sozialen und den jeweiligen
persönlichen Bedingungsfaktoren der kulturellen Identität der Lernenden (ebd.: 266).
8 Detaillierte Ausführungen über die Bedingungen erfolgreichen Spracherwerbs siehe u.a. Krumm 2002b. 9 Zur Rolle der Erstsprache für weitere Spracherwerbsprozesse siehe auch Scheck 2003: 66-69.
19
Einstellungen zu Sprache und Kultur lassen sich laut Kuhs (1989: 22) folgendermaßen einteilen:
- Einstellungen von einzelnen Personen einer ethnischen Gruppe zu einzelnen Personen einer anderen ethnischen Gruppe;
- Einstellungen von einzelnen Personen zu einem Gesamt einer anderen ethnischen Gruppe; - Einstellungen gegenüber verschiedenen 'Merkmalen' von anderen Personen/ Gruppen:
Sprache, Kultur, Lebensweise u.ä.
Beobachtbar sind diese Einstellungen
- in Wertungen der Lerner über Sprache und Sprecher der eigenen oder fremden Ethnie; - in Art und Ausprägung der Motivation zum Erlernen und Gebrauchen der Zweitsprache; - in der Art der Orientierungen der Lerner zur Gruppe, deren Sprache gelernt werden soll (Kuhs
1989: 22)10.
Als Quellen von Einstellungen werden einerseits die politischen, ökonomischen und kulturellen
Bedingungen des Zweitsprachenlerners/ der Zweitsprachenlernerin und andererseits die Art der
Kontakte mit der Zielgesellschaft sowie die Kontakterfahrungen der Lernenden gewertet (vgl. Kuhs
1989: 25; siehe auch Kapitel 2.2.2.1).
Die wohl entscheidenste Variable in diesem Kontext ist die Motivation11, die einerseits aus
positiven Einstellungen zu Zielsprache, -kultur und -gesellschaft wächst und andererseits in einem
wechselseitigen Beziehungsgefüge mit den Einstellungen steht (vgl. Kuhs 1989: 28; Düwell 2003:
347): Entscheidend für den Erfolg des Spracherwerbs ist jedoch nicht so sehr die Art, als vielmehr
das Ausmaß der Motivation, die maßgeblich von den Einstellungen zur zielsprachlichen, aber auch
zur eigenen Kultur und Sprache bestimmt wird (vgl. Bachmayer 1993: 88; Kuhs 1989: 24f.). Diese
Einstellungen manifestieren sich schließlich in der sozialen und persönlichen Identität der
Lernenden und beeinflussen dadurch wiederum die Motivation (vgl. Clahsen/ Meisel/ Pienemann
1983: 267; 6).
Wird die Motivation der Lernenden in irgendeiner Weise gestört, beispielsweise durch großen
(Erfolgs) Druck oder weil die Lernenden nicht wissen, zu welchem Zweck sie lernen, kann sich dies
sehr negativ auf den Lernerfolg auswirken. Krumm (2002a: 32) spricht in diesem Kontext von der
"Schaffung und Aufrechterhaltung einer 'Integrationsmotivation'" als Bedingung für erfolgreichen
Spracherwerb. Auch der Trim et al. (2001: 16) gehen davon aus, dass Lernen an Motivation
orientiert sein muss.
10 Hervorhebungen wie im Original. 11 Trotz der Klassifizierung von Motivation als affektiven Faktor scheint eine Ausführung an dieser Stelle sinnvoll.
20
Als besonders wichtig für die Aufrechterhaltung der Motivation werden – wie bereits beschrieben –
soziale Kontakte in der Wohnumgebung und am Arbeitsplatz, bei denen die erworbenen
Sprachkenntnisse angewendet werden können, gewertet.
Auch die Setzung positiver Ziele in Form von Vergünstigungen und Besserstellungen in
verschiedenen Bereichen (verbal 2002: 93f.) wird als entscheidende Rahmenbedingung für die
Aufrechterhaltung von Motivation angesehen12. In diesem Kontext sind u.a. rechtliche und
ökonomische Besserstellungen, etwa Aufenthaltsverfestigung, freier Zugang zum Arbeitsmarkt oder
zum geförderten Wohnungsmarkt zu nennen:
Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, um die alltäglichen Lebensumstände der Zuwanderer an die Aufnahmegesellschaft anzugleichen, darf es nicht erstaunen, wenn eine negative Einstellung zum Aufnahmeland und sogenannte Lernunwilligkeit die Folgen sind (Scheck 2003: 37)13.
Die (Streit)Frage, ob Motivation integrativ oder instrumentell begründet ist, spielt keine allzu große
Rolle mehr14, vor allem da man sich über die Instabilität von Motivation einig ist: Motivation muss
in ihrer Wechselwirkung zwischen dem/ der Lernenden, dem Lerngegenstand und der Lernsituation
betrachtet werden (Vogel 1990: 143), und besonders die letzten beiden Komponenten können sich
im Migrationskontext als problematisch erweisen. MigrantInnen sind zum einen oft zwischen
Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft hin- und hergerissen (Barkowski/ Harnisch/ Kumm 1986: 31)
und andererseits kann die Intensität der Motivation aufgrund der Lebensumstände im Zielland
(bspw. ungesicherte Aufenthalts-, Arbeits- und Wohnverhältnisse) stark schwanken (Barkowski/
Harnisch/ Kumm 1978: 187; vgl. Bachmayer 1993: 89)15.
Trotz der Zweiseitigkeit des Integrationsprozesses lässt sich eine Asymmetrie hinsichtlich des
Spracherwerbs erkennen, da lediglich die MigrantInnen die Sprache des Aufnahmelandes erlernen
müssen, jedoch umgekehrt von der Aufnahmegesellschaft nicht verlangt wird, etwa Türkisch zu
lernen (Bauböck 2001: 14). Die Leistung, die vom Aufnahmeland erwartet wird, entspricht
passenden Rahmenbedingungen (de Cillia 2001: 16f.): "Die wichtigsten Integrationshindernisse
liegen nicht bei den Migranten, sondern in den Rahmenbedingungen, die sie in Österreich
vorfinden" (Bauböck 2001: 21).
12 Eine detailliertere Auseinandersetzung mit diesem Faktor findet sich in Kapitel 2.3.4 "Politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung". 13 Vgl. auch Buttaroni/ Plutzar (2002: 20), die darauf hinweisen, dass sich der schlechte soziale Status von
MigrantInnen nachhaltig auf die sozialpsychologische Befindlichkeit der Lernenden auswirken kann. 14 Siehe Larsen-Freeman/ Long 1992: 173-175; 208. 15 Genaueres zu Motivation in Bezug auf Spracherwerb und Sprachenlernen siehe Ellis 1997; Vogel 1990; List 2003; Gass/ Selinker 1994.
21
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Beziehungsgefüge "positive Einstellung zum
Aufnahmeland = erfolgreicher Zweitspracherwerb" zwar existiert, es jedoch Einstellungsfaktoren
gibt, die dies stören können: Das äußerst komplexe Beziehungsgefüge lässt also die Gleichsetzung
von positiver Einstellung und Lernerfolg nicht vorbehaltlos zu (Kuhs 1989: 24-26)16.
2.2.2.3. Persönlichkeitsfaktoren
Die persönliche Disposition hat einen entscheidenden Einfluss auf den Spracherwerb, da sie
gemeinsam mit der affektiven Reaktion die Qualität des Erwerbs, das Kontaktausmaß mit der
Zweitsprache sowie die Quantität der Erwerbssituationen mitbestimmt und so auch auf den
sprachlichen Erfolg einwirkt (Kuhs 1989: 44).
Zu den Persönlichkeitsfaktoren werden unter anderem Alter, Geschlecht, Emotion, psychische
Stabilität und Empathiefähigkeit gezählt.
Unter dem Schlagwort Emotion ist die Tatsache zu verstehen, dass Zweit- und
FremdsprachenlernerInnen Wörter, die sie als emotional positiv empfinden, leichter in Erinnerung
behalten, als Wörter, zu denen sie neutrale oder gar negative Assoziationen haben (Bachmayer
1993: 89f.).
Sprachempathie bedeutet, sich in Personen hineinversetzen zu können, die kulturbedingt andere
Vorstellungen, Gedanken oder Emotionen besitzen. Die Annahme, dass Personen mit ausgeprägter
Empathiefähigkeit in der Lage sind, pragmatisch und phonologisch sensibler mit InteraktantInnen
umzugehen, und dass dies einen wichtigen Faktor beim Spracherwerb darstellt, ist jedoch nicht
unumstritten (Kuhs 1989: 45; Tarone 2006: 160).
Uneinigkeit herrscht auch bei der Frage nach der Bedeutung des Alters für den Spracherwerb: Auf
der einen Seite steht die Meinung, nach Abschluss der so genannten kritischen Phasen sei die
Plastizität des Gehirns nicht mehr vorhanden und durch die vollzogene Lateralisierung der
Hemisphären seien die wichtigen Sprachfunktionen linksseitig verfestigt. Dies bedeutet, dass
ungefähr mit Abschluss der Pubertät die Fähigkeit, Sprachen zu erwerben, stark abnimmt (vgl.
Lenneberg 1996).
Die mittlerweile häufiger geäußerte Theorie kann unter dem Schlagwort "older is faster, but
younger is better" (Larsen-Freeman/ Long 1994: 155) zusammengefasst werden. Kinder sind
16 Vgl. Klauer 1991.
22
Erwachsenen beim Spracherwerb nicht prinzipiell überlegen, sondern lernen/ erwerben unter
anderen Voraussetzungen: Kinder büßen zwar die noch nicht ausgereiften kognitiven Fähigkeiten
ein, haben dafür aber große Vorteile im Bereich der Aussprache (Phonologie, Prosodie, Intonation),
den Leistungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Lerngeschwindigkeit, die jedoch erwachsenen
Personen durch erhöhte Leistungsgenauigkeit ausgleichen können (vgl. Bachmayer 1993: 91).
Lernvorteile haben Erwachsene bei der Verarbeitung von Syntax und Morphologie, zudem besitzen
sie eine schnellere Auffassungsgabe (vgl. Bachmayer 1993: 93). Dass sie im Gegensatz zu Kindern
stark von affektiven und Umweltfaktoren beeinflusst werden, deren Einfluss sich proportional mit
dem Lebensalter erhöht (Tarone 2006: 170), kann als Nach-, aber auch als Vorteil gewertet werden.
Eine gute Zusammenfassung findet sich bei Kettemann/ Kerschbaumer (2000: 77f.):
1. Jüngere und ältere Lerner durchlaufen ähnliche Spracherwerbsstadien, 2. ältere Lerner schreiten anfangs schneller voran als jüngere und erreichen auch ein höheres
Leistungsniveau als jüngere, vor allem in den Bereichen der Morphologie und Syntax, nicht aber bei der Aussprache,
3. nach der Pubertät ist es kaum mehr möglich, eine akzentfreie Aussprache zu erwerben, 4. nicht die Kinder, sondern die Jugendlichen sind beim Sprachenlernen am schnellsten und
effizientesten, 5. Kinder kommunizieren anders als Erwachsene, z.B. konzentrieren sie sich stärker auf das
Hier und Jetzt und haben andere Kommunikationsbedürfnisse. Aus diesem Grund entwickeln sich auch deren Lernsprachen anders (ebd.).
Wie die beiden Autoren kommt auch Düwell (2003: 347) zu dem Schluss, dass keine Überlegenheit
einer bestimmten Altersgruppe für den Fremd- oder Zweitspracherwerb festgestellt werden kann17.
Unumstritten bleibt allerdings, dass der Bildungshintergrund der Lernenden, also die Frage, ob eine
Person lerngeübt oder lernungewohnt ist, entscheidend für den Lernerfolg ist. Personen mit geringer
oder sehr lange zurückliegender Schulbildung haben unverhältnismäßig größere Schwierigkeiten,
etwas Neues zu erlernen. Besonders schwierig gestaltet sich der Deutscherwerb für Menschen,
deren Erstsprache nicht der indogermanischen Sprachfamilie angehört, da sich solche Sprachen
strukturell stark vom Deutschen unterscheiden und oft auch ein anderes Schriftsystem als das
lateinische verwenden (vgl. verbal 2002: 101; Krumm 2002b: 96).
Auch die Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit für den Spracherwerb ist viel diskutiert: Geht
man allgemein davon aus, dass Frauen die besseren Fremd- und Zweitsprachenlernerinnen seien
(Düwell 2003: 347), da sie höhere Motivation und dadurch eine gesteigerten Lernerfolg aufwiesen
(Schröder 1996: 5), zeigt sich bei genauerer Durchsicht der Forschungsarbeiten eine Reihe
Ungereimtheiten, die Schmenk (2002b) ausführlich behandelt und zu folgendem Schluss kommt:
Angesichts des unbeirrten Beharrens auf der Gültigkeit der These einer weiblichen Superiorität trotz mangelnder Nachweise muß man vielmehr davon ausgehen, daß der Glaube des jeweiligen Autors
17 Ausführliche Darstellungen zum Faktor Alter siehe Vogel 1990: 122-132; Larsen-Freeman/ Long 1994: 155-163.
23
einziger Garant für dessen Darstellung der Überlegenheit eines Geschlechts beim Fremdsprachenlernen ist […] (Schmenk 2002b: 118).
Auch die psychische Verfassung der Lernenden spielt eine Rolle beim Spracherwerb: Je höher die
psychische Stabilität, desto höher ist auch die Lerngeschwindigkeit und somit der Lernerfolg. Die
Stabilität hängt von Faktoren wie etwa der Überwindung von Sprach- und Kulturschock zusammen
(vgl. Knapp-Potthoff/ 1982; Schumann 1986).
2.2.2.4. Affektive Faktoren
Die Bandbreite der Faktoren, die zu den affektiven gezählt werden, ist sehr groß, was durch die
uneinheitliche Terminologie in den verschiedenen Forschungsarbeiten begünstigt wird (vgl. Kuhs
1989: 44).
Die Faktoren Angst, Hemmungen und Selbstvertrauen wirken stark mit den Persönlichkeitsfaktoren
zusammen, da diese die Grundlage bilden, auf der sich die affektiven Faktoren ausdrücken und
individuelle Reaktionen, wie Frustration, aber auch Begeisterung, hervorrufen und dadurch den
Zweitspracherwerb kennzeichnen können (Kuhs 1989: 53).
Angstgefühle können durch kulturelle oder persönliche Probleme, etwa der Angst vor
Zurückweisung und Versagen, oder der Angst vor Verlust der ethnischen Identität, ausgelöst
werden. Der Faktor kann jedoch Reaktionen auf beiden Seiten auslösen: Große Angst kann zu
Motivationsverlust, Zurückgezogenheit und Verkrampfungen führen, während nicht sehr stark
ausgeprägte Angstgefühle leistungsfördernd und anspornend wirken können (Kuhs 1989: 53).
Wenn mentale Sprachproduktionsprozesse gestört sind und auf bereits vorhandene Fähigkeiten
nicht zurückgegriffen werden kann, treten Angstgefühle in Form von Hemmungen auf. Die
Hemmungen können ein Gefühl des Versagens hervorrufen, was wiederum die Angst vor ähnliche
Situationen und folglich Rückzug und Ablehnung hervorrufen kann (Kuhs 1989: 55). Die
Verbindung zur Bedeutung des Selbstvertrauens in der Zweitsprache ist deutlich: Je geringer das
Selbstvertrauen entwickelt ist, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von Hemmungen und
Angstgefühlen (Kuhs 1989: 56f). Speziell problematisch erweist sich die Situation von
MigrantInnen:
Aus den alltäglichen Erfahrungen in der Kommunikation […] sowie den spezifischen sozialen und individuellen Problemen, wie sie sich aus den Anforderungen an das Leben von MigrantInnen ergeben, resultieren für die LernerInnen bestimmte Motivationsspektren. Ebenso wie positive Erwartungen enthalten diese jeweils auch Befürchtungen und Widerstände (Wölbert 2001: 42).
Laut Tarone (2006: 159- 162) kann der Lernerfolg in der Zweitsprache durch soziale und
sozialpsychologische Belastungen, die die kognitiven Prozesse beeinflussen, behindert werden.
24
Diese Belastungen resultieren in einer sozialpsychologischen Barriere, die verhindert, dass der
zweitsprachliche Input auf die kognitiven Prozesse einwirkt und so die Struktur der
LernerInnensprache verändert.
2.2.3. Die Reziprozität der sozialpsychologischen F aktoren und ihr Einfluss auf den Spracherwerb
Um die Komplexität des Beziehungsgefüges zwischen den verschiedenen sozialpsychologischen
Einflussfaktoren darstellen zu können, wird in Anlehnung an Kuhs (1989: 57-60) eine Graphik
herangezogen:
Abbildung 1: Quelle: Kuhs 1989: 58
Wie deutlich sichtbar ist, prägen die sozialen und politisch-ökomomischen Rahmenbedingungen
sowohl die Kommunikationserfahrungen, als auch die Persönlichkeit und die Einstellungen zum
Zweitspracherwerb, wodurch sie auch die Grundlage für den Zweitspracherwerb bilden. Die
Variable "Kontakt" weist eine ausgeprägte Wechselwirkung zu den anderen Faktoren auf und wird
scheinbar von der Komponente "Persönlichkeit" determiniert.
Auffallend ist weiters der Faktor "Einstellungen", von dem die Komponenten "Lernerorientierung"
und "Motivation" abhängig sind. Die Stärke des Einflusses der einzelnen Faktoren, aber auch von
verschiedenen Kombinationen davon, wird von der individuellen Ausprägung bestimmt.
25
Wie die Graphik zeigt, übt nicht nur die Persönlichkeit des Lerners/ der Lernerin, sondern auch die
Einstellung auf die kognitiven Faktoren und das sprachliche Selbstvertrauen Einfluss aus: Das
Ausmaß der angewandten kognitiven Strategien hängt einerseits von der Persönlichkeit des/ der
Lernenden ab, andererseits bestimmt es auch die Einstellung, wenn beispielsweise für den Lerner/
die Lernerin wichtig ist, sich möglichst schnell korrekt in der Zielsprache ausdrücken zu können.
Auch die Bedeutung der affektiven Faktoren darf nicht unterschätzt werden:
Wie schnell oder langsam, heftig oder 'leicht', ausgeprägt oder niedrig Ängste, Hemmungen und Selbstvertrauen bei einzelnen Menschen ausgelöst werden können, hängt von ihrer Persönlichkeitsstruktur ab; diese prädisponiert sozusagen die Empfindlichkeit bzw. Robustheit, mit der […] Zweitsprachenlerner Kommunikationssituationen und – erfahrungen begegnen, diese verarbeiten und beim Erlernen der Zweitsprache umsetzen (Kuhs 1989: 60).
Ausblick
Die Bedeutung der sozialpsychologischen Faktoren für den Zweitspracherwerb ist - zumindest für
die theoretische Forschung – evident: Der Schlüssel für einen erfolgreichen (Zweit)Spracherwerb
ist das persönliche Interesse an den Lernenden und deren spezieller Lebenssituation sowie die
Unterstützung bei der Meisterung des Alltags. Denn das Ziel von Sprachkursen kann nicht nur der
Zugewinn von Sprachkenntnissen sein, auch der Aufbau einer gesteigerten Alltagskompetenz muss
eine bedeutende Rolle spielen. Wird dadurch eine Stärkung des Selbstbewusstseins der Lernenden
erreicht, ist eingetreten, was Bestandteil jeden Sprachkurses sein sollte, nämlich Empowerment.
Die vorliegenden Schlüsse bezüglich der großen Bedeutung der Berücksichtigung der
sozialpsychologischen Faktoren für den Zweitspracherwerb sind auch auf die Praxis übertragbar. Es
stellt sich also die Frage, warum die Fremd- und Zweitsprachendidaktik sich von Ergebnissen, die
doch für den Erfolg des Spracherwerbs entscheidend sind, unbeeindruckt zeigt.
Eine mögliche Antwort kann in dem zusätzlichen Aufwand für die Lehrkräfte liegen, da die
Durchführung eines Unterrichts, der über die "übliche" Vermittlung von Sprachkenntnissen
hinausgeht, mehr Vorbereitung und Engagement erfordert. Eine andere Erklärung liefert die
Gewohnheit: Sprachkurse haben eine bestimmte (typische) Vorgehensweise und sind damit auch
mehr oder minder erfolgreich, wodurch man der Ansicht sein könnte, alles beim Alten zu belassen,
sei das Beste. Der dritte und wahrscheinlich ausschlaggebende Grund ist die Finanzierung: Um in
Sprachkursen tatsächlich Empowerment erreichen zu können, ist individuelle Betreuung der
KursteilnehmerInnen durch den Trainer/ die Trainerin erforderlich. Eine solche Zuwendung ist
jedoch nur bei entsprechend kleinen Kursgruppen möglich. Wenn nun die TeilnehmerInnenzahlen
bei Sprachkursen gesenkt würden, bedeutete dies, dass sehr viel mehr Kurse angeboten und
26
finanziert werden müssten. Doch ob die Notwendigkeit hierfür auch aus ökonomischer Perspektive
gesehen wird, darf bezweifelt werden.
2.3. Rahmenbedingungen für erfolgreiche Kursmaßnahm en
2.3.1. Sprachzwang
Die große Bedeutung von Sprachkenntnissen für eine erfolgreiche Integration und in weiterer Folge
für den Erwerb der Staatsbürgerschaft ist in Fachkreisen unumstritten, doch gilt dies nicht für die
breite Öffentlichkeit, wie Baur (2002: 21) ausführt:
Weil das Bildungsniveau auf dem Gebiet der Zweisprachigkeit und des Zweitspracherwerbes […] so gering ist, haben Laienprediger und Politiker es leicht, sich als Experten aufzuschwingen und sprachwissenschaftlich falsche, sprachpädagogisch gefährliche und sprachpolitisch unsinnige Entscheidungen anzukündigen und auch durchzusetzen (ebd.).
Der Umgang mit dieser Thematik ist folglich zwiegespalten: Plädieren ExpertInnen für Sprachkurse
auf freiwilliger Basis, drängt die Politik zumeist in die entgegengesetzte Richtung und strebt unter
Zwang gestellte Sprachkurse an. Die Gründe dafür mögen nicht alle ersichtlich sein, ein Faktor
springt jedoch ins Auge: die Signalwirkung.
Eine Spracherwerbspflicht, deren Erfüllung so spärlich gefördert ist, dass sie für viele Zuwanderer zu einer Hürde wird, und deren Nichterfüllung zugleich mit rigiden Sanktionen bedroht ist, erzeugt auch eine negative Signalwirkung, die der Integration kaum dienlich sein kann (Pöschl 2003: 38).
Auch der Österreichische Verband Deutsch als Fremdsprache/ Deutsch als Zweitsprache, ÖDaF,
warnt in seiner Stellungnahme vor zu strengen Maßnahmen:
Es gibt kein europäisches Land, das ähnlich strikte Sanktionen für 'integrationsunwillige' Ausländer vorsieht, wie es der vorliegende Gesetzesentwurf tut. Österreich würde sich in Europa exponieren als das Land mit den rigorosesten Zwangsmaßnahmen gegen Menschen mit Integrationsproblemen (ÖdaF 2002: 89).
Verpflichtende Sprachkurse sind aus verschiedenen Gründen abzulehnen (vgl. Boeckmann/ Eder/
Furch/ Plutzar 2003; Oberndörfer 2001; ÖDaF 2002; Pöschl 2003; Reich 2001b): Einerseits
bedeuten sie eine Art Integrationszwang, also einen grundlegenden Eingriff in die Autonomie der
MigrantInnen, der rechtlich fragwürdig ist (Oberndörfer 2001: 24). Darüber hinaus können
Deutschkenntnisse nicht als Indikator für Integrationswillen operationalisiert werden (Plutzar 2001:
67; Bauböck 2001: 21), da es verfehlt sei, den Besuch eines Deutschkurses mit tatsächlichen
Sprachkenntnissen gleichzusetzen. Das Erlernen einer Fremdsprache kann sich nicht nur aus
Altersgründen, sondern auch wegen durch den Zwang hervorgerufener (emotionaler) Blockaden als
schwierig erweisen (vgl. Kapitel 2.2.2.4).
27
Durch eine Verpflichtung wird den ZuwanderInnen gewissermaßen unterstellt, freiwillig nicht
bereit zu sein, die Landessprache zu erlernen:
Der Gesetzesentwurf schreibt für das 'Nichterfüllen der Integrationsvereinbarung' Sanktionen […] vor, so als müssten Zuwanderer mit Drohungen und Strafen dazu gebracht werden, die Sprache des Landes, in dem sie leben, zu lernen. Dabei wird ignoriert, dass Zuwanderer – angemessene Bedingungen vorausgesetzt – in der Regel stark motiviert und bereit sind, Deutsch zu lernen (Krumm 2002a: 32).
Doch die Annahme, man müsse die MigrantInnen zum Deutschlernen verpflichten, ist völlig
verfehlt, denn wie sich die ExpertInnen einig sind, ist nicht mangelndes Interesse, sondern
mangelndes Angebot das Problem (Beer-Kern 2002: 22; Boeckmann/ Eder/ Furch/ Plutzar 2003:
45; verbal 2002: 103; ÖDaF 2002: 89; Netzwerk SprachenRechte 2005b: 2; Pöschl 2003: 37).
Zu überlegen ist die Frage nach dem Verhältnis von Sprachkenntnissen und Integration: Während
scheinbar für den/ die GesetzgeberIn eine direkte Wechselwirkung zwischen den beiden
Komponenten besteht, in dem Sinn, dass der Erwerb von Deutschkenntnissen die "Erlangung der
Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in
Österreich" (NAG Art. 4 § 14 Abs. 1.) nach sich zieht, wird dies von ExpertInnen verneint: Weder
seien Deutschkenntnisse mit einer gelungenen oder gar abgeschlossenen Integration gleichzusetzen,
noch könne umgekehrt von guten Sprachkenntnissen auf eine "innerer Bindung zu Staat und
Gesellschaft" (Oberndörfer 2001: 24) geschlossen werden (vgl. auch Buttaroni/ Plutzar 2002;
Hartmann/ Stelzhammer 2002; Plutzar 2001; Reich 2001b; verbal 2002).
2.3.2. Kosten
Die wichtigste Aufgabe in diesem Zusammenhang ist die Beseitigung der Zugangsschranken, die es
auf dem Weg zur erfolgreichen Integration für MigrantInnen zu überwinden gilt. Diese Hindernisse
sind zunächst finanzieller Natur: Um in Österreich offiziell als integriert zu gelten, muss ein
Sprachkurs besucht werden, bei dem ein maximaler Kostenzuschuss von 50% (entspricht max. 750
Euro) vorgesehen ist. Die ZuwanderInnen müssen die restlichen Kosten selbst tragen, was oft
unmöglich ist, da sie häufig einkommensschwächeren Schichten angehören. Die Aufgabe des
Staates läge darin, Sprachkurse gratis oder zumindest kostengünstig zur Verfügung zu stellen, da es
andernfalls passieren kann, dass MigrantInnen aus finanziellen Gründen die
"Integrationsvereinbarung" nicht erfüllen können und somit langfristig keinen Aufenthaltstitel
erhalten:
Derartige Fälle werden sich nicht nur in atypischen Konstellationen, sondern regelmäßig ereignen, denn Zuwanderer gehören nicht nur ausnahmsweise, sondern sogar besonders häufig unteren Einkommensschichten an (Pöschl 2003: 29).
28
Auch das Eigeninteresse des Staates an integrierten Menschen darf nicht übersehen werden, denn
"die sozialen Folgekosten der Nichtintegration sind ungleich höher als rechtzeitig angebotene
Integrationshilfen" (Bade 2002: 19; vgl. Oberndörfer 2001; Reich 2001b).
2.3.3. Erreichbarkeit und soziale Besserstellungen
Eine andere Zugangsschranke ist die schlechte räumliche und zeitliche Erreichbarkeit von
Sprachkursen, die sich auch in der Stadt als Problem erweisen kann: Die entsprechenden Institute
müssen nicht nur für viele verkehrstechnisch gut erreichbar und flächendeckend sein, sondern auch
zu Zeiten stattfinden, zu denen keine beruflichen oder familiären Pflichten zu erwarten sind.
Begleitende Kinderbetreuung könnte teilweise Abhilfe schaffen.
Unter diese Rahmenbedingungen fallen auch rechtliche und ökonomische Besserstellungen, etwa
eine Aufenthaltsverfestigung, der freie Zugang zum Arbeitsmarkt oder zum geförderten
Wohnungsmarkt (Pöschl 2003: 3):
Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, um die alltäglichen Lebensumstände der Zuwanderer an die Aufnahmegesellschaft anzugleichen, darf es nicht erstaunen, wenn eine negative Einstellung zum Aufnahmeland und sogenannte Lernunwilligkeit die Folgen sind (Scheck 2003: 37)18.
2.3.4. Politische und gesellschaftliche Gleichberec htigung
Die wohl wichtigste Rahmenbedingung betrifft die politischen Mitspracherechte:
Das übergeordnete politische Ziel von Integration im demokratischen Verfassungsstaat ist laut
Oberndörfer (2001: 11) die Identifikation mit der politischen Gemeinschaft, die politische Werte,
Rechtsordnung und diverse Institutionen beinhaltet. Die Voraussetzung für eine solche
Identifikation und demgemäß auch für Integration seien jedoch "die staatsbürgerliche, soziale und
kulturelle Gleichberechtigung der Zuwanderer und der einheimischen Bürger sowie die Akzeptanz
der Zuwanderer durch die Aufnahmegesellschaft" (Oberndörfer 2001: 11).
Es stellt sich also die Frage nach der Wechselwirkung: Muss Integration "abgeschlossen" sein,
damit MigrantInnen rechtliche Gleichstellung verdienen, oder bedarf es rechtlicher Gleichstellung,
damit Integration als "abgeschlossen" gelten kann.
Bei der in Österreich derzeit gängigen Praxis ("integriert ist, wer deutsch spricht"), bedeutet dies,
dass Sprachkenntnisse die Voraussetzung für den Erhalt politischer und sozialer Rechte sind. Diese
18 Vgl. auch Buttaroni/ Plutzar (2002), die darauf hinweisen, dass sich der schlechte soziale Status von
MigrantInnen nachhaltig auf die sozialpsychologische Befindlichkeit der Lernenden auswirken kann.
29
Partizipationsrechte erhält allerdings nur, wer eingebürgert ist, also die Österreichische
Staatsbürgerschaft erworben hat. Tatsächlich ist die Teilnahme am politischen Geschehen im
Regelfall also erst nach mehreren Jahren (frühestens aber nach 6 Jahren) möglich19.
Die Partizipationsthese besagt, dass MigrantInnen erst auf die Teilnahme am politischen Leben
vorbereitet werden müssten, und zwar in der Form von zu erwerbenden Sprachkenntnissen. Die in
Österreich übliche Argumentation mit der Partizipationsthese findet vor allem bei ExpertInnen
wenig Anklang (Auditor 2003: 19; verbal 2002: 13; Jakober/ Zuser 1999: 10): "Diese immer wieder
angeführte Partizipationsthese gilt ja auch unabhängig von der Staatsbürgerschaft und für die
gesamte Wohnbevölkerung, also natürlich auch vor einer eventuellen Einbürgerung" (de Cillia
2001: 18).
Auditor (2003: 15f.) zeigt in diesem Zusammenhang Parallelen zwischen Globalisierung und
Integration auf: Beide seien von ökonomischen Bestrebungen und einer restriktiven, allein an
ökonomischen Interessen orientierten Einwanderungspolitik getrieben, deren primäres Ziel die
Beschaffung beziehungsweise Sicherstellung flexibler und möglichst billiger Arbeitskräfte sei. Die
"rechtliche, politische und sozioökonomische Marginalisierung" (Auditor 2003: 16) der
MigrantInnen werde mit Verweis auf ihre andere Sprache und Kultur sowie Nationalität und Ethnie
legitimiert.
Sehr treffend formuliert Schoch (2001: 220) den Zusammenhang von politischer Partizipation und
Rechtsstaatlichkeit, wenn er argumentiert, dass der politische Ausschluss von MigrantInnen ein
Demokratie- und Legitimationsdefizit von Nationalstaaten aufzeige, "erwächst in der Demokratie
doch alle Legitimation daraus, daß diejenigen, die den Gesetzen und Pflichten des Staates
unterworfen sind, über sie auch entscheiden: no taxation without representation" (ebd.).
2.4. "Integrationsvereinbarung" und Staatsbürgersch aftsprüfungen
Die so genannte "Integrationsvereinbarung" (NAG20, Art. 4. §§ 14-16), die erstmals mit der
Fremdengesetz-Novelle 2002 (BGBl. I 126/2002) am 01.01.2003 eingeführt wurde, trat in
veränderter Version am 01.01.2006 erneut in Kraft. Sie beinhaltet zwei aufeinander aufbauende
Module, von denen Modul 1 der Alphabetisierung und Modul 2 dem Erwerb von
Deutschkenntnissen dient: Während also das Lernziel des Alphabetisierungskurses die
Beherrschung der Schriftsprache für den anschließenden Besuch des Deutschkurses ist, sieht Modul
19 Siehe Kapitel 2.4. 20 NAG: Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I 100/2005, Art. 4.
30
2 die Absolvierung eines "Deutsch-Integrationskurses" vor, der die "Teilnahme am
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich ermöglichen" soll (§ 16
Abs.1 NAG). Für die Bewältigung des "Deutsch-Integrationskurses", dessen Abschlussniveau der
Stufe A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) entsprechen soll,
sind 300 Stunden zu je 45 Minuten vorgeschrieben. Der Kurs muss innerhalb von fünf Jahren ab
Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels durch eine schriftliche Abschlussprüfung
absolviert werden. Wird die "Integrationsvereinbarung" innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der
Erfüllungspflicht erfolgreich abgeschlossen, beläuft sich die Kostenbeteiligung des Bundes auf
maximal 50% der Kurskosten, das entspricht maximal Euro 750.-. Wer sie innerhalb der
vorgeschriebenen zwei Jahre nicht erfüllt, muss die Gesamtkosten in der Höhe von Euro 1500.-
selbst bezahlen.
Neben der "doppelt euphemistisch und unrichtig[en] Bezeichnung "Integrationsvereinbarung""
(Rohsmann 2003: 76), werten ExpertInnen die Bestimmungen als unausgereift, der Zielsetzung nur
sehr bedingt dienlich und für eine erfolgreiche Integration großteils kontraproduktiv: Ein 75
Stunden umfassender Alphabetisierungskurs sei "von vornherein zum Scheitern verurteilt" (Alfa
Zentrum für MigrantInnen 2005b: 1), da die vorgegebene Zeit zu kurz sei, um auf einen
Deutschkurs vorzubereiten, der sich inhaltlich an Menschen mit mindestens acht Jahren
Schulbildung richte. Des Weiteren sei es nur für einen Teil der MigrantInnen realistisch, innerhalb
der für die 300 Stunden vorgesehenen zwei Jahre das A2-Niveau zu erreichen, etliche andere
benötigten "mindestens den doppelten Zeitrahmen" für diese Anforderung (Alfa Zentrum für
MigrantInnen 2005: 5).
Ein anderer Kritikpunkt betrifft die Abschlussprüfungen: Sie seien nicht nur sprachdidaktisch
problematisch, da davon auszugehen sei, dass viele KursteilnehmerInnen nicht imstande sein
werden, Sprachkenntnisse auf A2-Niveau zu erwerben. Das Erreichen des Niveaus an sich sei auch
noch keine Gewähr für die Fähigkeit, eine Prüfung zu absolvieren, da man hierfür nicht nur lern-,
sondern auch prüfungsgewohnt sein müsse. Abzulehnen seien die Prüfungen nicht nur aus oben
genannten Gründen, sondern auch weil ihr Nicht-Bestehen schwerwiegende Konsequenzen nach
sich ziehen kann21. Die dadurch hervorgerufenen psychischen Belastungen könnten die ohnehin oft
schon schwierige Situation von MigrantInnen noch verschlimmern und folglich kontraproduktiv
wirken (Buttaroni/ Plutzar 2002; Krumm 2002). 21 Die Sanktionen, die die Integrationsvereinbarung bei Nichterfüllung vorsieht, reichen von Verwaltungsstrafen bis hin zur Ausweisung.
31
ExpertInnen kritisieren auch den vom Erfüllungszeitpunkt abhängigen Selbstbehalt von mindestens
50 % bis 100 % als zu hoch und fordern eine Kostenbeteiligung von 80-90%. Durch die große
Eigenbeteiligung sei es für viele unrealistisch, den Kursbetrag aufzubringen, vor allem, wenn
mehrere Mitglieder der Familie betroffen sind (Verbal 2002: 100; Netzwerk SprachenRechte
2005b: 6; Krumm 2005: 6).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch die "Integrationsvereinbarung" bestehende
Integrationshemmnisse aufrecht erhalten bleiben und zusätzlich neue geschaffen würden (vgl.:
Boeckmann/ Eder/ Furch/ Plutzar 2003; Krumm 2005; de Cillia/ Wodak 2006; ÖDaF 2002;
Netzwerk SprachenRechte 2005b; Pöschl 2003; Rohsmann 2003).
Die selben Bedingungen gelten im Prinzip auch für die Verleihung der Österreichischen
Staatsbürgerschaft, da der Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache (BGBl. I 37/2006 § 10a)
zentrale Voraussetzung für eine Verleihung ist. Diese Regelung wurde erstmals in der Novelle des
Staatsbürgerschaftsgesetzes 1998 eingeführt, wobei damals "unter Bedachtnahme auf die
Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache”
(Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 § 10a) gefordert wurden. Diese Regelung fällt im neuen
Gesetz weg; ohne Ermessensspielraum oder Möglichkeit der Rücksichtnahme auf spezifische
Lebensumstände (z.B.: Flüchtlinge) ist Modul 2 der Integrationsvereinbarung durch Absolvierung
einer schriftlichen Prüfung zu erfüllen.
In Form einer rund zweistündigen Prüfung ist des Weiteren der Nachweis von "Grundkenntnissen
der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes"
(BGBl. I 37/2006 § 10a Abs.1) zu erbringen. Die Fragestellungen der 18 Multiple Choice-Fragen
orientieren sich auf dem Niveau des Lehrplans der Hauptschule für den Unterrichtsgegenstand
"Geschichte und Sozialkunde" in der 4. Klasse" (BGBl. I 37/2006 § 10a Abs.6). Nicht bestandene
Prüfungen können wiederholt werden.
Auch hinsichtlich der Wartefristen für die Verleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft gab
es Verschärfungen: Für völkerrechtlich besonders zu privilegierende Gruppen (Bsp.:
Asylberechtigte, EWR-BürgerInnen), EhegattInnen von ÖsterreicherInnen, im Bundesland
Geborene sowie Personen, deren Einbürgerung "auf Grund der vom Fremden bereits erbrachten und
zu erwartenden außerordentlichen Leistungen auf wissenschaftlichem, künstlerischem oder
sportlichem Gebiet im Interesse der Republik liegt" (BGBl. I 37/2006 § 11 Abs.4 Z 4.) beträgt die
Wartefrist sechs Jahre. Für alle anderen beginnt der Rechtsanspruch bei nachgewiesener
32
"nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration" (BGBl. I 37/2006 § 12) nach 15 Jahren,
sollte dies nicht der Fall sein, nach 30 Jahren.
2.5. Die Vermittlung rezeptiver Varietätenkenntniss e im DaZ- Unterricht
Entsprechend den Zielen von Zweitsprache-Kursen sind die Teilnehmenden auf ihre sprachliche
Alltagsrealität vorzubereiten, was auch eine Thematisierung der Varietäten des Österreichischen
Deutsch sowie der anderen Varietäten des Deutschen beinhaltet. Besonders im Fall der "Mama lernt
Deutsch"-Kurse erscheint die Thematisierung speziell von Varietätenkenntnissen des
Österreichischen Deutsch in den Kursen als bedeutend, da die Teilnehmerinnen in Wien beinahe
permanent dialektalen oder regionalsprachlichen Sprachformen ausgesetzt sind. Die Begründung
dafür liefert die linguistische Forschung, die für Österreich (und den süddeutschen Sprachraum) ein
Dialekt-Standardsprache-Kontinuum konstatiert, das sich von der diglossen Situation etwa in der
Schweiz oder in Norddeutschland unterscheidet. Dialekt-Standardsprache-Kontinuum bedeutet,
dass es keine definierten Grenzen zwischen der Anwendung von Dialekt, Regionalsprache und
Standardsprache (oder Mischformen davon) gibt, dass also SprecherInnen unabhängig von der
Gesprächssituation innerhalb des Gesprächs zwischen dialektalen, regionalsprachlichen und
standardsprachlichen Sprachformen wechseln können. Dieser Umstand verdeutlicht die Bedeutung
der Thematisierung von Varietätenkenntnisse für die Teilnehmerinnen von "Mama lernt Deutsch"-
Kursen in Wien. Da es sich bei den Kursen aber in erster Linie um AnfängerInnenkurse handelt und
die Zeitressourcen in Sprachkursen unbestritten sehr gering sind, weshalb eine ausführliche, auch
produktive Kenntnisse umfassende Einbeziehung von Varietäten unmöglich erscheint, wird für die
Vermittlung rezeptiver Varietätenkenntnisse plädiert.
Unglücklicherweise steht die wissenschaftliche Forschung im Kontext "Varietätenkenntnisse im
DaZ- Unterricht" den Anforderungen der (Sprachkurs)Realität noch nach und liefert nur sehr
wenige Beiträge zu diesem Thema, weshalb im Folgenden vor allem Literatur aus dem Deutsch als
Fremdsprache- Bereich herangezogen wird.
2.5.1. Deutsch als plurizentrische Sprache
Der überregionale Variantenreichtum der deutschen Sprache bewirkt eine Unterteilung der
verschiedenen Sprachsysteme, die unter Gleichsetzung von Nation und Sprache in einer
33
Bundesdeutschen, Österreichischen und Schweizer Varietät des Deutschen resultiert. Basierend auf
Kloss (1978, 66-67) und Clyne (1984) geht die linguistische Forschung deshalb von Deutsch als
einer plurizentrischen Sprache aus:
Von einer plurizentrischen Sprache spricht man dann, wenn diese in mehr als einem Land als nationale oder regionale Amtssprache im Gebrauch ist und wenn sich dadurch standardsprachliche Unterschiede herausgebildet haben (Ammon et al. 2004: XXXI).
Der Auffassung von Deutsch als plurizentrische Sprache liegt zu Grunde, dass Besonderheiten der
einzelnen Varietäten nicht als Abweichung von einer nationenübergreifenden deutschen
Standardsprache (Ammon et al. 2004: XXXII), sondern als gleichwertig und gleichberechtigt zu
betrachten sind (vgl. Wiesinger 2001; Ammon et al. 2004; Hensel 2000). Die Entwicklung und
Normierung der deutsche Sprache erfolgt demgemäß in mehreren Zentren (Muhr 1993; Ammon et
al. 2004; de Cillia 2006), die jeweils eine nationale Varietät mit zumindest einigen selbstständigen
(kodifizierten) Normen bestimmen (Clyne 2005: 296)22.
Die drei nationalen Varietäten des Deutschen stellen aber keineswegs Einheiten dar, sondern lassen
sich weiter in Standardvarietät ("Hochsprache", "Schriftsprache"), Regionalsprache(n)
("Umgangssprache") und Dialekt(e) unterteilen. Dabei bezeichnen Varietäten "funktional von
einander geschiedene, konstitutive Subsysteme des Gesamtsystems einer Sprache" (Dittmar/
Schmidt-Regener 2001: 521), die inventarisieren, "welche Realisierungen von Sprache in
Abhängigkeit von der Sprachgebrauchssituation systematisch zu erwarten sind und als solche auf
allen Ebenen des Sprachsystems beschreibbar sind (Phonologie, Grammatik, Lexik)" (ebd.).
Jene Varietäten, die in dieser Arbeit eine wichtigere Rolle spielen, sind die so genannten regionalen
Varietäten (konkret des Österreichischen Deutsch), "die sich durch eine lokale bzw. regionale
Begrenztheit in Bezug auf ihren Gebrauch auszeichnen" (Baßler/ Spiekermann 2001c: 2). Dabei
lassen sich mit Baßler/ Spiekermann (ebd.) drei Varianten unterscheiden:
1. Dialekte: Die phonologischen, morphosyntaktischen und lexikalischen Eigenheiten von Dialekten bewirken eine Abgrenzung zu anderen regionalen Varietäten und zur Standardsprache sowie eine räumlich geringere kommunikative Reichweite.
2. Regionalsprache(n) ("Umgangssprache"): Die sprachlichen Besonderheiten von Dialekten, auf denen sie basieren, werden mit unterschiedlichem Grad abgebaut und durch standardsprachliche Annäherungen ersetzt. Der unterschiedlichen Grad an 'Dialektalität' bewirkt Abstufungen zwischen den verschiedenen Regionalsprachen.
3. Standardsprache(n): Davon ausgehend, dass es keine einheitliche Standardsprache gibt, wurden drei Varianten der Standardsprache entworfen:
a. Regionalstandards: Es lassen sich (zumindest innerhalb Deutschlands) standardsprachliche Varietäten identifizieren, die in formalen Situationen verwendet werden, aber z.B.: hinsichtlich prosodischer, phonologischer oder lexikalischer Merkmale z.T. große regionale Variationen zeigen.
22 "The term pluricentric was employed […] to denote languages with several interacting centres, each providing a national variety with at least some of its own (codified) norms" (Clyne 2005: 296).
34
b. Gestützt auf die Annahme von nationalen Standardardsprachen (vgl. Ammon 1995; Clyne 1995), die sich in Österreich und der Schweiz vom Bundesdeutschen Standard auf unterschiedlichen linguistischen Ebenen unterscheiden und deren Formen in Wörterbüchern kodifiziert sind, lassen sich Nationale Standards beschreiben, die entlang des sprachlichen Kontinuums jene regionalen Varietäten sind, die am stärksten kodifiziert sind und die wenigsten regionalen Merkmale aufweisen.
c. Standard: Die sprachliche Besonderheiten dieser Varietät werden in Wörterbüchern und Grammatiken kodifiziert und gelten als 'sprachliche Norm'. Da diese Varietät nur bewusst erlernt werden kann und nur unter sehr kontrolliertem, professionellem Sprechen und Schreiben benutzt wird, gilt sie als sprachliches Konstrukt, das in natürlicher Sprache kaum zu finden ist.
Die folgende Abbildung stellt gemäß den Ausführungen von Baßler/ Spiekermann (2001c: 2) ein
Modell regionaler Varietäten dar, das ein sprachliches Kontinuum zwischen den Polen "Dialekte"
und "Standard" annimmt. Je größer dabei die Annäherung der Varietäten an den Standard ist, desto
mehr kodifizierte Formen enthalten sie unter Vermeidung regionaler Merkmale (ebd.). Da die
Standardsprache nicht als den regionalen Varietäten des Deutschen angehörig betrachtet, sondern
den regionalen Varietäten gegenübergestellt wird, wurde ein Trennstrich in der Abbildung
eingefügt.
Abbildung 2: Modell regionaler Varietäten des Deutschen (Quelle: Baßler/ Spiekermann 2001c: 2)
2.5.2. Die Varietätenbreite des Deutschen im DaZ-Un terricht
Durch die Dokumentation der Curricula der "Mama lernt Deutsch"-Kurse ergab sich eine
Auseinandersetzung mit der Frage nach der Thematisierung von Varietäten in den Kursen. Da die
Kurse, wie bereits beschrieben, an der Alltagsrealität der Teilnehmerinnen orientiert sein sollen,
35
müssten zwangsläufig auch die (regionalen) Varietäten des Deutschen im Unterricht behandelt
werden. Doch auf welche Weise kann/ soll dies passieren? Diese Überlegungen manifestierten sich
in der ersten Forschungsfrage.
Um der zweiten Forschungsfrage auf den Grund zu gehen, nämlich, in welcher Weise die
Varietätenbreite des deutschen Sprachraums in die "Mama lernt Deutsch"- Kurse einbezogen wird,
befragten wir im Rahmen der quantitativen und qualitativen Studie die am Projekt Beteiligten, die
Kursleiterinnen, Kursteilnehmerinnen und KursträgerInnen. Die Ergebnisse der Befragungen finden
sich in Kapitel 6.
Im Anschluss wird versucht, den oben genannten Grundfragen Antworten zuzuführen.
Zwei Vorbemerkungen
1. Die folgenden Ausführungen thematisieren in erster Linie die Varietäten des Österreichischen
Deutsch, also das Einbeziehen von österreichischen Dialekt(en) und Regionalsprache(n) in den
DaZ-Unterricht in Wien. Die Vermittlung von Kenntnissen der Schweizer und Bundesdeutschen
Varietäten rückt in den Hintergrund, da sie für die Alltagsrealität der Teilnehmerinnen in Wien
nur eine geringe Rolle spielen.
2. Unglücklicherweise scheint das Thema "Vermittlung von Varietätenkenntnissen" bisher
ausschließlich für den DaF-Bereich diskutiert worden zu sein, weshalb auch die hier
eingearbeitete Fachliteratur dem Deutsch als Fremdsprache-Bereich entstammt. Die folgenden
Ausführungen wurden also entsprechend unserer Interpretation auf den DaZ-Bereich übertragen
und mögen vielleicht nicht in allen Fällen zutreffend sein. Doch solange es hinsichtlich der
Vermittlung von Varietäten im DaZ-Unterricht keine adäquaten Beiträge gibt, sind Forschende,
aber vor allem Lehrende, angewiesen, idiosynkratisch didaktische und methodische
Empfehlungen des DaF-Bereichs zu übertragen.
Die Bedeutung der Thematisierung von Varietäten im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht mag
vielen vielleicht fraglich erscheinen, doch sollte dies unseres Erachtens entsprechend den
Zielsetzungen von DaZ-Kursen im Deutsch als Zweitsprache- Unterricht keineswegs der Fall sein.
Der folgende Abschnitt, der sehr stark an Studer (2001) angelehnt ist, widmet sich den Fragen der
36
konkreten Umsetzung eines Unterrichtskonzepts, das die Thematisierung von Varietäten vorsieht23.
Hierfür stellt Studer (2001: 2) sieben Leitfragen auf:
1. Welche Argumente lassen sich für die Behandlung von Dialekten anführen? 2. Welche Rahmenbedingungen sollten für die Behandlung von Dialekten beachtet werden? 3. Auf welchen Stufen ist Thematisierung von Dialekten sinnvoll? 4. Welche sprachlichen Teilfertigkeiten sollen im Zentrum stehen? 5. Welche Dialekte können Unterrichtsgegenstand sein? 6. Welche didaktischen Prinzipien bieten sich für die Behandlung von Dialekten im Unterricht
an? 7. In welchem Umfang sollen Dialekte behandelt werden und was für 'Gefässe' eignen sich
dafür? (ebd.)
Im Folgenden sollen diese sieben Leitfragen beantwortet werden:
2.5.2.1. Argumente
Als wichtigstes Argument für die Behandlung von Dialekt(en) und Regionalsprache(n) im DaZ-
Unterricht lässt sich die angemessene Vorbereitung auf die Sprachwirklichkeit anführen:
Das Paradigma des kommunikativen FU24 macht es zwingend notwendig, den Lernern eine gebrauchsfähige Sprache zu unterrichten. Das bedeutet nicht nur, daß realistische Situationen präsentiert werden, sondern auch, daß die vermittelte sprachliche Substanz den Kriterien der kommunikativen Adäquatheit und pragmatischen Akzeptabilität genügt (Muhr 1993: 117).
Baßler/ Spiekermann (2001b: 32f.) machen das Argument, dass die alltagssprachliche Realität
normalerweise durch den Gebrauch regionalsprachlicher oder dialektaler Varietäten gekennzeichnet
ist, geltend und fordern deshalb für den kommunikativ orientierten Unterricht die Schulung
(rezeptiver) Varietäten- Kompetenz der Lernenden (siehe Kapitel 2.5.2.3). Auch de Cillia (2006:
58) plädiert für die Vermittlung eines "realistischen Bildes der Zielsprache" im Unterricht, auch um
die Lernenden vor unangenehmen Überraschungen zu bewahren (ebd.).
Auch die Tatsache, dass Dialekt(e) und Varietäten in der Primärsozialisation in vielen
Sprachgemeinschaften eine große Bedeutung haben und sie dadurch zu einem prototypischen
Gegenstand für interkulturelles Lernen werden können (Studer 2001: 5), kann als Argument für die
Thematisierung angeführt werden.
23 Studer fokussiert in seinem Artikel zwar auf Dialekte, die in den DaF-Unterricht eingebracht werden sollen, unseres Erachtens können seine Ausführungen aber auf die vorliegende Arbeit übertragen werden: Zum einen gibt es, wie bereits erwähnt, kaum Beiträge zu Varietäten- oder Dialektkenntnissen im Deutsch als Zweitsprache-Bereich, weshalb man von vornherein gezwungen ist, Überlegungen für DaF auf DaZ zu übertragen. Und andererseits können unserer Ansicht nach Ausführungen zu Dialektkenntnissen ohne Weiteres um den Faktor "Varietäten des Österreichischen Deutsch" erweitert werden. 24 FU: Fremdsprachenunterricht; unseres Erachtens auch auf Zweitsprachenunterricht übertragbar.
37
2.5.2.2. Rahmenbedingungen
Eine wichtige Rahmenbedingung für das Einbeziehen von Dialekt(en) und Varietäten in den
Unterricht ist die Thematisierung von Plurizentrizität, die den Lernenden anfänglich ein
Bewusstsein dafür schaffen soll, dass die Standardsprache unterschiedlich ausgesprochen wird
(Studer 2001: 7f.): Der Aufbau einer Wahrnehmungstoleranz gegenüber Varietäten des Deutschen
beginnend bei der Standardsprache soll über ein breites Angebot an authentischen Hörtexten mit
Varianten der drei Varietäten (ausgehend von der Standardsprache) erfolgen (vgl. Baßler/
Spiekermann 2001c: 20).
Das hierfür von Baßler/ Spiekermann (2001b: 33) geforderte "fundierte Wissen der Lehrenden über
die größeren Dialektlandschaften des deutschen Sprachgebiets mit ihren charakteristischen
phonologischen, morphosyntaktischen und lexikalischen Eigenschaften" scheint für den
Zweitsprache-Unterricht nicht unbedingt nötig. Hierfür dürften – im konkreten Fall – Kenntnisse
der Dialekte und Regionalsprache(n) in Wien sowie ein Basiswissen über die Bundesdeutsche und
Schweizer Varietät ausreichen.
Eine weitere wichtige Rahmenbedingung ist geeignetes Lehrmaterial, das der regionalen Vielfalt
des Deutschen Rechnung trägt: In den meisten Lehrmaterialien seien Dialekte und
Regionalsprachen unterrepräsentiert und in der Regel sprachlich nicht authentisch dargestellt, des
Weiteren beschränke sich die linguistische Charakterisierung dieser regionalen Varietäten meist auf
die lexikalische Ebene unter Vernachlässigung phonologischer, prosodischer, morphologischer und
syntaktischer Merkmale (Baßler/ Spiekermann 2001b: 32).
2.5.2.3. Stufen und sprachliche Teilfertigkeiten
Die Stufen, auf denen Varietätenkenntnisse vermittelt werden können/ sollen, sind in erster Linie
von der bestimmten Zielgruppe und deren Interessen sowie von der Sprachsituation im
Aufenthaltsland abhängig (Studer 2001: 8). Für den Deutsch als Zweitsprache- Unterricht in Wien
kann dies bedeuten, dass die Behandlung dieses Themas möglichst früh beginnen sollte, da die
TeilnehmerInnen von Deutschkursen wahrscheinlich sehr oft mit dialektalen und
regionalsprachlichen Sprachformen konfrontiert sind.
Ein Argument, das in diesem Kontext angeführt werden kann, ist die Überlegung, die Formel "Sich
in einer Sprache ausdrücken können und den/ die GesprächspartnerIn in einer anderen verstehen"
38
um Lesart "Sich in einer Standardvarietät ausdrücken können und den/ die GesprächspartnerIn in
einer Nonstandardvarietät verstehen können" zu erweitern (Studer 2001: 5). Auch Muhr (2000: 34-
36) spricht sich für "überregional produzieren, aber regional rezipieren können" aus.
Prinzipiell sollen also rezeptive Teilfertigkeiten mit einem klaren Schwerpunkt auf Hörverstehen
sowie die "Entwicklung und Schärfung eines Bewusstseins für soziokulturelle und
soziolinguistische Besonderheiten" (Studer 2001: 12) als metakognitive Aktivitäten im Zentrum
stehen. Die Konzentration auf rezeptive Kompetenzen, die durch Hörübungen und die
Thematisierung der sprachlichen Besonderheiten (die auch lexikalische, phonologische,
morphologische und syntaktische Merkmale mit einschließt) geschult werden sollen (Baßler/
Spiekermann 2001: 33), entspricht auch der geforderten Zweiseitigkeit von Anpassungsprozessen:
"DialektsprecherInnen können die Standardsprache ja in aller Regel problemlos verstehen, weshalb
sollten sie denn ihre rezeptive Hochdeutschkompetenz nicht in die Kommunikation mit
Fremdsprachigen einbringen?" (Studer 2001: 13)25.
Auch Muhr (1993: 118) spricht sich (zumindest teilweise) für rezeptive Kenntnisse aus, wie aus
seiner fünf Prinzipien umfassenden "plurizentrisch orientierten DaF-Didaktik" ersichtlich ist:
1. Vermittlung überregionaler Produktionsnormen; 2. Vermittlung regionaler Rezeptionsnormen; 3. Multiregionale Darstellung des sprachlichen Materials; 4. Multiregionale Bewußtmachung nationaler Varianten spätestens aber der Mittelstufe; 5. Prinzip der geographischen Nähe zum nächstliegenden deutschsprachigen Land als
primärer Orientierungspunkt für Normen (Muhr 1993: 118).
Muhrs Didaktik wäre unseres Erachtens sehr gut für den DaZ- Bereich adaptierbar, lediglich die
Punkte drei und vier könnten je nach Kenntnisstand der Lernenden optional behandelt werden.
Ein wichtiger Punkt in diesem Kontext ist die Problematik, die sich durch Verstehensprobleme (von
Varietäten) ergeben kann: Auch bei fortgeschrittener rezeptiver Varietäten-Kompetenz können in
authentischen Kommunikationssituationen Verstehensprobleme auftreten. Nun weisen Baßler/
Spiekermann (2001b: 33; 2001c: 20) darauf hin, dass die Wahl der Varietät eines Sprechers/ einer
Sprecherin eng mit seinem/ ihrem Identitätskonzept zusammenhängt:
Die Markierung von Verständigungsschwierigkeiten aufgrund der Wahl einer bestimmten Sprachvarietät kann daher auf der einen Seite leicht als Kritik des Sprecher-Selbst missverstanden werden und damit gesichtsbedrohend wirken. Auf der anderen Seite birgt die unterlassene Signalisierung eines Verstehensproblems für den Lerner das Risiko in sich, dem Gespräch nicht mehr folgen zu können und damit Folgekonflikte hervorzurufen (Baßler/ Spiekermann 2001b: 33).
25 Studer bezieht sich hier zwar auf die diglosse Situation in der Deutschschweiz, doch kann sie mE auf Österreich umgelegt werden.
39
Um dem Problem des Nicht-Verstehens entgegen wirken zu können, müssten deshalb
Dialogbausteine und Strategien eingeübt werden, mit deren Hilfe die Kommunikationsprobleme
rechtzeitig thematisiert werden können (ebd.).
2.5.2.4. Welche Dialekte, auf welche Weise und in welchem Umfang?
Studer (2001: 15) verweist bei der Frage nach der Auswahl der Varietäten26 wiederum auf die
Vermittlung rezeptiver Kompetenzen, denn so könnten mehrere Dialekte (und Regionalsprachen)
thematisiert werden. Dadurch könne der Vielfalt der Varietätenbreite "wenigstens in Ansätzen"
Rechnung getragen werden und es sei möglich, "auf so etwas wie eine allgemeinere rezeptive
Kompetenz im Bereich der Nonstandardvarietäten hinzuarbeiten" (ebd.). Dem halten Baßler/
Spiekermann (2001b: 33) entgegen, dass die Einbeziehung aller Dialektlandschaften nicht nur zu
einer Überfrachtung der Lehrbücher, sondern auch zu einer Überforderung der Lernenden führen
könnte. So plädieren sie für eine "Chance der Regionalisierung der Lehrmaterialien" (ebd.), indem
je nach Kursstandort in einer Region die entsprechenden dialektalen und regionalsprachlichen
Besonderheiten in Form von Hörmaterialien (etwa auf Homepages) zur Verfügung gestellt werden.
Wie bereits in Punkt 2.5.2.3 beschrieben, erscheint die Schulung rezeptiver Kompetenzen eine
geeignete Methode zur Vermittlung von Varietäten zu sein, wofür sich schon Müller/ Wertenschlag
(1985) mit der Formel "Dialekte verstehen- Hochdeutsch sprechen und schreiben" ausgesprochen
haben (vgl.: Studer 2001: 5; Muhr 2000: 34-36; Baßler/ Spiekermann 2001b: 33). Voraussetzung ist
dabei aber immer das Vorhandensein adäquater Lernmaterialien, wie sie etwa von Müller/
Wertenschlag (1985), Baßler/ Spiekermann (2001) und dem Verband Wiener Volksbildung (2003;
2005) entwickelt wurden.
Ausschlaggebend für den Umfang der Thematisierung von Varietäten im Deutsch als
Fremdsprache- Unterricht sind der Lernort sowie die Bedürfnisse und Ziele der Lernenden (Studer
2001: 17). Umgelegt auf den DaZ- Unterricht in Wien bedeutet dies, dass die Vermittlung von
Varietäten-Kenntnissen von Beginn an ein wichtiger Kursbestandteil sein sollte, da das Umfeld der
TeilnehmerInnen in Wien von Dialekt(en) und Regionalsprache(n) geprägt ist. Demgemäß werden
wahrscheinlich auch die Lernenden ihrer Alltagsrealität entsprechend die Vermittlung von Dialekt-
und Regionalsprache-Kenntnissen fordern.
26 Studer bezieht sich hier eigentlich auf die Auswahl der Dialekte im DaF-Unterricht, aber mE kann die Dialekt-Situation in der Deutschschweiz auf die Varietäten-Situation in Österreich übertragen werden.
40
Die Thematisierung anderer Varietäten, im österreichischen Fall der Schweizer und
Bundesdeutschen Varietät, erscheint im Kontext Deutsch als Zweitsprache trotz ihrer linguistischen
Bedeutung nicht entscheidend: Deutsch als Zweitsprache-Lernende sind tagtäglich mit der
konkreten Anwendung ihres sprachlichen Wissens konfrontiert, weshalb unseres Erachtens das im
DaF- Unterricht so wichtige Argument, das "Dogma des einzig guten und richtigen Deutsch" (Muhr
1997: 43) zu durchbrechen und Deutschlernenden auch andere Varietäten nahe zu bringen, nicht so
sehr zählt.
Resümee
Die Bedeutung von Varietätenkenntnissen im Bereich Deutsch als Zweitsprache ist
augenscheinlich: Die KT sind außerhalb, und manchmal auch innerhalb der Kurse mit sprachlichen
Erscheinungen konfrontiert, die nicht der Standardsprache angehören. Dies gilt, wie bereits in der
Einleitung beschrieben, in besonderem Ausmaß für Österreich und den süddeutschen Sprachraum,
da hier anders als etwa in der Schweiz oder in Norddeutschland ein Dialekt-Standardsprache-
Kontinuum herrscht (siehe Kapitel 2.5.). Wenn nun der Deutsch als Zweitsprache- Unterricht nicht
angemessen auf diese sprachliche Realität vorbereitet, verfehlt er sein Ziel, denn wozu, wenn nicht
um im (sprachlichen) Alltag bestehen zu können, werden (Zweit)Sprachkurse besucht? Demgemäß
ist die Meinung vieler KL, es solle zuerst die "korrekte" Standardsprache gelernt werden und erst
anschließend könne zur nächsten Stufe, zu Regionalsprache und Dialekt, übergegangen werden,
unseres Erachtens der falsche Weg, da die KT so möglicherweise lange Zeit großen
Verständigungsschwierigkeiten ausgesetzt sind.
Dies soll aber auch kein Plädoyer für die Vermittlung produktiver Varietätenkenntnisse sein,
zumindest nicht auf einem anfänglichen Niveau. Der Schlüssel erfolgreicher Zweitsprachekurse
liegt unserer Meinung nach neben produktiven standard- und regionalsprachlichen Kenntnissen in
der Vermittlung sowohl standardsprachlicher, als auch dialektaler und regionalsprachlicher
Kenntnisse auf rezeptiver Ebene, wofür die Methode "Fremdsprachenwachstum" (Buttaroni/ Knapp
1988; Buttaroni 1997) mit ihrem Schwerpunkt auf Authentizität besonders geeignet erscheint. Auch
die Euro-, beziehungsweise Interkomprehension, z.B.: in der Version von Klein/ Stegmann
(2000)27, die eigentlich die Schulung rezeptiver Fremdsprachenkenntnisse vorsieht, aber problemlos
27 Klein, Horst G./ Stegmann, Tilbert (2000): EuroComRom- die sieben Siebe. Aachen: Shaker. SieheVgl. auch Hufeisen, Britta/ Marx, Nicole (Hrsg.) (2007): EuroComGerm- die sieben Siebe. Aachen: Shaker; Blanche-Benveniste, Claire (Hrsg.) (1997): L’intercompréhension- Le cas des langues romanes. Paris: Edicef; Kischel, Gerhard/ Gothsch, Eva (Hrsg.) (1999): Wege zur Mehrsprachigkeit im Fernstudium. Dokumentation des Hagener Workshop. Hagen, 13.-14. November 1998. Hagen: FernUniversität.
41
auch für die Vermittlung rezeptiver Varietätenkenntnisse angewendet werden kann, bietet in diesem
Zusammenhang wertvolle Ansätze und Materialien.
Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang noch die wissenschaftliche Aufarbeitung des Bereiches
"Vermittlung von (rezeptiven) Varietätenkenntnissen im Deutsch als Zweitsprache- Unterricht", da
sich die Forschung, wie bereits in Kapitel 2.5.2 beschrieben, auf den Deutsch als Fremdsprache-
Unterricht beschränkt.
2.6. DaZ-Kursmaßnahmen für erwachsene MigrantInnen
Der allgemeine Deutschkurs für ausländische Arbeitnehmer mit audiovisueller Methode, der zu
Beginn der Geschichte von Deutsch als Zweitsprache den einzigen geförderten Kurstyp dargestellt
hat, hat sich mittlerweile weiterentwickelt (Reich 2001a: 62): Zunächst erfolgte eine
Differenzierung nach Lernniveaus und Kurstypen (Allgemeiner Kurs, Intensivkurs,
Alphabetisierungskurs, Vorbereitungskurs zum Erwerb von Zertifikaten) und danach nach
Zielgruppen (z.B. Jugendliche oder Frauen). Für die Ausarbeitung von Mindestausstattungen,
Unterrichtsanregungen und Lehrwerksanalysen aufgrund eigener Analysen spielte in Deutschland
der Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer eine zentrale Rolle. Trotz des starken
Anstiegs von Angebot und Nachfrage an DaZ-Kursen gibt es laut Reich (ebd.: 65) mittlerweile
adäquate Kursangebote für die meisten LernerInnengruppen (mit Ausnahme von Asylwerbern). Der
Zugang zu entsprechenden Angeboten wird jedoch durch die soziogeographischen Voraussetzungen
eingeschränkt, da die ländlichen Gebiete in der Angebotsstruktur mit den Großstädten nicht
mithalten können. Neben dem internationalen Zertifizierungswesen (in Deutschland bspw.
Zertifikat DaF oder Grundbaustein DaF, in Österreich das Österreichische Sprachdiplom) hat sich
auch eine Didaktik herausgebildet, die soziokulturelle Aspekte bei Themen und Inhalten
berücksichtigt. Laut Reich (ebd.: 66) sind hier vor allem zu nennen: die Beschäftigung mit
Herkunftssprachen beispielsweise in Form von Kontrasten zum Deutschen, die Methodik eines
Deutschkurses unter Berücksichtigung des Deutschlernens aus Gründen sozialer Not und weniger
aus freier Entscheidung und der Umgang mit lernungewohnten Lernenden. Luchtenberg (2001:
860) führt zudem noch die Schwerpunksetzung auf das Konzept des handlungsorientierten
Unterrichts einerseits und der Konzentration auf die Vermittlung des Sprachsystems andererseits an,
wobei sich die Notwendigkeit letzterer aus der fehlenden Möglichkeit einer systematischen
Vermittlung im ungesteuerten Erwerb ergibt. Aufgrund der Heterogenität der LernerInnengruppen
42
haben sich ebenfalls neue Konzepte der Binnendiffenzierung entwickelt, welche eigentlich ein
Merkmal schulischen Unterrichtens darstellt. Das Lernen an und von der Sprachwirklichkeit und
die Standards für DaZ-Kurse sind laut Reich (ebd.) hingegen noch wenig ausgebildet, aber
zumindest in Ansätzen vorhanden. Vor allem hinsichtlich der Professionalität der KursleiterInnen,
die unter höchst unterschiedlichen Bedingungen beschäftigt und ausgebildet werden, ortet Reich
hingegen große, "sozial determinierte Qualititätsgefälle" des DaZ-Unterrichts.
Die institutionelle Struktur der DaZ-Kurse beruht großteils auf Subventionen: zunächst werden
öffentliche Mittel ausgeschrieben, um die sich dezentral Kursträger bewerben, welche jedoch meist
in irgendeiner Form wiederum an zentrale Organisationen angebunden sind, die sich um die
Entwicklung der Didaktik die Kursqualität und die Qualifikation der KursleiterInnen kümmern
(Reich 2001a: 61).
Institutionell verankert ist der Erwerb von Deutsch als Zweitsprache im deutschsprachigen Raum
vor allem in den Volkshochschulen (Barkowski 2003a: 525f.), wobei sich durch den steigenden
Bedarf sehr viele unterschiedliche Kursanbieter – sowohl im privat-kommerziellen Sektor als auch
im Bereich der Vereine – herausgebildet haben. Laut Clalüna (1997: 44) sind in der Schweiz zudem
vor allem eigene MigrantenInnenorganisationen für DaF/ DaZ-Kurse für MigrantInnen zuständig
sowie regionale Zentren, die auch in ein gesamtschweizerisches Programm zur Schulung und
Weiterbildung arbeitsloser AusländerInnen eingebunden sind. In Deutschland war bis vor einigen
Jahren der bereits erwähnte Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e.V.
Hauptkoordinator und -finanzgeber für die zahlreichen DaF/ DaZ-Kurse der Volkshochschulen,
Gewerkschaftseinrichtungen und Wohlfahrtsverbände in Deutschland, die er mit Mitteln des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales förderte (Reich 2001a: 62). Der Verband wurde 1974
in Mainz gegründet, jedoch mit 30. September 2003 aufgelöst, da das Bundesministerium für
Inneres mit Jahresanfang 2003 die Aufgaben des Sprachverbandes auf das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (seit 2005 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge)
übertrug28.
Dass DaZ-Kurse vor allem von Volkshochschulen organisiert werden, trifft auch auf Österreich zu,
wo der Verband Wiener Volksbildung (VWV) mit seinen 18 Wiener Volkshochschulen und der
Verband der Österreichischen Volkshochschulen (VÖV) mit seinen zahlreichen Volkshochschulen 28 Die Zerschlagung einer bewährten Einrichtung und die Übertragung dieser Agenden in das für Aufenthaltsrecht und polizeiliche Angelegenheiten zuständige Innenressort ist im übrigen ein Hinweis auf einen problematisch, integrationsfeindlichen Paradigmenwechsel der Migrationspolitik wie er auch in Österreich im letzten Jahrzehnt stattgefunden hat.
43
in allen Bundesländern als Hauptkontaktadresse im Bereich Deutsch als Zweitsprache zu nennen
sind (Barkowski 2003a: 525f.; vgl. Koliander-Bayer 2001: 1421). Dieser Befund wird vor allem
durch neueste empirische Daten gestützt (Filla 2003), wonach sich die Volkshochschule überhaupt
als die "größte Sprachschule des Landes" nennen darf, da sie außerhalb von Schule und Universität
die meistfrequentierte Sprachlerninstitution in Österreich darstellt (dies bezieht sich allerdings nicht
nur auf Deutsch als Fremd-/ bzw. Zweitsprachen, sondern auch auf alle anderen Sprachen). Filla
führt dies vor allem auf die folgenden Aspekte im Bereich der Volkshochschulen zurück:
Kostengünstigkeit, methodisch-didaktische Entwicklungsarbeit, MitarbeiterInnenschulung,
internationale institutionelle Vernetzung und Dezentralität der Volkshochschule sowie KundInnen-
Bindung (ebd.: 22). Die Befragung der 2000 repräsentativ ausgewählten Personen ab 15 Jahren im
Rahmen der Umfrage bei Filla (ebd.: 17) ergab folgende Verteilung in Bezug auf die Frage, wo die
Befragten außerhalb von Schule und Universität innerhalb der letzten 10 Jahre Sprachen gelernt
haben:
- in einer Volkshochschule 31 Prozent - bei Auslandsaufenthalten 23 Prozent - im Selbststudium mit Hilfe von Kassetten, 19 Prozent
Lernbüchern, Lernsoftware - im WIFI 18 Prozent - bei Kontakten mit ausländischen 13 Prozent
Kolleg/innen, Freund/innen, Partnern - in einem privaten Spracheninstitut 12 Prozent - im Betrieb 8 Prozent - im BFI 6 Prozent - in einer sonstigen Einrichtung für
Erwachsenenbildung - Sonstiges 4 Prozent - Weiß nicht, keine Angabe 4 Prozent
Betrachtet man lediglich die Institutionen, die von den Befragten angegeben wurden, so liegt die
Volkshochschule an der Spitze der meistbesuchten Sprachlerninstitutionen in Österreich, gefolgt
vom WIFI (Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreich) und den privaten
Sprachinstituten auf dem zweiten und dritten Platz sowie von Betrieben, dem BFI
(Berufsförderungsinstitut) und anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen auf dem vierten, fünften
Platz und letzten Platz.
Was den DaZ-Bereich betrifft, sollten darüber hinaus noch die zahlreichen Vereine erwähnt werden,
die ebenfalls DaF/ DaZ-Kurse in Österreich anbieten – die Vereine "Projekt Integrationshaus",
"Peregrina", "Interface" und "LEFÖ" (Lateinamerikanische exilierte Frauen in Österreich) können
hier nur exemplarisch angeführt werden (vgl. Fritz 1999). Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass
sich die Umfrage bei Filla lediglich auf das außerschulische und –universitäre Sprachenlernen im
44
Allgemeinen bezieht, nicht aber auf das Deutsch als Zweitsprache/Fremdsprache-Lernen im
Besonderen, was natürlich ein anderes Untersuchungsdesign und andere Antwortvorgaben
notwendig gemacht hätte. Demzufolge bleibt eine empirische Studie, die die am häufigsten in
Anspruch genommenen DaF/ DaZ-Kursanbieter in Österreich erhebt, ein dringendes
Forschungsdesiderat. Vor allem wäre es interessant und wichtig zu erheben, welche Institutionen
die so genannten "Integrationskurse" durchführen, und ob die vom Gesetz vorgesehenen
Qualitätsstandards eingehalten werden (können). Immerhin treten hier pötzlich Anbieter auf den
Plan, deren "Kerngeschäft" bis zur "Integrationsvereinbarung" nicht unbedingt die Spracharbeit
war, beispielsweise das Rote Kreuz.
Ungeachtet des Fehlens einer zentralen Dokumentation für den österreichischen DaZ-Bereich im
Allgemeinen und für DaZ-Kurse für erwachsene MigrantInnen im Besonderen sollen im Folgenden
die Wiener Sprachoffensiven als ein regionales Beispiel sowohl für DaZ-Kursmaßnahmen als auch
für aktive Sprachenpolitik in Österreich beschrieben werden.
Sprachoffensiven des Wiener Integrationsfonds
Die so genannten Sprachoffensiven29, die in den Jahren 1998 bis 2002 durchgeführt wurden, zeigen,
dass regionale Kurse mit geringem Selbstbehalt an Institutionen, die die Zielgruppe gut erreichen,
in Wien bereits eine Tradition haben, womit die Sproffs quasi als Vorgänger der "Mama lernt
Deutsch"-Kurse betrachtet werden können.
Konzeptionell sollten die Kurse der Sproffs den Defiziten anderer DaF/ DaZ- Kursmaßnahmen
entgegen wirken, wobei die Bereiche Angebot, Information und Beratung sowie
Geschlechtsspezifik als defizitär empfunden wurden: Es gebe zu wenig, beziehungsweise nicht gut
auf einander abgestimmte Angebote, die zielgruppenspezifisch auch quantitativ nicht ausreichend
seien. Die Zielgruppe habe zu wenig Zugang zu Informationen bezüglich der Organisation der
Kurse und werde zu wenig (gut) beraten. Des Weiteren seien die Kurszeiten nicht optimal, vor
allem, da es bei den meisten Kursmaßnahmen kein Kinderbetreuungsangebot gebe (Wiener
Integrationsfonds o.J.).
Es wurde versucht durch die Sproffs, die sich durch geringe Selbstbehalte sowie geeignete
Rahmenbedingungen auszeichneten, integrationspolitisch, arbeitsmarktpolitisch und frauenpolitisch
positive Effekte zu erzielen.
Folgende Kriterien wurden für die Umsetzung der Sproffs festgesetzt:
29 Im Folgenden "Sproffs"
45
a. Definition der Zielgruppe: Personen mit nichtdeutscher Erstsprache ab 16 Jahren, mit oder ohne
Vorkenntnissen
b. Organisation:
b.1. Gleichmäßige Verteilung der Kursstandorte in Wien
b.2. Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln
b.3. Tages-, Abend-, Wochenendkurse mit einem Umfang von 30 bis 90 Unterrichtseinheiten
b.4. Kursdauer von mindestens 4 bis maximal 26 Wochen
b.5. Mindeststundenzahl von vier Unterrichtseinheiten pro Woche
b.6. Vielfältiges und spezifisches Kursangebot auf verschiedenen Niveaustufen
b.7. TeilnehmerInnenzahl: mindestens 10 bis maximal 15 Personen
c. Flankierende Maßnahmen: Kinderbetreuung; Einrichtung der Kursberatungsstelle (KBS)
Die Kursberatungsstelle KBS wurde 1998 vom Wiener Integrationsfonds mit den Aufgaben
Beratung, Informationstätigkeit, Kooperation mit KursträgerInnen und Berichtswesen gegründet. In
der KBS wurden auch Einstufungsgespräche durchgeführt, bei denen auch die Ziele der
InteressentInnen sowie persönliche Voraussetzungen für den Kursbesuch geklärt wurden. Im
Rahmen der Spracherwerbsberatung in der KBS sollten die TeilnehmerInnen mit individueller
Unterstützung zu einer Selbstbeurteilung ihrer sprachlichen Kompetenzen kommen. Dies war als
Ergänzung zu den Selbstlernstrategien konzipiert, beziehungsweise für all jene, die keinen Kurs
besuchen konnten.
Um einen niederschwelligen Zugang zu gewährleisten und den Kontakt zwischen Eltern und
Schulpersonal zu intensivieren, wurden 2002 erstmals auch Deutschkurse an zwei Wiener
Volksschulen angeboten: Die insgesamt fünf Deutsch- und Kommunikationskurse für Eltern von
Schulkindern, die teilweise als reine Frauenkurse organisiert waren, fanden entweder während des
Unterrichts oder mit Kinderbetreuung danach statt.
Unter dem Namen "Triangel" wurden auch an zwei Kindertagesheimen Kommunikationskurse für
Eltern von Kindergartenkindern angeboten. Diese Kurse erzielten eine Verbesserung der
Kommunikation zwischen Eltern, MitarbeiterInnen des Kindergartens und Kindern aus
Migrantenfamilien.
46
Die Kurse innerhalb der Sprachoffensiven wurden regelmäßig durch Fragebögen für die
TeilnehmerInnen, Berichte der Kursleiterinnen und KursträgerInnen sowie interner
Qualitätssicherung der KursträgerInnen und Endberichte des Wiener Integrationsfonds evaluiert.
Während in Kapitel 2 theoretische Überlegungen zu Sprache und Integration im Allgemeinen sowie
zu den Faktoren des Spracherwerbs in der Migration im Besonderen angestellt wurden, wenden wir
uns in dem folgenden Kapitel den konkreten "Mama lernt Deutsch"-Konzepten im
deutschsprachigen Raum zu, wobei in Kapitel 3.2 eine detalliertere Beschreibung des
Projektbezogenen Curriculums für die Wiener "Mama lernt Deutsch"-Kurse erfolgt.
47
3. "Mama lernt Deutsch"- Konzepte
3.1. "Mama lernt Deutsch" im deutschsprachigen Raum
Zu Beginn der Projektarbeit im September 2006 stand die Erstellung einer Bestandsaufnahme
anderer und früherer "Mama lernt Deutsch"-Kurse im deutschsprachigen Raum, die auch dem
Austausch von Erfahrungen und Materialien bereits geplanter oder schon abgeschlossener
Evaluationen dienen sollte.
Die Recherche und Kontaktaufnahme mit Verantwortlichen der diversen Kurse gestaltete sich
teilweise als schwierig, da die etwa in Forschungsartikeln recherchierten Informationen nicht
(mehr) der Realität entsprachen oder es gar keine Publikationen zu den Kursen gab, weshalb wir für
manche Städte beziehungsweise deutsche Bundesländer langwierige Online-Recherchen
durchführen mussten. Die Informationslage im Internet war sehr unterschiedlich: Entweder es gab
ganze Homepages zur konkreten Ausführung des Kursmodells in einer Stadt/ einem Land, oder es
wurde nur lapidar auf das Vorhandensein der Kurse verwiesen. In diesen Fällen mussten wir erst die
richtigen Ansprechpersonen ausfindig machen, was mitunter recht schwierig und langwierig war, da
wir von einer Person zur nächsten weiter verwiesen wurden. Landeten wir schließlich bei dem/ der
zuständigen SachbearbeiterIn, konnte sich die Mühe als unnötig erweisen, wenn wir von diesem/
dieser keine neuen Informationen erhielten. In anderen Fällen waren die Kontaktpersonen sehr
entgegen kommend und stellten uns wichtige Materialien und Informationen zur Verfügung.
Im Zuge der Bestandsaufnahme kamen wir zu der Erkenntnis, dass, obwohl das Kurskonzept
"Mama lernt Deutsch" in Deutschland und der Schweiz schon vielfach umgesetzt wurde,
anscheinend keine vergleichbaren Untersuchungen durchgeführt worden waren. Worauf wir jedoch
mehrmals stießen, waren Berichte, in denen methodisch entweder rein qualitativ, oder – was öfter
der Fall war – rein quantitativ vorgegangen worden war.
Am Ende der Recherche standen uns eine Vielzahl von Berichten und Evaluationen aus
verschiedenen Städten Deutschlands und der Schweiz zur Verfügung, die meisten wurden uns per
Email geschickt oder online zur Verfügung gestellt, in einem Fall mussten wir für einen
Evaluationsbericht bezahlen.
48
Deutschland
Das Konzept "Mama lernt Deutsch" wurde erstmals 1997 in Frankfurt am Main eingeführt und wird
mittlerweile beispielsweise auch in folgenden Städten angeboten: Berlin (seit 1998), Hamburg (seit
2000), Bremen (seit 2000), Wiesbaden (seit 2001), München (seit 2002/ 2003), Lindau, Hannover
und Stuttgart. Die Kursdesigns unterscheiden sich unterschiedlich stark voneinander, wie auch aus
den im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel XI) befindlichen Tabellen ersichtlich ist.
Die konkrete Ausführung der Kurse differiert teilweise sehr, sodass manche Kurse gratis angeboten
werden, in anderen aber Kostenbeiträge verlangt werden: Diese reichen von 80 bis 150 Euro pro
Kurs. Auch bezüglich der Ausbildung der KL30 gibt es große Unterschiede: Während in manchen
Kursen Volksschullehrerinnen eingesetzt werden, unterrichten in anderen Fällen "langjährig
erfahrene DaF-Dozentinnen", "geschulte PädagogInnen" und "speziell ausgebildete Lehrkräfte",
teilweise wird dabei auf Universitätsausbildungen verwiesen.
Außerdem unterscheiden sich die Kurse bezüglich ihres Angebots und ihres Umfangs: In manchen
Städten werden sehr viele Kurse angeboten, zum Beispiel in Berlin, wo es 2005 455 Kurse gab,
während das Angebot in Städten wie Wiesbaden oder Bremen mit 17 bzw. 19 Kursen eher gering
ist. Der Umfang der angebotenen Kurse reicht von 100 bis 160 Einheiten.
Gemeinsam ist jedoch allen Kursen, dass sie am Vormittag, in der Schule und mit Kinderbetreuung
stattfinden.
Schweiz und Liechtenstein
Obwohl es aufgrund der stark föderalen Struktur der Schweiz nicht möglich war, vollständige
Informationen über "Mama lernt Deutsch"-ähnliche Kurse in der gesamten Schweiz von einer
zuständigen Stelle zu erhalten, haben unsere Recherchen dennoch Informationen zu einigen
prominenten Kursmaßnahmen für Mütter geliefert. Der Pionier dieser Kursreihen dürfte das
"MuKi-Deutsch"-Projekt sein, das 1999 im Kanton Aargrau ins Leben gerufen und 2006 auf den
Kanton Solothurn ausgeweitet wurde. Laut Rosa-Maria Rizzo, der Programmleiterin beim Träger
"machBar", stellt "MuKi-Deutsch" das "grösste durch den Bund mit geförderte Sprach- und
Integrationsförderprojekt der Schweiz" dar. Das Konzept ist dem von "Mama lernt Deutsch"
ähnlich: Die zweimal wöchentlich anberaumten Doppellektionen finden in der Schule mit
30 KL steht im Folgenden für Kursleiterinnen.
49
Kinderbetreuung statt, wobei diese von zwei Kursleiterinnen – einer aus der Schule und einer aus
der Erwachsenenbildung – abgehalten werden.
Andere Konzepte, wie die in Basel-Stadt ("Ich lerne Deutsch fürs Kind") und Luzern
("Deutschkurse für Mutter und Kind") sehen im Unterschied zum "Mama lernt Deutsch"-Konzept
einen zumindest teilweise gemeinsamen Unterricht der Mütter mit ihren Kindern vor. Die
Kurskosten der verschiedenen Kursreihen variieren stark, liegen in den meisten Fällen jedoch
deutlich über der Kurskostenhöhe der Wiener Kurse. Ein anderer Unterschied zu den "Mama lernt
Deutsch"-Kursen in Wien besteht in der Schwerpunktsetzung vieler Schweizer Kurse auf das
Vorschulalter.
In Liechtenstein war der Start eines eigenes Projekt mit dem Namen "MaKi-Deutsch" für das
Schuljahr 2006/2007 geplant, jedoch fanden laut unserer Informantin bis Ende Oktober 2006 noch
keine Kurse statt. Auch diese Kursmaßnahme ähnelt den Schweizer Kursen, wobei Mütter und
Kinder die ersten drei Wochen wiederum gemeinsam unterrichtet werden sollen.
3.2. "Mama lernt Deutsch" in Wien
3.2.1. Konzept
Die "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme wurde als neuer Förderschwerpunkt der MA 17 für
nichtdeutschsprachige Mütter erstmals im Schuljahr 2006/ 2007 durchgeführt. Im Gegensatz zu den
oben beschriebenen "Integrationsvereinbarungs"-Maßnahmen setzt die Stadt Wien bewusst einen
Akzent auf eine niederschwellige, praxisorientierte und über das Sprachenlernen hinausgehende
Kursmaßnahme. Wichtig dabei ist auch die Konzeption als freiwillige Kurse, die mit angstfreier
Lernatmosphäre, für die keine Einstiegs- oder Abschlussprüfungen in irgendeiner Form vorgesehen
sind, absolviert werden können.
Die "Mama lernt Deutsch"-Kurse in Wien verfolgen wie auch die Kurse in anderen
deutschsprachigen Städten das Ziel, bildungsfernen Müttern mit Migrationshintergrund eine
Möglichkeit zur Erweiterung ihrer sprachlichen und sozialen Kompetenz in einem fremden Land zu
bieten: Teil des Konzepts ist hierbei auch der Umstand, dass die Kurse über "normale" Sprachkurse
hinaus gehen und durch "zusätzliche integrative Bildungsmodule" (Projektbezogenes Curriculum:
50
2)31, also etwa Exkursionen und Vorträge, auch die soziale und gesellschaftliche Kompetenz der
Kursteilnehmerinnen stärken sollen, kurz: Der Deutschkurs soll ein Empowerment der Mütter
bewirken, das die Mütter einerseits durch das Zusammentreffen mit Frauen in ähnlichen
Lebenssituationen und andererseits durch die Erhöhung ihrer kommunikativen
Handlungskompetenz aus ihrer – vermuteten – Isolation führen soll. Dieser Umstand macht die
"Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme gleichzeitig zu einem Integrations- und Sprachkurs, der die
wechselseitige Einflussnahme von Sprache und Integration deutlich macht.
Als Kursstandort wurde die Institution Schule aus mehreren Gründen gewählt: Zum einen, da die
meisten Mütter ihr Kind/ ihre Kinder ohnehin in die Schule begleiten und dadurch keinen
zusätzlichen Weg auf sich nehmen müssen. Zum anderen müssen durch den vertrauten Ort Schule
keine Hemmschwellen zu anderen Institutionen überwunden werden. Drittens stellt die
Verbesserung der innerschulischen Kommunikation eines der Hauptziele der "Mama lernt
Deutsch"-Kurse dar: Durch die Anwesenheit der Mütter im Schulgebäude bekommen sie nicht nur
einen guten Einblick in den Schulalltag ihrer Kinder, sondern können auch besser in die Arbeit der
Schule einbezogen werden. Darüber hinaus werden durch die Anwesenheit der Mütter viele
Berührungspunkte zwischen ihnen und anderen Eltern, der Direktion und den LehrerInnen
geschaffen. Auch eine (vermehrte) Teilnahme an schulischen Aktivitäten (Elternabend,
Elternsprechtag, Feste, etc.) soll durch die "Mama lernt Deutsch"-Kurse erzielt werden. Durch die
Vorbildfunktion der Mütter, die als Erwachsene ein Bildungsangebot in Anspruch nehmen, wird
zudem ein positiver Einfluss auf den Lern- beziehungsweise Schulerfolg der Kinder erwartet.
3.2.2. Kursdesign
Die das Schuljahr begleitenden Kurse finden in Wohnortnähe der Mütter am Standort Schule statt,
da die Mütter in den Schulen ihrer Kinder den jeweiligen Kurs besuchen sollen. Je nach
Möglichkeiten der Schule finden die Kurse am Vormittag oder Nachmittag mit gleichzeitiger
kostenloser Kinderbetreuung statt. Der Umfang der Kurse beträgt 150 Stunden, die auf zwei Mal
pro Woche drei Stunden Unterricht aufgeteilt sind. Die Kurskosten betragen dafür insgesamt 150
Euro, also einen Euro pro Unterrichtseinheit. Durch ein niederschwelliges Angebot, langsame
Progression und die Orientierung der Kursinhalte an der Alltagsrealität der Teilnehmerinnen kann
die Lebenswirklichkeit der Frauen berücksichtigt werden. Bei Bedarf werden auch
Alphabetisierungskurse angeboten.
31 Das Projektbezogene Curriculum, auf das im Folgenden verwiesen wird, befindet sich in vollständiger Fassung im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit der Diplomarbeit der Diplomarbeit, Kapitel I).
51
Unterrichtet werden die Kursteilnehmerinnen im Fall der Wiener "Mama lernt Deutsch"-Kurse
entweder von ausgebildeten DaF/ DaZ-Trainerinnen oder Kursleiterinnen, die sich im Rahmen
eines Kurzausbildungsseminars (siehe Kapitel 5.1.2.5) speziell für die Durchführung von "Mama
lernt Deutsch"-Kursen qualifiziert haben. Es gibt jedoch auch KL, die keine DaF/ DaZ- spezifische
Ausbildung aufweisen können (vgl. Kapitel 6.1.2.1). In manchen Fällen handelt es sich bei den KL
um VolksschullehrerInnen, die in dieser Funktion teilweise auch am Kursstandort Kinder
unterrichten. Als Kursträger fungieren die Wiener Volkshochschulen 10, 12 und 15 sowie die
Vereine "Interface" und "Projekt Integrationshaus".
Die Einführung der "Mama lernt Deutsch"-Kurse in öffentlichen und privaten Kindergärten in Wien
ist ab Herbst 2007 geplant, wofür im Frühjahr 2007 in 10 Kindergärten ein Pilotprojekt
durchgeführt wurde. Das Projektbezogene Curriculum wurde aus diesem Grund um Kindergarten-
spezifische Themen erweitert (siehe http://www.wien.gv.at/integration/
deutschlernen/pdf/mld-curriculum.pdf).
3.2.3. Curriculum
Die Grundlage des Projektbezogenen Curriculums, das aus einer Zusammenarbeit der fünf
Kursträgerorganisationen, der MA 17 und Mag. Dr. Thomas Fritz32 entstand, ist das
"Rahmencurriculum Deutsch als Zweitsprache und Alphabetisierung" der MA 17. Die Lernziele des
Curriculums sind speziell auf die Zielgruppe nicht-deutschsprachige Mütter bezogen und lassen
sich in folgende fünf Kernthemen unterteilen: "Einander kennen lernen", "Wohnen in Wien",
"Schulalltag, Bildung und Beruf", "Gesundheit", "Feste, Feiern und soziale Kontakte". Diese
Kernthemen stellen Themenschwerpunkte dar, die im Laufe des Kurses erarbeitet werden sollen.
Das Curriculum wurde mit Vorschlägen, die nach den Bedürfnissen und Interessen der KT33 ergänzt
werden sollen, zu "inhaltsorientierten Aktivitäten" und "integrativen Bildungsmodulen"
(Projektbezogenes Curriculum: 6) unter dem Titel "Diversität" und "Vernetzung" (ebd.)
angereichert. Unter Diversität wird hierbei die Vielfalt innerhalb der Kursgruppe, die bewusst
wahrgenommen werden soll, verstanden. Ziel der unter "Diversität" genannten Aktivitäten und
Gesprächsthemen ist, bei Kontakten zwischen deutschsprachigen und nicht-deutschsprachigen
32 Mag. Dr. Thomas Fritz, Experte für DaF/ DaZ und Sprachlehrforschung insbesondere in der Erwachsenenbildung, war zum Zeitpunkt der Evaluation Sprachenreferent für den Verband Wiener Volksbildung. 33 KT steht im Folgenden für Kursteilnehmerinnen.
52
Frauen die Unterschiede als interessant und bereichernd wahrzunehmen (ebd.), während die unter
"Vernetzung" vorgeschlagenen Aktivitäten, Exkursionen und Projekte die Kursteilnehmerinnen mit
Institutionen des gesellschaftlichen und sozialen Lebens vernetzen sollen (Projektbezogenes
Curriculum: 7).
So werden etwa für das Globalthema "Einander kennen lernen" neben den inhaltlichen Punkten
"Einander kennen lernen", "Sich vorstellen", "Angaben zur Person machen" und "ein einfaches
Formular ausfüllen" als Diversitätsaktivitäten "Verschiedene Herkunftsländer und Muttersprachen
bewusst wahrnehmen und als jeweils wichtig und spannend erleben" und "Deutschsprachige Mütter
der SchulkollegInnen zu einer Kurseinheit einladen und kennen lernen" vorgeschlagen. Die
Vernetzungsmöglichkeiten für das Thema "Einander kennen lernen" sind "Vorstellen der/ des
SchuldirektorIn, der/ des Elternvereinsobfrau/ mannes, der SchulsprecherInnen, der Schulärztin, der
Schulwarte und (muttersprachliche) Erklärungen über deren Funktionen und Aufgaben" sowie
"Führung durch das Schulhaus (Klassenzimmer, Turnsaal, Direktion, LehrerInnenzimmer, Kanzlei,
…)" (ebd.).
Das vollständige Projektbezogene Curriculum, das zu Projektbeginn im Schuljahr 2006/2007
aktuell war, befindet sich im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel I). Das neue Curriculum,
das um Kindergarten-spezifische Themen für das Schuljahr 2007/2208 erweitert wurde ist unter
http://www.wien.gv.at/integration/deutschlernen/pdf/mld-curriculum.pdf abrufbar.
3.2.4. Beteiligte Institutionen und Personen
An der Organisation der "Mama lernt Deutsch"-Kursreihe sind eine Reihe von Institutionen
beteiligt, deren Hauptaufgaben im Folgenden kurz erläutert werden:
• die Magistratsabteilung 17 der Stadt Wien (MA 17), die die Kurse fördert und die
Rahmenbedingungen (etwa die Kooperation mit den Schulen), aber auch die
Öffentlichkeitsarbeit sicherstellt sowie Werbematerialen für die KursträgerInnen und
Schulen zur Verfügung stellt
• die Haupt-, Volks- und Sonderschulen, die sich entschieden haben, an ihrer Schule "Mama
lernt Deutsch"-Kurse anzubieten und die Mütter vor Ort informiert sowie die
Teilnehmerinnenanmeldung abgewickelt haben
53
• der Verband Wiener Volksbildung (VWV), der das Kurzausbildungsseminar sowie die
Reflexionsworkshops durchführt
• der Stadtschulrat Wien, der eine wichtige Rolle für die Kooperation zwischen den Schulen
und der MA 17 spielt und v.a. für die Verfügbarkeit der Kursräume verantwortlich ist
und natürlich allen voran
• die fünf Kursträgerorganisationen Verein Interface, Verein Integrationshaus, VHS 10, VHS
12 und VHS 15, die die Kurse durchführen und sowohl die Kursleiterinnen als auch die
KinderbertreuerInnen stellen.
Die MA 17, die die "Mama lernt Deutsch"-Kursreihe mit dem Schuljahr 2006/ 2007 in Wien als
neuen Förderschwerpunkt eingeführt hat, ist als Magistratsabteilung der Stadt Wien für Diversitäts-
und Integrationsangelegenheiten zuständig. Ihre Maßnahmen umfassen laut Homepage
(www.wien.gv.at/integration) u.a. Maßnahmen zur Erleichterung der Integration von MigrantInnen
sowie die Förderung von Spracherwerbsmaßnahmen und Initiativen bspw. von Vereinen, die
integrationsrelevante Projekte durchführen. Die MA 17 ist damit nicht nur Ansprechpartnerin und
Informationsschnittstelle für MigrantInnen, Vereine und Initiativen, sondern auch für andere
Magistratsabteilen und Bezirkseinrichtungen der Stadt Wien. Als die MA 17 im Herbst 2004
gegründet wurde, übernahm sie die Aufgaben und Initiativen des mittlerweile aufgelösten Wiener
Integrationsfonds, so auch die in Kapitel 2 beschriebene Wiener Sprachoffensive (Sproff), in deren
Rahmen seit Jahren Sprachkurse gefördert wurden. Laut Archivmeldungen der Wiener
Rathauskorrespondenz auf der Homepage der Stadt Wien34 haben seit 1998 im Rahmen der Sproff
mehr als 25.000 Personen an den freiwilligen DaZ-Kurse teilgenommen, 2005 wurden unter dem
Titel "Sprachoffensive – neu" die jährlichen Kursplätze auf 6000 verdoppelt. Die wichtigste direkte
Fördermaßnahme der MA 17 stellt zudem der Wiener Sprachgutschein (2007 in der Höhe von 300
Euro) dar, den NeuzuwanderInnen für die verpflichtenden "Deutsch-Integrationskurse" im Rahmen
der "Integrationsvereinbarung" (siehe Kapitel 2) einlösen können.
In diesem Zusammenhang muss auf den innovativen Charakter des "Mama lernt Deutsch"-
Konzeptes hingewiesen werden, das darauf beruht, Deutschkurse für Mütter an den Schulen ihrer
Kinder stattfinden zu lassen. Da außerschulische Kurse an österreichischen Schulen als absolut
unüblich zu betrachten sind, muss die organisatorische Leistung, parallel zum Schulunterricht
externe Sprachkurse durchzuführen, hervorgehoben werden. Die Möglichkeit zu diesem
34http://www.wien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?DATUM=20031017&SEITE=020031017016 und http://www.wien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?SEITE=020050314018.
54
Brückenschlag zwischen öffentlichen Schulen und externen Kursanbietern liegt nicht zuletzt auch
in der guten Kooperation zwischen der MA 17 und dem Wiener Stadtschulrat begründet, wobei
insbesondere auch die Zusammenarbeit der MA 17 mit der MA 56 als Schulraumverwaltungsstelle
die Organisation der "Mama lernt Deutsch"-Kurse erleichtert hat.
Das folgende Diagramm erfasst die an der "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme beteiligten
Institutionen und Personen sowie deren Kommunikationsstränge untereinander:
Abbildung 3: Beteiligte Institutionen und Personen im Rahmen der "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme in
Wien
MA 17 …………………. Magistratsabteilung 17 für Diversitäts- und Integrationsangelegenheiten VHS ……………………. Volkshochschule MuL ……………………. Muttersprachliche LehrerInnen EV ……………………… Vorsitzende des Elternvereins Verband EV (PS) …….. Österreichischer Verband der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen
55
Hinsichtlich der in Kapitel 2 angeführten Bedingungen des Spracherwerbs in der Migration und der
Kriterien für erfolgreiche Kursmaßnahmen lässt sich feststellen, dass das "Mama lernt Deutsch"-
Konzept in seinen theoretischen Grundlagen und Zielsetzungen ein sinnvolles Kursmodell darstellt,
das benachteiligten Migrantinnen mit geringen Deutschkenntnissen den Weg in die Integration
erleichtern kann. Mit der Niederschwelligkeit der Kursmaßnahme durch den Kursstandort an der
Schule und dem Angebot der Kinderbetreuung für die Kinder der Kursteilnehmerinnen, dem
Verzicht auf Prüfungen sowie der Berücksichtigung der Lernerfahrungen wie der Lebensumstände
der Kursteilnehmerinnen insgesamt stellen die Kurse damit gewissermaßen auch ein Gegenmodell
zu den bereits besprochenen, verpflichtenden Integrationskursen im Rahmen der
"Integrationsvereinbarung" dar. Die vorliegende Evaluation hat sich zum Ziel genommen zu
untersuchen, in wie weit diese im Curriculum und durch das Konzept vorgegebenen Ziele erreicht
wurden. Bevor auf die Ergebnisse der Studie in Kapitel 6 eingegangen wird, erfolgt jedoch zunächst
die Beschreibung des Evaluationsdesigns und der zentralen Fragestellungen in Kapitel 4 sowie eine
Darstellung der Datenerhebungsmethoden und –instrumente in Kapitel 5.
56
4. Design der Evaluation
Beauftragung durch die MA 17
Das Forschungsteam bestehend aus Rudolf de Cillia, Verena Blaschitz und Niku Dorostkar hatte
sich auf eine Anfrage der Magistatsabteilung 17 der Stadt Wien bezüglich der Durchführung einer
Evaluation der Kursmaßnahme "Mama lernt Deutsch" gemeldet. Nach mehreren Sitzungen mit der
Projektleiterin der MA 17, Mag.a. Carmen Nardelli, und einer Brainstorming-Besprechung, an der
auch Mag. Dr. Thomas Fritz, Werner Mayer35, und Prof. Borko Ivankovic36, teilnahmen, einigten
wir uns auf eine gemeinsame Vorgehensweise. Das daraufhin erstellte Evaluationskonzept wurde
schließlich von der MA 17 als Grundlage des Vertrages zwischen MA 17 und Universität
angenommen.
Während sich das Original des Evaluationskonzeptes im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel
II) befindet, soll im Folgenden das schließlich umgesetzte Design der Evaluation erläutert werden,
wobei zunächst eine graphische Darstellung des Evaluationskonzeptes folgt.
35 Werner Mayer, Experte für Grundschulunterricht und langjähriger Volksschuldirektor in Wien, war zum Zeitpunkt der Evaluationsdurchführung im "Sprachförderzentrum Wien" tätig und für die Fortbildung und Unterstützung von Pflichtschul-LehrerInnen im Bereich der Fördermaßnahmen für Migrantenkindern zuständig. 36 Mag.Prof. Borko Ivankovic ist ehemaliger Kernbereichsleiter des Kernbereichs 3, Niederlassung, Bildung, Beruf in der MA 17.
57
ZIELE UND METHODEN DER MLD-EVALUATION
Ziel-Ebenen Zusammenfassende
Beschreibung der
Kursreihe
(Spr.)Handlungs-
kompetenz der
KT
Schulinterne
Kommunikation
Gesamteinschätzung
der Kursreihe
Frage-
stellungen
Wie sehen die MLD-
Kurse aus?
Gibt es eine Verbesserung?
- Stärken & Schwächen
- Akzeptanz des Kurses
- Motivation der KT
- Kinderbetreuung
- heterogene Gruppen
- …
Methoden
Konzept Datenblatt Interviews Gruppen-
diskussion Curricula Fragebogen
Interviews (Lernmappen, Lernfortschrittsdok., Ak. Lerntagebuch)
Fragebogen
58
Zentrale Fragestellungen der Evaluation
Ziel der Evaluation war zum einen die Dokumentation und Beschreibung der Kursreihe und zum
anderen die Überprüfung der Effizienz und Akzeptanz der gesetzten Maßnahmen. Damit beinhaltete
die Evaluation die folgenden vier Ebenen: zusammenfassende Beschreibung der Kursreihe,
Untersuchung der (Sprach)Handlungskompetenz der Kursteilnehmerinnen, Untersuchung der
Auswirkungen auf die schulinterne Kommunikation und Gesamteinschätzung der Kursreihe.
Auf der ersten Ebene der zusammenfassenden Beschreibung der Kursmaßnahme stand die
Erläuterung des Kurskonzeptes und des Curriculums im Vordergrund sowie der Vergleich mit
ähnlichen Kursmodellen im deutschsprachigen Raum in Form von Literaturrecherche und
ExpertInneninterviews. Außerdem erfolgte die Beschreibung der deskriptiven Statistik der Kurse
und der Ausbildung der Kursleiterinnen.
Die nächste Ebene stellte die individuelle Ebene der Kommunikation dar, die die angestrebte
Verbesserung der Sprachkenntnisse und der (Sprach)Handlungskompetenz der
Kursteilnehmerinnen umfasste. Demgegenüber steht die institutionelle Ebene der Kommunikation,
die zusammen mit der individuellen Ebene der Kommunikation als Hauptanliegen der
Kursmaßnahme zu betrachten ist. Diese dritte Ebene beinhaltete die Untersuchung der
Auswirkungen der Kurse auf die Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule, also zwischen
den Migrantenmüttern und den DirektorInnen, KlassenlehrerInnen und deutschsprachigen Eltern.
Auf dieser Ebene sollte untersucht werden, inwieweit eine Integration der nichtdeutschsprachigen
Mütter in den Schulverband sowie vermehrter Kontakt zu deutschsprachigen Eltern stattgefunden
hat.
Die Gesamteinschätzung der Kursreihe bildete schließlich die letzte Ebene und beschäftigte sich mit
der Zusammensetzung der Zielgruppe, der Akzeptanz der Kurse, dem Umgang mit den stark
heterogenen Gruppen und der Einbettung in den sozialen Kontext der Kursteilnehmerinnen, wobei
auch die Gründe für die Kurswahl untersucht wurden. Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf einer
Stärken- und Schwächenanalyse des Modells, bei der auch überflüssige sowie fehlende Elemente
der Kursmaßnahme ermittelt werden sollten, um eine effiziente Weiterführung und Verbesserung
des Projektes zu ermöglichen.
59
Datenerhebung
Im Sinne einer Methoden- und Datentriangulierung wurde die untersuchte Maßnahme aus
möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven erfasst, indem quantitative und qualitative
Methoden sowie möglichst alle an der Kursmaßnahme beteiligten Personengruppen in die
Evaluation einbezogen wurden. Folglich wurden Literaturrecherche, ExpertInneninterviews,
schriftliche Befragungen, themenzentrierte Interviews und eine Gruppendiskussion durchgeführt,
des Weiteren Kursdokumente analysiert und deskriptiv-statistische Daten in die Untersuchung
einbezogen.
Literaturrecherche
Am Beginn der Datenerhebung stand eine Literaturrecherche, deren Schwerpunkt die
Dokumentation bereits bestehender Kursmaßnahmen "Deutsch als Zweitsprache für Eltern" im
deutschsprachigen Raum (Österreich, Deutschland, Schweiz, Liechtenstein) bildet. Die
Möglichkeiten des DaZ-Erwerbes für Erwachsene wurden in verpflichtende
("Integrationsvereinbarung") und fakultative Kurse unterteilt, letztere werden anhand des Beispiels
"Mama lernt Deutsch" beschrieben. Im Zuge der Literaturrecherche wurde ein
ExpertInneninterview mit Frau Mag.a Carmen Nardelli über das Projekt "Mama lernt Deutsch" in
Wien durchgeführt.
Deskriptive statistische Daten
Das statistische Datenblatt der MA 17, das für die Zwecke der Evaluation adaptiert wurde, erhob
die Anzahl der Teilnehmerinnen zu Beginn und nach 2/3 des Kurses sowie folgende Daten der
Kursteilnehmerinnen: Alter, Erstsprache, Aufenthaltsdauer in Österreich, Beruf/ Status,
Schulbesuch in Jahren sowie Alter und Anzahl der Kinder in der Kinderbetreuung.
Quantitative Erhebung – schriftliche Befragung
Die als Totalerhebung geplante Online-Befragung der Kursleiterinnen (ca. 86) bezweckte neben
anderen Faktoren eine Einschätzung der gesetzten Maßnahmen und des Lernfortschrittes der
Kursteilnehmerinnen. Während die Fremdeinschätzung des Lernfortschritts der
Kursteilnehmerinnen in Form von Skala-Einschätzungen vorgenommen wurde, erfolgte eine
60
generelle Beurteilung der Kursmaßnahme als Stärken-Schwächen-Analyse. Des Weiteren wurde
nach Kurszusammensetzung bzw. Heterogenität in den Kursen und Änderungsvorschlägen gefragt.
Neben den Kursleiterinnen wurde eine schriftliche Online-Befragung der fünf KursträgerInnen, der
betroffenen SchuldirektorInnen, Elternvereinsvorsitzenden und muttersprachlichen LehrerInnen
durchgeführt. Diese Personengruppen wurden nach Angaben zum Einfluss der Kursmaßnahme auf
die innerschulische Kommunikation und deren eventuelle Verbesserungen gebeten.
Qualitative Erhebung
Am Beginn der qualitativen Studie standen ExpertInneninterviews mit Mag.a. Carmen Nardelli, den
VertreterInnen der fünf beteiligten Kursträgerorganisationen, Mag. Martin Wurzenrainer, Maria
Haberl, Hannes Gmeiner, Mag.a. Uli Zimmermann und Mag.a Eva Schröder sowie mit Mag. Dr.
Thomas Fritz.
Daneben umfasste die qualitative Studie eine Gruppendiskussion mit einigen Kursleiterinnen, die
Dokumentation des Reflexionsworkshops der Kursleiterinnen und die im Mittelpunkt stehenden
Fallstudien an dreizehn ausgewählten Kursstandorten. Im Folgenden werden die einzelnen Punkte
der qualitativen Studie erläutert.
Die Gruppendiskussion war mit zehn bis 15 Kursleiterinnen geplant und sollte die Möglichkeit
bieten, in einer offenen Diskussion Konzept und Umsetzung der "Mama lernt Deutsch"-Kurse unter
den Kursleiterinnen zu besprechen. Dazu wurden einige Impulsfragen an die Teilnehmerinnen
gestellt, anhand derer diskutiert wurde. Die Diskussion wurde aufgenommen, danach anonymisiert
verschriftet (Transkriptionskonventionen siehe Anhang, S. 258) und als ein Datenbestandteil, der
die Sicht der Kursleiterinnen repräsentiert, ausgewertet.
Die Auswahlkriterien für die fünfzehn geplanten Standorte der Fallstudien waren die Erstsprache
der Kursteilnehmerinnen, die Streuung, der Bezirk des Kursstandortes in Wien, die Art des
Kursstandortes (Volksschule, Kooperative Mittelschule, Hauptschule) sowie die
Kooperationsbereitschaft der DirektorInnen und Kursleiterinnen.
An den letztlich dreizehn ausgewählten Schulen wurden themenzentrierte Interviews mit den
Kursteilnehmerinnen, Kursleiterinnen und DirektorInnen durchgeführt. Die mit den Vorsitzenden
des Elternvereins und den Muttersprachlichen LehrerInnen geplanten Interviews kamen aufgrund
mangelnden Interesses der beiden Gruppen nicht zustande (siehe Kapitel 5.1.2.3). Das
Hauptaugenmerk lag dabei auf den Daten zu den Kursteilnehmerinnen, die aufgrund der Kontakte
61
in vorhergehenden teilnehmenden Beobachtungen angesprochen und für die themenzentrierten
Interviews gewonnen wurden. Die Interviews, deren genaue Anzahl von der konkreten Situation im
Feld abhängig war, wurden in Form von Paarinterviews in der jeweiligen Erstsprache der
Kursteilnehmerinnen durchgeführt37.
Unser Vorschlag, zur besseren Dokumentation des Lernforschrittes der KT etwa zu Beginn und am
Ende der Kurse Sprachstandserhebungen durchzuführen, stellte sich nach einer Rücksprache mit der
Auftraggeberin als nicht umsetzbar heraus, da in allen von der MA 17 geförderten Kursen keine
formellen Sprachstandserhebungen vorgesehen sind. Zudem wird insbesondere in den
niederschwelligen "Mama lernt Deutsch"-Kurse zugunsten einer angstfreien Lernatmosphäre
bewusst auf Prüfungen welcher Art auch immer verzichtet. Aus diesen Gründen entwickelten wir
stattdessen die folgenden beiden qualitativen Instrumente zur Dokumentation des Lernfortschritts:
Anhand des so genannten Akustischen Lerntagebuches (AT) (siehe Kapitel 5.1.2.4) war geplant,
Sprachdaten der Kursteilnehmerinnen zu erheben und den individuellen Lernzuwachs zu
dokumentieren. Eine longitudinale Sprachdatenerhebung sollte auch durch den Einsatz einer
Lernfortschrittsdokumentation (LFD) (siehe Kapitel 5.1.2.4) und der Analyse schriftlicher
Sprachdaten der Kursteilnehmerinnen ermöglicht werden. Diese standen uns jedoch letztlich nicht
ausreichend zur Verfügung. Die erhobenen Daten der Kursteilnehmerinnen wurden in die
Ergebnisse der Interviews eingebettet.
Die Teilnahme an dem von der MA 17 veranstalteten Reflexionsworkshop am 04. und
11.12.200638 diente nicht nur der Beobachtung und Dokumentation, sondern wurde auch als
Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit den Kursleiterinnen genutzt. Des Weiteren wurden die
Kursleiterinnen von den Anliegen der Evaluation in Kenntnis gesetzt.
Zeitplan
In der Zeit von September 2006 bis Jänner 2007 wurde an der Sicherstellung der
Rahmenbedingungen für die Evaluation gearbeitet: Dies bedeutete unter anderem das Einholen von
Genehmigungen, das Verfassen von Informationsschreiben zur Inkenntnissetzung aller Beteiligten
sowie die Bestätigung der Kooperation der betroffenen Personen. Außerdem wurde in diesem
Zeitraum eine Literaturrecherche und einige ExpertInneninterviews durchgeführt.
37 Die Interviewleitfäden befinden sich im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit der Diplomarbeit, Kapitel V). 38 Der Reflexionsworkshop wurde aus organisatorischen Gründen an zwei Terminen durchgeführt.
62
Ende November/ Anfang Dezember 2006 nahmen wir zur Dokumentation sowie Erläuterung des
Evaluationsprojektes an beiden Terminen des Reflexionsworkshops für die Kursleiterinnen teil.
Im Zeitraum von Februar bis März 2007 wurde an der Ausarbeitung der Befragungsinstrumente und
Interviewleitfäden sowie an der Erstellung des Zwischenberichts über das Evaluationsprojekt
gearbeitet.
Von März bis Juni 2007 wurden die qualitative und quantitative Datenerhebung durchgeführt, im
Juni und Juli 2007 erfolgte die Auswertung der gewonnenen Daten. Im August 2007 wurde
schließlich der Endbericht über das Evaluationsprojekt verfasst.
Projektnehmer, Projektleiter und - mitarbeiterInnen
Das Projekt, als dessen Projektnehmer die Universität Wien auftrat, wurde von Verena Blaschitz
und Niku Dorostkar unter der Leitung Rudolf de Cillia durchgeführt.
63
5. Darstellung der Datenerhebungsmethoden und –
Instrumente
5.1. Quantitative und Qualitative Methoden
Als quantitative Methoden kann man zunächst pauschal all jene Verfahren der Datenauswertung
bezeichnen, die mit Zahlen arbeiten, während bei qualitativen Methoden demgegenüber eher eine
argumentativ-interpretative Auswertung im Vordergrund steht (vgl. Atteslander 2003: 235;
Grotjahn 2003: 495) – auf dieser Differenzierung basiert auch die Einteilung der vorliegenden
Evaluation in eine quantitative und eine qualitative Studie. Zwar ist die Unterscheidung von
quantitativen und qualitativen Verfahren laut Grotjahn (ebd.) ungenau, da beide Begriffe
mehrdeutig sind und sich auf verschiedene Aspekte wie das Skalenniveau von Daten (metrisch/
intervallskaliert vs. nominalskaliert) oder die Datenerhebung, Theoriekonstruktion und
Datenanalyse beziehen können. Jedoch lassen sich laut Atteslander (2003: 238f.) trotz aller
Unschärfen eine Reihe von Dichotomien aufstellen, die eine Tendenz erkennen lassen (für einen
schematischen Vergleich quantitativer und qualitativer Sozialforschung siehe Lamnek 2005a: 272).
Demnach sind vor allem die folgenden Unterschiede bedeutend: Die quantitativen Methoden sind
Theorie bzw. Hypothesen prüfend, konzentrieren sich auf Unterschiede und sind an einer Reduktion
der Daten bzw. der Komplexität durch Kategorisierung interessiert ("reduktive Datenanalyse").
Qualitative Methoden hingegen sind Theorie bzw. Hypothesen entwickelnd, konzentrieren sich auf
Gemeinsamkeiten und betreiben eine Verdichtung von Daten bzw. Komplexität durch
Kontextualisierung von Aussagen ("explikative Datenanalyse").
Grotjahn (2003: 496) weist zudem darauf hin, dass das zugrunde gelegte Menschenbild bei den
beiden Methoden – die er in einer präziseren und bedeutungsengeren Unterscheidung als
analytisch-nomologisch und explorativ-interpretativ bezeichnet - unterschiedlich ist: Während
quantitative bzw. analytisch-nomologische Methoden die untersuchten Personen primär als
"informationsverarbeitende Systeme" betrachten, verstehen sie die qualitativen bzw. explorativ-
interpretativen Verfahren als "reflexive und intentionale soziale Aktanten". Dies zeigt sich laut
Grotjahn (ebd.) letztendlich auch in den vorherrschenden Untersuchungsmethoden, deren Vielfalt ja
vor allem auf der qualitativen bzw. explorativ-interpretativen Seite in keinen einheitlichen
Forschungsansatz mündet: Die quantitativen Methoden basieren oft auf einem experimentellen bzw.
quasi-experimentellen Design, während bei den qualitativen Verfahren eher Ansätze aus der
Diskursanalyse, Ethnomethodologie, Phänomenologie oder Dialoghermeneutik häufig sind. Auf der
64
Ebene des Fremdsprachenunterrichts erscheinen Caspari/ Helbig/ Schmelter (2003: 499) bei den
letzteren Verfahren zentral, dass die Lernenden und Unterrichtenden nicht mehr von außen
betrachtet werden und dadurch auf innere Prozesse geschlossen wird, sondern
sie [die explorativ-interpretativen Forschungsansätze, Anmerkung der VerfasserInnen] nutzen
vielmehr deren Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexivität und Kommunikation und befragen sie direkt dazu.
Dazu gehört auch, persönliche Sichtweisen als eigenständige Sicht der Wirklichkeit zu würdigen.
Explorativ-interpretativen Methoden liegt somit ein Perspektivenwechsel zugrunde, durch den die
bislang vorherrschende 'Außenseiterperspektive' der Forscher durch die Binnenperspektive der am
Fremdsprachenlehr-/lernprozess Beteiligten ergänzt wird (Caspari/ Helbig/ Schmelter ebd.)39.
Berücksichtigt man die oben angeführten Merkmale von quantitativer und qualitativer Forschung
sowie die Differenzierung Grotjahns in analytisch-nomologische und explorativ-interpretative
Verfahren, so kann man bei der vorliegenden Arbeit von einer Studie sprechen, die hauptsächlich
auf explorativ-interpretativen Verfahren basiert, die im Sinne einer Triangulierung (siehe unten)
durch quantitative Methoden ergänzt werden. Die quantitativen Elemente in der vorliegenden
Arbeit münden hierbei einerseits in die deskriptiv-statistische Datenauswertung, dienen andererseits
aber auch der Erweiterung der Stichprobe und dem Einholen von Aussagen bzw. Perspektiven
möglichst aller Beteiligten bzw. Stakeholder.
Das Forschungsdesign der vorliegenden Studie entspricht nach Kraus (1991: 412) damit den
Anforderung der qualitativen Evaluationsforschung, welche "Ansätze subsumiert, die darauf
bestehen, dass soziale Wirklichkeit durch ein experimentelles Vorgehen grundsätzlich nicht adäquat
wiedergegeben werden kann". Die qualitative Evaluationsforschung kann hierbei durchaus auch
quantitative Methoden wie deskriptive Statistiken einschließen, jedoch folgt sie laut Kardorff (2007:
245) dem interpretativen Paradigma, ist theoriegenerierend (nicht hypothesengeleitet),
prozessorientiert (nicht ergebnisorientiert) und zielt auf Spezifizität (nicht auf Generalisierbarkeit)
ab. Ebenfalls zentral für die methodologische Vorgehensweise der vorliegenden Studie ist die enge
Verzahnung von Erhebung und Auswertung sowie die Praxisrelevanz durch Nutzung der
vorliegenden Ergebnisse zur Verbesserung und Weiterentwicklung der untersuchten Maßnahme
sowie der Einbezug der Sichtweisen möglichst vieler Beteiligter (bzw. Stakeholder), die die Basis
für die Schlussfolgerungen und Empfehlungen darstellen.
39 Hervorhebung im Original.
65
Triangulierung
Der Begriff Triangulierung, der oben bereits im Kontext der Verbindung quantitativer und
qualitativer Verfahren verwendet wurde, bezeichnet die Kombination unterschiedlicher Daten,
ForscherInnen, Methoden und Theorien im Forschungsprozess, um einen multiperspektivischen
Zugang zum Forschungsgegenstand zu gewinnen (Denzin 1978; Flick 2007). Dabei wird der
Forschungsgegenstand von mindestens zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, um einen
Ausgleich der nachteiligen Aspekte der einzelnen Methoden zu bewirken.
Durch die Anwendung der Triangulierung wird eine Absicherung der Daten sowie der
Interpretationsergebnisse erzielt, die auch die Reproduzierbarkeit und Nachvollziehbarkeit
erhobener Daten gewährleisten soll.
Flick (2007: 310) unterscheidet vier Formen der Triangulierung:
1. Die Datentriangulierung, bei der der Forschungsgegenstand mittels einer Methode, aber zu
verschiedenen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten untersucht wird und dadurch
mehrere Datenquellen einbezogen werden;
2. die Investigatortriangulierung sieht vor, dass die erhobenen Daten von mehreren ForscherInnen
analysiert und interpretiert werden;
3. bei der Theorientriangulierung sollen unterschiedliche theoretische Hintergründe mehrere
Perspektiven auf das Datenmaterial erzielen
4. die Methodentriangulierung bedeutet die Anwendung mehrerer Methoden, mit Hilfe derer das
Datenmaterial ermittelt wird. Hierzu gehört auch die Kombination qualitativer und quantitativer
Methoden.
In der vorliegenden Arbeit wurden bis auf die Theorientriangulierung alle Formen der
Triangulierung angewendet: Die Datentriangulierung wurde erreicht, indem etwa an mehreren
Schulen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit verschiedenen Personen qualitative Interviews
durchgeführt wurden, die zur Gesamteinschätzung der "Mama lernt Deutsch"-Kurse beigetragen
haben.
Die Investigatortriangulierung, die durch die Einbeziehung mehrerer ForscherInnen subjektive
Einflüsse ausgleichen soll, wird durch die Zusammenarbeit des Evaluationsteams gewährleistet.
Beide Untertypen der Methodentriangulierung, also die Triangulierung entweder innerhalb einer
Methode oder zwischen verschiedenen Methoden (Denzin 1978), wurden in der vorliegenden
Arbeit angewendet: Triangulierung innerhalb einer Methode wurde gewährleistet, indem
beispielsweise in unseren Fragebögen verschiedene Fragen (Subskalen) auf die Erfassung desselben
66
Sachverhalts abzielten. Durch die Kombination qualitativer und quantitativer Methoden, also etwa
Interviews und Fragebögen, wurde Triangulierung zwischen mehreren Methoden erreicht.
Folglich kann eine multiperspektivische Untersuchung und Interpretation des
Forschungsgegenstandes im Rahmen unseres Evaluationsprojektes als gewährleistet betrachtet
werden. Genaue Beschreibungen der verwendeten Methoden und Instrumente finden sich in den
folgenden Kapiteln.
Organisatorisches
Am 19.10. 2006 fand das erste Treffen mit den KursträgerInnen statt, bei dem das
Evaluationsprojekt erstmals vorgestellt und die spätere Kontaktaufnahme angekündigt wurde.
Am 10.11. 2006 stellten wir Bezirksschulinspektor Mag. Manfred Pinterits die Vorhaben und Ziele
des Evaluationsprojektes vor. Im Zuge der Besprechung erfuhren wir von der Notwendigkeit einer
Genehmigung des Wiener Stadtschulrates zur Datenerhebung in den betroffenen Schulen. Das
Genehmigungsgesuch an den Stadtschulrat folgte Ende November 2006 und Mitte Februar 2007
erhielten wir schließlich die benötigte Genehmigung (siehe Anhang: Band 2 der Diplomarbeit,
Kapitel XIV).
Da wir im Zuge der Evaluation auch die ElternvereinsvertreterInnen der betroffenen Schulen
befragen wollten, informierten wir Ende November Andreas Ehlers, den Vorsitzenden des
Landesverbandes Wien der Elternvereine an den öffentlichen Pflichtschulen, über die geplante
Evaluation. Im Jänner sagte er uns aufgrund der uns fehlenden Email-Kontaktdaten die
Weiterleitung der Informationsbriefe an die ElternvereinsvertreterInnen zu. Als sich jedoch
herausstellte, dass auch Herr Ehlers nicht über alle benötigten Email-Adressen verfügt, blieb uns
nichts anderes übrig, als an die Vorsitzenden des Elternvereins jener Schulen, die "Mama lernt
Deutsch"-Kurse anboten, persönliche Briefe zu senden.
Ähnlich verhielt es sich mit der Kontaktaufnahme mit den Muttersprachlichen LehrerInnen: Da wir
vom Stadtschulrat lediglich eine Liste mit Namen und Schuladressen der Muttersprachlichen
LehrerInnen erhielten, mussten wir ebenfalls persönlich adressierte Briefe an die Schulen schicken.
Informationsbriefe
Im Oktober 2006 begannen wir mit der Erstellung von Informationsbriefen für die beteiligten
Personengruppen: Kursleiterinnen, Kursteilnehmerinnen, SchuldirektorInnen, Muttersprachliche
LehrerInnen und ElternvereinsvertreterInnen. Die Briefe enthielten die für die jeweilige Gruppe
relevanten Eckdaten bezüglich der Durchführung der Evaluation.
67
Der Informationsbrief an die Kursteilnehmerinnen wurde in die Sprachen Englisch, Türkisch,
B/K/S und Arabisch übersetzt und anschließend entsprechend den in den jeweiligen Kursen
vorkommenden Erstsprachen an die KL verschickt. Die Informationsbriefe befinden sich im
Anhang (Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel X).
5.1.1. Quantitative Studie
Der quantitative Teil der vorliegenden Studie wurde als Totalerhebung durchgeführt und besteht aus
einer deskriptiv-statistischen Auswertung der Kursteilnehmerinnendaten und der Ergebnisse des
Online-Fragebogens. Zunächst wurden die Daten zu den Kursteilnehmerinnen aufgearbeitet, die bis
Februar 2007 mit einem statistischen Datenblatt erhoben wurden. Ebenfalls deskriptiv ausgewertet
wurden die Ergebnisse aus der Online-Fragebogenerhebung im Frühjahr 2007, die unter allen
beteiligten Personengruppen außer den Kursteilnehmerinnen durchgeführt wurde.
Statistisches Datenblatt
Die Datenblätter der MA 17 (siehe Muster im Anhang: Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel III)
wurden von uns leicht adaptiert, indem zu den angegebenen Sprachen noch weitere hinzugefügt und
die Kohorten leicht verändert wurden: Das Standardformular der MA 17 wies zum einen für die
"Mama lernt Deutsch"-Kurse unbrauchbare Felder auf (Differenzierung zwischen männlichen und
weiblichen KursteilnehmerInnen) und zum anderen erschienen uns die angegebenen Sprachen als
nicht ausreichend.
Das statistische Datenblatt beinhaltet Fragen zur Teilnehmerinnenanzahl, zum Alter, zur
Erstsprache, zur Aufenthaltsdauer, zum Beruf bzw. Status und zur Dauer des Schulbesuchs der
Teilnehmerinnen im Heimatland sowie zum Alter der Kinder in der Kinderbetreuung. Von den
insgesamt 97 durchgeführten Kursen erhielten wir 86 Datenblätter zurück. Die Daten wurden mit
Hilfe des Programms Microsoft Excel ausgewertet und graphisch aufgearbeitet.
Online-Fragebogenerhebung
Die Online-Fragebogenerhebung wurde im März und April 2007 an allen beteiligten Schulen unter
den Kursleiterinnen, DirektorInnen, Muttersprachlichen LehrerInnen und Vorsitzenden des
Elternvereins sowie den fünf KursträgerInnen durchgeführt. Die Kursteilnehmerinnen konnten nach
einer Rücksprache mit der Auftraggeberin aufgrund deren vermuteten teilweise ungenügenden
68
Schriftkompetenz und nur mündlich befragt werden, weshalb die Fragebogenerhebung für diese
Personengruppe nicht infrage kam.
Im Vorfeld der Fragebogenerhebung wurden Fragen aufgrund unserer zentralen Fragestellungen
formuliert, Pretests durchgeführt und die betroffenen Personengruppen informiert. Nachdem alle zu
befragenden Gruppen bereits mehrere Monate vor der Erhebung schriftlich und teilweise auch
mündlich über die Evaluation und ihre geplanten Instrumente vorinformiert worden waren, erhielten
die Kursleiterinnen, DirektorInnen und KursträgerInnen zu Beginn der Erhebung nochmals ein
Email mit dem Fragebogenlink und der Bitte, den Fragebogen auszufüllen. Die Muttersprachlichen
LehrerInnen und Vorsitzenden des Elternvereins bekamen dagegen persönliche Briefe an ihre
Schulen zugestellt, in denen u.a. nochmals auf die Anonymität der Erhebung hingewiesen und
darum gebeten wurde, den Fragebogen auszufüllen.
Die Methode der Online-Erhebung wurde gegenüber einer Erhebung mittels Print-Fragebogen
einerseits aus Kosten- und Effizienzgründen der Vorzug gegeben: Der Online-Fragebogen benötigt
weniger Zeit- und Geldaufwand, weil Papier-, Kopier- und Portokosten wegfallen, die beim
Vervielfachen und Verschicken von Papierfragebögen anfallen. Andererseits entfällt durch die
Online-Fragebogenerhebung vor allem auch die zeitintensive manuelle Auswertung der erhobenen
Daten, während gleichzeitig die Fehleranfälligkeit beim Antworten und Auswerten des Online-
Fragebogens durch die vorprogrammierten Antwortmöglichkeiten sinkt und die Rücklaufquote
gegenüber der herkömmlichen Papiermethode steigt (vgl. Atteslander 2003: 186; 189). Dass bis auf
die Vorsitzenden des Elternvereins und die Muttersprachlichen LehrerInnen alle betroffen Personen
per Email erreichbar waren40, erleichterte die Wahl dieser Methode zusätzlich.
Für die Erstellung des Online-Fragebogens wurde ein Online-Tool herangezogen, das unter
www.studentenforschung.de zugänglich ist. Das Werkzeug, mit Hilfe dessen man direkt im Internet
unter der angegebenen Adresse einen Online-Fragebogen erstellen kann, ist ein so genannter Easy
Form Creator, der die zusätzliche Einbindung von html-Befehlen ermöglicht. Das Tool wird auf
Englisch, Niederländisch, Deutsch, Französisch und Tschechisch angeboten und vom
niederländischen Webmaster Joan van Rixtel verwaltet, der dieses Service StudentInnen und
40 Die Emailadressen der KursträgerInnen wurden uns von der MA 17 zur Verfügung gestellt, die der DirektorInnen vom Stadtschulrat, während unsere Emails an die Kursleiterinnen von den jeweiligen KursträgerInnen weitergeleitet wurden. Die persönlich adressierten Briefe an die Muttersprachlichen LehrerInnen wurden durch den Stadtschulrat ermöglicht, der uns eine Liste mit Namen und Schuladressen der Muttersprachlichen LehrerInnen überließ.
69
DiplomandInnen kostenlos zur Verfügung stellt. Die Ergebnisse der Fragebogen werden bei diesem
Anbieter als
Excel-, html- und csv-Dateien in Tabellenform und als Balkendiagramme zum Download bereit
gestellt.
Rücklaufquoten
Die Rücklaufquoten wurden bis zur Offline-Schaltung der Fragebogen wie folgt berechnet:
– 5 von 5 KursträgerInnen (100 %)
– 89 von 98 DirektorInnen (90,8 %)
– 51 von ca. 86 Kursleiterinnen (ca. 59,3 %)
– 14 von 98 Vorsitzenden des Elternvereins (14,2 %)
– 7 von 166 Muttersprachlichen LehrerInnen (4,2 %)41
Die sehr hohen Rücklaufquoten bei den DirektorInnen und den KursträgerInnen dürften zum einen
darin begründet sein, dass die Fragebogen für die DirektorInnen wie auch für die fünf
KursträgerInnen relativ kurz sind (23 bzw. 36 Frage-Items), wobei letztere ohnehin eine sehr kleine
ProbandInnen-Gruppe darstellen. Zum anderen standen uns von diesen beiden Gruppen
Emailadressen zur Verfügung, sodass wir sie direkt kontaktieren konnten und die ProbandInnen nur
dem Fragebogen-Link im Email zu folgen brauchten. Unsere Emails an die Kursleiterinnen wurden
hingegen von den KursträgerInnen weitergeleitet, jedoch liegt die Rücklaufquote vor allem
angesichts des langen Fragbogens (78 Items) auch für diese Probandinnen-Gruppe vergleichsweise
hoch. Dass von den Vorsitzenden des Elternvereins (9 Items) und den Muttersprachlichen
LehrerInnen (16 Items) trotz der geringen Anzahl an Frage-Items nur relativ wenige den Online-
Fragebogen ausgefüllt haben, dürfte nur teilweise mit der Benachrichtigung per postalischen Brief
statt per Email zusammenhängen. Zwar lässt sich argumentieren, dass die Hemmschwelle den
Fragebogen auszufüllen sinkt, wenn man nur den im Email angegebenen Link zum Online-
Fragebogen per Mausklick zu folgen braucht. Während die Vorsitzenden des Elternvereins
41 Laut MA 17 waren an den insgesamt 97 zustande gekommenen MLD-Kursen 90 von ursprünglich 98 geplanten Schulen beteiligt. Da uns diese Information erst nach Ende der Evaluation zur Verfügung stand, wurden während der Evalution die DirektorInnen und Vorsitzenden des Elternvereins der 98 geplanten Schulen um die Teilnahme an der Online-Befragung gebeten und für die Berechnung der Rücklaufquoten herangezogen. Die ungefähre Anzahl der Kursleiterinnen wurde hingegen aus dem Ergebnis der Online-Befragung der fünf KursträgerInnen (66 bei n=4) sowie der Anzahl der Kurse laut MA 17 (97) hochgerechnet, während die Gesamtanzahl der betroffenen Muttersprachlichen LehrerInnen der uns zur Verfügung gestellten Liste des Stadtschulrats entnommen wurde.
70
allgemein adressierte Briefe bekamen ("sehr geehrter Obmann, sehr geehrte Obfrau"), erhielten die
Muttersprachlichen LehrerInnen jedoch immerhin persönlich adressierte Briefe an ihre Schulen,
wobei die Schreiben für die Personen an den Schulen aus der qualitativen Studie auch die Bitte zur
freiwilligen Teilnahme an den Interviews enthielten. Da sich keine einzige der angeschriebenen
Personen für ein Interview meldete, liegt die Vermutung nahe, dass die Muttersprachlichen
LehrerInnen und die Vorsitzenden des Elternvereins wenig interessiert an den "Mama lernt
Deutsch"-Kursen und deren Evaluation waren. Diese Einschätzung befindet sich zumindest in
Einklang mit den gewonnenen Daten aus den Interviews und der Fragebogenerhebung, wonach die
Vorsitzenden des Elternvereins und die Muttersprachlichen LehrerInnen über die Kursmaßnahme
zwar informiert, aber größtenteils nicht in sie eingebunden waren (vgl. Kapitel 6.1.2.2 und 6.2.3).
Methodische Anmerkungen
Für die Auswertung des DirektorInnen-Fragebogens hat sich die nachträgliche Bildung der Variable
der "Involviertheit" angeboten. Das Maß für die Involviertheit der DirektorInnen wurde hierbei über
die Frage "In welcher Form haben Sie sich als DirektorIn an der "Mama lernt Deutsch"-Maßnahme
beteiligt?" operationalisiert. Die Antwortmöglichkeiten auf diese Frage lauteten: Werbung für
Kursmaßnahme, ein Treffen mit Müttern veranstaltet, für die Mütter eine Führung durch das
Schulhaus veranstaltet, den Kurs besucht und mich und die Schule vorgestellt, regelmäßigen
Kontakt mit der KursleiterIn gehalten und andere (offene Antwortmöglichkeit für sonstige
Tätigkeiten). Für die Operationalisierung wurde die Anzahl der Aktivitäten der DirektorInnen
summiert – angegebene Verhaltensweisen wurden mit einer 0 kodiert – wodurch eine neue Variable
gebildet wurde, in der niedrige Werte für eine starke Involviertheit stehen und hohe Werte für eine
schwache Involviertheit. Daraus ergibt sich eine Spannweite von 1-6, wobei die höchste
Involviertheit mit einem Punktescore von 1 definiert ist. Die resultierende Ausprägung wurde
danach mit relevanten Zufriedenheitsmaßen und anderen Fragen in Verbindung gesetzt, um die
Zusammenhänge bzw. Unterschiede hinsichtlich des Grades der Involviertheit zu quantifizieren.
Für die inferenzstatistische wie auch für die deskriptiv-statistische Auswertung der Online-
Fragebogenergebnisse sowie deren graphische Aufbereitung wurde das Statistik-Programm SPSS
verwendet.
Die Printversionen der Online-Fragebogen-Formulare für die einzelnen ProbandInnen-Gruppen und
die dazugehörigen Ergebnisse in Form von Häufigkeitstabellen befinden sich im Anhang (Band 2
der Diplomarbeit, Kapitel IV sowie Kapitel VIII).
71
5.1.2. Qualitative Studie
5.1.2.1. Fallstudien an 13 ausgewählten Kursstandorten
Die Auswahl der Stichprobe für die qualitative Studie der Evaluation wurde am 19.12.2006 von
Mag.a Carmen Nardelli, Mag. Manfred Pinterits, Werner Mayer, Mag. Dr. Thomas Fritz
gemeinsam mit dem Projektteam getroffen. Ausschlaggebend für die Wahl der fünfzehn Schulen
waren einerseits deren Standort und die Erstsprachen der Kursteilnehmerinnen sowie andererseits
die Kooperationsbereitschaft der DirektorInnen und Kursleiterinnen. Folgenden Schulen wurden in
die qualitative Studie aufgenommen:
Kursträger Kursort PLZ
Interface VS Halirschgasse 25 1170 Interface VS Schulgasse 57 1180 Interface VS Gaulachergasse 49 1160 Interface KMS Schopenhauer Str. 79 1180 Interface VS Pastorstraße 29 1210 Interface VS Georg Bilgeri-Str. 13 1220 Interface VS Meißnergasse 1 1220 Integrationshaus VS Darwingasse 14 1020 Integrationshaus VS Galileigasse 5 - "Lernen mit Weitblick" 1090 Integrationshaus VS Vorgartenstraße 95-97 Europaschule 1200 VHS 10 Favoriten VS Eslarngasse 23 1030 VHS 10 Favoriten VS Laimäckerg.17+VS Neilreichg.111 1100 VHS 12 Meidling SPZ 5, Diehlgasse 2 und KS 5, Einsiedlerplatz 7 1050 VHS 12 Meidling VS Sonnenuhrgasse 3 1060 VHS 15 Rudolfsheim-Fünfhaus VS Goldschlagstr. 14-16 1150
Im Anschluss wurden die KursträgerInnen über die Auswahl informiert sowie die von der
qualitativen Studie betroffenen Kursleiterinnen schriftlich und telefonisch kontaktiert. Bereits nach
der schriftlichen Kontaktaufnahme stellte sich heraus, dass zwei der Kursleiterinnen nicht bereit
waren, sich an der Studie zu beteiligen, weshalb die Kursstandorte 1170 Halirschgasse und 1180
Schulgasse nicht an den Erhebungen teilnahmen.
Ansonsten war die Kooperationsbereitschaft der Kursleiterinnen aber gegeben, und alle an der
qualitativen Studie beteiligten Kursleiterinnen waren sehr entgegenkommend.
Mehrere Kursleiterinnen teilten uns von vornherein ihre Bedenken hinsichtlich der
Durchführbarkeit beziehungsweise Aussagekraft der Evaluation mit, da sie etwa wenig Zeit dafür
haben würden oder die Kurse erst später übernommen hatten, was in drei Fällen unserer
72
Stichproben-Auswahl zutraf: Aus verschiedenen Gründen42 kam es in drei der fünfzehn
ausgewählten Schulen zu einem Wechsel43 der Kursleiterinnen, der – wie die Erhebung später
zeigte – von keiner der betroffenen Personengruppen (Kursteilnehmerinnen, DirektorInnen,
Kursleiterinnen) gutgeheißen wurde. Dieser Umstand war zusammen mit der unterschiedlichen
Kooperationsbereitschaft für die unterschiedliche Akzeptanz der von uns entwickelten qualitativen
Instrumente verantwortlich.
Das Hauptvorhaben für die dreizehn ausgewählten Kursstandorte war die Durchführung von
themenzentrierten Interviews mit den SchuldirektorInnen, Kursleiterinnen, Kursteilnehmerinnen,
Muttersprachlichen LehrerInnen und Vorsitzenden des Elternvereins.
Des Weiteren war die Erhebung longitudinaler Sprachdaten der KT in Form des Akustischen
Lerntagebuchs und der Lernfortschrittsdokumentation sowie durch die Analyse von
Kursmaterialien geplant.
Wie bereits eingangs beschrieben, wurden alle Direktionen, Muttersprachlichen LehrerInnen,
Vorsitzende des Elternvereins, Kursleiterinnen und Kursteilnehmerinnen im Jänner durch
Informationsbriefe über das Evaluationsvorhaben schriftlich informiert. Zudem kontaktierten wir
die von der qualitativen Studie betroffenen Kursleiterinnen schriftlich und, nachdem wir eine
Kooperationszusage erhalten hatten, auch telefonisch. Bei diesem Anruf erklärten wir ihnen erneut
die Vorgehensweise der qualitativen Studie und die sie betreffenden Aufgaben.
In mehreren darauf folgenden teils telephonischen, teils schriftlichen Korrespondenzen erhoben wir
zum einen die benötigte bzw. gewünschte Anzahl an Kassetten für das Akustische Lerntagebuch44
sowie Bögen für die Lernfortschrittsdokumentation45, und zum anderen vereinbarten wir Termine
für die geplanten Hospitationen in den Kursen, die schließlich im Zeitraum von 13. bis 27.03.2007
stattfanden.
42 Eine KL ging Anfang April in Karenz, bei den anderen beiden scheinen persönliche Gründe für die Aufgabe der Kurse verantwortlich gewesen sein. 43 Eine Kursleiterin übernahm den Kurs im Jänner, eine im Februar und die dritte im April, nachdem die ursprüngliche Kursleiterin in Karenz gegangen war. 44 Siehe Kapitel 5.1.2.4. 45 Siehe Kapitel 5.1.2.4.
73
5.1.2.2. Hospitationen in den Kursen
Die Hospitationen, die uns auch ein persönliches Kennenlernen der Kursleiterinnen,
Kursteilnehmerinnen und DirektorInnen ermöglichten, bezweckten in erster Linie die Gewinnung
von freiwilligen Kursteilnehmerinnen für die von uns geplanten Interviews:
Nachdem wir uns den DirektorInnen, die wir ein paar Tage vor den Hospitationsterminen über
unser Erscheinen informiert hatten, vorgestellt hatten, nahmen wir – abhängig von unseren
zeitlichen Möglichkeiten – entweder die ganze Kurseinheit über (drei Stunden), oder nur bis zur
Pause (ca. 1 ½ Stunden) am Unterricht teil. Je nach Kursleiterin wurden wir entweder aktiv in die
Kurse einbezogen oder führten still die geplante teilnehmende Beobachtung durch.
Am Beginn der Kurseinheit stellten wir uns den KT vor und erläuterten ihnen mit Verweis auf die
Informationsbriefe kurz unser Evaluationsvorhaben, in das sie im Rahmen der erstsprachlichen
Interviews miteinbezogen waren. Die Kursteilnehmerinnen zeigten sich dabei durchwegs erfreut
und neugierig über unseren Besuch.
Um potentielle Interviewpartnerinnen ausfindig zu machen, ließen wir nach einiger Zeit eine Liste,
in die interessierte Kursteilnehmerinnen Name, Telefonnummer und Erstsprache eintragen sollten,
herumreichen: Diese Angaben dienten der Auswahl der Interviewpartnerinnen nach Erstsprachen
und der späteren Kontaktaufnahme.
Zu unserer großen Überraschung und wider unseren Erwartungen meldeten sich in den besuchten
Kursen beinahe alle Kursteilnehmerinnen für die Interviews, wodurch wir schließlich in die
Verlegenheit kamen, vielen Kursteilnehmerinnen Absagen erteilen zu müssen, da wir aus zeitlichen
Gründen pro Kurs nur zwei KT-Interviews vorgesehen hatten. Andererseits ermöglichte uns die
große Zahl an Interessentinnen, auch andere als die geplanten Sprachgruppen in die Untersuchung
einbeziehen zu können46 und verschaffte uns darüber hinaus einen größeren organisatorischen
Spielraum.
5.1.2.3. Qualitative Interviews
Um die individuellen Eindrücke und Perspektiven der an der Kursmaßnahme beteiligten Personen
einzufangen, wurde als mündliche Befragungsmethode das qualitative Interview gewählt, das
mittels eines Leitfadens – also teilstandardisiert bzw. teilstrukturiert – realisiert wurde (vgl. Hopf
1991: 177). Folgende Stakeholder-Gruppen wurden auf diese Weise interviewt: Kursleiterinnen,
46 Siehe Kapitel 5.1.2.3 und 6.2.1.
74
Kursteilnehmerinnen, DirektorInnen und ExpertInnen (siehe unten). Der Vorzug dieser Methode
liegt vor allem darin, dass die Befragten in einer gesprächsähnlichen Situation ihr subjektives
Erleben frei, d.h. ohne Antwortvorgaben, schildern und damit auch Zusatzaspekte einbringen
können. Der Leitfaden gibt hierbei nur eine grobe Strukturierung des Interviews vor und ermöglicht
den InterviewerInnen eine flexiblere und offenere Gestaltung des Gesprächs, beispielsweise
hinsichtlich der Reihenfolge von Fragen oder Zusatz- bzw. Zwischenfragen (vgl. Caspari/ Helbig/
Schmelter 2003: 501). Da der Leitfaden hauptsächlich einer thematischen Orientierung dient, kann
man auch von einem problem- bzw. themenzentrierten Interview als einer Variante des
teilstandardisierten bzw. teilstrukturierten Interviews sprechen (ebd.).
Organisatorisches
Um mehrmalige Fahrten in die selben Schulen zu verhindern, mussten die Interviewtermine mit
allen daran Beteiligten, also den dreizehn KL und DirektorInnen, den vier DolmetscherInnen und
sechsundzwanzig KT, koordiniert werden. Dies stellte sich als organisatorisch und logistisch sehr
aufwändig heraus, da die Interviews während der Kurszeit stattfinden sollten und folglich pro
Woche nur zwei Termine von jeweils etwa drei Stunden in Frage kamen. Nun mussten also im
Idealfall innerhalb dieser drei Stunden die DirektorInnen, KL und KT befragt werden.
Während sich die Terminfindung mit den DirektorInnen vergleichsweise einfach gestaltete, traten
mitunter organisatorische Probleme bei der Koordination der anderen Termine und Beteiligten auf.
Wie bereits beschrieben, mussten pro Termin sieben bis acht Personen, inklusive einem
Projektmitarbeiter/ einer Projektmitarbeiterin koordiniert werden.
Wir gingen bei der Koordination der Termine folgendermaßen vor: Die im Zuge der Hospitationen
vereinbarten Interviewtermine mit den DirektorInnen wurden den betroffenen erstsprachlichen
InterviewerInnen vorgelegt. Jedoch gestaltete sich schon die Terminbestätigung durch die
InterviewerInnen als schwierig, da besonders die Arabisch- und Türkisch- Interviewerinnen von den
vielen Terminen von vornherein einige nicht einhalten konnten. Folglich wurden ihnen zwei bis drei
andere mögliche Termine während der Kurszeit angeboten, die aber ebenfalls nur zum Teil
durchführbar waren, weshalb wiederum neue Termine gefunden werden mussten.
Während die Interviews mit den DirektorInnen und KL entweder vor, während oder nach der
Kurszeit möglich waren, versuchten wir, jene mit den KT möglichst während der Kurszeit
abzuhalten, da wir befürchteten, dass die KT nicht bereit wären, sich zu einem anderen Zeitpunkt
befragen zu lassen. Wenn aber nur Termine außerhalb der Kurszeit möglich waren, wurden die
75
InterviewerInnen gebeten, die KT anzurufen und mit ihnen individuell Termine zu vereinbaren,
wobei auch hier Voraussetzung war, dass ein/e ProjektmitarbeiterIn ebenfalls Zeit hat, da die
Interviews nur in unserem Beisein durchgeführt wurden.
Sobald die Termine mit den InterviewerInnen fixiert waren, wurden die KL per Email oder
telefonisch davon informiert. In wenigen Fällen mussten die Termine nochmals verschoben werden,
weil die von uns anvisierten Termine für die KL nicht möglich waren. Wenn nun Termine mit den
jeweiligen KL und InterviewerInnen fixiert waren, mussten in abweichenden Fällen die bereits mit
den DirektorInnen ausgemachten Termine verschoben werden. Oft waren die neuen Termine für die
DirektorInnen nicht einhaltbar, weshalb die DirektorInneninterviews entweder am selben Tag, aber
außerhalb der Kurszeit, oder an anderen Tagen durchgeführt wurden: In vier Fällen, in denen es
nicht möglich war, neben den KL und KT auch die DirektorIn am selben Tag zu befragen, führten
wir entweder Telefoninterviews durch, oder kamen dafür an einem anderen Termin erneut in die
Schule.
Der letzte Schritt war, die KT von den geplanten Terminen zu informieren: Hierfür wurden die
InterviewerInnen beauftragt, die jeweiligen KT wenige Tage vor dem Interviewtermin telefonisch
zu kontaktieren und ihre Anwesenheit sicherzustellen. Außerdem baten wir die KL, die KT an die
Interviews zu erinnern.
Gemäß unserer Planung wurden die Interviews schließlich folgendermaßen durchgeführt: Je nach
den Wünschen der DirektorInnen, KL und InterviewerInnen wurden die Interviews entweder
gleichzeitig oder hintereinander geführt. In manchen Fällen, etwa wenn sich (lange) Wartezeiten
zwischen den verschiedenen Interviews ergaben, war es möglich, dass nur ein/e
ProjektmitarbeiterIn die Interviews eines Kursstandortes koordiniert, meistens war jedoch die
Anwesenheit beider ProjektmitarbeiterInnen erforderlich.
Problematisch gestalteten sich Termine dann, wenn beispielsweise die vorgesehnen
Interviewpartnerinnen nicht erschienen, die InterviewerInnen kurzfristig ausfielen, die KL etwa aus
Krankheit den Unterricht am geplanten Interviewtag ausfallen ließ oder an einem Kursstandort
Interviews mit verschiedensprachigen KT vorgesehen waren, da in solchen Fällen zwei
InterviewerInnen nötig waren:
In einem Kurs, in dem zwei verschiedensprachige KT befragt werden sollten, war es einer der
betroffenen InterviewerInnen nicht möglich, während der Kurszeit die Befragung durchzuführen,
weshalb ein Extratermin (zeitlich und örtlich) außerhalb des Kurses vereinbart wurde und das
Interview mit der zweiten KT sowie der Direktorin zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt
76
wurde. Erschwert wurden die Bedingungen in diesem Kurs auch dadurch, dass die KL vor dem
geplanten Zeitpunkt der Erhebung in Karenz ging, weshalb mit ihr ein weiterer Extratermin
vereinbart und für die Koordination der KT-Interviews die "neue" KL kontaktiert werden musste.
In einem anderen Fall sagte eine KL sehr kurzfristig die Unterrichtseinheit für den geplanten
Termin ab, der Interviewtermin mit der Direktorin ließ sich jedoch nicht mehr verschieben, weshalb
die Interviews an verschiedenen Tagen abgehalten wurden. Am neu vereinbarten Interviewtermin
stellte sich schließlich heraus, dass nicht beide der vorgesehenen Interviewpartnerinnen anwesend
waren. Die KL hatte jedoch für diesen Fall eine andere KT gefragt, die sich bereit erklärt hatte, das
Interview auf Deutsch zu geben.
Zweimal mussten KT-Interviews auch verschoben werden, da die betroffene Interviewerin
kurzfristig absagte, in einer Schule wurden wir vom Direktor versetzt. Dieses Interview wurde
telefonisch nachgeholt.
Während die Interviews in manchen Schulen problemlos verliefen, waren wir in anderen Schulen
vor weitere organisatorische Herausforderungen gestellt, etwa wenn kein Raum für die Interviews
zur Verfügung stand und wir aus diesem Grund einige Interviews auf dem Gang, teilweise in den
Pausen, durchführen mussten. Daher ist die akustische Qualität dieser Interviews manchmal recht
schlecht.
Mit einigen Schwierigkeiten gelang es uns aber letztendlich, im Zeitraum vom 11.04. bis
08.05.2007 alle vereinbarten Interviews durchzuführen.
Interviews mit den Kursteilnehmerinnen
Den Schwerpunkt der qualitativen Studie stellten die KT- Interviews dar, da sie – abgesehen von
den selbst entwickelten Instrumenten, von denen wir nicht wussten, ob sie funktionieren würden –
die einzige Möglichkeit waren, auch an Daten der KT zu gelangen.
Um möglichst vollständige Daten zu erhalten, beschlossen wir, die Interviews in den jeweiligen
Erstsprachen der KT abzuhalten, da andernfalls die Qualität der Ergebnisse durch eventuell
mangelhafte Sprachkenntnisse in Deutsch nicht gewährleistet gewesen wäre. Des Weiteren planten
wir, die Interviews mit den KT in Form von Paarinterviews, also zwei KT, ein(e) InterviewerIn,
abzuhalten, um den KT dadurch, dass sie nicht alleine befragt werden, eine angenehme Atmosphäre
zu schaffen, und möglicherweise auftretender Schüchternheit entgegenzuwirken.
77
Entsprechend den TeilnehmerInnenzahlen wurden die KT- Interviews in den Sprachen Türkisch,
Arabisch und Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch geplant. Da sich aber wesentlich mehr KT als erwartet
für die Interviews zur Verfügung stellten, konnte die Anzahl der Erstsprachen erhöht werden,
sodass wir zusätzlich KT in den Sprachen Englisch, Russisch, Polnisch und Deutsch47 interviewen
konnten. Für die größere Vielfalt an Sprachen nahmen wir in Kauf, dass nicht wie ursprünglich
geplant, alle KT in Paarinterviews befragt werden konnten. Diese waren in manchen Fällen deshalb
nicht möglich, weil sich beispielsweise nur eine KT im Kurs bereit erklärte, das Interview auf
Deutsch zu machen, oder etwa nur eine russischsprachige KT im Kurs war48.
Um sicherzustellen, dass die von uns ausgewählten KT am geplanten Termin anwesend sein
würden, wurden die InterviewerInnen angewiesen, sie am Vortag des Interviewtermins als
Erinnerung anzurufen.
So wurden schließlich elf Interviews auf Türkisch, sechs auf Arabisch, vier auf Deutsch, zwei auf
Englisch und jeweils ein Interview auf Serbisch, Russisch und Polnisch durchgeführt. Die
eingesetzten InterviewerInnen waren alle bis auf eine Person, die einen Studienabschluss in der von
ihr gedolmetschten Sprache aufwies, zweisprachig in Deutsch und der jeweiligen gedolmetschten
Sprache.
Die Interviews mit den KT, die pro KT durchschnittlich etwa 20 Minuten dauerten, wurden auf
MiniDisc aufgenommen und anschließend im MP3-Format elektronisch gespeichert. Einige Zeit
nach dem Interview wurden sie in unserem Beisein auf Deutsch konsekutivgedolmetscht und
wiederum im MP3-Format elektronisch aufgenommen.
Dieses Dolmetschen gestaltete sich nicht nur zeitlich sehr aufwändig, sondern auch deshalb, weil
wiederum mit allen beteiligten InterviewerInnen Termine für die Dolmetschung vereinbart werden
mussten, was entsprechend der langwierigen Organisation der Interviews in den Kursstandorten
mühsam bzw. schwierig war.
Die gedolmetschten Interviews wurden anschließend translitteriert, inhaltlich ausgewertet und mit
den gewonnenen Ergebnissen der Interviews mit den KL und DirektorInnen verknüpft. Dazu
wurden die Aussagen der InterviewpartnerInnen zunächst in einer Excel-Tabelle den Fragen aus
den Interviewleitfäden zugeordnet. In einem nächsten Schritt wurden die Excel-Tabellen in Word-
Tabellen transponiert, wobei die einzelnen Fragen mit den dazugehörigen Antworten wiederum
neuen Überkategorien (z.B. Wirkung, Zufriedenheit, Heterogenität) zugeordnet wurden (eine 47 Russisch und Englisch waren in diesen Fällen nicht die Erst-, sondern die Zweitsprachen der KT aus Nigeria und Tschetschenien. Die Interviews auf Deutsch wurden unabhängig von den Erstsprachen auf den Wunsch der betreffenden KT geführt. 48 Kursübergreifende Paarinterviews waren aus organisatorischen Gründen nicht möglich.
78
exemplarische Excel-Tabelle und eine Word-Tabelle aus dem Kursteilnehmerinnen-Korpus
befinden sich zur Veranschaulichung im Anhang: Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel IX). Die
Aussagen der Interviewten wurden in einer Extra-Spalte zusätzlich weiter kategorisiert (z.B.: "KB"
für Kinderbetreuung" oder "SV" für Selbstvertrauen) und schließlich inhaltsorientiert ausgewertet.
Auf eine diskursanalytische Interpretation der Interviewdaten wurde aus Zeitgründen verzichtet.
Interviews mit den Muttersprachlichen LehrerInnen und Vorsitzenden des Elternvereins
Wie bereits beschrieben, wurden die an der qualitativen Studie Beteiligten mehrfach postalisch und
per Email über das Evaluationsprojekt informiert. Da uns, wie bereits erläutert trotz Kooperation
mit dem Stadtschulrat Wien und dem Landesverband Wien der Elternvereine an den öffentlichen
Pflichtschulen weder von den Muttersprachlichen LehrerInnen, noch von den Vorsitzenden des
Elternvereins Emailadressen zur Verfügung standen, wurden diese mittels persönlich adressierter
Briefe um Kontaktaufnahme zur Terminvereinbarung für ein kurzes Interview gebeten. Leider
kamen dennoch keine Interviews mit diesen Personengruppen zustande49.
ExpertInneninterviews
Im Zeitraum von 21. bis 30.11.2006 wurden von uns sechs ExpertInneninterviews durchgeführt:
Die Zuständigen der fünf KursträgerInnenorganisationen, Mag. Martin Wurzenrainer (Verein
Projekt Integrationshaus), Maria Haberl (Verein Interface), Hannes Gmeiner (VHS 10), Mag.a. Uli
Zimmermann (VHS 12) und Mag.a Eva Schröder (VHS 15), wurden von uns zu den Punkten
Kursorganisation, Erwartungen an das "Mama lernt Deutsch"-Projekt und Organisatorisches
befragt.
Außerdem wurde die "Mama lernt Deutsch"-Projektleiterin der MA 17, Mag.a Carmen Nardelli,
interviewt.
49 Lediglich in einer Schule konnte eine Muttersprachliche Lehrerin durch Zufall interviewt werden: Sie hatte zum Zeitpunkt des Interviews mit der Direktorin gerade Freistunde und wurde von der Direktorin für das Interview in die Kanzlei gebeten.
79
5.1.2.4. Akustisches Lerntagebuch und
Lernfortschrittsdokumentation
Bei einem Brainstorming mit Werner Mayer am 07.11. 2006 konnten unsere Ideen bezüglich des
Einsatzes weicher, qualitativer Instrumente, die auf eine indirekte bzw. subjektive Dokumentation
des Lernfortschrittes abzielen, konkretisiert werden. Die von uns entwickelten Instrumenten wurden
schließlich "Akustisches Lerntagebuch" (AT) und "Lernfortschrittsdokumentation" (LFD) genannt.
Das Akustische Lerntagebuch war folgendermaßen anzuwenden:
Voraussetzung für die Verwendung des Akustischen Lerntagebuchs ist das Vorhandensein eines
Kassettenrekorders mit Aufnahmefunktion, der den KT jederzeit zur Verfügung steht. Nun erhält
jede Kursteilnehmerin, die ein Akustisches Lerntagebuch führen möchte, eine Audiokassette, die sie
völlig frei nach eigenen Vorstellungen besprechen kann. Es kann sich bei den Aufnahmen
beispielsweise um die Wochentage oder Zahlen handeln, die KT könnte sich und ihre Familie
vorstellen, sie könnte einen Dialog aufnehmen, einen Text vorlesen, etc. Wichtig dabei ist nur, dass
zu Beginn der Aufnahme das jeweilige Datum dazu gesprochen wird.
Enthält die Kassette schließlich mehrere Aufnahmen hintereinander, kann anhand der sprachlichen
Aufzeichnungen der Lernzuwachs der jeweiligen KT dokumentiert werden50.
Bei der Lernfortschrittsdokumentation handelt es sich – wie der Name schon sagt – um ein
schriftliches Instrument der Dokumentation des eigenen Lernfortschrittes, das genauso wie das
Akustische Lerntagebuch gemeinsam mit Werner Mayer entwickelt wurde. Im Unterschied zum
AT, das auch ohne den Kontext von "Mama lernt Deutsch" anwendbar ist, wurde die LFD an das
Projektbezogene Curriculum der Wiener "Mama lernt Deutsch"-Kurse angepasst: Die einzelnen
Bögen der LFD orientieren sich an den Globalthemen des Projektbezogenen Curriculums
"Gesundheit", "Feste/ Feiern/ Soziale Kontakte", "Einander kennen lernen", "Schulalltag/ Bildung/
Beruf" und "Wohnen in Wien". Die als Tabelle aufgebaute Lernfortschrittsdokumentation besteht
nun aus fünf Spalten: Die erste enthält drei untereinander abgebildete Smilies, die eine Abstufung
bedeuten. Die anderen drei Spalten beinhalten Symbole für die Fertigkeiten Hören, Sprechen, Lesen
und Schreiben. Die Vorgehensweise sieht vor, dass die Bögen der Lernfortschrittsdokumentation in
den Lernmappen der KT aufbewahrt und selbstständig ausgefüllt werden, indem die KT
50 Die Anleitung für die Verwendung des Akustischen Lerntagebuchs befindet sich im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit der Diplomarbeit, Kapitel XII).
80
eigenständig das Datum des Tages, an dem sie entsprechend des Ausdrucks des Smilies mäßig, viel
oder (fast) alles in Bezug auf eine Fertigkeit konnten, in die LFD eintragen.
Ein Beispiel: Die KursleiterIn behandelt das Thema Krankenhausaufenthalt, das unter das
Globalthema "Gesundheit" fällt. Hat nun die Kursteilnehmerin den Eindruck, sie kann dem Thema
zwar folgen, versteht aber noch nicht sehr viel, trägt sie das Datum des entsprechenden Tages in das
Feld des ersten Smilies in der Spalte "Hören". Folgt einige Tage darauf etwa das Thema
Arztbesuch, das ebenfalls unter das Globalthema "Gesundheit" fällt, und merkt die
Kursteilnehmerin, dass sie schon wesentlich mehr versteht, trägt sie das Datum des entsprechenden
Tages in die Zeile mit dem zweiten Smiley. An dem Tag, an dem sie merkt, dass sie bereits (fast)
alles in Bezug auf ein bestimmtes Thema versteht, trägt sie wiederum das entsprechende Datum ein,
jedoch in der letzten Zeile. Die Vorgehensweise wiederholt sich bei jedem Globalthema sowie bei
allen vier Fertigkeiten, insofern sie im Kurs relevant sind51.
Wegen mangelnder technischer Voraussetzungen, beziehungsweise aufgrund fehlenden Interesses
forderten nur fünf der dreizehn an der qualitativen Studie beteiligten KL die Materialien für das AT
an, neun KL ließen sich die notwendige Anzahl an Lernfortschrittsdokumentations-Bögen als
Farbausdrucke zusenden.
Warum dieses Konzept der Datenerhebung im Kontext von "Mama lernt Deutsch" nicht gegriffen
hat, lässt sich folgendermaßen erklären: Als autonome Instrumente für die KT sind AT und LFD zu
komplex und würden deshalb intensive Betreuung durch die KL erfordern, die dafür nicht nur
Kurszeit investieren, sondern sich vielleicht auch einer Schulung für die konkrete Anwendung der
Instrumente unterziehen müssten – beides Voraussetzungen, die in Anbetracht der vielfachen, an
die KL gestellten Anforderungen und der ohnehin schon geringen finanziellen Abgeltung
wahrscheinlich eher selten gegeben sind.
Dass die KL, die speziell bei den "Mama lernt Deutsch"- Kursen die Schnittstelle des gesamten
Kursgeschehens sind, wenig Interesse an der Verwendung solcher Instrumente zeigen, ist daher
nachvollziehbar. Dennoch erhielten wir insgesamt 19 Lernfortschrittsokumentionen und fünf
Kassetten mit Akustischen Lerntagebüchern, davon stammen 12 Lernfortschrittsdokumentionen
und zwei Kassetten mit Akustischen Lerntagebüchern aus demselben Kurs.
51 Zur Veranschaulichung der Verwendung findet sich die Lernfortschrittsdokumentation im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit der Diplomarbeit, Kapitel XIII).
81
Leider konnten auch aus den retournierten Instrumenten keine aussagekräftigen Ergebnisse
gewonnen werden, wofür folgende Gründe verantwortlich sind:
In dem einen Kurs wurden die Lernfortschrittsokumentionen nicht korrekt angewendet, denn anstatt
Datumsangaben wurden in die Tabellen Kreuze eingetragen, die eine Interpretation unmöglich
machen. Die Lernfortschrittsokumentionen aus dem zweiten Kurs enthalten zwar Datumsangaben,
jedoch scheinen die KT die Funktion der LFD als Instrument zur Messung des Lernfortschrittes
nicht richtig verstanden zu haben, denn entweder wurden in die untersten Spalten, die den weitesten
Fortschritt bedeuten, jüngere Datumsangaben als in die Spalten darüber eingetragen, oder die Bögen
enthalten zu wenig Daten, um einen Lernfortschritt sichtbar zu machen.
Bei den Akustischen Lerntagebüchern zeigt sich ein ähnliches Bild: Alle Kassetten enthalten sehr
wenige Aufnahmen52 und bis auf zwei Kassetten fehlen überall die Datumsangaben, ohne die eine
Interpretation nicht möglich ist. Aber auch die beiden Kassetten mit Datumsangaben sind nicht
analysierbar, da die eine Kassette lediglich zwei Aufnahmen und die andere Kassette überhaupt nur
eine Aufnahme enthält.
Die Tatsache, dass keine der an uns retournierten Instrumente aussagekräftige Ergebnisse lieferten,
bestätigt unsere Annahme, dass diese Instrumente sehr viel Betreuung benötigen, die
wahrscheinlich im Rahmen von Kursen wie "Mama lernt Deutsch" nicht möglich ist.
5.1.2.5. Ausbildungs- und Reflexionsworkshop
Denjenigen KL, die über keine spezifische DaF/ DaZ –Ausbildung verfügten, wurde die Teilnahme
an einem Kurz-Ausbildungsworkshop angeboten. Dieser Workshop wurde von einem Team des
VWV bestehend aus Mag. Dr. Thomas Fritz, Mag.a Nicola Kraml, Mag. Thomas Laimer und
Mag.a. Doris Wildmann geleitet und fand an zwei Wochenenden im Juni und September statt.
Unsere Teilnahme am zweiten Teil des Ausbildungsworkshop im September bezweckte einerseits
die Präsentation des Evaluationsanliegens und andererseits wollten wir einen Einblick bekommen,
wie nicht in DaF/ DaZ ausgebildete KL für "Mama lernt Deutsch" qualifiziert werden.
Um den Kursleiterinnen Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch sowie zur Thematisierung von
Problemen zu bieten, wurde die Durchführung eines so genannten Reflexionsworkshops von der
MA 17 in Auftrag gegeben. Genauso wie die Kurz-Ausbildungsseminare im Juni und September 52 Die umfangreichste Kassette enthält fünf Aufnahmen.
82
wurde der Reflexionsworkshop, der aus organisatorischen Gründen an zwei Terminen stattfand,
von einem Team unter der Leitung von Mag. Dr. Thomas Fritz unter Mitarbeit von Mag.a Nicola
Kraml und Mag. Thomas Laimer, veranstaltet. Unsere Teilnahme bezweckte nicht nur die
Möglichkeit der Beobachtung und Dokumentation der Workshops, sondern auch eine weitere
Kontaktaufnahme mit den Kursleiterinnen sowie die erneute Vorstellung des Evaluationsprojekts.
Im Rahmen der Reflexionsworkshops, die auf zwei Termine, 04.12. und 11.12.2006 jeweils 18:00
bis 21:00, aufgeteilt waren, konnten wir Interessentinnen für die geplante Gruppendiskussion
ausfindig machen. Des Weiteren erhielten wir durch die Diskussion der KL wichtige Einblicke in
das reelle Kursgeschehen, die (als Denkanstöße) für die Erstellung der Befragungsinstrumente
richtungsweisend und von großer Bedeutung waren.
5.1.2.6. Gruppendiskussion mit einer Kursleiterinnen-Gruppe
Im Rahmen des qualitativen Teils des vorliegenden Projektes wurde eine Gruppendiskussion mit
sieben Kursleiterinnen durchgeführt, deren Ergebnisse die Interviews ergänzen sollten. Dabei hatten
die KL die Möglichkeit, möglichst frei in der Gruppe in einer offenen Diskussion Fragen und
Probleme der "Mama lernt Deutsch"-Kurse zu thematisieren, zum anderen ermöglichte die
Gruppendiskussion, die Probleme und Sichtweisen der KL auf eine anschauliche und
nachvollziehbare Weise darzustellen und einen plastischen Eindruck von den vielfältigen
Rollenerwartungen, die an die KL herangetragen wurden, und den Belastungen, denen sie
ausgesetzt sind, zu geben.
Im Folgenden werden die Zielsetzungen der Gruppendiskussion im Rahmen des vorliegenden
Projektes geschildert sowie die Vorgangsweise bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und die
endgültige Zusammensetzung der Gruppe beschrieben. In Kapitel 5.1.2.6 folgen schließlich die
inhaltlichen Fragestellungen, der Diskussionsverlauf und die Ergebnisse der Gruppendiskussion.
Zielsetzungen der vorliegenden Gruppendiskussion
Die Gruppendiskussion zielte sowohl auf eine gewisse inhaltliche Ergänzung der Interviews als
auch auf die illustrative Darstellung der Situation der KL ab. Unser Hauptinteresse konzentrierte
sich in erster Linie auf die individuellen Einstellungen und Äußerungen der KL, die unter
bestimmten Gruppenbedingungen zustande kommen. Die Untersuchung der gruppendynamischen
Interaktionen zwischen den Teilnehmerinnen als Erkenntnisziel war in unserem Kontext nicht
83
relevant. Daher standen die inhaltlich-thematischen Aspekte bei der Auswertung des Transkripts im
Vordergrund (die Transkriptionskonventionen befinden sich im Anhang, S. 258). Zum
methodischen Stellenwert der Gruppendiskussion sei noch eines betont: Die nachfolgende Analyse
gibt natürlich kein repräsentatives Bild der Einstellungen und Meinungen aller KL. Es geht
ausschließlich darum, wie die KL, die bereit waren, an der Gruppendiskussion teilzunehmen, das
Projekt "Mama lernt Deutsch" und den eigenen Unterricht wahrnehmen und in ihren subjektiven
Theorien interpretieren.
Kontaktaufnahme und Sozialdemografische Charakteristik der Gruppe
Interessentinnen für die Teilnahme an der Gruppendiskussion wurden bereits beim
Reflexionsworkshop Anfang Dezember ausfindig gemacht, indem sie sich in eine Liste eintragen
konnten. Die zehn KL, die sich bei dieser Gelegenheit gemeldet hatten, wurden im April 2007 um
eine verbindliche Zusage bezüglich der Teilnahme an der Gruppendiskussion gebeten.
Zur selben Zeit baten wir auch die fünf KursträgerInnen, uns Adressen von potenziell interessierten
KL zur Verfügung zu stellen, beziehungsweise ersuchten wir sie um Weiterleitung unseres
Informationsmails wegen der Gruppendiskussion an alle KL. Dieser und ein weiterer Aufruf, der
erneut im Mai wegen der wenigen Rückmeldungen gestartet wurde, waren nur mäßig erfolgreich,
denn von den ca. hundert "Mama lernt Deutsch"-KL meldeten sich insgesamt lediglich neun KL.
Von den zehn bei der Gruppendiskussion eruierten Interessentinnen und den neun KL, die sich auf
unsere Aufrufe gemeldet hatten, sagten dreizehn zu, einen der beiden von uns vorgeschlagenen
Termine wahrnehmen zu können. Da die Mehrheit der KL (zehn) den Termin am 04.06.07
bevorzugte, planten wir die Gruppendiskussion für dieses Datum. Erstaunlich war für uns, dass von
den neunzehn an der Gruppendiskussion interessierten KL insgesamt fünf bereits an der qualitativen
Studie teilgenommen hatten. Dies lässt sich mit der besonders hohen Motivation dieser KL
begründen.
Die Gruppendiskussion fand schließlich am 04.06.07 am Institut für Sprachwissenschaft der
Universität Wien mit sieben KL statt, da zwei KL, was der normalen Ausfallquote entspricht,
kurzfristig abgesagt hatten.
84
Bedenkt man, dass die ideale Zahl für Gruppendiskussionen üblicherweise mit acht bis zwölf
TeilnehmerInnen angegeben wird, so liegt die eine Besonderheit der vorliegenden Gruppe darin,
dass nur 7 TN anwesend waren, wobei eine davon erst sehr spät dazu stieß.
Am Ende der Gruppendiskussion baten wir die Teilnehmerinnen einen kurzen Fragebogen zu
persönlichen Angaben auszufüllen. Den Fragebogenergebnissen zufolge hat sich die Gruppe
folgendermaßen zusammengesetzt:
Alter
Jeweils drei KL geben an, zwischen 30 und 39, beziehungsweise zwischen 40 und 49 Jahre alt zu
sein, eine KL zwischen 50 und 59 Jahre.
Erst- und Zweitsprachen, bzw. Fremdsprachenkenntnisse der KL
Drei der sieben KL der Gruppendiskussion geben an, einsprachig mit der Erstsprache Deutsch zu
sein. Die restlichen vier KL bezeichnen sich als zweisprachig, davon gibt jeweils eine KL an,
zweisprachig in Deutsch und Italienisch, Deutsch und Französisch sowie Deutsch und Englisch und
eine KL zweisprachig in Polnisch und Deutsch zu sein.
Alle KL geben an, Englisch als Fremdsprache zu beherrschen. KL mit Kenntnissen in zwei
Fremdsprachen nennen neben Englisch zweimal Französisch und einmal Russisch. Zwei KL, die
Kenntnisse in vier Fremdsprachen angeben, nennen neben Englisch und Spanisch jeweils einmal
Französisch und Russisch sowie Italienisch und Portugiesisch.
Aufenthaltsdauer in Österreich
Alle bis auf zwei KL wurden in Österreich geboren, die restlichen beiden KL leben seit 12 bzw. 20
Jahren in Österreich.
Höchste abgeschlossene Ausbildung
Fünf der sieben KL absolvierten ein Hochschulstudium, zwei KL nennen als höchste
abgeschlossene Ausbildung die Pädagogische Akademie.
Pädagogische und philologische Ausbildungen
Vier KL geben an, ein Lehramts- beziehungsweise Diplomstudium absolviert zu haben, zwei KL
besuchten die Pädagogische Akademie, davon gibt eine KL an, einen Lehrgang für interkulturelles
85
Lernen besucht zu haben, und eine KL verfügt über keine pädagogische oder philologische
Ausbildung.
DaF/ DaZ Ausbildungen
Drei KL absolvierten den DaF/ DaZ-Lehrgang des VWV Level 1, eine KL gibt an, DaF/ DaZ-
Module im Rahmen ihres Studiums absolviert zu haben. Jeweils eine KL gibt an, über beide
Ausbildungen zu verfügen, an der Pädagogischen Akademie eine DaF/ DaZ-Ausbildung absolviert
zu haben, beziehungsweise am Ausbildungsworkshop zur Vorbereitung der "Mama lernt Deutsch"-
Kurse teilgenommen zu haben.
Berufliche Erfahrungen und Institutionen
Zwei der sieben KL unterrichteten zum ersten Mal im DaZ-Bereich, eine KL seit weniger als fünf
Jahren. Vier KL geben an, seit mehr als fünf Jahren im DaZ-Bereich zu unterrichten. Auf die Frage,
in welchen Institutionen sie vor "Mama lernt Deutsch" DaZ unterrichtet hätten, nennen alle KL
Institutionen der Erwachsenenbildung.
KursträgerInnen
Jeweils zwei KL waren bei der Kursträgerorganisation Verein Projekt Integrationshaus,
Volkshochschule Favoriten und Volkshochschule Meidling und eine KL bei Verein Interface
beschäftigt.
Anhand der Angaben während der Gruppendiskussion ergab sich zusätzlich folgendes Bild: Vier
der sieben Teilnehmerinnen üben ihre Tätigkeit als KL freiberuflich und drei Teilnehmerinnen
hauptberuflich aus. Zwei der KL sind Volksschullehrerinnen und leiten ihren "Mama lernt
Deutsch"- Kurs an der Schule, an der sie auch unterrichten. Genau wie eine andere KL, die an der
Volksschule ihrer Tochter den Kurs leitet, heben sie diesen Umstand als sehr positiv hervor.
Methodische Anmerkungen
Die Gruppendiskussion, "ein Gespräch mehrerer Teilnehmer zu einem Thema, das der
Diskussionsleiter benennt (...) und das dazu dient, Informationen zu sammeln" (Lamnek 2005a:
408), wird auch Fokusgruppeninterview oder Gruppeninterview genannt. Während die
Gruppendiskussion in der Markt- und Meinungsforschung für die Untersuchung von
Kaufmotivation und Verbraucherverhalten verwendet wird (von Alemann/Tönnesmann 1995: 116),
86
ist sie in der Sozialwissenschaft eine eher selten verwendete Methode. Dennoch wurde sie in der
letzten Zeit vermehrt eingesetzt, etwa in einem umfassenden Forschungsprojekt zur diskursiven
Konstruktion von nationaler Identität (Wodak/ de Cillia/ Reisigl/ Liebhart/ Hofstätter/ Kargl 1996)
oder zur Rezeptionsanalyse boulevardformatiger Printmedien von Bruck/ Stocker (1996).
Laut Bruck/ Stocker (1996) besteht das Grundkonzept der Gruppendiskussion darin, eine Gruppe
von idealerweise fünf bis zwölf Personen unter der Leitung eines Moderators/ einer Moderatorin
Fragen zu einem spezifischen Thema beantworten und die Gruppe darüber diskutieren zu lassen.
Die Zusammensetzung der Gruppe erfolgt dabei nach theoretischen Vorgaben ("theoretical
sampling"). Die Aufgaben des Moderators/ der Moderatorin bestehen darin, der Gruppe in lockerer
Form vorgegebene Fragen zu stellen, die Antworten, beziehungsweise Diskussionsbeiträge zu
ordnen und zusammenzufassen sowie für eine entspannte, aber doch konzentrierte
Gesprächsatmosphäre zu sorgen. Wichtig ist auch, die GesprächsteilnehmerInnen zu Äußerungen
zu motivieren und dabei auf eine ausgewogene Gesprächsbeteiligung zu achten, die vor allem durch
so genannten "SchweigerInnen" und "VielrednerInnen" aus dem Gleichgewicht geraten kann
(Bruck/ Stocker 1996: 34).
Grundsätzlich werden zwei Formen der Gruppendiskussion unterschieden (vgl. Lamnek 2005a: 412
f): Die vermittelnde Gruppendiskussion, bei der die gruppendynamischen Prozesse im Zentrum des
Interesses stehen, und die ermittelnde Gruppendiskussion, die ihr Hauptaugenmerk sowohl auf die
Erfassung der informellen Gruppenmeinung, wie auch auf die Meinungen und Einstellungen
einzelner DiskussionsteilnehmerInnen legen kann (ebd.: 413).
Als ein Vorteil dieser Methode kann genannt werden, dass die Gruppendiskussion, auch wenn ihre
Ziele je nach Forschungsvorhaben verschieden sind, dennoch eine Methode ist, "die sehr flexibel an
den jeweiligen Gegenstand, das Thema, die Erkenntnisabsichten und die spezifische Population
angepasst werden kann" (ebd.: 414). Neben der Berücksichtigung kontextueller Bedingtheit von
Einzelmeinungen und der ökonomisch vorteilhaften Gewinnung von Informationen einer relativ
großen Anzahl von Personen (vgl. Bruck/ Stocker 1996: 34), handelt es sich um eine "freundliche
Erhebungsmethode", in der "die Befragten respektvoll behandelt werden" (ebd.). Auch die größere
Plastizität von Einzelmeinungen, die realistischere Kommunikationssituation und die entspanntere
Atmosphäre während einer Gruppendiskussion können als Vorteile gewertet werden.
Auch wenn der Moderator/ die Moderatorin die eventuell auftretende Dominanz eines/ einer
DiskussionsteilnehmerIn gering halten kann, muss dennoch mit der "Verzerrung oder gar
Verhinderung von Meinungsäußerungen bestimmter TeilnehmerInnen durch den Gruppendruck
87
oder die Dominanz einer Person" (Bruck/ Stocker 1996: 35; Witzel 1982: 85) gerechnet werden.
Auch die "die eingeschränkte Möglichkeit zu Nachfragen und Vertiefungen" (Bruck/ Stocker 1996:
35) und das "Objektivitätsdilemma" (Lamnek 2005a) im Zusammenhang mit der
Gruppendiskussion müssen als Nachteile angeführt werden: Dabei handelt es sich um die
mangelnde Vergleichbarkeit bzw. die geringe externe Validität der Daten in Hinsicht auf die
Standards der quantitativen Sozialwissenschaft (Lamnek 2005a: 473), die aber durch eine höhere
interne Validität der Ergebnisse ausgeglichen werden kann.
Die Auswahl der Gruppendiskussions-TeilnehmerInnen, deren optimale Größe als zwischen fünf
und zwölf TeilnehmerInnen angenommen wird (Bruck/ Stocker 1996), kann entweder als künstlich
zusammengesetzte ("stranger-groups") oder natürliche Gruppe ("family-groups"), oder homogene
oder heterogene Gruppe erfolgen (Lamnek 2005a: 434; Bruck/ Stocker 1996: 36).
Der typische Gesprächsverlauf einer Gruppendiskussion kann folgendermaßen skizziert werden:
1. Die Phase der Fremdheit, in der nur unverbindliche, vorsichtige Aussagen gemacht werden. 2. Die Phase der Orientierung, in der die Meinungen bereits konkreter geäußert und teilweise auch
erläutert und begründet werden. 3. Sobald sich Gemeinsamkeiten herauskristallisieren, hat die Phase der Anpassung begonnen. 4. Die Phase der Vertrautheit ist durch prinzipielle, kollektive Übereinstimmungen gekennzeichnet. 5. Die Phase der Konformität ist erreicht, sobald nur noch die Gruppenmeinung von den einzelnen
Teilnehmern geäußert wird (Lamnek 2005a: 439).
Die auf Video und/ oder Tonband aufgenommene Gruppendiskussion wird nach der Transkription,
je nach Forschungsvorhaben mit unterschiedlichen qualitativen Verfahren ausgewertet.
5.1.2.7. Kursberichte und Lernmappen
Die im Evaluationskonzept vorgesehene Analyse schriftlicher Sprachdaten der KT in Form von
Lernmappen konnte aufgrund mangelnder Repräsentativität nicht durchgeführt werden: Die vier
kopierten KT-Lernmappen waren inhaltlich nicht aussagekräftig genug, um eine Analyse der
sprachlichen Progression der KT zu erlauben.
Die von den KTr53 erbetenen Kursberichte der KL konnten nicht (mehr) in die Analyse einbezogen
werden, da wir entweder keine Antwort auf unsere Anfrage erhielten oder die Berichte erst nach
Redaktionsschluss eingelangt waren.
53 KTr steht im Folgenden für KursträgerInnen.
88
Lediglich Frau Haberl vom Kursträger sendete uns "Berichte von der Arbeit in den Kursen des
Schuljahres 2006/07": Dieses hundertfünfundzwanzig Seiten umfassende Dokument ist eine
Zusammenstellung von Unterrichtsmaterialien, Stundenabläufen, Berichten und Fotos, die im Laufe
der "Mama lernt Deutsch"-Kurse gesammelt wurden. Es enthält detaillierte Beschreibungen und
Darstellungen von Stundenabläufen, Lernzielen, Exkursionen und Vorträgen verschiedener KL zu
den Globalthemen des Projektbezogenen Curriculums, "Einander kennen lernen", "Wohnen in
Wien", "Schulalltag, Bildung und Beruf", "Gesundheit", "Feste, Feiern und soziale Kontakte".
Dieses Kompendium erscheint uns besonders als Hilfestellung für andere KL, die bereits
gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse anderer KL in ihre Kursgestaltung einbeziehen zu
können, sehr nützlich.
Des Weiteren erhielten wir von zwei KL, Mag.a Kerstin Paulik und Mag.a. Gabriele Steiner,
Unterlagen über Projekte, die sie mit ihren KT durchgeführt hatten und die einen sehr guten
Einblick in das Kursgeschehen erlauben. Da uns das Projekt-Dokument von Mag.a. Steiner
lediglich in Kopie zur Verfügung steht, befindet sich nur jenes von Fr. Mag.a Paulik im Anhang
(Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel VI).
89
6. Darstellung der Ergebnisse
6.1. Quantitative Studie
6.1.1. Beschreibung der Kursteilnehmerinnen mittels statistischem
Datenblatt
Bei der Auswertung der vorhandenen Datenblätter54 ergab sich folgendes Bild: Zu Beginn der
Kursmaßnahme waren insgesamt 879 Mütter für einen der erfassten 86 "Mama lernt Deutsch"-
Kurse angemeldet. Zieht man zusätzlich die Summen aus den Angaben zu Alter, Erstsprache und
Beruf heran, nahmen jedoch ca. 900-930 Mütter im Laufe des Semesters an einem Kurs teil, woraus
man schließen kann, dass ca. 20-50 Mütter nach der offiziellen Anmeldefrist noch zu einem Kurs
hinzu gestoßen sind. 73,5 % (n=879) der Kursteilnehmerinnen haben laut Angaben der
Kursleiterinnen 2/3 des Kurses besucht, wobei das Datenfeld "2/3 besucht" teilweise nicht
ausgefüllt wurde und darüber hinaus lediglich den Stand der Kursteilnehmerinnenanzahl zu den
unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten zwischen November und Februar widerspiegeln kann,
nicht aber den Stand nach den zu 2/3 absolvierten Kursen.
In einem Kurs befanden sich durchschnittlich 10,2 Teilnehmerinnen, wobei 7,5 davon den Kurs zu
2/3 besuchten (mit der oben formulierten Einschränkung).
Alter
Die häufigste Altersgruppe ist die der 31-35-Jährigen (35,4% bei n=901), gefolgt von jener der 26-
30-Jährigen (27,6 %). 18,1 % der Kursteilnehmerinnen sind 36-40 Jahre alt, jeweils ca. 9 % sind
20-25 Jahre und 41-50 Jahre alt. Ältere Kursteilnehmerinnen zwischen 51 und 60 Jahren sind mit 1
% (=9 KT) schwach vertreten, während es gar keine Kursteilnehmerinnen gibt, die über 60 Jahre alt
sind.
54 Zum Zeitpunkt der vorliegenden Auswertung fehlten von 11 der insgesamt 97 Kurse die statistischen Datenblätter.
90
Abbildung 4 (n=901)
Alter der KT
0,2%
8,8%
27,6%
18,1%
8,9%
1,0%0,0%
35,4%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
40,0%
15-19 Jahre 20-25 Jahre 26-30 Jahre 31-35 Jahre 36-40 Jahre 41-50 Jahre 51-60 Jahre über 60 Jahre
Erstsprache
Die weitaus häufigste Erstsprache der Kursteilnehmerinnen ist Türkisch mit 41,4 % (n=929), weit
abgeschlagen an zweiter Stelle liegt Arabisch mit 16,1% . Es folgen Albanisch mit 6,7 % und
Serbisch mit 5,6 %. Fasst man die Sprachen Serbisch, Bosnisch (3,6 %) und Kroatisch (1,5 %)
zusammen, so liegt die Gruppe B/K/S mit 10,7 % an dritter Stelle. Insgesamt sprechen die
Kursteilnehmerinnen 50 verschiedene Erstsprachen.
91
Abbildung 5 (n=929)
Muttersprachen der KT
6,7%
16,1%
3,6%
1,3% 1,4% 1,5% 1,2%
3,4% 2,9%1,5% 1,9%
5,6%
41,4%
1,5%
10%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
40,0%
45,0%
Albanis
ch
Arabis
ch
Bosnis
ch
Chines
isch
Kurdis
ch
Kroat
isch
Persis
ch
Polnisc
h
Punjab
i
Rumän
isch
Russis
ch
Serbis
ch
Türkis
chUrd
u
ande
re L
1
Aufenthaltsdauer
Der Großteil der Kursteilnehmerinnen befindet sich seit mehr als 4 Jahren in Österreich (d.h. seit
2003 oder früher), nämlich 74,6 % (n=875) Erst seit Kurzem in Österreich (seit 2006
beziehungsweise seit 2005) sind jeweils ca. 7,3 %. 10,9 % der Kursteilnehmerinnen befinden sich
seit 2004 in Österreich.
92
Abbildung 6 (n=875)
Aufenthaltsdauer der KT in Österreich
7,3% 7,2%
10,9%
34,7%
32,9%
7,0%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
40,0%
seit 2006 seit 2005 seit 2004 2000 - 2003 1990 -1999 früher
Beruf bzw. Status
Die allermeisten Kursteilnehmerinnen (76,1 % bei n=926) sind Hausfrauen, die zweithäufigste
Gruppe sind Kursteilnehmerinnen in Kinderkarenz (9,1 %), während die Berufstätigen mit 6 % an
dritter Stelle rangieren. 4,4 % sind arbeitslos bzw. arbeitsuchend, 1,7 % selbständig (=16 KT) und
1,9 % Asylwerberinnen (=18 KT).
93
Beruf bzw. Status der KT
4,4%
76,1%
0,3% 1,7%
9,1%
1,9%0,1% 0,2%
6,0%
0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
80,0%
beru
fstäti
g
arbe
itssu
chen
d/ a
rbeit
slos
Hausfr
au
Schüle
rin, S
tude
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selbs
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Kinder
kare
nz
Asylw
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rin
Konve
ntion
sflüc
htlin
g
infor
mell
ber
ufstä
tig
Schulbesuch
48,2 % (n=878) der Kursteilnehmerinnen haben 5-8 Jahre lang die Schule besucht, 27,8 % 9-12
Jahre und 15,5 % länger als 12 Jahre. Nur 1-4 Jahre die Schule besucht haben 8,5 % der
Kursteilnehmerinnen.
Die Ergebnisse zu Beruf und Schulbesuchsdauer stärken Rohrers Befund (1983), dass etliche
ausländische (insbesondere türkische) Frauen nicht berufstätig sind, was zu einer stärkeren
Benachteiligung der Migrantinnen in Hinblick auf ihren Zweitspracherwerb und ihre
Integrationschancen führt (siehe Kapitel 2.2.1).
94
Abbildung 7
Dauer des Schulbesuchs der KT im Herkunftsland
8,5%
48,2%
27,8%
15,5%
0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
1-4 Jahre 5-8 Jahre 9-12 Jahre mehr
Kinder in der Kinderbetreuung
Insgesamt wurde für 561 Kinder die Kinderbetreuung in Anspruch genommen, während die Mütter
die "Mama lernt Deutsch"-Kurse besuchen. Beim Alter der Kinder zeigt sich eine große Streuung:
Ca. ein Drittel sind 2-3 Jahre alt, 24,2 % der Kinder zwischen 4-6 Jahre und 23,2 % 7-10 Jahre alt.
Die kleinste Gruppe sind mit 3 % jene Kinder, die älter als 10 Jahre alt sind (=17 Kinder), während
die 0- bis 1-Jährigen 15,2 % der betreuten Kinder ausmachen.
95
Alter der Kinder in der Kinderbetreuung
15,2%
34,4%
24,2%23,2%
3,0%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
40,0%
0-1 Jahr 2-3 Jahre 4-6 Jahre 7-10 Jahre älter
Im Anhang (Band 2 der Diplomarbeit, Kapitel VII) befinden sich die hier angeführten
Balkendiagramme sowohl in einer Version mit den relativen als auch mit den absoluten
Häufigkeiten.
96
6.1.2. Ergebnisse der Online-Fragebogenerhebung
6.1.2.1. Kursleiterinnen
Angaben zur Person
11,8 % (=6 KL) der Kursleiterinnen geben eine andere Sprache als Deutsch als Erstsprache an. Als
Erstsprachen werden von diesen Personen Türkisch, Slowakisch, Polnisch und
Bosnisch/Kroatisch/Serbisch angeführt.
Als höchste abgeschlossene Ausbildung geben 64,7 % der Kursleiterinnen ein Hochschulstudium
und 21,6 % Matura an. Nach der pädagogischen bzw. philologischen Ausbildung befragt, antworten
die meisten Trainerinnen (23,5 %), dass sie die Pädagogische Akademie55 absolviert haben,
während 11,8 % das Lehramtsstudium und 7,8 % das Diplomstudium Germanistik (ohne DaF/DaZ-
Schwerpunkt) angeben. 9,8 % haben nach eigenen Angaben keine pädagogische oder philologische
Ausbildung absolviert.
Als DaF/DaZ-Ausbildung, die in einem eigenen Punkt abgefragt wurde, geben die meisten
Kursleiterinnen den DaF/DaZ-Lehrgang des Verband Wiener Volksbildung an (23,5 %), an zweiter
Stelle folgt der Ausbildungsworkshop zur Vorbereitung der "Mama lernt Deutsch"-Kurse (17,6 %),
während 13,7 % ein Universitätsstudium mit DaF/DaZ-Modul und 9,8 % ein Germanistikstudium
mit DaF/DaZ-Modul vorzuweisen haben. 7,8 % (= 4 KL) haben laut eigenen Angaben keinerlei
DaF/DaZ-spezifische Ausbildung absolviert, wobei eine davon ein Sprachstudium und drei die
Pädagogische Akademie absolviert haben.
Für 31,4 % der Kursleiterinnen ist der "Mama lernt Deutsch"-Kurs der erste Kurs, in dem sie
DaF/DaZ unterrichten, während je 27,5 % seit mehr oder seit weniger als 5 Jahren DaF/DaZ
unterrichten. Die meisten Kursleiterinnen haben bisher in Institutionen der Erwachsenenbildung
gearbeitet (81,8 % bei n=33).
55 Die Pädagogischen Akademien wurden 2007 in Pädagogische Hochschulen umbenannt und bilden LehrerInnen für Volks-, Haupt- und Sonderschulen aus, während LehrerInnen für höher bildende Schulen ein Lehramtsstudium an der Universität absolvieren müssen.
97
Mit einem Drittel aller Kursleiterinnen aus der Fragebogenerhebung sind die meisten bei der
Kursträgerorganisation Interface beschäftigt (33,3 %), während es beim Integrationshaus 21,6 %,
bei der VHS Meidling 15,7 %, bei der VHS Favoriten 13,7 % und bei der VHS Rudolfsheim-
Fünfhaus 2 % sind.
Zufriedenheit
Die Kursleiterinnen sind mit ihren Kursen (51 %) und dem Kurskonzept (52,9 %) mehrheitlich
"eher zufrieden", "sehr zufrieden" sind 43,1 % bzw. 29,4 %56. Sie unterrichten zu 82,4 % "sehr
gerne" im Rahmen der "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme und würden zu 92,2 % noch einmal
in so einem Kurs unterrichten. Im Detail lässt sich die Zufriedenheit der Kursleiterinnen mit ihren
Kursen und dem Kurskonzept wie folgt darstellen:
Abbildung 8
eher nichtehersehr
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Kurs/ Ihren Kursen insgesamt?
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
5,88%
50,98%
43,14%
56 Wenn nicht anders angegeben, gilt für die Kursleiterinnen im Folgenden n=51.
98
Abbildung 9
eher nichtehersehr
Wie zufrieden sind Sie mit dem Konzept der Kursreihe?
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
17,65%
52,94%
29,41%
Wirkung und Erfolg der Kursmaßnahme
Was den Lernfortschritt der Kursteilnehmerinnen betrifft, so glauben je 60,8 % bzw. 17,6 % der
Kursleiterinnen, dass es ihnen "eher" bzw. "sehr" gelungen ist, Grundkenntnisse der deutschen
Sprache zu erarbeiten und zu festigen. Jeweils knapp über 50% sehen ebenfalls "eher" eine
Verbesserung in den Bereichen Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören. Nach Einschätzung der
Trainerinnen dürften die Lernfortschritte hierbei vor allem in den rezeptiven Bereichen des
Hörverständnisses und der Lesefertigkeit am größten ausgefallen sein, während beim mündlichen
und schriftlichen Gebrauch des Deutschen zu 23,5 % und 41,2 % "eher keine" Fortschritte gesehen
werden.
Im Bereich der innerschulischen Kommunikation, deren Verbesserung als eines der Hauptziele der
Kursreihe zu betrachten ist, nehmen die Kursleiterinnen vor allem vermehrt Gespräche der Mütter
mit LehrerInnen, Sekretariat und Direktion wahr (zu 58,8 %). Die Antwortmöglichkeiten "vermehrt
schriftliche Kommunikation mit der Schule" (17,6 %), "vermehrte Teilnahme an Elternabenden
etc." (33,3 %) und "vermehrt Gespräche mit anderen Eltern" (35,3 %) werden hingegen weniger oft
gewählt.
99
Abbildung 10
andere
keine nennenswerten
Änderungen
vermehrt schriftliche
Kom
munikation m
it der Schule
vermehrte Teilnahm
e an E
lternabenden und schul. V
eranstaltungen
vermehrt G
espräche mit
anderen Eltern
vermehrt G
esprächen mit
LehrerInnen, Sekretariat und
Direktion
30
25
20
15
10
5
0
Anz
ahl F
älle
15
7
18 17
9
30
In welchen Bereichen konnte Ihrer Beobachtung nach die Kommunikation zwischen
der Schule und den Müttern verbessert werden?
In einem freien Textfeld konnten die KL zusätzlich auch andere Stellungnahmen bezüglich der
Verbesserung der innerschulischen Kommunikation abgegeben. Die meisten KL (10) geben hier an,
dass sie in diesem Bereich keine Auswirkungen feststellen konnten, weil sie beispielsweise keine
Mütter mit Kindern an der Schule unterrichtet haben (3 KL), oder weil sie aufgrund der Kurszeit am
Nachmittag zu wenig Einblick in das Schulgeschehen haben (2 KL). Positiv vermerkt werden aber
auch der Kontakt untereinander, Fragen der KT an die KL bezüglich der Schule, Grüßen der
Lehrkräfte bzw. small-talk mit ihnen und Verringerung der Schwellenangst zu
Schulveranstaltungen.
100
Die Kursleiterinnen stimmen größtenteils darin überein, dass die Frauen die sprachlichen
Anforderungen, die in den im Rahmen der Exkursionen besuchten Einrichtungen (z.B. Bücherei
oder Bezirksamt) an sie gestellt wurden, jetzt besser bewältigen können: 68,6 % bzw. 13,7 %
glauben, dass die Lernerinnen dies nun "besser" bzw. "viel besser" können.
Weitgehend einer Meinung sind die Kursleiterinnen auch in der Frage, ob die Mütter die
schulischen Angelegenheiten ihrer Kinder (z.B. Schularbeiten, Mitteilungen der LehrerInnen, …)
aufgrund der Kursteilnahme besser nachvollziehen können: je 54,9 % bzw. 21,6 % glauben, dass
dies "besser" bzw. "viel besser" möglich ist.
Eine große Mehrheit von 78,4 % der Trainerinnen gibt auch an, dass die Mütter aufgrund des
Kursbesuchs außerhalb des Kurses Kontakte knüpfen konnten.
Die Antworten auf die offene Frage, ob die KL andere Auswirkungen der Kurse beobachtet haben,
liefern ein aufschlussreiches und vielseitiges Bild: So stellen neun KL ein gestiegenes
Selbstvertrauen bzw. Selbstbewusstsein bei den Müttern fest, das sich aber nicht nur darin äußert,
dass die KT sich öfter trauen Deutsch zu sprechen, sondern auch darin, dass sie offener sind, ihren
Alltag besser meistern können und Kontakte zu deutschsprachigen Personen anstreben. Auch das
Interesse an Österreich und seiner Kultur sowie verbesserte Kontakte der KT untereinander durch
die Bildung einer für die KT wichtigen Community werden erwähnt. Eine KL spricht die oftmals
ersten Erfahrungen der KT mit deutschsprachigen Veranstaltungen wie Kinovorführungen an, die
von den KT vermehrt ausgeübt werden (wollen), wie im Kapitel 6.2.1 auch anhand des
Erfahrungsberichts der Kursteilnehmerin KTdz gezeigt wird. Eine KL fasst ihre diesbezüglichen
Beobachtungen mit den folgenden Worten zusammen: "stärkerer Wunsch nach Kontakt mit
ÖstereicherInnen und Veranstaltungen wie Kino etc. auf Deutsch, je nach Frau aber noch große
Hemmschwellen."
Dass die "Mama lernt Deutsch"-Kurse vielseitige, dynamische und unvorhersehbare Prozesse weit
jenseits des Deutschlernens auslösen dürften, zeigt auch die Stellungnahme der folgenden KL:
ja, eine frau ist sich dessen bewusst geworden, dass sie ihren türkischen universitätsabschluss hier verwerten könnte. eine frau ist gegenüber ihren Arbeitskolleginnen höflicher in der ausdrucksweise und hat gesagt, dass ihr chef bemerkt habe, dass sie jetzt die dinge, die sie in der arbeit tun müsse zuerst sagt und dann macht. früher habe sie alles zuerst gemacht dann darüber gesprochen, dass sie es gemacht habe. eine frau hat einen besseren zugang zu ihrer gewaltgeschichte und ist gestärkt sich von ihrem mann nicht länger alles gefallen zu lassen und hat zu arbeiten begonnen. eine frau hat über die zweitfrau, die ihr mann angeschafft hat, gesprochen. bei ihr merkte ich dass sie über den kurs erstmals sich als person wichtiger nahm.ich merkte und sagte ihr auch, wieviel sie eigentlich kann und leistet und wie kompetent sie ist, was sie nie so gesehen hat. Sie glaubt, obwohl sie vieles richtig macht, fehlerhaft und schlecht zu sprechen und in vielen dingen unfähig zu sein.
101
eine frau hat vertrauen zur direktorin aufgebaut und ihr über vermittlung von mir von ihrer sozialen situation erzählt und dass sie angst habe der mann würde sie abschieben. die direktorin und die schulärztin haben sich mit ihr solidarisch gezeigt. eine andere frau hat begonnen, mit büchern zuhause weiterzulernen und meint dass sie jetzt besser alleine zu hause lernen kann, weil sie den stoff einmal im kurs schon gehört habe und so die wiederholung sie sicherer mache. viele frauen sind mit der gruppe zum ersten mal öffentlich gefahren. eine frau hat kursverbot von ihren schwiegereltern bekommen, weil wir im kurs einen ausflug gemacht haben. sie ist seither nicht gekommen.
Kurskonzept
Die Umsetzbarkeit des Kurskonzeptes wird von den Kursleiterinnen wie folgt eingeschätzt:
Abbildung 11 (n=44)
eher geringe Umsetzbarkeit
Umsetzbarkeithohe Umsetzbarkeit
Wie beurteilen Sie insgesamt die Umsetzbarkeit des Kurskonzepts in die Praxis?
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
18,18%
50,0%
31,82%
Was die konkreten Ziele des Kurskonzeptes betrifft, angstfreies Lernen und eine positive Lern-
/Lehratmosphäre im Kurs zu ermöglichen, sind sich die Trainerinnen jedoch zu beinahe 100 %
einig, dass diese Ziele erreicht werden konnten, wobei die Wichtigkeit dieser Aspekte von einer KL
besonders hervorgehoben werden (vgl. Kapitel 6.2.4):
die meisten frauen haben eine familie mit großen aufgaben, manche haben auch noch babys bzw. suchen eine arbeitsstelle und dann besuchen sie auch noch 2 mal in der woche den deutschkurs (vielleicht sollte man die frauen nicht zu sehr "überfordern") - aus meiner "kurzen" erfahrung kann ich sagen, dass es für die frauen einfach ganz, ganz wichtig ist stressfrei die deutsche sprache zu lernen, sie auch ausserhalb des kurses anzuwenden (dabei ersusche ich ihre männer und kinder immer wieder - auch deutsch zu hause zu sprechen, sich langsam zu integrieren, in der schule, in der nachbarschaft (das gelingt ihnen durch die kinder ganz gut) und vielleicht auch eine arbeitsstelle zu finden.....
102
Eher geteilter Meinung sind die Kursleiterinnen jedoch in der Frage, ob die Anzahl der
Kurseinheiten für die Erfüllung der Ziele im projektbezogenen Curriculum ausreichend waren: 41,2
% glauben, dass dies der Fall war, 35,2 % glauben dies jedoch nicht (9,8 % haben mit "Weiß nicht"
geantwortet).
Die Einrichtung eines kurstragenden Lehrwerks, das vom Konzept her nicht vorgesehen ist, hält
eine Mehrheit von 53,5 % (n=43) für sinnvoll:
Abbildung 12 (n=43)
Weiß nichtNeinJa
Halten Sie die Einrichtung eines kurstragenden Lehrwerks für sinnvoll?
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
18,6%
27,91%
53,49%
Dass die Kursleiterinnen sich mehrheitlich ein Lehrbuch für den "Mama lernt Deutsch"-Kurs
wünschen, könnte auch damit zusammenhängen, dass ein Drittel der Trainerinnen angibt, nicht
ausreichend Materialien als Kopiervorlagen zur Verfügung gestellt bekommen zu haben. Ebenfalls
in das Bild passt, dass die Kursleiterinnen zu 84,3 % selbst gruppenspezifische Unterlagen
produziert haben. Die eigene Produktion von Lehrmaterial, die in den Interviews auch als
aufwändig beschrieben und als unterbezahlt bemängelt worden ist (vgl. Kapitel 6.2.2), dürfte den
Kursleiterinnen ein hohes persönliches Engagement abfordern, das für die Trainerinnen zu 80,4 %
als "sehr wichtig" für den Erfolg des Kurses eingestuft wird. Auch die Ergebnisse, wonach die
Durchführung bzw. Organisation der Exkursionen und Informationsveranstaltungen für 47,1 % der
Kursleiterinnen mit hohem Aufwand und für 21 % mit besonderen Schwierigkeiten verbunden
waren, sowie der Umstand, dass für diese Organisation für 23,5 % nicht ausreichend
103
Grundlageninformationen vorhanden waren, sprechen für die Notwendigkeit von zusätzlichem
Engagement der Kursleiterinnen.
In Zusammenhang mit der Durchführung der Exkursionen und Informationsveranstaltungen nennen
die KL in einem freien Textfeld die folgenden Problembereiche: zu geringes Interesse an den
Exkursionen, da die Frauen die Exkursionen nicht mit Lernen assoziierten (6 KL); zu hohe
Fahrtkosten, die die KT in den meisten Fällen selbst zu bezahlen hatten (4 KL); zu geringe
Mobilität der Frauen, insbesondere aufgrund eines Unsicherheitsgefühl im öffentlichen Verkehr (2
KL); aufwändige Vorbereitung, v.a. die Terminkoordination und das Beschaffen von
Vorabinformationen betreffend (2 KL); und Exkursionsverbot durch die Ehemänner (1 KL).
Heterogenität
Mit der Frage, ob auf die Lernvoraussetzungen und Lebensbedingungen der Kursteilnehmerinnen
ausreichend Rücksicht genommen werden konnte, wird auch das Thema der weitgehend
heterogenen Gruppenzusammensetzungen angesprochen. Eine große Mehrheit von 72,5 % gibt an,
dass auf die Voraussetzungen der Teilnehmerinnen Rücksicht genommen werden konnte, jedoch
war für ca. die Hälfte der Kursleiterinnen die Heterogenität der Lernerinnen eine Herausforderung:
Abbildung 13
anderehilfreichschwieriganstrengendbereicherndHeraus-forderung
30
25
20
15
10
5
0
Anz
ahl F
älle
5
28
17
14
19
6
Wie haben Sie die Heterogenität der Kursteilnehmeri nnen in Ihrem
Kurs erlebt?
104
Wie aus dem Diagramm hervorgeht, haben die Kursleiterinnen die heterogenen Gruppen aber
keineswegs nur negativ erlebt: So geben 37,3 % an, dass sie die Heterogenität als bereichernd
empfinden.
Für zwei der Kursleiterinnen, die andere Angaben machen, ist die Heterogenität lehrreich für sie
und die KT gewesen, während eine KL auf die Problematik hinweist, wenn es in einer relativ
homogenen Gruppe nur eine Teilnehmerin gibt, die größere sprachliche Probleme als die anderen
hat. Eine KL fasst ihre Wahrnehmung der Heterogenität wie folgt auf:
Grenze zwischen bereichernd und schwierig ist fließend und hängt auch mit der menschlichen Dynamik zwischen den KursteilnehmerInnen zusammen, für die Unterrichtende ist es auf jeden Fall auch anstrengend, da mehrere Ebenen mitgedacht werden müssen - wenn man das sehr geschickt macht, dann kann die Heterogenität hilfreich sein - aber nicht per se.
Zum Themenkomplex der Heterogenität gehört auch die Frage der Sinnhaftigkeit einer
Einstufung(sprüfung) der Teilnehmerinnen zu Beginn des Kurses, um die Mütter unterschiedlichen
Kursniveaus zuteilen zu können. Zwar haben nach Wahrnehmung von 80,4 % der Kursleiterinnen
die Mütter keinen Wunsch nach einer solchen Einstufung(sprüfung) geäußert, die Kursleiterinnen
selbst sind in dieser Frage jedoch geteilter Meinung: Je 41,2 % sind für und gegen eine
Einstufung(sprüfung)57. Trotz der vorwiegend heterogenen Gruppen war jedoch für die meisten
Kursleiterinnen eine individuelle Förderung der Teilnehmerinnen bzw. eine Förderung in
Kleingruppen möglich, wie das folgende Diagramm zeigt:
57 Für die Besprechung der Problematik von Einstufungen siehe auch Kapitel 6.2.
105
Abbildung 14 (n=44)
eher nichteherin großem
In welchem Ausmaß war eine individuelle Förderung b zw. eine Förderung in Kleingruppen von einzelnen
Kursteilnehmerinnen möglich?
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
27,27%
45,45%
27,27%
Beinahe ein Drittel der Kursleiterinnen (31,4 %) hatte nach eigenen Angaben insgesamt 33
Analphabetinnen im Kurs.
Eine Abschlussprüfung wird von den Kursleiterinnen im Gegensatz zu einer Einstufungsprüfung
mehrheitlich abgelehnt (52,9 %) und wurde nach Wahrnehmung von 72,5 % der Trainerinnen von
den Müttern auch nicht verlangt.
106
Teilnehmerinnenanzahl
Zu Kursbeginn nahmen an den Kursen der 51 Kursleiterinnen insgesamt 497 Mütter teil, während
es zum Zeitpunkt der Datenerhebung nur noch 374 Frauen waren58, was einer Drop-Out-Quote von
24,7 % entspricht. Diese Zahlen werden von dem Ergebnis gestützt, wonach 84,3 % der
Trainerinnen angeben, dass Teilnehmerinnen ihren Kurs abgebrochen haben. Als Gründe dafür
werden von den Kursleiterinnen vor allem Schwangerschaft und andere familiäre Verpflichtungen
(45,1 %) sowie Krankheit (37,3 %) angegeben, es werden aber auch Einstieg ins Berufsleben (31,4
%), Umstieg in AMS-Maßnahmen und Zeitmangel als Abbruchgründe genannt (je 29,4 %). In das
offene Antwortfeld werden zudem folgende Gründe für Kursabbrüche eingetragen: Umzüge ins In-
und Ausland (4 KL), Kursbesuchsverbot durch die Ehemänner (2 KL), Heterogenität der KT im
Niveau der Zielsprache Deutsch (2 KL) und Langeweile (1 KL). Die Verteilung der gewählten
Gründe (Mehrfachantworten waren möglich) lässt sich wie folgt darstellen:
Abbildung 15: Abbruchgründe
andere
mangelnde Motivation
Unterforderung
Überforderung
Kurswechsel
zu hohe Kurskosten
Umstieg in AMS-Maßnahme
Zeitmangel
Einstieg ins Berufsleben
Krankheit
familiäre Verpflichtungen
Schwangerschaft
25
20
15
10
5
0
Anz
ahl F
älle
131516 15
3
19
23 23
11 10
46
Ca. zwei Drittel der Kursleiterinnen (64,7 %) geben an, dass der Großteil ihrer Teilnehmerinnen
regelmäßig am Kurs teilgenommen hat. Als Hauptgründe für eine unregelmäßige Teilnahme
werden von den Trainerinnen wiederum familiäre Verpflichtungen (39,2 %) und Krankheit (33,3
58 Sieben Kursleiterinnen machten keine Angabe.
107
%) angegeben. Im freien Textfeld für andere Antworten werden zudem noch "kulturelle
Auffassungsdifferenzen zu Pünktlichkeit, Regelmäßigkeit und Lernvoraussetzungen allgemein" und
zu lange Kursdauer angeführt.
Methodisch-didaktische Vorgehensweise
Danach befragt wie die Kursleiterinnen ihre eigene methodisch-didaktische Vorgangsweise
bezeichnen würden, antworten die meisten (17,6 %) damit, dass sie sich unterschiedlicher
Methoden bedienen würden (16 KL machen keine Angabe). An zweiter Stelle folgt die Methode
des Fremdsprachenwachstums59 (13,7 %), und am dritthäufigsten wurde ein bedarfs-,
lebensweltlich- und praxisorientierter Zugang genannt60.
Abbildung 16 andere
themenbezogen
komm
unikativer Ansatz
Bedarfs-,
lebensweltlich-,
praxisorientiert
Fremdsprachen-
wachstum
unterschiedliche M
ethoden
Methodisch-didaktische Vorgangsweise
10
8
6
4
2
0
Abs
olut
e W
erte
33
76
9
7
Dem Methodenmix der Kursleiterinnen entsprechend haben diese auch auf die Frage geantwortet,
ob sie einheitliche methodisch-didaktische Vorgaben für sinnvoll hielten: Während 21,6 % solche
Vorgaben begrüßen würden, lehnen sie 47,1 % mehrheitlich ab (17,6 % antworten mit "Weiß
nicht").
59 Das von Buttaroni und Knapp entwickelte Konzept des Fremdsprachenwachstums baut auf Chomskys Universalgrammtatik auf, verfolgt einen emanzipatorischen Ansatz und sieht vor allem den Einbezug authentischer Unterrichtsmaterialien vor (Ortner 2003: 235-237; vgl. Buttaroni/ Knapp 1988). 60 Die Antworten auf diese offene Frage wurden im Nachhinein kategorisiert.
108
Rahmenbedingungen
Fast die Hälfte der Kursleiterinnen (47,1%) hatte die Möglichkeit, direkt in der Schule Kopien für
den Kurs zu erstellen. 17,6 % fertigten die Kopien in der Kursträgerorganisation an, 11,8 % im
Copyshop und 9,8 % bei sich zu Hause. 62,7 % empfanden die Möglichkeiten, Kopien zu erstellen,
für ausreichend, während dies für 21,6 % nicht der Fall war.
Wie schwierig sich das Erstellen von Kopien für den Kurs für manche KL gestaltet haben muss,
zeigen auch die folgenden Statements von drei KL:
papier musste von den kursleiterinnen in die schulen geschleppt werden, um dort kopieren zu "dürfen". das hin und her fahren um dann das kopiergeld wieder einzubringen war umständlich. besser wäre es gewesen jeder kursleiterin eine copycard mit guthaben zu geben, wovon wir abbuchungen machen hätten können. Wohnung im 3., Schule im 5., Kursträgerin im 12. Bezirk: mühsam und sehr zeitintensiv dort immer bloß zum Kopieren hinzufahren Die Lösung mit dem Copyshop hat sich erst in der 2. Kurshälfte ergeben. Es wäre wünschenswert, wenn es fixe Vereinbarungen zwischen den Schulen und den Kursträgern bzgl. der Kopien geben würde (Die Schulen bekommen Kopiergeld und wir können dafür dort problemlos kopieren).
Für 72,5 % der Trainerinnen ist die Kooperation zwischen ihnen und der Schule zufrieden stellend
verlaufen, nur 13,7 % sind mit der Kooperation nicht zufrieden. Die Kommunikation mit den
KursträgerInnen wird ähnlich positiv wahrgenommen: 71,1 % sind mit ihr "sehr" und 17,8 % "eher"
zufrieden (n=45):
Abbildung 17 (n=45)
gar nichteher nichtehersehr
80,0%
60,0%
40,0%
20,0%
0,0%
Pro
zent
2,22%8,89%
17,78%
71,11%
Wie zufrieden sind Sie mit der Kommunikation mit de n KursträgerInnen?
109
Als Verbesserungsvorschläge in Bezug auf die Kommunikation mit den KursträgerInnen werden
folgende Punkte genannt: regelmäßige bezahlte Treffen, Unterstützung mit Unterrichtsunterlagen
bzw. Aufwandsentschädigung für die Beschaffung von Material, eine muttersprachliche
Anlaufstelle für Fragen der KT, zeitgerechtere und geblocktere Informationen, klarere
Rahmenbedingungen und Kommunikation derselben sowie einheitliche Richtlinien für alle
Kursträgerorganisationen. Von einer Kursleiterin wird die Einrichtung eines Internetforums für die
Kursleiterinnen angeregt, um sich austauschen zu können.
In Bezug auf die Kooperation mit der Schule ergibt sich ein geteiltes Bild: Einige KL orten
Desinteresse aufseiten der Direktion, des Schulwartes und der LehrerInnen, andere berichten von
einer gut funktionierenden Kommunikation, wobei diese in zwei Fällen deshalb positiv verliefe,
weil eine der beiden KL gleichzeitig als Volksschullehrerin an der Schule arbeite. Ebenfalls genannt
werden Raummangel, der zur Verdrängung von Lehrerinnen aus ihren Klassen und damit für
Unmut bei diesen sorge, sowie zu wenig Werbung für den "Mama lernt Deutsch"-Kurs in der
Schule. Konkrete Verbesserungsvorschläge in dieser Hinsicht kommen beispielsweise von den
folgenden drei KL:
Unbedingt müssen hier die KursträgerInnen und der Stadtschulrat die Rahmenbedingungen mit den Direktionen klären! Es kann nicht Aufgabe der einzelnen Kursleiterin sein, immer wieder um akzeptable Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Das Image der Maßnahme muss "von oben" transportiert werden, damit auch von den Direktionen die Wertschätzung kommen kann. Das beeinflusst auch maßgeblich das Kursklima in der Gruppe, wie ich beobachtet habe!! Eventuell die Teilnahme an einer Konferenz oder eine andere Art der Vorstellung im Kollegium. Das Projekt muss von Anfang an den Lehrkräften an der Schule "schmackhafter" gemacht werden, indem Vorteile und Chancen der Maßnahme ganz konkret gesehen werden.
Für 60,8 % der Kursleiterinnen ist die Ausstattung der Kursräume zufrieden stellend, 25,5 % sind
damit hingegen unzufrieden. Die folgenden Punkte werden als Problembereiche in der
Kursraumausstattung genannt: fehlende oder mangelhafte Medien (Overheadprojektor, CD-Player,
Whiteboard, zu kleine Tafel, keine Kreide), zu kleine und unbequeme Räume, keine
erwachsenengerechten Möbel und kein eigener Raum für die Kinderbetreuung. Eine KL fasst die
Schwierigkeiten mit der Ausstattung der Räume wie folgt zusammen:
auf sachen der schulkinder musste sehr aufgepasst werden, frauen wurden wie gäste in der schule behandelt, unsere materialien konnten nicht länger an den wänden hängen. es durfte nichts schmutzig werden, ansonsten gabs streit mit dem schulwart da nach unseren kursen nicht mehr geputzt wurde.
110
Die Kursleiterinnen halten ihre Bezahlung mehrheitlich (58,8 %) für nicht angemessen, eine
Minderheit von 27,5 % gibt an, die Bezahlung als adäquat zu empfinden (vgl. Kapitel 6.2.2 und
6.2.4).
Was die Kurskosten für die Kursteilnehmerinnen betrifft, so schätzen die Trainerinnen diese zu 54,9
% als angemessen ein. 27,5 % geben an, dass die Kurskosten für sie zu umständlich einzuheben
waren (vgl. Kapitel 6.2.2 und 6.2.4). Im Detail werden bei dieser Frage (Mehrfachantworten waren
möglich) folgende Antwortmöglichkeiten gewählt:
Abbildung 18: Einschätzung der Kurskosten für die Kursteilnehmerinnen
Kosten zu undurchsichtig
gestaltet
zu hochzu hoch für die Abzahlung in
einer Rate
zu umständlich die Kosten zu
erheben
angemessen
30
25
20
15
10
5
0
Anz
ahl F
älle
7
14 13 12
28
Danach befragt, welche Motive ihrer Einschätzung nach für die Wahl der "Mama lernt Deutsch"-
Kurse ausschlaggebend waren (Mehrfachantworten waren möglich), werden hauptsächlich der
Kursstandort, die Kinderbetreuung (je 76,5 %) und die Wohnortnähe (70,6 %) genannt, aber auch
geringe Kurskosten (54,9 %) und die Kurszeit während der Unterrichtszeit der Kinder (51 %)
werden öfter gewählt, wie das folgende Diagramm zeigt:
111
Abbildung 19
andere
um m
it ÖsterreicherInnen
sprechen zu können
um sich für den A
rbeitsmarkt
zu qualifizieren
um allein zu Ä
mtern/B
ehörden gehen zu können
um m
it den Kindern H
Ü zu
machen
um allein zu Ä
rztInnen gehen zu können
um m
it LeherInnen zu sprechen
Kurszeit
geringe Kosten
Wohnortnähe
Kinderbetreuung
Kursstandort
40
30
20
10
0
Anz
ahl F
älle
5
13 1213
2021
13
36
28
39
26
39
Als andere Gründe werden je einmal "Kontakt mit anderen Frauen", "Freude am Sprachenlernen",
"um einen geschützten Raum abseits der Familie zu haben" und "Verbesserung der sozialen
Lebenssituation" genannt.
Insgesamt sind die meisten Kursleiterinnen mit der Kursorganisation "sehr" (33,3 %) oder "eher"
(44,4 %) zufrieden, während 20 % "eher nicht" und 2,2 % "gar nicht" zufrieden sind (n=45):
Abbildung 20 (n=45)
gar nichteher nichtehersehr
Wie zufrieden waren Sie mit der Kursorganisation insgesamt?
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
2,22%
20,0%
44,44%
33,33%
112
Auch hier zeigt sich anhand der Antworten im freien Textfeld, dass die KL viele konkrete
Verbesserungsvorschläge anzubieten haben. Die meisten der bereits genannten Problembereiche
tauchen hier zwar wieder auf, jedoch machen sich einige KL auch darüber hinausgehende
Gedanken, wie beispielsweise die folgenden Ausführungen zeigen:
3 Punkte halte ich für wichtig: 1. Image "von oben" (siehe andere Frage). Aufteilung in 2 Kursniveaus (Vorschlag: pro Bezirk je eine Gruppe A1 und A1+) 3. Wir Kursleiterinnen leisten hier neben unserer Kernkopmetenz als SprachtrainerInnen viel soziale, gruppendynamische und organistorische Arbeit - dafür ist angemessene Bezahlung wichtig, damit die Qualität der Maßnahme gehalten/gesteigert werden kann, für mich muss ich die Entscheidung treffen: wenn die Bezahlung nächstes Jahr keine bessere ist, übernehme ich keine Kurse mehr - es gibt auch etliche besser bezahlte Möglichkeiten, mit Anstellung, die jetzige Bezahlung ist für einen studentischen Zusatzjob adäquat, aber nicht für voll berufstätige AkadimerInnen und/oder Diplom.Päd, auffällig und gesellschaftpolitisch hinterfragenswürdig finde ich, dass für diese Zielgruppe anscheinend keine Gelder argumentiert werden konnten, die ihr bestmögliche Betreuung ermöglichen würden, Kurskosten sollten vorher von Kursträgern bzw. Schulen eingesammelt werden. Es ist eine Art Problem oder eine Hürde Kosten einzutreiben. Die Kursleiterinnen möchten das Vertrauen der Kursteilnehmerinnen gewinnen und ihnen das Gefühl geben willkommen zu sein, und "Geld" ist nicht gerade ein Mittel dafür und wirkt nicht positiv auf die KTN. mehrere treffen, weiterbildungsangebote, internetforum, etc Am Beginn des Kurses eine Informationsveranstaltung und ein Rundschreiben an alle Kursleiter mit den wichtigen Informationen.
Am häufigsten werden verallgemeinernd gesprochen klarere Richtlinien und eine bessere
Kommunikation der Rahmenbedingungen sowie eine den Anforderungen der KL entsprechende
Entlohnung gefordert. Eine Kursleiterin spricht zusätzlich die mangelnde Anrechenbarkeit der
Kurse an und schlägt u.a. ein Modulsystem vor:
Es wäre schön, wenn ganz klare Verhältnisse (schon vonseiten der MA 17) geschaffen werden könnten. Es kann nicht sein, dass propagierte Gratiskurse plötzlich was kosten und Zertifikate und Alphabetisierungskurse versprochen werden, die es dann nicht gibt. Ganz problematisch finde ich, dass der Mamakurs nicht für AMS und IV zählt, das bringt die Frauen nicht wirklich weiter. Schön wäre ein Modulsystem, innerhalb dessen jene Frauen, die das wollen, sich vielleicht auch auf Zertifikatsprüfungen vorbereiten können, die allgemein (Beruf, AMS...) anerkannt werden. Mehr Transparenz und weniger Willkür bei den Rahmenbedingungen fände ich schön.
Die Kursleiterinnen wurden auch gebeten, in eigenen Worten anzuführen, worin sie generell
Schwierigkeiten solcher Kursangebote sehen. Die meisten Trainerinnen (11 KL) führen hier die
Heterogenität der Lernerinnengruppe an (vgl. oben angeführte Ergebnisse zur Heterogenität),
danach folgen die Rahmenbedingungen an der Schule, beispielsweise die fehlende Möglichkeit von
Vormittagskursen oder die Kommunikation mit der Schule betreffend (5 KL).
113
Natürlich durften die Kursleiterinnen auch anbringen, worin sie generell Potenziale solcher
Kursmaßnahmen sehen. Einige (6 KL) sehen in der Niederschwelligkeit des Angebotes bzw. der
Möglichkeit zum angstfreien und freiwilligen Lernen im benötigten Rhythmus den größten Vorteil
des "Mama lernt Deutsch"-Konzeptes. Dies führt laut einigen KL dazu, dass mit dem "Mama lernt
Deutsch"-Kurs Frauen erreicht werden, die zwar schon lange in Österreich sind, aber nie von
anderen Kursmaßnahmen erreicht wurden. Zwei KL führen auch die Verbesserungsmöglichkeit der
innerschulischen Kommunikation an, häufiger genannt (7 mal) werden aber die Möglichkeiten zum
Abbau von Angst und Vorurteilen, die damit einhergehende Öffnung der Frauen sowie die
gelungene Stärkung des Selbstbewusstseins der Frauen:
1. Der Kurs stellt für viele der Frauen den ersten und einzigen Raum dar, wo sie unabhängig von ihrer Familie wirken können. 2. Den Frauen wird die Möglichkeit geboten, angstfrei, ohne Druck und in ihrem persönlichen Rhythmus einen Zugang zur deutschen Sprache zu finden. Trotzdem die Lernfortschritte bzgl. Grammatik und freiem Sprechen geringer als von mir erwartet ausgefallen sind, stelle ich fest, dass die Frauen ihren Zugang zur deutschen Sprache und der Gesellschaft, die sie umgibt, ausgeweitet haben. 3. Die Kinder der Mütter sind stolz, dass die Mütter an Deutsch lernen. 4. Die Frauen werden im Laufe der Zeit mehr Zugang zu den schulischen Belangen ihrer Kinder finden und sich im "Dschungel" der ihnen oft sehr fremden reglementierten Umwelt zurechtfinden. 5. Die Frauen lernen die Stadt Wien mit ihren Möglichkeiten an sozialen Einrichtungen und Freizeitangeboten kennen und tragen diese Informationen in die Familien. 6. Der Kurs als Ort der Begegnung mit anderen Frauen verschiedenster Herkunft, d.h. Abbau von Ängsten und Vorurteilen
Varietäten
Den Kursleiterinnen wurden auch Fragen zur Thematisierung sprachlicher Varietäten im Kurs (z.B.
Österreichisches vs. Bundesdeutsches Deutsch, Wienerisch) gestellt.
Eine große Mehrheit von 77,8 % der KL gibt an, vorwiegend österreichisches Hochdeutsch als
Unterrichtssprache zu verwenden, während 20 % österreichische Umgangssprache anführen (n=45):
114
Abbildung 21 (n=45)
keine Angabeösterreichische Umgangssprache
österreichisches Hochdeutsch
Verwenden Sie selbst als Unterrichtssprache vorwieg end ...
80,0%
60,0%
40,0%
20,0%
0,0%
Pro
zent
2,22%
20,0%
77,78%
64,7 % der KL thematisieren laut eigenen Angaben Unterschiede zwischen Österreichischem und
Bundesdeutschem Deutsch (z.B. ich bin gestanden – ich habe gestanden oder Karfiol –
Blumenkohl), während dies 21,6 % nicht tun (13,7 % lassen die Frage aus). Weniger eindeutig fällt
die Antwort auf die Frage aus, ob in der Ausbildung der KL die systematischen Unterschiede
zwischen Österreichischem, Bundesdeutschem und Schweizer Deutsch thematisiert wurden.
Während 43,1 % diese Frage bejahen, verneinen sie ein Drittel der KL (7,8 % antworten mit "Weiß
nicht" und 15,7 % überspringen die Frage).
Für den allergrößten Teil der KL (90,9 %) ist die Vermittlung von Österreichischem Deutsch
jedenfalls "sehr wichtig" "oder "eher wichtig" und nur für 9,1 % "eher unwichtig":
115
Abbildung 22 (n=44)
eher unwichtigeher wichtigsehr wichtig
Wie wichtig ist Ihnen die Vermittlung von Österreichischem Deutsch?
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
9,09%
38,64%
52,27%
Während 9,8 % der KL angeben, dass sie von den KursträgerInnen Vorgaben bezüglich der
Vermittlung von Österreichischem Deutsch im Kurs erhalten haben, war das für 64,7 % nicht der
Fall (11,8 % antworten mit "Weiß nicht", 13,7 % überspringen die Frage).
Danach gefragt, ob sie im Unterricht dialektale und umgangssprachliche Hörtexte verwenden,
bejahen 54,9 % der KL diese Frage, während sie 29,4 % verneinen (2 % wählen "keine Angabe",
13,7 % lassen die Frage aus).
Für 43,1 % der KL sollten dialektale und umgangssprachliche Sprachformen aus Wien in das
Kursgeschehen einbezogen werden, während dies für 21,6 % nicht nötig erscheint (weitere 21,6 %
antworten mit "Weiß nicht", 13,7 % überspringen die Frage). Für die meisten KL sollten diese
Sprachformen hierbei in Form von Hörtexten (41,2 %) oder im Rahmen der Exkursionen (29,4%) in
den Unterricht einfließen, während dies nur 3,9 % in Form von schriftlichen Texten tun würden
(Mehrfachantworten waren möglich):
116
Abbildung 23
andereschriftliche Textebei den Exkursionen
Hörtexte
25
20
15
10
5
0
Anz
ahl F
älle
4
15
21
2
In welcher Form sollten diese Sprachformen in das K ursgeschehen einbezogen
werden?
Vier KL nennen als andere Möglichkeiten der Thematisierung dialektaler und umgangssprachlicher
Sprachformen: "wenn es sich ergibt", "bei Erklärung mancher Wörter oder bei Info der österr.
Kultur", "das kann bei allen Fertigkeiten geschehen, bei dieser Zielgruppe erscheint es mir bei
Hören und Sprechen am sinnvollsten"
und " gezielt, gebräuchliche Formen."
6.1.2.2. DirektorInnen
Laut Auskunft der DirektorInnen hat in 86,5 % der Schulen ein "Mama lernt Deutsch"-Kurs
stattgefunden, während in 11,2 % (d.h. in zehn Schulen) zwei Kurse und in 2,2 % (d.h. in zwei
Schulen) drei Kurse abgehalten wurden. 61
85,4 % der DirektorInnen geben an, dass sie in die Bewerbung der Kursmaßnahme involviert
waren, bei 13,5 % war das hingegen nicht der Fall. 10,1 % könnten sich jedoch vorstellen, diese
61 Wenn nicht anders angegeben, gilt für die DirektorInnen im Folgenden n=89.
117
Aufgabe in Zukunft zu übernehmen, während 15,7 % dies nicht möchten (74,2 % haben die Frage
übersprungen).
Für eine große Mehrheit von 82 % waren die zur Verfügung gestellten Informationen und
Materialien zur Kursmaßnahme ausreichend, für 15,7 % hingegen nicht. Weniger zufrieden sind die
DirektorInnen mit den ihnen zur Verfügung gestellten Werbemittel: Ca. zwei Drittel (66,3 %)
empfinden sie als zufrieden stellend, während sie für 31,5 % unzureichend waren. Nach
Verbesserungsvorschlägen bezüglich der Gestaltung der Werbung für die "Mama lernt Deutsch"-
Kurse gefragt, wünschen sich die meisten SchulleiterInnen (21) übersichtlicher gestaltete Folder
bzw. Anmeldeformulare, da die verwendeten aufgrund der zu kleinen Schriftgröße und aufgrund
von zu viel Text für die Adressatinnen unattraktiv seien. Ebenfalls genannt werden mehr bzw.
größere Plakate, die Berücksichtigung von mehreren Sprachen auf den Informationsmaterialien,
mündliche Informationen durch die Muttersprachlichen LehrerInnen und die Anführung der
Kurskosten als "1 Euro pro Stunde" statt "150 Euro pro Semester", da dies für die Adressatinnen
attraktiver sei.
Ca. die Hälfte der DirektorInnen (52,3 %) ist mit der Kommunikation mit den Kursleiterinnen "sehr
zufrieden", 37,5 % sind "eher zufrieden" und 10,2 % sind "eher nicht zufrieden" (n=88).
Abbildung 24 (n=88)
eher nichteher schonsehr
Wie zufrieden sind Sie mit der Kommunikation mit de n KursleiterInnen?
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
10,23%
37,5%
52,27%
118
Als Verbesserungsvorschläge für die Kommunikation mit den Kursleiterinnen nennen die
DirektorInnen die folgenden Punkte: mehr (bezahlte) bzw. regelmäßige Besprechungseinheiten,
Kontaktaufnahme durch die KL bzw. durch die DirektorInnen, striktere Einhaltung der Schul- bzw.
Hausordnung (auch von den KinderbetreuerInnen), Vorstellung der KinderbetreuerInnen und mehr
Informationen für die Direktion (über die Kursinhalte, den Stand des Kurses, Exkursionsplanungen
und die Namen der angemeldeten Mütter).
Mit der Kommunikation mit den KursträgerInnen sind 38,2 % "sehr zufrieden", 53,9 % "eher
zufrieden" und 7,9 % "eher nicht zufrieden".
Abbildung 25
eher nichteher schonsehr
Wie zufrieden sind Sie mit der Kommunikation mit de n KursträgerInnen?
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
Pro
zent
7,87%
53,93%
38,2%
Nach Verbesserungsvorschlägen für diesen Bereich gefragt, wünschen sich die SchulleiterInnen
mehr "Rücksprache, bevor Statements abgegeben werden", "bei Absage eines Kurses Mail-Info an
die Direktion", mehr Vorinformationen über die Inhalte des Kurses und darüber, wer KursleiterIn
bzw. KinderbetreuerIn wird. Ein/e DirektorIn kritisiert, dass von der Trägerorganisation ihres
"Mama lernt Deutsch"-Kurses in der Nähe der Schule ein Gratis-Kurs angeboten werde, der sich
ungünstig auf die Teilnehmerinnenzahl an der Schule auswirke.
119
Danach gefragt, warum ihre Schule sich dafür entschieden hat, einen "Mama lernt Deutsch"-Kurs
anzubieten, wählen ca. zwei Drittel bis drei Viertel der DirektorInnen alle von uns vorgegeben
Antwortmöglichkeiten außer "Kurse sind eine gute Werbung für die Schule" (11,2 %)
(Mehrfachantworten waren möglich):
Abbildung 26: Gründe für das Anbieten von "Mama lernt Deutsch"-Kursen
andere Gründe
Kurse sind gute W
erbung für die S
chule
Schule w
ill Sprachen- und
Diversitätspolitik vorantreiben
Kurs w
ird positive Wirkung
auf Schulalltag haben
Kurs w
ird positive Wirkung
auf die Mütter haben
hoher Prozentsatz m
it anderer L1 als D
eutsch
Schule ist offen und auf
Integration ausgerichtet
Sprachdefizite der M
ütter beeinträchtigen S
chulalltag
60
40
20
0
Anz
ahl F
älle
5
69
10
55
66
57
69 67
In dem freien Textfeld nach den vorgegeben Antwortmöglichkeiten geben die SchulleiterInnen
zudem die folgenden Gründe für das Anbieten von "Mama lernt Deutsch"-Kursen an ihren Schulen
an:
Weil wir glauben, dass auch für die Schüler/innen der Bildungsweg erleichtert wird und die gesellschaftliche Akzeptanz verstärkt werden kann. durch Identifikation der Kinder mit den Eltern mehr Motivation zum Lernen weil uns Elternarbeit ein großes Anliegen ist um Eltern die Möglichkeit zu geben in Wohnnähe einen günstigen Deutschkurs wahrzunehmen und um besonders Mütter aus ihrer Isolation zu helfen, Basiskommunikation anzubahnen und Einblick in unsere Schule zu geben Miteinbeziehen von Müttern in den Schulalltag ist uns sehr wichtig, da viele Mütter berufstätig sind!
Für 85,8 % der DirektorInnen war das Angebot der Kinderbetreuung entweder "sehr wichtig" oder
"wichtig" für das Zustandekommen der Kurse an ihrer Schule, für 31 % "eher wichtig", für 10,7 %
"eher unwichtig" und für 3,6 % "unwichtig"(n=84):
120
Abbildung 27 (n=84)
unwichtigeher unwichtigeher wichtigsehr
Wie wichtig war Ihrer Wahrnehmung nach die Kinderbetreuung für das Zustandekommen der Kurse an
Ihrer Schule?
50
40
30
20
10
0
Abs
olut
e W
erte
3
9
26
46
In ihrer Einschätzung der Kurskosten sind die DirektorInnen eher geteilter Meinung: Etwas weniger
als die Hälfte (47,2 %) empfindet die Kurskosten als angemessen, während sie für ein Drittel zu
hoch für die Zielgruppe erscheinen (Mehrfachantworten waren möglich). 23,6 % halten die
Kurskosten für zu undurchsichtig für die DirektorInnen gestaltet.
Abbildung 28: Einschätzung der Kurskosten
keine Angabezu undurchsichtig gestaltet für die
Direktion
zu hoch für die Zielgruppe
angemessen
50
40
30
20
10
0
Anz
ahl F
älle
5
21
30
42
121
Da die DirektorInnen für die vorliegende Studie eine der Hauptquellen für die Beschreibung der
Auswirkungen der Kurse auf die innerschulische Kommunikation darstellen, wurden auch sie
gefragt, ob die Kommunikation zwischen Müttern und Schule verbessert werden konnte. Die Bilanz
der DirektorInnen fällt hierbei eindeutig positiv auf: 94,4 % konnten eine Verbesserung der
Kontakte zwischen Schule und Elternhaus beobachten. Danach befragt, in welchen Bereichen sie
diese Verbesserung wahrgenommen haben, antworten 36 % mit "vermehrt Gespräche der Mütter
mit LeherInnen, Sekretariat und Direktion" 22,5 % mit "vermehrt Gespräche mit anderen Eltern"
und 12,4 % mit "vermehrte Teilnahme an Elternabenden etc." Das folgende Diagramm gibt über die
beobachteten Auswirkungen im Detail Auskunft:
Abbildung 29
andere
vermehrt G
espräche mit
Schulw
artInnen
vermehrt schriftliche
Kom
munikation m
t der Schule
vermehrte Teilnahm
e an E
lternabenden etc.
vermehrte G
espräche mit
anderen Eltern
vermehrt G
espräche mit
LehrerInnen, Sekretariat und
Direktion
40
30
20
10
0
Anz
ahl F
älle
9
3
20
11
4
32
In welchen Bereichen konnte Ihrer Beobachtung nach die Kommunikation
zwischen der Schule und den Müttern verbessert werd en?
122
In einem freien Textfeld machen die DirektorInnen in eigenen Worten zusätzlich die folgenden
Angaben zu der Frage, inwiefern sich die Kommunikation zwischen Schule und Eltern ihrer
Beobachtung nach verbessert hat: Vier SchulleiterInnen können noch keine Auswirkungen
feststellen, weil zu wenig Zeit vergangen sei und zwei DirektorInnen geben antworten:
Die "Schwellenangst" der Nicht-Deutsch-Sprechenden Mütter wurde verringert, auch wenn die D-Kenntnisse nur gering verbessert werden konnten (in der kurzen Zeit). Die Frauen fühlen sich willkommen. Bemühen um Anteilnahme am Schulleben seitens der KursteilnehmerInnen. Schriftliche Kommunikation mangels ausreichender Schriftkenntnis der TeilnehmerInnen nach wie vor erschwert.
Ein geteiltes Bild ergeben die Antworten auf die Frage, ob die DirektorInnen im laufenden
Schuljahr mehr persönlichen Kontakt mit den Kursteilnehmerinnen gehabt haben: Jeweils etwas
weniger als die Hälfte der DirektorInnen (43,8 % bzw. 42,7 %) hat nach eigenen Angaben mehr
persönlichen Kontakt bzw. keinen vermehrten persönlichen Kontakt mit den Kursteilnehmerinnen
gehabt.
Da, wie bereits in Kapitel 3.2.4 erläutert wurde, externe Sprachkurse an österreichischen Schulen
unüblich sind, wurden die DirektorInnen auch danach befragt, wie sich die "Mama lernt Deutsch"-
Kurse auf den Schulalltag ausgewirkt haben (die Antwortmöglichkeiten lauteten "vorwiegend als
Bereicherung", "als Störung des geregelten Schulablaufs", "keine nennenswerten Auswirkungen"
und "anderes: …"). Die meisten DirketorInnen (62,9 %) nehmen diesbezüglich gar keine
nennenswerten Auswirkungen auf den Schulalltag wahr, 25,8 % sprechen von einer Bereicherung
und für nur eine Person (1,1 %) hat der Kurs den geregelten Schulablauf gestört.
123
Abbildung 30 (n=83)
andersStörungBereicherungkeine Auswirkungen
Wie haben sich die MLD-Kurse in Ihrer Schule auf de n Schulalltag ausgewirkt?
60
50
40
30
20
10
0
Abs
olut
e W
erte
3
56
1
23
Nach den Reaktionen der KlassenlehrerInnen gefragt, antworten 38,2 % der DirektorInnen, dass
sich die LehrerInnen positiv über die "Mama lernt Deutsch"-Kurse geäußert haben. 16,9 % geben
an, dass sie teilweise positive, teilweise negative Rückmeldungen erhalten haben. Die
DirektorInnen wurden auch um detaillierte Angaben bezüglich der Reaktionen der LehrerInnen
gebeten: Die meisten DirektorInnen (53,9 %) antworten, dass die LehrerInnen keine nennenswerten
Auswirkungen wahrgenommen haben. Viele DirektorInnen geben aber auch an, dass schulintern
über die Kurse und ihre Wirkungen diskutiert wird (29,2 %), und dass sich die LehrerInnen für die
Kurse und ihre Zielsetzungen interessieren (27 %) (Mehrfachantworten waren möglich). Immerhin
19,1 % der DirektorInnen nehmen einen vermehrten Kontakt zwischen den LehrerInnen und den
KursteilnehmerInnen sowie ihren Kindern wahr, während nur 2,2 % (2 DirektorInnen) von
LehrerInnen berichten, die die Kurse als Störung empfunden haben. Die Option "die LehrerInnen
besuchen die Kurse" wurde von niemandem gewählt.
124
Abbildung 31: Wahrnehmung der Kurse durch die Lehrerschaft
LehrerInnen besuchen Kurse
Kurse werden als Störung
wahrgenommen
vermehrt Kontakt zwischen
LehrerInnen und Müttern /
SchülerInnen
Interesse für Kurse und
Zielsetzungen
Diskussionen über die Kurse
keine nennenswerten Auswirkungen
50
40
30
20
10
0
Anz
ahl F
älle
2
26
17
0
24
48
Laut 40,4 % der DirektorInnen konnten die Kursteilnehmerinnen am Unterricht in den Klassen ihrer
Kinder teilnehmen (bzw. hospitieren), während dies in 44,9 % der Schulen nicht der Fall gewesen
sein dürfte.
Danach gefragt, in welcher Form sie sich an der "Mama lernt Deutsch"-Maßnahme beteiligt haben,
antworten die allermeisten DirektorInnen (85,4 %), dass sie die Werbung für die Kurse organisiert
haben, während ca. zwei Drittel (67,4 %) regelmäßigen Kontakt mit den Kursleiterinnen und etwas
mehr als die Hälfte der DirektorInnen (52,8 %) einen Besuch im Kurs anführen. Weniger oft
genannt werden Führungen durch das Schulhaus (23,6 %) und Veranstalten von Treffen mit den
Müttern (12,4 %).
125
Abbildung 32: Engagement der DirektorInnen im Rahmen der "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme
andersTreffen mit Müttern
Führung durch das Schulhaus
Besuch und Vorstellung im
Kurs
regelmäßiger Kontakt mit
KL
Werbung für Kurse
80
60
40
20
0
Anz
ahl F
älle
11
60
47
21
11
76
Als andere Formen der Beteiligung werden zusätzlich die folgenden Punkte genannt:
Gespräch über österr. Bildungssystem Präsentation des Österreichischen Schulsystems und seine Auswirkungen auf den schulischen Alltag die Mütter zur Mitarbeit an einem Schulprojekt eingeladen
In Zukunft werden Vormittagskurse angeboten sowie regelmäßige Kontakte mit Klassen, Lehrer/innen, anderen Eltern .... Die Mütter kennen das Schulhaus, die Lehrerinnen und mich. Als ich die Kursleiterin fragte, wann denn nun die Kontakte mit Lehrerinnen, mir,... stattfänden, eher Erstaunen und: ..wenn Sie das wollen... Rückblickend betrachtet wäre es vonnöten gewesen, die Kontakte selbst zu organisieren. Die Kursteilnehmerinnen hätten sehr gern daran [am Unterricht ihrer Kinder] teilnehmen können. Die Kursleiterin sprach von Scheu. Ich hoffe, die Mütter melden sich auch im nächsten Jahr wieder und haben dann ihre Scheu abgelegt.
Das in Kapitel 5.1.1 erläuterte Maß der Involviertheit der DirektorInnen wurde wie folgt berechnet:
Die mit Stufe 1 auf einer sechsstufigen Skala von 1-6 involviertesten Personen machen 5,6 % aller
DirektorInnen aus, während auf Stufe 2 und 3 je 21,3 % der DirektorInnen zu finden sind. Mit 29,2
% befinden sich die meisten DirektorInnen auf Stufe 4 der Involviertheitsskala, während für 18 %
Stufe 5 berechnet wurde. Die am wenigsten involvierten DirektorInnen auf Stufe 6 machen 4,5 %
126
aus. Der Mittelwert über alle DirektorInnen berechnet beträgt 3,34 auf der Involviertheitsskala. In
dem folgenden Balkendiagramm finden sich die absoluten Häufigkeiten zu den genannten Zahlen:
Abbildung 33: Involvierheit der DirektorInnen
654321
Involviertheit: niedrige Werte stehen für starke Involviertheit
30
25
20
15
10
5
0
Abs
olut
e W
erte
6
16
26
1919
5
Auch die DirektorInnen konnten in eigenen Worten angeben, worin sie generell Schwierigkeiten
und Potenziale von Kursmaßnahmen wie "Mama lernt Deutsch" sehen. Als Schwierigkeit wird am
häufigsten (19 mal) das Raumproblem an der Schule angeführt, an zweiter Stelle folgt die
Akzeptanz der Kursmaßnahme bzw. die Erreichbarkeit der Adressatinnen (18 mal). Weit
abgeschlagen werden an dritter Stelle (6 mal) die zu hohen Kurskosten genannt. Jeweils drei mal
werden Kursabbrüche, unregelmäßige Kursteilnahme, die Heterogenität der Kursteilnehmerinnen,
die Eignung der KinderbetreuerInnen und die Eignung der Kursleiterinnen angeführt. Im
Zusammenhang mit den letzten beiden Punkten wird die Qualifikation der KinderbetreuerInnen
bemängelt und der Wunsch nach VolkschullehrerInnen als Kursleiterinnen hervorgehoben sowie
die fehlende Akzeptanz einer türkischen Kursleiterin bei nicht-türkischen Kursteilnehmerinnen
erwähnt.
Die Potenziale des "Mama lernt Deutsch"-Konzeptes sehen die DirektorInnen vor allem in der
Verbesserung der innerschulischen Kommunikation (16 mal), der Niederschwelligkeit des
Angebotes (15 mal), den Integrationschancen der Mütter und der Stärkung des Selbstbewusstseins
der Teilnehmerinnen (10 mal). Ebenfalls angeführt werden die positiven Auswirkungen auf die
127
Kinder der Teilnehmerinnen (4 mal), die Förderung des Verständnisses der KT für die Schule (6
mal) sowie des Vertrauens in die Schule (3mal) und des Verständnisses untereinander (3 mal). Ein
Direktor zieht zusammenfassend die folgende Bilanz:
Die Frauen sind sehr interessiert, die Sprache zu erlernen. Die unterschiedliche Herkunft der Mütter bereitet den Kursleiterinnen oft große Probleme und fordern deren Können und Einfühlvermögen im hohem Maß. Ein äußerst positiver Effekt ist die wachsende Selbstsicherheit bzw. das Ablegen von Scheu und übertriebener Vorsicht im Umgang mit LehrerInnen und dem Leiter. Resümee: Das Erlernen der Deutschen Sprache muss trotz aller Bemühungen für erwachsene Menschen aus anderen Kurturkreisen eminent schwierig sein. Daher ist die Fortführung der Kurse ebenfalls sehr wichtig!
6.1.2.3. Vorsitzende des Elternvereins
Zehn von vierzehn Vorsitzenden des Elternvereins (= 71,4 %), die sich an der Fragebogenerhebung
beteiligt haben, geben an, dass sie nicht in die Durchführung der Kursmaßnahme eingebunden
waren.62 Die geringe Involviertheit des Elternvereins wird auch von den DirektorInnen bestätigt
(siehe Kapitel 6.2.3) und dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass sich kein/e Vorsitzende/r
des Elternvereins an den Schulen der qualitativen Studie für ein Interview gemeldet hat, obwohl
diese Gruppe zweimal schriftlich um Teilnahme an der Evaluation gebeten wurde.
Die geringe Eingebundenheit der Elternvereine spiegelt sich auch in den restlichen Ergebnissen der
Fragebogenerhebung wider: So geben die Vorsitzenden des Elternvereins mit jeweils großen
Mehrheiten an, dass die Mütter keinen verstärkten Kontakt zu ihnen aufgenommen haben (12 von
14), und dass es zu den Kursen keine Rückmeldungen bzw. Kommentare von Eltern ihnen
gegenüber gegeben hat (10 von 14). Ebenfalls in das Bild fügt sich das Ergebnis, dass die
Elternvereinsvorsitzenden kaum eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Schule und
Müttern wahrgenommen haben: Jeweils drei haben "vermehrt Gespräche der KT mit LehrerInnen,
Sekretariat und Direktion" sowie "vermehrte Teilnahme an Elternabenden etc." bemerkt und eine/r
"vermehrt Gespräche mit anderen Eltern." Mit fünf Mal (= 35,7 %) wird die Antwortmöglichkeit
"Ich habe keine nennenswerten Veränderungen festgestellt" jedoch am öftesten gewählt (bei dieser
Frage waren Mehrfachantworten möglich).. Das folgende Diagramm zeigt, welche
Antwortmöglichkeiten in Bezug auf die Verbesserung der innerschulischen Kommunikation wie oft
gewählt werden:
62 Die Zahlen sind aufgrund der geringen Teilnahme der Vorsitzenden des Elternvereins (n=14) an der Fragebogenerhebung natürlich nicht repräsentativ, sollen hier aber trotzdem angeführt werden.
128
Abbildung 34
keine Angabe
vermehrt schriftliche
Kom
munikation m
it der Schule
vermehrt G
espräche mit
anderen Eltern
vermehrte T
eilnahme an
Elternabenden etc.
vermehrt G
espräche mit
LehrerInnen, Sekretariat und
Direktion
keine nennenswerte
Veränderung
5
4
3
2
1
0
Anz
ahl F
älle
3
5
1
3
0
3
In welchen Bereichen konnte Ihrer Beobachtung nach die Kommunikation
zwischen der Schule und den Müttern verbessert werd en?
Die Elternvereinsvorsitzenden können auch bei den übrigen Fragen von keinen Erfolgen aufgrund
der Kursmaßnahme berichten: So sehen sie mehrheitlich weder eine Verbesserung der
Kommunikation zwischen Eltern und Elternverein (11 von 14 = 78,6%), noch eine vermehrte
Teilnahme nichtdeutschsprachiger Mütter an Elternabenden und anderen
Elternvereinsveranstaltungen (10 von 14 = 71,4%) oder eine Beteiligung dieser Mütter an
Aktivitäten des Elternvereins (z.B. Mitarbeit bei Veranstaltungen) (11 von 14 = 78,6%).
Die Vorsitzenden des Elternvereins wurden auch gefragt, ob sie uns in eigenen Worten andere
Beobachtungen, die sie im Rahmen der "Mama lernt Deutsch"-Kurse gemacht haben, mitteilen
möchten. Kritisiert wird vor allem die geringe Teilnehmerinnenanzahl:
An unserer Schule nehmen derzeit nur 15 Mütter teil, dass ist ein relativ geringer Prozentsatz im Verhältnis zu Ausländeranteil an unserer Schule. Vielleicht liegt's an fehlender didaktischer Fähigkeit der Vortragenden? Es wurden im Lauf der Zeit immer weniger Mütter, die teilgenommen haben....
129
Unsere Schule bietet diesen Kurs schon seit einigen Jahren an. Nur in den letzten 6 Monaten ist er um 50% teuerer geworden und die Stunden werden den Müttern nicht für die Integrationsstunden angerechnet. Auf diese Art hat sich der Bedarf von ursprünglich zwei Kursen auf einen Kurs reduziert!!! So gesehen ist das sehr kontraproduktiv! Angeblich findet auch beim AMS ein Deutschkurs statt. Einige Teilnehmerinnen müssen diesen besuchen. Ich finde es schade, dass sich die Kurse überschneiden: verursacht zusätzliche Kosten und unsere Direktorin überlegt nun nächstes Semester keinen Kurs mehr zu machen. Wir vom Elternverein werden aber aktiv dagegesteuern, da wir der Ansicht sind, selbst wenn nur wenige Mütter teilnehmen, ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Wir begrüßen die Kurse Mama lernt Deutsch an unserer Schule sehr, auch wenn wir noch keine direkten Auswirkungen erkennen können.
Drei weitere Elternvereinsvorsitzende äußern sich grundsätzlich positiv zu den Kursen:
diejenigen die teilgenommen haben scheinen sehr interessiert, aber es sind an unserer schule nur sehr wenige !! Manches lässt sich noch nicht abschätzen, ist noch zu früh. Kurs sollte aber unbedingt weiterlaufen Der Kurs wurde an unserer schule sehr gut angenommen.
6.1.2.4. Muttersprachliche LehrerInnen
Sechs von sieben Muttersprachlichen LehrerInnen bejahen die Frage, ob sie ihrer Erfahrung nach
zweisprachige Kontaktpersonen für die jeweiligen Sprachgruppen für sinnvoll hielten, z.B. für
Anrufe bei Kursteilnehmerinnen zur Problemklärung (eine Person antwortet mit "Weiß nicht"), und
fünf von sieben würden eine solche Aufgabe übernehmen (zwei Personen antworten mit "Weiß
nicht")63.
Nach der Wirkung der "Mama lernt Deutsch"-Kurse befragt, geben sechs von sieben LehrerInnen
an, dass die Mütter von sich aus verstärkt Kontakt mit ihnen aufnehmen, während je vier
Muttersprachliche LehrerInnen von LehrerInnen und Kindern positive Rückmeldungen bzw.
Kommentare den Kurs betreffend erhalten haben. Die Muttersprachlichen LehrerInnen wurden auch
gefragt, in welchen Bereichen sich ihrer Wahrnehmung nach die Kommunikation zwischen Müttern
und Schule aufgrund der Kursteilnahme verbessert hat. Die Lehrerinnen wählen hier jeweils mit
einer absoluten Häufigkeit von fünf alle möglichen Optionen außer "vermehrte Teilnahme an
Elternabenden etc.", die von sechs, und "keine nennenswerte Veränderung", die von niemandem
angegeben wird.
63 Die Zahlen sind aufgrund der geringen Teilnahme der Muttersprachlichen LehrerInnen (n=7) an der Fragebogenerhebung wie schon bei den Vorsitzenden des Elternvereins nicht repräsentativ, werden hier aber trotzdem angeführt.
130
Vier von sieben ProbandInnen geben an, dass sie im laufenden Schuljahr mehr Kontakt mit den
Kursteilnehmerinnen gehabt haben, während dies bei einem/ einer LehrerIn nicht der Fall war und
zwei keine Angabe machen.
Danach gefragt, ob sie in eigenen Worten andere Auswirkungen der Kursmaßnahme beschreiben
möchten, die sie beobachtet haben, geben drei Muttersprachliche LehrerInnen das gestiegene
Selbstbewusstsein der Kursteilnehmerinnen:
Die Mamas sind offener geworden, zeigen mehr Selbstbewusstsein. Sie kommen gerne in die Schule. Man bemerkt, daß sie sich in der Schule gut fühlen und mit Freude nehmen sie im Leben der Schule teil. Auch die schulische Kommunikation ist besser geworden. Sie trauen sich in die Schule kommen und sich mit den LehrerInnen zu kommunizieren. Teilnehmerinnen trauen sich Deutsch sprechen. Sie kontaktieren Klassenlehrerinen persönlich.
Fünf Mutterspachliche LehrerInnen geben an, dass sie sich für die Deutschkurse und ihre
Zielsetzungen interessieren, jedoch hat von den sieben ProbandInnen keine(r) einen "Mama lernt
Deutsch"-Kurs selbst besucht. Ebenfalls fünf haben schulinterne Diskussionen über die Kurse
wahrgenommen, während keine(r) die Kurse als Störung empfunden hat.
Fünf Probandinnen waren laut eigenen Angaben in die Kursmaßnahme involviert, und je eine(r)
antwortet mit "Nein" und "Weiß nicht", wobei sich diese beiden Personen vorstellen können, sich in
Zukunft an den "Mama lernt Deutsch"-Kursen zu beteiligen. Je ein(e) Muttersprachliche(r)
Lehrer(in) hat ein Treffen mit den Müttern organisiert, den Kurs besucht64 und regelmäßigen
Kontakt mit der Kursleiterin gehabt. Keine(r) der ProbandInnen hat sich laut eigenen Angaben gar
nicht an der Kursmaßnahme beteiligt.
Nach anderen Arten der Beteiligung am "Mama lernt Deutsch"-Projekt gefragt, geben drei
Muttersprachliche LeherInnen an, dass sie mit den Müttern über die Kurse gesprochen haben, und
eine hat nach eigenen Angaben Mütter zum Kursbesuch überredet und ihnen bei der
Kursanmeldung geholfen sowie die Anmeldungsblätter eingesammelt. Eine Person gibt zusätzlich
noch an, dass sie nicht wusste, dass sich die Muttersprachlichen LehrerInnen an der "Mama lernt
Deutsch"-Aktion beteiligen sollen.
64 Die Angabe zum Kursbesuch widerspricht dem weiter oben beschriebenen Ergebnis, dass keine Muttersprachlichen LehrerInnen die "Mama lernt Deutsch"-Kurse besucht haben. Dies deutet auf ein ungenaues Ausfüllen des Fragebogens bzw. Verständnisprobleme bei den ProbandInnen hin.
131
Insgesamt stehen sechs Muttersprachliche LehrerInnen den Kursen gegenüber "sehr positiv"
gegenüber, während eine(r) die Kurse "eher negativ" beurteilt.
Nach den generellen Schwierigkeiten gefragt, die sie bei solchen Kursmaßnahmen sehen, geben
drei ProbandInnen die zu hohen Kurskosten an. Weiters genannt werden: die Unselbständigkeit der
Frauen bzw. der Umstand, dass die Frauen von ihren Männer die Zustimmung für die
Kursteilnahme einholen müssen, und die Gefahr, dass die Kurse "allzu schulmeisterlich werden
könnten".
Die Potenziale von Kursmaßnahmen wie "Mama lernt Deutsch" sehen die Muttersprachlichen
LehrerInnen vor allem in der Öffnung der Frauen ihrer Umgebung gegenüber bzw. in der Schaffung
neuer sozialer Möglichkeiten, wobei eine Person auch darauf hinweist, dass die Kurse einer
antidemokratischen Beeinflussung durch fundamentalistisch Vereine entgegenwirken:
Es ist sehr wichtig, dass die öffentliche Institutionen solche Kurse anbieten. Weil es in Wien einige fundamentalistische Vereine gibt und sie die KursteilnehmerInnen politisch (antidemokratisch) beeinflussen.
Es ist eine Welterfahrung der Mütter, viele von ihnen üben keinen Beruf aus, sind nur für die Familie da und nicht einmal den eigenen Kindern können sie helfen. Es wäre schön, wenn der Kurs gegen diese Hilflosigkeit etwas tun könnte. Deutsch, soziales Leben, andere Kulturen kennenlernen, Beziehungen, neue Freundschaften, "ich bin nicht allein", Integration. Die Idee ist phänomenal.
132
6.1.2.5. KursträgerInnen
Laut eigenen Angaben haben die fünf Kursträgerorganisationen insgesamt 80 Kurse abgehalten65,
die von insgesamt 66 Kursleiterinnen geführt wurden. Obwohl wir durch die Antworten auf unsere
Informationsbriefe erfahren haben, dass fünf Kurse aus organisatorischen Gründen nicht am
geplanten Schulstandort stattfanden, haben die KursträgerInnen auf die entsprechende Frage keinen
dieser Kurse genannt. Unseren Informationen zufolge haben aber drei Kurse an Volkshochschulen
und zwei in städtischen Horten stattgefunden.
Die KursträgerInnen, die diesbezüglich Zahlen angeben, haben insgesamt 78 KinderbetreuerInnen
engagiert, wobei ein Großteil davon (45) vom Verein Interface eingestellt worden sein dürfte, der
mit den meisten Kursen (44) auch die meisten Kursleiterinnen (32) gestellt hat. Bis auf drei Kurse
haben den Fragebogenergebnissen zufolge bei dieser Kursträgerorganisation alle Kurse mit
Kinderbetreuung stattgefunden, bei einer zweiten Organisation haben alle bis auf zwei Kurse dieses
Service angeboten, während bei den anderen beiden Kursträgerorganisationen alle Kurse mit
Kinderbetreuung durchgeführt wurden.
Danach befragt, wie die Kursteilnehmerinnen ihrer Meinung nach auf den Kurs aufmerksam
geworden sind, wählen alle KursträgerInnen die Optionen "durch FreundInnen oder Bekannte" und
"durch die Werbung der Schule" (Mehrfachantworten waren möglich). "Durch die Werbung der
Kursleiterin" wird von drei KursträgerInnen gewählt, "durch die Werbung der MA 17" von zwei,
und eine Person gibt in das offene Antwortfeld "durch die Werbung der Kinderbetreuerinnen" an.
Diese Ergebnisse korrespondieren mit den Interviewaussagen der KL, wonach die KT vor allem
durch Mundpropaganda von den Kursen erfahren, und daher möglicherweise auch Nicht-Mütter die
Kurse besuchen dürfen sollten (vgl. Kapitel 6.2.2).
65 Eine Kursträgerorganisation macht keine Angaben zur Anzahl der Kurse, der Kursleiterinnen und der KinderbetreuerInnen.
133
Abbildung 35
anderesWerbung der MA17
Werbung der KL
Werbung der Schule
FreundInnen und Bekannte
5
4
3
2
1
0
Anz
ahl F
älle
1
3
2
55
Wie wurden die KT Ihrer Einschätzung nach auf den K urs aufmerksam?
Nach Einschätzung von vier der fünf KursträgerInnen war die Werbung effektiv, nur eine Person
antwortet mit "Weiß nicht".
Für ebenfalls vier der fünf Organisationen war die Anzahl der Kurseinheiten ausreichend für die
Erfüllung der Ziele des projektbezogenen Curriculums, für eine war sie nicht ausreichend.
Wie bereits die Ergebnisse aus den anderen Teilen der Studie gezeigt haben, hatten nicht alle
Kursleiterinnen die gleichen Möglichkeiten, Kopien für ihre Kurse zu erstellen. Laut eigenen
Angaben konnten alle fünf Organisationen ihre Kursleiterinnen Kopien bei dem/der KursträgerIn
anfertigen lassen, während nur vier Personen angeben, dass die Kursleiterinnen in der Schule
kopieren durften (Mehrfachantworten waren möglich). Zwei geben an, dass die Kursleiterinnen in
einem Copyshop Kopien machen konnten, während eine Person die Kopiermöglichkeit bei einem/
einer anderen Arbeitgeber/in der Kursleiterin anführt.
134
Abbildung 36: Kopiermöglichkeiten der KL
anderesCopyshopSchuleKursträger-organisation
5
4
3
2
1
0
Anz
ahl F
älle
1
2
4
5
Drei von fünf KursträgerInnen sind "sehr zufrieden" mit der Kommunikation mit den
Kursleiterinnen, eine(r) ist "eher zufrieden", und eine Person lässt die Frage aus. Drei
KursträgerInnen schlagen als notwendige Verbesserungsmaßnahme bezahlte Koordinationstunden
bzw. Arbeits- oder Weiterbildungstreffen vor, um die Kommunikation zwischen Kursleiterinnen
und KursträgerInnen zu professionalisieren:
Da keine Koordinationsstunden seitens der MA 17 bezahlt werden, muss die Kommunikation in der Freizeit der KL durchgeführt werden. Gerade angesichts der Anforderungen an die KL, die weit über "normale" Deutschkurse hinausgehen, ist diese fehlende finanzielle Berücksichtigung schlecht (KTr1). Es sollten 3 bezahlte Arbeitstreffen/ Weiterbildungstreffen möglich sein, um positive persönliche Bindung an Institution und Projekt zu gewährleisten, die z.B. darin Niederschlag findet wie gut die Grundidee der Kurse verfolgt werden kann, die ja über den Normalen Kursablauf eines Sprachkurses bei weitem hinaus geht - oder auch Administratives wie das reibungslose Einheben der Kursbeiträge (KTr5).
Auch von einer dritten Person wird die fehlende Möglichkeit zur finanziellen Abdeckung von
Koordinierungsarbeit und zusätzlichen Aufgaben der Kursleiterinnen vor Ort erwähnt. Diese
135
Stellungnahmen bestätigen den bereits an anderen Stellen getroffenen Befund, dass die Bezahlung
der Kursleiterinnen in Zukunft auf ein adäquates Niveau angehoben werden müsste, um den Erfolg
der Kursmaßnahme nicht zu gefährden.
Ein/e KursträgerIn setzt nach eigenen Angaben bewusst Kursleiterinnen ein, die eine
Herkunftssprache der Kursteilnehmerinnen sprechen (bei zwei KursträgerInnen ist dies nicht der
Fall, drei weitere lassen die Frage aus). Der/ die KursträgerIn begründet diese Entscheidung
folgendermaßen:
1. Weil sie den Wert des zu Hause seins in der Muttersprache, die Chancen der Zweisprachigkeit, die Erfahrung des sich Fremd Fühlens und des sich Beheimaten Wollens, die Suche nach der eigenen Identität und das Verlorengehen und Dazugewinnen kultureller Aspekte kennen und in weiten Bereichen selbst durchlebt haben. 2. Weil ich aus vielen Gesprächen mit Kl mit Migrationshintergrund weiß, dass sie gerne und mit viel Engagement ihre Kompetenzen und Erfahrungen zielgerichtet einsetzen möchten um den Frauen Mut zu machen und sie für Bildung für sich selbst und für ihre Kinder zu interessieren. 3. Weil, um authentisch zu bleiben, Diversität in allen Bereichen des Projektes notwendig ist, ist es für mich wichtig, nicht nur deutschsprachige Kursleiterinnen sondern auch solche, die eine Herkunftssprache der Kursteilnehmerinnen sprechen, einzusetzen. Nur so ist es möglich, miteinander voneinander zu lernen (KTr2).
Ein anderer Kursträger/ eine andere Kursträgerin setzt diese Maßnahme zwar nicht, führt aber als
Argument dafür "die bessere Erklärung der Zielsprache" ins Treffen, womit gemeint sein dürfte,
dass man in der Erstsprache der Kursteilnehmerinnen die Zielsprache Deutsch (beispielsweise
grammatische Regeln) besser erklären kann.
Eine Person ist mit der Zusammenarbeit mit der MA 17 "sehr zufrieden" und zwei weitere "eher
zufrieden", während zwei KursträgerInnen die Frage übergehen. Zwei KurstägerInnen beklagen,
dass die MA 17 zugesagte Verbesserungen – auch für das darauf folgende Schuljahr 2007/2008 -
mangelhaft umgesetzt hat:
Es wurde zwar relativ rasch auf die anstehenden Probleme reagiert, aber einige Sachen z.B. Koordinationsstunden für die KL wurden nicht in dem Ausmaß umgesetzt, wie sie notwendig gewesen wären (KTr3).66 1. Fehlende Protokolle/ fehlende Verbindlichkeiten für Dinge, die bei Trägertreffen besprochen werden. 2. Unklare Rahmenbedingungen für neuen Förderantrag bzw. laufende Finanzen zu Beginn des Projekts. 3. Bereich der recht schwierigen Kinderbetreuung wurde zwar kommuniziert, hat aber trotz Versprechungen keinen Niederschlag in Verbesserungen fürs kommende Jahr gefunden (KTr5).
66 Laut Information der MA 17 wurde jedoch ein Budget für solche Koordinationsstunden zur Vorbereitung und Besprechung von Exkursionen zur Verfügung gestellt.
136
Als Verbesserungsvorschläge werden demzufolge ein noch "flexiblerer finanzieller Rahmen"
(KTr3) sowie "Protokolle bei den Trägertreffen, die ausgeschickt, gegengelesen und angenommen
werden" (KTr5) vorgeschlagen.
Zwei KursträgerInnen sind dennoch mit den Trägertreffen der MA 17 "sehr zufrieden", eine/r "eher
zufrieden", während zwei die Frage auslassen. Für drei KursträgerInnen ist der Austausch mit
anderen KursträgerInnen jedenfalls "sehr wichtig" (zwei überspringen die Frage).
Drei Personen sind mit der Kommunikation mit den Schulleitungen "sehr zufrieden", eine "eher
zufrieden" und eine lässt die Frage aus. Als Problembereiche in der Zusammenarbeit mit den
Schulen werden zweimal mangelnde zeitliche Ressourcen (einmal davon auf beiden Seiten)
angeführt. Als Verbesserungsvorschläge in diesem Bereich werden mehr "mediale Präsenz und eine
zweite zuständige Person am Standort " (KTr3) genannt.
Drei KursträgerInnen haben ihre Kursleiterinnen bei der Durchführung der Exkursionen bzw.
Informationsveranstaltungen organisatorisch unterstützt (zwei übergehen die Frage).
Danach gefragt, in welchen Bereichen ihrer Meinung nach die Kommunikation zwischen Müttern
und Schule verbessert werden konnte, werden viermal "vermehrt Gespräche mit LehrerInnen,
Sekretariat und Direktion", dreimal "vermehrte Teilnahme an Elternabenden etc.", zweimal
"vermehrt Gespräche mit anderen Eltern" und einmal "vermehrt schriftliche Kommunikation mit
der Schule" (Mehrfachantworten waren möglich) genannt:
137
Abbildung 37
keine nennenswerte
Veränderung
vermehrt schriftliche
Kom
munikation m
it der Schule
Weiß nicht
vermehrt G
espräche mit
anderen Eltern
vermehrte Teilnahm
e an E
lternabenden etc.
vermehrt G
espräche mit
LehrerInnen, Sekretariat und
Direktion
4
3
2
1
0
Anz
ahl F
älle
1
0
2
3
1
4
In welchen Bereichen konnte Ihrer Beobachtung nach die Kommunikation
zwischen der Schule und den Müttern verbessert werd en?
Ein/e Kursträger/in gibt an, dass die Kinderbetreuung an den betreuten Standorten "sehr gut"
funktioniert hat, bei drei Personen hat sie "eher gut" funktioniert (eine Person lässt die Frage aus).
Als konkret aufgetretene Probleme mit der Kinderbetreuung, die die KursträgerInnen in einem
freien Textfeld anführen konnten, werden der Mangel an kindergerechten Räumen bzw. Materialen
(3 mal), die mangelnde Erfahrung bzw. Ausbildung der KinderbetreuerInnen (2 mal), zu große
Altersheterogenität der Kinder (2 mal) sowie mangelnde Deutschkenntnisse der
KinderbetreuerInnen (1 mal) angeführt.
Nach sonstigen organisatorischen Problemen bzw. Verbesserungsvorschlägen befragt, wünscht sich
eine Person, dass die Schulen mehr darauf vertrauen, dass die Mütter die Räume "nicht verwüsten",
während eine zweite Person eine Evaluierung der Kinderbetreuung, eine frühere Ausgabe der
Informationsmaterialien und ein früheres Abschlussfest fordert:
138
1. Evaluierung der Kinderbetreuung und ernsthafte Beschäftigung mit diesem Bereich fehlt - das Projekt steht und fällt aber mit der Kinderbetreuung. 2. Infomaterialien: hätten zu den letzten Sprechtagen im Sommersemester fertig sein sollen. 3. Abschlussfest: 1 Monat nach Abschluss der Kurse ist zu spät (KTr5).
Für ebenfalls drei KursträgerInnen wurde durch die "Mama lernt Deutsch"-Kurse in ihrem
Zuständigkeitsbereich eine flächendeckende, wohnortnahe Angebotsstruktur für die betreffende
Zielgruppe erzielt (jeweils eine Person macht keine Angabe bzw. lässt die Frage aus). Drei
KursträgerInnen geben zudem an, dass sie mit den "Mama lernt Deutsch"-Kursen Lernerinnen
angesprochen haben, die sie mit ihrem üblichen Kursangebot nicht erreicht hätten, während dies für
eine Person nicht der Fall ist (eine Person überspringt die Frage).
Ebenfalls drei KursträgerInnen haben zusätzliche Werbemaßnahmen zu jenen der MA 17 gesetzt,
eine Organisation hat dies nicht getan (eine lässt die Frage aus). Als zusätzliche Webemaßnahmen
werden hierbei Bewerbung durch die Kursleiterinnen (siehe unten), Informationsveranstaltungen für
SchulleiterInnen, muttersprachliche Elternbriefe sowie Gespräche mit den Teilnehmerinnen über
ihre Verwandten und Bekannten genannt.
Vier KursträgerInnen scheint es sinnvoll, Kursleiterinnen selbst mit der Werbung zu beauftragen
(eine Person übergeht die Frage). Zwei KursträgerInnen haben nach eigenen Angaben ihre –
teilweise muttersprachlichen – Kursleiterinnen tatsächlich zusätzlich Werbung für die Kurse
machen lassen (bei Elternabenden, in der unmittelbaren Umgebung der Schule und bei
DirektorInnenkonferenzen).
Danach gefragt, wie sie die Kurskosten für die Kursteilnehmerinnen einschätzen, antworten jeweils
zwei KursträgerInnen mit "angemessen", "vergleichsweise günstig" und "zu hoch für eine einzige
Rate"(Mehrfachantworten waren möglich). Je eine Person schätzt die Kurskosten als "zu hoch"
bzw. "zu hoch für eine einzige Rate" ein:
139
Abbildung 38
zu undurchsichtig für die KT
gestaltet
zu hoch
zu umständlich für die K
L einzuheben
zu hoch für eine einzige Rate
vergleichsweise günstig
angemessen
2
1,5
1
0,5
0
Anz
ahl F
älle
2
0
1
2
1
2
Wie schätzen Sie die Kurskosten für die KT ein?
Zwei KursträgerInnen geben laut eigenen Angaben Vorgaben in Bezug auf die Vermittlung von
Österreichischem Deutsch und die Einbeziehung dialektaler und umgangssprachlicher
Sprachformen aus. Nach den konkreten Vorgaben gefragt, geben zwei KursträgerInnen die
Vermittlung authentischer Sprache bzw. Verwendung authentischer Materialien an. Laut einer
dritten Person, die keine Angabe zur Frage macht, ob es Vorgaben gibt, werden in ihren Kursen auf
die Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache sowie durch entsprechende
Beispiele auf das Österreichische Deutsch aufmerksam gemacht.
Auch die KursträgerInnen wurden gefragt, worin ihrer Meinung nach die Schwierigkeiten und
Potenziale von Kursen wie "Mama lernt Deutsch" liegen. Als Schwierigkeiten werden vor allem die
Akzeptanz bzw. Erreichbarkeit der Mütter, die Kurskosten, die Heterogenität der
Lernerinnengruppen, die niedrige Bezahlung der Kursleiterinnen und der hohe
Koordinierungsaufwand genannt, wie die folgenden drei Statements zeigen:
Frauen mit geringer oder keiner Schulbildung, die schon 10 Jahre und länger in Wien leben und bis jetzt weder für ihr Bedürfnis nach sozialen Kontakten noch für den Umgang mit Ämtern und
140
Behörden oder dem Gesundheitssystem (Übersetzer aus der Familie sind jederzeit vorhanden) oder banal zum Einkaufen Deutsch als Kommunikationsmittel gebraucht haben und die oftmals erfahren haben, dass ihre Sehnsucht nach Kontakten zu deutschsprachigen Frauen/Nachbarn unerfüllt bleibt, sehen kaum oder keine Motivation für ein so gewaltig anstrengendes Unterfangen wie Deutsch zu lernen (Ktr2).
Kurskosten, Heterogenität, Verbreitung, Kooperation vieler Personen, damit ein Kurs an einem Standort durchgeführt werden kann (KTr3) 1. Erreichen der Zielgruppe 2. Zusatzaufwand für Trainerinnen, die nur von Kursen leben - viel Zeit für zuwenig Geld, um wirklich auf "Mama-Kurse" als ernsthafte Säule des Einkommens setzten zu können 3. Kinderbetreuung sehr viel schwieriger als z.B. Hort oder Kindergarten- dezentrale Kurse erfordern einen viel höheren Administrationsaufwand (KTr5).
Als Potenziale werden demgegenüber Teile der Kursteilnehmerinnen selbst, die
Niederschwelligkeit der Kurse, das Erreichen bildungsferner Schichten und die gute und
kostengünstige Gelegenheit Deutsch zu lernen angeführt:
Frauen, die sich in patriarchalen Gesellschaften bewähren müssen, denen die Neugierde noch nicht abhanden gekommen ist und die irgendwo spüren, dass sie ihr Leben und damit auch das ihrer Kinder ein Stück weit selbst in die Hand nehmen können und so ihrer Familie und der Gesellschaft nicht schaden sondern im Gegenteil nützen (KTr2). Nierderschwelligkeit, Abholen bildungsferner Personen, Freiwilligkeit, ... (KTr3) gute und vor allem günstige Gelegenheit die Zielsprache zu erlernen (KTr4). Diese Kurse sind WIRKLICH niederschwellig und erreichen ein Publikum, das sonst meines Wissens nach keiner erreicht. dadurch ist wirklich ein Schritt Richtung Einbindung ins öffentliche Leben im Bezirk/ Stadt und Einstieg in Erwachsenenbildung möglich (KTr5).
141
6.1.3. Resümee
Im Folgenden sollen die Fragebogenergebnisse der fünf verschiedenen ProbandInnengruppen
(Kursleiterinnen, DirektorInnen, Vorsitzende des Elternvereins, Muttersprachliche LehrerInnen und
KursträgerInnen) nochmals zusammengefasst und miteinander verglichen werden.
Der Fragebogen für die Kursleiterinnen hat aufgrund der hohen Rücklaufquote und der großen
Anzahl an Frageitems eine Fülle von Ergebnissen zutage gefördert und damit die meisten
Informationen für die quantitative Studie geliefert. Trotz einer insgesamt sehr differenzierten
Wahrnehmung der Kurse sind fast alle Kursleiterinnen mit ihren Kursen (94,1 %) und dem
Kurskonzept (82,4 %) insgesamt "sehr" oder "eher" zufrieden, zirka eben so viele würden ein
weiteres Mal einen "Mama lernt Deutsch"-Kurs unterrichten. Obwohl viele eine zu geringe
Entlohnung, unklare und schwierige Rahmenbedingungen sowie besondere Herausforderungen
aufgrund des erstmaligen Umsetzung des "Mama lernt Deutsch"-Konzeptes anführen, geben sich
die Kursleiterinnen also trotzdem insgesamt keineswegs unzufrieden. Dies lässt auf eine besonders
hohe Motivation der KL bzw. auf eine hohe Bereitschaft zu zusätzlichem Engagement schließen,
welche möglicherweise aber auch mit einer Nachsicht für die erstmalige Durchführung der "Mama
lernt Deutsch"-Kurse als Pioniermaßnahme zu erklären sind.
Während die DirektorInnen und KursträgerInnen ebenfalls viel zu einem umfangreichen Bild der
"Mama lernt Deutsch"-Kurse beigetragen haben, hat sich bei den Vorsitzenden des Elternvereins
und den Muttersprachlichen LehrerInnen gezeigt, dass diese wenig bis gar nicht in die "Mama lernt
Deutsch"-Kursmaßnahme eingebunden gewesen sein dürften. So haben insbesondere die
Vorsitzenden des Elternvereins kaum Auswirkungen der Kurse wahrnehmen können, während die
Muttersprachlichen LehrerInnen ein positiveres Bild zeichnen und zudem Interesse und Bereitschaft
äußern, sich in Zukunft an der Aktion zu beteiligen. Dies hängt aber möglicherweise auch damit
zusammen, dass vor allem diejenigen Muttersprachlichen LehrerInnen den Fragebogen ausgefüllt
haben, die bezüglich der Kurse bereits im Vorfeld besonders interessiert und engagiert waren.
Jedenfalls scheint eine stärkere Einbeziehung der Muttersprachlichen LehrerInnen, die auch von
einigen DirektorInnen und Kursleiterinnen gefordert wird, für die Zukunft realistisch und sinnvoll.
Vergleicht man die Zufriedenheit der einzelnen ProbandInnengruppen mit der Kommunikation
miteinander, so ergibt sich, dass die KL mit der Kommunikation mit den DirektorInnen zufriedener
sind als umgekehrt die DirektorInnen mit den KL. Auch die KursträgerInnen sind diesbezüglich in
noch stärkerem Ausmaß mit den DirektorInnen zufriedener als umgekehrt, was eine stärkere
142
Einbindung der Schulleitungen durch die KursträgerInnen und die Kursleiterinnen – beispielsweise
auf vorab geplanten Informationstreffen – sinnvoll erscheinen lässt.
Was die Auswirkungen der Kurse auf die innerschulische Kommunikation betrifft, sind sich alle
befragten Gruppen darin einig, dass vor allem vermehrt Gespräche der Kursteilnehmerinnen mit
den LehrerInnen, der Direktion und dem Sekretariat stattfinden. Dieses Ergebnis wird allerdings
durch die Antworten der DirektorInnen auf eine zusätzliche Frage insofern relativiert, als diese nur
zu 19 % vermehrt Gespräche der KT mit den LehrerInnen beobachtet haben. Zudem gibt nur etwa
die Hälfte der DirektorInnen an, dass das Lehrpersonal sich in irgendeiner Art ihnen gegenüber über
die Kurse geäußert hat. Auch haben die LehrerInnen den SchulleiterInnen zufolge keine "Mama
lernt Deutsch"-Kurse besucht, während wiederum nur etwas mehr als die Hälfte der DirektorInnen
selbst den Kursen einen Besuch abgestattet hat. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei den
LehrerInnen noch mehr als bei den DirektorInnen zusätzliches Potenzial zur Verbesserung der
innerschulischen Kommunikation vorhanden ist, welches wie bereits erwähnt durch eine stärkere
Einbeziehung dieser Gruppen realisiert werden könnte. Da aber alle befragten Gruppen eine
Verbesserung der innerschulischen Kommunikation feststellen, kann eines der Hauptanliegen der
"Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme bereits als größtenteils erfüllt betrachtet werden.
Die Auswertungen der Fragebogenergebnisse haben zudem gezeigt, dass die befragten
Personengruppen positive Auswirkungen der Kurse feststellen, die weit über die Verbesserung der
Deutschkenntnisse und der innerschulischen Kommunikation hinausgehen. So führen vor allem die
Kursleiterinnen, die DirektorInnen und die Muttersprachlichen LehrerInnen bei den offenen
Antwortmöglichkeiten ein gestiegenes Selbstvertrauen bzw. Selbstbewusstsein der
Kursteilnehmerinnen an. Wie einige ausführlichere Stellungnahmen veranschaulich haben, haben
die Kurse durch ihr innovatives Konzept wichtige Schritte in Richtung Emanzipation, Integration
und Öffnung der Frauen hinsichtlich ihrer deutschsprachigen Umgebung ausgelöst.
Die befragten Personengruppen haben viele verschiedene Verbesserungsvorschläge – sowohl
organisatorischer als auch konzeptueller Art – angebracht, von denen hier nur einige nochmals
angeführt werden sollen. Mehr als die Hälfte der Kursleiterinnen wünscht sich ein kurstragendes
Lehrwerk, was sicherlich damit zusammenhängt, dass die Trainerinnen nicht zuletzt auch aufgrund
des Kursdesigns (heterogene Gruppen, spezielle Zielgruppe usw.) mit hohem Aufwand eigenes
Lehrmaterial zusammenstellen mussten. Aufgrund der Heterogenität der Gruppen und des
Umstands, dass die Kursleiterinnen selbst mehrheitlich einheitliche methodisch-didaktische
Vorgaben ablehnen, erscheint eine Sammlung von "Mama lernt Deutsch"-spezifischen Materialien
aber sinnvoller als ein einheitliches Lehrwerk, das alle Kursleiterinnen befolgen sollen. So könnten
143
die Kursleiterinnen aus dieser Sammlung, die u.a. Unterrichtsunterlagen, Informationen zu
Exkursionsmöglichkeiten und ReferentInnen enthalten kann, selbständig für sie brauchbare
Materialien auswählen, sofern sie das möchten.
Sowohl die KursträgerInnen als auch DirektorInnen und die Kursleiterinnen selbst fordern eine
höhere Entlohnung die "Mama lernt Deutsch"-Trainerinnen sowie regelmäßige, bezahlte
Koordinationsstunden zwischen KursträgerInnen bzw. DirektorInnen und Kursleiterinnen. Viele
Kursleiterinnen bedauern zu unklar kommunizierte Rahmenbedingungen sowie zu wenig
einheitliche Richtlinien, aber auch die mangelhafte Möglichkeit zum Austausch mit anderen
Trainerinnen. Eine relativ leicht und kostengünstig umzusetzende Kommunikationsmöglichkeit für
die Trainerinnen untereinander, die auch schon von einer Kursleiterin angesprochen wurde, würde
hierbei die Einrichtung eines Internetforums darstellen, auf dem sich alle Kursleiterinnen
registrieren lassen können. Die Vorteile dieser Kommunikationsplattform liegen hierbei auf der
Hand: So kann ort- und zeitunabhängig auf freiwilliger Basis kommuniziert werden, aber auch der
Austausch von Materialien wäre durch eine Up- und Downloadfunktion möglich.
Eher unterschiedlicher Ansicht sind Kursleiterinnen und KursträgerInnen bei der Frage, ob die
Anzahl der Kurseinheiten für das Erreichen der Ziele des Curriculums ausreichend sind: Während
es für 4 von 5 Kursträgern der Fall ist, glaubt dies immerhin mehr als ein Drittel der Trainerinnen
nicht. Berücksichtigt man den häufig geäußerten Wunsch der Kursteilnehmerinnen nach mehr
Unterrichtsstunden (siehe Kapitel 6.2.1), erscheint eine Erhöhung der Unterrichtseinheiten sinnvoll.
Von diesem Ergebnis könnte man auch auf eine hohe Akzeptanz eines Modulsystems
schlussfolgern, das ebenfalls als Verbesserungsvorschlag genannt wurde. Im Rahmen eines solchen
Modulsystems könnten zusätzlich zu den "Mama lernt Deutsch"-Kurseinheiten noch weitere
Unterrichtseinheiten für die Vorbereitung von Zertifikatsprüfungen bzw.
"Integrationsvereinbarungskursen" angeboten werden.
Geringe Unterschiede gibt es auch in der Einschätzung der Höhe der Kurskosten für die
Kursteilnehmerinnen: Während sie ein Viertel der Kursleiterinnen als zu hoch für die Zielgruppe
empfindet, ist es bei den DirektorInnen sogar ein Drittel, das der gleichen Ansicht ist. Auch drei
Muttersprachliche LehrerInnen empfinden die Kosten als generellen Schwachpunkt der Kurse, und
zwei von fünf KursträgerInnen schätzen die Kosten ebenfalls als zu hoch ein. Eine finanzielle
Unterstützung für Härtefälle und klarere finanzielle Richtlinien – z.B. auch das Exkursionsbudget
betreffend – erscheinen daher für die Zukunft sinnvoll.
144
Die Ergebnisse zu den Fragen rund um das Thema der im Kurs behandelten sprachlichen Varietäten
ergaben, dass über 90 % der KL die Vermittlung von Österreichischem Deutsch wichtig erscheint,
jedoch wurden in der Ausbildung von einem Drittel der KL die systematischen Unterschiede
zwischen Österreichischem Bundesdeutschem und Schweizer Deutsch nicht thematisiert. Dies
spricht für eine vermehrte Behandlung des Themas in den Ausbildungsworkshops des VWV.
Tatsächlich in das Kursgeschehen einbezogen werden dürften vor allem dialektale und
umgangssprachliche Hörtexte und die Unterschiede zwischen Österreichischem und
Bundesdeutschem Deutsch.
Aussagekräftige Antworten von den befragten Gruppen erhielten wir auch auf die Frage, worin die
generellen Schwierigkeiten und Potenziale des "Mama lernt Deutsch"-Konzeptes liegen. Die
Kursleiterinnen und KursträgerInnen empfinden vor allem die Heterogenität der
Kursteilnehmerinnen als Schwierigkeit, während die DirektorInnen mit den KursträgerInnen darin
übereinstimmen, dass noch nicht alle Mütter, für die der Kursbesuch sinnvoll wäre, mit dem Kurs
erreicht wurden. Die fehlenden Räumlichkeiten, die auch von den Kursleiterinnen vor allem in
Zusammenhang mit dadurch nicht möglichen Vormittagskursen beklagt wurden, werden hingegen
von den DirektorInnen als Hauptschwierigkeit gesehen.
Als Potenzial der "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme wird von allen vier Gruppen – den
Kursleiterinnen, DirektorInnen, Muttersprachlichen LehrerInnen und KursträgerInnen – die
Niederschwelligkeit des Angebotes genannt. Die DirektorInnen und Muttersprachlichen
LehrerInnen sehen aber vor allem in den Chancen zur Verbesserung der innerschulischen
Kommunikation Potenziale. Diese beiden Gruppen führen auch positive Auswirkungen auf die
Kinder der KT als Potenziale an, wie das folgende abschließende Zitat eines/einer
Direktors/Direktorin versanschaulicht:
Viele Mütter empfinden den Ort, an dem ihr Kind unterrichtet wird, als geschützten Ort und nehmen so das Angebot eines Kurses eher wahr als wäre dieser an einem anderen Ort. Die Öffnung der Schule und ein weiterer Schritt in Richtung gelebte Schulpartnerschaft (denn als solches erlebe ich diese Kurse auch) entsprechen meinem Verständnis von "Schule". Die Vorbildwirkung für Kinder - lebenslanges, lebensbegleitendes Lernen - kann enorm sein, das Verständnis füreinander wird gefördert, Mütter erleben "Schule" direkt, können so Berührungsängste und Scheu eher abbauen.
145
6.2. Qualitative Studie
6.2.1. Themenzentrierte Interviews mit den Kursteil nehmerinnen
Angaben zur Person
Die 26 interviewten KT sind im Durchschnitt 33,96 Jahre alt und haben durchschnittlich 3 Kinder.
Bis auf eine Kursteilnehmerin, die verlobt ist, sind alle verheiratet und keine KT ist kinderlos. 11
Frauen kommen aus der Türkei, 5 aus Ägypten, 2 aus Nigeria und jeweils eine aus Marokko, aus
dem Kosovo, Mazedonien, Serbien, Polen, Südkorea, Thailand und Tschetschenien. Damit sprechen
11 Frauen Türkisch als Erstsprache, 6 Arabisch, 2 Albanisch und jeweils eine Yoruba, Ibo,
Polnisch, Serbisch, Koreanisch, Thailändisch und Tschetschenisch. 10 KT geben an, keine
Fremdsprache zu sprechen, wovon 8 Türkinnen sind. Englisch als Fremdsprache wird 11mal
genannt, 5mal davon von arabischsprachigen Frauen. Die Antworten auf die Frage nach der
Aufenthaltsdauer in Österreich ergeben eine große Streuung: Die Frauen befinden sich bereits
zwischen 1 Jahr bis 26 Jahre lang in Österreich. Im Durchschnitt leben die Frauen seit 8,4 Jahren in
Österreich, der Modalwert beträgt 3 und der Median 7 (drei Frauen machten keine Angabe). Die
Kursteilnehmerinnen haben nach eigenen Angaben 4 bis 16 Jahre lang die Schule im Herkunftsland
besucht, im Durchschnitt 9,5 Jahre (4 Frauen machten keine Angabe). Die geringste
Schulausbildung haben 5 Türkinnen mit 5 Jahren Schulausbildung, nur eine Thailänderin hat mit 4
Jahren noch kürzer die Schule besucht. 17 der 23 Mütter geben an, dass sie keinen Beruf ausüben,
nur 2 sind berufstätig (7 machen keine Angabe).
Motivationen für die Wahl des "Mama lernt Deutsch"-Kurses
Auf die Frage, warum die Kursteilnehmerinnen gerade einen "Mama lernt Deutsch"-Kurs gewählt
haben, und nicht etwa einen anderen Deutsch als Zweitsprache-Kurs, antworten die meisten
spontan, dass die Wohnortnähe der Kurse ausschlaggebend für die Wahl gewesen ist bzw. der
Umstand, dass sie ihre Kinder ohnehin zur Schule bringen, wo sie dann gleich den Kurs besuchen
können: "weil ich hier wohne, mein Kind sowieso in die Schule bringe (KTat267)." Einige
Kursteilnehmerinnen geben auch spontan an, dass sie diesen Kurs besuchen, weil Freundinnen oder
Nachbarinnen ihnen davon erzählt haben.
67 Die Siglen für die Kursteilnehmerinnen folgen dem Abkürzungsschema KTat2 = Kursteilnehmerin in der Schule a, Interview in der Sprache t, 2. Interviewpartnerin.
146
Von den von uns vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auf die Frage nach den Gründen für die
Kurswahl68 wählen wiederum alle bis auf zwei Kursteilnehmerinnen den Kursstandort Schule als
wichtigsten Grund. Die Kurszeit, die aufgrund der räumlichen Situation nicht in allen Schulen
vormittags möglich war, spielt für die Kursteilnehmerinnen eine geringere Rolle: Acht
Kursteilnehmerinnen geben an, dass die Unterrichtszeit für sie am Vormittag wichtig ist, für sechs
Kursteilnehmerinnen haben die Unterrichtszeiten keine Rolle gespielt. Mehrheitlich mit "Nein"
antworten die Frauen auf die Frage, ob sie diesen Kurs gewählt haben, weil sie Kontakt mit anderen
Müttern herstellen wollen, weil es ein Frauenkurs ist, oder weil die Kosten niedrig sind. Da die
meisten Kursteilnehmerinnen Hausfrauen sind, haben sie den Kurs auch nicht gewählt, um größere
Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, jedoch geben sechs Frauen an, dass sich ihr Kursbesuch
dennoch als nützlich herausstellen könnte, sollten sie zu einem späteren Zeitpunkt doch in das
Berufsleben einsteigen. Ein wichtiger Grund für die Kurswahl ist jedenfalls das Angebot der
Kinderbetreuung: Elf Frauen haben den Kurs wegen der Kinderbetreuung gewählt. Einige
Kursteilnehmerinnen konnten aufgrund des Kinderbetreuungsangebotes überhaupt zum ersten Mal
an einem Deutschkurs teilnehmen, wie beispielsweise die folgende Schilderung zeigt:
Obwohl ich eigentlich seit Langem hier bin, konnte ich keinen Deutschkurs besuchen, weil es kein Kinderbetreuungsangebot gab. Jetzt habe ich die Kinderbetreuung, jetzt kann ich Deutsch lernen. Es ist für mich ein wichtiges Angebot, dass wir eine Kinderbetreuung haben. Sonst hätte ich diesen Kurs nicht besucht (KTct1).
Von den restlichen fünf Frauen, für die dieses Angebot keinen Grund für die Kursauswahl darstellt,
haben vier allerdings gar keine Kleinkinder, die eine Betreuung in Anspruch nehmen könnten.
Ebenfalls bejaht haben die meisten Frauen die Frage, ob sie diesen Kurs besuchen, damit ihnen
Folgendes möglich wird: insgesamt besser Deutsch sprechen und verstehen, Deutsch mit
LehrerInnen und ÖsterreicherInnen sprechen, den Kindern bei den Hausübungen helfen, alleine
zum Arzt gehen.
Danach befragt, aus welchen Gründen sie Deutsch lernen möchten, antworten zehn
Kursteilnehmerinnen, weil sie in Österreich leben, sieben wollen insgesamt besser kommunizieren
können, weitere sieben nennen die Verbesserung der Kommunikation mit der Schule, sechs wollen
68 Die Kursteilnehmerinnen konnten folgende Gründe für die Kurswahl nennen: Kursstandort Schule, Vormittagsunterricht, Frauenkurs, Kinderbetreuung, (niedrige) Kosten, um Kontakt mit anderen Müttern herzustellen, um Deutsch zu lernen, um den Kindern bei den Hausaufgaben helfen zu können, um mit LehrerInnen sprechen zu können, um mit ÖsterreicherInnen sprechen können und um alleine zum Arzt gehen zu können.
147
mit ihrem Arzt Deutsch reden können, zwei erwähnen Probleme im Alltag und weitere zwei Mütter
möchten ihren Kindern in schulischen Belangen helfen.
Bis auf eine Kursteilnehmerin, die den Kurs nur unter der Bedingung einer Einstufung in
verschiedene Kursniveaus zu Kursbeginn fortsetzten würde, möchten alle Kursteilnehmerinnen den
Kurs auch im nächsten Schuljahr weiter besuchen, sofern es ihnen die Umstände weiterhin
ermöglichen.
Dreizehn Kursteilnehmerinnen geben an, dass sie von der Schule ihrer Kinder von dem "Mama
lernt Deutsch"-Kurs erfahren haben. Acht haben diese Information von den LehrerInnen an der
Schule, vier aus Broschüren bzw. von Plakaten, in zwei Fällen wurde den Kursteilnehmerinnen von
Freundinnen davon berichtet, und jeweils eine Kursteilnehmerin wurde von dem Direktor der
Schule, dem AMS und dem Magistrat über den "Mama lernt Deutsch"-Kurs informiert.
Mehr als die Hälfte der Kursteilnehmerinnen (17) hat bereits einen Deutschkurs in Österreich
besucht, neun besuchen zum ersten Mal einen Kurs. Als Gründe dafür, dass sie bisher keinen
Deutschkurs in Österreich besucht haben, werden fast ausschließlich Zeitmangel aufgrund der
Betreuung der eigenen Kinder und das fehlende Betreuungsangebot für die Kinder während der
Kurszeit genannt. Dies deckt sich mit den Angaben der Mütter, dass das Kinderbetreuungsangebot
einer der Hauptgründe für die Wahl des "Mama lernt Deutsch"-Kurses dargestellt hat (siehe S. 145).
Durchführung der Kurse
Regelmäßige Teilnahme am Kurs und Unterrichtszeiten
Alle bis auf vier Kursteilnehmerinnen geben an, den Kurs regelmäßig besucht zu haben. Als Gründe
dafür, dass sie nicht regelmäßig teilnahmen bzw. zu spät zum Unterricht kamen, nennen die vier
Kursteilnehmerinnen Krankheit bzw. Operation der Kinder, späterer Einstieg in den Kurs und
eigene Krankheit.
Als Problem werden von einigen Kursteilnehmerinnen häufig zu spät kommende
Kursteilnehmerinnen genannt, die das Kursgeschehen stören und verlangsamen.
Ein großer Teil der Kursteilnehmerinnen (11) wünscht sich, dass der Kurs öfter stattfindet, und dass
es mehr Unterrichtsstunden gibt, um den Lernerfolg zu verbessern:
148
Ja, aber wenn es die Möglichkeit geben würde, hätte ich den Unterricht eigentlich gern öfter, z.B. jeden Tag. Dann wird es besser, dann bin ich mir ganz sicher, dass wir genug üben können, und dass wir gut lernen können. Weil wir unter der Woche zweimal haben, und dann vergesse ich bis zum nächsten Kurs. Und wir haben keine deutschsprachigen Freundinnen, und deswegen können wir auch nicht praktisch üben. Ich bin mir ganz sicher, wenn ich mehr Deutsch spreche, dass ich dann doch besser lernen kann (KTlt1).
Ebenfalls elf Kursteilnehmerinnen sind mit den Unterrichtszeiten zufrieden, und zwei
Kursteilnehmerinnen wünschen sich 3x2 Unterrichtsstunden pro Woche statt 2x3.
Unterrichtstempo
Nach der Angemessenheit des Unterrichtstempos befragt, ist es einer Kursteilnehmerin zu langsam
und vier zu schnell, wobei drei aufgrund besserer Teilnehmerinnen im gleichen Kurs mit dem
Unterrichtstempo nicht mithalten können (vgl. S. 164):
Das Lerntempo ist nicht so schnell, aber die haben mehr gelernt als wir es können, weil die anderen Teilnehmerinnen wirklich sehr gut Deutsch sprechen. Wir können es nicht verstehen, und wir wiederholen es eigentlich auch nicht (KTlt1).
Folgende Kursteilnehmerinnen äußern sich demgegenüber positiv über eine – ihrer Wahrnehmung
nach – homogene Kurszusammensetzung, die auch ein einheitlich langsames Kurstempo
ermöglicht:
Gelehrt wird sehr gut, die Unterlagen werden in aller Ruhe durchbesprochen, man braucht sich nicht zu schämen, dass jemand besser spricht, das gibt es eigentlich nicht. Alle sind gleich gut, und alle bemühen sich, sich untereinander verständlich zu machen (KTmw). Wir sind alle Anfänger, wir haben von Anfang an gesagt, es soll bitte ein langsamer Kurs sein (KTku1).
Insgesamt überwiegt bei Weitem jene Gruppe der Kursteilnehmerinnen (20), die mit dem
Lerntempo zufrieden sind, wie das Statement folgender Teilnehmerin zeigt, die ebenfalls froh über
ein ihrer Meinung nach mütterfreundliches, langsames Tempo ist:
Für mich ist er perfekt. Sagen sie "langsam", aber für uns ist das besser, weil wir sind alle Mama und haben keine Zeit, und deshalb ist er perfekt (KTbt1).
Gelegenheit, Deutsch zu sprechen
Die Tendenz geht dahin, dass beinahe alle Kursteilnehmerinnen das Gefühl haben, zumindest
theoretisch genügend Gelegenheit im Kurs zu erhalten, Deutsch zu sprechen. Einige fühlen sich
aber aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse, bzw. weil sie sich nicht trauen, dazu nicht in
der Lage:
149
Natürlich, wir haben viele Gelegenheiten. Unsere Kursleiterin fragt uns eigentlich, aber wir können nicht sprechen, das ist das Problem (KTlt2).
Die heterogene Kurszusammensetzung wird in Zusammenhang mit der Gelegenheit, Deutsch
sprechen zu können, sowohl positiv als auch negativ erwähnt, da zwar durch die unterschiedlichen
Erstsprachen der Kursteilnehmerinnen in den Pausen mehr Deutsch gesprochen wird, es aber
andererseits durch die verschiedenen Niveaus der Kursteilnehmerinnen in der Zielsprache dazu
kommt, dass einige wenige, weit fortgeschrittene Deutschlernerinnen mehr sprechen als die
Kursteilnehmerinnen auf AnfängerInnenniveau und so das Kursgeschehen dominieren:
"Ja ja, wir haben unsere Gelegenheit im Unterricht, aber wir können nicht viel sprechen." Interviewerin: "Hat es damit zu tun, dass die anderen Kursteilnehmerinnen besser Deutsch können?" Kursteilnehmerin: "Na ja, ich betrachte es nicht als Hindernis, aber ... Sie sprechen sehr gut und helfen uns eigentlich auch. Manchmal frage ich sie auch, wenn ich etwas nicht verstehe, aber ... Sie können wirklich sehr gut sprechen, und sie kennen die deutsche Sprache. Deswegen hat der Kurs Fortschritte gemacht, aber wir eigentlich nicht, weil sie sehr gut Deutsch können. Wir können dem Unterricht manchmal nicht folgen. Wir haben Gelegenheit Deutsch zu sprechen, aber wir können uns nicht erklären und nicht sprechen (KTlt1)". Ja, immer. Wir haben uns auch in den Pausen miteinander unterhalten und auch mit anderen Müttern, wir haben Probleme besprochen, und alles auf Deutsch, beispielsweise war da keine Frau aus Serbien, alle waren aus unterschiedlichen Ländern, aus Ägypten, Pakistan, Tschetschenien, am Anfang waren da auch Frauen aus Rumänien und Bulgarien, wo wir uns auch in den Muttersprachen unterhalten hätten können, was wir aber absichtlich nicht getan haben, um eben Deutsch zu üben. Man konnte sich aber auch während des Unterrichts äußern und die persönliche Meinung sagen (KTmv).
Zufriedenheit mit den Themen
Die allermeisten Kursteilnehmerinnen empfinden die im Kurs behandelten Themen als interessant,
nur zwei sind mit ihnen unzufrieden, und weitere zwei beurteilen die Themen zwar als nicht
interessant, aber dafür als nützlich bzw. wichtig. Alle anderen Mütter sprechen sich positiv über die
behandelten Themen aus, wobei vor allem die Nützlichkeit für den Alltag immer wieder
hervorgehoben wird:
Es war sehr interessant. Die Themen waren aus dem alltäglichen Leben. Weil es um das alltäglichen Leben geht, war es sehr nützlich für uns und wichtig (KTct1). Bei den Kursen davor waren die Themen nicht interessant und haben nicht geholfen, aber hier sind die Themen sehr gezielt für unseren Alltag, wir wollen telefonieren, zum Arzt gehen, aber nicht auf Grammatik, Akkusativ, Dativ, hier haben wir so gezielte Themen gemacht; wirklich sehr gezielt (KThu2). Interessant, wir haben geübt, wie man einen Termin beim Arzt ausmacht, sie hat heute schon einen Arzttermin ausgemacht und sie konnte das. Sie hat den Zettel genommen und nach dem Zettel hat sie einen ?, einen Termin beim Arzt vereinbart (KTku1).
150
Zufriedenheit mit den Exkursionen
Die Mütter wurden auch nach den Exkursionen, den eingeladenen ReferentInnen und den
Hospitationen in den Schulklassen ihrer Kinder befragt, die in dem Kurskonzept einen wichtigen
Stellenwert einnehmen. Die von den Frauen genannten hauptsächlichen Exkursionsziele sind
Büchereien und Sehenswürdigkeiten.
Eine Kursteilnehmerin, die sich allerdings auch insgesamt als sehr kritisch dem Kurs gegenüber
herausgestellt hat, erachtet die Hospitationen in die Schulklassen als nicht sinnvoll und als
Zeitverschwendung, und denkt Ähnliches über die ihrer Meinung nach zu häufig stattfindenden
Ausflüge:
Zu viel Herumgehen in den Klassen usw und Herumsitzen und zuschauen, was die Kinder gerade schreiben. (…) Zu viel waren diese Integrations... z.B. durch die Stadt spazieren oder Schulbesuche zusammen mit dem Lehrer. Das war einmal, ein zweites Mal, ein drittes Mal. Warum so oft? Wenn jeder allein auch hingeht. Einmal hätte halt gereicht. Oder der Besuch von Unterrichtsstunden. Weil es ja den Tag der offenen Tür gibt, also warum soll man dann eine Stunden lang dem Unterricht beiwohnen? Da muss man nicht eine Stunde in den Unterricht gehen und eigentlich nur herumsitzen, Zeit versitzen. Es existiert dieser Tag der offenen Tür, und alle wissen davon und da kann man auch in die Schule gehen und sich den Unterricht anhören. Aber innerhalb des Kurses ist es irgendwie sinnlos (KTix).
Gar keine Exkursionen haben demgegenüber in einem Kurs stattgefunden, wie uns eine
Kursteilnehmerin mitteilte. Eine Kursteilnehmerin empfindet die Exkursionen zumindest als
teilweise sinnvoll, weil sie einen Besuch im Sisi-Museums als nicht so bereichernd empfunden hat
wie eine Exkursion in die Bücherei:
Ich finde es eigentlich nicht wichtig, dass wir das Sisi-Museum besuchen. Meiner Meinung, wenn wir wo hin fahren, könnten wir woanders hin fahren, z.B. Bibliotheken. Es war z.B. sehr wichtig, dass wir in der Bibliothek waren. Aber das Sisi-Museum war für mich nicht interessant. Aber die Bibliothek hat mir sehr gut gefallen. Jetzt kenne ich sie (KTlt2).
Der Großteil der Kursteilnehmerinnen (19) jedoch steht den Exkursionen eindeutig positiv
gegenüber. Besonders oft ist die Bücherei als wichtiges und nützliches Exkursionsziel
hervorgehoben worden, so z.B. von dieser Mutter:
We went to the library. She took us to the library, so that I can borrow books, children books, you know. If you want to learn a language, you have to start from the grass root (?). That is, we have to be like children. So, she told us to borrow children books." We have got library cards now, so that whenever we go there, we can boorow some books. It was very important (KTey1).
Eine Mutter gibt an, dass sie zum ersten Mal dank des Kurses mit seinem Kinderbetreuungsangebot
die Gelegenheit bekommen hat, die Stadt richtig wahrzunehmen:
151
Ich habe keine Spaziergänge unternehmen können. Das erste Mal mit dem Kurs, ich hätte die Kinder mitnehmen können, wollte es aber nicht. Nein, ich nehm sie nicht mit, ich komm das erste Mal raus ohne Kinder. Weil wenn man mit Kindern unterwegs ist, dann sieht man nichts, weil man sie dauernd zu beschützen versucht. Das ist sehr gut. Das erste Mal im Leben bin ich ohne Kinder rausgekommen und ich hab die Möglichkeit, herumzuspazieren (KTmw).
Für zwei Kursteilnehmerinnen, die noch nie im Kino gewesen sind, dürfte der erste Kinobesuch ein
wichtiger Schritt – auch in Bezug auf ihr Selbstvertrauen – gewesen sein, eine dieser beiden
Kursteilnehmerin gibt sogar an, durch die Exkursionen ihren Stress bewältigt haben zu können.
In unserem Kurs gibt es Exkursionen, und ich nehme eigentlich immer teil. Wir waren z.B. im Kino. Wenn ich nicht Deutsch lerne, kann ich vorher eigentlich nicht gehen. Vorher konnte ich eigentlich nicht. Einmal hat mein Mann gesagt, dass wir ins Kino gehen können, aber ich kann meine Kinder nicht zu Hause lassen. Wenn meine Kinder zum Spielplatz gehen, gehe ich auch mit. Aber wenn wir irgendwohin gehen, und meine Kinder sind in der Schule, dann gehe ich mit. Nächste Woche gehen wir zum Tiergarten Schönbrunn (KTdz). Wir haben das Rathaus besucht, ich konnte das nicht kennen, jetzt kenne ich das alles. Ich habe die Maria Theresia kennen gelernt. Der Film hat mir z.B. sehr gut gefallen, obwohl er Deutsch war, habe ich ihn doch verstanden. Durch diese Exkursionen kann ich eigentlich meinen Stress bewältigen (KTdz).
Dass der erste Kinobesuch für einige Kursteilnehmerinnen wichtige Prozesse in Richtung
Emanzipation ausgelöst haben dürfte, legt eine Anekdote der türkischen Kursteilnehmerin KTdz
nahe, die beschreibt, wie einer Nachbarin von ihrem Mann verboten worden ist, sie ins Kino zu
begleiten:
Na ja, wir sind Türken (ein bisschen so) du [gemeint ist die Interviewerin] bist auch, und ich bin auch eine Türkin, aber na ja ... Zum Beispiel meine Nachbarin ist auch mitgekommen. Der Film hat angefangen, und nach zehn Minuten war sie weg. Sie hat gesagt, ihr Mann wird auf sie böse, und ihr Mann war auf sie wirklich böse. Wir leben auch für unsere Namus [=Ehre, Anmerkung der Interviewerin]. Es ist dort gar nichts passiert. Niemand hat uns gezwickt [=vergewaltigt, Anmerkung der Interviewerin]. Es war schön eigentlich, ich finde es eigentlich notwendig, dass wir auch ins Kino gehen. Ich habe fast den ganzen Film verstanden.
Nachdem die Nachbarin von ihrem erbosten Mann per Handy ein Kinoverbot auferlegt bekommen
hat, muss sie das Kino verlassen. In diesem Kontext betont die Kursteilnehmerin, dass sie und ihre
Nachbarin im Kino von niemandem sexuell belästigt worden sind.69 Die Einleitung der
Kursteilnehmerin, wonach sie eine Türkin ist wie die Interviewerin auch, sowie der Hinweis, dass
TürkInnen auch für die Ehre ("Namus") leben, deuten darauf hin, dass Kinos in einigen türkischen
Gruppen aufgrund der Gefahr sexueller Übergriffe offenbar als für Frauen ungeeignete Orte gelten
bzw. zu solchen ernannt werden (vgl. Rohrer 1983; siehe Kapitel 2.2.1). Ähnliches gilt für den
Besuch von Cafés, der in der Türkei traditionell Männern vorbehalten ist. Berücksichtigt man diese
Hintergründe, kann man auch nachvollziehen, warum es für viele Frauen eine Hürde darstellt, im
69 Laut einer Erläuterung der türkischsprachigen Interviewerin kann der von der Kursteilnehmerin verwendete und als "gezwickt" übersetzte Ausdruck auch als "vergewaltigt" verstanden werden.
152
Rahmen des "Mama lernt Deutsch"-Kurses an Exkursionen teilzunehmen (vgl. Kapitel 6.2.2 und
6.2.3).
Umso bedeutender wirkt in diesem Zusammenhang die Stellungnahme einer anderen
Kursteilnehmerin, wonach sich die Frauen durch die Exkursionen ermutigt fühlen, Orte wie Kinos
aufzusuchen, die bisher tabu für sie waren:
Ja, ich bin schon lang in Österreich, aber ich war noch nie im Kino, wir lernen und wir gehen und das ist gut. Wir trauen uns mehr, wenn wir zu diesen Orten gehen (KThu1).
Kurskonzept und Kursorganisation
Zweisprachige Kontaktperson
Eine Mehrheit von zehn Kursteilnehmerinnen möchte keine zweisprachige Kontaktperson für die
jeweiligen Sprachgruppen, weil sie befürchtet, dann weniger zu lernen, bzw. weil einige
türkischsprachige Kursteilnehmerinnen schlechte Erfahrungen mit türkischsprachigen
DeutschlehrerInnen gemacht haben.
In einem anderem Kurs war die Kursleiterin Türkin, und ich habe gar nichts gelernt. Wenn ich etwas wissen will, frage ich auf Deutsch. Ich lerne viel, wenn die Kursleiterin Dinge auf Deutsch erklärt (KTat1). Nein, ich finde, es ist eine schlechte Idee: Wenn wir eine Türkisch sprechende Person hier haben, der wir alle unsere Fragen stellen, dann würden wir uns nicht zwingen, um zu lernen. Ich finde es besser so: Ich stelle meine Fragen auf Deutsch, dann kriege ich deutsche Antworten, dann finde ich heraus, was das ist (KTat2).
Sieben Kursteilnehmerinnen hätten jedoch gerne eine solche Kontaktperson, da sie teilweise
Verständigungsschwierigkeiten im Kurs haben und den Erklärungen der Kursleiterin nicht folgen
können.
Natürlich, wenn eine Person da ist, und auch mit unserem Niveau umgehen kann, natürlich. Wir können z.B. die Artikel nicht verstehen. Wenn es eine Kontaktperson gäbe, die [uns erklärt], warum wir Artikel verwenden, bin ich mir ganz sicher, dass wir verstehen können. Weil wir das eigentlich nicht verstehen, wozu wir Artikel brauchen, z.B. wieso "auf den" "auf dem" wird. Wir haben damit große Schwierigkeiten, und niemand kann uns erklären, weil sie nicht unsere Sprache können. Unsere Kursleiterin erklärt wirklich sehr schön, aber unser Niveau ist sehr niedrig. Sie gibt viele Beispiele, sie erklärt sehr ... auf vielen Wörtern bauen wir Sätze auf, aber trotzdem ... Sie hat die Erfahrung, weil sie auch später Deutsch gelernt hat, darum kann sie uns eigentlich gut erklären (KTlt2).
153
Abschlussprüfung
Obwohl es im Konzept der "Mama lernt Deutsch"-Kurse nicht vorgesehen ist, hätten zwölf
Kursteilnehmerinnen gerne eine Art Abschlussprüfung bzw. -test gemacht. Als Gründe für diesen
Wunsch werden die größere Lernmotivation, die Aussicht auf ein Zeugnis bzw. Zertifikat (auch im
Kontext der Aufenthaltsbewilligung) und die bessere Kenntnis des eigenen Sprachniveaus genannt.
Zwei Kursteilnehmerinnen hätten vielleicht eine Abschlussprüfung gemacht, wenn es eine gegeben
hätte. Nur fünf Mütter lehnen eine Prüfung ab, wobei eine davon trotzdem gerne ein
Abschlusszeugnis haben möchte und eine andere meint, keine Prüfung zu brauchen, weil sie keine
Staatsbürgerschaft benötigt. Zwei Kursteilnehmerinnen geben an, dass sie zwar einen kleinen Test
gemacht haben, aber trotzdem eine Abschlussprüfung vermissen:
Ja. Also das erste Mal haben wir eigentlich eine kleine Prüfung gehabt. Aber eigentlich sollte es so eine Prüfung geben, weil das eine mobilisierende Wirkung auf das Lernen hat, wenn es eine Prüfung gibt. Wie in anderen Kursen auch. (…) Weil man sich dann eben hinsetzt und lernt. Und so sagt man sich "naja, morgen oder übermorgen mach ich das". ja, es sollte irgendeinen kleinen Test oder so geben. Als Motivation. Ja, es motiviert (KTix) Haben nach erstem Semester einen kleinen Test gemacht, damit wir wissen, wie uns der Kurs geholfen hat, aber wir wünschen uns eine Prüfung und ein Zeugnis (KTHu1).
Verbesserungsvorschläge
Wie schon die Frage nach der Zufriedenheit mit den Unterrichtszeiten gezeigt hat, wünscht sich ein
Großteil der Frauen (elf Kursteilnehmerinnen) mehr Kursstunden, um besser Deutsch lernen zu
können. Die Erhöhung der Kursstundenanzahl wird dementsprechend auch am öftesten als
Verbesserungsvorschlag genannt:
Ja, wir haben zweimal in der Woche, und wir möchten eigentlich, ich möchte eigentlich, dass wir jeden Tag haben. Dann bin ich mir ganz sicher, dass wir besser lernen können. Weil es Abstand dazwischen gibt, vergessen wir, was wir gelernt haben (KTct1).
Weiters werden u.a. folgende Verbesserungsvorschläge von den Kursteilnehmerinnen gemacht:
Einstufung zu Kursbeginn, Einführung eines Lehrbuchs, einer zweisprachigen Kontaktperson sowie
von Prüfungen bzw. Wiederholungen, vermehrtes Üben von Sprechen und Hören bzw. von Lesen
und Schreiben, und Arbeiten am PC. Eine Kursteilnehmerin wünscht sich auch eine
Anrechenbarkeit des Kurses für die "Integrationsvereinbarung".
Elf Kursteilnehmerinnen haben keine Vorschläge zur Verbesserung der Kursmaßnahme.
154
Kurskosten
Von den befragten Frauen gibt keine an, dass die Kurskosten für sie zu hoch sind, lediglich fünf
Kursteilnehmerinnen würden es begrüßen, wenn der Kurs gratis wäre, auch aus Rücksicht auf die
finanzielle Situation anderer Mütter:
Für mich war es eigentlich sehr gut, aber ich kenne Frauen, die wegen den Kurskosten nicht gekommen sind. Am Anfang waren sie dabei, und ein Semester lang haben sie den Kurs besucht, dann konnten sie nicht weiter bezahlen, und ihre Männer haben ihnen nicht erlaubt, dass sie den Kurs besuche. Und unsere Kursleiterin hat die Kurskosten in zwei geteilt, aber es war für die Frauen trotzdem sehr hoch. Es gibt eigentlich Männer, die nicht arbeiten, und die Frauen sind auch Hausfrauen, und die können sich das nicht leisten. Na ja, die Frauen möchten doch gerne den Kurs besuchen, aber die Männer lassen es nicht zu. Das ist eigentlich nicht der Grund, die Erlaubnis, sondern es geht um's Geld (KTct1).
Gegen einen Gratiskurs wenden einige Kursteilnehmerinnen ein, dass die Kurse in diesem Fall
überbelegt wären, bzw. dass die Verbindlichkeit des Kursbesuches dann zu gering wäre.
Also es hat alles gepasst, wenn die Kurse gratis wären, würde man möglicherweise nicht regelmäßig kommen, man hätte das Gefühl, nicht regelmäßig kommen zu müssen (KTmv). Es war genau richtig. Umsonst sollte es vielleicht nicht sein, sonst schreibt sich jeder ein und kommt dann einmal, kommt wieder nicht und so weiter (lacht), weil wenn man´s bezahlt hat, dann geht man auch, aber wenn s um sonst ist. Alles, was umsonst ist, ist nicht interessant (KTix).
Kurios wirkt der Vergleich einer Kursteilnehmerin, die die Kurskosten mit einem Einkauf am Markt
vergleicht:
Es war angemessen. 150 Euro ist eh billig. Wenn ich zum Markt gehe, gebe ich eigentlich auch 150 Euro aus (KTdz).
Kinderbetreuung
Explizit unzufrieden mit der Kinderbetreuung ist nur eine Kursteilnehmerin, die den Austausch der
Kinderbetreuerin durch einen ungeeigneten Mann bemängelt:
Mit der Kinderbetreuung sind wir nicht zufrieden. Vorher hatten wir eine Kinderbetreuerin und waren sehr zufrieden, jetzt haben wir einen Kinderbetreuer, und er kann sich nicht um die Kinder kümmern. Die Kinder kommen herein und stören uns natürlich." (15'); ja, "Wir sind sehr zufrieden. Mein Kind hat eigentlich gar kein Problem [mit KB], aber Kinderbetreuerinnen haben viele Probleme mit Kindern. Ich glaube eigentlich nicht, dass sie sich um die Kinder sehr gut kümmern (KTjt1).
155
In zwei Kursen hat es bei der Kinderbetreuung Anfangsschwierigkeiten gegeben, alle anderen
Kursteilnehmerinnen, die die Kinderbetreuung in Anspruch genommen haben70, sind jedoch
zufrieden damit und geben darüber hinaus an, dass ihnen ohne die Kinderbetreuung der Kursbesuch
nicht möglich gewesen wäre. Eine Kursteilnehmerin hebt positiv hervor, dass die Kinder durch die
deutschsprachige Kinderbetereuung auch Deutsch lernen können.
Wirkung
Verbesserung der Deutschkenntnisse
Der überwiegende Teil der Kursteilnehmerinnen (18) stellt insgesamt eine Verbesserung seiner
Deutschkenntnisse durch den Kursbesuch fest, weitere sechs Kursteilnehmerinnen haben laut
eigener Einschätzung zumindest teilweise ihre Deutschkenntnisse verbessert.
Einige der sechs Kursteilnehmerinnen, die nur mäßig zufrieden mit ihrem Lernerfolg sind, geben
an, zwar gut verstehen, aber unzureichend sprechen zu können:
Sehr wenig. Verstehen schon, aber wir können nicht antworten (KTft1).
Meine Deutschkenntnisse sind nicht so gut, ich kann ein bisschen verstehen, aber sehr wenig (KTlt1). Ja. Ja, ich verstehe alles, aber ich kann nicht antworten (KTct2).
Insgesamt überwiegen die positiven Eindrücke wie bei diesen beiden Kursteilnehmerinnen:
Sehr verbessert, die Kursleiterin ist super, sie hat mir sehr geholfen, am Anfang war´s sehr schwierig für mich, ich hatte gezweifelt, ob ich überhaupt hingehe oder nicht und dann mit der Zeit war die Kommunikation besser zwischen ihr und mir und ich bin sehr zufrieden, weil sie mich versteht und auch wenn ich manchmal etwas nicht richtig ausspreche, bin ich zufrieden, weil sie es versteht (KTmv). Ich habe zum ersten Mal einen Kurs besucht, darum merke ich, dass ich vorher gar nichts konnte. Jetzt merke ich, dass ich doch etwas kann. Ich kann eigentlich keinen Satz aufbauen, aber ich kenne einige Wörter. Am Anfang konnte ich gar nichts, und jetzt kenne ich doch einige Wörter. Es hat meine Deutschkenntnisse doch verbessert (KTlt2).
Eine Kursteilnehmerin (KTbz1), die erst seit eineinhalb Jahren in Österreich lebt und Deutsch lernt,
sich aber dennoch zugetraut hat, das Interview auf Deutsch zu führen, spricht von einer starken
Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse durch den "Mama lernt Deutsch"-Kurs und freut sich, dass
70 Zehn der befragten Kursteilnehmerinnen haben keine Kinderbetreuung in Anspruch genommen.
156
sie die Phase beendet hat, in der sie nur die zwei Phrasen "Ich heiße …" und "Wie geht's?" auf
Deutsch konnte.
Auswirkungen auf die innerschulische Kommunikation
Eine Mehrheit von zwölf Kursteilnehmerinnen bejaht die Frage, ob sich ihr Verhältnis zur Schule
durch den Besuch des "Mama lernt Deutsch"-Kurses verbessert hat. Drei der interviewten Frauen
haben keine Kinder an der Schule, weitere drei Kursteilnehmerinnen geben an, kein besseres
Verhältnis zu haben, weil sie zu wenig mit den LehrerInnen kommunizieren können. In diesen
Fällen übernehmen teilweise die Männer die Kommunikation mit der Schule, wie beispielsweise
diese Kursteilnehmerin schildert:
Nein, ich kann die Lehrerinnen nicht verstehen, sie sprechen so schnell, obwohl ich sag "bitte langsamer", aber sie sprechen nicht langsam, es ist mir dann lieber, dass der Vater kommt, weil ich die LehrerInnen nicht verstehe. Nur die einfachsten Sachen oder wenn meine Tochter krank ist, komm ich und sag, dass meine Tochter krank ist. (KTku1)
Weitere drei Kursteilnehmerinnen nehmen zumindest ein teilweise besseres Verhältnis zur Schule
ihrer Kinder wahr, wobei zwei dieser Kursteilnehmerinnen angeben, dass sie aufgrund des
Deutschkurses und der Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse zumindest selbstbewusster geworden
sind bzw. sich wohler fühlen.
Jetzt habe ich eigentlich mehr Selbstbewusstsein, aber trotzdem denke ich manchmal, dass ich es nicht schaffe, wenn ich es denke, dann schaffe ich es nicht (KTlt2). Es hat sich nicht so verbessert. Nein, ich glaube nicht, dass es dabei so behilflich war." [Interviewerin:] "Fühlen Sie sich in der Schule Ihres Kindes wohler?" Kursteilnehmerin: "Ja, ich fühle mich eigentlich wohler, weil ich denke, dass ich doch Deutsch kann und die Leute doch ein bisschen verstehen kann (KTct1).
Wie die folgenden Ausführungen zeigen, haben die meisten Kursteilnehmerinnen aufgrund des
Kursbesuches mehr Selbstvertrauen und infolge dessen auch mehr Kontakt mit der Schule sowie
eine erhöhte Sprachhandlungskompetenz:
Ja, ich bin mit dieser Schule sehr zufrieden. Wenn mein Kind krank ist, dann kann ich es jetzt doch sagen, dass mein Kind krank ist. Wenn sie Fieber haben, wenn sie Husten haben, wenn sie Schnupfen haben, dann kann ich es sagen (KTdt).
Ja, früher hab ich mich nicht getraut zu den LehrerInnen zu gehen, aber jetzt ist es besser. Ich sprech nicht ganz perfekt, aber trotzdem trau ich mich mehr (KThu1).
Davor hatten wir keinen Kontakt mit der Schule, jetzt ist es besser, weil wir uns in der Schule befinden, und wir gehen zur Direktorin, zur Lehrerin, wir haben mehr Kontakt zur Schule, beim nach Hause Gehen gehen wir vorbei und sie fragen, wie es unseren Kindern geht (KThu2).
Neun Kursteilnehmerinnen sehen wenig bis keine Fortschritte in der Verbesserung des Kontaktes zu
deutschsprachigen Müttern und Schulpersonal, wobei die Kontakte zu den LehrerInnen insgesamt
157
als besser wahrgenommen werden als die Kontakte zu deutschsprachigen Müttern. Zwei
Kursteilnehmerinnen sehen die Verantwortung für schlechte Kontakte bei den deutschsprachigen
Müttern:
Kein Kontakt mit deutschsprachigen Müttern, auch wenn wir auf unsere Kinder warten, reden sie nicht mit uns (KTku1). Nein, sie wollen nicht mit uns reden, mit LehrerInnen schon (KTgeoru1).
Sechs Kursteilnehmerinnen geben demgegenüber an, dass ihre Kontakte tatsächlich besser
geworden sind:
Ja, schon. Aber ich hatte eigentlich nicht so viele Gelegenheiten. Am Anfang habe ich mich nicht getraut, etwas zu sagen, ich hatte meine Zweifel, ob ich überhaupt etwas sagen oder nicht, aber jetzt ist es anders. Ich frage öfters die KlassenlehrerInnen meines Sohnes, sie sind sehr nett, ich konnte beispielsweise letztes Mal zum Elternsprechtag nicht kommen, (...), und deshalb ist meine Schwiegermutter hingegangen und sie haben nachgefragt, wo ich bin und wieso ich nicht gekommen bin (KTmv). ja, ich hab Kontakt mit den Müttern, LehrerInnen, Schulpersonal, nicht viel, aber wenn wir vor der Schule sind, dann sprechen wir miteinander, weil ich jetzt selbstbewusster bin (KTgu1). Besser als zuvor. Wenn ich sie richtig kenne, doch schon, auch wenn wir uns auf der Straße treffen (KTft2).
Vier Kursteilnehmerinnen geben an, dass auch die Kursteilnahme nichts daran verändert hat71, dass
sie eher nicht an schulischen Aktivitäten wie Elternabenden bzw. Elternsprechtagen oder
Schulfesten teilnehmen. Teilweise dürfte diese Aufgabe wie bereits erwähnt eher den Ehemännern
der Frauen zufallen, da diese ich manchen Fällen über bessere Deutschkenntnisse verfügen als ihre
Frauen:
Nein, ich nehme daran nicht teil, weil ich nicht gut verstehen kann, aber mein Mann nimmt daran teil (KTlt2). Es waren nicht viele Elternabende, aber ich verstehe nicht, und ich verstehe nicht, wenn sie über meine Tochter reden, darum schicke ich lieber meinen Mann, damit er das versteht, weil das wichtig ist für mich, zu wissen, wie meine Tochter ist. Und wenn ich komme und nicht verstehe, kann ich ihr nicht helfen (KTku1)
Sieben Kursteilnehmerinnen nehmen laut eigenen Angaben zwar an schulischen Aktivitäten wie
Elternabenden teil, jedoch in Begleitung ihrer Ehemänner oder von Dolmetschern, da sie die
Besprechungen sonst nicht ausreichend verstehen würden.
Von Erfolgen in Hinblick auf die Teilnahme an schulischen Aktivitäten seit dem Besuch des
"Mama lernt Deutsch"-Kurses berichtet der Großteil der Frauen (12 Kursteilnehmerinnen):
71 Einige Kursteilnehmerinnen verstehen die Frage nicht in Hinblick auf die Auswirkungen der Kurse, sondern geben an, ob sie generell an schulischen Aktivitäten etc. teilnehmen.
158
Ja, erst neulich war in der Schule meiner Tochter eine Osterfeier, die Kinder haben gebastelt, ich war auch dort und obwohl die anderen Mütter deutschsprachig sind, haben wir uns unterhalten, und ich kann mich mittlerweile auch mit ihrer Klassenlehrerin unterhalten, es sind zwar keine tiefen Gespräche, aber ich kann über Probleme nachfragen, ich habe noch Schwierigkeiten mit der Grammatik, mit den Fällen, ich sprech zwar immer noch nicht grammatisch korrekt, aber das kommt mit der Zeit (KTmv). Vorher hatten wir Angst davor, darum haben wir an keinen Elternabenden teilgenommen. Mit diesem Kurs hab ich mehr Vertrauen bekommen, und ich kann doch an den Elternabenden teilnehmen (KTat2). Ich gehe hin, ich habe früher auch teilgenommen, aber jetzt verstehe ich besser (KThu2).
Vier Kursteilnehmerinnen verneinen die Frage, ob sie durch die Kursteilnahme in der Lage sind,
ihren Kindern besser bei den Hausaufgaben zu helfen und weitere vier Kursteilnehmerinnen können
in dieser Hinsicht zumindest teilweise Verbesserungen feststellen. Eine Mehrheit von 14
Kursteilnehmerinnen gibt an, dass sie ihren Kindern aufgrund des Kursbesuches besser bei den
Hausaufgaben helfen kann.
Auswirkungen auf die außerschulische Kommunikation
Bewältigung von Amtswegen
Nach den Erfolgen in Bezug auf die außerschulische Kommunikation befragt, geben acht
Kursteilnehmerinnen an, dass sie Amtswege nicht alleine bewältigen können. Jedoch verweisen
diese Kursteilnehmerinnen darauf, dass sie immerhin einfache Formulare ausfüllen und ihre
persönlichen Daten schriftlich angeben können:
Ich kann meine Adresse, meinen Namen und mein Geburtsdatum schreiben. Aber die anderen Sachen kann ich nicht verstehen. Ich lese schon, aber ich verstehe nicht, darum kann ich es nicht ausfüllen; nur manche, einfache Sachen kann ich ausfüllen (KTft2). Ich trau mich nicht, alleine Amtswege zu machen, ich kann das nicht. Formulare ausfüllen haben wir geübt, und ich hab für meine Tochter ein Formular für den Kindergarten ausgefüllt und ich konnte das (KTku1).
Drei weitere Kursteilnehmerinnen sprechen von Teilerfolgen, während die meisten interviewten
Frauen (14) von eindeutigen Fortschritten bei der Bewältigen von Amtswegen erzählen:
Ja, ich war gestern beim Finanzamt (…), ich hab alles ausgefüllt und denke, sie haben es mir nicht zurückgegeben, also muss alles gestimmt haben (KTmv). geht besser, ich mach es jetzt alleine (KTdz). Ja, ich geh jetzt allein (KThu2).
159
Während eine Frau davon spricht, dass ihr Mann Amtswege besser übernehmen kann als sie, weil er
aufgrund seiner Schulbildung und seiner Berufstätigkeit besser Deutsch beherrscht als sie, berichten
drei Frauen das Gegenteil von ihren Männern: Die Ehemänner dieser Frauen bewältigen laut
eigenen Angaben wegen Zeitmangels und mangelnder Deutschkenntnisse eher keine Amtswege,
weshalb die Frauen diese Aufgabe übernehmen müssen:
Ja, ich gehe im Jahr zweimal zur Krankenkasse, ob ich verstehe oder nicht, ich gehe hin. Mein Mann geht nur zur Arbeit, ich erledige alles. Ich erledige meine Erlagscheine, alles. Obwohl ich nicht verstehe, mache ich das und erledige alles (KTz). ja, ich gehe jetzt und ich muss alleine gehen, weil mir mein Mann nicht helfen kann, weil er viel zu tun hat (KTgu2). Wenn ich vergleiche vorher und jetzt, dann ja, ja, es ist besser. Ich hab z.B. ein Formular ausgefüllt, ich konnte nur drei Kästchen nicht ausfüllen. Aber wenn ich irgendwelche Amtswege habe, dann gehe ich nie allein. Ich gehe immer mit meinen Kindern hin. Mein Mann versteht eigentlich auch nicht, er kann auch nicht Deutsch. Ich kann es besser als er. Er kann eigentlich nur Tansanische Sprache [gemeint ist eine Art Pidgin-Deutsch] irgendwie (KTct2).
Diese letzte Ausführung, wonach der Ehemann der Kursteilnehmerin auch nicht wirklich Deutsch,
sondern nur eine Art Pidgin-Sprache beherrscht, verdeutlicht, wie wichtig es für einige Frauen ist,
Deutsch für ihre sprachliche Handlungskompetenz zu erlernen.
Bewältigung von Arztbesuchen
Ein noch etwas positiveres Bild als bei den Amtswegen zeigt sich in Bezug auf die durch den
Kursbesuch erreichten Erfolge bei Arztbesuchen. Diese scheinen den Kursteilnehmerinnen weniger
schwer zu fallen als die Bewältigung von Amtswegen, da nur eine Kursteilnehmerin sagt, dass sie
nie ohne eine dolmetschende Person zum Arzt geht. Zwei Kursteilnehmerinnen sprechen mit ihrem
Arzt zwar nicht Deutsch, sondern ihre Erst- oder Zweitsprache72. Der größte Teil der
Kursteilnehmerinnen (16) glaubt aber, dass sie Arztbesuche etwas oder viel besser als zuvor
bewältigen können.
Ja, ich bringe meine Kinder öfters zum Arzt, mein Arzt, Dr. X, versteht kein B/K/S, am Anfang konnte ich ihm Vieles nicht erklären, aber er verstand irgendwie alles. Mittlerweile ist es aber besser geworden, ich kann mich ausdrücken, ich kann nachfragen, ich kann zwar nicht alles erklären, aber er versteht mich besser als am Anfang (KTmv). Ich kann den Arzt alleine besuchen, und Beschwerden meines Kindes kann ich jetzt doch besser erklären als zuvor. Vorher konnte ich eigentlich sehr schlecht sprechen, jetzt besser (KTft2). Ja, wenn ich vergleiche jetzt und vorher, kann ich doch sagen, dass ich manche Wörter doch verstehe, die der Arzt verwendet. Aber ich kann eigentlich selbst einen Satz aufbauen73 (KTlt2).
72 Für manche Kursteilnehmerinnen ist beispielsweise Englisch Zweitsprache und Deutsch Drittsprache. 73 Die Kursteilnehmerin verwendet die Wörter des Arztes, um selbst einen Satz zu formulieren.
160
Diese Aussagen, wonach die Kursteilnehmerinnen vor allem wegen ihrer Kinder mit dem Arzt auf
Deutsch kommunizieren müssen, korrespondieren mit den Angaben zum Grund des Kursbesuches,
nämlich um Arztbesuche besser selbständig bewältigen zu können.
Kommunikation mit WienerInnen
Bei der Frage, ob sie WienerInnen aufgrund des Kursbesuches besser verstehen können, sind die
Kursteilnehmerinnen geteilter Ansicht. Während zehn Kursteilnehmerinnen antworten, Wienerisch
praktisch überhaupt nicht zu verstehen, vor allem wenn es zu schnell gesprochen wird, glauben
fünfzehn Kursteilnehmerinnen, dass sie Wienerisch unter den richtigen Voraussetzungen (d.h. wenn
(es) langsam gesprochen wird) schon verstehen können. Manche dieser Kursteilnehmerinnen
dürften allerdings nicht verstanden haben, was mit Wienerisch bzw. Dialekt gemeint ist, da die
Interviewerinnen diese Begriffe mehrmals erklären mussten. Eine Kursteilnehmerin scheint
beispielsweise die Frage falsch interpretiert und Wienerisch mit Deutsch gleich gesetzt zu haben:
Ja, ja, die Kursleiterin ist sehr gut, wenn sie Deutsch, nein, wenn sie Wienerisch spricht. Sie spricht gut und kann sehr gut erklären, sie ist ausgezeichnet im Erklären von Dingen(KTix).
Die meisten Kursteilnehmerinnen scheinen jedoch schon Kontakt mit Wienerisch gemacht zu haben
und den Begriff daher zu kennen, da viele Kursteilnehmerinnen im Kontext dieser Frage Gespräche
mit der Hausmeisterin, mit der Nachbarin, mit Eltern am Spielplatz oder sogar mit dem eigenen
Mann, der Wienerisch spricht, erwähnen.
Ja, bis jetzt konnte ich nicht einmal zwischen den Muttersprachigen und den Nicht-MS unterscheiden, ich merke aber jetzt, dass es Unterschiede gibt in der Art, wie sie sprechen, ich verstehe aber nicht alles. Meine Nachbarin, sie ist Österreicherin, spricht mich öfters an und sagt "du verstehst aber alles". Ich versteh zwar vieles, kann aber nicht antworten. Die Kommunikation ist mir sehr wichtig, man muss sich unterhalten, damit man es lernt (KTmv). am Spielplatz können wir uns besser als zuvor verständigen (KTft1). Ich weiß nicht. Sie sprechen sehr schnell. Aber ich spreche mit niemandem. Ich hab nur eine alte Nachbarin. Wenn sie hinaus geht, dann sprechen wir. Sie hat erfahren, dass ich einen Deutschkurs besuche, und sie freut sich auch darüber. Und mit unserer Hausmeisterin spreche ich sehr viel. Sie kommt aus Jugoslawien. Wir verstehen uns mit ihr sehr gut, haben guten Kontakt mit ihr, weil sie auch aus einem anderen Land gekommen ist, und nachher Deutsch gelernt hat (KTct2). Ja, ich verstehe meine einheimische Nachbarin gut, vorher konnte ich das nicht (KTat1).
Eine Kursteilnehmerin assoziiert den Begriff Wienerisch offensichtlich mit negativen Erlebnissen,
da sie WienerInnen stereotypisch als ausländerfreundlich bezeichnet und sich daher von ihnen auch
distanziert:
161
Nein, ich verstehe es nicht. Ich habe eigentlich gar nichts zu tun mit Wiener Leuten, weil sie doch eigentlich gegen Ausländer sind, und wir sind sehr unzufrieden damit. Deswegen spreche ich eigentlich auch nicht mit Wienerinnen (KTct1).
An einer anderen Stelle des Interviews wird dieselbe Kursteilnehmerin gefragt, was ihr besonders
gut am "Mama lernt Deutsch"-Kurs gefallen hat. Hier werden den negativen Erlebnissen mit der
Ausländerfeindlichkeit die positiven Erfahrungen entgegengesetzt, die der Kursteilnehmerin wider
Erwarten durch den Respekt der Kursleiterin und einer Nachbarin widerfahren sind:
Und unsere Kursleiterin ist wirklich sehr nett, und sie akzeptiert und respektiert uns, obwohl wir eigentlich so sind. Sie ist sehr nett zu uns, und wir sind sehr zufrieden mit unserer Kursleiterin. Und, wenn wir Deutsch lernen, dann gibt es viele Leute wie [Name der Kursleiterin]. Ich war eigentlich sehr erstaunt, dass unsere [Name der Kursleiterin], unsere Kursleiterin sehr nett zu uns war. Wir haben viel erlebt. Es gibt draußen viele Menschen, die uns nicht als Mensch betrachten. Und hier gibt es viele Leute, die keine Ausländer mögen, die sehen uns wie einen Dreck an, und es stört uns sehr. Aber jetzt lernen sie Deutsch, sie können doch Deutsch lernen. Und ich bin ganz sicher, dass es mehr Personen wie [Name der Kursleiterin] draußen gibt. (…) Ich habe z.B. ein gutes Erlebnis gemacht. Ich habe eine Nachbarin, und sie hat erfahren, dass ich Deutsch lerne, und sie hat sich darüber sehr gefreut. Und wir sprechen manchmal, und sie freut sich immer noch, dass ich Deutsch lerne (KTct1).
Wie diese teilweise recht drastische Schilderung zeigt, hat diese Kursteilnehmerin vor allem vor
ihrem Kursbesuch negative Erfahrungen mit ÖsterreicherInnen gemacht, die sie weiter oben
stereotypisch als ausländerfeindliche WienerInnen bezeichnet und mit denen sie nichts zu tun haben
will. Durch den Kursbesuch dürfte sie auch mit ÖsterreicherInnen in Kontakt gekommen sein, die
ihr Respekt und Akzeptanz entgegengebracht haben, was wiederum die Wichtigkeit von Kursen wie
"Mama lernt Deutsch" als integrationspolitische Maßnahme bestätigt.
Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein
Die Frage, ob sie durch den Kurs an Selbstvertrauen bzw. Selbstbewusstsein gewonnen hätten,
bejahen sechs von sieben Kursteilnehmerinnen. Die befragten Mütter sprechen aber auch in
Zusammenhang mit anderen Fragen, die während des Interviews gestellt wurden, von einem
erhöhten Selbstbewusstsein, das sie durch die Kurse und den dort vermittelten Deutschkenntnissen
erlangt haben. Das gestiegene Selbstvertrauen ermöglicht den Kursteilnehmerinnen laut eigenen
Angaben mehr soziale Kontakte (z.B. mit dem Arzt, am Spielplatz, auf der Straße, beim Ausgehen,
…):
Natürlich. Durch unsere Deutschkenntnisse können wir mit Leuten ganz locker und leicht Kontakt aufnehmen. Wir freuen uns, dass wir im TV mehr verstehen. Da ich früher nicht Deutsch konnte, konnte ich nicht richtig ausgehen, jetzt traue ich mich, jetzt kann ich hinfahren wohin ich will. Früher war ich nicht oft draußen, weil ich nicht Deutsch konnte (KTat1).
162
Ja, wenn wir z.B. am Spielplatz Probleme haben, können wir das eigentlich doch erledigen. Wir können sprechen und die Probleme beseitigen. Früher konnten wir das nicht. Unser Hausmeister ist ein Jugo, und wir sprechen miteinander Deutsch. Da wir Deutsch sprechen, können wir die Probleme beseitigen (KTjt1). Ja, schon. Aber ich hatte eigentlich nicht so viele Gelegenheiten. Am Anfang habe ich mich nicht getraut, etwas zu sagen, ich hatte meine Zweifel, ob ich überhaupt etwas sagen oder nicht, aber jetzt ist es anders. Ich frage öfters die KlassenlehrerInnen meines Sohnes, sie sind sehr nett, ich konnte beispielsweise letztes Mal zum Elternsprechtag nicht kommen, (...), und deshalb ist meine Schwiegermutter hingegangen und sie haben nachgefragt, wo ich bin und wieso ich nicht gekommen bin (KTmv).
Das gestiegene Selbstbewusstsein führt auch zu einem verbesserten Kontakt mit der Schule, wie
einige Kursteilnehmerinnen berichten:
Ja, früher hab ich mich nicht getraut zu den LehrerInnen zu gehen, aber jetzt ist es besser. Ich sprech nicht ganz perfekt, aber trotzdem trau ich mich mehr (KThu1). Vorher hatten wir Angst davor, darum haben wir an keinen Elternabenden teilgenommen. Mit diesem Kurs hab ich mehr Vertrauen bekommen, und ich kann doch an den Elternabenden teilnehmen." (KTat2). Ja, ich verstehe, welche Aufgaben sie haben, ich verstehe, was in den Heften steht, ich bin selbstbewusster und ich kann mit den Kindern sitzen und lernen (KTgu1).
Sprachliche Bewältigung des Alltags
Auf die Frage, ob sie aufgrund der Kursteilnahme ihren Alltag sprachlich besser bewältigen
können, antworten drei Kursteilnehmerinnen, dass dies bei ihnen nicht der Fall ist. Vier
Kursteilnehmerinnen meinen, ihren Alltag durch den Kursbesuch zumindest etwas besser
bewältigen zu können. Eine dieser Frauen beklagt beispielsweise, dass sie ihre Kursleiterin zwar
sehr gut versteht, aber nicht Deutsch sprechenden Personen außerhalb des Kurses, da sie zu schnell
und möglicherweise dialektal sprechen:
Yes. there´s a little improvement. You know, it's not easy to understand. When I was in the class, I used to understand my teacher when she is speaking, but when I'm on the street, it's not so easy. I think, they are speaking another thing. There was a day I have a problem with Vienna, when I have to call them. The first time I complained, I think they hear me, so they want to return my call. They now call me, I don't understand what they are telling me. It's not so easy. (...) I told them 'Bitte sprechen Sie langsam' and I don't understand. Maybe it's a dialect or so, I don't know (KTey1).
Die Mehrheit von elf Frauen stellt große Fortschritte in der sprachlichen Bewältigung ihres Alltages
fest, wie beispielsweise diese Kursteilnehmerin:
Doch schon. Wenn ich beim Einkaufen bin, wenn ich irgendwelche Probleme auf der Staße habe, dann, ja ... wir benützen die Wörter, die wir hier verwenden. Wir sprechen mit diesen Wörtern zu den Leuten, mit denen wir auf der Straße Probleme haben, z.B. Wenn wir Gelegenheit haben, dann
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sprechen wir eh. Wir können fragen, wie viel etwas kostet, oder wenn wir etwas falsch kaufen, dann können wir es umtauschen, oder wenn ich etwas zurückgeben möchte, dann gebe ich es zurück und erkläre das, warum ich es zurückgeben möchte (KTct1).
Gesamteinschätzung
Wie zufrieden sind sie mit dem Kurs? Was hat Ihnen besonders gefallen? Was hat Ihnen gar nicht
gefallen?
Nur eine Kursteilnehmerin ist mit dem Kurs mäßig zufrieden, da ihr zu wenig Grammatik
durchgenommen wurde. Alle anderen Kursteilnehmerinnen sind sehr zufrieden oder zufrieden.
Danach gefragt, was ihnen besonders gut am Kurs gefallen hat, erwähnen dreizehn Frauen ihre
Kursleiterin:
Alles war schön, alles perfekt, die Kursleiterin sehr freundlich, hat sich alle Mühe gegeben (KTiz). Die Fragen, die uns unsere Kursleiterin gestellt hat (KTat1). Eigentlich war alles gut in diesem Kurs. Unsere Kursleiterin hat uns nahe gebracht, Deutsch zu sprechen. Es gefällt mir, mit der Kursleiterin Deutsch zu sprechen (KTat2). Es gibt Vieles. Mir hat besonders gefallen, dass die Kursleiterin sich immer Zeit genommen hat, dass sie nach jeder Erklärung dann gefragt hat, ob ich es auch verstanden hab, und wenn ich es nicht verstanden hatte, hat sie sich bemüht, mir alles noch einmal zu erklären (KTmv). Die Art, wie unsere Kursleiterin den Unterricht macht. Wir sind sehr zufrieden mit unserer Kursleiterin, sie ist sehr nett (KTdz). Unsere Kursleiterin ist sehr gut, richtige Lehrperson, hat Verständnis, bemüht sich sehr, antwortet, auch wenn wir viele Fragen stellen, andere würden wahrscheinlich böse werden. Wir haben von anderen Kursleiterinnen gehört, dass sie nicht alles erklärt (KTft2).
Von der Bedeutung, die die Kursleiterinnen in den Ausführungen der Mütter einnehmen, kann man
durchaus auf den Stellenwert der Kursleiterinnen für den Erfolg der Kursmaßnahme insgesamt
schließen. Die Bereitschaft, sich persönlich zu engagieren und auf die Kursteilnehmerinnen
einzulassen, ist maßgeblich für den Erfolg der Kurse, wie auch an anderen Stellen gezeigt wurde
(siehe S. 103 und Kapitel 6.1.2.1).
Vier Kursteilnehmerinnen hat besonders gefallen, dass sie durch den Kurs ihre Deutschkenntnisse
verbessern und ihr Selbstvertrauen steigern konnten, wie die Aussage dieser Frau exemplarisch
zeigt:
In den Themen, die wir behandelt haben, bin ich besser geworden und ich habe mehr Selbstbewusstsein, außerhalb des Kurses über diese Themen zu reden (KTgu19).
164
Für zwei andere Kursteilnehmerinnen ist die Lernatmosphäre der beste Aspekt des Kurses gewesen.
Für diese Frauen dürfte der Anspruch des Kurses, angstfreies Lernen auf freiwilliger Basis zu
ermöglichen, gut umgesetzt und angenommen worden sein:
Unsere Kursleiterin kümmert sich gut um uns und bemüht sich. Die Atmosphäre des Kurses hat mir sehr gut gefallen (KTjt1). Kurs ist frei(willige) Beschäftigung, man kann auch frei(willig) lernen, niemand zwingt einen dazu. Verpflichtungen wie z.B. Hausübungen gibt es auch keine, wenn wir es schaffen, sie zu machen, dann machen wir´s, wenn´s zuhause z.B. viele Probleme gibt, dann machen wir´s hier zusammen mit der Lehrerin (KTmw).
Auf die Frage, was ihnen gar nicht gefallen hat, geben die Kursteilnehmerinnen sehr
unterschiedliche Antworten. So beklagen jeweils zwei Frauen ein fehlendes Lehrbuch und zu wenig
Unterrichtsstunden. Als weitere Minuspunkte werden jeweils einmal genannt: die Exkursionen bzw.
Hospitationen, die fehlende Anrechenbarkeit des Kurses als "Integrationsvereinbarungskurs",
störende Besuche und zu wenig Sprechen während des Kurses, die behandelten Themen, der
KinderbetreuerInnen und das Unterrichtstempo. Für acht Kursteilnehmerinnen hat es keinerlei
negative Seiten des Kurses gegeben. Aus den Stellungnahmen der Mütter lässt sich daher kein
einheitliches und verallgemeinerndes Bild ableiten.
Heterogenität
Die Kursteilnehmerinnen wurden in den Interviews zwar nicht zu der heterogenen
Kursteilnehmerinnenzusammensetzung befragt, jedoch haben wir im Nachhinein die Interviewdaten
darauf hin untersucht, ob und wie sich die Kursteilnehmerinnen zur Heterogenität geäußert haben.
Drei Kursteilnehmerinnen, die von sich aus die Heterogenität ansprechen, empfinden die
unterschiedlichen Niveaus der Teilnehmerinnen im Kurs als unvorteilhaft. Eine polnische Frau
plädiert für eine Einteilung der Lernerinnen in verschiedene Gruppen, während sich zwei türkische
Kursteilnehmerinnen von den besser Deutsch sprechenden Kursteilnehmerinnen "abgehängt"
fühlen:
Aufteilung der Kursteilnehmerinnen in Gruppen. Damit´s nicht so ist wie hier. Am Anfang gab´s eine, die fast eine Analphabetin war, und das macht keinen Sinn. Dass es z.B. so ist wie in anderen Kursen, Stufe 1, Stufe 2. Verschiedene Gruppen, damit´s nicht so ist wie hier. Also zu Beginn gab´s hier eine, die überhaupt nichts verstanden hat, aber die Mehrheit hat schon einiges verstanden. Das macht keinen Sinn. Also ein wenig eine Aufteilung zb. Wie es auch in anderen Kursen so ist. Damit man nicht von Anfang an die Farben lernen muss oder Begrüßungen und das dauert dann den halben Kurs, das macht keine Sinn, (lacht) und die Mehrheit hat das schon gekonnt, vielleicht zwei haben es nicht gekonnt und wegen diesen zwei Personen hat alles ganz von vorn angefangen. Da sollte man sich erst umschauen, was für eine Streuung es gibt, wer was kann. Und hier konnte die
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Mehrheit diese Sachen schon. Und jetzt erst eigentlich sind wir zur Wiederholung der Grammatik gekommen. Also zu den "Falle", jetzt wo eigentlich der Kurs schon zu Ende ist. Und das hätte mich eigentlich am meisten interessiert. Das war zu spät, aber eigentlich für die Mehrheit (KTix). Das Lerntempo ist nicht so schnell, aber die haben mehr gelernt als wir es können, weil die anderen Teilnehmerinnen wirklich sehr gut Deutsch sprechen. Wir können es nicht verstehen, und wir wiederholen es eigentlich auch nicht (KTlt1). Wir lernen eigentlich eh manche Sachen, aber die anderen Kursteilnehmerinnen können sehr viel, deswegen orientiert sich die Kursleiterin eigentlich an den Kursteilnehmerinnen, die sehr viel können. Aber ich finde, wenn es ein Niveau für uns gäbe, dass wir dann ganz sicher besser verstehen können (KTlt2).
Eine Kursteilnehmerin hingegen wünscht explizit eine Durchmischung der Niveaus, eine andere
meint, dass sich in ihrem Kurs die weniger fortgeschritteneren Lernerinnen nicht schämen und
benachteiligt fühlen müssen:
Ich habe keine Vorschläge. Ich will, dass die Kursleiterin regelmäßig kommt, und ein Programm, sonst gefällt mir alles. Ich will, dass die Klasse durch Niveaus gemischt ist (KTku1). Gelehrt wird sehr gut, die Unterlagen werden in aller Ruhe durchbesprochen, man braucht sich nicht zu schämen, dass jemand besser spricht, das gibt es eigentlich nicht. Alle gleich gut und alle bemühen sich, sich untereinander verständlich zu machen (KTmw).
Die letzte Aussage zeigt, dass es nach Wahrnehmung der Mütter auch zielsprachlich homogene
Lernerinnengruppen gegeben hat, wobei die Frauen diese Homogenität in einem positiven Kontext
erwähnen. Dies ist auch bei zwei weiteren Kursteilnehmerinnen der Fall, die mit dem einheitlichen
(Anfänger)Niveau ihres Kurses zufrieden sind:
Wir sind alle Anfänger, wir haben von Anfang an gesagt, es soll bitte ein langsamer Kurs sein (KTku1). Kurs entspricht unserem Niveau, Lehrerin ist gut, ich wünschte, dass die Lehrerin mehr Überblick hat und mehr Erfahrung (KThu2).
Eine andere Mutter hebt demgegenüber die erstsprachliche Heterogenität positiv hervor, indem sie
die unterschiedlichen Erstsprachen der Teilnehmerinnen als ausschlaggebend für Pausengespräche
auf Deutsch beschreibt:
Wir haben uns auch in den Pausen miteinander unterhalten und auch mit anderen Müttern, wir haben Probleme besprochen, und alles auf Deutsch, beispielsweise war da keine Frau aus Serbien, alle waren aus unterschiedlichen Ländern, aus Ägypten, Pakistan, Tschetschenien, am Anfang waren da auch Frauen aus Rumänien und Bulgarien, wo wir uns auch in den Muttersprachen unterhalten hätten können, was wir aber absichtlich nicht getan haben, um eben Deutsch zu üben. Man konnte sich aber auch während des Unterrichts äußern und die persönliche Meinung sagen (KTmv). (vgl. S. 164)
166
6.2.1.1. Resümee
Auffallend ist, dass die wenigen negativen bzw. kritischen Stellungnahmen zumeist von den
gleichen Kursteilnehmerinnen geäußert werden (v.a. KTix, KTlt1, KTlt2). KTix beispielsweise
steht dem Kurskonzept insgesamt sehr kritisch gegenüber, wobei sich ihre kritische Einstellung
zumindest teilweise darin gründen dürfte, dass sie über das niedrige Niveau ihres Kurses und somit
in ihren Erwartungen enttäuscht ist. KTlt 1 und KLlt2 hingegen beklagen vor allem, dass ihre
produktive Kompetenz ihren rezeptiven Fähigkeiten und den Lernfortschritten der anderen
Teilnehmerinnen hinterherhinkt. Dass diese Kursteilnehmerinnen anfangs nur in ihrem
Hörverständnis und ihrer Lesefertigkeit Fortschritte erzielen, kann jedoch als normaler Lernprozess
betrachtet werden. Dies spricht aber auch für Fortsetzungskurse, in denen die Mütter die
Gelegenheit bekommen können, über die rezeptive Phase hinaus Erfolge in ihrem Lernfortschritt zu
erleben. Dass diese Möglichkeit in Anspruch genommen werden würde, belegen auch die Aussagen
der Kursteilnehmerinnen, dass sie zu beinahe 100 % im nächsten Schuljahr wieder einen "Mama
lernt Deutsch"-Kurs besuchen würden, wenn es ihnen die Umstände weiter erlauben. In ihrem
Wunsch nach mehr Unterrichtsstunden offenbart sich auch der Ehrgeiz der Mütter, nachhaltig zur
Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse beizutragen.
Da den Kursteilnehmerinnen eine Prüfung verbunden mit einem Ernst zu nehmendem Zeugnis bzw.
Zertifikat nach eigenen Angaben größtenteils sehr wichtig sind, erscheint ein differenzierteres
Kursmodell - etwa in Form eines Modulsystems wie es auf S. 112 und in Kapitel 6.1.3 bereits
erwähnt wurde – für die Zukunft sinnvoll. So könnten Zusatzmodule für Prüfungen, die auch für die
so genannte "Integrationsvereinbarung" anrechenbar sind, eingerichtet werden, während in den
Standardmodulen vermehrt "weichere" Methoden zur Selbst- und Fremdeinschätzung des
sprachlichen Lernfortschrittes angewendet werden (beispielsweise in Form von Quizzes, Tests,
Wiederholungen o.Ä.). Sofern eine Einbindung der Kursleiterinnen erfolgt, wäre in diesem
Zusammenhang auch eine Fortführung der von uns angedachten Lernfortschrittsdokumentation und
des Akustischen Lerntagebuchs als Methoden der Selbsteinschätzung für die Kursteilnehmerinnen
möglich (vgl. Kapitel 5.1.2.4).
Was die Kurskosten betrifft, die von einer Kursteilnehmerin wie auch von einigen DirektorInnen
(vgl. Kapitel 6.1.2.2) als abschreckend für manche Mütter beschrieben wurden, könnte ein
flexibleres Kurskosten-Modell möglicherweise eher die Bedürfnisse der Kursteilnehmerinnen
abdecken. So könnte sich beispielsweise eine transparente Abdeckung der Kurskosten für Härtefälle
167
- etwa durch die MA 17 - als sinnvoll erweisen, sodass alle interessierten bedürftigen Mütter an den
Kursen teilnehmen können.
Da in den Ausführungen der Kursteilnehmerinnen die Rolle der Kursleiterin immer wieder einen
zentralen Platz einnimmt, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Kursleiterinnen essentiell für die
Akzeptanz und die Erfolge der Kurse sind. Führt man sich dies vor Augen, so erscheint eine
adäquate Bezahlung der Kursleiterinnen, die von diesen stark bemängelt wird (vgl. Kapitel 6.1.2.1
und 6.2.2), als Voraussetzung für professionelles Lehren und Lernen umso wichtiger.
Wie die Stellungnahmen der Kursteilnehmerinnen bezüglich ihres Selbstbewusstseins zeigen, spielt
neben der Verbesserung der Deutschkenntnisse das Selbstvertrauen der Mütter eine große Rolle für
die Integration in den Schulverband (siehe auch S. 161). Die Beziehung zwischen Schule und
Elternhaus hat sich für die meisten Kursteilnehmerinnen durch den Kursbesuch und ein damit
einhergehendes gesteigertes Selbstbewusstsein verbessert, womit eines der Hauptanliegen der
Kursreihe als erfüllt betrachtet werden kann.
Welche Prozesse die Kurse in Hinblick auf die Integration der Kursteilnehmerinnen ausgelöst
haben, wurde vor allem anhand der drastischen Schilderung der Kursteilnehmerin KTct1 gezeigt.
So wurde bei dieser Kursteilnehmerin das negative Bild vom ausländerfeindlichen Wiener durch die
Kursteilnahme und insbesondere durch die Interaktion mit der Kursleiterin zumindest relativiert,
womit durch das Deutschlernen sicherlich eine nachhaltig wirkende Annäherung an
ÖsterreicherInnen ermöglicht wurde.
Die Schilderungen der Kursteilnehmerinnen verdeutlichen auch den Umstand, dass sich viele von
ihnen aufgrund der mangelnden Deutschkenntnisse in ihren sozialen Handlungsmöglichkeiten
beschränkt gefühlt haben. Dass der Kurs dazu beigetragen hat, dass sich die Frauen weniger
beschränkt in ihren Möglichkeiten fühlen und deutlich selbstbewusster geworden sind, kann als ein
großer Erfolg der Kursmaßnahme gewertet werden:
Ich finde ihn [den Kurs] wirklich sehr gut. Ich fühle mich auf der Straße wohler als zuvor, weil ich Deutsch kann. Vorher konnte ich eigentlich nicht, hinaus gehen. Jetzt fühle ich mich besser, weil ich auch Deutsch kann und sprechen kann. Wir haben mehr Mut. Vorher dachte ich, wenn ich irgendwohin fahre, wenn ich mich irre, wie komme ich dann nach Hause. Aber jetzt, wenn das passiert, kann ich fragen, wie ich zurück nach Hause gehen kann. Für mich ist es sehr wichtig, dass ich beim Arzt meine Beschwerden erklären kann. Dann werde ich sehr zufrieden, sehr glücklich, es ist sehr gut für uns. Ich konnte vorher meine Beschwerden nicht detailliert erzählen. Jetzt kann ich das schon ein bisschen. Aber jetzt haben wir nicht mehr Angst davor, vorher hatten wir das wirklich. Deswegen dachten wir, wenn wir falsch sprechen, dann können sie uns nicht verstehen (KTat2).
168
6.2.2. Themenzentrierte Interviews mit den Kursleit erinnen
Angaben zur Person
Erst- und Zweitsprachen, bzw. Fremdsprachenkenntnisse der KL
Sieben der dreizehn KL der qualitativen Studie geben an, einsprachig mit der Erstsprache Deutsch
zu sein. Die restlichen sechs KL bezeichnen sich als zweisprachig, davon geben vier KL an,
zweisprachig in Deutsch und Italienisch74, Litauisch und Burgenlandkroatisch zu sein.
Zwei KL geben an, zweisprachig in Türkisch, beziehungsweise Polnisch und Deutsch zu sein.
Alle KL geben an, Englisch als Fremdsprache zu beherrschen, an zweiter Stelle wird zumeist
Französisch genannt (acht KL).
Vier KL geben an, zwei Fremdsprachen zu beherrschen, davon wird dreimal die Kombination
Englisch und Französisch sowie einmal Englisch und Russisch genannt. Eine KL gibt an, nur eine
Fremdsprache, nämlich Englisch, zu beherrschen. Fünf KL geben drei Fremdsprachen mit
folgenden Kombinationen an: Englisch, Französisch, Italienisch; Englisch, Französisch, Spanisch;
Englisch, Russisch, Spanisch; Englisch, Schwedisch, Spanisch; Englisch, Französisch, Spanisch.
Drei KL nennen vier Fremdsprachen, nämlich Englisch, Französisch, Spanisch, Thailändisch;
Spanisch, Englisch, Französisch und Russisch; Englisch, Französisch, Russisch, Bulgarisch.
Aufenthaltsdauer in Österreich
Alle bis auf vier KL, von denen zwei aus Südtirol und jeweils eine KL aus Deutschland und Polen
stammen, geben an, in Österreich geboren worden zu sein. Die vier nicht in Österreich geborenen
KL sind seit 12, 21 bzw. 28 Jahren in Österreich. Eine KL macht dazu keine Angabe.
Höchste abgeschlossene Ausbildung
Neun der dreizehn KL absolvierten eine Universität, davon zwei mit Doktorat und eine KL mit
Master-Abschluss. Zwei KL nennen als höchste abgeschlossene Ausbildung Pädagogische
Akademie, eine KL Matura und eine KL gibt an, eine HBLA ohne Matura abgeschlossen zu haben.
74 Zweisprachig Italienisch und Deutsch wird zweimal genannt.
169
Pädagogische und philologische Ausbildungen
Jeweils vier KL geben an, ein Lehramts- beziehungsweise Diplomstudium absolviert zu haben,
zwei KL nennen eine Doktoratsstudium, zwei KL besuchten eine Pädagogische Akademie und eine
KL verfügt über keine pädagogische oder philologische Ausbildung.
DaF/DaZ Ausbildungen
Drei KL verfügen über keine spezifische DaF/ DaZ- Ausbildung und jeweils zwei KL absolvierten
den DaF/ DaZ-Lehrgang des VWV Level 1, beziehungsweise DaF/ DaZ- Module im Rahmen ihres
Studiums. Eine KL gibt an, über beiden Ausbildungen zu verfügen.
Andere genannte Ausbildungen sind: Fernlehre am Goetheinstitut und
AlphabetisierungstrainerInnen-Ausbildung, ÖSD PrüferInnen-Ausbildung, Akademielehrgang
Pädak, Ausbildung als Begleitlehrerin am BI, Zertifikat "TRAC OCN"75.
Berufliche Erfahrungen und Institutionen
Jeweils vier der dreizehn KL unterrichteten entweder zum ersten Mal im DaZ-Bereich, oder
weniger seit weniger als fünf Jahren76. Fünf KL gaben an, seit mehr als fünf Jahren zu unterrichten.
Auf die Frage, in welchen Institutionen sie vor "Mama lernt Deutsch" DaZ unterrichtet hätten,
nannten alle KL Instutitionen der Erwachsenenbildung. Fünf davon gaben an, auch mit
Jugendlichen oder Kindern gearbeitet zu haben.
Wirkung
Große Lernfortschritte bei den KT kann nur etwa die Hälfte der 13 befragten KL feststellen, die
anderen KL geben an, keinen oder nur sehr geringen Lernfortschritt beobachten zu können, wie
folgende Zitate veranschaulichen:
Ich hab eine Teilnehmerin, (...) die ist Albanerin, die hat wirklich nix gelernt, und so total schwierig mit ihr überhaupt, die hat überhaupt keinen Fortschritt gezeigt, aber sie ist total gerne in den Kurs gekommen, ich mein, insofern hat es eh etwas gebracht, glaub ich, dass sie einfach ein Selbstbewusstsein gekriegt hat, aber so vom Lernerfolg, der ist total ausgeblieben, vom sprachlichen, meiner Meinung nach. Also jetzt müsste sie es schon besser können, aber die ist jetzt seit einem 3/4 Jahr im Kurs, oder halt seit Anfang an, und hat eigentlich nix gelernt. Immer wieder
75 Hierbei handelt es sich um eine halbjährige Ausbildung. Die Abkürzung "TRAC OCN" bedeutet "Teacher for foreign languages certificate".
170
die Frage, wenn ich stelle: 'Wie lange bist du in Wien?', dann sagt sie 'Gut!'. Jede Frage mit 'Wie?' versteht sie mit 'Wie geht es dir?' (...) Das war für mich schon schwierig, wobei ich sie sehr gern mag, und sie kommt auch sehr gerne, aber mit ihr war es für mich schwierig, weil ich keinen Zugang gefunden hab zu ihr (KL_5).
Ich glaub, es ist der allererste Anstoß, aber es ist noch sehr viel notwendig, weil ich ihnen als Hausübung zum Beispiel gegeben hab, dass sie schauen sollen, dass sie einmal auf Deutsch einkaufen gehen und hab ihnen Zitate zur Verfügung gestellt, wie sie das machen könnten, und das war für sie so die große "Uah", ja? Also ich hab dann öfters die Hausübung gegeben und ich hab das Gefühl gehabt, sie machen's eigentlich nicht sehr. Aber es ist jetzt einmal so eine erste Berührung mit Deutschlernen (KL_2).
Interessanterweise ergibt sich hier ein Widerspruch zu Aussagen anderer InterviewpartnerInnen:
Die KT etwa geben, wie in Kapitel 6.2.1 beschrieben, mit überwiegender Mehrheit an, sprachlich
große Fortschritte gemacht zu haben. Auch die DirektorInnen geben in den Interviews an,
verbesserte Sprachkenntnisse bei den KT festgestellt zu haben (siehe Kapitel 6.2.3).
Diese Diskrepanz mag einerseits daher rühren, dass die KT aus Sicht der KL möglicherweise zu
wenig Fortschritte gemacht haben und andererseits daran liegen, dass die KT auch geringe
sprachliche Fortschritte als gewichtig wahrnehmen.
Während manche KL also mit dem Lernfortschritt wenig zufrieden sind, berichten andere von guten
Erfolgen während des Kurses:
Ich hab zum Beispiel manchmal mit ihnen telefoniert, um irgendwelche Sachen zu organisieren und da hab ich schon gemerkt, zum Beispiel auch bei der X [Name der KT], das funktioniert und das hat mich eigentlich verblüfft, dass sie mir Nachrichten hinterlassen hat auf der Mailbox, die recht komplex waren eigentlich vom Inhalt und die ich aber trotzdem verstanden hab. Also ich denk mir schon, dass sie Werkzeuge geliefert bekommen haben (KL_2).
Man merkt beim Ungang mit der Sprache und bei der Sprachqualität, dass sich sehr viel schon getan hat im Positiven (KL_4).
Die Frage, ob die KT durch den Kurs eher in der Lage seien, Situationen wie etwa einen Arzt/
Ärztinbesuch oder den Gang auf ein Amt alleine zu bewältigen, bejaht ein Großteil der KL, manche
KL geben an, dies nicht beurteilen zu können.
Insgesamt wurde immer wieder die gestiegene sprachliche Bereitschaft der KT betont:
Also vorher sind die Frauen nicht zum Arzt allein gegangen, jetzt gehen alle schon alleine zum Arzt. Und auch meine Schwächste, die nicht viel reden kann, die traut sich, auch wenn sie ganz wenig nur Deutsch kann, traut die sich meist allein zu gehen. Und das hat sie auch mit Freude mir erzählt, dass sie gegangen ist und es hat alles super funktioniert und sie hat alles verstanden (KL_9).
Andere KL berichten ähnliche Situationen, etwa dass eine KT eine Tasche, die ein Geschenk für die
KL einhielt, verloren hatte, und daraufhin zuerst in die Bibliothek zurückging (das war ihre letzte
Station vor dem Kurs), dort fragte, ob ihre Tasche gefunden wurde und als dies verneint wurde, auf
die Polizei ging, um eine Verlustanzeige zu machen – und das alles auf Deutsch.
171
Lediglich vier KL konnten keine Auswirkungen auf die innerschulische Kommunikation
beobachten, da in ihren Kursen nur wenige oder keine KT aus den betreffenden Schulen sind. Zwei
der befragten 13 KL meinen, dass sich auch bei den KT, deren Kinder in die betreffenden Schule
gehen, die Kommunikation mit der Schule nicht verbessert habe.
Zwei KL geben an, dass sich die innerschulische Kommunikation etwas verbessert hat und sieben
sehen eine deutliche Verbesserung der innerschulischen Kommunikation:
Ich krieg immer wieder Feedback von den LehrerInnen an sich, dass es viel besser geworden ist, also dass sich Mütter einfach weil sie besser Deutsch sprechen, sich besser zurecht finden in der Schule, dass sie halt mehr Anteil nehmen auch am Schulleben (KL_7).
Auch an dieser Stelle ergibt sich eine interessante Diskrepanz zwischen den Einschätzungen der KL
und denen der DirektorInnen: Die DirektorInnen geben mehrheitlich an, keine wesentliche
Intensivierung der innerschulischen Kommunikation bemerkt zu haben (siehe Kapitel 6.2.3). Dies
könnte aber auch daran liegen, dass die DirektorInnen, wie sie auch in den Interviews angeben,
selbst zu wenig Einblick in die Kommunikation der KT mit den LehrerInnen haben oder dass ihnen
von den LehrerInnen nichts Derartiges berichtet wurde, was jedoch nicht bedeuten muss, dass keine
Verbesserung stattgefunden hat.
Folgende KL erzählt von einem Erfolg, da eine – ihres Wissens nach – türkischsprachige KT mit
einer ebenfalls türkischsprachigen Lehrerin nur noch Deutsch sprechen will:
Ich hab z.B. Feedback von einer Lehrerin bekommen, dass die Frau/ dass eine Mutter nur noch Deutsch mit ihr spricht. Die Lehrerin selbst spricht auch Türkisch, das heißt, sie haben früher immer Türkisch miteinander geredet, und jetzt besteht die Frau darauf, Deutsch zu sprechen. Also, was ich glaub, die Verbesserung ist jetzt nicht so sehr sprachlicher Natur, oder dass da wirklich der Kontakt hergestellt wird wie wir uns das wünschen, sondern, dass einfach einmal der erste Schritt getan wird (KL_13).
Sollte diese KT jedoch in Wirklichkeit nicht erstsprachlich türkisch-, sondern etwa kurdisch- oder
armenischsprachig sein, aber als Türkin gehandelt werden, ist diese Situation nur als scheinbarer
Erfolg zu werten.
Mehrfach wird auch erzählt, dass der Kontakt mit der Schule durch den Kurs viel unkomplizierter
geworden sei, dass die KT mehr Kontakt mit den LehrerInnen und der/ dem DirektorIn hätten, und
dass die Hemmschwelle zur Schule insgesamt gesunken sei, schlicht durch die Anwesenheit der KT
in der Schule.
Eine KL erzählt davon, wie die Direktorin ihrer Schule die KT unterstützt:
Sie ermutigt die Frauen da schon sehr und sie ist auch stolz auf die Damen, dass sie da teilgenommen haben und man merkt, dass sie da selbst auch stolz sind. Also ich glaub, es [die innerschulische Kommunikation] ist auf jeden Fall auch besser geworden bei den KT (KL_5).
172
Der entscheidende Unterschied ist jedoch nach Meinung der KL nicht, dass die KT durch den Kurs
über wesentlich bessere Deutschkenntnisse verfügten, sondern, dass sie an Selbstbewusstsein
gewonnen und dadurch die Angst vor vielen Situationen verloren hätten:
Die Frauen trauen sich nicht zu telefonieren, obwohl es z.B. eine Serbin bei mir gibt, die wirklich so gut Deutsch spricht, dass das überhaupt kein Problem wäre. Sie spricht zwar grammatikalisch nicht korrekt, aber sie kann/ sie versteht mehr oder weniger alles, sie kann sich ausdrücken, also die haben nur Scheu, und das haben wir auch gemacht, dass wir angerufen haben, und ich ihnen das Telefon einfach hingehalten hab. Das ist einfach, in diesem Rahmen, in diesem Raum können solche Sachen vorkommen. Und ich nehme einmal an, dass sie beim nächsten Mal selber anruft, dort, wo sie sich sicher fühlt, oder Arztgespräche oder so (KL_13).
Die Auswirkungen des Kurses auf das Selbstbewusstsein der Frauen werden von einigen KL positiv
hervorgehoben, die etwa berichten, dass sich die KT jetzt trauen, mit den LehrerInnen oder der/
dem DirektorIn zu sprechen, dass sie im Schulgebäude grüßen (was viele davor nicht gemacht
haben), und dass sie insgesamt offener geworden sind.
Bei folgendem Beispiel geht es darum, dass die KT alleine zu einem KDL77-Gespräch gehen sollte:
Und die X [Name der KT] hat vorher noch so herumgedruckst (…), hab ich gsagt "X [Name der KT], du schaffst das, geh alleine hin, du brauchst nicht irgendjemanden mit, die XX [Name der Tochter] ist eh da und die kann sonst auch übersetzen, wenn's wirklich happig wird", und die X [Name der KT] ist wirklich alleine hingegangen und ich hab dann auch von der Lehrerin der Klasse gehört, die hat auch gesagt, das hat super funktioniert, die X [Name der KT] hat gesagt, es hat super funktioniert. Und ich nehm an, dass sie in Zukunft jetzt nicht mehr mit Dolmetscher hingeht (KL_1).
Kursgeschehen
Angstfrei, Prüfungen
Neben einer angenehmen Kursatmosphäre gelang es den KL nach eigenen Angaben, angstfreies
Lernen zu ermöglichen. Dies dürfte besonders für die Zielgruppe der "Mama lernt Deutsch"-Kurse,
nämlich lernungewohnte, sprachlich wenig fortgeschrittene und für Deutschkurse schwer zu
erreichende Frauen mit Kleinkindern, von großer Bedeutung gewesen sein und war somit sicherlich
mitverantwortlich für den Erfolg der Kursmaßnahme.
Manche KL betonen, wie gut sich die KT untereinander verstehen, eine KL meint, es habe sich eine
Art Netzwerk in ihrem – beinahe einsprachig türkischen78 – Kurs gebildet, sodass sich die KT als
77 KDL: Kommentierte direkte Leistungsbeurteilung: Hierbei handelt es sich um einen Schulversuch an Volksschulen nach § 78a des Schulunterrichtsgesetzes, bei dem an die Stelle von Zeugnissen und Ziffernbeurteilung das "Sammeln" der Leistungen übers Jahr steht. Die Leistungen werden dabei in Grob- und Feinziele anhand des Volksschullehrplanes aufgefächert. Die den Erziehungsberechtigten jederzeit einsehbare Sammelmappe wird mindestens einmal im Semester bei einem Eltern-, LehrerInnen-, SchülerInnengespräch den Erziehungsberechtigten zur Kenntnis gebracht und erläutert (http://home.schule.at/teaching/msk/2_wie/i2beurteilung.htm#kdl, letzter Zugriff am 10.08.07). 78 Bis auf eine KT sind in diesem Kurs alle KT türkischsprachig.
173
Freundinnen definierten. Auch andere KL berichten von einem sozialen
Zusammengehörigkeitsgefühl der KT.
Zur angenehmen Kursatmosphäre trug nach Meinung der KL auch der Umstand bei, dass es weder
Einstufungs-, noch Abschlussprüfungen gab, und die Kurse dadurch ohne Druck durchgeführt
werden konnten. Viele KL sprechen sich aber für die Möglichkeit aus, eine freiwillige
Abschlussprüfung zu machen.
Einige KL machten kleine freiwillige Tests, damit sich die KT selbst einschätzen konnten, und um
ihnen die Möglichkeit auf ein Erfolgserlebnis zu geben, wie eine KL meint. Voraussetzung dafür sei
aber die kursindividuelle Gestaltung von Tests.
Einige KL meinen, wenn es Prüfungen gegeben hätte, wären viele KT nicht gekommen, doch stellt
sich ebenfalls die Frage, wie viele KT nicht gekommen sind, weil es eben keine Abschlussprüfung
gibt: Viele KL erzählten von den Wünschen und Unsicherheiten, die in Bezug auf die
Anrechenbarkeit der "Mama lernt Deutsch"-Kurse für die Integrationsvereinbarung aufgetreten
sind.
Frauenkurs
Der Umstand, dass es bei "Mama lernt Deutsch" nur reine Frauengruppen gibt, ist laut KL für viele
KT eine Voraussetzung für die Teilnahme. Interessanterweise zeichnen die Antworten der KT ein
anderes Bild: Die Frage, ob sie "Mama lernt Deutsch" wegen der reinen Frauengruppe gewählt
haben, verneinen die KT mehrheitlich (siehe Kapitel 6.2.1). Über die Bedeutung reiner
Frauengruppen herrscht bei den KL jedoch Einigkeit und fast alle betonen, dass viele Gespräche in
gemischten Gruppen nicht möglich gewesen wären, da in den Kursen die Themen Gesundheit,
Männer und Kinder oft vorkämen.
Gerade im Bereich Körper, Gesundheit, Sexualität, da spricht sichs viel leichter mit Frauen aus Kulturen, wo Männer- und Frauenwelten halt noch immer sehr getrennt sind. Wobei ich da auch witzige Erfahrungen gemacht habe, dass, wenn dann ein Vertrauensverhältnis da ist, dass da Sachen rauskommen, die/ wo wir uns scheps gelacht haben alle zusammen. (…) Oder auch wenn's jemandem nicht so gut ging (...), ging das unter Frauen leichter als mit Männern (KL_11).
Auch bei der Gruppendiskussion wird diese Meinung geäußert (siehe Kapitel 6.2.4).
Die angenehme Atmosphäre im Kurs, die sehr offene Gespräche ermöglichte, wird häufig auf den
Umstand reiner Frauengruppen zurückgeführt:
174
Also sie erzählen viel mehr, sind nicht so gehemmt, untereinander lernt sichs auch besser, sie haben mehr Spaß, vor allem: Sie reden auch öfters so über Eheprobleme und mit Kindern. Ich glaub, die Atmosphäre wäre nicht so geschützt, wenn wirklich Männer oder Väter dabei sind (KL_4).
Der Umstand, dass manche KT ihre Kopftücher im Kurs abnehmen, sollte auch dem Schulpersonal
zur Kenntnis gebracht werden, wie folgende KL erläutert:
Und dann gibt's noch so verschiedene Situationen (...), wo der Hauswart zum Beispiel hineinkommt und nicht klopft. Das ist für sie ein Problem gewesen, er hat dann das nächste Mal (...) geklopft, es war überhaupt kein Problem. Aber es gab so Situationen, wie zum Beispiel die zwei ihre Kopftücher einmal runtergetan haben, um uns zu zeigen, was für Haare sie haben und so. Das wäre nicht möglich, wenn ein Mann dabei ist, weil das ist ein Gebot der Religion, dass man das nicht tut (KL_12).
Nicht alle KL geben an, das Curriculum verwendet zu haben, alle bis auf eine bezeichnen es aber
als gut, beziehungsweise hilfreich. Auch mit dem Konzept dürfte die Mehrheit der KL zufrieden
sein.
Eine KL allerdings übt massiv Kritik sowohl am Konzept, als auch am Curriculum: Zum einen hält
sie die momentane Praxis eines Jahreskurses für nicht sinnvoll, da es ihrer Meinung nach gerade bei
einem Kurs mit hoher Heterogenität besser wäre, ein Modulsystem nach Sprachniveaus anzubieten:
Für mich ist schon die Frage, ob ein Modulsystem nicht gescheiter wäre, weil die Kenntnisse einfach auseinanderdriften mit der Zeit. Und in diesem ständig Wiederholen und Schauen, dass man die Leute, die noch wenig können oder nur ganz wenig kommen, dass man die auch wieder mitreinholt, vergeht einfach sehr viel Zeit. Und wenn man dann die Möglichkeit hätte, dass da mehr differenziert wird, könnte man sicher mehr Inhalte reinpacken. (…) Weil die, die schlecht lernen oder vielleicht nicht so gut schreiben können, die hinken immer hinten nach und das verschärft sich dann mit der Zeit (KL_2).
Außerdem befürchtet sie eine Bevormundung der KT, wie sie im folgenden Zitat erläutert:
Und sonst mit den Integrationsdingen, hab ich auch das Gefühl: Irgendwie gehört das noch weiterentwickelt, ja? Diese vielen Ansprüche, die auf den Kurs raufgepfropft werden. Ich find den Punkt einfach wichtig, dass es nicht bevormundend ist. Dass wenn man einen Deutschkurs anbietet und zum Beispiel so Dinge wie Aufklärung oder Empfängnisverhütung, dass die wirklich vorkommen müssen, das find ich einfach nicht ok, weil das einfach eine Bevormundung der Lernerinnen ist, ja? Ich find's sehr wichtig, dass es diese Zusatzangebote gibt, aber nochmal viel notwendiger, dass man mit den Teilnehmerinnen gemeinsam schaut, wo liegt ihr Interesse, was wollen sie wirklich vom österreichischen Alltag oder diesen Integrationsdingen auch wirklich kennen lernen (KL_2).
Die Themen "Aufklärung" und "Empfängnisverhütung" werden im Curriculum zwar nicht explizit
genannt, dennoch scheint diese KL einen gewissen Zwang zu verspüren, auch diese
Themenbereiche zu bearbeiten: Auf unsere Frage, ob denn alle im Curriculum angeführten Themen
behandelt werden müssten, oder ob sie nicht auch etwas auslassen könne, meint sie:
Ja, aber von der Kommunikation, die wir mitgekriegt haben, hab ich schon das Gefühl, dass einige Dinge der MA 17 sehr wichtig sind, dass die wirklich vorkommen. Was ich versteh, aber es soll nicht bevormundend sein (KL_2).
175
Konzept
Hinsichtlich des Konzepts wird mehrfach der Umstand kritisiert, dass die "Mama lernt Deutsch"-
Kurse nicht bezüglich ihrer Zielgruppe definiert wurden, was die in den Kursen herrschende
Heterogenität noch verstärkte. Einige KL erzählen von KT, die für "Mama lernt Deutsch"-Kurse
entweder bereits ein zu hohes sprachliches Niveau hatten, oder etwa nicht alphabetisiert waren, und
deshalb die Kurse nicht (weiter) besuchen konnten. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang der
Umstand, dass viele KT, die etwa aus oben genannten Gründen nicht an einem "Mama lernt
Deutsch"- Kurs teilnehmen konnten, nicht in andere Kursmaßnahmen transferiert wurden.
Eine KL macht ihrem Unmut folgendermaßen Luft:
Weil das Problem ist: die "Mama lernt Deutsch"-Kurse sind angekündigt worden als die absolute… Ja: die Eier legende Wollmilchsau. Also: "Wenn Sie Ihre Kinder an der Schule haben, wenn Sie nicht lesen und schreiben können, kein Problem, machen Sie einen "Mama lernt Deutsch"-Kurs, wenn Sie nicht allein zum Arzt gehen können, kein Problem, machen Sie einen "Mama lernt Deutsch"-Kurs, wenn Sie Vorbereitung zum Arbeiten brauchen, machen S an "Mama lernt Deutsch"-Kurs". Und des geht anfoch ned. (…) Da muss man sich einmal entscheiden, für wen macht man einen Kurs wirklich, und das ist nicht gemacht worden (KL_1).
Die Kritik der KL scheint in manchen Punkten gerechtfertigt, doch müssen für die Priorität der
Kurse, nämlich dass die KT die Möglichkeit haben, in den Schulen ihrer eigenen Kinder Deutsch zu
lernen, auch Konsequenzen in Kauf genommen werden, die das Kursgeschehen negativ
beeinflussen können.
Exkursionen
Die Exkursionen wurden laut KL nach anfänglicher Skepsis sehr gut angenommen, wie folgende
KL berichten:
Ganz am Anfang war's recht schwierig, weil dann doch Mütter da waren, die gesagt haben, sie wollen nur zum Deutschkurs kommen, wenn wirklich unterrichtet wird, und dann haben wir einen Ausflug gemacht und dann hat es ihnen aber gefallen und seitdem kommens schon regelmäßig mit, oja (KL_4). Zuerst haben sie natürlich gefragt, was hat das damit zu tun; das macht ihnen sehr viel Spaß. In ihrer Freizeit sitzen sie sonst ja zuhause und wenn sie zum Deutschkurs gehen, dann wissen sie, dass da irgendetwas unternommen mit denen, was auch sehr viel Spaß macht (KL_9).
Einige KL erzählen auch davon, dass die KT die Exkursionen genossen haben, weil es für sie eine
Gelegenheit war, den Alltag auszublenden und ohne ihre Kinder etwas zu unternehmen. Manche
KT unternahmen im Rahmen der Exkursionen das erste Mal etwas ohne ihre Kinder, wie folgende
KL erzählt:
176
Bei einer KT war es das erste Mal, dass sie sich von Sohn getrennt hat, das war für sie ein Erlebnis, aber sie hats tapfer durchgehalten (KL_11).
In den meisten Kursen war das Interesse an den Exkursionen groß, lediglich in drei Kursen war dies
anders:
Also zum Beispiel jetzt war ja der türkische Film, da hab ich uns alle angemeldet, alle haben gesagt, sie kommen, wir hätten am Freitag hingehen müssen, am Donnerstag hat's plötzlich geheißen, die eine muss zum Arzt, die andere kann eigentlich nicht, ihr Mann hat gesagt, "Naja, es geht nicht", die dritte, naja, sie will eigentlich auch nicht. Dann hab ich gemeint, "Naja, ok, mach ma ganz normal Unterricht", "Jaja, ok, passt!" (KL_6). Eine dritte [Exkursion] war geplant, die ist ins Wasser gefallen: Wir waren in der Moschee, da in der xxx Gasse, da haben sie mir etwas über den Islam erzählt (...), und dann wollten wir noch in die Kirche gehen da im xx Bezirk, hatten wir auch schon Termine organisiert, aber es kam dann niemand zu dieser Exkursion. Also zu Beginn waren alle ganz begeistert und dann, als es so weit war, musste ich absagen. Ich hab dann auch [nach den Gründen] gefragt, aber ich hab keine dezidierte Antwort bekommen, außer Kind ist krank, also so, diese sehr allgemeinen Gründe, wo ich mir dann denk "Jo, konn eh sein" (KL_7).
Während die erste KL schlicht fehlendes Interesse ortet, meint die zweite KL, die davor schon drei
andere Exkursionen unternommen hatte (Stadtbibliothek, Bezirksamt, Moschee) auf unsere Frage
nach den Gründen dieser Ablehnung:
Ich glaube, dass sie's schon eingesehen haben, ich glaube nicht, dass es da am Einsehen liegt, es liegt einfach an der Tatsache, dass wir unglaublich wenig Zeit haben jetzt (KL_7).
Ob sie mit dieser Einschätzung richtig liegt, oder ob es nicht vielmehr am fehlenden Interesse
konkret an dieser Exkursion gemangelt hat, bleibt unklar.
Die dritte KL erklärt, manche KT verstehen nicht, weshalb sie zu den Exkursionen mitgehen sollen,
sie die Situation aber so handhabt, dass nur die interessierten KT an den Exkursionen teilnehmen.
Einige Male gab es Probleme mit den Ehemännern der KT, in manchen Fällen, wie unten berichtet,
legte sich offenbar die Skepsis der Männer wieder, die in diesem Beispiel ihre Frauen anfänglich im
Kurs sozusagen abgeliefert haben:
Die zwei wurden einfach von ihren Männern begleitet am Anfang und die Männer haben mir ihre Frauen quasi übergeben. Also: "Wissen Sie, das ist meine Frau, sie spricht nur ganz wenig Deutsch" und so (KL_12).
Öfters wurde auch berichtet, dass die Frauen ihre Männer um Erlaubnis fragen mussten, um an den
Exkursionen teilnehmen zu dürfen, wie oft betroffene Frauen nicht mitgehen durften, entzieht sich
aber unsere Kenntnis.
Eine KL schildert eine solche Situation:
Also ich hab nur eine gemacht und die Vorgängerin, glaub ich, zwei, und sie hat mir auch schon gesagt, das wird schwierig, weil zwei Türkinnen halt nicht kommen dürfen von den Männern aus und deswegen. Also bei der einen Exkursion da war ich bei so einer Veranstaltung im xten Bezirk, es war internationaler Frauentag und da sind nur zwei gekommen. Die anderen zwei waren krank und die zwei Türkinnen konnten nicht. Ja, das hat dann irgendwie meiner Meinung nach keinen Sinn gehabt,
177
dass wir Ausflüge machen, weil das ist immer auch ein Konflikt, das ist denen peinlich. Dann hab ich mir gedacht, dass bringt überhaupt nix. Dann hab ich mir überlegt, dass ich das irgendwie anders mache, und dann hab ich mir jemanden eingeladen, eine Ernährungsberaterin und ich hab vor, dass ich das noch einmal mach, noch einmal jemanden einlade, weil es schon wichtig ist. Ja, genau, das ist einfach ein Problem [mit den türkischen Frauen]. Es muss dann jemand mitgehen, der irgendwie auf sie aufpasst. Das ist nicht immer so leicht, dass dann wer Zeit hat. So irgendwie haben sie mir das erklärt. Also irgendeine andere Frau, eine Schwiegermutter, oder so. Und ich glaub auch, die wollen das auch überhaupt nicht so gern. Haben dann auch immer gleich Angst, dass das was kostet, und nein, das wär nicht wirklich sinnvoll. (…) Aber die anderen wollten das schon gern machen. Das ist halt das Problem, wenn zwei nicht dürfen, dann hat das nicht so viel Sinn, weil es sind nur sechs. Aber so das Interesse von den anderen war schon groß (KL_5).
KL_5 berichtete von diesem und einem anderen, sehr drastischen Fall auch in der
Gruppendiskussion (siehe Kapitel 6.2.4).
In den allermeisten Fällen gestalteten sich die Exkursionen aber problemlos und die KT nahmen
gerne teil. Folgende Exkursionsziele wurden genannt: Bibliothek, Bezirksamt, Schloss Schönbrunn,
Kaffeehaus, Hofburg, Sissymuseum, Innenstadt, Beratungsstelle, UNO-City, Lainzer Tiergarten,
Rathaus, Parlament, Ringstraße, Christkindlmarkt, Bezirksmuseum, Christkindlmarkt und KHM.
Eine KL hat mit ihren KT Vanillekipferl gebacken.
Außerdem wurden ReferentInnen der Elternfortbildung und vom Verein Selbstlaut sowie eine
Psychologin, eine Ernährungsberaterin und mehrfach ÄrztInnen in die Kurse eingeladen.
Bemängelt wird in diesem Kontext erneut79 die mangelnde Vernetztheit zwischen den KL, die auch
einen Austausch von Exkursionserfahrungen ermöglichen würde. Außerdem genannt wurden
Probleme mit dem Exkursionsbudget, da die KL über die Regelungen bezüglich Verwendbarkeit
und Verfügbarkeit, die wiederum bei den verschiedenen KTr unterschiedlich waren, zu wenig
Informationen hatten, sodass machen KL ganz ohne Exkursionsbudget auskommen mussten.
Scheinbar gab es auch KL, die nichts von der Existenz dieses Budgets wussten.
Heterogenität
Hinsichtlich der Heterogenität in den Kursen herrscht bei den KL geteilte Meinung: Zwar geben
alle an, mehr oder weniger stark heterogene Gruppen zu unterrichten, doch empfinden dies nur etwa
die Hälfte der KL als problematisch und schwierig, während die anderen KL die Heterogenität in
den Kursen als nicht störend und teilweise sogar als hilfreich bezeichnen.
79 Siehe Kommunikation mit DirektorInnen/KursträgerInnen
178
Die vielen unterschiedlichen Antworten auf die Frage nach dem Umgang mit der Heterogenität in
den Kursen lassen eine Differenzierung zwischen zielsprachlicher und herkunftsbezogenener
Heterogenität sinnvoll erscheinen. Hierbei bezeichnet der Ausdruck "zielsprachliche Heterogenität"
die unterschiedlichen Niveaus in der Zielsprache Deutsch, während der Begriff "herkunftsbezogene
Heterogenität" die verschiedenen Erstsprachen, Nationalitäten und Herkunftskulturen beinhaltet:
Die KT unterscheiden sich eher nicht nur bezüglich ihres zielsprachlichen Niveaus (in Deutsch),
sondern auch hinsichtlich ihrer Erstsprache sowie ihres Herkunftslandes bzw. ihrer Herkunftskultur
(herkunftsbezogene Heterogenität).
Letztere hat offenbar einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das soziale Geschehen in Kurs,
sodass viele KL von räumlicher und sozialer Distanziertheit der KT erzählen, die einerseits in
herkunftsbezogenen Gruppierungen resultiert und sich andererseits im Spannungen zwischen den
KT verschiedener Herkunft zeigt:
Die serbokroatischen Frauen haben manchmal die Augen verdreht, wenn die türkischen Frauen eine Phrase nach dem dritten Mal immer noch nicht gekonnt haben (KL_13).
Eine KL, deren Gruppe bis auf eine KT aus türkischsprachigen KT besteht, beklagt die beinahe
einsprachig türkische Kurssituation, weil zum Einen die einzige anderssprachige KT immer wieder
ausgeschlossen ist und die herkunftsbezogene Homogenität zum anderen eine große Hemmschwelle
für die türkischsprachigen KT bedeutet:
In Pausenzeiten red ich mit der Ukrainerin viel, sie ist schon immer wieder ausgeschlossen. Wobei die Frauen schon sehr umgänglich sind und versuchen, das dann kurz zu übersetzen, was sie jetzt gesprochen haben, mir und der Ukranierin gegenüber. Aber trotzdem ist das eine eigene Dynamik. (…) Ich versuch sie jetzt nicht irgendwie zu ermahnen oder so, weil ich denk mir, es geht einfach um eine positive Lernerfahrung, aber sie trauen sich sehr wenig, also dieser Schritt, etwas auf Deutsch zu formulieren, ist glaub ich dann viel schwieriger, wenn alle rundherum Türkisch sprechen. Wenn sie Dinge auf Deutsch sprechen sollten, murmeln sie's oft auf Türkisch und dann sagen sie's erst auf Deutsch. Also so eine Hemmschwelle (KL_2).
Es lässt sich des Weiteren aus Sicht der KL eine Diskrepanz zwischen türkischsprachigen und
anderssprachigen KT hinsichtlich der zielsprachlichen Kenntnisse feststellen, denn besonders die
türkischsprachigen KT schneiden laut den KL im Vergleich zu anderssprachigen KT schlechter ab.
Diese Diskrepanz, die uns insgesamt hauptsächlich zwischen türkischsprachigen und
arabischsprachigen KT berichtet wurde, lässt sich einerseits mit den Teilnehmerinnenzahlen
erklären (Arabischsprachige KT sind nach türkischsprachigen KT die zweitstärkste Gruppe), und
andererseits damit, dass es große Unterschiede bezüglich der sozialen Herkunft und somit auch des
Bildungshintergrundes zwischen speziell den türkischsprachigen und arabischsprachigen KT gibt.
Dieses Ergebnis korrespondiert mit den Studien von Rohrer (1983)80 zur Benachteiligung
80 Siehe Kapitel 2.2.1.
179
insbesondere türkischer Frauen im Bildungssystems sowie mit Brizić (2007) und Peltzer-Karpf et
al. (2003), die das Abschneiden von aus der Türkei stammenden SchülerInnen in der Volksschule
untersuchten.
Als problematisch können sich mitunter Situationen gestalten, in denen sowohl die zielsprachliche,
als auch die herkunftsbezogene Heterogenität eine Rolle spielen: Beispielsweise können sich
PartnerInnenarbeiten als schwierig herausstellen, wenn die KL, wie folgendes Zitat beschreibt, die
KT vermischen will:
Es gibt zwei Gruppen, die arabische und die türkische. Es gab eine Dame aus Pakistan, (...) die hatte kein Problem, mit beiden Seiten nicht, aber sonst, ja, gibt's die eher schwachen türkischen Frauen und die stärkeren arabischen Frauen. (...) Ich versuche diese Durchmischung insofern zu fördern als ich ab und zu Partnerarbeit mache und dann sag, es muss immer eine ägyptische Frau mit einer türkischen Frau zusammenarbeiten. Da sind sie nicht ganz begeistert, muss ich ganz ehrlich sagen, weil die türkischen Frauen ein bisschen Angst haben, dass sie dann gar nichts können, weil so helfen sie sich untereinander, so geht das nicht, und die arabischen Frauen dann vielleicht das Gefühl haben: "Naja, wir müssen eigentlich nur die unterstützen." Sie sind dann eher so die Mentoren, ja. Aber trotz alledem mach ichs immer wieder (KL_8).
Als Hauptursache für das schlechtere Abschneiden der türkischsprachigen KT wird deren
Bildungsferne genannt. Diese Behauptung wird insofern durch die Ergebnisse aus den KT-
Interviews gestützt, als die Hälfte der interviewten türkischen Mütter mit fünf Jahren
Schulbesuchsdauer im Herkunftsland die niedrigste Schulausbildung angibt (nur eine thailändische
Frau hat mit 4 Jahren die Schule noch kürzer besucht).
Des Weiteren machen die KL die fehlende Motivation der türkischsprachigen KT, im Unterricht
mitzuarbeiten und zuhause Aufgaben zu machen, sowie das geringe (oder nicht vorhandene) Maß
an Kontakten mit deutschsprachigen Personen für das schlechtere sprachliche Abschneiden
verantwortlich:
Bei den türkischen Frauen (...) [ist es so], dass die halt sehr schwach sind beim Lernen. Da sie auch zuhause nicht was tun. Bei den arabischen Frauen ist es so, dass sie mehr zuhause tun und viel mehr wissen wollen als die türkischen Frauen. Die arabischen Frauen nehmen sich die Zeit, aber bei den türkischen ist das nicht so. Ich hab das Gefühl, dass denen das irgendwie wurscht ist. (...) Die meisten [arabischen KT] bei mir in der Klasse haben ja Uni absolviert sozusagen. Und bei den türkischen Frauen ist es so, das höchste Niveau ist Hauptschulabschluss. (...) In der Stunde tun sie schon mitarbeiten, aber wenn's darum geht, dass sie zuhause sich das noch einmal wiederholen sollen oder durchlesen sollen (...), dann ist es wieder weg irgendwie. Haben sie's vergessen (KL_9).
Ich würd so sagen: Man kann die Gruppe sicherlich teilen: die eine Gruppe, die sehr eifrig ist, die auch fast immer kommen, wo man natürlich dann schon Fortschritte sieht, die andere Gruppe sind eher die türkischstämmigen Frauen, die das ja, vielleicht ein bisschen lockerer sehen, daher auch nicht so häufig da sind, nicht so eifrig zuhause sind, nicht so viel üben, wo man, würd ich mal sagen, nicht so viele Fortschritte erkennen kann. Ich mein, sie sind schon bemüht natürlich, aber sie sehen nicht, dass man dazu auch etwas tun muss, dass man sich zuhause hinsetzen muss, dass man etwas üben muss, und dadurch ist der Fortschritt nicht so sehr erkennbar. Bei den arabischen Frauen ist es ganz das Gegenteil, also die sind sehr viel eifriger. (…) Das hängt von der Schulbildung ab. Das sind alles Hausfrauen, die alle sehr viel zu tun haben zuhause, die alle eine große Familie haben, und es hängt einfach vom Hintergrund ab. Dass die türkischen Frauen einfach eine sehr einfache Schulbildung haben (...). Und die arabischen Frauen, was ich so gehört habe,
180
haben alle fast Universitätsausbildung, die Schulbildung geht bei denen bis 22, glaub ich, fast, und dadurch sind sie einfach lerngewohnter (KL_8). Die Serbokroatisch-Bosnischen Frauen sind einfach viel, viel mehr mit anderen Leuten, also mit Leuten deutscher Muttersprache in Kontakt. Die haben mehr geredet. Die türkischen Frauen tun das nicht. Also laut ihren Auskünften, reden die mit niemandem. Also die haben einfach niemandem, mit dem sie reden können (KL_13).
Als Ursachen für diesen Umstand können wiederum Bildungsferne, Zeitprobleme sowie familiäre
Belastungen genannt werden, wobei betont werden muss, dass die Ursachen nur durch gezielte
Untersuchungen erforschbar sind, die im Kontext dieser Studie nicht geleistet wurden.
Während ein Teil der KL den Umgang mit der vorhandenen Heterogenität als schwierig und
anstrengend bezeichnet, empfindet ihn der andere als problemlos und teilweise befruchtend.
Lediglich zwei KL meinen in ihren Kursen wenig bis keine zielsprachliche Heterogenität
vorzufinden:
Ich muss sagen, ich hab Glück gehabt, es ist ein Sprung ins kalte Wasser, man weiß nicht, ob da jetzt welche dabei sind, die kein Wort verstehen und welche, die sehr gut sind, also es gab schon Heterogenität und gibt´s auch heute noch, aber die hält sich sozusagen in Grenzen. Das heißt, ich hab sofort loslegen können mit normalen Kursinhalten, ohne jetzt so Rücksicht auf irgendjemanden nehmen zu müssen, der Analphabet ist oder so was. Also das gibts bei uns nicht. Alle haben schon einen gewissen, wenn auch kleinen Wortschatz gehabt, also die waren alle sehr aufbaufähig. Und natürlich gibts auch andere, wie X [Name der KT], die schon mehrere Deutschkurse gemacht hat (KL_4).
Diese eher unreflektierte Einschätzung könnte mit der genannten DaF/ DaZ-Ausbildung, die in
unseren Augen als mangelhaft zu bezeichnen ist, zusammenhängen.
Eine andere KL, deren Gruppe ab ca. März nur noch aus zwei KT besteht, berichtet von ihren
Schwierigkeiten mit zielsprachlicher Heterogenität: Die beiden KT sind, was ihre
Deutschkenntnisse betrifft, sehr heterogen, weshalb sie teilweise für jede den Unterricht einzeln
vorbereiten müsse:
Also ich denk mir, am Anfang war's eine Bereicherung, eine große, wenn's neun Personen waren, (...) als die Gruppe dann nur noch aus zwei Personen bestanden hat, hab ich's eher als Herausforderung, um nicht zu sagen Belastung empfunden (…). Das hab ich dann nicht mehr so als Bereicherung empfunden, sondern wo ich mir meistens gedacht hab, wie bring ich das entweder thematisch unter einen Hut oder wie mach ich mir irgendwie die Mühe, dass ich das zweimal extra vorbereit. (...) Das hab ich dann nicht mehr als Bereicherung empfunden, aber es war auch damit umzugehen irgendwie" (KL_3).
Viele KL scheinen jedoch sowohl die zielsprachliche als auch die herkunftsbezogene Heterogenität
als Vorteil zu empfinden, sodass einige KL davon erzählen, die Heterogenität nützen zu können,
indem sie beispielsweise bei Gruppenarbeiten die fortgeschrittenen mit den weniger
fortgeschrittenen KT zusammenarbeiten lassen:
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Nein, das [die Heterogenität] hält mich nicht auf, weil ich das so mache, dass ich sehr viel Gruppenarbeit mache und dass ich da viel mische und dass dann die arabischen Frauen wirklich denen das auch erklären und mithelfen sozusagen. (…) Ich mische es auch so, dass die Besseren, also die arabischen Frauen, die besser Deutsch können, dass die mit den schwächeren türkischen Frauen arbeiten, zusammenarbeiten (KL_9).
Eine weitere KL, die angibt, zwei fortgeschrittene und drei weniger fortgeschrittene KT in ihrer
Gruppe zu haben, erzählt Ähnliches:
Das kann eigentlich eine große Hürde sein, hier nicht, weil sie [die fortgeschrittenen KT] sehr freundlich sind und sehr kooperativ sind. Und weil ich sie eigentlich auch sehr oft als Lehrerinnen eingesetzt hab, sodass sie etwas erklärt haben, dass sie zum Beispiel in Rollenspielen die stärkeren Positionen übernehmen mussten und je nachdem, ja. Sie haben auch eine Persönlichkeitsstruktur, dass ihnen das überhaupt nichts ausmacht und sie einfach nicht überheblich waren (KL_12).
Ein entscheidender Faktor für diejenigen KL, die die zielsprachliche Heterogenität als positiv
beurteilten, war die geringe Anzahl der KT. Eine KL antwortet auf die Frage, wie sie mit der in
ihrem Kurs vorhandenen Heterogenität umgegangen sei, folgendermaßen:
Einfach indem ich ein bisschen differenziert hab. (...) Ich hab zwei Albanisch sprechende Mütter drin, die eine kann's schon halbwegs und die andere war Beginnerin. So, und die zwei hab ich nebeneinander gesetzt. Und die eine hat der anderen immer geholfen. Ich hab einfach gesehen, wer schneller, selbstständiger arbeiten kann, den hab ich mal alleine probieren lassen, währenddessen hab ich den anderen noch Wort für Wort erklärt oder irgendwie so sie halt unterstützt, und bin dann wieder zu denen, die schon alleine gearbeitet haben; hab ich geschaut, wie weit sind die gekommen, wo hängen die. Dass ich einfach so hin und her geswitcht bin. Aber bei so einer kleinen Gruppe, wir waren zu Anfang 10, 11 und jetzt sind wir zu sechst, ist das wirklich kein Problem, da kann man so gut differenzieren (KL_11).
Eine ähnliche Antwort bekamen wir von dieser KL auf die Frage nach dem Umgang mit
Heterogenität:
Muss man halt eine innere Differenzierung anwenden. Also es ist so eine kleine Gruppe, da geht das total leicht. Man braucht schon eine Zeit, bis man die kennen lernt und so und ich weiß jetzt genau eigentlich die Schwächen und ich weiß auch eigentlich ganz gut, wie/ wo die Schwächen liegen, was sie nicht so gut können. Zum Beispiel es gibt einige, die überfordert einfach Grammatik, das mach ich dann halt bei denen, wo ich weiß, das ist zu schwer, da mach ich das ein bisschen einfacher für die. Das geht recht gut mit nur sechs KT eigentlich. Funktioniert super (KL_5).
Eine weitere KL, die angibt, die sprachliche, i.e. herkunftsbezogene Heterogenität der KT als
Vorteil zu empfinden, begründet dies damit, dass sich die türkischen KT gegenseitig Dinge erklären
könnten und die makedonische KT ebenfalls Türkisch verstehe. Dass es sich in diesem Fall jedoch
eher um sprachliche Homogenität, als um Heterogenität handelt, scheint der KL nicht bewusst zu
sein.
Die Einführung von Einstufungsprüfungen, um zu großer zielsprachlicher Heterogenität entgegen
zu wirken, halten die meisten KL jedoch nicht für sinnvoll, sie würden sich aber zur besseren
Vorbereitung mehr Informationen über die KT vor Beginn der Kurse wünschen.
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Die vielen verschiedenen Positionen bezüglich zielsprachlicher und herkunftsbezogenener
Heterogenität in den "Mama lernt Deutsch"-Kursen machen die didaktischen und methodischen
Herausforderungen an die KL deutlich. Dass auch KL, die bereits über eine gute und fundierte
Ausbildung oder lange Unterrichtserfahrung verfügen, die Heterogenität als problematisch und
schwierig bezeichnen, beweist die Komplexität des Umgangs damit.
Um die Problematik – auch bezüglich der herkunftsbezogenen Differenzen – in den folgenden
Kursen zu verringern, erscheint uns eine entsprechende Vorbereitung auf die spezielle
Unterrichtssituation bei "Mama lernt Deutsch" – auch in Form von etwa interkultureller Mediation
– für alle KL als notwendig.
Organisation und Rahmenbedingungen
Bezahlung
Eine adäquate Unterrichtsvorbereitung und -nachbereitung beinhaltet unter anderem Koordination
und Kommunikation mit dem/ der KTr, Materialbeschaffung und -aufbereitung,
Informationsaustausch, Kurs- und Exkursionsorganisation etc. und benötigt entsprechend viel Zeit.
Die Tatsache, dass weder Vor-, noch Nachbereitung entgolten wird, was gerade bei einem Kurs mit
erschwerten Rahmenbedingungen wie "Mama lernt Deutsch", angebracht wäre, bezeichnen manche
KL als unprofessionell . Denn verglichen mit dem Zeitaufwand der KL falle ihre Bezahlung zu
gering aus (das gleiche Ergebnis förderte auch die quantitative Studie sowie die Gruppendiskussion
zu Tage, vgl Kapitel 6.1.2.1 und 6.2.4). Festgestellt wird auch, dass die Bezahlung je nach KTr
variiert.
Kinderbetreuung
Die Kinderbetreuung scheint in den meisten Fällen gut funktioniert zu haben, mehrmals gab es
Probleme mit Kindern, die nicht in die Kinderbetreuung gehen wollten, und dann im Kurs störten,
wie folgende zwei Zitate zeigen:
(…) weil wir teilweise Kinder hatten, die hier waren, das war noch vor einem halben Jahr, da waren sie noch zu klein, um hinüber zu gehen zur Kinderbetreuerin, und die Kinder waren relativ wild. Also das war vielleicht schon ein Problem auch, da hätte ich vielleicht auch früher eingreifen müssen. Allerdings hätte ich eingegriffen, wäre die Mutter dann nicht mehr gekommen, weil sie natürlich das Kind hätte zuhause lassen müssen. (...) Beim nächsten Mal müsste man abfragen, wie alt die Kinder sind, weil wir haben da echt alles gehabt von einem halben Jahr bis 10 (…) Es wär auch gut, Spielzeug vielleicht mitzugeben, weil manche Volksschulen da etwas happig sind, bei uns gottseidank nicht (KL_7). Die Kinderbetreuung hat im Prinzip gut funktioniert, wir haben halt Kinder, die in der Gruppe bleiben, und ja, es funktioniert. (...) Wir haben im Prinzip den Kleinen von der X im Kurs gehabt, der sowieso total ruhig ist, aber sich von seiner Mama überhaupt nicht weg traut, und die XX, die eben total
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resolut ist und da gibt's halt Tage, wo die XX einen riesen Radau macht, und sich auch nicht irgendwie anders ablenken lässt, aber, ich mein, dann helfen wir alle irgendwie zusammen. (...) Ich hab im Prinzip kein Problem damit, wenn die Kinder herumwuseln, es ist schwierig, wenn die Teilnehmerinnen größtenteils keine Kinder haben, (...) weil ich mir denk, gut, wenn sie sich dann gestört fühlen, die haben keine Kinder mit, nur eine hat ein Kind und das macht dann an riesen Radau, dann ist es schwierig. Wenn alle Kinder haben und alle Kinder machen an Radau, dann ist es a wurscht, und ich sag ihnen dann halt immer "Heats, das is eure Lebensrealität. Ihr müssts Hörtexte/ ihr müssts auch telefonieren können, wenn die Kinder daneben schreien, weil die Kinder schreien immer, wenn man telefoniert, egal wie alt sie sind. (...) Also es ist so: Für mich ist es kein Problem, ich bin mir nicht sicher, ob es nicht teilweise für die Teilnehmerinnen ein Problem ist (KL_1).
Eine KL hält es für wichtig, die Kinderbetreuung möglichst weit weg vom eigentlichen Kursraum
abzuhalten. Sie begründet dies folgendermaßen:
Mir war wichtig, dass die Kinder und Mütter wirklich weit auseinander sind, weil ich das Gefühl habe, wir machen eine Pause, und in der Pause gehen einige der Mütter zu den Kindern, oder auch nicht, aber es gibt die Möglichkeit prinzipiell dazu, und was ich auf keinen Fall wollte, dass die Kinder wissen, die Mutter ist ums Eck, und sie können jederzeit reinkommen. Weil ich glaub, das hab ich mitbekommen, dass diese Mütter ununterbrochen für die Familie, für die Kinder da sind, es gibt sonst nichts, und sie sind so froh, das einmal nicht zu haben. Und das kam auch/ weil ich gesagt habe, da geht's um mehr, das kam auch manchmal, dass sie einfach/ manche sind da, weil sie endlich einmal aufhören, an ihre Probleme zu denken, und derer gibt es viele (…) (KL_13).
Andere KL kritisieren die unpassenden Räume für die Kinderbetreuung, aber auch die
KinderbetreuerInnen selbst:
Erstens waren die Kinderbetreuerinnen nicht ausgebildet, haben die Kinder nicht unterhalten können, konnten mit den Kindern nicht spielen. Ich hab eine Kinderbetreuerin gehabt, die eingeschlafen ist. Da waren drei kleine und drei große Kinder, zwischen 6-9 Jahren (…). Deswegen sag ich, dass die Kinderbetreuerinnen wirklich ausgesucht gehören (…) und dass sie Deutsch können müssen (…). Die Kinderbetreuerin hat gekündigt, dann hab ich warten müssen, bis eine Kinderbetreuerin kommt und dann sind die Kinder in der Klasse gewesen oder die Kinderbetreuerinnen können auf die Kinder nicht aufpassen und tun halt die Kinder in meine Klasse, die kleinen Kinder und die geben keine Ruhe, die Mütter können sich nicht konzentrieren, also solche Fälle hab ich schon gehabt, aber nicht hier, in einem anderen Kurs. Das wär mein größtes Anliegen. Weil wenn die Kinderbetreuung nicht klappt, klappt auch nicht/ also ich hatte eine Mutter, die gewusst hat von der anderen Mutter, dass die Kinderbetreuerin schlecht ist, dass sie sich nicht um die Kinder kümmert und wenn sie die Kinder zuhause gehabt hat, ist sie nicht gekommen. Dieses Problem hatte ich auch. Weil sie der Kinderbetreuerin nicht vertraut hat (KL_9).
Kommunikation mit den DirektorInnen und KursträgerI nnen
Während die Kommunikation mit der Direktorin/ dem Direktor in allen Fällen sehr gut funktioniert
hat (lediglich eine KL berichtet von anfänglichen Schwierigkeiten mit der Direktorin), scheint die
Kommunikation mit dem/ der KursträgerIn zumindest in zwei Fällen nicht optimal gelaufen zu sein.
Eine KL beklagt, keine/n AnsprechpartnerIn gehabt zu haben und auch keine Informationen von der
KursträgerInnenorganisation bekommen zu haben:
Es kommt kein Input von dort, es wird Info eingesaugt und verteilt, aber es kommt überhaupt nix vom Kursträger (KL_1).
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Einige KL berichten von der schlechten (telefonischen) Erreichbarkeit der KursträgerInnen, und
mehrfach wurde die mangelhafte Vernetzung der Kursleiterinnen beklagt sowie mehr
Kommunikation zwischen den Kursleiterinnen gefordert.
Kosten
Das Einheben der Kurskosten war für manche Kursleiterinnen nicht nur unangenehm, sondern auch
organisatorisch aufwändig, da der Betrag in mehreren Raten bezahlt werden konnte und die KL das
eingesammelte Geld zum/ zur KursträgerIn bringen mussten. Auch diejenigen KL, denen das
Eintreiben nicht unangenehm war, empfanden das Geldeintreiben dennoch als unbezahlte
Zusatzarbeit, für die sie nicht zuständig sein sollten.
Um das Hantieren mit dem vielen Bargeld zu vermeiden, schlagen einige KL ein Erlagscheinsystem
vor, eine KL hält dem jedoch entgegen, dass es nicht sinnvoll sei, Personen mit schlechten
Deutschkenntnissen Erlagscheine zu geben, und dass zum anderen das Vertrauen in die Banken
nicht vorhanden sei.
Problematisch gestaltet sich die Bezahlung im Kurs auch dann, wenn – wie eine KL erzählt – das
Verhältnis zur KL ausgenützt wird, um den Kursbeitrag nicht (vollständig) zu bezahlen, und so
manche die zweite Rate schuldig bleiben.
Unklar bleiben den KL die Regelungen bezüglich finanzieller Härtefälle: Während manche KL von
Fällen erzählen, bei denen die Kosten übernommen wurden, berichten andere, dass von Seiten der
MA 17 nicht reagiert wurde81.
Als irreführend kann die Information bezeichnet werden, nach der pro Halbjahr 75 Euro zu
bezahlen sind, da die Kurse de facto nicht 6 Monate, sondern ein Schulsemester lang dauern.
Materialien
Die Mehrzahl der KL war mit den von den KursträgerInnenorganisationen zur Verfügung gestellten
Materialien nicht zufrieden, sie beklagten, dass es zu wenig Materialien und Informationen gab, das
Material nicht brauchbar war und sie beinahe das gesamte Material selbst besorgen, oft auch kaufen
mussten. Mehrfach wurde der Wunsch nach einer Material- und Informationssammlung in den
Kursträgerorganisationen genannt.
81 Hierbei scheint der Informationsfluss zwischen den Beteiligten nicht funktioniert zu haben, da die Handhabung finanzieller Härtefälle laut MA 17 klar geregelt ist.
185
Einige KL gaben an, durch ihre langjährige Erfahrung selbst über genügend Materialien für die
Unterrichtsgestaltung zu verfügen.
Organisation
Probleme die Organisation betreffend gab es etwa bei der Hälfte der KL, häufig genannt werden
unpassendes Mobiliar, wechselnde Räumlichkeiten, keine Kopiermöglichkeiten sowie großer
organisatorischer Aufwand für die Kursvor- und -nachbereitung (Materialbeschaffung,
Aufarbeitung, Vorbereitung der konkreten Unterrichtssituation, Organisation von Exkursionen u.ä.,
Unterrichtsnachbereitung).
Mehrere KL bemängeln die fehlende Implementierung in den Schulalltag einerseits in der Form,
dass die KL, die in den meisten Fällen von außen kommen, als eine Art Fremdkörper in der Schule
wahrgenommen werden und andererseits, dass auch die Kurse an sich wenig in den Schulalltag
eingebunden sind.
Auch die insgesamt schwierigen Rahmenbedingungen bei "Mama lernt Deutsch" sind ein häufiger
Kritikpunkt, wie folgende KL schildert:
Das Schwierigste ist für mich dieser hoher Anspruch an den Kurs und dass aber die Rahmenbedingungen nicht sehr einfach sind. Also sowohl von der Schule her – die Schule hier ist sehr, sehr bemüht, also ich hab da im Vergleich zu Kolleginnen, dass es noch einmal schwieriger ist – aber es ist trotzdem so, dass zum Beispiel der Kopierer ganz selten frei, oder/ man steht ein bisschen im Weg. Auch mit dem Kurträger, diese Dinge, also zum Beispiel das Entwickeln von Exkursionen bräuchte sehr viel Zeit zusätzlich, ist aber nicht budgetiert worden, in Arbeitszeit oder so, das macht es irgendwie schwierig, ja? (KL_2).
Eine KL, die zuvor ein paar organisatorische Kritikpunkte genannt hat, meint dann, es sei insgesamt
in Ordnung, denn "es gibt Schlimmeres, was ich gehört hab" (KL_5).
Werbung
Die Mehrzahl der KL war nicht in die Bewerbung der "Mama lernt Deutsch"-Kurse involviert.
Manche KL bemängeln den Folder der MA 17, da er wie eine KL meinte "furchtbar schlecht"
gemacht und für die Zielgruppe ungeeignet sei, außerdem stimmten die darin enthaltenen
Informationen beispielsweise bezüglich den Alphabetisierungskursen nicht.
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Zweisprachige Kontaktperson
Den Einsatz von zweisprachigen Kontaktpersonen für die jeweiligen Sprachgruppen fände etwa die
Hälfte der befragten KL sinnvoll:
Das wäre auf jeden Fall fein, weil man ja mit Anfängerinnen zu tun hat und es gibt doch immer wieder organisatorische Fragen, beziehungsweise ich denk mir, dieses Curriculum macht dann noch einmal mehr Sinn, wenn man mit den KT genau abklären kann, was sie gerne hätten, damit das nicht so bevormundend ist (KL_2).
Zum Teil könnten vielleicht die an den Schulen unterrichtenden Muttersprachlichen LehrerInnen
diese Aufgabe übernehmen.
Varietäten
Die sprachliche Alltagsrealität in Wien ist oft stark dialektal, beziehungsweise umgangssprachlich
geprägt. Unsere Frage nach der Thematisierung von Dialekt(en) und Wiener Umgangssprache zielte
darauf ab, zu erfahren, ob die Kurse angemessen auf die sprachliche Realität außerhalb der Kurse
vorbereiten. Eher überraschend fielen die Antworten aus: Lediglich zwei der befragten 13 KL
erklärten, die Thematisierung von Dialekt(en) und Umgangssprache für wichtig zu halten. Die
anderen 11 gaben an, dies selten oder gar nicht zu thematisieren, entweder da sie es nicht für
wichtig bzw. sinnvoll hielten, oder da sie der Meinung seien, die KT würden Umgangssprache bzw.
Dialekt(e) automatisch lernen:
Wenn ich jetzt noch Dialektsachen reinbringe, dann verstehen sie vielleicht den Hausmeister in ihrer Wohnanlage besser, aber sie verstehen die Nachrichten im Radio oder Fernsehen deswegen nicht besser, sie können die Schulbücher ihrer Kinder deswegen nicht besser lesen oder die Mitteilungen der Lehrer, es versteht ja auch jeder Wiener Hochdeutsch oder Schriftdeutsch. Sie lernen das Wienerische so en passent sowieso. Aber ich würde es nicht für sinnvoll halten, hier in Wienerisch zu unterrichten (KL_11). Dass sie Österreichisches Deutsch lernen ist mir eigentlich nicht so wichtig, ich denk` mir, das kommt automatisch, sobald die deutsch können, verstehen sie irgendwie automatisch Österreichisches Deutsch, wenn sie halt kommunizieren (KL_6).
Während manche KL eher unreflektiert mit diesem Thema umgehen:
[Ich thematisiere Dialekt] eher ein bissi unbewusst, also wir haben so Hörübungen gemacht und da waren Dialoge im "Wiener Deutsch". Aber das Witzige ist, manchmal verstehen sie das besser als Schriftdeutsch, weil sie`s ja auch immer hören (KL_4),
haben andere diesbezüglich genaue Vorstellungen, wie etwa eine KL, die meint, für sie sei es
umgekehrt: Sie unterrichte zuerst Umgangssprache und Dialekt(e), und erst dann Standardsprache.
Dieses Differenzieren und Standardsprache ist so ein hoher Ansatz, und ich denk`mir, viel wichtiger ist es, dass sie Alltagssprache verwenden können. Und wenn`s wirklich einmal so weit kommen, dann ist es natürlich auch wichtig, Standardsprache zu verwenden, aber es ist für mich jetzt nicht das erste vorrangige Ziel (KL_2).
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Von den jeweiligen KTr scheint es keine Vorgaben hinsichtlich der Verwendung und
Thematisierung von Umgangssprache und Dialekt(en) gegeben haben. Lediglich eine KL gibt an,
dass ihr/e KTr Wert darauf lege.
Deutlich mehr als die Hälfte der KL (10 von 13) gibt an, "Hochdeutsch"82 als Unterrichtssprache zu
verwenden, allerdings kann bei manchen vermutet werden, dass sie so wie die restlichen KL
eigentlich österreichische Umgangssprache als Unterrichtssprache verwenden.
Mitunter treten auch widersprüchliche Aussagen auf, wie die folgenden zwei Beispiele zeigen: Eine
KL, die davor angibt, die Thematisierung von Dialekt(en) und Umgangssprache als wichtig zu
empfinden, bezeichnet dennoch ihre eigene Unterrichtssprache als "Schriftdeutsch", wobei sie sich
bemühe, "alles auszusprechen". Ähnlich eine andere KL, die anfänglich meint, nur sehr wenig
Dialekt in den Unterricht einbezogen zu haben, dann aber auf unser Nachfragen erklärt, sie halte die
Thematisierung von Dialekt für wichtig, da es der Alltagsrealität der KT entspreche. Schließlich
erklärt sie aber, zuerst Hochsprache und erst später Dialekt(e) zu behandeln:
Weil mir wichtig ist, dass sie Hochdeutsch lernen. Also dass sie einmal Hochdeutsch verstehen und dann erst/ dass Dialekt wir irgendwie im Unterricht dann auch haben (KL_9).
Reflektiert wirken im Gegensatz dazu die Aussagen zweier anderer KL, die zuerst die Wichtigkeit
von Dialekt(en) und Umgangssprache im Unterricht betonen und dann auf die Frage nach ihrer
Unterrichtssprache folgerichtig erklären, im Unterricht so wie immer, also mitunter dialektal,
umgangssprachlich und in normaler Sprechgeschwindigkeit zu sprechen:
Ich hab` mich jetzt zum Beispiel bei meiner eigener Sprache nicht sehr bemüht, oder hab` mit authentischen Texten gearbeitet, weil ich das Gefühl hab`, das Wichtigste ist, dass sie jetzt einmal das Deutsch der Umgebung verstehen (KL_2)83.
Also ich bemüh` mich immer, eher ein bisschen langsamer und deutlicher zu sprechen, aber ich verfall` immer sehr schnell in eine normale Sprechgeschwindigkeit. (...) Umgangssprachlich, so wie ich normalerweise auch sprech`. (...) Also es ist auch immer etwas, das die KT am Anfang immer sehr schreckt. (...) Aber ich denk`, das bringt auch nix, super Hochdeutsch und super langsam, sie sollen ja das verstehen können, was ich auch ganz normal mit ihnen reden würd`. Und ich versuch` eben sehr viel mit Händen und Füßen zu reden, also ich versuch`, das möglichst anschaulich zu gestalten, aber im Prinzip ganz normal zu sprechen. Bisschen langsamer. Aber wenn ich dann ins Erzählen komme, wird`s wieder schneller (KL_1).
Andere Varietäten des deutschen Sprachraumes etwa in Form von Vergleichen oder als Beispiele
scheinen selten oder gar nicht im Unterricht vorgekommen sein: Nur wenige KL geben an, die
82 Zwei der neun KL verwenden den Ausdruck "Schriftsprache" und eine KL bezeichnet ihre Unterrichtssprache als österreichische Standardsprache, dennoch kann davon ausgegangen werden, dass alle dasselbe, nämlich "Hochdeutsch" meinen. Wenngleich der Begriff "Hochdeutsch" in der Linguistik vom Konzept der Standardsprachen, die je nach Varietät differieren, abgelöst wurde, wird er hier dennoch verwendet. 83 Die KL spricht dialektal gefärbt.
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Bundesdeutsche und weniger oft auch die Schweizer Varietät bei Gelegenheit thematisiert zu
haben. Als Gründe dafür werden das (angeblich) niedrige sprachliche Niveau und die fehlende
Relevanz für die KT genannt.
Eine KL antwortet auf die Frage, ob sie die Unterschiede thematisiert folgendermaßen:
Überhaupt nicht, nein. Aber auch deswegen, weil wir einfach nicht auf diesem Niveau kommunizieren können. Also es ist für sie komplett wurscht, ob das jetzt eine Topfengolatsche ist oder eine Quarktasche, weil wir im Moment noch bei "das ist eine" sind (KL_7).
Gesamteinschätzung
Die Gesamteinschätzung, um die wir die KL zu Beginn der Interviews baten, fällt fast durchgängig
positiv aus, lediglich eine KL erzählt von negativen Erfahrungen am Beginn ihres Kurses:
Das war sehr unterschiedlich. Also, ich hab den Kurs gestartet wie andere Deutschkurse auch, natürlich hab ich gewusst, dass das schon ein spezieller Kurs ist, aber ich hab mir gedacht, dass das, was ich mitbringe, weil ich schon jahrelang DaZ mache, das ist eh das, was ich in etwa sowieso mache in anderen Instituten, außer, dass das Curriculum anders ist, außer, dass das Material halt anderes ist. Und bin dann drauf gekommen mit der Zeit, also ich hab im Lauf der sechs Monate einige Höhen und Tiefen durchgemacht, wobei im Winter ich wirklich das Gefühl hatte, dass ich ganz irritiert war, weil ich das Gefühl hatte, da geht jetzt sprachlich so wenig weiter. (...) Wir haben dann einen Zwischenbericht verfassen sollen, und im Laufe dieses Zwischenberichts ist mir aufgefallen, dass dieser Kurs für mich ganz was anderes darstellt, und daher hab ich mich jetzt vom Sprachlichen her/ ich hab mich auf ganz etwas anderes konzentriert, nicht so sehr auf die Progression bezüglich der sprachlichen Weiterentwicklung der Teilnehmerinnen, sondern, hab mir gedacht, das, was sie da mitbekommen von der Sprache her ist eine Sache, ist gut, also manche sehr viel, manche sehr wenig, je nachdem, und für mich/ Ich hab mich dann deshalb total entspannt, weil ich mir gedacht hab, die wollen etwas anderes von uns. Die Mütter wollen schon Deutsch lernen, das ist auch für sie im Vordergrund, aber das, wie sich das wirklich anfühlt im Kurs, da geht's um viele andere Sachen (KL_13).
Die anderen KL empfinden die Kurse jedoch als sehr angenehm, beurteilten sie oft als problemlos
und geben an, gerne bei "Mama lernt Deutsch" zu unterrichten, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Also, die Gruppe ist sehr nett, (…) die Arbeit mit Müttern liegt mir eigentlich sehr, es interessiert mich auch sehr, und ich find, dass es irrsinnig nutzbringend ist, also dass es wirklich sehr viel bringt, und von dem her also bin ich eigentlich sehr glücklich mit dem Kurs (KL_1).
Also, ich find, es hat eigentlich ganz wenig Probleme gegeben in dem Kurs, es war total der angenehme Kurs (KL_5).
Also, ich find, es läuft sehr gut, und ich hab das Gefühl, dass eine sehr große Motivation da ist, also dass die KT sehr gern kommen. (…) Aber sonst ist es eigentlich recht ein lustvolles Unterrichten (KL_2).
Eine sehr schöne Gesamteinschätzung gibt folgende KL, die davon erzählt, mit ihren KL auch
philosophische Gespräche geführt zu haben:
Also zum einen, die zwei Frauen, die kein Wort Deutsch konnten als sie kamen, die haben wirklich große Forschritte gemacht. Zwei konnten schon relativ gut Deutsch, die hätten mehr systematisch an ihrer Grammatik arbeiten müssen, aber das sind Sachen, die sie eher zuhause machen müssen. (...) Es ist so im Ganzen die Atmosphäre gewesen, weil die Frauen auch untereinander versucht haben, zu kommunizieren, in irgendeiner Sprache, die sie gemeinsam haben oder halt auch in Deutsch, sich gegenseitig sehr schön unterstützt haben (...) Aber was schön war, waren Augenblicke, und die sind immer wieder gekommen, wo wir ins Philosophieren gekommen sind und das mit ganz rudimentärer
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Sprache kann man das machen, es ist unglaublich. (…) Und da war so viel Offenheit der Frauen da, und so ein Bemühen, das jetzt auch ausdrücken zu können, weil ihnen das wichtig war, das fand ich toll, also da bin ich wie auf Flügeln nachhause. (…) Aber das waren Momente, die waren wirklich toll, wo ich gemerkt hab, die sind an Kulturvergleich und wie ähnlich wir uns doch alle sind in gewisser Weise, sehr interessiert. Das waren tolle Momente (KL_11).
Als Probleme bei der Kursdurchführung werden vor allem Unpünktlichkeit der KT und Fluktuation
innerhalb der Kurse genannt: Beinahe alle Kurse waren von einer mehr oder weniger großen
Fluktuation der KT betroffen, sodass die Teilnehmerinnenzahlen mitunter sanken (vgl. Kapitel 6.1)
wie folgende KL in ihrer Gesamteinschätzung beschreibt:
Das hat sehr gut angefangen mit 9 KT und die sind recht schnell auseinander gefallen, die Gruppe ist immer kleiner geworden und immer kleiner geworden und ich hab dann immer je nach anwesenden Frauen hab ich mein Programm andauernd umstellen müssen. Das hab ich ein bissl schwierig gefunden, sonst denk ich schon, für die Frauen, die teilgenommen haben, und die meisten waren ungefähr bis zum Februar (...), ich denk schon, dass es für die sinnvoll war, also dass die auch Fortschritte gemacht haben. (...) Insgesamt hab ich einen positiver Eindruck, bis auf die Tatsache halt, dass sich dann viele Frauen verabschiedet haben aus unterschiedlichen Gründen (KL_3).
Einige KL beklagen sich auch darüber, dass manche KT in den Kursen nicht mitarbeiten wollen:
Eigentlich bin ich sehr zufrieden, sicher, es gibt immer wieder Mütter, die nicht wirklich mitarbeiten wollen und die eigentlich nur herkommen, weil sie eben Leute kennen und sich halt unterhalten wollen, und das geht dann eben in ihrer Muttersprache und das ist schon ein Störfaktor, aber ansonsten muss ich sagen, ist das Echo schon sehr positiv, ja (KL_10).
Die wollten eher tratschen [in L1] und nicht etwas lernen, und ich glaub auch, meine Kollegin war nicht so streng wie ich, das hat dann auch nicht ganz gepasst, wir waren haargenau das Gegenteil. (…) Naja, manchmal hams mich schon auf Deutsch angesprochen, aber... (KL_6)84.
Auf unsere Frage nach Verbesserungsvorschlägen wird häufig der Wunsch nach mehr Information
geäußert: Zum einen wünschen sich die KL mehr Information über die KT vor Kursbeginn (siehe
auch S. 177), aber auch mehr Information für die KT, nämlich dass sie schon vor Kursbeginn grob
über das Konzept, also auch die Exkursionen, Bescheid wissen. Außerdem erwarten sich die KL
mehr Informationen über den ungefähren Arbeitsaufwand der Kurse. Kritisiert wird weiters der
Umstand, dass die KL von den Kursträgerorganisationen teilweise zu wenig oder falsche
Information bekommen, diese dann an die KT weitergegeben hätten, um sie später wieder
zurücknehmen zu müssen und dadurch oft an Glaubwürdigkeit verloren hätten.
6.2.2.1. Resümee
Der große Erfolg der "Mama lernt Deutsch"-Kurse liegt nach Ansicht der befragten KL im
gesteigerten Selbstbewusstsein der KT, die, auch wenn der Lernfortschritt in vielen Fällen nicht den
84 Die KL hat den Kurs im Februar übernommen.
190
Erwartungen entspricht, infolge des Kurses eher bereit sind, Deutsch zu sprechen, und
selbstbewusster auftreten. Dieses neue Selbstbewusstsein der KT bewirkt oft eine Verbesserung der
innerschulischen Kommunikation, da die Scheu der KT dem Schulpersonal gegenüber nicht nur
durch die größere Bereitschaft, Deutsch zu sprechen, sondern auch durch die Anwesenheit der KT
im Schulgebäude verringert wurde.
Auch von positiven Auswirkungen auf die außerschulischen sprachlichen Aktivitäten der KT, etwa
bei Amtswegen oder Arzt/ Ärztinbesuchen, berichten viele KL.
Insgesamt scheinen die Erfolge der Kursmaßnahme bezüglich der Wirkung auf die KT sehr groß zu
sein.
Das Kursgeschehen sowie die Exkursionen verliefen aus der Sicht der KL größtenteils zufrieden
stellend, wobei auch an dieser Stelle die mangelnde Vernetzung der KL und deren teilweise geringe
Informationslage kritisiert wird.
Die Frage, ob die "Mama lernt Deutsch"-Kurse nur für Schulmütter, oder für alle Frauen offen sein
sollten, stellte sich uns mehrmals, gerade weil es viele Kurse gibt, in denen die Kinder der
Teilnehmerinnen in andere Schulen gehen und somit diverse Punkte des Konzeptes nicht (direkt)
erreicht werden können. Die Auswahl der Teilnehmerinnen ist auch gekoppelt mit der Frage der
Bewerbung: Wenn man davon ausgeht, dass Kurse wie "Mama lernt Deutsch" großen Zulauf durch
Mundpropaganda und möglicherweise weniger durch gezielte Bewerbung erhalten, wäre es
sinnvoll, die Kurse auch für andere Frauen zu öffnen.
Die oben beschriebene Kritik einer KL, die sich auf die breit gefächerte Zielgruppe
beziehungsweise die mangelnde Differenzierung der KT in den Gruppen bezieht, trifft den wunden
Punkt des "Mama lernt Deutsch"-Konzeptes: Die Priorität dieser Kurse liegt darin, allen
interessierten Müttern einer Schule die Möglichkeit zu bieten, in der Schule ihres Kindes einen
"Mama lernt Deutsch"-Kurs zu besuchen. Nun erschwert der Standort Schule als Kursort das
Kursgeschehen, da die KL nicht nur von der Kooperationsbereitschaft des Schulpersonals
(Schulwart/ Schulwärtin, DirektorIn, LehrerInnen), sondern auch von den logistischen
Möglichkeiten und den Gewohnheiten der Schule abhängig sind. Dadurch sehen sich viele KL mit
suboptimalen Kursräumen, ungünstigen Unterrichtszeiten (etwa am Nachmittag) und geringer
organisatorischer Unterstützung konfrontiert. Tritt dann auch noch der Umstand ein, dass etwa
wegen zu geringer Anmeldungen nur ein Kurs pro Schule angeboten wird, können sich die
Unterrichtsbedingungen durch heterogene Gruppenzusammensetzung noch um ein Vielfaches
verkomplizieren. Diese Aspekte machen die Schwierigkeit der Durchführung von "Mama lernt
191
Deutsch"-Kursen deutlich, doch müssen sie für die Umsetzung des innovativen Konzepts in Kauf
genommen werden.
Die Kritikpunkte im Bereich Organisation beziehen sich vor allem auf die Rahmenbedingungen, die
Kommunikation zwischen KL und KursträgerInnen, das Einheben der Kurskosten und die
Bezahlung der KL. Hier erscheint eine einheitliche Lösung für die unterschiedliche Entlohnung der
gleichen Leistung erforderlich. Des Weiteren sprechen wir uns für eine der Vor- und
Nachbereitungszeit adäquate sowie der Entlohnung im Schulsystem entsprechenden Bezahlung (für
eine Unterrichtsstunde wird eine Stunde Vorbereitungszeit berechnet) der KL aus.
Ein weiterer Kritikpunkt der KL ist die fehlende Akzeptanz der "Mama lernt Deutsch"-Kurse für
die "Integrationsvereinbarung", die einige der KT erfüllen müssten. Eine vollständige Verknüpfung
der "Mama lernt Deutsch"-Kurse mit der "Integrationsvereinbarung" scheint uns jedoch dem
Konzept zuwider zu laufen und daher nicht sinnvoll, da diese Kurse als freiwilliges und
niederschwelliges Angebot ein Gegenkonzept zu den obligatorischen Deutschkursen der
"Integrationsvereinbarung" darstellen. Vielmehr sprechen wir uns für die Möglichkeit einer
Anrechenbarkeit aus, die etwa in Form von zwei bis drei Monate dauernden Zusatzmodulen
anschließend an einen zweijährigen Besuch der Kurse erfolgen könnte.
Die KL scheinen insgesamt mit den Kursen recht zufrieden zu sein, lediglich die mangelhafte
Informationsweitergabe von den KursträgerInnen und die Fluktuation in den Kursen wurden bei
dieser Frage als Probleme genannt. Der Fluktuation kann man etwa durch bessere Informierung der
KT über das Konzept vor Kursbeginn entgegen wirken, so die Meinung der KL. Generell
bezeichnen die meisten KL die Kurse aber als sehr angenehm und geben an, gerne bei "Mama lernt
Deutsch" zu unterrichten.
6.2.3. Themenzentrierte Interviews mit den Direktor Innen
Wirkung
Insgesamt sind die DirektorInnen mit den Auswirkungen der "Mama lernt Deutsch"-Kurse
zufrieden, nur für wenige DirektorInnen sind zu wenig Erfolge sichtbar:
Aber für mich war's vielleicht a bissl zu wenig Erfolg, also ich hätte mir da a bissl mehr erhofft, aber ich bin jetzt auch nicht enttäuscht, weil ich denk ma, es braucht vielleicht (Dir_3).
192
Bei uns ist es ja so, dass wir eine Türkischlehrerin haben, die ja automatisch das immer übersetzt den Kindern und die übersetzt das auf Türkisch dann, aber nicht auf Deutsch, nicht? Also dadurch, dass wir eben diese Hilfe haben von den Muttersprachlichen Lehrern ist das/ kann ich das nicht merken, diese Auswirkung. (...) Wir haben auch einen Islamlehrer, der spricht Arabisch. Wir sind da abgedeckt (Dir_6)
Der Großteil der DirektorInnen zeigt sich jedoch über die Auswirkungen der "Mama lernt
Deutsch"-Kurse erfreut:
Ich hab manchmal gefragt, wies ihnen geht und sie haben bereitwillig und gerne Auskunft gegeben, also ich hab schon das Gefühl, wenn ich gekommen bin, haben sie gelacht (…), also sie haben sich wohl gefühlt, das war sichtbar (Dir_3).
Ich denke mir, dass sich die Mütter, die in diesen Kurs gehen, jetzt einfach mehr trauen, mit Direktion, Lehrern zu kommunizieren. Ich hab auch das Gefühl, dass die Schwellenangst Schule etwas gemindert wurde, und was ich noch beobachten konnte, dass die Buben, die türkischen Buben relativ stolz auf ihre Mütter sind, dass sie auch Deutsch lernen in der Umgebung, in der sie auch unterrichtet werden. Die Problematik war diese, am Anfang dass sich die Buben geniert haben für ihre Mutter, weil sie teilweise Analphabeten waren. Und sämtliche Behördenwege mit den Schülern gemacht haben, um dort zu übersetzen. Sprich Spital, wenn sie schwanger waren, und so weiter. Da gingen immer die Schüler mit. Und das hat sich natürlich verändert (Dir_10).
Viele DirektorInnen berichten von den Erfolgen, die im sprachlichen Bereich zu verzeichnen seien:
Ich hab den Eindruck, die Mütter schaffen es jetzt, sich wirklich in Deutsch zu artikulieren (Dir_1).
Also [ich hab] doch mit der einen oder anderen immer wieder geplaudert. (...) Also die großen sprachlichen Erfolge, also dass sie jetzt sozusagen in Haupt- und in Nebensätzen gesprochen hätten, war es nicht, aber ich denk ma, sie konnten sich im Gegensatz zu dem, was vorher war, oder was zu Beginn war, konnten sich deutlich verständlich machen. Und das war diese wenigen Male doch, denk ich mir, ein Erfolg, den man da sehen kann, vor allem, weil ja die Muttis, oder mit denen ich zumindest gesprochen hab, anfangs überhaupt nicht Deutsch gesprochen haben (Dir_4).
Laut den DirektorInnen sind aber nicht nur Auswirkungen auf die sprachliche, sondern auch auf die
soziale Kompetenz der KT merkbar:
Besonders schön war zum Beispiel zu erleben das Problem der Einschreibung: Mit welchem Selbstbewusstsein, mit welchen großartigen Basisinformationen die Eltern schon gekommen sind und heuer schon die Einschreibung des Kindes auf Deutsch gemacht haben, also das ist ein Zeichen, dass der Kurs sehr wohl sehr gut angelegt ist und die Kommunikation zwischen den Eltern und den Lehrkräften eigentlich auch gut funktioniert (Dir_9).
Für die meisten DirektorInnen besteht ein direkter Zusammenhang zwischen verbesserten
Deutschkenntnissen und erhöhtem Selbstbewusstsein, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Eine der Mütter hat im Dezember ein Kind eingeschrieben fürs nächste Schuljahr und da ging das noch sehr holprig mit Deutsch und zwei Monate später (…) stand sie dann mit Unterstützung der Frau X [Name der KL] bei mir und die Frau X [Name der KL] hat gesagt: "Nein, ich helf Ihnen jetzt nicht, Sie sagen das selber, Sie können es schon." Und sie hat's dann auch; sie war furchtbar aufgeregt, aber sie hat's dann in Deutsch rübergebracht. Natürlich gebrochen, aber man hat genau verstanden, was sie wollte (Dir_1).
Auch bei Gesprächen in Direktion sind KT eher bereit, zwar radebrecht, aber doch, Deutsch mit uns zu kommunizieren (…) und vor allem, was mir wichtig ist, dass sie sich trauen, Deutsch zu sprechen (Dir_10).
193
Beim letzten Mal bin ich hineingeschneit. (...) Und da hab ich mir gedacht, jetzt sag ich schnell einmal hallo dort. Und hab dann mit ihnen ein bisschen geredet, jetzt verstehen sie mich ja, das ist fein, und ich hab schon gemerkt, dass sie mich angestrahlt haben. Die Art und Weise wie sie mir gegenüber getreten sind, war schon ein bisschen anders als im Herbst, wo/ also so gestrahlt haben sie nicht. Da hab ich schon das Gefühl gehabt, ja schau, irgendwie hat sich eine Qualität geändert. Aber sie kommen jetzt nicht öfter zu mir, diese neun. (...) Ich hab jetzt so dieses Strahlen vor mir, nicht so diese Verschlossenheit (Dir_5).
Laut den DirektorInnen lässt sich (wie man auch am obigen Zitat sieht) kein vermehrter Kontakt der
KT mit dem Schulpersonal feststellen. Sie begründen dies damit, dass ihnen entweder nichts
Derartiges von den LehrerInnen berichtet worden sei, oder dass sie selbst zu wenig Einblick hätten,
auch weil die Kurse in manchen Schulen am Nachmittag stattfinden. Einige DirektorInnen geben
jedoch an, dass die KT jetzt besser integriert und in der Schule leichter erreichbar seien.
Manche DirektorInnen erklären auch, dass es schon immer viel Kontakt zwischen Eltern und Schule
gegeben habe, weshalb sie keine großen Veränderungen feststellen könnten:
Ich hatte immer guten Kontakt, aber ich hatte Kontakt über Übersetzer oder Muzu, und jetzt kommen die Mütter und stellen die Fragen selbst und wir führen also ein sehr einfaches, aber sehr herzliche Gespräche (Dir_10).
Manche KT kämen auch in die Direktion, um dem/ der Direktor/in zu zeigen, was sie gelernt haben,
und sich für den Kurs zu bedanken. Eine Direktorin erzählt, von einer KT eine Bonbonniere als
Dankeschön bekommen zu haben.
Also es ist bei uns insgesamt so, dass sowieso eine sehr intensive Kommunikation zwischen den Eltern und den KlassenlehrerInnen stattfindet, und insofern glaub ich, dass es nicht unbedingt da eine Verstärkung dieser Schiene war, ich glaub eher, was wichtig ist, ist, dass dieses Netzwerk der Eltern, oder der Mütter in dem Fall untereinander noch gestärkt wurde. (...) Aber sie sind dann in der Folge öfter auch zu mir ganz einfach vorbeigekommen, und ham halt "Guten Tag" gesagt oder irgendwie oder ham halt ihre Kenntnisse ganz einfach auch demonstriert, und das war ja total nett, dass sie gezeigt haben, was sie gelernt haben und wie sie sich da bemüht haben, also da denk ich mir, ist auch so der Wille zur Kommunikation da gewesen und das find ich ganz toll ganz einfach. Also man merkt, wie wichtig da die Sprache als Link ist für die Kommunikation (Dir_7).
Aber positiv find ich, dass die Eltern kommen und sagen, wie gut ihnen der Kurs gefällt, wie viel sie profiti/ und, und wie gern sie da hingehen, also des spür ich ganz deutlich. (...) Und beim Elternsprechtag krieg ich natürlich auch die Rückmeldungen, dass der Kurs gut ist (Dir_12).
Entsprechend der geringen Veränderung des Kontaktausmaßes der KT mit der Schule ist auch eine
Veränderung der innerschulischen Kommunikation wenig merkbar: Lediglich eine Direktorin
meint, dass eine "offenere Kommunikation" möglich geworden ist und dass es bezüglich des
Kommunikationsflusses Fortschritte gegeben hat.
Der am häufigsten genannte Grund dafür, dass sich die innerschulische Kommunikation nicht
merklich verbessert hat, ist, dass viele KT nicht in der Schule ihrer Kinder, sondern in einer anderen
Schule den "Mama lernt Deutsch"-Kurs besuchten.
Also das hat mir noch keine Lehrerin rückgemeldet, aufgrund des "Mama lernt Deutsch"-Kurses kommt da jetzt irgendwie was zurück. (…) Also dass das [= mehr Kontakt] jetzt aufgrund des Kurses verbessert wurde, kann ich auch nicht sagen, weil die sind tatsächlich auch vorher gekommen brav,
194
ham halt wahrscheinlich nix verstanden oder verstehen jetzt hoffentlich mehr von dem, was gesagt wird (Dir_5).
Manche DirektorInnen erklären, dass die Kommunikation zwischen Eltern und Schule schon immer
gut verlaufen ist, weshalb sie keine Veränderungen der innerschulischen Kommunikation feststellen
konnten.
Auch wenn die Auswirkungen der "Mama lernt Deutsch"-Kurse vielleicht nicht immer ganz den
Erwartungen der DirektorInnen entsprechen, scheinen sie dennoch insgesamt mit den
Auswirkungen recht zufrieden zu sein:
Man ahnt's, dass das was bringt, nicht? Nur messen kann ich's jetzt noch nicht. Und selbst wenn's ganz wenig Erfolg/ kleine Erfolge sind, ist das ja trotzdem was Wertvolles und Wichtiges, auch wenn's nur kleine Erfolge sind (Dir_6).
Die Zufriedenheit der DirektorInnen, die auch bei der schriftlichen Befragung mit großer Mehrheit
(ca. 94 %) angeben, mit den Auswirkungen zurfrieden zu sein, fügt sich sehr gut in die Ergebnisse
der anderen Datenquellen ein: Die KL zeigen sich nicht nur in der mündlichen, sondern auch in der
schriftlichen Befragung sehr zufrieden mit den Auswirkungen der "Mama lernt Deutsch"-Kurse
(vgl. Kapitel 6.1.2.2).
Organisation und Rahmenbedingungen
Engagement im Kurs
Bis auf eine/ n DirektorIn geben alle DirektorInnen an, zumindest einmal – viele auch mehrmals –
eine Kurseinheit besucht und sich den KT vorgestellt zu haben. Manche DirektorInnen haben für
die KT eine Schulführung veranstaltet und den KT ihre Unterstützung zugesagt:
Ich komm auch immer wieder von Zeit zu Zeit vorbei und frag, ob es etwas Neues gibt, obs irgendwelche Sorgen gibt. (…) Also das gehört einfach dazu, sie sind ein Teil unseres Schullebens und sollen das auch merken (Dir_9).
Ich hab beide Kurse am Schulanfang die Mütter begrüßt und hab gesagt, ich freu mich wahnsinnig, dass sie da kommen, und das Haus ist jederzeit/ jeder im Haus ist jederzeit da, um ihnen zu helfen und Unterstützung anzubieten (Dir_13)
Muttersprachliche LehrerInnen/ Vorsitzende des Elternvereins
Die Muttersprachlichen LehrerInnen waren in die "Mama lernt Deutsch"-Kurse nicht eingebunden,
lediglich in fünf Schulen waren Muttersprachliche LehrerInnen peripher beteiligt, indem sie als
195
Kontaktpersonen fungierten, bei der Bewerbung der Kurse mithalfen oder in einem Fall die ganze
Organisation der Kurse übernahmen.
Der Elternverein war in allen von uns befragten Schulen informiert, aber nicht involviert.
Kommunikation mit KL, KTr, MA 17
Die Kommunikation zwischen den DirektorInnen und den KL läuft aus Sicht der DirektorInnen
sehr zufrieden stellend und problemlos. Nur wenige DirektorInnen geben an, sehr selten mit der KL
Kontakt zu haben.
In zwei Schulen kam es zu einem Wechsel der KL, was die DirektorInnen als nicht günstig
bezeichneten.
Zwei der drei DirektorInnen, deren KL auch Volksschullehrerinnen85 sind, heben dies positiv
hervor.
Auch die Kommunikation mit den KTr und der MA 17, mit der allerdings nur sehr wenige
DirektorInnen Kontakt hatten, scheint problemlos verlaufen zu sein.
Werbung
Die Bewerbung der Kursmaßnahme übernahmen in manchen Schulen die Muttersprachlichen
LehrerInnen oder die KlassenlehrerInnen und sprachen gezielt in Frage kommende Mütter an.
Die von der MA 17 zur Verfügung gestellten Werbe- und Anmeldematerialien wurden vielfach
kritisiert: Die Folder seien für die Zielgruppe völlig ungeeignet, da sie besonders für Personen mit
geringer Lesekompetenz zu unübersichtlich und aufgrund ihrer Vielsprachigkeit unlesbar seien.
Auch die Anmeldeformulare, die sich die DirektorInnen mehrsprachig wünschen, seien zu wenig
klar strukturiert.
Organisation
Am Beginn der Kurse empfanden viele DirektorInnen die Organisation als schwierig, besonders
durch das aufgetretene Missverständnis bezüglich der Kosten der Kurse: Die meisten DirektorInnen
bekamen die Information, dass die Kurse gratis sein würden und bewarben die Kurse
dementsprechend, woraufhin sich viele interessierte Mütter meldeten. Als sich jedoch herausstellte,
85 In einem Fall ist die KL Lehrerin an der Schule, an der sie den Kurs hält, die anderen beiden KL unterrichten an anderen Volksschulen.
196
dass es sich um ein Missverständnis handelte, und die Kurse 150.- Euro kosten, wurde es für viele
DirektorInnen schwierig, genügend KT zu finden. Manche DirektorInnen empfinden diesen Betrag
für die KT als zu hoch und fordern eine soziale Staffelung der Kosten.
Organisatorische Probleme gab es auch bezüglich der Räumlichkeiten, sodass die Kurse in vielen
Schulen nur nachmittags angeboten werden konnten und sich die Unterbringung der
Kinderbetreuung manchmal als schwierig herausstellte. Ansonsten scheint die Kinderbetreuung aus
Sicht der DirektorInnen gut funktioniert zu haben.
Gesamteinschätzung
Die DirektorInnen scheinen insgesamt mit den Kursen recht zufrieden zu sein, denn auf unsere
Frage, ob die Kurse eher eine Belastung oder eine Bereicherung für die Schule seien, meinen die
meisten, dass sie weder das eine, noch das andere sind. Fünf SchulleiterInnen geben an, die Kurse
sind keine Belastung, und drei bezeichnen sie als Bereicherung.
Positiv hervorgehoben wurde öfters das Engagement der KL, von dem viele DirektorInnen
begeistert sind:
Wo ich auch gesehen hab, in den Pausen (…) hat sich die KL auch eingesetzt und hat bei irgendeiner Hausverwaltung angerufen, wo diese Mütter nicht genug Deutsch konnten, um sich da zu artikulieren, und da war sie ihnen auch außerschulisch behilflich (Dir_3).
Als problematisch nennen viele DirektorInnen die Tatsache, dass viele KT die Kurse abbrechen und
die TeilnehmerInnenzahlen sinken. Außerdem bedauern manche DirektorInnen, dass nur wenige
Mütter der eigenen Schule die Kurse besuchten.
Eine drastische Situation, die zwar nur in einer eine Schule auftrat, aber dadurch nichts an Brisanz
einbüßt, schildert eine Direktorin auf die Frage nach Problemen: Eine türkische Mutter, deren Mann
ihr zuerst die Teilnahme am "Mama lernt Deutsch"-Kurs verboten hatte, durfte doch in den Kurs
kommen, jedoch nur in Begleitung ihres etwa zehnjährigen Sohnes (vgl. Rohrer 1983; siehe Kapitel
2.2.1):
Bei einer Familie hat dann der Türkischlehrer angerufen, dass die Frau doch um Gotteswillen kommen darf. Also, da war's diese kulturelle Geschichte auch. Die durfte dann kommen, aber der größere Sohn ist als Aufpasser mitgeschickt worden. Erst als ich gesagt habe: "Du bleibst da net bei deiner Mama sitzen, sondern du gehst in den Kinderbetreuungsraum", und das mit Nachdruck gesagt hab, erst dann hat er das gemacht. Der ist ein Viertklassler, also der könnte durchaus auch zu Hause sein die paar Stunden, aber der ist mitgekommen. Und da merk ich halt schon, da gibt es schon viele, viele Hürden zu nehmen, an die wir zuerst gar nicht denken (Dir_5).
197
Die vielen Hürden, von denen die Direktorin spricht, setzten sich fort, als die KL mit ihrer Gruppe
eine Exkursion machen wollte, an der diese KT erneut nicht teilnehmen durfte:
Mir hat jetzt die KL erzählt, es gab Probleme, weil sie wollten eben eine Exkursion in die städtische Bücherei machen, und da durfte diese Mutter und eine Schwägerin, die auch im Kurs ist, die durften nicht mit. Dann hat die gesagt: "Naja, das ist aber Konzept des Kurses", und sie sollen doch noch mal fragen, und da ist die in Tränen ausgebrochen. Sie hat gesagt, sie darf nicht einmal fragen noch einmal, weil da wird der Mann böse, wenn sie noch einmal fragt, ob sie mit darf. Ich bin dann stinksauer gewesen. Ich kenn ja den Mann, da hab ich mir dann gedacht: "Na den zitier ich mir her", aber das ist so kontraproduktiv oft. Ich habs dann auch sein lassen, weil ich mir gedacht hab, das ist nicht mein Bier, der "Mama lernt Deutsch"-Kurs. (...) Der ist zu uns nämlich ausgesprochen höflich. Aber die Frau darf offenbar nix. Ich hätte den auch ganz anders eingeschätzt (Dir_5).
Abgesehen von solchen drastischen Fällen scheinen die Kurse sehr gut verlaufen zu sein, die
DirektorInnen zeigen sich durchwegs zufrieden, wobei manche den Umstand positiv hervorheben,
dass die Durchführung der Kurse mitunter recht unauffällig verlaufen sei,:
Ich weiß gar nicht jetzt, also, es geschieht immer so dezent und ruhig, dass ich jetzt zum Beispiel gar nicht weiß, welche Mütter jetzt hier in diesem Kurs sind und im anderen, und der dritte Kurs? Weiß ich jetzt gar nicht, ob die Kollegin da ist oder nicht? Das weiß ich nicht, also da hab ich nicht immer/ das geht an mir vorbei. Weil die kommen nicht immer alle rein und sagen "Grüß Gott", also teilweise scho/ also, von den zweien weiß ichs jetzt, aber vom dritten Kurs zum Beispiel könnt ich nicht sagen, ob der jetzt stattfindet oder nicht. Weiß ich auch gar nicht. Einerseits ist es ja ganz gut, weil wenn ich das auch organisieren müsste, das Absagen und so. Also des/ des wär eine Belastung (Dir_6). In diesem Alltag, den ich da als Schulleiterin hab, ist das doch ein sehr, sehr kleines Mosaikteil, dieser "Mama lernt Deutsch"-Kurs. D.h., ich bin froh, dass es ist, und dann läuft es halt mit, und ich bin froh, wenn es mitlauft, und wenn ich da nicht noch zusätzlich großartige Dinge hab (Dir_5).
Auf unsere Frage nach Verbesserungsvorschlägen und Wünschen für das nächste Kursjahr nennen
die DirektorInnen verschiedene Punkte: Während eine die mangelnde Vernetzung innerhalb der
Kurse beklagt, wünscht sich eine andere Direktorin mehr Unterstützung der MA 17, um in Frage
kommende Mütter zu mobilisieren, und eine dritte Direktorin spricht sich aus organisatorischen
Gründen für einen späteren Kursbeginn aus.
Ein Punkt, den jedoch beinahe alle DirektorInnen angesprochen haben, ist die fehlende Möglichkeit
der Anrechenbarkeit der "Mama lernt Deutsch"-Kurse für die "Integrationsvereinbarung":
Was mir noch leid tut, ist, dass der Kurs den Müttern nicht offiziell mit Dekret angerechnet wird (Dir_1) Was ich nicht verstehe und wo ich gern eine Verbesserung und eine Veränderung hätt, oder das ist eine Kritik: Die Eltern, diese Mamas kommen zu mir mit diesen Magistratsgutscheinen und die können nicht in "Mama lernt Deutsch" eingereicht werden. Das heißt, sie haben einen Gutschein und wissen ned, wos damit mochn soin. Ich biete einen Deutschkurs an, und der konn ned gewertet werden dafür. Das ist a unlogische Bürokratie (Dir_3). Und was ich auch schad find, ist, dass natürlich diese Anrechnung, beziehungsweise dieser Deutschkurs für die Integrationsvereinbarung (…) , dass das irgendwie schon einander konterkariert, jo? Also des find i irgendwie schod. Weil das zieht sicher Potential auch ab. (...) Da bin ich auch oft gefragt worden, ob das nicht anrechenbar ist, und ob das gleichwertig ist etc. Also ich denk mir, da wär schon großes Interesse da und die würden wahrscheinlich lieber in die Schule kommen und den Kurs machen, als woanders, aber vielleicht kann man sich da auch noch was überlegen, dass das irgendwie besser verlinkt wird ganz einfach (Dir_7).
198
6.2.3.1. Resümee
Viele DirektorInnen geben an, die Organisation – zumindest anfangs – als schwierig empfunden zu
haben, da viele von ihnen mit einem Raumproblem konfrontiert waren. Manche DirektorInnen
geben auch an, im nächsten Jahr aus Platzmangel keinen Kurs mehr anbieten zu können.
Unzufrieden zeigen sich die DirektorInnen auch hinsichtlich der Bewerbung der Kurse, die sich als
aufwändig herausstellte, was sicherlich durch das oben bereits erwähnte Missverständnis die Kosten
betreffend verkompliziert wurde. Des Weiteren sind die Materialien der MA 17 in den Augen vieler
DirektorInnen ungeeignet. Die Bewerbung und Anmeldung sowie die dafür nötigen Materialien
sollten so einfach wie möglich zu handhaben sein, so die DirektorInnen.
Häufig kritisiert wird auch die fehlende Verknüpfung der Kurse mit der "Integrationsvereinbarung".
Zufriedenheit herrscht bei den DirektorInnen hingegen bei der Kommunikation mit den KL, die aus
ihrer Sicht problemlos verlaufen ist.
Auch mit den Auswirkungen der "Mama lernt Deutsch"-Kurse scheinen die DirektorInnen recht
zufrieden zu sein, auch wenn sie nur eine geringe Veränderung der innerschulischen
Kommunikation feststellen konnten. Der Kurserfolg liegt aus Sicht der SchulleiterInnen eher im
sprachlichen und sozialen Bereich, d.h. sie konnten sowohl verbesserte Sprachkenntnisse, als auch
ein erhöhtes Selbstbewusstsein bei den KT beobachten.
Dass eine Veränderung der innerschulischen Kommunikation ausgeblieben ist, liegt für die
DirektorInnen hauptsächlich daran, dass – zumindest in den von uns untersuchten Schulen – nur
wenige KT Mütter von Kindern der betreffenden Schule seien. Vermehrter Kontakt mit dem
Schulpersonal wurde den DirektorInnen von den Müttern, die davor nicht viel Kontakt hatten,
weder berichtet, noch konnten sie selbst Derartiges beobachten. Positiv wurde aber bemerkt, dass
die KT besser in das Schulleben integriert sind.
Insgesamt zeigen sich die DirektorInnen mit den "Mama lernt Deutsch"-Kursen zufrieden, lediglich
der Umstand, dass in vielen Schulen nicht die Mütter der SchülerInnen die Kurse besuchen und
darüber hinaus viele KT die Kurse nicht bis zum Ende besuchen, trübt die Begeisterung.
199
6.2.4. Gruppendiskussion mit einer Kursleiterinnen -Gruppe
Im Folgenden werden Inhalt und Aufbau der Gruppendiskussion beschrieben sowie die wichtigsten
Ergebnisse zusammengefasst und interpretiert dargestellt:
Inhalt und Ablauf der Gruppendiskussion
Die Diskussion dauerte 102 Minuten86, sie wurde auf Tonband und mit Video aufgezeichnet und
danach verschriftet (Transkriptionskonventionen siehe Anhang, S. 258). Die Moderation erfolgte
seitens eines Mitglieds des Forschungsteams, das bereits Erfahrung mit der Durchführung von
Gruppendiskussionen aus anderen Forschungsprojekten hatte. Im Verlauf der Diskussion wurden
vom Moderator sechs Fragen an die Runde gestellt, wobei darauf Bedacht genommen wurde, dass
möglichst alle Teilnehmerinnen zu Wort kamen. Die sechs Fragen, die an die Teilnehmerinnen
gerichtet wurden, waren die folgenden:
1. Vielleicht beginnen wir damit, dass sich jede von Ihnen einmal vorstellt, und sagen Sie dazu,
wie geht´s Ihnen jetzt mit Ihrem Kurs? Sind Sie damit zufrieden oder eher nicht? Würden Sie
noch einmal so einen "Mama lernt Deutsch"-Kurs leiten?
2. Wo haben Sie Schwierigkeiten bei der Durchführung der Kurse gehabt? Wo hat es Probleme bei
der Umsetzung des Kurskonzepts gegeben? (Bitte nennen Sie Beispiele)
3. Vom Konzept her sollen die "Mama lernt Deutsch"-Kurse ja mehr als nur reine Sprachkurse
sein. Ich zitiere da aus dem Projektbezogenen Curriculum:
Im Mittelpunkt dieser Kurse stehen nicht nur das "Deutschlernen" an sich, sondern ebenso der Kontakt zwischen Eltern und Schule sowie zusätzliche integrative Bildungsmodule, die für die Zielgruppe von Bedeutung sind und die Kommunikation zwischen der Institution Schule und Eltern verbessern sollen (Schul- und Bildungssystem, Erziehungsfragen, der Umgang mit Ämtern und Behörden, das Kennen lernen von Einrichtungen und Institutionen der Stadt, Stärkung des Selbstbewusstseins, Gesundheit, ....)" (Projektbezogenes Curriculum: 2).
Halten Sie diesen Anspruch für sinnvoll und für machbar? Ist dieses Ziel in Ihrem Kurs
umgesetzt worden? Also haben Sie den Eindruck, dass z.B. die KT jetzt in der Lage sind,
sprachlich die Situationen in der Schule und auf Ämtern besser bewältigen zu können?
4. Noch eine Frage zu den sprachlichen Varietäten:
86 Ungefähr zur Mitte der Diskussion wurden den Teilnehmerinnen Brötchen und Getränke gereicht, um die Atmosphäre möglichst entspannt zu gestalten.
200
Die KT sind ja außerhalb des Kurses in der Regel nicht mit Hochdeutsch, sondern mit Dialekt
oder Wiener Umgangssprache konfrontiert. Wie sehen Sie das? Sollen Kurse, die in Wien
stattfinden, darauf eingehen? Sollen Dialekt und Umgangssprache in den Unterricht
miteinbezogen werden?
5. Gab es irgendein absolutes Highlight und einen absoluten Tiefpunkt/ Scheitern im Lauf Ihres
Kurses? Könnten Sie darüber berichten?
6. Noch eine Frage zum Abschluss: Wenn Sie diese Kursmaßnahme umplanen/ neu konzipieren
könnten, was würden Sie auf jeden Fall ändern? Was weglassen/ beibehalten?
Die erste Frage war als Einstieg in die Diskussion gedacht, – die Sozialdaten erhoben wir ohnehin
am Ende der Diskussion mittels eines Fragebogens – aber auch dazu, die KL kennen zu lernen und
durch ein kurzes anfängliches Statement einen ersten Eindruck zu erhalten.
Die zweite Frage zielte einerseits darauf ab, die konkreten Schwierigkeiten und Probleme der KL zu
erfahren und andererseits wollten wir herausfinden, ob zwischen den Teilnehmerinnen der
Gruppendiskussion ein Konsens über die genannten Kritikpunkte herrsche, und ob die bei der
schriftlichen und mündlichen Befragungen erhobenen Kritikpunkte auch von den Teilnehmerinnen
der Gruppendiskussion getragen würden.
Während die dritte Frage die Umsetzbarkeit des Curriculums betraf, wollten wir mit der vierten
Frage Meinungen zur Thematisierung und zum Gebrauch des Österreichischen Deutsch sowie der
Varietäten des deutschen Sprachraums im Unterricht evozieren.
Die fünfte Frage sollte sowohl negative, als auch positive Beispiele der Kursdurchführung liefern.
Bei der sechsten Frage sollten durch spontane Antworten diejenigen Punkte, die in den Augen der
Teilnehmerinnen am veränderungswürdigsten sind, in Erfahrung gebracht werden.
Was die Beteiligung an der Diskussion betrifft, ist anzumerken, dass auf Grund der kleinen Gruppe
alle Teilnehmerinnen relativ gleichmäßig zu Wort kamen, mit Ausnahme von F7, die erst später
dazu stieß. Es gab jedenfalls weder ausgesprochene "Vielrednerinnen" noch "Schweigerinnen"
(siehe Kapitel 5.1.2.6).
201
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
Wie erwähnt, konzentrierte sich unser Interesse bei der Auswertung vor allem auf die individuellen
Einstellungen zu den als Impuls gegebenen Fragen. Das Material wurde dabei für die Auswertung
als diskursive Äußerungen von Einzelpersonen in einem halböffentlichen Kontext interpretiert.
Natürlich muss betont und bei der Interpretation mitgedacht werden, dass es sich bei der
Gruppendiskussion nicht um isolierte Einzeläußerungen handelt, und dass sich die
Erhebungssituation in der Gruppe auf die Äußerungen auswirkt. Zu berücksichtigen ist
beispielsweise, dass die Kontrolle in der Gruppe eventuell dazu führen kann, dass eher erwünschte
Äußerungen gemacht werden und tabuisierte Bereiche eher vermieden werden. Es besteht in
Gruppen weiters die Tendenz, offene Konflikte innerhalb der Gruppen zu vermeiden, und eher
einen Gruppenkonsens anzustreben. Auch bei der vorliegenden Gruppendiskussion kann der
Gruppenkonsens als relativ stark beschrieben werden.
Im Folgenden sollen die wichtigsten Ergebnisse der Gruppendiskussion dargestellt werden87
(Transkriptionskonventionen siehe Anhang, S. 258):
87 Da wie bereits beschrieben, eine KL erst ca. zwanzig Minuten vor Ende der Gruppendiskussion eintraf, und sich aus diesem Grund nur an den letzten beiden Fragen beteiligte, reflektieren die Angaben – außer es ist explizit ausgewiesen – lediglich die Meinungen der restlichen sechs KL.
202
Positives
Zufriedenheit mit dem Kurs
Auf die Frage, ob die KL nachträglich gesehen mit dem Kurs zufrieden sind, reagiert die Mehrheit
bejahend. Der allgemeine Tenor bei dieser Frage ist (sehr) zufrieden und reicht bis zu Begeisterung
wie die folgenden Passagen zeigen:
F1 123
01
Ja. Mhm/\ F1: Auf alle Fälle. Ich finde das Projekt an sich F2: ((lacht )) 02
F1: großartig. […]
F2 155f
03
F2: […] bei uns an 04
F2: der Schule läuft der Kurs ganz toll, ich hab mi t siebzehn 05
F2: Frauen begonnen im Herbst, und ungefähr dreißig Kindern, 06
F2: und das/ das war allein das schon a große Herausforderung, 07
F2: zusätzlich zu meinem völlig neuen Einstieg mit Erwachsenen, 08
F2: ja. Äh, es ist eine riesen Sache. Und es ist ei ne ganz 09
F2: tolle Sache.
F5: 395ff 010
F5: […] also mir hats vom Menschlichen so taugt. 011
F5: Wir haben den Frauen so viel gegeben, und ich h offe, 012
F5: dass sie natürlich auch Deutsch gelernt habe n, aber KoF5: ((lachend)) 013
F5: das war einfach auf einer anderen Ebene, ich ha b sie 014
F5: persönlich sehr gut kennen gelernt, und das war für mich 015
F5: eine total schöne Erfahrung, […]
Während F5 davon spricht, dass es "vom Kurs her oder von den Frauen total super" (Fl. 377) ist,
bezeichnet F3 die Mütter als ihre "absolute Traumzielgruppe" (Fl. 290).
Doch es gibt auch ausreichend Belege für die Schwierigkeit, einen "Mama lernt Deutsch"-Kurs zu
leiten, wie die folgenden Passagen zeigen:
203
F2 158 016
F2: […] das war allein das schon a große Herausforderung, 017
F2: zusätzlich zu meinem völlig neuen Einstieg mit Erwachsenen, 018
F2: ja.
F1 100f. 019
F1: […] und muss sagen, 020
F1: dass das die größte Herausforderung war, die ic h bis 021
F1: jetzt gehabt hab, ja?
Die Begeisterung über die "Mama lernt Deutsch"-Kurse scheint jedoch die Schwierigkeiten zu
überwiegen, denn die Frage, ob sie noch einmal einen Kurs leiten würden, wird von allen bejaht.
Kursort Schule
Die Bedeutung des Kursstandortes Schule für die "Mama lernt Deutsch"-Kurse zeigt sich in den
folgenden Passagen, wenn die KL von den positiven Auswirkungen der Kurse auf die Kinder und
Väter berichten:
F1 135ff F1: Und das was da mit Mama lernt Deutsch, ah, läuf t, find ich, 022
F1: dass das, ah, etwas ist, was extrem Früchte tre iben kann 023
F1: für die Kinder . Dass das ganz, ganz weit gehen könnte und 024
F1: geht, ja? Es fängt ja eh schon an, ja, es sind ja alle 025
F1: ganz schrecklich stolz , wenn ihre Mütter da, ah, in der Schule 026
Mo: Mhm\/ F1: Deutsch lernen.
F2 163ff 027
F2: […] und da ist alles in Bewegung gekommen. Also die Kinder, 028
F2: die Mamas, die Väter, die natürlich bei mir auc h nachfragen Ko: ((Lachen ) ) 029
F2: kommen, so wie bei der Frau Lehrerin, so wie ma cht sich meine 030
204
F2: Frau? Und, ja, alle sind natürlich super, ((lacht)) so wie F5?: ((lacht )) 031
F2: auch die Kinder, gell [F2], die Mama kommt 032
F2: Deutschkurs, und ich, jaja, ganz toll und ja, e s ist/ es ist a 033
F2: ganz schöne Sache, ganz wichtige Sache, und ich denke mir, 034
F2: es hätte schon längst sein können in Wien, und ich kann 035
F2: nur sagen, ich hab eine große Freude damit […]
Auch die Zusammenarbeit mit der Schule scheint bei den KL der Gruppendiskussion sehr gut geklappt zu
haben:
F3 286 036
F3: Und wir haben eben sehr viel mit der Schule gea rbeitet, das hat ganz, ganz super funktioniert […]
F5 366f 037
F5: […] also das ist alles auch so ähnlich, also es ist 038
F5: auch super, die Direktorin unterstützt mich, un d die 039
F5: Lehrer und alle, und es ist total ideal auch so mit/ […] KoF5: ((deutet auf F4
Allerdings berichtet auch zwei KL davon, in ihren Schulen nicht optimal aufgenommen worden zu sein, wie
die folgenden Passagen deutlich machen:
F5 371f.
040
F5: Der andere Kurs im [Zahl] Bezirk, den habe ich von der 041
F5: [F6] übernommen, ((lacht)) im Jänner, ähm, da ist ganz KoF5: ((deutet auf F6)) 042
F5: anders, ah, der ist am Nachmittag. Und ich hab null Kontakt 043
F5: zu/ Also ein mal oder zwei mal war die Direktor in da, die 044
F5: Lehrer kenne ich überhaupt nicht, das ist/ ähm, finde ich 045
F5: sehr schade, […]
205
F6 519f
046
F6: Und von der Schule her ist es, obwohls dort 047
F6: Vormittag ist, auch schwieriger. Weil eigentlic h/ Da sind 048
Mo: Mhm\/ F6: wir ganz oben im Festsaal in einem Raum, und sonst will 049
F6: eigentlich keiner was von uns wissen. Und dort sollen wir KoF6: ((lachend Ko: ((Lachen)) 050
F6: auch bleiben. Und zusammen mit den Kindern in e inem Raum KoF6: )) 051
Mo: Mit den no ch nicht F6: (zu/) und das ist manchmal (etwas) schwierig. 052
Mo: schulpflichtigen Kindern, die betreut werden (i m gleichen/) F6: Genau, 053
F6: ja, ja, und das ist von der Akustik her und so manchmal 054
Mo: (Und/) F6: recht/ da haben wir dann/ (aber) wirklich eine gute 055
Mo: Aha{? F6: Kinderbetreuerin, dann gehts. Aber sobald da ir gendwie/ 056
Mo: Aber die ist schon da? Die Kinderbetreuerin ist schon (da) F6: Sie ist da, 057
Mo: Ja, F6: wir hätten auch eine/ eine zweite auch bekommen , damit sie 058
Mo: Mhm\/ F6: einmal raus gehen können, und/ aber sonst, die 059
F6: Direktorin war der Meinung, sie müssen dreißig Kinder 060
F6: ruhig halten dort, da wird doch das gehen, aber die sind KoF6: ((lachend Ko: ((Lachen 061
F6: ja viel kleiner, nicht? ((lacht)) (xxxxx xxxxx) gesagt KoF6: )) ((lachend Ko: )) 062
F6: hab, (ich will da) Deutsch lernen können, nicht ? KoF6: )) 063
Mo: Eine räumliche Trennung war nie zur Diskussion oder wie? 064
Mo: (xxxx) Aha/\ F6: Sie hat keinen Raum. Und/ ja, so. Aber es ist dann/
206
065
F6: Aber irgendwie haben wir uns dann doch arrangie rt, und auch 066
F6: mit der Direktorin ist dann rauskommen, dass di e die 067
F6: (ur) Probleme mit dem Schulwart hat, die haben anscheinend 068
F3?: ((lacht)) F5: Mhm\/ F6: da a irrsinnige Macht, die Schulwarte, ich weiß es nicht, 069
Mo: Die F6: und die Lehrer waren nicht wirklich motiviert da. Also 070
Mo: Klassen/ Ja,mhm\/ F6: (zumindest) einen Anruf zu machen. Es ist eher so a richtig 071
Mo: Mhm\/ F6: klassische Volksschule. Ja. ((lacht)) Und, ja.
Keine reinen Deutschkurse
Die oben stehenden Erzählungen über die stolzen Kinder und Männer der KT zeigen, welche
Auswirkungen die "Mama lernt Deutsch"-Kurse auf das soziale Leben der KT haben können und
bestätigen dadurch das Projektbezogene Curriculum, das eine Verbindung von Sprach- und
Integrationskurs vorsieht.
Auch die KL empfinden diese Zusatzfunktion des Sprachkurses als sehr positiv:
F5 416
072
F5: Äh, ja, dieses/ diese Mama lernt 073
F5: Deutsch Kurse, das geht noch viel weiter eben. Also es ist 074
F5: nicht nur Deutsch, sondern es ist, eben wies du schon 075
F5: gesagt hast, es ist eine andere Ebene, […]
F1 1053f.
076
F1: […] ich hab immer das Gefühl 077
F1: gehabt, also ich hab ja dort so beinahe (xxxx), boah , bin 078
F1: ich a schlechte Kursleiterin. Und war vollkomme n zerstört. 079
F1: Bis ich den Zwischenbericht schrieb/ geschriebe n hab für 080
F1: [KTr], wo mir eigentlich klar worden ist, 081
F1: was das eigentlich ist , ja? Nämlich kein Deutschkurs, 082
207
Mo: Mhm\/ F1: sondern da steckt viel mehr dahinter, und dann hab ich 083
F1: mich entspannt und dann ist eh alles wieder gangen. ((lacht))
Erfolge
Die KL konnten im Laufe der Kurse sehr schöne Erfolge, die sprachliche, aber auch soziale
Kompetenz der KT betreffend, feststellen. Diese Erfolge äußerten sich etwa in verbesserten
Sprachkenntnissen, in der vermehrten Teilnahme an schulischen Veranstaltungen oder in erhöhtem
Selbstbewusstsein, das auch eine neue Autonomie der KT nach sich zieht:
F2 berichtet in der folgenden Passage davon, dass ihre KT durch den Kurs am Elternsprechtag
teilgenommen haben:
F2 1099 084
F2: […] schöner Erfolg, aber sie sind zumindest zum Sprechtag 085
Mo: Mhm\/ F2: gegangen. Weil sie haben gsagt, der Mann geht , hab ich 086
F2: gsagt, Aufgabe Deutschkurs, Du gehst. ((lacht)) Und dann 087
F2: waren sie ganz stolz, und ich hörs halt dann von den 088
F2: Kolleginnen, Du, die versteht ja wirklich schon gut.
In den folgenden Passagen erzählen F6 und F5 vom erhöhten Selbstbewusstsein der KT und der
daraus resultierenden Autonomie der KT:
F5 1133ff.
089
F5: Ja, bei mir ists so, ich hab den Eindruck, dass das 090
F5: Selbstbewusstsein bei sehr vielen/ also dass da s halt 091
F5: entscheidend ist, dass (eben) das Selbstbewusst sein wirklich 092
F5: größer geworden ist, weils eben vielleicht geme rkt haben, 093
F5: ich bin a Österreicherin, ich sitz auch am Spie lplatz 094
Mo: Mhm\/ F5: mit meine Kinder ((lacht)) , und wir haben uns ständig 095
F5: getroffen, und dann die Hemmschwelle war überha upt nicht 096
F5: mehr da, also wir waren total auf der gleichen Ebene, ah, 097
208
F5: und das hat ihnen irgendwie/ ich glaub das Selb stbewusstsein 098
F5: ist auf jeden Fall stärker geworden, und dadurc h haben 099
F5: sie sich dann auch mehr getraut. So mit der Dir ektorin 0100
Mo: Mhm\/ F5: sprechen, oder zu die Ämter und Behörden und ga nzen 0101
F5: Einrichtungen, das/die Hemmschwelle ist sicher gesunken,[…]
F6 1124ff.
F6: Also sie hat 0102
F6: gesagt, zum Arzt und so das geht schon, da nehm en sie 0103
Mo: (xxxx) F6: jetzt nicht mehr den Mann mit, und ((lacht)) und, ah, in 0104
Mo: Mhm\/ F6: der Schule, na ja, das macht schon der Mann. Ab er/ 0105
F6: Aber ich hab/ Also von ihnen ist eher gekommen, sie wollen/ 0106
F6: sie wollen da jetzt Deutsch lernen. Also sie ha ben F?: Mhm\/ 0107
F6: ganz stark das Bewusstsein, dass das so der Sch lüssel ist, 0108
Mo: Mhm\/ Mhm\/ F6: zu allem anderen. Also ich hab den Eindru ck gehabt, 0109
Mo: Ja, ja, F6: dass sie relativ gut Bescheid gewusst haben in der Beziehung
Obwohl es auch Einzelfälle gab, die in den acht Kursmonaten nur in geringem Maße ihre
Deutschkompetenz erweitern konnten, ist der Gesamteindruck des Lernerfolges sehr positiv:
F2: 1089 F2: Die haben jetzt zum Schluss, so in unserer Reflexionsp hase 0110
F2: gesagt, jetzt, das (Wort), dann hat sie gesucht , trauen 0111
Mo: Mhm\/ F2: war das Wort, traue ich mich, mit Lehrerin, Kin dergärtnerin 0112
Mo: Das ist aber toll, ja, F2: und beim Arzt sprechen. F3: Ja,
209
Probleme
Bezahlung
Ein Thema, das immer wieder angesprochen wird, ist die Bezahlung der KL: Die KL beklagen sich
über die zu geringe Bezahlung, in die weder der zusätzliche organisatorische Aufwand, noch die
Vor- und Nachbereitungszeit eingerechnet werden. Die KL wünschen sich eine Entgeltung
zusätzlicher Koordinations- und Vorbereitungsstunden, da sie in den meisten Fällen auch das
Kursmaterial selbst zusammenstellen müssen. Des Weiteren wird gleiches Honorar unabhängig
vom Kursträger/ von der Kursträgerin gefordert. Auch die schlechte soziale Situation der
Existenzlektorinnen, die bei "Mama lernt Deutsch" ohne Anmeldung lediglich neun Monate im Jahr
arbeiten, wird wiederholt thematisiert.
F5 427 0113
Mo: Mhm\/ Mhm\/ F5: […] super Erfahrung, ich möchte weiter unterric hten, äh, für 0114
F5: mich ists nicht so einfach, weil ich bin, ahm, eigentlich 0115
F5: Alleinverdienerin, also für mich ist das schwie rig, weil 0116
F5: dieses/ also ohne Anmeldung, das selbstständig Arbeiten 0117
F5: ist eigentlich nichts, was/ ich brauch ei/ ich bin jetzt 0118
F5: noch in Karenz und schau, dass ich dann schon w as anderes 0119
F5: noch zusätzlich mach, weil mir das zu wenig ist . Ja.
In der folgenden Passage diskutieren F1 und F4 dieses Thema:
F1 u.a. 559ff 0120
Mo: Aha/ \ F1: Also ich find das wird total unterbezahlt. Weil, ah/ 0121
Mo: Geh ma gleich zum Zweiten/ Die erste Runde habe n wir eh 0122
Mo: schon, also Probleme, Schwierigkeiten, die Sie da sehen, ja? F1: Mhm\/ 0123
F1: Also, ahm, wir haben uns da ein bisschen inform iert, also KoF1: ((deutet 0124
F1: in diesem/ ahm, in unserem, ah, ahm, (Grätzl da ), und, KoF1: auf F2 und sich)) 0125
F1: ah, is in der/ es hat geheißen brutto Fünfundzw anzig, 0126
F1: davon wird der/ (xxxxx) einmal der Träger und ( wird) die
210
0127
F1: Versicherung gezahlt, auf/ auf jeden Fall sind das knappe 0128
F1: Zweiundzwanzig oder ungefähr, die uns übrig ble iben, gell? 0129
F1: Und das ist/ das sind aber die reinen, äh , fünfzig F2: Mhm\/ 0130
F1: Minuten. – Es wird keine Vor und keine Nach(bea rbeitung), 0131
Mo: Mhm\/ F1: nichts bezahlt. Und ich find das einfach sehr KoF1: ((lachend)) 0132
F1: unprofessionell, ja? Es/ Es/ Es/ F3: Aber das ist ja eh ziemlic h viel, Ko: ((F5 und F6 flüstern miteinander)) 0133
F1: Ja, F3: weil wir kriegen Neunzehn und nichts mit brutto oder sonst F?: (Ja,) 0134
F3: irgendwas, sondern Neunzehn auf die Hand. Und d as heißt 0135
F3: so wie/ Ich machs jetzt auch selbstständig, das heißt, da 0136
F3: kommen dann noch fünfundzwanzig Prozent Sozialv ersicherung 0137
F1: Ja, ja. Genau. Also erstens de shalb hab […] F3: weg. (Von den) Neunzehn.
Auch in den folgenden beiden Passagen thematisiert F1 ausführlich die Frage des Honorars: F1 587 0138
F1: Und dann hats 0139
F1: irgendwann geheißen, wir kriegen fürs Sommersem ester 0140
F1: vier Koordinationsstunden bezahlt, und, ah, für s 0141
F1: Wintersemester, na, ja, das war halt schon. Dan n hab ich Ko: ((Lachen)) 0142
F1: mich aufgeregt. ((lacht)) Hab ich gesagt, das kanns nicht Ko: ((Lachen)) 0143
F1: sein, weil grad/ im Sommersemester tun wir das auch , ja? 0144
F1: Aber im/ grad im Wintersemester extrem viel Arb eit. Und 0145
F1: dann hats im Nachhinein geheißen, wir kriegen ( wir/) fürs 0146
F1: Wintersemester und das Sommersemester vier Koordinationsstunden. 0147
211
F1: Und ich find das trotzdem zutiefst unprofessionell wie 0148
F1: wir bezahlt werden, ja, für das was wir da eigentlich 0149
F1: zusätzlich aufbereiten müssen. Und ich mein, ich hab das 0150
F1: eh/ wir haben das zusammen geschrieben, wir hab en uns dann 0151
F1: irgendwie zusammen gesetzt, und das ist wirklic h, wirklich 0152
F1: a Wahnsinn, dass das keine Vorbereitungs und Au fbereitungs, 0153
F1: vor allem Aufbereitungs/ Materialaufbereitungsz eit bezahlt 0154
F1: wird, […]
F1 629f. 0155
F1: […] wir wollen unbedingt eine/ 0156
F1: ((räuspert sich)) eine/ eine/ eine bessere (Bezahlung), so/ 0157
F1: und zwar so, dass eine eigene ((räuspert sich)) Stunde 0158
F1: oder eine eigene Einheit pro Vormittag zusätzli ch dazu 0159
Mo: - Mhm\/ F1: kommt. Das ist das, was wir/ mit dem wi r leben. 0160
F1: Weil ((lacht)) man muss sich mal vorstellen, ja, (wenn man)/ 0161
F1: also jede Unterrichtseinheit wird normalerweise doppelt 0162
F1: verrechnet, ja? Das ist üblich. Außer in diesem 0163
F1: Erwachsenenbildungsbereich, nicht? Den kenne ic h ja auch F3: Mhm\/ F?: Mhm\/ 0164
Mo: Mhm\/ F1: zur Genüge.
F1 651f. 0165
F1: Aber mir gehts um die Arbeit, und ich sehe, ich hab 0166
F1: einen Vergleich mit anderen Sprachkursen, ja? U nd ich 0167
F1. sehe was das für ein Aufwand ist. F6: Die sind schon viel/ viel, 0168
F1: Unglaublich , ja, F6: ah, aufwändiger, die Mama lernt Deutsch Kurse, (genau.)
0169
212
F1: Ja, also man F6: Weil ich kann da nicht mit einem Buch oder/ F?: M hm\/ 0170
F1: geht da nicht hin, macht vorher seine Vorbereit ung für F6: (Ja,) 0171
Mo: Ja, F1: den/ und der/ der Ablauf lauft halt so, wie man s/ wie 0172
F1: man sich das vorstellt, sondern das ist ja un unterbrochen 0173
F1: wird alles/ also man muss sich ja ununterbroche n, ahm, also 0174
F1: sehr viel antun.
F3 954f.
0175
F1: ((zeigt auf)) F3: Ich find, dass zusätzlich die Arbeit einfach ni cht 0176
Mo: ((zeigt auf F1)) F2: Ja, F3: gewürdigt wird. F5: Ja, genau.
In der folgenden Passage erklärt eine KL, die anfänglich zwei "Mama lernt Deutsch"-Kurse abhielt,
ihren Wechsel zu einem anderen Kursanbieter:
F6 544 0177
F6: Aber sonst, ah, hats mir/ Ich möchert nicht nur Mama 0178
Mo: Mhm\/ F6: lan/ lernt Deutsch Kurse machen, also aber als/ einen oder 0179
Mo: Mhm\/ Und der Wechs el, ah, F6: zwei schon. Aber sonst/ Ja. 0180
Mo: hat auch mit ökonomischen Gründen zu tun? (Soll en) die 0181
Mo: anderen besser zahlen oder/ Also (die/) die Kur se (xxxx)/ F6: Äh, nicht wegen dem Zahlen, aber/ 0182
Mo: Okay. F6: aber sie gehen das ganze Jahr und sie sind/ die sind dann 0183
Mo: K lar. F6: jeden Nachmittag vier Stunden am BFI, und das i st einfach 0184
Mo: Okay. Ist kl ar, ja, mhm\/ F6: halt/ Wenn man nur davon lebt, dann ist es/ Wenn das 0185
213
Mo: Ja, ja. Klar, mhm\/ mhm\/ F6: im Mai aus ist, dann/ Ja. Ja, ja. KoF6: ((lachend)) Ko: ((Lachen )) 0186
Mo: Das heißt, diese Begrenztheit ist das (ökonomis che)/ Gut, 0187
Mo: also für die, die das als Existenzlektorinnen u nter 0188
Mo: Anführungszeichen machen würden, wär das eigent lich ein 0189
Mo: großes Problem, oder? Ja, das kan n man F6: Ja, ja, sicher, ja. 0190
Mo: nur nebenbei machen? F6: Ja, kann man nur nebenbei/ Ja.
Mangelnde Betreuung durch die Kursträgerorganisation
Ein weiterer während der Gruppendiskussion geäußerter Kritikpunkt betraf die – zumindest in
einem Fall – mangelnde Betreuung durch die Kursträgerorganisation:
F3 694 0191
F2: ((flüstert F1 etwas zu )) F3: Aber es ist so, bei unserem 0192
F3: Kursträger ist es so, dass wir/ dass uns Null abgenommen 0193
F3: wird. Das heißt, wir haben die komplette Arbeit. Also 0194
F3: wir haben, ah/ es ist im Prinzip/ also es gibt keine/ nicht 0195
F3: irgendwelche Materialien, die zur Verfügung gst ellt 0196
F3: werden, so (hab ichs gemeint). Es gibt keine In formationen, Ko: ((F1 und F2 reden leise 0197
F3: die zur Verfügung gestellt werden. Es ist alles , was in Ko: miteinander )) 0198
F3: Richtung Exkursionen/ Also wir haben das dann n ämlich auch 0199
F3: so gemacht im [Zahl] Bezirk, dass war bei diese n ersten 0200
F3: Kursleiterinnentreffen, da die anderen, ah, get roffen, 0201
F2: Mhm/\ F3: dann haben einmal wir Emails aus/ ausgetauscht, und 0202
F3: dann haben wir halt einfach untereinander, Tref fen ist 0203
214
F3: sich nie ausgegangen, haben wir halt gemailt, u nd (gesagt), 0204
F3: ja gut, ich war jetzt in der Bücherei, und da h ast 0205
F3: irgendwie Ansprechpartnerinnen, und frags mal, und ich/ 0206
F3: ich hab die Psychologin eingeladen und hin und her. Um da 0207
F3: einen Austausch zu machen, und die/ das Einzige , was die 0208
F3: [KTr] gemacht hat war, hin und wieder eine Rund email 0209
F3: an die Kursleiterinnen zu schicken, äh, wo wart s denn ihr 0210
F3: schon mit euren Leut? Das habens dann gesammelt und 0211
Mo: Mhm \/ F3: haben die dann an alle ausgeschickt. Aber es is t nie 0212
F3: irgendein Input von dort gekommen. F4: Und Vorschlä ge oder 0213
F3: Keine Vorschläge. Keine Informat ionen. F4: Informationen? Ko: ((F1 und F2 0214
F3: Ich bin mit allen Fragen, die irgendwie inhaltl ich waren, Ko: reden leise miteinander )) 0215
F3: bei ihr war (alle)/ ich hab die so (immer) wo i ch nicht 0216
F3: sicher war, muss ich jetzt so a/ so a ÖIF Prüfu ng machen 0217
F3: und so, das ist alles/ das/ da schickt man einm al ein 0218
F3: Email, dann ruft man zwei mal an, und das/ es/ also man 0219
F3: kriegt nicht einmal diese/ also die Basics.
F3 749 0220
Mo: Okay. Mhm\ / F3: […] das ist keine geheimes Wissen. Und ich 0221
F3: denk mir, wenn man so einen Kurs veranstaltet, dann erwart 0222
F3: ich mir, so wie das dort ist, dass ich sag, oka y, 0223
F3: Exkursionen sind geplant, dort und dort könnts vielleicht 0224
F3: hin gehen. Ah, die und die Fragen für Experten tauchen 0225
F3: vielleicht auf, da und da und da Ansprechperson für 0226
F3: Gesundheit, Ärzte, Vorsorgeuntersuchung, des un d des, 0227
215
Mo: Mhm\/ F3: ich mein, das ist im Prinzip, das mindeste, was an 0228
Mo: Ja, F3: Vorarbeiten/ nicht einmal das ist/ ist gmacht w orden. 0229
F3: Und das find ich nachher echt total/ Und das Gl eiche in den 0230
F3: Schulen, das halt nicht einmal aus(ausgeführt) wird, wie 0231
F3: ist das jetzt mit de/ im Prinzip kriegt man die Verständigung, 0232
F3: okay, der Kurs findet statt, aber wann genau mu ss man eh 0233
F3: selber mit der Direktorin ausmachen, wo genau m uss man 0234
F3: selber mit der Direktorin ausmachen, (wie gesag t), im 0235
F3: Prinzip, die der Kursträger hat nichts gemacht 0236
F3: zur Organisation von meinem Kurs. Das hab alles ich gemacht.
Mangelnde Vernetzung der KL
Auch die mangelnde Koordination und Vernetzung der KL wurde als Kritikpunkt erwähnt:
F1 106 0237
Mo: Ja, F1: Ihre erste Bemerkung von wegen, dass wir uns un tereinander 0238
Mo: Ja, mhm\/ F1: kennen würden, das ist eigentlich ein ganz, gan z großes 0239
F1: Manko , das ich empfinde, weil ich hab au/ also wir haben 0240
F1: uns im im [Zahl], [Zahl] Bezirk (koordiniert ) , ja? KoF1: ((deutet auf F2 0241
F1: (Unsere Kollegen). Und das war ganz wichtig, da ss wir uns KoF1: )) 0242
F1: austauschen konnten im/ im Laufe dieses Jahres, und wir 0243
F1: hätten auch irrsinnig gerne Kontakt zu den ande ren gehabt, 0244
F1: weil wir gerne gewusst hätten, wie es euch eigentlich geht, 0245
F1: ja? Sei es einerseits in den Kursen, als auch, wie das/ Also 0246
F1: die Organisation war etwas holprig, und sagen w ir so, (wir) 0247
F1: alle müssen erst lernen, ja? Das liegt jetzt gar nicht so 0248
F1: an unserem/ an unserer Stelle, aber da ist sich er einiges,
216
0249
F1: was man verbessern könnte und deshalb wärs für uns oder 0250
F1: für mich jetzt ganz interessant gewesen, das kommt eben 0251
F1: auch von den anderen, ja? Wie es euch gegangen ist, ja? 0252
F1: Ob nur wir das so empfunden haben (oder) so, da s wär mir 0253
F1: wichtig. F5?: Mhm\/
Kursbeiträge
Probleme gab es des Weiteren mit dem Einkassieren der Kursbeiträge: Alle KL thematisieren die
Handhabung der Bezahlung der Kursbeiträge als sehr negativ, da sie die Kursbeiträge einsammeln
und zur jeweiligen Kursträgerorganisation bringen mussten. Zwei KL berichtet davon, die
Kursbeiträge von 150 Euro vorübergehend selbst bezahlt zu haben und wie lästig dieses Nachlaufen
um die Kursbeträge ist:
Fl 858ff. 0254
F5: Und dann gabs auch die Probleme, dass sie nicht / das ist 0255
F5: auch wieder ein Punkt, sie wollten nicht zahlen . Dann hab 0256
F5: ich zu der [KTr] gesagt, [KTr], ich will 0257
F5: mit dem ganzen Geld nichts mehr zu tun haben. I ch bin 0258
F3?: Hm, Mhm\/ F5: nicht der Mensch, der eintreibt. Immer, jeden T ag, bitte 0259
F5: bringts die fünfundsiebzig Euro, nein, ich hab eh 0260
F5: Erlagschein, den hab ich verloren, okay, wieder 0261
F5: Erlagschein. Das ist dann wirklich bis zum Schl uss so 0262
F5: dahingegangen, und irgendwie ist das auch nicht meine 0263
F5: Rolle, dass ich immer wieder sagen muss, bitte, zahlts ein. 0264
Mo: Mhm\/ F5: Dann hab/ Und dieses mit die Erlagscheine s chicken, 0265
F5: da muss man sich was anderes einfallen lassen. Also mich 0266
F4: Ich hab das Geld F5: hat das wirklich gestört, mit dem Geldeintreibe n.
217
0267
F4: selber auf/ ((lacht)) (xxxx xxxx) müssen. F5: Das hab ich auch gemacht teilweise, 0268
Mo: Selber bezahlt, was? F4: Nicht Er lagscheine, F5: und das/ Ko: ((Lachen )) 0269
Mo: (Also) gegen Ende, das wird bar einge/ F4: sondern einfach alles bar. 0270
F4: Da war ich völlig überfordert ((lacht)) , weil ich das F5: (Ja, ja,) 0271
F2: (xxxxx) F4: natürlich nicht an einem Tag kommt, dann irgend wann mal 0272
F4: von zwei Kursen/ irgendwann mal/ ich glaube, ic h schulde 0273
Mo: Ja, F4: der Frau (auch eh) inzwischen noch ein/ einen B eleg. Weil 0274
F4: es ist doch zusätzliche Arbeit, nicht? Wenn man nicht F5: Na eh, 0275
Mo: D as mussten F4: wirklich Buchhaltungsqualität/ ((lacht)) , na. F5: ((lacht)) 0276
Mo: alle? F1: Ja. Also ich/ ich hab (eins) F2: Einsammeln? Ja. Zwei Mal. F3: Ja. Ja. F4: Ja. 0277
F1: als/ als ich halt dann zusammengewartet hab, bi s das 0278
F1: meiste Geld da war, dann, ich hab das bar bekom men, bin 0279
F1: ich mit dem Radl zum [Trägerorganisation] gefah ren, hab mir F5: ((lacht)) 0280
F1: gedacht, hoffentlich überfällt mich jetzt keine r. KoF1: ((lachend )) Ko: ((Lachen )) 0281
F3: Ich hab mir das auch gedacht, F5: Ja eh, es (wäre zu Recht). 0282
F3: also wir haben/ ich hab am Anfang dreizehn Teil nehmerinnen 0283
Mo: Mhm\/ F3: gehabt, dreizehn mal fünfundsiebzig Euro, und d as dann 0284
Mo: Mhm\/ F3: vom [Zahl] Bezirk dann nach [Bezirk] bring en.
218
0285
F2: Ich habs/ ich habs F3: (xxxxx xxxxxx ) F4: Aber konntet ihr das nicht einzahlen? 0286
F2: auch (dacht), auf die Idee bin ich auch kommen. Dass ichs F4: (xxxx) auch. 0287
Mo: Mhm\/ F2: ausgebe und dann ((lacht)) von meinem Konto übe rweise. F3: Ja. 0288
Mo: Also/ F1: Das hab ich dann eh auch gemacht. F3: Also das wär v om 0289
F2?: ((lacht)) F3: organisatorischen her glaube ich ned gegangen. Ich bin 0290
F3: da halt hin mit den ganzen Daten , weil da waren ja noch F5: ((lacht)) 0291
F1: (xxxx) F2: Ah so, da wird (x xxx xxxxx) F3: gar keine Daten da von denen. Das war ja nicht/ F5: Stimmt, ja. 0292
Mo: Aber halten sie das prinzipiell f ür, dass F1: am Anfang (xxxx xxxx) F3: das/ das wäre (so nicht gegangen). 0293
Mo: die Kursleiterinnen das einsammeln? Ned F1: Nein. F2: Na ja, F3: (Nein.) F4: (Nei n.) 0294
Mo: wirklich. F2: sinnvoll, aber ich stells mir sonst ganz , ganz schwer 0295
Mo: Ja, F2: vor, weil es war wirklich so, ja, nächste Woche , dann hab 0296
F2: ich wieder gfragt, das hat sich gezogen über ei n Monat 0297
Mo: Mhm\/ Mhm\/ F2: sicher, und da haben wir ja zwei mal Kurs jed e Woche, 0298
F2: also wie das sonst/ Zahlschein haben wir ja übe rlegt, 0299
F2: viele haben keine Konto, da müssens das noch ma l drauf 0300
Mo: Mhm\/ F2: zahlen, diese Kosten, also ich hab keine Ahnung , wie man das F?: Mhm\/ 0301
Mo: Ein Problem, F1: (Frei Haus)
219
F2: sonst machen könnte, aber es ist schon was Läst iges. 0302
Mo: ja, F1: zuschicken? F2?: - (Zuhaus) Zuschicken? F5: Ja, F6: Also wir habe ns bei der 0303
Mo: Mhm\/ Mhm\/ F5?: (Ah so. ) F6: Direktorin deponiert, und das ist dann auch gut gegangen. 0304
F2: Ah ja, das war auch eine Überlegung, aber ich g eh ja auch F6: Das haben wir dann so gemacht. 0305
F2: nicht wegen jedes Mal fünfundsiebzig, das ist ( ihnen auch 0306
F2: nicht Recht). F6: Ich weiß nicht, die haben oft in der ersten Stu nde immer 0307
F2: Ah so, ((lacht)) F5: (xxxx xxxxx) F6: sofort aufgedrängt, die wollten das Geld (xxxx xxxx) 0308
Mo: (xxxx), ja, F6: (xxxx xxxx) gefährlich. Anscheinend schon so ei nen wilden Ko: ((Lachen )) 0309
F6: Eindruck gemacht (xxxx xxxx). ((lacht)) Ko: ((Lachen ))
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Auch die Bewerbung der Kurse wurde als problematisch angesprochen: Eine KL berichtet davon,
dass sie selbst in Begleitung des türkischen Muttersprachlichen Lehrers an einem Elternabend
teilgenommen hat:
F2 181
0310
Mo: Ja, F2: Aber ich/ ich muss schon was sagen, was mir 0311
F2: gleich zu Beginn, ich hab das auch in meinem Be richt als 0312
F2: erstes, wie kommen die Leute jetzt zum Kurs. Klingt gut, 0313
F2: klingt toll, ist an der Schule, aber nur mit Zettel austeilen, 0314
F2: ich bin selber dreifache Mutter und ich weiß, was dann auf 0315
Mo: Mhm\/ F2: einen zukommt, so dauernd eben die Mama (hat He ft) und 0316
220
Mo: Mhm\/ F2: Papa (Heft) und/ und an Zetteln überhaupt, hab mir gedacht, 0317
F2: okay, wo ich hinhöre ist am Elternabend und wen n da noch 0318
Mo: Mhm\/ F2: wer kommt, is besonders nett. Weil ich hab halt immer so/ 0319
F2: Wenn ma die sympathisch ist, dann schick ich me in Kind hin 0320
F2: oder da geh ich auch selber hin. Uns so hab ich s gmacht, 0321
F2: hat mir niemand bezahlt oder keine/ das war ein (innerer) 0322
F2: Auftrag, und hab mir noch dazu unseren Türkisch kollegen 0323
Mo: Mhm\ / F2: mitgenommen und ich glaub das war ganz gut, weil KoF2: ((lachend)) 0324
F2: erstens Mann und die türkische Sprache, weil ic h hab 0325
Mo: Mhm\/ F2: gemerkt, da sitzen die Väter, weil ja die Fraue n noch nicht F3: Mhm\/ F?: Mhm\/ 0326
F2: Deutsch können, und sobald der gesprochen hat war große 0327
F2: Aufregung, und da war (ein) Gespräch und, - ja, und 0328
F2: da waren irrsinnig viele Anmeldungen halt.
Exkursionen
Während manche KL von gelungenen Exkursionen berichten, haben zwei KL, F5 und F6, schlechte
Erfahrungen damit gemacht: In einem Kurs, den F5 von F6 übernommen hatte, drohten die Männer
zweier verschwägerter KT damit, ihre Frauen aus dem "Mama lernt Deutsch"-Kurs zu nehmen,
wenn sie an Exkursionen teilnehmen müssten. Außerdem wurden diese Frauen, wie bereits die
Direktorin dieser Schule berichtete (siehe Kapitel 6.2.3), vom etwa elfjährigen Sohn der einen KT
während des Kurses "kontrolliert". Aus diesem Grund wurde der Elfjährige in die Kinderbetreuung
geschickt.
F5 berichtet in diesem Zusammenhang auch von einem anderen Fall, in dem sie nichts ahnend die
Telefonnummer einer KT einer anderen türkischen Frau gegeben hatte und diese KT anschließend
von ihrem Mann krankenhausreif geprügelt wurde:
221
F5 411
0329
F5: Es war (tofa/) total viel Gewalt, und das war n ichts für 0330
F5: mich, und das habe ich oft auch wieder jetzt en tdeckt 0331
F5: beim Unterrichten und so mit (den Frauen), wenn sie nicht 0332
F5: mitgehen durften bei Ausflügen, weil denen eben die Männer 0333
Mo: Mhm\/ F5: das nicht erlaubt haben, das war für mich oft s chlimm .
F6 439ff.
0334
F6: Das hat/ Das war in meinem Kurs. Das 0335
Mo: Ja, Ja F5: Ja. Mhm\/ F6: hat bei mir schon angefangen, ja? Also die hab en geweint 0336
F6: im Kurs. Also das war schon/ Den Kurs hab zuers t ich 0337
Mo: Ja, ja, F5: Mhm\/ F6: gehabt. Da ist das eigentlich/ Bei dir wars 0338
F5: Ja, Gena u. F6: dann (noch)/ eh schon klar, ned? Aber die haben sobald 0339
F6: ich angefangen hab von Exkursionen, zuerst hab ich nicht 0340
Mo: Ja, ja, F6: gewusst was los ist, (habens dann)/ und/ u nd dann/ 0341
F5: Sie habens dann auch zugeben/ also zugegeben, d ass das 0342
F5: die Männer (xxxx)/ Ja, ja, F6: Ja, na, das war/ da hats Tele fonate 0343
F5: Ja, ja, und die haben auch gedroht, d ass dann F6: geben und so, ned? 0344
F5: die Frauen raus nehmen, der eine Sohn von der [ KT] zum 0345
F5: Beispiel, der ist immer kontrollieren gegangen, F6: Der ist ja kontrolli eren gekommen KoF6: ((lachend )) 0346
Mo: Ja, F5: immer zur Kontrolle gekommen, der ist elf Jahre , und hat 0347
F5: immer rein gschaut und/
222
F6: Ja, der war furchtbar. Ach t Uhr, meine/ 0348
Mo: Also der Bursch hat in den Kurs reing eschaut oder F6: ((lacht )) 0349
Mo: was? F5: Ja, hat gschaut was ma machen und überhaupt. F6: Ja, ja. 0350
F5: Das (hat) alles total interessiert. Es war/ F6: (xxxx) un sere Mutter 0351
F5: Ja sehr aggressi v, auch F6: einen Umgang gehabt. ((lacht)) F?: Ja, ja, 0352
F5: zu den Schwestern, das ist schon/ also und da k riegt man dann 0353
Mo: Ja, mhm\ F5: schon Einblick in so/ Aber man kann es nicht ge neralisieren, 0354
F5: aber im anderen Kurs hab ich auch so einen Fall gehabt, äh, 0355
Mo: Mhm\/ F5: auch eine türkische Frau, ahm, der ihr Mann, d er war auch 0356
F5: sehr aggressiv, und blöderweise, ich hab das da nn erst 0357
F5: im Nachhinein erfahren, ich hab dann irgendwie zwei 0358
F5: türkische Frauen die Telefonnummern gegeben, we il ich 0359
F5: hab irgendwie was gebraucht, ich hab mir gedach t, ich bin 0360
F5: jetzt nicht so (ein guter Vermittler), ich spre che nicht die 0361
Mo: Mhm\/ F5: Sprache, ich hab sie/irgendwie wollte ich sie z usammenbringen, 0362
F5: der eine Kurs mit dem anderen, und das war dann das/ leider 0363
F5: das Problem, dass der Mann die Frau so zusammen geschlagen 0364
F5: hat, dass im Krankenhaus gelandet ist. W eil der F6: Warum? 0365
F5: das nicht akzeptiert/ also der hat das total sc hlimm 0366
F5: gefunden, dass ich die Telefonnummer einfach we iter gebe 0367
F5: von der Mutter, also von seiner Frau, und ich h ab dann im 0368
F5: Nachhinein erfahren, dass sie im Krankenhaus is t, ich 0369
F5: hab dann die Kinder von der Frau/ F6: In der [Straße ](xxxx)? 0370
223
F5: Nein, das war in der [Straße]. Ja, das war ziem lich 0371
F5: schlimm. Und, äh, sie ist dann auch nie mehr ge kommen. 0372
Mo: Und dann F5: Das war jetzt/ Vor drei Wochen ist das passiert , 0373
Mo: ist sie nicht mehr gekommen. F5: Sie ist nicht mehr gekommen, ich wollte noch 0374
Mo: Mhm \/ F5: unbedingt mit ihr reden, und irgendwie mich ent schuldigen 0375
F5: oder so, ich hab mit der Direktorin gesprochen und die 0376
F5: hat auch gesagt, dass das eben total die argen Umstände 0377
Mo: (xxxx) F5: sind und so, also es war echt schlimm. F6: ((4sek)) Na ich 0378
Mo: (xxxx xxxx ) F6: (hab gsagt) damals von Anfang an, dass wir gsag t haben, wir 0379
Mo: Ja, ja, F6: brauchen/ wir machen eine Marktstudie, (xxxx)/ Na, zuerst F?: Ja, 0380
F6: wollt ma am Naschmarkt gehen. Da haben sie gesa gt, am 0381
Mo: Mhm\/ F6: Markt dürfens überhaupt nicht gehen, dann h ats/ 0382
F6: ham wir gsagt (Billa), und dann ist irgendwie h eraus kommen, 0383
F6: dass sie keinen Fuß vor die/ auch nicht (auf) d ie Bücherei. 0384
Mo: Mhm\/ F5: Nein, (xxxx xxxx) F6: Also wenn sie/ Sie dürfen grad in die Schule un d da ist 0385
F6: eben der/der älteste Sohn (in der) Kinderbetreu ung, damit 0386
Mo: Ja, F6: er auf sie aufpassen kann. Das waren zwei Schwä gerinnen, 0387
Mo: Mhm\/ Ja, mhm\/ F6: also die Männer waren Brüder dann. Und das war/ 0388
F6: irgendwie hab ich mich eigentlich damit nicht a bfinden 0389
F6: wollen, aber/ Weil ich hab dann gmeint, was wir da in 0390
Mo: Ja, F6: der Kurszeit machen, das geht keinen was an, ab er da sind 0391
F6: sie total/ also das war unmöglich. Die haben An gst. Also
224
F?: Mhm\/ 0392
F6: die haben dann im Wörterbuch nachgeschaut und h aben (auch)/ 0393
Mo: Wirklich? F5: ((lacht )) F6: ihr Mann wird glühend . ((lacht )) Ja, das war KoF6: ((lachend 0394
Mo: Ja, ja, klar, ja, F6: die (xxxx xxxxx) auf türkisch, ned ? Da (ist) KoF6: 0395
F6: das/ Okay, lass ma das. Und ich weiß nicht, has t du dann KoF6: )) 0396
F5: Ja, F6: noch Exkursionen/ Ich hab dann eigentlich keine (gemacht .) 0397
F5: Ich wollt einmal eine machen und da sinds auch nicht 0398
F5: gekommen und dann hab ich es eben bleiben lasse n. F6: Weil die F?: Ja. 0399
Mo: Ja, F6: wollten unbedingt lernen und das war dann (imme r) total 0400
F5: Ja, dann F6: blöd, wenn man da weggegangen (wäre) und sie da nn/ 0401
F5: hätten wir sie in totale Schwierigkeiten gebrau cht. F6: Da 0402
F6: hätts müssen/ da wäre sie zu Hause geblieben. (xxx xxxx) F?: Ja,
Heterogenität und Varietäten
Weder die in den Kursgruppen mehr oder weniger stark ausgeprägte Heterogenität der KT88, noch
der Themenbereich Österreichisches Deutsch und Varietäten des deutschen Sprachraums wurden
trotz Initiierung durch den Moderator als Diskussionsthemen angenommen. Beide Themenbereiche
wurden nur peripher besprochen. Möglicherweise liegt dies am geringen Problembewusstsein für
beide Themenbereiche, die in der Ausbildung der KL wahrscheinlich nur eine unwichtige Rolle
gespielt haben.
88 Siehe auch Kapitel 6.2.2 ("Heterogenität") und 6.1.1.
225
Folgende Passage beschreibt die Thematisierung von Dialekten im Kurs (die KL spricht hier immer
wieder von einem Film, den sie selbst gedreht hatte und der beim "Mama lernt Deutsch"-
Abschlussfest im Juni 2007 vorgeführt wurde):
F4 1343ff:
0403
F4: […] der Filiale wo wir waren im [Zahl] Bezirk, 0404
Mo: Mhm\/ F4: die Leiterin von der Bücherei halt dort, die ha t sich Zeit 0405
F4: genommen, wir haben einen Termin ausgemacht, un d sie hat 0406
F4: sich irrsinnig viel angetan. Und Mühe gegeben, und sie 0407
F4: hat einfach, aber, äh, es ist schon so sehr net t, wie sie 0408
F4: dann sehr schön Hochdeutsch anfängt und immer w ieder rutscht KoF4: ((lachend )) 0409
Mo: Ja, ja, F4: sie in das Wienerische (wirklich) hinein, nicht alles 0410
F4: ist auf dem/ auf dem/ auf dem Film, manches hab e ich dann 0411
Mo: Mhm\/ F4: weggeschnitten eigentlich, aber es war für di e Frauen KoF4: ((lachend )) 0412
F4: auch lustig. Dann haben sie das absichtlich da gehört, und 0413
F4: na, bist du deppert, das haben sie irgendwie/ d as ist 0414
Mo: Mhm\/ F4: nicht auf dem Film bitte, ((lacht)) aber sie haben 0415
F4: gezielt das auch rausgefischt, was die Frau dan n auch 0416
F4: sagt. Und/ Und dadurch, dass ich selber/ das is t nicht 0417
F4: meine Muttersprache, habe ich auch absichtlich dann, ah, 0418
Mo: Mhm\/ F4: zum Beispiel Schweizerdeutsch (angehört) gehabt , und unter 0419
F4: anderem auch/ wir haben die Religionslehrerin, die 0420
F4: (vorbeihuscht), die kommt aus Südtirol, die hab en wir auch 0421
F4: dazu, äh, (missbraucht), dass sie auch was (vor gelesen KoF4: ((lachend )) 0422
Mo: Das heißt, Sie haben diese Va/ ah, die Varie täten F4: hat,
226
0423
Mo: thematisiert, unterschiedliche Varietäten des D eutschen, F4: Ja, und ich glaub/ (Ah,) 0424
Mo: dass es Schweizerdeutsch gibt, und/ Ja. F4: Genau. Genau. 0425
F4: Und dass Norddeutsche natürlich auch.
Höhepunkte, Tiefpunkte
Auf die Frage nach absoluten Höhe- oder Tiefpunkten während der Kurse nannten die KL viele
Beispiele, auffällig daran war, dass die Antworten auf die Tiefpunkte wesentlich kürzer ausfielen.
Im Folgenden werden einige Beispiele für Höhepunkte widergegeben:
F3 berichtet von einer KT, deren Kind schwer behindert ist, und sie deshalb Anspruch auf eine
Gemeindewohnung hat. Bei einem Gespräch mit einer Sachbearbeiterin, die diesen Anspruch nicht
anerkennen will, setzt sich die KT dennoch durch:
F3 1449ff.
0426
F3: Also ich hab in meinem Kurs eben eine/ 0427
F3: also wirklich eine Teilnehmerin drinnen gehabt, für die 0428
F3: hat das auch voll gepasst. Also die war einfach / Die hat 0429
F3: eigentlich schon super Deutsch können, aber die hat einfach 0430
F3: voll wenig von Wien gekannt , weil sie halt vier Kinder 0431
F3: hat, und eines ist schwer behindert, und sie is t immer 0432
F3: zu Haus, und sie war eben mit uns das erste Mal im Kino , 0433
F3: und/ also es war voll super. Und ich hab halt a uch probiert, 0434
F3: ihnen viel/ also möglich/ das war mein/ mein Ha uptziel, 0435
F3: also eben das Selbstbewusstsein, dass sie sich einfach 0436
F3: trauen zu reden. Weil teilweise haben sie schon ein sehr 0437
F3: großes (Sprachniveau) gehabt, und die Teilnehme rin 0438
F3: hatte zur Zeit/ die wohnt in einer ganz kleinen Wohnung. 0439
F3: Und sie sucht an um eine Gemeindewohnung, und d ie 0440
F3: Sozialarbeiterin hat gemeint, okay, sie hat ein schwer
227
0441
F3: behindertes Kind, äh, sie bräucht eben kein Klo am Gang 0442
F3: und ein eigenes Badezimmer, und das/ also sie h at ein 0443
F3: drauf, und da müsste sich die/ diese Wartezeit verringern, 0444
F3: weil die haben ihr dort sofort gesagt, nein, si e muss 0445
Mo: Mhm\/ F3: fünf Jahre warten, bis sie eine Wohnung kriegt. 0446
F3: Und sie soll doch mit diesem Attest hin gehen. Und dann 0447
F3: hat sie erzählt, nach dem Kurs ist sie dort hin gegangen, 0448
F3: in nächst/ in der nächsten Kursstunde hat sie e rzählt, 0449
F3: also sie war dann dort und hat das gsagt. Die is am Com/ 0450
F3: Die an diesem Computer gesessen ist hat gesagt, ahm, dieses 0451
F3: Attest, das ist wurscht. Das hilft gar nichts. Dann hat 0452
F3: sie gesagt, aber die Sozialarbeiterin hat das g esagt, das 0453
F3: ist wichtig. (Und) sie hat gsagt, na , das ist egal. Und 0454
F3: dann hats gsagt, aber das ist wichtig, und ich will, dass 0455
F3: sie sich das jetzt anschauen, und dass sie das in den 0456
F3: Computer eintragen. Und da halt, ich m ein/ also da Ko: ((Lachen)) 0457
F3: hat/ Sie hat das erzählt, und ich hab gsagt, (j a bitte), F?: Toll. 0458
F2?: Ja, F3: ah! Das ist so super. Also weil das würd ich mich nicht 0459
Mo: Mhm\/ F3: traun. Also ich/ ich würd mich da sicher abwimm eln lassen. Ko: ((Lachen ))
F7 berichtet des Weiteren von einem Fall, in dem der Mann einer KT einen anderen Sprachkurs für
seine Frau wollte, die Frau sich aber durchgesetzt hat:
F7 1523
0460
Mo: Bitte, ja, KoMo: ((deutet auf F7)) F7: - Ja, ich b/ ich hab ein vielleicht nicht so bewegendes,
228
0461
Mo: Mhm\/ F7: aber, ahm, am Ende des ersten Semesters kam ein Gatte mit 0462
F7: einer Türkin, die im ersten Semester bei mir wa r, und da 0463
F7: hat er so gefragt, was wir so machen werden und zweites 0464
F7: Semester und das braucht sie nicht mehr und sie soll 0465
F7: einen gescheiten Kurs besuchen so in die Richtu ng, also 0466
F7: eben einen höheren Level und so, ahm, und sag i ch, na ja, 0467
F7: aber wolltens nicht ihre Frau einmal fragen was sie dazu 0468
F7: sagt? Ja, ja, es mag schon sein, dass ihr gfall t bei euch, 0469
F7: aber ich will jetzt, dass sie woanders hingeht, und ich 0470
F7: hab (gsagt), ja okay, also ich mein das müssts ihr euch 0471
Mo: Mhm/\ F7: ausmachen und ich schau mirs an. Und die Frau h at wirklich 0472
F7: dann das zweite Semester gemacht. Also die hat sich 0473
F3: ((lacht)) F7: offensichtlich durchgesetzt und hat gsagt, also in diesem 0474
Mo: Ja, F7: Kurs will ich bleiben. Obwohl er halt nicht so, ah/ in 0475
F7: seinen Augen so/ so wichtig ist, und die kam da nn wirklich 0476
Mo: Mhm/\ Mhm/\ Mhm/\ F7: das zweite Semester wieder. Also das find ich t oll, dass 0477
F7: sie sich durchgesetzt hat, dass sie den Kurs machen möchte.
Ein wichtiger Punkt, der in der Gruppendiskussion einige Male angesprochen wurde, ist die
Bedeutung der reinen Frauengruppen für den Kurserfolg. In der folgenden Passage erzählen zwei
KL davon, dass die KT ihre Kopftücher im Unterricht abgenommen haben, was in einem
gemischten Kurs keinesfalls möglich gewesen wäre und darüber hinaus für die angenehme und
gelöste Stimmung in den Kursen spricht:
F2 1602ff
0478
F2: […] das haben wir noch gar nicht gesagt, gell? Das find ich 0479
Mo: Ja,
229
F2: auch ganz toll, Frauen. Ganz , ganz/ Da ist viel passiert. 0480
Mo: Mhm\/ F2: Bei mir habens sogar die Kopftücher runter gebe n, (schau wie F4: (Bei mir) 0481
F2: ich (xxxx) und ich war so/ da krieg ich ja heut noch a F4: auch. 0482
F2: Ganslhaut, wirklich so, schau mal, so schau ich aus, und unter 0483
F2: Frauen und die Tür zu und so, also wir sind da sehr intim 0484
F2: geworden, bei mir haben ja Männer gefragt, kann ich auch 0485
Mo: Mhm\/ F2: kommen? Hab ich gsagt, nur wenn Sie Mama sind. Ko: ((Lachen))
F6 1612 0486
F6: Was wollt ich denn sagen? ((lacht)) Na, das ist mir auch 0487
F6: aufgefallen, dass wir zum Schluss eigentlich al les bespro/ 0488
Mo: Ja, ja, mhm\/ F2?: Mhm\/. F6: mit dem wenigen Deutsch, und das geht na türlich nur 0489
Mo: Mhm\/ F6: in einem Frauenkurs, wir haben wirklich alles besprochen. 0490
F6: Und den Ägypterinnen, also das waren dann zum S chluss 0491
Mo: Mhm\/ F6: nur mehr Türkinnen und zwei Ägypterinnen, denen ist das 0492
F6: zu viel geworden, die Türkinnen waren dann/ Und die haben/ 0493
F6: zum Schluss habens dann die Kopftücher runter g enommen KoF6: ((lachend 0494
F6: und Bauchtanz gemacht. ((lacht)) Total (kultig). Aber was KoF6: )) Ko: ((Lachen )) 0495
F6: zu bespre/ also das war/ manchmal hab ich echt geschaut. 0496
Mo: Mhm\/ F6: (Da) war wirklich/ Mit dem/ Auf Deutsch, ned? A ber also 0497
F6: von dem her hab ich gedacht, es ist eigentlich viel weiter 0498
F6: gegangen, ned? Weil (ma am) Anfang nichts sagen können. 0499
Mo: Mhm\/
230
F6: Und die haben da also über ihre Männer und/ und alles habens 0500
Mo: Das heißt, da sind irg endwie F6: besprochen. F?: ((lacht)) Mhm\/ 0501
Mo: Lernprozesse in Gang gekommen, die man nicht me ssen könnte F6: Ja, 0502
Mo: in Form von Tests oder so, sondern/ Mhm\/ Mhm\/ F6: Ja, ja, das/ das denk ich, ja, ja, weil da hört man (nicht 0503
F6: mehr) hin, ob die so richtig alles/ haben über alles 0504
Mo: Mhm\/ F2: Und ich glaub, das wa r ganz F6: reden können. F?: Mhm\/ 0505
F2: wichtig, gell? Also da/ das hab ich den Eindruc k, das ist 0506
Mo: Ja, Mhm\/ Mhm\/ Mhm\ / F2: a/ a Frauengruppe geworden . Zum Sprachkurs. F3?: Mhm\/
Die folgende Passage, die ebenfalls als Highlight berichtet wurde, kann auch als Bestätigung der
großen Bedeutung von Frauenkursen gewertet werden: Die KL erzählt davon, dass sie zu Beginn
der Unterrichtseinheit mit ihren KT Turn- bzw. Aufwärmübungen gemacht hat und dabei
verschiedene Körperteile benannt hat. Eine KT reklamierte dabei die von der KL ausgelassene
Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsorgans:
F1 1584ff.
0507
Mo: Mhm\/ F1: Ja? So einfach nachreden einmal, ja? Di e ganzen 0508
F1: Körperteile, und diese [KT] hat dann, ähm/ und ich hab 0509
F1: zum Schluss gesagt, ja, Kopf und so, Haare, (un d dann), 0510
F1: na, hab ich was vergessen, ned? Hab ich gsagt, und die 0511
F1: [KT], na ja, und? Das Wichtigste? Das Zentrum? Das ist 0512
F1: wichtig , ja? Sie wollt unbedingt wissen jetzt, wie die
F1: Scheide heißt, ja? Weil sie kennt nur, von wege n Varietäten, 0513
Mo: Mhm\/ Ja. F1: das Wort Fut. Von ihren Männern, ja? Hat F2?: ((lacht))
231
0514
F1: gsagt, aber ist das das richtige Wort, das komm t mir 0515
Mo: Ja, Ja, F1: komisch vor, ned? Und die konnte übrigens ned s chlecht, ja? 0516
Mo: Mhm\/ F1: Aber das hat mir/ mir so/ mir so f/ äh, getaugt , weil 0517
F1: (ich mir gedacht hab), na, ich trau mich da nic ht, ja? 0518
F1: Was/ Was (sie)/ Was die Frauen da ansprechen wo llten, F2: Ja, ja 0519
F1: die ganzen jungen (wirklich so) ((macht Piepgeräusche)) Ko: ((Lachen )) 0520
F1: Also das sind unglaubliche Unterschiede, ja? Wa s die 0521
F1: Körperlichkeit anbelangt, und – das glaub ich, das kann 0522
Mo: Mhm\/ Ja, F1: nur in einem Frauenkurs passieren, das macht ei nen ganz F2: Mhm/\ F3: Mhm/\ Ja. 0523
F1: einen gewissen Reiz aus. F2: Ja, F3: Ja,
Ein letztes Highlight betrifft eine thailändische KT, die durch ihre unkomplizierte Art gekonnt das
Eis gebrochen hat:
F5 1503ff.
0524
Mo: Ja? F5: Hm, hm, weiß ned, also bei mir is so, ich hab, Ko: ((Lachen)) 0525
F5: ah, zu einer Kurs, ah, Teilnehmerin ein sehr gu tes 0526
F5: Verhältnis, ah, ja, ja diese Frisörin, diese Th ailänderin KoF5: ((zu F6 )) ((lachend )) F6: ((lacht )) 0527
F5: Und die is für mich so a/ also die hat den Kurs so viel 0528
F5: bewegt irgendwie, die hat irgendwie diese Türki nnen/ 0529
F5: richtig irgendwie mit denen, ahm, sozusagen umg ehen können, 0530
F5: dass sie sich so geöffnet haben. Und das find ich total 0531
F5: super an einem Menschen, die ist so offen , und die war oft auch 0532
F5: richtig/ zum Beispiel Türkinnen, total verhüllt , und dann
232
0533
F5: hat sie gesagt, rasierst Du Dir die Beine? (Ich würds) Ko: ((Lachen )) 0534
F5: zum Beisp/ also bei der war das nicht peinlich und nichts, 0535
F4: Wo her kommt F5: und die hat diese/ oft dieses Eis gebrochen. Ko: ((Lachen 0536
F4: sie? Woher kommt sie? F5: Aus Thailand. ((lacht)) Und mich hat Ko: )) 0537
F5: das so beeindruckt, diese Lebensfreude und dies es/ einfach 0538
Mo: Mhm\/ F5: diese Art von dieser Frau, also die find ich su per. Und/ 0539
F5: Also von der hab ich mir sehr viel mitgenommen, - für mich 0540
F5: war sie eigentlich ein Highlight und ich/ Sie i st jetzt 0541
F5: meine Frisörin auf jeden Fall. F6: Ko: ((Lachen))
Alle diese Höhepunkte können als Bestätigung des Kurskonzeptes gewertet werden, da sie nicht nur
eine Verbesserung der Sprachkenntnisse, sondern vor allem auch den Zuwachs von
Selbstbewusstsein bei den KT dokumentieren.
Die genannten Tiefpunkte während der Kurse beziehen sich – wie die folgenden Passagen zeigen –
auf aus verschiedenen Gründen geplatzte Exkursionen:
F3 1635ff.
0542
Mo: Ja, F3: Ich hab noch einen Tief punkt. KoF3: ((lachend 0543
F3: (Hey, der ist gut.) Ich hab/ Vor Weihnachten ha b ich, ahm/ KoF3: )) 0544
F3: wollte ich meine erste Exkursion machen. Und ic h hab 0545
F3: irgendwie/ Es ist von den Teilnehmerinnen gekommen, die 0546
F3: haben irgendwie gsagt, ja, Christkindlmarkt, ge hen wir 0547
F3: Glühwein trinken zum Christkindlmarkt. Und ich hab (gsagt), 0548
F3: ja, okay, gehen wir zum Christkindlmarkt in der letzten
233
0549
F3: Stunde vor Weihnachten, Donnerstag vor Weihnach ten - gehen 0550
F3: wir zum Christkindlmarkt. Und hab das schon irg endwie 0551
F3: organisiert gehabt und so, und dann haben/ ein oder zwei 0552
F3: haben gesagt, sie können nicht kommen, und dann ist der 0553
Mo: Ja, F3: Tag, ich hab dreizehn angemeldete Leute gehabt, die 0554
F1?: ((lacht)) F3: regelmäßig gekommen sind, und es kommt nur eine . 0555
F3: Dann bin ich allein dagesessen mit einer , mit der 0556
F3: Kinderbetreuerin, und irgendwie hab ic h/ also F?: ((lacht)) 0557
F3: das ist mir auch noch nie passiert. Dann hab ic h eben 0558
F3: versucht jemanden zu erreichen, weil ich nicht gewusst 0559
F3: hab, was mach ich jetzt überhaupt. (Dann) hab ich niemanden 0560
F3: erreicht und dann hab ich, eben hab ich jemanden F?: (Mein Gott.) 0561
F3: anderen bei der Volkshochschule, den ich gekann t hab, hab 0562
F3: ich angerufen, und der hat dann gsagt, nein, ge hst Heim, 0563
Mo: Mhm\/ F3: weil das bringt ja nichts mit einer Teilnehmer/ ich hab 0564
F2: ((lacht F3: gedacht, jetzt allein mit ihr zum Christkindlma rkt wär zwar 0565
F2: )) F3: nett gewesen, aber, ähm/ Und da war ich schon k urz ziemlich 0566
Mo: Mhm\/ F3: deprimiert. Da hab ich/ Da war ich froh, dass d ann die 0567
F3: Weihnachtsferien waren, weil da hab ich/ also i ch/ ich /ich 0568
F3: ich bin zwar nicht mehr so empfindlich wie am A nfang vom 0569
F3: Unterrichten, da hab ich alles/ so (xxxx)/ das war dann 0570
F3: schon ein bissl so, hm/ und das hab ich dann ir gendwie 0571
F3: so über die Weihnachtsferien verarbeitet, und w as dann aber 0572
F3: echt cool war, dann hab ich dacht, okay, ich ve rdonner sie 0573
234
F3: jetzt dazu, sie müssen sich abmelden, wenn sie nicht kommen 0574
F3: können. Und dann haben wir glaube ich zwei Woch en lang 0575
F3: geübt SMS schreiben, Anrufbeantwortertexte hint erlassen und 0576
F3: das alles, und seit dem haben sie das auch wirk lich gemacht.
Auch F7 berichtet von einem Tiefpunkt in ihrem Kurs, in dem sie keine Exkursion zustande
brachte:
F7 1690ff.
F7: Ja, daran will ich auch anschließen, also meine Gruppe, 0577
F7: ich hab sie zu keinem/ zu keinem (Filmtrip) mot ivieren 0578
F7: können. Also sie haben zwar immer ja, ja gesagt , und 0579
F7: wenns dann in die genaue Planung kam, dann konn ten sie 0580
F7: nicht und hatten Handwerk und alles Mögliche im mer, und KoF7: ((lachend)) 0581
Mo: Mhm\/ F7: also Ausflug haben wir keinen geschafft. Ah, Bibliothek 0582
F7: haben wir fast ums Eck, na, das wissen sie eh, da brauchen 0583
F7: wir sie nicht hin/ dort wollen sie nicht hin, und also 0584
Mo: Mhm\/ Mhm\/ F7: wir haben keinen einzigen Ausflug gemacht. Also das war 0585
F7: für mich deprimierend, weil wir haben immer gep lant und 0586
F7: dann/ Das Einzige, was wir geschafft haben, ist zwei Mal 0587
F7: ein Essen zu organisieren, wo alle was mitgebra cht haben, 0588
Mo: Mhm\/ F7: ah, und dann/ das war schon, wo sie dann en dlich sich 0589
F7: die Gruppen begonnen haben zu vermischen, also sprachlich. 0590
Mo: Mhm\/ Mhm\/ Mhm\/ F7: Aber wo hingehen, ich hätt so gern so manches m ir angeschaut 0591
F7: ((lacht)) , aber es/ keine Chance. Auch in den Pausen nicht. 0592
F7: Also die stehen nicht auf in den Pausen oder so . Die 0593
F1: Das stimmt ja, (xxxxx xxxx ) F7: sitzen/ Die sitzen und plaude rn.
235
Ko: ((Lachen )) 0594
F2: Ja, das stimmt. (xxxx F7: Die sitzen drei Stunden auf ein und dem selben Sessel, 0595
F2: xxxxx) F7: und/ und plaudern, also so/ man kann sie nicht so 0596
F7: bewegen so, sie lassen sich nicht so leicht sch ubsen.
Änderungsvorschläge
Die während der Gruppendiskussion geäußerten Änderungsvorschläge können folgendermaßen
zusammengefasst werden:
Die KL wünschen sich bessere Informationen einerseits von ihren Kursträgerorganisationen etwa
bezüglich der Durchführung von Exkursionen und andererseits für die KT im Vorfeld, damit die KT
schon vor Beginn der Kurse über das Kurskonzept Bescheid wissen.
Des Weiteren fordern die KL bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, zu denen auch
organisatorische Angelegenheiten wie etwa Kopiermöglichkeiten in den Schulen und die
Unterstützung bei der Durchführung von Exkursionen sowie der Beschaffung von geeigneten
Unterrichtsmaterialien gehören.
Die Fortsetzung der "Mama lernt Deutsch"-Kurse einerseits als Aufbaukurs und andererseits als
Integrationsvereinbarungskurs wurden ebenfalls als Änderungsvorschlag genannt, wie die
Verbesserung der Kommunikation und Vernetzung der KL, etwa durch eine Art Forum.
Schlussbemerkung
Die Gruppendiskussion gibt in ihrer Plastizität den Ergebnissen der quantitativen
Fragebogenerhebung zusätzlich zu den Einzelinterviews Farbe und Konturen. Der Tenor ist
eindeutig eine sehr positive Einschätzung des Projekts durch die KL, die bereit waren, die Zeit zu
investieren und an einem Montag spätnachmittags ans Institut für Sprachwissenschaft der
Universität Wien zu kommen, um über die Umsetzung der "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme
aus ihrer Sicht zu diskutieren.
Natürlich kann die Auswahl der Teilnehmerinnen der Gruppendiskussion nicht als repräsentativ
angesehen werden, aber sie zeigt, dass sich die besonders engagierten KL sehr stark mit dem
Projekt identifizieren sich und beweist, dass sowohl Konzept, als auch Rahmenbedingungen der
"Mama lernt Deutsch"-Kurse im wesentlich sehr gut angenommen werden. Die Kritik betrifft vor
236
allem die Bezahlung und mangelnde Vernetzung der KL. Sehr differenziert werden auch
Schwierigkeiten für Frauen mit islamischem Familienhintergrund, die Kurse konzeptgemäß zu
besuchen, angesprochen.
Insgesamt dominieren eindeutig Highlights die Diskussion, wobei vor allem der Standort Schule,
die Kombination Volksschullehrerin und KL, die Frauenkurse und das umfassende Lernkonzept
positiv hervorgehoben werden. Die KL zeigen sich besonders im Bereich soziales Lernen und
Erhöhung des Selbstbewusstseins sehr erfreut über die Fortschritte ihrer KT.
6.2.5. Reflexionsworkshop
Der Reflexionsworkshop für die KL wurde, wie bereits in Kapitel 5.1.2.5 beschrieben, an zwei
Terminen Anfang Dezember abgehalten. Insgesamt nahmen laut Dokumentation des Teams rund
um Mag. Dr. Fritz 34 KL daran teil89.
Die Motivation zur Teilnahme am Reflexionsworkshop scheint in vielen Fällen das Bedürfnis
gewesen zu sein, sich über die Probleme mit den "Mama lernt Deutsch"-Kursen Luft zu machen.
Durch die professionelle Moderation des Teams um Mag. Dr. Fritz war die Atmosphäre sehr
angenehm war und die Themen wurden gut strukturiert diskutiert, dennoch trat abhängig vom
Diskussionsthema eine gespannte Stimmung auf:
Korrespondierend mit den Ergebnissen der schriftlichen und mündlichen Befragung beklagen sich
viele KL über die schwierigen Rahmenbedingungen in den Schulen. So werden Probleme mit
unpassendem Mobiliar, unzureichender Ausstattung der Klassenzimmer, die von selbst zu
bezahlender Kreide, über nicht vorhandene Tafeln bis zu mangelnde technische Ressourcen (kein
Overhead-Projektor, kein CD-Player) reicht sowie fehlender Möglichkeit, Kopien zu erstellen,
genannt. In diesem Kontext wurde der Wunsch nach einer Art Anforderungskatalog für Schulen,
die an "Mama lernt Deutsch" teilnehmen wollen, laut.
Auch die negative Aufnahme der "Mama lernt Deutsch"- Kurse in manchen Schulen wurde
kritisiert: Manche KL berichteten vom Desinteresse oder gar Misstrauen vieler LehrerInnen den
Kursen gegenüber, die ohne Initiative der KL nicht an die Kurse herantreten würden, wodurch auch
eine Integration der Kurse in das Schulleben nicht möglich sei. Andere KL beklagen die schwierige
89 Die schriftliche Dokumentation des VWV-Teams über den Reflexionsworkshop wurde inhaltlich nicht in die Evaluation einbezogen.
237
Kooperation mit der Schule und wiederum andere geben an, sich in den Schulen nicht willkommen
zu fühlen und auf schlechte Umgangsformen von Seiten der Schule zu stoßen.
Allgemein wird aber auch betont, dass es Schulen gäbe, in denen alles reibungslos funktioniere und
das Schulpersonal sehr freundlich den KL und KT gegenüber sei.
Hinsichtlich der Kinderbetreuung wurden klarere Rahmenbedingungen von der MA 17 gefordert,
da etwa die KinderbetreuerInnen in vielen Fällen nicht geschult oder schlicht ungeeignet seien,
weshalb viele Mütter ihre Kinder mit in den Kurs nähmen, was wiederum das Kursgeschehen störe.
Des Weiteren dürfe schuleigenes Spielzeug oft nicht verwendet werden oder sei gar nicht
vorhanden. Auch die Räumlichkeiten für die KB sind Gegenstand der Kritik, da sie in häufig nicht
adäquat seien, beispielsweise wenn die KB im Kursraum selbst oder in der Garderobe stattfindet.
In diesem Zusammenhang tauchte die Frage auf, warum nicht auch die Kinder während der
Kinderbetreuung in Deutsch unterrichtet würden.
Die Kritikpunkte bezüglich der Organisation der "Mama lernt Deutsch"- Kurse reichten von
mangelndem Budget für Materialien, unbezahlten Vor- und Nachbereitungsstunden und zu wenig
Informationen bezüglich der Anrechenbarkeit der "Mama lernt Deutsch"-Kurse für die
"Integrationsvereinbarung", über uneinheitliche Bestimmungen zwischen den verschiedenen
KursträgerInnen bis hin zur schlechten Organisation insgesamt. Auch die Werbung, die zu spät und
auch zu wenig eingesetzt worden sei, wodurch viele KT nicht ausreichend über das über einen
"normalen" Sprachkurs hinausgehende Konzept der "Mama lernt Deutsch"-Kurse informiert
gewesen seien, gab Anlass zur Kritik.
Hinsichtlich der Durchführung der Exkursionen waren die KL – zumindest zum damaligen
Zeitpunkt – uneinheitlich informiert, was sich daran äußerte, dass nicht alle KL von der Existenz
des Exkursionsbudgets wussten und manche KL von ihren KursträgerInnen Informationen zu
möglichen Exkursionszielen erhalten hatten.
Eine KL machte ihrem Unmut bezüglich der unzureichenden Bezahlung der KL Luft, indem sie
beklagte, dass es unfair sei, mit der Fairness der KL den Frauen gegenüber zu kalkulieren und den
KL wenig für ihre durch die schwierigen Rahmenbedingungen anstrengende Arbeit zu bezahlen. Es
herrsche dadurch ein Ungleichgewicht zwischen dem "schönen Konzept" und der "schlechten
Durchführung" der Kurse.
Die beim Reflexionsworkshop aufgetretenen Kritikpunkte korrespondieren in allen Fällen mit jenen
der Interviews und Fragebogenerhebung. Schwierige, beziehungsweise schlechte
238
Rahmenbedingungen insgesamt und bezüglich der KB, Vorhandensein und Beschaffung von
Materialien, unbezahlte Vor- und Nachbereitungsstunden, Anrechenbarkeit der "Mama lernt
Deutsch"-Kurse, uneinheitliche Bestimmungen zwischen den verschiedenen KursträgerInnen,
schlechte Werbung, zu wenig Informationen über die Durchführung der Exkursionen sowie
inadäquate Bezahlung, die sehr viel freiwilliges Engagement der KL erfordert.
Unseren Eindrücken vom Reflexionsworkshop zufolge, herrschten – zumindest zum damaligen
Zeitpunkt – große Kommunikationsprobleme zwischen den am "Mama lernt Deutsch"-Projekt
beteiligten Personengruppen, wodurch die einzelnen KL über sehr unterschiedliche, und teilweise
sehr wenige Informationen verfügten.
Auch die unterschiedlichen Bedingungen bei den einzelnen KursträgerInnen, etwa bezüglich
Betreuung, Bezahlung, Kommunikation und Information, aber auch die Tatsache, dass die KL viele
Aufgaben übernehmen müssen, für die sie nicht zuständig sind, tragen zur Frustration der KL bei.
Die schwierige Durchführbarkeit der "Mama lernt Deutsch"-Kurse sorgte auch für Ärger über die
MA 17, da sie in den Augen der KL zu wenig für bessere Rahmenbedingungen der Kurse getan
hatte. Auch wir, als AuftragnehmerInnen der MA 17, wurden mit der Kritik, eine "Alibievaluation"
durchzuführen, konfrontiert.
Der Reflexionsworkshop, dessen eigentliche Funktion war, ein Forum für pädagogisch- didaktische
Besprechungen zu bieten, wurde von den KL genutzt, um ihrer Frustration und ihrem Ärger, etwa
über die schwierigen Rahmenbedingungen, freien Lauf zu lassen. Wenn es von Seiten der KL das
Bedürfnis eines solchen Workshops auch weiterhin geben sollte, erscheint es sinnvoll, zwei
Reflexionsworkshops mit unterschiedlichen inhaltlichen Konzeptionen anzubieten. Wichtig dabei
ist aber, dass ein Reflexionsworkshop mit der Funktion, Probleme zu besprechen, nur dann sinnvoll
ist, wenn schon anschließend an den Workshop, während des Jahres Aktionen gesetzt,
angesprochene Probleme gelöst und Missstände geändert werden.
Auch wenn der Gesamteindruck des Reflexionsworkshops dem Zeitpunkt und der Funktion
entsprechend negativ ausfällt, so muss betont werden, dass dies beim Gesamteindruck des Projektes
keineswegs der Fall ist.
239
7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die Anwendung qualitativer und quantitativer Methoden im Sinne der eingangs beschriebenen
Triangulierung (vgl. Kapitel 5.1) führte zu einer Fülle von Ergebnissen, die aufgrund der
Beteiligung aller involvierten Personengruppen an der vorliegenden Studie deren unterschiedliche
Sichtweisen auf die MLD-Kurse widerzuspiegeln vermögen.
Dabei stellte sich heraus, dass das Konzept der MLD-Kurse von allen involvierten Personengruppen
prinzipiell als sinnvoll eingeschätzt wird. Insbesondere die Niederschwelligkeit der Kurse, das
Kinderbetreuungsangebot und natürlich der Kursstandort Schule, der die Verbesserung der
innerschulischen Kommunikation ermöglicht, wurden immer wieder als große Pluspunkte gesehen.
Aber auch die stattgefundene Stärkung des Selbstbewusstseins der Mütter und erhoffte positive
Auswirkungen auf die Kinder der KT wurden von den befragten Personen oft angeführt, obwohl
wir meist gar nicht explizit danach gefragt hatten. Durch die Kursteilnahme sind zudem wichtige
Schritte in Richtung Empowerment und Öffnung der Frauen gegenüber ihrer deutschsprachigen
Umgebung in Gang gesetzt worden, wie die zahlreichen anschaulichen Berichte der
Kursleiterinnen, Kursteilnehmerinnen und DirektorInnen vor Augen geführt haben. Das Konzept
der MLD-Kurse, wie es in Kapitel 3.2 beschrieben wurde, ist damit in den wichtigsten Punkten
schon in der Pilotphase aufgegangen, für eine nachhaltige und langfristige Wirkung müssen die
Kurse aber natürlich noch weitergeführt werden.
Auch hinsichtlich der in Kapitel 2 besprochenen Bedingungen des Spracherwerbs in der Migration
lässt sich feststellen, dass die "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme – gewissermaßen als
Gegenkonzept zu den verpflichtenden "Integrationsvereinbarungskursen" die Kriterien für
erfolgreiche Kursmaßnahmen erfüllt. Ein wichtiger Faktor ist hierbei die Freiwilligkeit der
Kursteilnahme, ein Konzept, das von ExpertInnen schon lange für Sprach- beziehungsweise
Integrationskurse gefordert wird. Genauso wie verpflichtende, mit Sanktionen verbundene Kurse
eine deutliche Signalwirkung haben, so haben diese Kurse die ihre: Die Autonomie der
Migrantinnen bleibt gewahrt, durch Zwang zum Kursbesuch eventuell auftretende (emotionale)
Blockaden werden vermieden, und auch die vielfach geäußerte Unterstellung, MigrantInnen seien
freiwillig nicht dazu bereit, Deutschkurse zu besuchen, kann widerlegt werden. Die zahlreiche
Teilnahme an der "Mama lernt Deutsch"-Kursmaßnahme beweist des Weiteren die Richtigkeit des
Befundes vieler ExpertInnen, dass nicht mangelndes Interesse, sondern mangelndes Angebot das
Problem sei.
240
Doch auch die Rahmenbedingungen der Kursmaßnahme tragen zu ihrem Erfolg bei, indem zwei
wichtige Punkte, Kosten und Erreichbarkeit, zentrale Stellen des Konzepts einnehmen: Die
Erreichbarkeit der Kurse ist optimal gegeben, da die Schule der Kinder in der Regel wohnortnah
gelegen ist und die Kurszeit während der Unterrichtszeit der Kinder darüber hinaus sehr vielen
Frauen erst die Gelegenheit zum Kursbesuch bietet. Auch die Kursbeitrag ist mit einem Euro pro
Kurseinheit gering gehalten, auch im Vergleich zu den Kosten einer Unterrichtseinheit im Rahmen
der "Integrationsvereinbarung", die sich auf 5 Euro belaufen. Dennoch sollte es Richtlinien für eine
finanzielle Unterstützung in Härtefällen geben, um sicherzustellen, dass alle Interessentinnen die
Möglichkeit haben, an einem "Mama lernt Deutsch"-Kurs teilzunehmen.
Die inhaltliche Konzeption der Kursmaßnahme mit der Betonung auf den Faktor Empowerment ist
besonders gelungen: Die Stärkung des Selbstbewusstseins der Frauen beeinflusst nicht nur den
Spracherwerb positiv, sondern bewirkt auch eine gesteigerte Alltagskompetenz. Eine wichtige Rolle
spielt auch die Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände der Frauen, die durch die
Vorgaben des Curriculums garantiert wird. Gerade auch in Hinblick auf die in Kapitel 2.2.1 anhand
von Rohrer (1983) besprochene Benachteiligung von ausländischen und insbesondere türkischen
Frauen hinsichtlich ihrer Integrationschancen und ihres Spracherwerbs deuten die Ergebnisse der
vorliegenden Studie darauf hin, dass die Kursmaßnahme aufgrund ihrer zielgruppenspezifischen
Konzeption als niederschwelliger Frauenkurs mit Kinderbetreuung und Empowerment-Elementen
einen wirksamen Schritt in Richtung Beseitigung dieser Benachteiligung darstellt.
Die Vernetzung mit dem Kursstandort Schule kann und wird in vielen Fällen zur Herstellung
sozialer Kontakte führen, die den Spracherwerb insofern unterstützen, als das Gelernte unmittelbar
Anwendung findet. Des Weiteren können sie eine positive Einstellung zum Aufenthaltsland
bewirken, die von entscheidender Bedeutung für den Spracherwerb und in weiterer Folge für das
Ausmaß der Integration sein kann. Die "Mama lernt Deutsch"-Kurse zeichnen sich
zusammengefasst durch die Berücksichtigung der Lebensumstände der Teilnehmerinnen und das im
Hintergrund stehende Sprachhandlungskonzept aus. Dabei spielt die Stärkung des
Selbstbewusstseins der Frauen eine besonders wichtige Rolle.
Vor allem die Kursteilnehmerinnen selbst stehen den Kursen äußerst positiv gegenüber, weil sie
konkrete Lernfortschritte feststellen und sich selbstsicherer in der sprachlichen Bewältigung ihres
Alltags fühlen. Dieser Umstand beweist die große Zielgruppengenauigkeit der Kurse. Die
Teilnehmerinnen wünschen sich aber zu einem großen Teil nicht nur, dass sie die Kurse im
241
nächsten Schuljahr weiter besuchen können, sondern auch, dass die Anzahl der Kurseinheiten
erhöht wird. Dass eine solche Maßnahme, beispielsweise auch in Form von Zusatzmodulen,
sinnvoll wäre, wird durch die Einschätzung von über einem Drittel der KL untermauert: Die Anzahl
der Kurseinheiten sei für die Erfüllung der Ziele des – sonst hauptsächlich positiv beurteilen –
Curriculums nicht ausreichend.
Natürlich werden von den beteiligten Gruppen auch Schwachstellen und Kritikpunkte genannt, die
im Folgenden nochmals hinsichtlich der Möglichkeiten zur Verbesserung der Kursmaßnahme
analysiert werden sollen, um daraus entsprechende Empfehlungen ableiten zu können.
Vor allem von den Kursleiterinnen werden schwierige Rahmenbedingungen die Kursorganisation
und –durchführung betreffend sowie eine zu geringe Entlohnung für die besonderen Anforderungen
beklagt. Folgende Maßnahmen (die wichtigsten werden fett hervorgehoben) könnten zur
Erleichterung der Arbeit der KL und zur Verbesserung ihrer Situation beitragen:
Eine Materialsammlung in Form eines Pools, der sowohl schriftliche Unterrichtsmaterialien und
Hörtexte, als auch Informationen zu Exkursionszielen und externen ReferentInnen samt
Kontaktadressen enthält, könnte in einem Nachfolgeprojekt erstellt werden. Dieser Pool wäre am
sinnvollsten elektronisch und/ oder online zur Verfügung zu stellen, um eine leichte
Aktualisierbarkeit der Daten sowie einen zeit- und ortunabhängigen Zugriff zu ermöglichen. Einer
solchen Materialsammlung wäre einem kurstragenden Lehrwerk insofern der Vorzug zu geben, als
dadurch die Methodenfreiheit gewahrt bleibt, und die KL ihren Kurs weiterhin individuell an die
Bedürfnisse der Lernerinnengruppe anpassen können, indem sie aus dem Pool einfach die
entsprechenden Materialien auswählen.
Eine andere Online-Plattform, mit der ein solches Pool kombiniert werden kann, aber nicht muss,
wäre ein Internetforum für den Austausch der KL untereinander, für das die von den Trainerinnen
beklagte mangelhafte Kommunikationsmöglichkeit Anlass sein könnte. Voraussetzung wäre ein/e
Moderator/in, die die Registrierungen und die Forenstruktur betreut, sowie eine vorhergehende
Bekanntmachung und Bewerbung des Forums. Der Internetzugang, der natürlich ebenfalls
Voraussetzung ist, kann unter den Kursleiterinnen als weitgehend gegeben betrachtet werden, da
Email bereits in der Vergangenheit das Hauptkommunikationsmittel zwischen Trainerinnen und
KursträgerInnen gewesen sein dürfte.
242
Um die Kontinuität der Arbeit und eine adäquate Entlohnung sicherzustellen, sollten die
vertraglichen Bedingungen der KL verbessert werden, indem auf die speziellen Anforderungen an
die KL durch das Kurskonzept (z.B. Umgang mit heterogenen Gruppen, Koordinierungsarbeit vor
Ort etc.) in finanzieller Hinsicht Rücksicht genommen wird. Faire Arbeitsbedingungen und eine
angemessene Entlohnung werden hierbei nicht nur von den KL selbst gefordert, sondern
beispielsweise auch vom Österreichischen Verband für Deutsch als Fremdsprache/ Zweitsprache
(ÖDaF) in seinen "Thesen zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im DaZ-Unterricht"
(http://www.oedaf.at/texte/der_oedaf/wofuer_steht/qualitaet.htm).
Für die Exkursionen und externen ReferentInnen erscheinen aufgrund der Kritik der KL an
uneinheitlichen Regelungen Budgetrichtlinien sinnvoll, beispielsweise was Fahrkosten für die KT,
Honorare für die ReferentInnen, Eintritte oder Büchereiausweise betrifft. Informationen bezüglich
Exkursionszielen und ReferentInnen sollten ebenfalls schon im Vorfeld für alle KL ausgegeben
werden, wobei in Zukunft vor allem auf Möglichkeiten für Aktivitäten mit deutschsprachigen
Personen geachtet werden sollte, da diese unseren Daten zufolge im Rahmen der Exkursionen
bisher kaum stattgefunden haben. Da offenbar einige Mütter die Verbindung zwischen
Deutschkursen bzw. Deutschlernen und Exkursionen nicht nachvollziehen konnten, sollten die
Exkursionen zudem in der Bewerbung der Kursmaßnahme unter den Müttern stärker in den
Vordergrund gerückt werden.
Eine Entlastung der KL von aufwändigen administrativen Tätigkeiten, die die Vorbereitung und
Durchführung der Kurse belasten, sollte ebenfalls vorgenommen werden. Dies betrifft vor allem die
Sicherstellung der Möglichkeit zur Erstellung von Kopien in der Schule und das Einsammeln der
Kursbeiträge. Für Letzteres bietet sich entweder das Sekretariat der Schulen oder das bargeldlose
Überweisen mittels Zahlschein an, das allerdings erst von den KL in den Kursstunden erläutert und
trainiert werden müsste, da das bargeldlose Überweisen möglicherweise manchen dieser KT fremd
ist und sie daher auch nicht das nötige Vertrauen für diese Zahlweise mitbringen.
Zur Sicherstellung der Infrastruktur (in der Schule) vor Ort gehört neben der Möglichkeit, Kopien
zu erstellen, auch die Kursraumausstattung sowie die Kinderbetreuung, für die adäquate Räume und
qualifiziertes Kinderbetreuungspersonal gefordert wurden. Eine eigene Evaluation der
Kinderbetreuung, die im Rahmen der vorliegenden Studie nicht durchgeführt werden konnte, wurde
ebenfalls angeregt. Im Reflexionsworkshop wurde zudem eine Art Anforderungskatalog für
243
Schulen, die MLD-Kurse anbieten wollen, vorgeschlagen90. Dieser könnte einerseits zu einer
gezielteren Information der Schulleitung und damit einer Verbesserung der Bedingungen für die KL
und KT vor Ort beitragen und andererseits eine organisatorische Überforderung der DirektorInnen
verhindern.
Eine Förderung des Kurskostenselbsbehaltes für die KT erscheint insofern notwendig, als vor allem
die DirektorInnen und KL von vielen Müttern berichten, denen die Kurskosten zu hoch waren und
die daher teilweise auch nicht teilnehmen konnten. Der Bedarf einer solchen Förderung müsste
allerdings schon bei der Bewerbung erhoben werden, damit finanziell schlechter gestellte Mütter
nicht von Vornherein von den Kosten abgeschreckt werden. Von den DirektorInnen und den
KursleiterInnen wurden ebenfalls die Folder zur Bewerbung der Kursmaßnahme aufgrund der zu
kleinen Schrift und zu umfangreichen Textes als zu unübersichtlich kritisiert, weshalb eine
Neugestaltung – auch der Poster – Sinn machen würde.
Eine stärkere Einbindung der Elternvereine und Muttersprachlichen LehrerInnen, insbesondere der
KlassenlehrerInnen wäre notwendig, um die Möglichkeiten zur Verbesserung der innerschulischen
Kommunikation durch die Kursteilnahme nicht zu gefährden. Durch vorab geplante
Informationstreffen oder durch die Teilnahme an Schulforen und Konferenzen könnten so
beispielsweise die KursträgerInnen die genannten Gruppen gezielt über die MLD-Kursmaßnahme
informieren und für die Beteiligung daran werben. Zwar waren die DirektorInnen vor allem durch
Schreiben der MA 17 eingebunden, jedoch wäre ein stärkeres Einbeziehen der Schulleitungen etwa
in Form von eigenen DirektorInnen-Treffen wichtig, um die Rahmenbedingungen für die
Kursdurchführung sicherzustellen und der Maßnahme ein "Image von oben" zu verleihen, wie dies
eine KL ausgedrückt hat.
Bezüglich der Heterogenität der Kursteilnehmerinnen, die die meisten KL als Schwachpunkt der
Kursmaßnahme angeführt haben, kann festgehalten werden, dass diese wohl in Kauf genommen
werden muss, wenn die Mütter die Deutschkurse auch tatsächlich an den Schulen ihrer Kinder
besuchen können sollen, und nicht etwa an anderen Schulen, in denen Mütter aus verschiedenen
Schulen mit ähnlichem Niveaus zusammengefasst werden.
Angeregt wurden jedoch zusätzliche Module, die die Mütter wählen können, um sich auf
Zertifikatsprüfungen oder für Prüfungen im Rahmen der "Integrationsvereinbarung" vorzubereiten.
90 Laut Information der MA 17 wurde den beteiligten Schulen ein Anforderungskatalog vor allem in Bezug auf die Ausstattung der Kursräume und der Räume für die Kinderbetreuung übermittelt.
244
Dies würde auch dem Wunsch derjenigen KT entgegen kommen, die für den Kursbesuch eine Art
Abschlussprüfung machen wollen, um ein Zertifikat zu erhalten. Zudem muss der richtige Umgang
mit heterogenen Lernerinnengruppen verstärkt in Ausbildungs- und Reflexionsworkshop einfließen,
um die KL auf die Heterogenität der MLD-Kursteilnehmerinnen adäquat vorzubereiten.
Dass die meisten der genannten Empfehlungen aus Vorschlägen der beteiligten Gruppen abgeleitet
wurden, zeigt wie stark sich diese Personen bereits nach dem ersten Schuljahr mit dem MLD-
Projekt identifizieren und daran interessiert sind, es zu verbessern. Insbesondere die
Kursleitererinnen, die mit zahlreichen An- und Herausforderungen konfrontiert sind, sprechen sich
trotz allem vehement für die Fortführung der Kursmaßnahme aus. Noch bedeutender ist aber die
Akzeptanz und der hohe Zufriedenheitsgrad derjenigen Gruppe, an die sich der Kurs wendet: die
Mütter mit anderen Erstsprachen als Deutsch. Abschließend sollen daher nochmals eine Kursleiterin
und eine Kursteilnehmerin zu Wort kommen, um die von ihnen beobachteten positiven
Auswirkungen der Kurse zu beschreiben:
1. Der Kurs stellt für viele der Frauen den ersten und einzigen Raum dar, wo sie unabhängig von ihrer Familie wirken können. 2. Den Frauen wird die Möglichkeit geboten, angstfrei, ohne Druck und in ihrem persönlichen Rhythmus einen Zugang zur deutschen Sprache zu finden. Trotzdem die Lernfortschritte bzgl. Grammatik und freiem Sprechen geringer als von mir erwartet ausgefallen sind, stelle ich fest, dass die Frauen ihren Zugang zur deutschen Sprache und der Gesellschaft, die sie umgibt, ausgeweitet haben. 3. Die Kinder der Mütter sind stolz, dass die Mütter Deutsch lernen. 4. Die Frauen werden im Laufe der Zeit mehr Zugang zu den schulischen Belangen ihrer Kinder finden und sich im "Dschungel" der ihnen oft sehr fremden reglementierten Umwelt zurechtfinden. 5. Die Frauen lernen die Stadt Wien mit ihren Möglichkeiten an sozialen Einrichtungen und Freizeitangeboten kennen und tragen diese Informationen in die Familien. 6. Der Kurs als Ort der Begegnung mit anderen Frauen verschiedenster Herkunft, d.h. Abbau von Ängsten und Vorurteilen Ich finde ihn [den Kurs] wirklich sehr gut. Ich fühle mich auf der Straße wohler als zuvor, weil ich Deutsch kann. Vorher konnte ich eigentlich nicht hinaus gehen. Jetzt fühle ich mich besser, weil ich auch Deutsch kann und sprechen kann. Wir haben mehr Mut. Vorher dachte ich, wenn ich irgendwohin fahre, wenn ich mich irre, wie komme ich dann nach Hause. Aber jetzt, wenn das passiert, kann ich fragen, wie ich zurück nach Hause gehen kann. Für mich ist es sehr wichtig, dass ich beim Arzt meine Beschwerden erklären kann. Dann werde ich sehr zufrieden, sehr glücklich, es ist sehr gut für uns. Ich konnte vorher meine Beschwerden nicht detailliert erzählen. Jetzt kann ich das schon ein bisschen. Aber jetzt haben wir nicht mehr Angst davor, vorher hatten wir das wirklich. Deswegen dachten wir, wenn wir falsch sprechen, dann können sie uns nicht verstehen (KTat2).
245
Literatur
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Anhang
Transkriptionskonventionen - Kurze Pause (ca. 1 Sek.)
-- Mittlere Pause (ca. 2 Sek.)
--- Lange Pause (ca. 3 Sek.)
((4sek)) Pause in Sekunden
: Dehnung
/ Satz- und Wortabbrüche
. Fallende Satzintonation
, Mittel steigende Intonation
? Steigende Intonation (mit interrogativer Bedeutung, bei Fragen und Tags)
! Ausruf
(sicher) Vermuteter Wortlaut
(das/ was) Mögliche Alternativen
(xxxxx) Unverständliches Wort
(xxxx xxxx) Unverständliche Wörter
((lacht)) Kommentar (para- oder außersprachliche Handlung)*
Betonung Betonte Silben oder Wörter sind unterstrichen
Aha/\ steigend-fallende Intonation (nur bei Mhm und Aha markiert)
Mhm\/ fallend-steigende Intonation (nur bei Mhm und Aha markiert)
Zeilen:
Mo: Sprecherzeile Moderator
KoMo: Kommentarzeile Moderator (kursiv)
F1: Sprecherzeile F1
KoF3: Kommentarzeile F3 (kursiv)
F2?: F2 ist vermutlich die Sprecherin
F?: Unbekannte Sprecherin
Ko: allgemeine Kommentarzeile (kursiv)
*Erläuterung zu Kommentaren:
Kommentare sind stets in doppelte Klammern gesetzt, die den Geltungsbereich anzeigen, und in
kursiver Schrift verfasst. Kommentare zu nichtsprachlichen Handlungen, die anstatt gesprochener
Sprache auftreten, befinden sich in der Sprecherzeile. Nichtsprachliche oder metasprachliche
Kommentare, die zusätzlich zur gesprochenen Sprache auftreten, sind in der Kommentarzeile des
jeweiligen Sprechers zu finden (z.B. KoF5).
Allgemeine Kommentare zum Geschehen, die mehrere Personen betreffen, befinden sich in der
allgemeinen Kommentarzeile (Ko).