wie die amerikaner auf kosten anderer leben

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  • 7/30/2019 Wie die Amerikaner auf Kosten anderer leben

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    Der Aufbau des weltweiten Finanz- und Wirtschaftssystemsfhrt dazu, dass die USA mehr konsumieren und ausgebenknnen, als sie verdienen. ber globale Finanzkrisen werdendann die Kosten periodisch sozialisiert. Ob das System gutfunktioniert oder nicht, ist vor allem eine Frage der Perspek-tive. Es wird jedenfalls kaum in Frage gestellt nicht einmalin Krisenzeiten.

    Dabei htten die Amerikaner selbst wohl Mhe, in einem

    solchen asymmetrischen System zu leben, wenn nicht siees wren, die den Ton angeben. Wir erinnern uns aus demGeschichtsunterricht an den Aufstand der Amerikaner gegendie Briten: Die Verdoppelung der drckenden Schuldenlastder britischen Krone auf nahezu 132 Millionen Pfund nachdem Franzosen- und Indianerkrieg (17541763) bzw. demSiebenjhrigen Krieg (17561763) veranlasste das Mutter-land Grossbritannien, die Einknfte aus Nordamerika zuerhhen. Die Krone sah es als legitim an, die Kolonien anden Kosten fr die Stationierung der Truppen zum Schutzder Siedler in Nordamerika zu beteiligen. Die weitreichen-de Verzollung des Konsums in den Kolonien stellte eine

    substantielle Einnahmequelle dar. Am 16. Dezember 1773drangen Bostoner Brger, verkleidet als Indianer, in den Ha-fen ihrer Stadt ein und warfen die Teeladungen dreier vor

    Anker liegender Schie der englischen Ostindischen Kompa-nie ins Wasser. Dieser Akt zivilen Ungehorsams markiert denBeginn der amerikanischen Revolution und die skalische

    Abnabelung vom Mutterland. Die Neuenglnder warennicht mehr bereit, die kostspielige Kriegspolitik Grossbri-tanniens auf dem Weg zu Ruhm, Macht und Weltherrschaftmitzunanzieren.

    Zurck zur Gegenwart: wir pegen gemeinhin das positi-

    ve Bild vom liberalen Amerika. So sehr Positivprdikate aufgesellschaftliche Bereiche zutreen mgen, so irrefhrendsind sie, wenn es darum geht, die Ursachen der gegenwr-

    Radu Golban

    tigen Finanzkrise auszuloten. Die im 20. Jahrhundert voll-zogene Liberalisierung des Welthandels fhrte die Nationendazu, ihre Mrkte zu nen, um durch Handel ihren Wohl-stand zu mehren. Whrend sich dabei die Produktivitt vielerVolkswirtschaften erhhte, verbuchten die USA Jahr fr Jahrein Leistungsbilanzdezit, was unter anderem bedeutet, dasssie mehr importierten als exportierten. Der dadurch beding-te berhang an Dollars im Ausland htte eigentlich zu einerausgeprgteren Abwertung der Whrung fhren mssen, die

    jedoch dank der Funktion des Dollars als Reservewhrung,der Attraktivitt und Aufnahmefhigkeit der amerikanischen

    Wirtschaft fr Investitionen und der Liquiditt des amerika-nischen Finanzsystems abgemildert wurde.

    Die anfallenden auslndischen Dollarguthaben wurdennicht oder nur teilweise in die jeweiligen nationalen Wh-rungen repatriiert; der Rest wurde als Reserve gehalten undentsprechend sowohl zinstragend wie liquide angelegt. Die

    Finanzierung des amerikanischen Leistungsbilanzdezits er-folgte so durch Wertpapierkufe auslndischer Zentralban-ken und Investoren, durch auslndische Direktinvestitionen,durch auslndische Kredite an amerikanische Kreditnehmer,

    sowie in Form von Barguthaben und Geldmarktanlagen vonZentral- und Geschftsbanken.

    Wie nahm diese Politik ihren Anfang? Die kostenintensi-ve Kriegswirtschaft am Vorabend des Ersten Weltkriegs setz-te dem auf Preisstabilitt ausgerichteten, wenn auch nichtperfekten System des Goldstandards ein abruptes Ende undleitete gleichzeitig das neue Zeitalter des Papiergeldes ein.Die meisten europischen Staaten waren nach dem Ersten

    Weltkrieg aufgrund ihrer negativen Leistungsbilanz auf Ka-

    pitalimporte aus den USA angewiesen. Deutschland wurdezum grssten Nettoschuldner der Welt und musste zum Be-dienen der Reparationszahlungen Kredite in den USA auf-nehmen. Die Reparationszahlungen wiederum wurden vonFrankreich und Grossbritannien zum Tilgen eigener Kriegs-schulden an die USA weitergeleitet. In dieser Form kamendie Deutschland gewhrten Kredite samt Zinsen der euro-pischen Siegermchte nach Amerika zurck. Hohe Goldre-serven der USA ermglichten eine grosszgige Kreditvergabean europische Lnder zur Finanzierung von Investitionsvor-haben. Mit der Grndung des amerikanischen Zentralbank-

    systems (Federal Reserve System) 1913, dem Dollar-Recy-cling in Europa und einer Politik hoher Zinsen stellten dieUSA die Weichen fr ihre konomische Vormachtstellung.

    Der Aufbau des weltweitenFinanz- und Wirtschafts-systems fhrt dazu, dass dieUSA mehr konsumieren

    knnen, als sie verdienen.

    Barack Obama ist das Gesicht eines neuen,fairen Amerika. Glauben jedenfalls blauugigeEuroper. Falsch. Die USA sind daran, dieKosten der aktuellen Finanzkrise zu

    sozialisieren wie schon oft in der jngerenGeschichte.

    Wie die Amerikaner aufKosten anderer leben

    Radu Golban

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    Die Ereignisse von 1929 und die Weltwirtschaftskrise der1930er Jahre fhrten zum Ende dieses Systems. Kurz vor demEnde des Zweiten Weltkriegs wurde 1944 unter dem NamenBretton Woods, mit Blick auf die Nachkriegszeit, ein Fi-nanzsystem errichtet, das wiederum auf dem US-Dollar, alsder einzigen briggebliebenen leistungsfhigen Whrung, alsLeit- und Reservewhrung beruhte (Gold-Dollar-Standard19441973). In diesem System fester Wechselkurse konntedie erste Siegermacht des Zweiten Weltkriegs, die USA, dieGeldmenge beliebig erhhen, wobei die berschssigen Dol-lars durch die weltweiten Handelspartner bereitwillig aufge-nommen wurden.

    Der Mythos der Golddeckung einer Whrung warfreilich stets mehr Mythos als Deckung; denn seit Beginnwurde die Verpichtung, ausgegebene Banknoten in Goldumzutauschen, irgendwie umgangen. Das Halten und die

    Akquisition von Dollars kam einem Inationsimport gleich,

    dem die Handelspartner durch eine Erhhung der Zinsen zubegegnen suchten. Die USA konnten sich also der Inationentledigen, indem sie sie in Lnder exportierten, die ber ei-nen Leistungsbilanzberschuss verfgten und auf dessen de-

    visenmssigen Ausgleich verzichteten. Dass Handelspartnerwie Deutschland sich selbst als Exportweltmeister rhmtenund rhmen, mutet vor diesem Hintergrund realittsfremdan sie nanzierten durch ihre Arbeit nicht nur den eigenen,sondern wesentlich auch den amerikanischen Wohlstand.

    Die einseitige Aufkndigung der Goldeinlsepicht zwi-schen Zentralbanken durch die USA 1971 zog 1974 dasEnde des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse nach

    sich. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die US-Whrung sostark in den Weltmrkten verankert, dass sie weiterhin alsReserve- und Leitwhrung diente. Die Verankerung des Dol-lars teilt sich grob in zwei Kategorien auf: einerseits bedientder gesamte Rohsto-, Energie- und Lebensmittelhandelaufgrund der Dollarindexierung eine stndige Nachfragenach Dollars, anderseits haben Exportnationen ein Interessedaran, den Dollar zu sttzen, damit die eigenen Exporterlsenicht zurckgehen und die Arbeitspltze in exportorientier-ten Branchen erhalten bleiben.

    Solange auf den Weltmrkten eine permanente Nach-

    frageinduktion nach Dollars herrscht und eine fundamentaleWechselkursanpassung ausbleibt, enthalten die Exporterl-se aller Lnder dieser Welt in Dollar letztlich einen Tribut

    an die USA. Mitunter durch Kriege, die der Rest der Weltmitnanziert, sichern sich die USA die Frdersttten derRohstoe und damit die Indexierung in Dollar. Wenn die-se Verankerung gelegentlich kriselte, waren die weltweitenNotenbanken, angefhrt von Deutschland und Japan, stetsbereit, Dollarsttzkufe zu ttigen.

    Whrend die US-Notenbank in den letzten Jahrzehn-ten billig Geld produzierte, das den US-Konsumenten bergnstige Hypothekarkredite weitergereicht wurde, konntendiese zu niedrigen Preisen asiatische Gter konsumieren.Die Exporterlse dieser asiatischen Staaten nanzierten ih-rerseits, durch den Kauf von US-Anleihen, das Budgetde-zit der USA. Das Weltwirtschaftssystem war und ist geprgtvon einer expansiven Geldpolitik der USA, einer hohen Spar-neigung in Asien und Europa und einem niedrigen Wech-selkurs der exportierenden Volkswirtschaften. So ist einKreislauf entstanden, der seit Jahrzehnten nach dem immer

    gleichen Muster abluft.Man kann sich nun fragen, ob die gegenwrtige immense

    Verschuldung des amerikanischen Staates mit ihrem inh-renten Inationspotential und die Verwerfungen und Ver-zerrungen des amerikanischen Finanz- und Binnenmarktesnicht gelegentlich die bis jetzt stets als gegeben genommene

    Widerstandskraft des Dollars bersteigen und eine Zeitbom-be darstellen knnten, die sich nur mit Hilfe der gesamtennoch mobilisierbaren globalen Finanzkraft entschrfen liesse.Die USA befnden sich dann in der Lage jener Banken, dieneulich gerettet werden mussten, weil ihr Untergang denje-

    nigen des gesamten Wirtschaftssystems nach sich gezogenhtte. Werden die USA einmal auch bloss noch too big tofail sein? Werden eines Tages chinesische Staatsfonds beiUSA Ltd. einsteigen und mitreden, wie der singapurischeStaatsfonds bei UBS Ltd.?

    Die Chinesen jedenfalls beginnen, eine neue Weltwh-rung zu fordern. Vorderhand bleibt ihnen zwar nichts ande-res brig, als Dollars entgegenzunehmen und die amerikani-sche Whrung zu sttzen; denn wrfen sie all ihre Dollarsauf den Markt, kme es zu einem Whrungszerfall, wobeisie ein Gutteil ihres Vermgens verlren. Aber aus Chinaerwchst den USA zunehmend Widerstand. Die Europer

    machen, anders als die Chinesen, hingegen wenig Anstalten,Kritik am Wirtschaftssystem zu ben; sie spielen das Spielweiterhin mit. Das ist merkwrdig, leisten sie doch nichtnur einen unfreiwilligen Beitrag zum berschwnglichen Le-benswandel, sondern auch zur Hegemonialpolitik der USA.

    Erinnern wir uns wie hat sich die Neue Welt aus denKlauen des britischen Empires befreit? Die erwhnte Bosto-ner Teeparty wre auch eine Antwort auf die aktuelle, durchdie lockere Geldpolitik der USA mitverschuldete Finanzkri-se. Mchte man dieses System verndern, in dem die einenauf Kosten der anderen konsumieren, so wre nun Teatime!

    RA DU GOL BA N, geboren 1973, ist promovierter konom undUnternehmer. Er beschftigt sich wissenschaftlich vor allem mit geld-und whrungspolitischen Fragen.

    Werden eines Tageschinesische Staatsfonds beiUSA Ltd. einsteigenund mitreden, wie dersingapurische Staatsfondsbei UBS Ltd.?