zur rolle der leber im wasserhaushalt

7

Click here to load reader

Upload: d-adlersberg

Post on 18-Aug-2016

219 views

Category:

Documents


5 download

TRANSCRIPT

Page 1: Zur Rolle der Leber im Wasserhaushalt

KLINISCHE WOCHENSCHRIFT I3. J A H R G / k N G N r . : I I7. M A R Z I934

UBERSICHTEN, ZUR ROLLE D E R L E B E R IM V C A S S E R H A U S H A L T * .

Von

D. ADLERSBERG. Aus der I. Medizinischen Universitfitsklhfik in Wiml

(Vorstand: Prof. Dr. H. EPPINGER).

Die Rol le der Leber im Wasserhausha t t war in den le tz ten Jahren Gegenstand zahlre!cher exper imente l le r nnd klinischer Unte rsuchungen . Sie bes teh t aus zwei K o m p o n e n t e n : einer mechanischen und einer hormonalen .

MAIJTNER und PICK haben bekanntlich die gr013e Bedeutung des Sperrmeehanismus an den Lebervenen naehgewiesen. Die Auf- nahme und Abgabe yon Wasser wird durch Druckvergnderungen in den LebergefXBen. beeinflul3t; die.K0ntraktior~ der Lebervenen hat einen Druckanstieg in den Lebercapillaren zur Folge, es wird Wasser in die Lymphr~ume abgepregt, welches dann auf verschiedenen Umwegen den Ductus thoracicus erreicht. Dieser Weg bedeutet gewissermaBen ~i n ,,i~lberlaufsventil", mit dessen, tlilfe die Leber imstande ist, den ZtffluB und. Abflial3 yon Wasser innerhalb der Blu't- Und Gewebsbahn zu :flberwachen. Bezflglich der Leber- venensperre vgl.: terner LAMSON und IC~0CA, 2~fR]~Y'und SIMONDS, CORI und MAUT-NER, ELIAS und F]~LLER, POPPER. Vagusreizung fflMt zu einer SchlieBung, Sympathicusreizung.zur 0ffnung der =Lebervenensperre; die st~rksten Reizmittel sind der anaphylak- tische sowie der Histamin= und Peptonshock. Nicht unbetr~chtliche Wassermengen treten direkt, yon der Leberoberfl~che in die freie ]3auchh6hle aus,. um yon bier wieder riickresorbiert zu werden (KuNTz nnd 1VIoLITOR). Die fiberragende mechanische Rolle der Leber wurde weiterhin durch sehr eindeutige Befunde yon 1VioLITOR und PlCX gestfltzt : I~nnde mit Eckscher Fistel scheiden getrunkenes Wasser viel raseher aus als. vor der Operation; .bei umgekehrter Eekscher Fistel hingegen ist eine wesentliche'Verz6gerung der Wasserausseheidung .festzustellen. Bei den Ver~nderungen des Wasserwechsels im Unte rd ruck kommt de r Leber eine wichtige Rolle zu (ELIAS, I~AUNITZ U. LAUB).

Neben dem mechanischen EinfluB k o m m t der Leber wohl eine bedeutungsvol le hormonale-Rolie im Wasse rhausha l t zu. Das ge t runkene Wasser wird anscheinend erst dnrch die Leber- passage harnf~hig. U n m i t t e l b a r i n eine per iphere Vene in- fundier tes Wasser wird viel l angsamer ausgeschieden als per- oral dargereichtes ; nur Wean die Infus ion in eine Mesenterial- vene erfolgt, somi t ers t der Leber zugeff ihrt wird, wi rk t es ebenso diuret isch wi 9 das get runkene. Leberexs t i rpa t ion beim F r o s c h h a t be t rgcht l iche Gewiehtszunahme und s tgrkere ..Hydratisierung der Gewebe zur Folge (MoLITOR und PlCX). Ahnl iche Ver~nderungen zeigen phosphorverg i f te te Fr6sche .(FROHLICH nnd ZAK). Die , ,hormona le" Rol le der Leber im VVasserhaushalt wfirde somit einersei ts dar in bestehen, dab dem durch lanfenden Wasse r seitens der Leber ein K6rper (ein H o r m o n ?) be igemeng t wird, der es erst harnf~hig macht , anderersei ts wfirde der Leber eine gewisse Kont ro l le fiber den Wasse r s t andard der Gewebe zukommen. Es g d a n g zuerst LAMPE, dann GL&UB&CH Und-MoLI~O~, diuresef6rdernde und d iuresehemmende F rak t ionen aus der Leber zu gewinnen. Schon wenige Mi l l ig ramm der diuret ischen F rak t i on waren auger- ordent l ich wirksam. Gemeinsam m i t GOrTSE~EI~ konnten wit nach Zuluhr exzessiver Dosed yon Lebe rex t r ak t en des Hande ls bei Versuchst ieren eine h e m m e n d e Wi rkung anI den Wasser- versuch beobachten. Es liegen auch klinische Beobach tungen fiber die diuret isehe Wi rkung der Lebe rex t r ak t e vor (GRoss- 3KA_NN, PORGES, G A S P A R I N I , HUEBER ' ) . N a c h neueren Unte r - suchungen yon CLA~JSSEN, die den Mechanismus der Sa lyrgan- diurese zum Gegenstande haben, scheidet die Leber m i t der ~ Galle einen d iuresef6rdernden Stoff aus.

* Vortrag, gehalten in der Wiener Bi01ogischen Gesellschaft am 22. I. 1934. Die Wiedergabe der Tabellen und Kurven unterbleibt aus Raummangel.

Klinische Wochenschrift, 13. Jahrg.

Seit den ersten Beobachtungen yon GILBERT und LEREBOULLET, die bei Leberkranken eine verz6gerte Harnausseheidung fanden (,,hepatale Opsiurie"),. ist es bekannt, dab bei Leberparenchym- sch~digungen die Wasserausscheidungsf~higkeit St6rungen erleidet (LAND'AU und PAP, WAGNER und PICI~, MAUTNER, ADLER, BERG- MARK U.a.). Leberkranke reagieren auch auf Zufuhr yon Mineral- stoffen ghnlich wie 0demkranke (KRISS und POLLAK, BECK- MANN). �9

K 0 m m t somit der Leber eine wicht ige IZolle als mechani - sches und hormonales Z e n t r u m im Wasse rhausha l t zu, so mnB gewissen Stellen des H i r n s t a m m e s die Funk t ion eines ,,ner- vSsen Wasserzentrums" zugesprochen werden. N a c h den Unte r suchungen yon PIcK m u g m a n sick dieses Z e n t r u m als zweisinniges Zen t rum vors te l len: es regel t durch Nerven- einflflsse die Wasse raufnahme aus dem ]~lute und die Wasser- abscheidung der Gewebe in das Blut . Man ~ kann sich auch dieses Zen t rum gekoppel t aus e inem Hydrgmie - nnd An, hyd rgmiezen t rum denken, und es mfissen Beziebungen zu einem gleichgeschal teten Kochsa lzzen t rum angenommen wer- den. So ist es bekannt , dab zentra l angreifende Pharmaca , gewisse Narko t i ea und Ant id iure t ica e indent ige Wi rkung auf den Wasserhausha l t ausfiben (E. P. PIcI<, MOLITOR nnd PICK, AVERBUCt(, SCtlnRF U. a.). Bei E r k r a n k u n g e n des Hi rns t am- rues sind S t6rungen des Wassers to f fwechsds zu ridden. Neben ve rminder t e r P i tu i t r i nwi rksamke i t auf die Wasserdiurese (HoPF und WERMER) fanden wir gemeinsam m i t FRIEDMAI~N St6rungen des Wasserausscheidungsverm6gens sowie ver- minder te P i tn i t r inwi rksamke i t auf die Resorp t ion der in t ra - dermalen Kochsa l zquaddd . Es ist nun interessant , dat3 die S t6rungen des Wasserhaushal tes bei E rk rankungen des Mit tel- zwischenhirns Beziehungen zu einer ve rgnder ten Leberfunk- t ion erkennen ,lassen, wobei es im konkre ten Fal le Schwierig- keiten berei tet , zu entscheiden, ob die Ver~nderungen des Wasserhaushal tes p r imer auf die cerebrale E r k r a n k u n g oder auf die St6rung der Leber zu beziehen sind.

I m folgenden sollen einige Bei t rgge zur Rol le der Leber im Wasserhausha l t nI i tgetei l t werden.

I.

U m die S t6rungen des Wasserhaushal tes und ihre evtl . diagnost ische Verwendbarke i t bei Lebere rk ranknngen genauer kennenzulernen, wurde zungchst bei zahlreichen Fgl len un te r ]3eobachtung alter Naute len (vgl. L~BERMANN) der Ver- dfinnungs- und Konzen t ra t ionsve r such ausgeffihrt . ]3ei zehn Kranken mi t meehaniseh bedingtem Ikterus (SteinverschluB in 8, Tumorversch lu~ in 2 F~llen) zeigen 8 normale Wasser- ausscheidung, 2 ein gest6rtes Wasserausscheidungsverm6gen. Von den 8 beztiglieh des Wasserhaushal tes ats normal an- zusehenden Fgl len zeigen 7 nega t ive Galaktoseprobe, I Fa l l einen posi t iven Ausfal l dieser Probe (4,76 g). Die 2 F~lle m i t gestSrter Wasserausscheidung zeigen S t6rungen der Galaktose- assimilation. Es zeigt sich somit, daft neben den ~blichen Leber- ]unktionspr~]ungen auch die St6rung des Wasserhaushaltes bis zu einem gewissen Grade die Annahme eines sekund~iren Leber- parenchymschadens bei F~illen yon mechanisch bedingtem Ikterus erlaubt.

23 K r a n k e mi t e indeut igem sog. Icterus catarrhalis l ieSen sieh nach dem Verhal ten des Wasserhaushal tes in 3 Gruppen einteilen. Gruppe I umfaBt K r a n k e yon leichtestem, ohne jede Behand lnng in k~rzester Zeit abk l ingendem Ic te rus catarrhalis , geringffigigen M a g e n : D a r m s y m p t o m e n , le ichter Leberver- g r6gerung ohne nennenswer te Milzvergr6Berung. Diese F~lle zeigen nega t ive Galaktoseprobe, no rma len Verdf innungs- nnd Konzent ra t ionsversuch . Gelegent l ich ist fiberschiel3ende Di- urese im Wasserversuch wahrzunehmen. Gruppe I I en thg l t

3o

Page 2: Zur Rolle der Leber im Wasserhaushalt

394 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

mittelschwere und schwere F~lle yon Icterus catarrhalis. Bee allen diesen Fallen: wesenttiche 13eeintrgchtignng des All- gemeinbefindens, Appetitlosigkeit, Magen-Darmsymptome, Mattigkeit; Erh6hung der Konsistenz und Verga'613erung der Leber, Milztumor. Sgmtliche Fglle dieser Gruppe zeigen positive Galaktoseprobe und eine mehr oder weniger hoeh- gradige St6rung des Wasserausscheidungsverm6gens. Zu Beginn der Erkrankung ist diese St6rung nur in mggigem Grade vorhanden, erreicht ihr Maximum auI der H6he der Erkrankung, um met Abklingen der klinischen Erseheinungen zur Norm zuriickzukehren. Auch hier sehen wit in den ersten Stadien der Erkrankung, ebenso beim Abklingen des Ikterus, bevor normale Verh~ltnisse des Wasserhaushaltes sich ein- stellen, gelegentlich eine iiberschiefiende Wasserausscheidung. Die St6rungen des Wasserhaushaltes und der Galaktoseassi- milation verlau~en niche streng parallel. In einem Tell der F~tlle wird zuerst d ie Galaktoseprobe, in einem anderen zu- erst das Wasserausscheidungsverm6gen normal. Gruppe 1 I I zeige ebenfalls F~lle yon mittelschwerem and schwerem Icterus catarrhalis. Die Minischen Erscheinungen send denen der Gruppe I I sehr ghnlich. Auch hier besteht Leber-, Milz- vergr613erung. Trotz ausnahmslos positiver Galaktoseprobe linden wit jedoch bee diesen F~illen auI der H6he der Er- kranknng durchaus normale Verhiiltnisse im Verdiinnungs- und Konzentrationsversueh. Gelegentlich ist auch eine Dis- soziation zwischen dem Verhalten der Galaktoseassimilation und dem Wasserhaushalt in umgekehrter Richtung wahrzu- nehmen: bee negativer Galaktoseprobe ausgesprochene St6- rung im Wasserhaushale.

Wit send derzeit niche in der Lage, zu erklgren, warum eine Minderzahl yon Kranken met sog. Ic~erus catarrhalis auf der H6he der Erkrankung keinerlei St6rungen des Wasser- haushalees aufweise, somit sieh in diesem Punkte yon der Mehrzahl der Kranken wesenklich unterscheidee. IKeineswegs k6nnen die Ver~nderungen des Wasserwechsels renal bedingt seen, da die klinischen Befunde (EiweiB im H a m neg.) eine solche M6glichkeit ausschlieBen lassen. Man gewinnt den Eindruck, dab die Galakioseassimilation and die Rolle im Wasserhaushalt verschiedene Partialfunktionen tier Leber daxstellen, welche in verschiedenem Grade geschgdigt seen k6nnen. Es ist einmal troiz gest6rter Galaktoseassimilation der Wasserhaushale normal, wee auch ulngekehrt -- wenn auch seltener -- bee normaler Galaktoseprobe eine betr~eht- liche St6rung der Diurese vorkommt. F~r praktisch klinische Zwecke ist die Galaktoseprobe dem Wasserversuch iiber- legen. Andererseits lie#rt die Pri~fung des Wassert~aushaltes, also einer ganz anderen Partial]unktion der Leber, eine relativ hohe Ausbeute an positiven i'dllen und dar] somit als gate Erg5nzung der i~blichen Leber]unktionspri~fungen an- gesehen werden.

]3ei Lebereirrhose besteht vielfach eine mehr oder weniger ausgesprochene Wasserretention im Verdiinnungsversuch, und dies auch bee F~llen ohne sichebare Odeme nnd ohne Aseites. Allerdings kann im konkreten Falle kaum eindeutig entschieden werden, ob niche trotzdem ein unsichtbares 0dem bzw. ein geringgradiger Ascites besteht, deren Vorhandensein die Beurteilung der Wasserversuche nattirlicherweise wesent- lich erschwert.

~hnlich Iiegen die Verh~ltnisse bee primXrem und me~a- statischem Leberearcinom. Auch hier sehen wit 6feers be- tr/icheliche Einschr~inkung des Wasserausscheidungsverm6- gens. Andererseits zeigen abet Carcinome verschiedenster Lo- kalisaeion ohne Metastasenbildung in der Leber, ebenso wee kachektisierende Prozesse anderer ~eiologie St6rungen des WasserhaushMtes. Somit mfissen die St6rungen der Wasser- ausscheidung beim Lebercarcinom nieht ausschliel31ich auf die Lebererkrankung, sondern auf den konsumPtiven ProzeB zuriickgefiihrt werden. Dutch diesen Befund erleidee der differentialdiagnostische Weft der Wasserprobe eine wesene- liche Einschr/tnkung. Unter allen Umst&nden kann das Er- gebnis des Wasser- und IKonzentrationsversuches nu t zusam- men met dem gesamten klinisehen Bilde und evtl. met den anderen Leberiunktionsprfis ffir die Diagnose heran- gezogen werden.

R I F T . 13 . J A H R G A N G . Nr. II 17. MNRZ 1934.

II . Die St6rungen des Wasserhaushaltes, die man bei gewissen

Lebererkrankungen ~inde~, legten es nahe, auch das ~ier- experiment ffir das Stadium dieser Fragen heranzuziehen. Nut met gr613eer Reserve diirfen solche Versuehe auf die Ver- h&ltnisse des Mensehen 5bertragen werden. Vor allem di~rften die den Wasserhaushale regulierenden IKrgfte bee Tier und Mensch sehr verschieden seen (differente Struktur der Haut und Entwicklung des Zentralnervensystems usw.). Dariiber hinaus darI niche ~bersehen werden, dab die zur experimen- eellen Lebersehgdigung verwendeeen MaBnahmen (Phosphor- vergiftung, anaphylaktischer Shock, Histaminvergiftung) auch andere Organe wesentlich beeinflussen.

Als Beispiel eerier sehweren Parenchymschgdigung der Leber wurde zun~chse die PhosphorvergiJtung gewghlt. Darf doch die Phosphorleber gewissermaBen als experimentelles Analogon der gelben Leberaerophie des Menschen angesehen werden (UMBER). Die sch~digende Wirkung des Phosphors macht sich allerdings auch am Herzen, an den Nieren, an den Capillarw~nden usw. bemerkbar, doch kann man durch ent- sprechende Dosierung die LeberverXnderungen bereits er- zielen, ohne dab die angefiihrten Nebenwirkungen wesentlich in Erseheinung treten. Unsere Versuche waren bereits im Gange, als wit yon den Untersuchungen ABEs IKenntnis er- hielten, die sich allerdings zum gr613ten TeiI in einer ganz anderen Richtung bewegen.

Es wurde zun~chst das Verhaleen der Wasseraviditdit dee Gewebe mit~cels einer indirekten Probe, wee es die ineradermale Kochsalzprobe nach Mc. CL~JR~ and AxI)~ic~ ise, studiere (met B. PAVL). Die Versuchsanordnung gestaltete sich derart, da~ vorher bez/iglich ihrer QuaddeIresorption ausgewertete Versuchstiere met steigenden Mengen yon Phosphor61 vergifeet wurden und dab w~hrend der ganzen Versuchsdauer die Quad- delresorption verfolgt wurde. Es zeigee sich, dab nach Zuhuhr kleinerer Phosphordosen keine ]3eeinflussung der Quaddelzeie erfolge. Erst nach Darreichung gr6Berer Phosphormengen eritt eine ctllmi~hIich zunehmende Resorptionsbesehleunigung auf, die, yon geringen Schwanknngen abgesehen, bis zum Tode der Tiere bestehen bleibt. Somie sehen wit bee der experimentellen Phosphorvergiftung eine gesteigerte Aviditgt der Haut fi~r Wasser, die eine Wasseranreicherung vermueen li~Bt. Dem- entsprechend zeigt die direkte Bestimmung des Wasser- gehaltes der Haut in. excidierten Hautstiickchen nach Ver- fi~tterung yon Phosphor eine Abnahme des Trockenrfick- staudes, eine Zunahme des Wassergehaltes. Die Phosphor- vergiftung hat somit eine wesentliche Verschiebung des Wasserhaushaltes zur Folge, die unter anderem auch in eerier Wasseranreicherung der Hau t zum Ausdruck kommt. Nun k6nnte man fiir die ErklXrung dieser t3efunde neben den Ver~nderungen der Leber auch die der Nieren bzw. der Ge- f~iBe heranziehen. Wit konnten jedoch beobachten, dab bee der yon uns gew~hleen protrahierten Phosphorvergiftung in erster Reihe eine Lebersch~idigung festzustellen war; die Ob- duktion der Tiere ergab auch dementspreehend keine nennens- werten Ver~inderungen der Nieren, keine H~imorrhagien od. dgl. Wit glauben uns daher berechtigt, die Verschiebung des Wasserhaushaltes wenigstens zum gr6Bten Tell auf die schwere Lebersch~digurbg zurt~ckzu~02aren.

Zur Erggnzung warden Diureseversuche am Blasen/istet- hand ausgefiihre. In typischer Weise operierte weibliche Hunde wurden zungchse in Voiversuchen auf eine konstante Wasserausscheidung im ,,Leerversuch" sowie im ,,Wasser- versuch" eingestelle. War die konseante t~instellung erreicht, so wurde met der Phosphorzufuhr begonnen, wobei fort- laufend w~hrend der ganzen Dauer tier Phosphorvergifeung die Diurese (ebenfalls im Leer- und Wasserversuch) verfolgt wurde. Die Leerversuche (ohne Wasserzufuhr) zeigen w/ihrend der Phosphorvergiftung keine auffallende Verh.nderung. So aahen wit z .B. bee einem Versuchshunde in den Vorver- suchen eine 4stiindige t-Iarnmenge im Leerversuch yon 20 bis ~8 ccm, w~.hrend der Phosphorvergiftung yon 23--35 ccm. Auffallend send hingegen die Wasserversuche: See zeigen in den ersten Stadie~, der Phosphorvergiftnng eine ~berseh,ieflende Diurese, die dann allm~hlich zuriickgeht, um in den Spat-

Page 3: Zur Rolle der Leber im Wasserhaushalt

z7. MARZ I934 K L I N ! S C H E W O C H E N S C H

stadien der Vergiftung einer betrdehtlichen Wasserretention Platz zu machen. Auch der Ablau/ der Diurese im Wasserversuch zeigt Vergnderungen: die Diurese setzt in den ersten Stadien rasch ein, ihr Gipfel ist frfiher als in den Vorversuchen erreicht, es ist gewissermaBen eine ,,Linlcsversehiebung" der Diurese fest- zustellen. In den sp~iteren Stadien der Phosphorvergiftung, die durch die verminderte Wasserausscheidung gekennzeichnet sind, erfolgt die Diurese sehr langsam, der Gipfel der Kurve wird sparer als in den Vorversuchen erreicht, man k6nnte ge- wissermaBen yon einer ,,Rechtsverschiebung" der Diurese sprechen. Vergleichen wir unsere Versuche mit denen ABES, so f~llt auf, dub ABE nur fiber verminderte Wasserausscheidung bei seinen Phosphortieren berichtet. AB~ untersuchte bei seinen Tieren das Verhalten im Wasserversuch vor ]3eginn des Versuches nnd 2-- 3 Monate nach Versuchsbeginn. Unter diesen Umsti~nden sah er bloB die schweren Stadien, w~hrend die Ver~inderungen der ersten Wochen seiner Aufmerksamkeit entgangen sind. ABE nntersuchte auch die Ver~nderung des ]3lutes bei seinen Tieren nnd fund, 5&nlich wie dies bei Leber- erkrankungen beschrieben wurde, nach Wasserzufuhr eine verl~ingerte Hydr~imie. Wir wfirden uber gerade auf die Wusserretention in den Sp~tstadien geringeres Oewicht legen (Kachexie der Tiere usw.) als auf die fiberschiel3ende Diurese der Anfangsstadien.

In weiteren Versuchen wurden die Ver~nderungen des Wasserhaushaltes im anaphylaktischen Shoclc studiert. Nimmt doch die Leber beim Zustandekommen des anaphyluktischen Shocks eine dominierende Rolle ein. Neben 5.1teren ArbeiteI~ yon FISCHLER und DENEKE sei hier auf die Untersuchungen von PICK und HASHIMOTO sowie auf die yon ~V[ANWARING und seiner Schule hingewiesen. Durch AusschMtung der Leber kann das Auftreten des unaphylaktischen Shocks verhindert werden, nach ihrer Wiedereinschaltung kann der Shock prompt ausgel6st werden. Auch die physikalisch-chemischen Ver~nderungen des t~lutes stehen mit der Leber im Zusammen- hange, da sie nach experimenteller Ausschaltung dieses Or- ganes ausbleiben.

In Untersuchungen an Kaninchen wurde die Resorption der ~ntradermalen Kochsalzquaddel vor nnd w~Lhrend des Shocks sowie tagelang nachher systematisch verfolgt.

Die Tiere wurden gegen P~erdeserum sensibilisiert, die Reinjek- tion erfolgte mit ~o ccm P~erdeserum intraven6s. Dem schweren, so ausgel6sten anaphylaktischen Shock erlagen 7 yon 2o Tieren.

Die Untersuchung der Quaddelresorption an den zurfick- gebliebenen 13 Tieren zeigte, dab die Quaddelzeit, die nor- malerweise bei unseren Tieren 50--6o Minuten und nur ge- legentlich 4 ~ Minnten betrug, kurz naeh dem Shock betrdichtlich verl~i~rzt ist (2o--3 ~ Minuten). Die beschleunigte Hautresorp- tion bleibt ldingere Zeit bestehen, es dauert meist I - -3 Wochen, bis die normalen Werte wieder erreicht sind.

Die beschleunigte Hautresorption im Shock ist insofern auffallend, als die ]31~isse der Haut nnd ihre schlechte Durch- blutung eher d~s Oegenteil wiirde erwarten lassen. Konnten wit doch gemeinsum mit P~RI~TZ nachweisen, dab gef~iBver- engende 3/IaBnahmen resorptionsverlangsamend, gef~iBerwei- ternde resorptionsbeschleunigend wirken. Das zungchs• paradox erscheinende Ergebnis der Shockversuche erinnert an die Resorptionsbeschleunigung in der Haut nach Pituitrin. Wir erkl~rten diesen Befund durch eine Oberkompensation des Gef~Bfaktors durch einen zweiten, ffir die Hautresorption ebenfulls sehr mal3gebenden Faktor, den ,,Gewebsfaktor". Die wesentliche Beschleunigung der Resorption, die im una- phylaktischen Shock trotz schlechter Durchblutung der Haut auftritt , l~Bt in Analogie zu den Pituitrinversuchen eine weit- gehende Ver~inderung des Gewebsfaktors annehmen, der ~thn- lich wie bei der Phosphor- und Histaminvergiftung zu einer gesteigerten Avidit~it der Hau t for Wasser und zur Wasser- anreicherung ffihr~. Die gemeinsame Ursache dfirfte wohl in- den Ver~inderungen der Leber zu suchen sein. Haben doch in jt~ngster Zeit ~'ROHLICH, I~LINGER und ZAK nach Vereisung der Leber mit Chlor~thyl eine Verkfirzung der Resorptionszeit beobachtet, und auch der Icterus catarrhalis zeigt eine Ver- kfirzung der Quaddelzeit (BAAR un'd ]~gNI~DICT). Inter- essanterweise bewirkt Pituitrin, kurze Zeit nach dem an-

R I F T . 13. J A H R G A N G . Nr. xI 395

aphylaktischen Shock injiziert, keine weitere Verkiirzung, sondern eine eindeutige Verl~ngerung der Quaddelresorption.

Gut fal3bare, schwere Ver~nderungen der Leber sind in der akuten, noch mehr aber in der chronischen Histaminvergiflung zu beobachten. Die Lebervenensperre zeigt im Histaminshock beim Hunde Ver/inderungen, die denen des anaphylaktischen Shocks weitgehend ~ihnlich sind. Nach neueren Untersuchun- gen yon ]~PPINGER u n d LEUCHTENBERGER is t bei der akuten Histaminvergfftung eine Abnahme der zirkulierevden Blut- menge und eine betr~chtliche Zunahme der Erythrocyten festzustellen, groSe Plasmamengen vertassen die Blutbahn. Sehr charakteristische Ver~ndernngen weist die Leber auf, sie schwillt m~ichtig an, es kommt zu Stase im Bereiehe der Vena centralis, zu einem Odem der Lymphr&ume, zu einem vermehrten Lymphstr0m im Duetns thoracicus. Naeh wieder- holten Histaminvergi/tungen kommt es zu degenerutiven Pro- zessen um die Vena centralis, zu Verdickung der W~nde dieses Gef~ges, zu einem Parenchymumbau und zu ]3indegewebs- wucherungen. Es sind histologisch 13ilder zu beobachten, die an die menschliche Lebercirrhose erinnern. Es lag nun nahe, auch die akute und chronische Histaminvergiftung ffir unsere Untersuchungen heranzuziehen. Freilich darf nicht fiber- sehen werden, dab Histamin neben deil angeffihrten Wirknn- gen auch den Blutdruck im Sinne eines Abfalles beeinflugt, die Arteriolen und Cupfilaren erweitert, zu VerS~nderungen der Herzgr613e, des Minutenvolumens und der Capillardurch- blntung fiihrt, Es ist, wie gleich gezeigt werden soll, olt sehr schwierig zu entscheiden, ob die gefnndenen Ver~nderungen des Wasserhaushaltes auf die allgemeine Histaminwirkung oder auf die spezielle Ver~nderung der Leber zu beziehen sin&

Die Resorption der intradermalen Koehsalzquaddel ist nach subcutaner Zufuhr relativ kleiner Histamindosen beim Men- schen und intraven6ser Darreichung weir grSBerer Mengen beim Kaninchen wesentlieh besehleunigt. Diese Histamin- wirkung klingt aber sehr rasch ab, schon nach 6--24 Stunden sind die ursprfinglichen Resorptionsverhgltnisse wieder zu beobachten. Es f~llt ferner auf, daft die Resorptionsbeschleu- nigung unter Histamin be im Kuninchen trotz wesentlich gr6Berer Dosen, die einen Shock zur Folge hutten, betrltchtlich geringer ist als beim Menschen. Dieser Unterschied mug zu- ngchst durch die strukturelle Verschiedenheit der mensch- lichen und der Kaninchenhaut bedingt sein. Daneben er- scheint uns die Annahme berechtigt, dab die relativ geringe Beteiligung der Leber im Histaminshock beim Kaninchen die geringe Verltnderung im Wasserhaushalt der Hau t erklgren k6nnte. D i e gewichtsanalytlsche t3estiminung des Wasser- gehaltes der Haut ergibt im Histaminshock eine Zunahme des Wassergehaltea der Hunt. Nach 24 Stunden sind jedoch Wasser- und Trockengehalt der Hunt den VerhXltnissen der Norm wesentlich genghert. Die St6rungen des Wasserhaus- haltes im Histaminshock sind, wenigstens bei unserer Ver- suchsanordnung, yon geringerer Intensi tgt und kfirzerer Dauer als die im anaphylaktischen Shock.

Es liegen nur vereinzelte Angaben fiber die Wirkung des Histamins au] die Diurese vor. MOLITOR und PICK sowie AG?COLI fanden Hemmung der Diurese beim t31asenfistel- hunde, welche Wirkung bei Hunden mit Eckscher Fistel aus- bleibt. Es ergub sich daraus die Vermutung, dab der anti- diuretische tt istamine/iekt, der dem Grade nach wesentlich geringer ist als der yon Pituitrin, mit der Lebervenensperre in Beziehung zu bringen wgre. AGNOLI f/3hrt die Diurese- hemmung unter Histamin auf den ver~inderten Quellungs- zustand der Gewebe zurfick, da er am Frosch-Gastrocnemius ein erhShtes Wasserbindungsverm6gen gefunden hat. ]3elm Menschen mit nicht vergndertem Wasserhaushalt ist Histamin unscheinend ohne Wirknng auf die Diurese (LEscI~KE). Beim Diabetes insipidus wurde gelegentlieh Abnahme der Diurese nn d Anstieg des spezifischen Gewichtes des Harnes beobachtet (GIBSON und MARTIN sowie WEIR, LARSON und ROWNTRE~). Uns interessierte hauptsgchlich mit R~eksicht auf die Unter- suchungen yon ]~PPtNGER und LEUCHTENt3ERGER die Ver- gnderung des Wasserhaushaltes bei der chronischen Histamin- vergiftung.

3o*

Page 4: Zur Rolle der Leber im Wasserhaushalt

396 Nach Einstellung der Tiere (Blasenfistel-Hunde) auf eine kon-

stance Diurese im Wasserversueh wurde mit der Histaminzufuhr begonnen. Durch io--12 7Wochen erhietten die Tiere tggIich bzw. jeden 2. bis 3. Tag intraven6s Histamin, und zwar im Beginn 7,5 bis IO mg, dann allmghlich immer grSttere Mengen, bis schlieglich 5o ,8o mg tIistamin pro dosi zugeft~hrt wurden.

Es t r i t t im Verlaufe der chronischen Histaminvergiftung eine weitgehende Gew6hnung an IIistamin aui (vgl. FOICNER, D~LE und LAIDLAW, O~HmE, PAUL und POPPER u. a.). Nur so war es allm~iMich m6glich, die Histamindosis zu steigern und schlieglich Histaminmengen zuzuffihren, die ohne Ge- w6hnung der Tiere sofortigen t6dlichen Shock zur Folge ge- habt h~itten. Im iibrigen beobachtete SANTESSON Immuni- sierung des Leberparenchyms auch bet experimenteller Kupfervergiftung. Bet der vorsichfigen Durchfiihrung der Versuche und bei der Histamingew6hnung war das Allgemein- befinden der Tiere lange Zeit ein relat iv gutes. Einige Stunden nach dem Histaminkollaps erholen sich die Tiere und zeigen gute FreBlust. Erst in den Sp~tstadien, bet Znfuhr hoher Histamindosen, treten blutige DiarrhSen als Zeichen einer schweren Enterocolitis und grSl3ere Gewichtsverluste auf. Die Diurese im Wasserversuch zeigt in den ersten Stadien der chro- nischen Histaminvergiftung eine ~berschieflende Wasseraus- scheidung, /ihnlich wie bet der Phosphorvergiftung. Allm~ihlich nimmt dann das Wasserausscheidungsverm6gen ab, und in den Spiitstadien ist eine mehr oder weniger gestSrte nc~88ef- ausscheidung zu beobachten. In den ersten Stadien der Histaminvergiftung zeigt die Diurese die schon erw~ihnte ,,Linksverschiebung", in den sp~iteren vielfach die ,,Rechts- verschiebung" der Diuresekurven. Die Obduktion der Tiere zeigte eine geringe Anschoppung der Lunge, eine Vergr61?erumg des Herzens im rechten Abschnitt, VergrSBerung der Leber; Dtinn- und Dickdarm sind wandverdickt, die Serosa stark injiziert, die Muskelwand 5dematSs, die Schleimhaut allent- halben fief rot, yon reichlichen H~imorrhagien durchsetzt. Die histologische Untersuchung der Leber zeigt Bindegewebsver- mehrung in den periportalen Feldern und um die Zentral- venen und daneben ein (3dem des Lebergewebes. In einem Fall waren pyelonephritische Absumptionen an den Nieren zu sehen.

Man k6nnte die St6rungen des Wasserwechsels zun~ichst auf die nach Histamin im 13lute auftretenden Veriinderungen zurflckffihren. Eine solche Erkl~irung wfirde vor allem ffir die unmittelbar nach dem Histaminshock erhobenen t3efunde in Betracht kommen. Sie spielen vielleicht bet den an- gefiihrten Quaddelversuchen eime wichtige Rolle. Unsere Diureseversuche wurden abet ausnahmstos 24--48 .Stunden nach dem letzten Histaminshock durchgeffihrt. In diesem Zeitpunkt And in den ersten Versuchsstadien die dem Shock folgenden Blutver~inderungen vollsti~ndig, in den spiiteren weitgehend verschwunden, was mit den Beobachtungen LEUCHTENBERGERS fibereinstimmt. Wenn somit die ver- minderte Wasserausscheidung in den spgteren Stadien der chronischen Histaminvergiftung m6glicherweise auch mit den Ver~nderungen des Blutes in Zusammenhang stehen mag, so wfirden wit die Bedeutung dieses Faktors fiir das Zustande- kommen der iiberschiel3enden Wasserausscheidung in den. inifialen Stadien nut sehr gering einsch~itzen. Ebenso kgmen Vergnderungen der Nieren und der Harnwege vielleicht fiir die Erkl~irung der gest6rten Wasserausscheidung und weft weniger ffir die Verhgltnisse der Anfangsstadien in Betracht, in welchen die Harnuntersuchung auf EiweiB und Harnsedi- ment ein negatives Ergebnis lieferte. Daneben mag auch der Abmagerung der Tiere sowie der schweren Enterocolitis in den ]gndstadien Bedeutung zukommen, so dab wit nicht so sehr auf die sehr vieldeutige Wasserretention gegen Ende der chronischen Histaminvergiftung, als auf die fiberschieBende Wasserausscheidung in den Initialstadien gr613eres Gewicht legen wfirden.

Die weitgehende &hnlichkeit der Vergnderungen des Wasserhaushaltes bet der Phosphor- und Histaminvergiftung und die Analogie mit Ver~inderungen des Wasserwechsels bet gewissen Leberparenchymerkrankungen des Menschen lgl3t

K L I N I S C H ~ E W O C H E N S C I I R I F T . 13 . J A H R G A N G . Nr. II 27. MARZ 193 r

an einen gleichen Mechanismus denken. Die fiberschiel3ende Wasserausscheidung kSnnte zun~ichst mit der Lebervenen- sperre in Zusammenhang stehen. ]gin Offenbleiben der Venen- sperre wiirde das rasche Durchfliel3en des Wassers durch die Leber erMiiren. Ferner k~me der h6here Wasserstandard der Gewebe, somit auch der Leber, urs~ichlich in Betraeht. Bet geringgradiger St6rung der Leberfunktion und normalem Wasserausscheidungsverm6gen wirkt sich die Wasserzufuhr im Sinne eines WasserstoBes aus und bringt einen Teil des ver- mehrten Gewebswassers zur Ausscheidung. In den Spiitstadien der experimentellen LeberschSAigung sowie bet schwerem Par- enchymschaden der menschlichen Leber kSnnte eine Sperre des Venenmechanismus angenommen werden. Das zugefiihrte Wasser wi2lrde demzufolge liinger in der Blutbahn bleiben, nur allm~ihlich die Leber passieren und infolgedessen nur sehr lang- sam harnftihig werden. Neben der mechanischen Rolle der Lebervenensperre w~ire abet auch eine ver~inderte hormonale Funktion des Leberparenchyms durchaus mSglich. Ob es sich dabei um verS.nderte Bildung des diuretischen oder anti- diuretischen Leberhormons handelt, kann derzeit nicht ent- schieden werden. Bet den schon angeffihrten Beziehungen zu den hypothalamischen Zentren wiiren auch zentralnerv6se bzw. innersekretorische Regulations~inderungen in den Kreis der Erw~gungen zu ziehen. Wir sind uns sehr wohl bewuBt, dab die angeffihrten Erkliirungsversuche unbewiesene Hypo- thesen darstellen, doch ist es heute kaum mSglich, sich ge- nauere Vorstellungen fiber diese sehr komplizierten und wohl auch wechselseitig funkfionierenden Regulationen zu bilden.

I I I .

In ether weiteren Versuchsserie wurde untersucht, ob die gest/Srte Funktion der Leber im Wasserhaushalt bet Leber- parenchymerkrankungen beeinflugt werden kann. Bekannt- lich haben in den letzten Jahren EPPINGEa und seine Schule fiber bemerkenswerte Erfolge der Nierendiathermie bet oli- gurischen Nephritiden berichtet. Diese giinstige Wirkung wurde auf eine Durchw~irmung der Nieren zurfickgefiihrt, welche den Krampf der Vasa afferentia 16sen und so eine bessere Durchblutung der Niere ermSglichen wfirde. Es wurde nun untersucht, inwieweit eine Diathermie der Lebergegend den gest6rten Wasserhaushalt bet Parenchymerkrankung der Leber beeinflussen kann. Typische F~ille yon sog. Icterus catarrhalis mit gest6rter Wasserausscheidung im Verdfinnungs- versuch zeigten bet Durchwgrmung der Lebergegend vielfach eine Steigerung der Diurese gegenfiber vorher und nachher durchgefiihrten Kontrollversuchen. Diese Steigerung kann gelegenttich bis ioo% betragen; etwa ein Drit tel der F~lle zeigt keine sichere Wirkung der Diathermie der Lebergegend auf den Wasserversuch. Kontrollversuche zeigten, daft eine Diathermie anderer KSrperregionen, z .B. des Thorax, keine nennenswerte Wirkung auf die Diurese ausiibt.

Bekanntlich haben I'~ORANYI und seine Schiller eine Be- einflussung der Diurese bet Fgllen yon kardialer Dekompen- sation und Leberstauung dutch Aufsetzen yon Blutegeln aui die Headschen Hautzonen der Leber festgestellt. Unsere Diathermieversuche bet Leberparenchymerkrankungen weisen insofern eine Analogie mit diesen Versuchen auf, als die Be- einflussung der Diurese dutch Blutegel oder trockene SchrSpf- k6pfe in den Koranyischen Versuchen nur von den der Leber entsprechenden Hautsegmenten mSglich war. Diese ~ber- legung vera.nIal3te uns, zu untersuchen, ob nicht der gleiche Effekt, wie wir ihn durch Diathermie der Lebergegend er- zielt haben, dutch andere auf die Lebergegend applizierte Reize zu reproduzieren w~ire. BRINGS und MOLITOR haben in Versuchen am tIunde die diuretische Wirkung der Nieren- diathermie best/itigen kSnnen, sie haben abet ~ihnliche Effekte durch W~irme- und in noch hSherem Grade durch K~ilte- wirkung sowie dutch Aufbringung yon hautreizenden Mitteln auf die Nierenzonen der Haut erzielt; sie vermuten, dab alle diese Faktoren die Diurese auf dem Wege eines cutivisceralen Reflexes beeinflussen.

Wir ffihrten bet Kranken mit sog. Icterus catarrhalis und gestSrtem Wasserhaushalt eine Reihe von Versuchen mit der Applikation yon hautreizenden lV~itteln auf die Headsehen

Page 5: Zur Rolle der Leber im Wasserhaushalt

17. MARZ 1934 K L I N I S C H E w o C t t E N S C H

Leberzonen aus. Nach den ersten orientierenden Versnchen mit Emplastrum cantharidum gingen wit dann zum Empla- strum capsici fiber, welches den Vorteil hat, dab es zu einer Durchw~rmung und R6tung der Hau t ohne Blasenbildung ffihrt. Rund zwei Drittel der untersuchten Fglle zeigten unter Capsieumwirkung eine Steigerung der Diurese im Wasserver- such. ]3ei diesen F~llen kann eine spontane Besserung der gest6rten Leberfunktion ausgeschlossen werden, da zur Kon- trolle jedesmal vor and nach dem Capsicumversueh ein Wasserversuch ohne Capsicumapplikation durchgeffihrt wurde. Unter die negativen F~lle reihten wit auch solche mit spon- taner ]3esserung der Wasserausscheidung ein, sowie F~lle, die a priori keine StSrung der Wasserausscheidnng zeigten.

Um einen Einblick in die intermedi4ren Vorggnge im Wasserversuch unter Einwirkung des Capsicum zu gewinnen, wurde das Verhalten der Erythrocyten, des H~matokri ts und der Refraktion des Serums fortlaufend untersucht. Wir bedienten uns in diesen Versuchen der Versuchsanordnung, wig sie seinerzeit auf Anregung EPPINGERS von LANDAU und P ~ angewendet wurde: m6glichst rasche intraven6se Infusion yon IOOO ccm Normosal. Es zeigte sich, dab bei sog. Icterns catarrhalis die Verdi2nnung des Blutes im Cap- .~ieumversueh anseheinend raseher abklingt als im Kontroll- versuch. Somit gelingt es, dutch eutiviscerale Re]lexe yon den Headsehen Leberzonen aus d~e hepatal bedingte Oligurie im Wasserversueh vori~bergehend zu durchbreehen. Einige Kon- trollversuche mit Applikation der Capsicumpflaster ant die Oberarme, Oberschenkel und die oberen Thoraxpartien waren praktisch negativ. Die diuresesteigernde Wirkung der t i au t - reize ist daher an die Headschen geberzonen segment~ir ge- bunden, und die Annahme, dab es sich hierbei ~hnlieh wig in den Nierenversuchen yon BRINGS und MOLITOR um eine Wirkung yon den sensiblen Hautnerven auf den zentripetalen Schenkel eines cutivisceralen Reflexbogens handelt, wird sehr wahrscheinlich. Ffir unsere Diathermieversuche wfirden wir aber neben dieser M6glichkeit auch die direkte Durchw~trmung der Leber fiir durchaus wahrscheinlich halten. Eine solche Beeinflussung des Parenchyms dutch die Diathermie ist ja anatomisch bei der Leber welt eher gegeben als bei der Niere. Ob es sich bei den angeffihrten Versuchen um eine bessere ~nrchblutung der Leber oder eine reflektorische ()ffnung der Lebervenensperre oder vielleicht eine vermehrte Produktion des diuresef6rdernden geberstoffes handelt oder um eine Kombination dieser Wirkungen, mug dahingestellt bleiben. SCHWlEGK beobachtete nach Applikation yon warmen Kata- plasmen auf die Lebergegend eine Zunahme der Pfortader- durchblutung, meist auch der Leberarteriendurchblutung, ohne dab die Temperatur im Bauchraume zun~chst ansteigt. GOLDGRUBER sah gfinstige Wirkung der Leberdiathermie auf den Ablaut des Icterus catarrhalis.

Von besonderem Interesse far experimentelle Unter- suchungen des Wasserweehsels ist die :BeeinfluBbarkeit der Diurese dutch bedingte Re]lexe. Es kommt bei Versuchstieren gelegentlich vor, dab auch ohne unbedingten Reiz, d. i. die Wasserzufuhr, die mit der Yersucl~sanordnung zusammen- h~ngende psychische Bindung genfigt, um die gewohnte Wirkung auszul6sen. MARX konnte bei genauer tgeobachtung tier schon yon PAWLowbekanntgegebenenVer Suchsbedingnngen nach l~Lngerer Dressur der Tiere einen bedingten Diuresereflex erzeugen. Allerdings war eine mehrmonatige Vorbereitgunszeit notwendig. Ahnliches konnten BYKOW und BERKMAN~ beob- achten. MOLITOR hat mehrmals bei Hunden, die durch Monate fast t~glich zu Diureseversuchen verwendet wurden, ohne jede Dressur die Entwicklung bedingter Diureserefiexe gesehen.

Wi r selbst konnten nur einmal das Auftreten bedingter diureti- scher Reflexe bei einem Blasenfistelhund beobachten. Dieser Hund zeigte im Leerversuch ohne Wasserzufuhr in einem Zeitraum yon 4 Stunden eine Harnmenge yon I4--25 ccm (19. bis 23. III. I932). In der Zeit vom 29. III. bis 21. IV. erfolgte jeden 2. bis 4. Tag ein Wasserversuch mit Zufuhr yon 2o0 ccm Wasser mittels Schlund- sonde. Als nun zur Kontrolle am 26. IV. 1932 gin Leerversuch, also o hne jede Wasserzufuhr, ausgeftihrt wurde, betrug die Diurese im Leerversnch 121 gem.

R I F T . I3. J A H R G A N G . Nr. i I 397

Somit kommt es auf dem Wege eines bedingten Reflexes zu einer Wasserausscheidung, wig sie in dell Leerversuchen vor Beginn der Wasserversuehe hie beobachtet wurde nnd welche der Wasserausscheidung nach Wasserzufuhr sich n~herte. Allm~hlieh klingt der bedingte Reflex ab, die Diurese im Leerversuch kehrt ant die ursprt~nglichen Wer te zurfick. Zeigt ein Versuehstier das Bestehen eines bedingten Diurese- reflexes, so mul3 es von weiteren Versuchen, die etwa die pharmakologische Beeinflussung des Wasserhaushaltes zum Gegenstande haben, ausgeschlossen werden. In diesem Zu- sammenhange sei noch auf die Untersuchungen von I-IEILIG und HoF~ sowie t-toFF und WERNER hingewiesen, d i e durch hypnotische Suggestion ]3eeinflussung der Diurese sowie der antidiuretischen Pituitrinwirkung beobachten konnten. MARX sah durch Suggestion reichlichen Trinkens nicht nur starke Diurese, sondern sogar eine entsprechende Hydr~mie.

IV.

Bei der zentralen Rolle, welche die Leber im Kohlehydrat- EiweiBstoffwechsel, Wasserhaushalt usw. einnimmt, erschel- nen Beziehungen zwischen diesen einzelnen Teilfnnktionen sehr wahrscheinlich. Im Schrift tum liegen einige Angaben vor, die Wechselbeziehungen zwischen dem Wasser- und Kohlehydrathaushalt ergeben. So zeigen Leberkranke bei gleichzeitiger Glykose- und Wasserbelastung einen tieferen Abfall der posthyperglyk~mischen I-Iypoglyk~mie, als bei Zu- fuhr der gleichen Glykosemenge ohne gleichZeitige Wasser- belastung (KLEIN und gANG). ]3el Lebergesunden wurden derartige Unterschiede nicht gefunden. Eine Belastung des Wasserstoffwechsels kann somit bei Leberkranken zu Ver- ~nderungen der Blutzuckerregulation fiihren. ADLERCREIJTZ sah nach Wasserbelastung beim gesunden Menschen nut eine geringffigige Abnahme des Blutzuckers, bei geber- parenchymerkrankungen, insbesondere beim Icterus catarrha: lis, sind die AusschlXge vim grSBer, es kommt zu deutlicher

�9 HypoglykXmie (pers6nliche Mitteilung). Von ~hnlichen Uberlegungen ausgehend, haben BRUL~ und ALT-

~A~SEN bei ihrer kombinierten Leberfunktionsprobe neben der Zufuhr yon 2o Einheiten Insulin und 5 ~ g G!ykose auch eine Wass6r- belastung mit insgesamt i5oo ccm durchgeffihrt und mit dieser Versuchsanordnung auch geringere St6rungen der Leberfunktion besser erfassen k6nnen, als bei gesonderter Durchftihrung der einzelnen Proben. Neben der gesteigerten Insulinempfindlichkeit der Leberkranken (KLEIN und gANG, BRULs ulld Ai~HAUSEN, MORAWITZ und MANI~, K~G~LMANN) macheI1 ]~RULI~ und ALT- HAUSEN auch die gleichzeitige Wasserbelastung wenigstens ~ zum Tell ffir den st~rkeren Blutzuckerabfall verantwortlich.

Andererseits sind Verschiebungen im Wasserhaushalt durch Ver~nderungen des Kohlehydrathaushaltes zu erzielen. Die Ersetzung yon Fet t durch Kohlehydrat in der Kost ffihrt unter sonst gleichen ]3edingungen zu Wasserretention, um- gekehrt ffihrt die Ersetzung yon Kohlehydrat durch Fe t t zu Wasserabgabe. In diesem Sinne sprechen neben ~lteren physiologischen Untersuchungen yon CHAOVEAIJ, ZUNTZ S0- wie ATWATER, ~ENEDICT namentlich ausgedehnt e Unter - suchungen, die in der p~idiatrischen Literatur vorliegen. In jiingster Zeit konnten ADLERSBERG und PORGES die wasser- retinierende Wirkung der Kohlehydrate in den Geweben, namentlich in der Haut nachweisen.

Auch zwischen dem Urobilinsto[]wechsel und dem Wasser- haushalt bestehen gewisse t3eziehungen. So land ADLER- CREUTZ bei Herzf~llen nach Wasserbelastung eine deutliche Steigerung der Urobilinurie, die bei gesunden l~ersonen fehlte. Er n immt an, dab der Urobilin- und Flfissigkeitsumsatz relafiv koordiniert sind. Wir selbst konnten bei F/illen yon Icterus catarrhalis nach Wasserbelastung mehrmals eine gesteigerte Urobilinurie nachweisen, die wir, ebenso wie ADLEI~CREUTZ, bei Kontrolluntersuchungen nicht feststellen konnten. Man gewinnt daher den Eindruck, dab die intakte Leber der Wasser- belastung ohne weiteres gewachsen ist, dab aber der Leber- kranke auf die Steigerung des Wasserumsatzes mit einer ge- steigerten Urobilinurie reagieren kann.

DaB schlief31ich zwischen dem Wasserhaushalt und dem Gallensgurensto]]weehsel wichtige Beziehuiagen bestehen, be- weist die Verwendung der Gallensguren als Diureticum. Schon

Page 6: Zur Rolle der Leber im Wasserhaushalt

398 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 13 . J A H R G A N G . Nr. II 17. M.2~RZ 1934

NEUBAUER land, dab das Natr ium dehydrocholicum diure- tisch wirken kann. Sparer konnten wir gemeinsam mit TAISBENI~AUS beobachten, dab vor allem F~lle mit Stauungs- leber auf die Injektion yon dehydrocholsaurem Natr ium eine giinstige t3eeinftussung der Diurese zeigten. Nachuntersucher (S]~MLI~R, ~c~A.ttMLOW und ~:{ITTERBAND, BIX, I~0NIGER, LEBER- MANN U. a.) sahen die gr6Bten diuretischen Ausschl~ge bei Herzkranken mit Leberstauung sowie bei Lebercirrhosen, w~hrgnd z. t3. bei renaler Wassersucht nut geringe diuretische Wirkung zu beobachten ist. t~AUFTHEIL und NEUB&UER stu- dierten in jfingster Zeit den Mechanismus der Decholindiurese. Die Gallens~iuren bewirken eine starke Vergr6Berung der Niere, die abet auch dann eintritt, wenn es infolge einer sehr tiefen Narkose oder nach Pituitrin nicht zu einer Diurese kommt. Daraus schliel3en diese Autoren, dab be/ der Gallen- s~urendiurese trotz der starken Nierenwirkung nicht diese die direkte Ursache der Nierensekretionssteigerung sein kann.

Die klinischen und experimentellen Beobachtungen spre- chert unserer Ansicht nach ffir einen besonderen hepatalen Angriffspunkt der Gallens~uren, auch bezfiglich der Diurese. Die Leber gibt unter dem Einflul3 von Gallensguren W a s s e r ab; gallensekretionssteigernde Mittel wirken lymphagog, die Entw~sserung der Leber erfolgt offenbar auf dem Wege der vermehrten Gallensekretion und wohl auch dutch gesteigerten LymphftuB. Gegenfiber den Untersuchungen yon CLAUSSEZr erscheint es yon Interesse, dab die Gallensgurediurese an die Entleerung der Galle in den Darm nicht gebunden ist. KAU~- TIIEIL und NEIJBAIJ~R beobachteten betr~chtlichen diuretischen Effekt nach Injektion yon Gallens~uren, auch wenn die Galle durch eine Fistel nach aul3en .abgeleitet wnrde.

Wit wfirden den giinstigen therapeutischen Effekt der Gallens~nrentherapie (Decholin) bei manchen F~Ilen yon Icterus catarrhalis nicht nut auf eine bessere Durchblntung (Sc~IWlE~tr sondern auch auf eine Entw/~sserung der Leber zurt~ckffihren. Nach Untersuchungen yon }~PPINGER bestehen beim sog, Icterus catarrhalis bis zu einem gewissen Grade ghn- liche VerXnderungen im Organismus, wie sie Ifir die Histamin- vergiftung charakteristisch sind. Auch beim Icterus catarrhalis ist die 131utmenge vermindert, die Zahl der Erythrocyten re- lat iv erh6ht u. dgl. mehr, und alle diese Ver~nderungen kehren mit Abklingen des Ikterus allm/~hlich zur Norm zurflck. Auch zwischen den St6rungen des Wasserhaushaltes beim Icterus catarrhalis und bei der Histaminvergiftung bestehen gewisse Analogien, wie oben auseinandergesetzt wurde. F fir beide Zu- stgnde ist das Odem der Leber, die Hepatitis serosa nach ROESSLE charakteristisch. Unter diesen Umst~nden erscheint es uns durchaus m6glich, dab eine Wa~serentlastung der Leber in gewissen Stadien der Erkrankung auI die anderen Funktionen der Leber gfinstig einwirkt. Die Annahme, dal3 die GaIlen- s~uretherapie auf dem Umwege f iber Ver~nderungen des Wasserhaushalts manche F~lle und manche Stadien yon Icte- rus catarrhMis gt~nstig beeinflu~3t, veranlal3te uns, anch andere Diuretica (Euphyllin, Salyrgan) ffir die ]3ehandlung heran- zuziehen. Die bisherigen Erfahrungen erlauben noch keine Beurteilung dieses Verfahrens. Die Gallens~uren besitzen anscheinend den Vorteil des ad/~quaten Reizes ant die Leber.

Den Beobachtungen fiber die gfinstige Wirkung der Leber- entw~sserung auf den Verlauf gewisser Stadien yon sog. Icterus catarrhalis widerspricht scheinbar die gfinstige thera- peutische Wirkung der kohlehydratreichen Kost + Insulin. Diese Therapie f~ihrt zu einer Glykogenanreicherung der Leber und schon dadurch zu einem vermehrten Wassergehalt. Man muB bei der 13eurteilung dieser Fragen sehr genau zwischen leiehten und schweren bzw. zwischen Anfangs- und Sp~tstadien der Erkrankung unterscheiden. In den Anfangsstadien und auf der H6he des Parenchymschadens ben6tigt offenbar die Leber aus uns noch nicht ersichtlichen Grfinden den h6heren Wassergehalt. Vielleicht bedeutet das Leber6dem irgendeine Schutzvorrichtung der Leberzellen. Eine Entwgsserung in diesem Stadium, etwa dutch GallensS~uren, wird vielfach schlecht vertragen, wobei anscheinend auch die Mehrbean- spruchung der Leberzellen im Sinne einer gesteigerten Chole- rese yon ]3edeutung seia dfirfte (vgl. die Wirkung der Gallen~

s~uren auf die Galaktosetoleranz [PASCHKIS]), Ha t aber die Krankheit den Gipfel tiberschritten, oder handelt es sich a priori um einen sehr leichten Parenchymschaden, dann kann man -- mit entsprechender Vorsicht -- entw~ssernde bzw. choleretische Mal3nahmen verwenden. In diesen Stadien der Erkrctnl~ung gewinnt man den Eindruclc, daft die Leber den hohen Wasserstandard nicht mehr benStigt und daft der Wasser- entzug zu einer raschen Erholung des Leberparenchyms ]~hrt.

V.

Die therapeutische Verwendung der Leberdi~t bei Er- krankungen dieses Organes ist alten Datums. Namentlich aus der Zeit der Opotherapie linden sich zahlreiche Angaben franz6sischer und italienischer Autoren, die besonders FXlle yon Cirrhose betreffen (~/[OURAS, GALLIARD, CR~QUY, GYR, SCHOULL U. a.). Mehrere Autoren berichten fiber diuretische Wirkung der Leberkost bei Lebercirrhose. So sah HIRTZ (1904) bei 2 F/tllen yon Lebercirrhose mit Ascites und ~demen eine gfinstige Beeinflussnng derDiurese; ~hnliches beobachtete PER?IN (19o5). CARROT betont, dab man bei Leberkost den Ascites bei Lebercirrhose seltener punkfieren mfisse als sonst. In den folgenden Jahren wurde die Opotherapie und somit auch die Leberbehandlung voltst~indig vergessen. Erst die bekannten Untersuchungen yon MINOr und 2r165 fiber die Wirkung der Leberbehandlung bei experimenteller An- gmie sowie An~mien des Menschen, ffihrten zu einer neuer- lichen Verwendung der Lebertherapie, zungchst bei ]Nut- krankheiten, sp~ter auch bei anderen pathologischen Zust~n- den. Schon die Autoren, die in gr6Berem AusmaBe F~lle yon pernizi6ser An~mie mit Leberkost behandelten, berichteten gelegentlich fiber gfinstige Wirkungen auf die Diurese (L~BBs u.a.) . F~lle yon schwerer An~mie zeigen weitgehende St6run- gen des Wasserwechsels: Hypo- bzw. Isostenurie, Odeme, ser6se Ergfisse (ESS~N und POR~ES). Mit Besserung der An- ~mie kommt es auch zu einer besseren Diurese und zur Aus- scheidung der 13deme. Aus den Mitteitungen fiber die diure- tische Wirkung der Leberextrakte bei schweren An~mien ist nicht eindeutig zu ersehen, ob die Besserung der Diurese direkt als Leberwirkung oder indirekt als Folge des gebesserten Blutstatus aufzufassen ist.

Die Wirkung der Leber und der Leberextrakte auf den Wasserwechsel wurde mittlerweile experimentell geprfift. E~ sei nut auf die schon erw~hnten Untersuchungen yon LAMPE, GLAUBACI-I und ~/[OLITOR, ADLERSBERG und GOTTSEGEN sowie auf Arbeiten yon PARtION, MARZA und CAHANE, YOSHINAKA und HARADA hingewiesen. Klinische t3eobachtungen schreiben der Leberbehandlung eine gflnstige diuretische Wirkung bei F&llen yon Nephrose (GRossMAN?r Lebercirrhose (PORG~S, GASPARIXI U. a.), Pfortaderthrombose (HuEBZR) ZU. Wir selbst hatten Gelegenheit, in den letzten Jahren bei Hydropsien verschiedenen Ursprungs die Wirkung yon Leberdi&t, Leber- pulver und -extrakten, spXter auch yon zur ]3ehandlung der Angmien empfohlenen Pr&paraten der Magenschleimhaut zu beobachten. Die Wirkung aller dieser Prgparate versagt leider sehr h~ufig, gfinstige Wirkungen sind keineswegs die Regel. Bei 2 F~llen yon Lebercirrhose sahen wit allerdings einen auffallend gfinstigen therapeutischen Erfolg.

Der 1. Fall betraf einen 46jghr. Mann mit alter Lues, der wegen enormer Lebervergr6Berung (Hepar lobatum), Odemen, Ascites, Hydrothorax im Jahre 193 ~ an der Klinik in Behandlung stand. Der Pat. erhielt mehrere Injektionen yon Salyrgan; nach jeder Injektion gute Diurese, Abnahme des K6rpergewichtes um 3--4 kg, jedoch Wiederanstieg in wenigen Tagen. Auf perorale Zufuhr eines Magenschleimhautpr~parates, t~glich 3 ~ g Ventraemon, setzte ohne jede weitere 3Iedikation eine ausgiebige Diurese ein, das K6rpergewicht nahm entsprechend ab; v611iges Verschwinden des Ikterus, ausgezeichnetes Befinden. Nach Entlassung aus der Klinik blieb dieser Pat., bei dem im Jahre I932 eine anti- luetische Kur durchgefflhrt wurde, v6ilig beschwerdefrei, die Leber wurde kleiner, blieb jedoch hart und grobh6ckerig; die WaR. im Serum dauernd positiv. (Beobachtungsdauer nach der Entlassung 31/2 Jahre.)

Der 2. Fall betrifft eine 6Ij~hr. Frau, die im Jahre 1932 mit Lebercirrhose an der I(linik behandelt wurde. Sie wurde mehrmals punktiert, wobei jedesmal 2~/2--5 1 Ascitesfifissigkeit entleert wurden. Trotz salzarmer ~ost und Novuritinjektionen muBte

Page 7: Zur Rolle der Leber im Wasserhaushalt

I7. M&RZ 1934 KLINISCHE WOCHENSCH

wegen hochgradiger Beschwerden die Punktion immer wieder ausgeffihrt werden. Aui Leberextrakt per os, sp~iter intramus - kul~re Injektionen (Leberextrakt Degewop, sp~iter Hepracton), kam es allm~hlich ohne jede weitere Therapie zu einer guten Diurese, Ausschwemmung der Odeme und des Ascites. Der Ikterus war v611ig verschwunden. Ausgezeichnetes Allgemeinbefinden. Diese gi~nstige Wirkung hielt iiber ein Jahr an, dann entzog sich die Pat. der weiteren Beobachtung.

Die angeffihrten 2 FSlle beweisen die auBerordentlich gfin- sfige diuretische Wirkung der Leber- bzw. Magenpulverthera- pie bet manchen F~llen yon Lebercirrhose. Dabei erscheint uns vor allem die Dauerwirkung dieser Behandlung in unseren Fiillen beachtenswert. Im Laufe der Jahre lernten wir, gr613ere ~engen von Leber bzw. Leberpr~iparaten darzureichen. So sahen wit bet F~llen, bet welchen I - - 2 ccm Campolon oder Heprac- ton, t~iglich injiziert, in bezug auf die Diurese unwirksam waren, mitunter noch guten diuretischen Effekt nach Injektion yon 4 ccm dieser Pr~iparate pro Tag. h i einzelnen F~illen war die gute Wirkung der Lebertherapie nur insofern wahrzunehmen, als die Interval le zwischen den einzelnen Punktionen des Ascites wesentlich verliingert wurden und auch sonst das Allgemeinbefinden, insbesondere der Kr~iftezustand der Patienten eine wesentliche t3esserung zu verzeichnen hatte. Bekanntlich kommt es manchmal bet F~illen yon schwerem Ikterus meist bet gleichzeitiger Leberparenchymsch~idigung zu einer Anurie; die meist als reflektorisch (hepato-renal) be- dingt angesehen wird. Wit wfirden vermuten, dab die Anurie dieser F~ille als der Ausdruck einer weitgehenden St6rung des Wasserhaushaltes infolge der Lebererkranknng aufzufassen w~ire und wfirden gerade bet solchen F~illen den therapeuti- schen Versuch mit gr613eren Dosen yon Leberextrakten fiir angezeigt erachten. Vielleicht ergeben sich da auch ]3e- ziehungen zu den noch v611ig unklaren Fiillen yon sog. hepa- taler Azot/imie, fiber die in letzter Zeit berichtet wurde (R. 13AVER, HAMMERSCHLAG, PORGES).

Bet mehreren Kranken mit Odemen, meist kardialen Ur- sprungs und chronischer kardialer Dekompensation, wurde unter Lebertherapie zuniichst eine weitgehende Entwiisserung und Besserung des Gesamtzustandes beobachtet. Als abet nach einiger Zeit diese I~anken wegen wieder aufgetretener Wassersucht behandelt werden muBten, versagte die Leber- therapie vollst~indig, so dab schlieBlich Diuretica der Queck- silberreihe herangezogen werden muBten. Als Beispiel set folgender Fall kurz angeffihrt.

R I F T . 13. J A H R G A N G . Nr. i i 399

Gin 69j~hr. Pat. mit Myokardschlidigung, Emphysem, hoch- gradigen Odemen, Dyspnoe und Cyanose wird im Jahre 1933 zun~ichst mit Bettruhe~ Digitalis und Diuretin behandelt. Das K6rpergewicht bleibt dutch eine Woche stationi~r (65 --66 kg). ]3el t~iglicher Injektion yon 4 ccm Campolon intramuskul~r steigt die I-Iarnmenge yon 6oo--8ooccm auf 16oo--22oo ccm pro Tag an, das K6rpergewichs nimmt allm~ihlich auf 58 kg ab und bleibt auch nach Aussetzen der Lebertherapie auf diesem Niveau; wesentliche ]3esserung des Allgemeinbefindens, keine Atemnot, guter Schlaf. Nach etwa 3 Wochen alhn~hlicher Anstieg des K6rpergewichtes auf 62--63 kg, Atemnot, 0deme. Es wird neuerlich Campolon injiziert (4 ccm) t~iglich, doch zeigt sich diesmal keine Wirkung auf die Diurese, so daI3 schlieBlich nach io.Tagen Lebertherapie Novurit injiziert werden muBte und so eine Entw~sserung herbei- gefflhrt wurde.

Der angeifihrte Fall zeigt, dab die diuretische Wirkung der Lebertherapie bet manchen F~illen yon kardialem Hydrops nach relat iv kurzer Zeit ersch6pft ist. Wir sind nicht in der Lage, derzeit zu entscheiden, welche F~Llle von Lebercirrhose bzw. kardialer Dekompensation durch die Lebertherapie sich gfinstig beeinflussen lassen und welche unbeeinfluBt bleiben. Das klinische Krankheitsbild, die Anamnese nnd Sympto- matologie geben uns bisher keinerlei Anhaltspunkte ffir die 13eantwortung dieser Frage.

Die Wirkung der Lebertherapie bet hydropischen Zu- st~nden erscheint uns vor allem aus theoretisehen Grfinden yon Interesse. W~ihrend zahlreichet3efnnde ffir eine sehr wesent- liche mechanische Rolle der Leber im Wasserhaushalt sprechen, so vor allem die anatomischen t3efunde der Lebervenen- sperre, steht die sog. hormonale Rolle der Leber im Wasser- haushalt derzeit erst im Mittelpunkt der Untersuchungen. Neben den angefiihrten experimentellen t~efunden sind es vor allem die diuretischen Effekte der Lebertherapie beim Men- schen, die unserer Ansicht nach eine wichtige Stfitze dieser Auffassung bedeuten. Wenn gegen die Wirkung der Leber- diiit und des Leberpulvers verschiedene Einw~nde bezfiglich der Spezifit~Lt dieser Therapie erhoben werden konnten, so gilt dies nicht ffir die modernen, eiweiBfreien Leberextrakte, die schon in relat iv kleinen Mengen -- allerdings nut bet ge- wissen F~llen -- sehr gute diuretisehe Wirkungen entfalten. Auch ist es yon theoretischem und praktischem Interesse, dab Priiparate der Magenschleimhaut ebenso wie Leberpr~parate diuretisch wirken k6nnen.

Versuchsprotokolle und Literaturverzeichnis werden tin Wiener Arch. inn. Med. publiziert.

ORIGINALIEN. DIE ANAPHYLAKTISCHE STOFFWECHSEL-

REAKTION DES ISOLIERTEN GEWEBES. Won

G. BOSTROM. Aus der Geschwulstpathologischen AbteHung des Radiumhemmet Stockholm

(Vorstand: Dr. reed. O. REUTERWALL).

Die vorliegende Untersuchung wurde in Zusammenhang mit den Versuchen REUTERWALLS, Krebs durch anaphylak- togene Mittel hervorzurufen, begonnen. Gelegentlich dieser Versuche entstand der Wunsch, die Gewebefiberempfindlich- keit eingehender zu studieren; dabei zeigte es sich abet, dab die zug~inglichen IV[ethoden ffir diesen Zweck nicht geeignet waren. Ich dachte all die Warburgsche Meth0dik und begann im Herbst 1931 eine Reihe vorl~ufiger Versuche, die uner- wartet gfinstige Resultate gaben und zu ihrer Fortsetzung ermunterten.

In der Mteren Literatur fiber Anaphylaxie finder man Angaben fiber das Verhalten des Stoffwechsels bet anaphy- laktischem Shock bet Meerschweinchen ( A B D E R H A L D E N und WERTHEIMER, LOENING, LESCHKE, PICK und I-IAscHIMOT0). Beim ganzen Tiere land man eine Senkung des respiratorischen Gaswechsels und Stickstoffwechsels und in isolierten Organen eine Abnahme der Atmung sowie der postmortalen und intravitalen Autolyse, also was man mit PICK und ~-IAscHI-

MOTO als einen , ,Fermentshock" vcfirde bezeichnen k6nnen. Diese Untersuchungen konnten indessen kein v611ig klares Bild der Verh~ltnisse geben.

Mit der Einffihrung der manometrischen Besfimmungs- methode der Gewebsatmung und des Kohlehydratstoff- wechsels ill isotierten Geweben durch WARBURG 1923--1924 6ffneten sich neue M6glichkeiten, zumal diese verfeinerte Untersuchungstechnik eine zuverl~issigere und eingehendere Untersuchung des Stoffwechsels erlaubt.

Bisher liegen jedoch nur zwei mit dieser Methode durch- geffihrte Untersuchungen tiber den Organstoffwechsel bet Uberempfindlichkeitszust~nden vor. KELLER teilte im Jahre 1927 Versuche fiber die Prfifung der Empfindlichkeit gegen Tuberkulin in Organen yon tuberkul6sen und normalen iVieerschweinchen mit, indessen mit negativen Resultaten. BONGELER ver6ffentlichte im Jahre 1931 eine Untersuchung fiber die Gewebsatmung in Organen, die dem Versuchstiere w~ihrend des anaphylaktischen Shocks entnommen worden waren, und fand eine Abnahme derselben, wenn alas Tier genfigend sensibilisiert war und eine Zunahme bet unvoll- st~indiger Sensibilisierung. BONGELER versuchte auch, eine anaphylaktische Reaktion in vitro durch Zusatz yon Antigen in die Manometerkolben zu erzielen. Es wurden 6 Versuche dieser Art ausgeffihrt und diese ergaben bald eine Zunahme, bald eine Abnahme der Atmung bet der gleichen Antigendosis.