weltzeit 03_2009: mit smart mobs und twitter gegen den krieg 2.0

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Das Magazin der Deutschen Welle 03 Mai 2009 welt zeit Mit SMart MobS und twitter gegen den Krieg 2.0

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weltzeit – das Magazin der Deutschen Welle – erscheint alle zwei Monate. Es richtet sich an kritische Begleiter des deutschen Auslandsrundfunks, an Multiplikatoren in Deutschland aus Medien, Politik, Wirtschaft und Kultur. Interessenten können das Magazin auf Wunsch kostenlos abonnieren. weltzeit bringt Reportagen aus allen Kontinenten, stellt Menschen vor und informiert über das Unternehmen Deutsche Welle, über Programminitiativen und Programmmacher.

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Page 1: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

Das Magazin der Deutschen Welle 03—Mai 2009

welt zeit

Mit SMart MobS und

twitter gegen den

Krieg 2.0

Page 2: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

GMF_2009_Anz_A4.indd 1 09.02.2009 14:03:23 Uhr

Page 3: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

vorspann —�weltzeit 03_2009

04–05 nachrichten

06–21 titel»���Kanonenfutter�für�Cybervögel»���Im�Gespräch�mit�Intendant��

Erik�Bettermann»���Fotos�für�die�Pressefreiheit»���Yoani�Sánchez�aus�Kuba:�„Blogs�

sind�ansteckend“»���Meera�Jamal�zur�Mediensituation�

in�Pakistan

2� spot

24–25 profil»��Mauerfall�und�Auslandssender:��

Gastbeitrag�von�Peter�Sturm

26–27 profil»��Deutschlandbild:�Ortswechsel��

mit�Rollentausch�

28 schlaglichter

29 neuemedien»��Europas�digitales�Gedächtnis

�0-�1 vorort»��Südkorea:�Ostasiens�Motor

�2-�� zoom»��Christopher�Springate:��

Moderator,�VJ�und�Trainer

�4 partner

Liebe Leserinnen und Leser,vom 3. bis 5. Juni erwarten wir wieder rund 900 Teilnehmer aus 100 Ländern zum Deutsche Welle

Global MeDia ForuM in Bonn. Experten aus Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden im World Conference Center über „Konfliktprä-vention im Multimedia-Zeitalter“ debattieren. In über 50 Einzelveranstaltungen werden sie die rasanten Entwicklungen auf den weltweiten Medienmärkten und die künftige Rolle der klas-sischen wie der Neuen Medien reflektieren – im Kontext regionaler wie globaler Krisen. Die Premiere 2008 hat uns ermutigt, das Deutsche Welle Global MeDia ForuM in Bonn zu einer festen Größe zu machen. Das Format eines Medienkongresses mit internationaler Ausrich-tung und interdisziplinärem Ansatz trifft auf starkes Interesse: In diesem Jahr engagieren sich mehr als 50 Partnerinstitutionen und Sponsoren; Vertreter von Medienunternehmen, Nichtregie-rungsorganisationen, staatlichen und zwischen-staatlichen Institutionen kommen zusammen.

Sie alle werden die Konferenz – und das attrak-tive Rahmenprogramm – auch als interkulturelle Kommunikationsplattform nutzen, um Netz-werke zu knüpfen und auszubauen. Der Kongress zahlt sich in vielfacher Hinsicht aus – und ist auch wirtschaftlich erfolgreich: Wir haben die Auftaktveranstaltung mit einer „schwarzen Null“ abgeschlossen und für dieses Jahr ist die Finanzierung ebenfalls gesichert. Großen Anteil daran haben das Auswärtige Amt, die Stiftung Internationale Begegnung der Spar-kasse in Bonn als Mitveranstalter, die NRW-Landesregierung und Deutsche Post DHL, die das Forum unterstützen. Die weltzeit gibt einen Vorgeschmack auf die Konferenz. Ich würde mich freuen, wenn wir Ihr Interesse wecken könnten und auch Sie im Juni in Bonn dabei wären.

Herzliche GrüßeRalf NoltingGeschäftsführer DW-Media Services GmbH

Impressum

Deutsche�WelleUnternehmenskommunikation53110 bonnt. 0228.429.2041F. [email protected]/presse

Verantwortlich: Dr.�Johannes�HoffmannRedaktion:�Berthold�Stevens�Gestaltung:�Lisa�Flanakin�Marco�SiebertzDruck:�Brandt�GmbH�·�Bonn

Fotos:�AP�(Titel,�Seite�6,�10,�18),�DW-Archiv�(3,�8,�9,�11,�12,�23,�25,�27,�31,�34),�DW/B.�Frommann�(4),��picture-alliance/dpa�(5,�16,�19,�20,�24,�26,�29,�30,�34),�getty�images�(8,�11,�17),�Justyna�Mielni-kiewicz�(14,�15),�Jelena�und�Vik-tor�Vorobjev�(15),�Simon�Roberts/*NBPICTURES�(15),�bamdad-film�(19),�DW/M.�Müller�(21),�Identity�Foundation�(23),�HR/Benjamin�Knabe�(23),�Beethovenfest�Bonn�(23),�DW/C.�Fork�(23),�Patchworld�Verlag�(27),�DW/M.�Altmann�(33)

Anzeigen T.�0228.429.2043F.�[email protected]

Werbung im ProgrammT.�0228.429.3507F.�[email protected]

In dieser Ausgabe

Editorial

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4— nachrichten

Vor rund 200 Gästen aus Politik, Kul-tur, Wirtschaft und Medien nannte Lau-dator Frank-Walter Steinmeier den ersten Preisträger einen „ganz Großen der eu-ropäischen Demokratiebewegung“. Unter den Zuhörern war auch der tschechische Außenminister und derzeitige Vorsitzende des Ministerrates der Europäischen Union, Karel Schwarzenberg.

DW-Intendant Erik Bettermann, Vor-sitzender des vor zwei Jahren gegründeten Vereins Internationaler Demokratiepreis Bonn, überreichte Hwavel die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung in Form einer Glasskulptur. „Der Schriftsteller, friedliche Widerstandskämpfer und Poli-tiker Václav Havel hat Geschichte erlebt und selbst Geschichte gemacht. Er hat für freiheitliche Ideale, für Demokratie und Menschenrechte gekämpft und dafür jahrelang im Gefängnis gesessen.“ Sein Kampf gegen den Kommunismus habe ihn zur „Symbolfigur für Demokratie“ ge-macht. Als Präsident sei er für die deutsch-tschechische Versöhnung eingetreten, begründete Bettermann die Entscheidung der Jury.

Havel sagte in seiner Dankesrede: „Während meines Lebens war ich einige Male in einer Situation, in der ich völlig

unabsichtlich dazu beigetragen habe, eine neue Tradition zu gründen. Ich war der erste frei gewählte Präsident in meinem Land nach dem Fall des Eisernen Vor-hangs. Der erste Präsident, der nicht fort-gejagt wurde, sondern bis zum Ende des Mandats im Amt blieb.“ Nun sei er der erste Ex-Präsident, der diese neue Aus-zeichnung erhalte.

Ohne Václav Havel, hob Steinmeier in seiner Laudatio hervor, „wäre der friedli-che Aufbruch in Mittel- und Osteuropa undenkbar gewesen. Ein wahrhaft würdi-ger Preisträger!“ In einem Rückblick auf die Umwälzungen in Europa während der Präsidentschaft Havels sagte der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, Havel repräsentiere „in einzig-artiger Weise die europäische kulturelle und geistige Identität“. Bärbel Dieckmann,

Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn, er-innerte daran, dass im Museum Koenig vor 60 Jahren das Grundgesetz der Bun-desrepublik Deutschland verabschiedet wurde. „Der Name Bonn ist untrennbar mit der Entwicklung der Demokratie und Freiheit in der Bundesrepublik Deutsch-land verbunden“, so Dieckmann.

Bei einem festlichen Abendessen würdigte der nordrhein-westf älische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers den Preisträger: Havel habe in seiner Politik stets klare Werte vertreten. Als Literat habe er sich für die Freiheit des einzelnen Menschen eingesetzt. „Seine Integrität hat mich stets beeindruckt“, sagte Rüttgers. Diese Integrität habe er verbunden „mit der Demut des guten Zuhörers“. ——

www.demokratiepreis-bonn.de

„Ein ganz Großer der europäischen Demokratiebewegung“Bonn – Václav Havel ist mit dem erstmals vergebenen Internationalen Demokra-tiepreis Bonn ausgezeichnet worden. Am 24. April wurde der ehemalige tsche-chische Staatspräsident im Rahmen eines Festakts im Bonner Museum Koenig geehrt. Die Laudatio hielt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

01-02 Václav havel mit Glasskulptur und ur-

kunde, umrahmt von (v. l.) Dr. Jürgen Wilhelm, Frank-

Walter steinmeier, rudolf Müller, Dr. Wolfgang riedel,

hermann Neusser, bärbel Dieckmann, Dr. ulrich

Gröschel, Dr. uwe schäkel, erik bettermann, hans-

Dietrich Genscher

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nachrichten —5weltzeit 03_2009

03 „Karen Fischer war eine her-

vorragende, engagierte und mutige

Nachwuchsjournalistin“: Prof. laurel

leff von der Northeastern university

in boston, vor der tafel im Newseum in

Washington

Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt werden in dem Nachrichtenmuseum geehrt: 1.913 Menschen, die ihren beruflichen Einsatz mit dem Leben bezahlen mussten. „Sie starben, damit andere die Geschichten erfahren,

die für ihr Leben wichtig sind. Sie starben im Dienste der Wahrheit“, sagte Newseum-Präsident Alberto Ibargüen bei der Gedenkveranstaltung. Mehr als 70 neue Namen wurden auf einer Tafel aufgenommen. „Verlässliche veröffentlichte In-formation, das Produkt eines guten Journalismus, ist unentbehrlich für die Gemeinschaft und für eine Demokratie“, so Ibargüen.

Zahlreiche Familienangehörige, Freunde und Weggefährten ermordeter Journalisten waren nach Washington gekommen. Darunter auch Laurel Leff, Professorin an der Northeastern University, Boston. Dort hatte Karen Fischer von 1998 bis 2000 Journalistik studiert. Leff betonte, sie habe die Nachwuchsjournalistin als „hervorragende, engagierte und mutige“ Frau kennengelernt. ——

www.newseum.org

Ehrung im NewseumWashington – Seit Ende März sind Karen Fischer und Christian Struwe im Washingtoner „Newseum“ auf einer Gedenktafel präsent. Die beiden Mitarbeiter der Deutschen Welle waren im Oktober 2006 im Norden Afghanistans auf einer Recherchereise von bislang unbekannten Tätern erschossen worden.

03

Neuer Vorsitzender mit neuen KonzeptenBerlin – DW-Intendant Erik Bettermann hat am 1. April den Vorsitz der Rias Berlin Kommission übernommen. Vor dem Hintergrund der veränderten Medienlandschaft kündigte Bettermann an, dass auch die Kommission „neue Wege einschlagen“ werde.

Die DW engagiert sich seit vielen Jahren in der Rias Berlin Kommission. Auch beim Deutsche Welle Global MeDia ForuM in Bonn arbei-ten beide Institutionen zusammen: Im Rahmen eines Workshops am 5. Juni diskutieren deutsche und US-amerikanische Journalisten, ob und wie sich in den jeweiligen Medien die Berichterstat-tung über Terrorismus unterscheidet.

„Die Art, wie Journalisten heute ihr Hand-werk betreiben, unterscheidet sich wesentlich von der Arbeitsweise vor zehn Jahren. Das Glei-che gilt für das mediale Konsumverhalten von Zuschauern und Zuhörern“, so Bettermann. Diesem veränderten Medienverhalten werde die Rias Berlin Kommission „mit neuen Konzepten begegnen“. Darüber hinaus wolle er sich dafür einsetzen, „auf der Grundlage der gemeinsamen Werte weiterhin den Austausch von Journalisten

aus Deutschland und den USA zu er-möglichen und somit einen Beitrag zum besseren gegenseitigen Verständ-nis zu leisten“, so Bettermann bei seinem Antritt.

Die Rias Berlin Kommission wurde 1992 von der Bundesre-gierung und der US-Regierung gemeinsam gegründet. Sie soll die deutsch-amerikanische Verständi-gung im Rundfunkwesen fördern – etwa durch Vergabe von Pro-duktionszuschüssen und eines jährlichen Medien-Preises. ——

www.riasberlin.de

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6— titel

Neue�Medien,�neue�Akteure:�Krisen�und�

Kriege�im�Multimedia-Zeitalter

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Kanonenfutter für Cybervögel

Digitalisierung, On-Demand, Web 2.0: Die Medienwelt hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Das Deutsche Welle Global MeDia ForuM vom 3. bis 5. Juni in Bonn wird sich mit diesem rasanten technologischen Fortschritt beschäftigen und die daraus resultierenden Fragen für die „Konfliktprävention im Multimedia-Zeitalter“ diskutieren. Zu den 50 Einzelveranstaltungen der zweiten Auflage der Konferenz werden rund 900 Teilnehmer aus 100 Ländern er-wartet. Ein Vorbericht von Michael Münz.

titel —7weltzeit 03_2009

28. März. In Frankfurt und Berlin demons-trieren insgesamt 55.000 Menschen gegen das bevorstehende G20-Treffen: „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ Für die Veranstalter hieß eine der Herausforderungen: die Ansprechpartner über den jeweils anderen Veranstaltungsort auf dem Laufenden zu halten. Wie viele Teil-nehmer sind dabei? Zeichnen sich irgendwo Schwierigkeiten ab? Für das Netzwerk attac, einen der Veranstalter, saß Frauke Distelrath in ihrem Frankfurter Büro und behielt über un-terschiedliche Medien die Situation in beiden Städten im Blick. Über einen SMS-Verteiler gab sie Informationen aus TV-Nachrichten, Online-Medien sowie Botschaften, die sie per Mail oder Telefon erreichten, weiter. „Wir koordinieren solche Aktionen schon lange per SMS“, berichtet die attac-Pressesprecherin. „Heutzutage hat jeder ein Handy dabei, das erleichtert die standortübergreifende Kommu-nikation.“ Als Ansprechpartner für die Presse

war Alexis Passadakis beim Demonstrationszug in Berlin dabei. Distelraths Botschaften rüsteten ihn für Journalistenanfragen aus. Er sieht noch Potenzial für die Nutzung Neuer Medien bei solchen Anlässen. „Wir denken gerade darüber nach, ob wir zur Berichterstattung nicht auch ein Twitter-Account einrichten sollten. Die Be-deutung solcher Instrumente für die Arbeit von attac wird in Zukunft sicher noch zunehmen“, so Passadakis. „Es wäre aber letztlich nur ein Instrument unter vielen.“

Howard Rheingold hat die Bedeutung neuer Kommunikationsformen für jedwede Form der Zusammenarbeit schon vor einigen Jahren the-matisiert. Der Professor an der Stanford Univer-sity in Kalifornien, USA, ist einer der weltweit führenden Köpfe in der Diskussion um die Zu-kunft des Web 2.0. Ihm war an verschiedenen Orten der Welt immer wieder aufgefallen, mit welcher Selbstverständlichkeit gerade junge Menschen Mobiltelefone zur Kommunikation

»Das neue Medien-

umfeld läutet eine

revolution ein.«

Page 8: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

nutzten. Seitdem erforscht er, wie diese Kom-munikationsformen bei politischen Aktionen eingesetzt werden können. Mit Smart Mobs prägte er einen Begriff, der aufzeigt, auf welche Weise mobile Medien und das Internet Men-schen dazu befähigt, „gemeinsame Aktionen auf neue Art und Weise zu organisieren – mit Menschen, mit denen sie zuvor keine derar-tigen Aktivitäten organisieren konnten, in Größenordnungen, an Orten und in einer Ge-schwindigkeit, in der dies zuvor nicht möglich

gewesen wäre“. Rheingold führt als Beispiel die Proteste an, die Anfang 2001 zum Sturz des philippinischen Präsidenten Joseph Estrada geführt hatten: Die Aktionen waren per SMS-Nachrichten organisiert worden, nur Minuten nachdem bekannt wurde, dass Estrada sich wo-möglich nicht wegen Vorwürfen der Korrupti-on würde verantworten müssen. Beispiele dieser Art machen Rheingold sicher: Das Potenzial der kabellosen Kommunikation, um soziale Veränderungen herbeizuführen, ist immens.

8— titel

01 Skurrile�Kontraste:�junge�Liba-

nesen�im�zerstörten�Beirut�–�das�World�

Press�Photo�2006�von�Spencer�Platt

01

Brian Storm

Galionsfigur�des�Internetjourna-

lismus.�Medienunternehmer,�Autor�

und�Journalist.�Gründer�der�Firma�

Mediastorm.�Emmy-Award�für�mul-

timediale�Reportagen�aus�Krisen-

gebieten.�

Howard Rheingold

Professor�an�der�Stanford�Univer-

sity�in�Kalifornien,�USA.�Einer�der�

weltweit�führenden�Köpfe�in�der�

Diskussion�um�die�Zukunft�des�Web�

2.0.�Trend-Guru�zum�Nutzerverhal-

ten.�Vordenker�für�humane�Inter-

netnutzung.�

Die Experten

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weltzeit 03_2009

Wie sich dies auch für die Konfliktprävention einsetzen lässt, darüber spricht er am Eröff-nungstag des Deutsche Welle Global MeDia ForuM.

Zum zweiten Mal bringt die Deutsche Welle Medienvertreter aus aller Welt mit Akteuren aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Entwicklungs-zusammenarbeit und Wissenschaft zusammen. Zahlreiche Prominente haben ihre Teilnahme angekündigt. Erwartet werden unter anderem der EU-Außenbeauftragte Javier Solana, der Kommissar für Frieden und Sicherheit der Afri-kanischen Union, Ramtane Lamamra, sowie der Medienunternehmer Nick Brambring, Ge-schäftsführer des Portals für kostenloses Inter-net-Fernsehen Zattoo. Außerdem kommen nach Bonn: Christiana Falcone, Leiterin Multimedia des World Economic Forum, USA, Professor Noel Sharkey, University of Sheffield, einer der international führenden Forscher im Grenz-bereich zwischen künstlicher Intelligenz, Robo-tik und Kriegstechnologie, sowie Salim Alim, Gründer der ersten panafrikanischen Nachrich-tenagentur A24 Media in Kenia.

Cyberterrorismus und Militär-blogsWie im vergangenen Jahr erwartet die Deutsche Welle wieder rund 900 Teilnehmer aus über 100 Ländern. Im World Conference Center Bonn erarbeiten sie interdisziplinär Lösungsansät-ze für Herausforderungen der Globalisierung, bei denen Medien eine zentrale Rolle spielen – wie schon 2008 steht dabei Konfliktpräven-tion im Fokus. Zahlreiche Journalisten werden weltweit aus Bonn berichten – und sich an den Workshops und Diskussionen beteiligen. Aus Deutschland mit dabei: Mercedes Bunz, Chef-redakteurin Tagesspiegel Online, Roland Tichy,

Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Peter Sturm, Frankfurter Allgemeine Zeitung, und Konstantin Neven DuMont, Geschäftsführender Gesellschafter von M. DuMont Schauberg.

Die wachsende Bedeutung Neuer Medien in politischen Konflikten wurde zuletzt während des Gaza-Kriegs Anfang des Jahres deutlich. Israelis und Palästinenser nutzten etwa Video-portale, um damit ihre Perspektive in der Be-richterstattung in den Fokus zu rücken. Die Nutzung des Internets für Informationen und Fehlinformationen, Cyberterrorismus, Hacker-Aktivitäten und Militär-Blogs – das sind nur einige der Phänomene und Konzepte, die mili-tärische Konflikte im Multimedia-Zeitalter mehr und mehr prägen. „Diese Entwicklungen haben nicht nur militärische Strategien und Geheim-dienstaktivitäten drastisch verändert, sondern auch die Berichterstattung über bewaffnete Kon-flikte“, konstatiert Thomas Rid, US-Experte für Sicherheitspolitik, Konfliktberichterstattung und Medien. „In den 1990er Jahren hatten Jour-nalisten praktisch ein Monopol auf die Kriegs-berichterstattung“, so Rid. Heute gebe es allein fast 2.000 von Soldaten betriebene Weblogs und in Kriegsregionen führten auch zahlreiche Zivi-listen ein Onlinetagebuch.

revolution der Konfliktprävention Rid ist Sicherheitsexperte am Zentrum für trans-atlantische Beziehungen an der Johns Hopkins University’s School of Advanced International Studies (SAIS) in Washington, D.C. Beim Deutsche Welle Global MeDia ForuM wird er seine Thesen im Workshop „Krieg 2.0 – Die Rolle der Medien in asymmetrischen Konflikten“ dar-legen. Rid: „Das neue Medienumfeld läutet eine

Thomas Rid

US-Experte�für�Sicherheitspolitik,�

Konfliktberichterstattung�und�Me-

dien.�Zentrum�für�transatlantische�

�Beziehungen�an�der�Johns�Hopkins�

University’s�School�of�Advanced�

International�Studies�(SAIS)�in�

Washington,�D.C.

Noel Sharkey

Professor�an�der�University��

of�Sheffield.�Einer�der�internatio-

nal�führenden�Forscher�im�Grenz-

bereich�zwischen�künstlicher�

�Intelligenz,�Robotik�und�Kriegs-

technologie.�

titel —9

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regelrechte Revolution ein.“ Die politischen und sozialen Auswirkungen könnten gravierend sein und Militärs, Politiker und Zivilisten vor einige Herausforderungen stellen.

Während im ersten von den USA geführten Irakkrieg das Bildmaterial von den großen in-ternationalen Nachrichtensendern kontrolliert worden sei, stellten heute die Kriegsteilnehmer – ob Soldaten regulärer Truppen oder Aufstän-dische und militante Gruppen – ihre eigenen Videos ins Netz. „Damit“, so Rid, „sind auch Hinrichtungen, Sprengstoff-Attacken und An-griffe aus dem Hinterhalt jedem auf der Welt unmittelbar zugänglich.“

Journalismus neu definieren? Wenn heutzutage jeder mit seinem Handy je-derzeit von überall berichten kann, was unter-scheidet dann einen Journalisten von den neuen Akteuren auf den Medienmärkten? Wie können Journalisten neue Angebote wie Twitter, Wikis oder Podcasts für ihre Arbeit nutzen? „Nur die Möglichkeit zur Berichterstattung zu haben oder diese auch sinnvoll zu nutzen ist und bleibt ein riesiger Unterschied. Gerade deswegen sollen und müssen sich herkömmliche Medienanbie-ter und Medienarbeiter aktiv mit den neuen

Gegebenheiten auseinandersetzen“, sagt Marcus Bösch. Der Kölner Journalist produziert für die DW wöchentlich die Blogschau, eine Hör-funkreihe über die Entwicklung von Weblogs und anderen Web 2.0-Diensten.

Tipps und Bewertungen zu Online-Angebo-ten gibt es im Internet zuhauf, woran lässt sich somit erkennen, dass es sich um ein professio-nelles journalistisches Angebot handelt? „Ich bin überzeugt, dass die Aufbereitung von Themen anders ist, wenn man eine gute Ausbildung ge-nossen hat. Um Brötchen zu backen, muss ich zwar kein Bäcker sein. Um das ganze Waren-angebot einer Bäckerei täglich termingerecht und professionell herzustellen und zu verkaufen, schon.“ Von seinen Erfahrungen wird Bösch auf dem Forum berichten: „Re-inventing Journa-lism“ heißt der ganztägige Workshop der DW-AKADEMIE.

Die neuen technischen Möglichkeiten für die Weiterentwicklung journalistischer Formate sehr früh genutzt hat Brian Storm. Der Chef der New Yorker Agentur Mediastorm, der im Rahmen der Konferenz in Bonn seine Arbeit vorstellen wird, gilt mit seinen Dokumentati-onen zu politischen und sozialen Themen als Pionier des multimedialen Fotojournalismus.

01

01 Absurde�Normalität:�Nahost-

Panorama�mit�Hizbollah-Führer�am�

Bildschirm�und�israelischen�Bomben�im�

Hintergrund

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Video, Fotografie, Animationen, Audio – die mehrfach ausgezeichneten Produktionen von Mediastorm vereinen verschiedene Medien zu einer neuen Darstellungsform. Eine, die es vor wenigen Jahren noch nicht gegeben hat und erst möglich wurde, als sich die benötigte Technik, sowohl für die Produktion als auch für die Re-zeption, weltweit auf jedem Rechner – stationär wie mobil – wiederfand.

Howard Rheingold sieht das Ende dieser Ent-wicklung noch lange nicht erreicht. „Wir wissen, dass die Geräte, die heute von den Menschen genutzt werden, in zehn bis 20 Jahren noch preiswerter, noch weiter verbreitet und noch wichtiger sein werden.“ Was das für die künftige Rolle der Medien bedeutet, das werden die Teil-nehmer der Konferenz diskutieren. ——twitter.com/michaelmuenz

titel —11weltzeit 03_2009

Jean Réveillon

Generalsekretär�der�European�

Broadcasting�Union�(EBU).�

Nick Brambring

Medienunternehmer.�Geschäfts-

führer�des�Portals�für�kosten-

loses�Internet-Fernsehen�

�Zattoo.

Salim Alim

Gründer�der�ersten�panafri-

kanischen�Nachrichtenagen-

tur�A24�Media�in�Kenia.�Das�

�„YouTube�Afrikas“.�

Christiana Falcone

Leiterin�Multimedia�des�World�

Economic�Forum,�USA.

Ramtane Lamamra

Kommissar�für�Frieden�und�

�Sicherheit�der�Afrikanischen�

Union.

Das ThemenspektrumMultimedia-Revolution und traditionelle Medien:

Ergänzung oder Verdrängung?

Mehr Kanäle – mehr Nachrichten: Weniger Seriosität?

Medien in weltweiten Konflikten: Analyse im Überblick.

Krieg 2.0: Soldaten und Terroristen als Kriegsbericht-

erstatter.

Nutzer als Macher: Mob oder mündige Bürger?

Internetfernsehen: Interkulturelle Auswirkungen

weltweit.

Medien und politische Transparenz: Turbulente Zeiten.

Junge Generation: Keiner hört zu, keiner sieht hin?

Sicherheitslücken: Der internationale Datenverkehr.

Gemeinsame Verantwortung: Streitkräfte und Gesell-

schaft.

Gesperrte Internetseiten: Verlieren Zensoren den

Wettlauf?

Beispiel Liberia: Berichterstattung aus Konflikten.

Beispiel Somalia: Neue Medien und Intervention.

Werbung, Medien und Konflikte: Wer gestaltet die

Botschaften?

Roboter in Konflikten: Ethische Aspekte moderner

Kriegsführung.

Militainment: Virtuelle Kriegsspiele und soziale

Wirklichkeit.

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12— titel

Bewusstsein schaffen im Neue-Medien-Rausch Die zweite Auflage des deutSChe welle global

Media ForuM steht bevor. Im weltzeit-Gespräch skizziert DW-Intendant Erik Bettermann das weiterentwickelte Konzept und die Ziele der Konferenz.

? Was haben Sie im Vergleich zum Auftakt im Vorjahr verändert?

Wir haben die Konzeption des Deutsche Welle

Global MeDia ForuM für 2009 inhaltlich und struk-turell weiterentwickelt. Dabei haben wir auch Anregungen aufgegriffen, die von unseren Part-nern, von vielen Teilnehmern und auch Journa-listen an uns herangetragen wurden. Das heißt beispielsweise: weniger große Panels, mehr Work-shops, mehr Übersetzung, mehr Interaktions-möglichkeiten. Inhaltlich setzen wir 2009 einen Akzent auf Konfliktprävention und Multimedia, gehen auf technische Entwicklungen der Medien und veränderte Formen der Mediennutzung ein. Auch das war ein Wunsch vieler Teilnehmer. Es wird gleichwohl kein Technik-Forum: Das Generalthema der Konferenz schließt Themen wie Zivilgesellschaft und Wertevermittlung, Re-gierungsführung und Menschenrechte, Bildung und Entwicklung ein. Dass wir mit dem Konzept richtig liegen, zeigen auch die vielen Anfragen renommierter Institutionen, sich erstmals als Partner zu beteiligen. Wir können in diesem Jahr leider bei weitem nicht alle berücksichtigen. Mit Blick auf den Ausbau des World Conference Center Bonn werden sich wahrscheinlich künftig neue Möglichkeiten bieten.

? Welche konkreten Ziele verfolgt die Konferenz?

Medien tragen eine große Verantwortung – ins-besondere haben sie eine wichtige aktive Rolle bei der Konfliktprävention. Und diese Verant-

wortung müssen sie wahrnehmen – das umfasst alle, auch die neuen Medienakteure auf den unterschiedlichen Plattformen. Mit Hochge-schwindigkeits-Journalimus im Neue-Medien-Rausch ist es nicht getan. Die wachsende Zahl der Akteure im Web 2.0 fragmentiert die Me-dienlandschaft immer mehr. Nach anfänglicher Euphorie über die vielen neuen Möglichkeiten ist bei Machern und Nutzern doch eine gewisse Ernüchterung zu beobachten. Die Nutzer su-chen mehr und mehr nach Qualität und Verläss-lichkeit. Diese Diskussion greifen wir auf dem Deutsche Welle Global MeDia ForuM auf und bieten Orientierung.

? Hierzulande spricht die Branche über die Krise der traditionellen und den Sieges-

zug der Neuen Medien…Entscheidend ist doch nicht die Frage nach „alten“ oder „neuen“ Medien, entscheidend sind Qualität und Relevanz der Inhalte. Hierzulande wird noch viel zu viel in medialen Kästchen ge-dacht: hier die Öffentlich-Rechtlichen und die Tageszeitungen, da Twitter und Co. Man darf sie nicht gegeneinander ausspielen, sondern muss ihre jeweiligen Stärken nutzen und kombinieren. Die Deutsche Welle setzt erfolgreich auf eine Multiplattformstrategie: klar definierte Ziel-gruppen auf allen technischen Wegen erreichen, die diese zur Verfügung haben und bevorzugen. Die Inhalte werden entsprechend aufbereitet. In diesem Sinne haben wir jetzt Hörfunk- und Onlineredaktionen zusammengelegt und multi-

01 „Die�Nutzer�suchen�mehr�und�

mehr�nach�Qualität�und�Verlässlichkeit.�

Diese�Diskussion�greifen�wir�auf“:�Erik�

Bettermann

01 „Entscheidend�ist�doch�nicht�

die�Frage�nach�alten�oder�neuen�Me-

dien,�entscheidend�sind�Qualität�und�

Relevanz�der�Inhalte“:�Erik�Bettermann

01

»Wir brauchen

streitbare, auch

umstrittene, inter-

national renom-

mierte akteure.«

Page 13: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

medial aufgestellt – unter Einbeziehung unserer TV-Inhalte. Man muss Medien als ein System begreifen – international vernetzt. Beispiel: Wenn wir als Auslandssender eine Information verbreiten, die in den offiziellen Medien des Zielgebiets nicht zu finden ist oder den Men-schen bewusst vorenthalten wird, dann wird sie mit Sicherheit in oppositionellen Blogs aufge-griffen und weiterverbreitet. Das kennen wir aus Iran, das kennen wir aus China oder auch Kuba. Die Blogging-Debatte wiederum thematisieren wir und geben so der Freiheit und Vielfalt der Meinungen eine Chance.

? Kann demnach „Konfliktprävention im Multimedia-Zeitalter“ erfolgreich sein?

Die Themenfülle, die wir auf dem Deutsche

Welle Global MeDia ForuM in diesem Jahr in rund 50 Einzelveranstaltungen abdecken, verdeutlicht zunächst eines: Das Generalthema ist von erheb-licher internationaler Relevanz und das Bedürf-nis, sich darüber auszutauschen, enorm. Medien sind im Kontext der Vorbeugung von Konflikten in vielfacher Hinsicht gefordert. Und das beginnt vor der eigenen Haustür: Wenn Menschen virtuelle Kriegsspiele spielen, dann ist das mit einer erheblichen sozialen Konditionierung verbunden. Wenn sich Videospiele zum wir-kungsvollsten Rekrutierungswerkzeug des US-Militärs entwickelt haben, unterstreicht das die gesellschaftliche Bedeutung. Und wenn durch die Abbildung realer Konflikte der jüngeren Vergangenheit in Videospielen die Grenzen zwi-schen Videospiel und interaktivem Journalismus aufgeweicht werden, wie Experten meinen, dann müssen wir das diskutieren. Ebenso muss man reflektieren, dass sich nicht nur die Konflikte selbst, sondern auch die Berichterstattung über sie dramatisch wandeln – wenn beispielsweise Soldaten Weblogs betreiben oder eigene Bilder ihrer Einsätze auf YouTube veröffentlichen. Das heißt: Wir müssen ausloten, welche Möglich-keiten Medien im Multimedia-Zeitalter haben, um Konflikten vorzubeugen.

? Reden Sie damit einer aktiveren Rolle der Medien das Wort? Also nicht nur Be-

richterstattung über Krisen und Konflikte, sondern auch Gestaltung von Lösungen durch die „Vierte Gewalt“? Natürlich geht es zunächst immer darum, dass die Medien Konflikte so objektiv wie möglich abbilden. Und zwar in der ganzen Bandbreite gesellschaftlicher, nationaler und internationaler

Konfliktfelder – ob sozial oder politisch, öko-logisch oder ökonomisch bedingt. Aber es wird zunehmend wichtiger, dass die Medien mit gut recherchierten Geschichten Bewusstsein för-dern, wie sich Konflikte lösen ließen. Sie müssen ein Forum bieten für den Austausch von Ideen und Meinungen und diese wiederum aufgreifen. Das setzt professionell und verantwortungsbe-wusst agierende Journalisten voraus.

? Das deutSChe welle global Media ForuM – somit ein Treffen der medialen Gut-

menschen? Dagegen würde sich beispielsweise der Chaos Computer Club vermutlich verwahren. Wir brauchen streitbare, manchmal auch umstrittene, international renommierte Akteure für strittige Themen. Die Konferenz lebt vom Engagement ihrer Teilnehmer, was schon die Auftaktveran-staltung eindrucksvoll gezeigt hat. 2009 bringen wir unter anderem Galionsfiguren der Inter-netszene, Medienunternehmer und Journalisten, Experten für internationalen Datenverkehr und Informationssicherheit und hochrangige Militärs zusammen. Sowohl die Themenbreite als auch die Besetzung des Deutsche Welle Global MeDia

ForuM spiegeln unser Selbstverständnis, weltweit als deutsche Stimme der Menschenrechte zu wirken, wider. ——

titel —1�weltzeit 03_2009

Das World Conference Center Bonn ist�Schauplatz�des�Deutsche Welle Global MeDia ForuM.�Der�

ehemalige� Plenarsaal� des� Deutschen� Bundestags� mit� knapp�

1.300�Plätzen�und�das�Wasserwerk�(600�Plätze)�sind�die�Kern-

stücke�des�jetzigen�Kongresszentrums.�Ab�Ende�2009�ergän-

zen� der� Erweiterungsbau� und� das� angeschlossene� Ameron�

World�Conference�Hotel�(Foto)�das�Angebot.�Über�2.500�Per-

sonen�werden�im�Großen�Saal�des�Erweiterungsbaus�Platz�fin-

den,�mehr�als�800�im�Kleinen�Saal,�hinzu�kommen�Tagungsräu-

me�mit�345�bis�600�Plätzen.�Das�WorldCCBonn�kann�auf�die�

Nähe�zu�den�Vereinten�Nationen,�zur�DW�und�den�Firmensitzen�

von�Deutsche�Post�DHL,�Postbank�und�Telekom,�den�Häusern�

der� Museumsmeile� sowie� einer� Vielzahl� internationaler� Ver-

bände� und� Organisationen� verweisen.� Das� World� Conference�

Center� Bonn� versteht� sich� als� eine� Stätte� des� internationa-

len�Dialogs,�an�der�Zukunftsthemen�von�weltweiter�Bedeutung�

diskutiert�werden.�

www.worldccbonn.com�

Page 14: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

14— titel

Fotos von Größenwahn und Verfall Bonn – In Kooperation mit Reporter ohne Grenzen zeigt das deutSChe welle global Media

ForuM in Bonn die Fotoausstellung „Nahtstellen“. Menschen aus GUS-Ländern in Bildern, die eindrucksvoll von Krieg, Größenwahn und Verfall erzählen. Marco Siebertz hat sie gesehen.

»Metaphern für

den umgang mit

dem postkommu-

nistischen erbe.«

Zwei alte Frauen überqueren eine leere Straße. Die eine richtet schützend einen aufge-spannten Regenschirm nach vorne. Ist es der Wind, der durch den düsteren ruinenhaften Pa-last – einen Betonkoloss, der von besseren Zeiten erzählt – bläst, vor dem sie Schutz suchen? Oder ist es nur Schatten von den Sonnenstrahlen aus dem großzügig blauen Himmel, den sie wollen?

Das Foto der polnischen Fotografin Justyna Mielnikiewicz entstand im August 2006 in Ab-chasien, in der Stadt Otschamtschira. Dort sind selbst zwölf Jahre nach dem Waffenstillstand zwischen Abchasien und Georgien die Verwüs-tungen unübersehbar und machen die Region zu einem Mahnmal für die zerstörerische Kraft des Krieges. Vor dem Bürgerkrieg war die ab-chasische Schwarzmeerküste noch ein beliebtes Urlaubsziel für Sowjeteliten. Um seine wirt-schaftliche Unabhängigkeit wiederherzustellen, möchte Abchasien nun wieder Urlaubsregion werden und lockt russische Touristen mit Tief-preisen ins subtropische Klima. Es entstanden kontrastreiche wie bizarre Bilder von Urlaubern zwischen Trümmern und UN-Beobachtern.

Die Bilder sind Teil der Fotoausstellung „Nahtstellen“, die von Reporter ohne Grenzen zusammengestellt wurde. Sie ist ein subtiles Do-kument, geschaffen von zehn Fotografen, die das Leben der Menschen in den ehemaligen Sowjet-republiken und heutigen GUS-Staaten beleuch-ten. Gerade weil Transparenz und Pressefreiheit in den meisten dieser Länder keine ernsthafte Rolle spielen, erhalten die Bilder besondere Bri-sanz. Sie sind Metaphern für den Umgang mit dem postkommunistischen Erbe – für die Pro-bleme, aber auch dafür, wie sich die Menschen damit arrangieren. Wie zum Beispiel in Kasach-stan, wo das Fotografen-Paar Jelena und Viktor Vorobjev einen pragmatischen Umgang mit der Ästhetik des Kommunismus zeigt: Das Sowjet-Rot wurde schlicht mit dem Türkisblau aus der kasachischen Flagge übertüncht.

Erinnern viele Bilder mittels einer Ästhe-tik der Abnutzung und des Verfalls an bessere Zeiten, gibt es auch jene visuellen Momente, die von Aufbruch und Hoffnung zeugen. Der eng-lische Fotograf Simon Roberts durchreiste Russ-land zwischen August 2004 und Juli 2005 – eine

01

Page 15: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

weltzeit 03_2009

abenteuerliche Reise, die ihn vom äußersten Osten Russlands bis zum nördlichen Kaukasus brachte. Seine Aufnahmen spiegeln den Stolz auf das „Mutterland“ wider: eine selbstbewusst lä-chelnde Verkäuferin hinter einer üppig gefüllten Fleischtheke, ein Mann auf einer Parkbank vor neuen Hochhaus-Luxusappartments.

Oft bedienen die Szenerien der Fotos unsere Klischees von der postkommunistischen Gesell-schaft. Das aber ermöglicht erst, dass die Men-schen in den Vordergrund treten, welche sich nicht nur natürlich und pragmatisch, sondern auch stolz und zuversichtlich der Situation be-mächtigen. Und genau das ist es, was die Span-nung erzeugt.

Nachdem die Fotoausstellung im März im Bonner Stadthaus zu sehen war, bildet der Auf-tritt beim Deutsche Welle Global MeDia ForuM den Abschluss des Aufenthalts in Bonn. ——

Weitere informationen und ausstellungskatalog:

www.fotos-fuer-die-pressefreiheit.de

titel —15

02-03 Das�Sowjet-Rot�wurde�

schlicht�mit�Türkisblau�übertüncht:�die�

„Blaue�Periode“�von�Jelena�und�Viktor�

Vorobjev

02

04

03

05

04 Bizarre�Bilder�von�Urlaubern�

zwischen�Trümmern�und�UN-Beobach-

tern:�von�Justyna�Mielnikiewicz�(auch�

Bild�01)

05 Neue�Luxusappartments�in�

Moskau:�aus�der�Reihe�„Mutterland“�

von�Simon�Roberts/*NBPICTURES

Page 16: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

? Frau Sánchez, Sie haben schon mehrere Preise für Ihren Blog zuerkannt bekom-

men. Wie sind Sie dazu gekommen, einen eigenen Weblog zu entwickeln, aus dem eine Bloggerszene in Kuba entstanden ist? Die kubanische Blogosphäre begann sehr zag-haft. Ich war wohl eine der Pioniere. Im ver-gangenen Jahr hat es einen sehr interessanten Anstieg gegeben. Verglichen mit Ländern wie China, Iran, USA und Spanien, die eine riesige Blogosphäre haben, sind wir hier immer noch einige wenige. Aber ich glaube, es ist auch in

Kuba ein Phänomen, das langsam aber sicher an Bedeutung gewinnt, vor allem unter Jugend-lichen und anderen Personen, die hin und wieder Zugang zum Internet haben. Das Phänomen ist im Embrionalzustand, aber sehr gesund.

? Kaum jemand hat in Kuba Zugang zum Internet, auch Sie nicht. Wie schaffen Sie

es, dass Ihre Beiträge dennoch ins Internet gelangen?Einen Blog aus dem Inneren Kubas zu haben ist ein Abenteuer – ein Science-Fiction-Aben-

16— titel

„Ich bin eine Cyber-Bürgerin“Havanna – Die Kubanerin Yoani Sánchez wird im Rahmen des deutSChe welle global Media

ForuM am 3. Juni in Bonn mit dem internationalen Weblog-Award „The BOBs“ ausge-zeichnet. Die studierte Literaturwissenschaftlerin ist mit ihrem Blog „Generación Y“ Siegerin der jüngsten Auflage des Wettbewerbs. Franz Smets, dpa-Korrespondent für Mit-telamerika und Karibik, sprach für weltzeit mit der mutigen Bloggerin.

Offline und uniform: Medien in Kuba die Verfassung von 1976 schreibt fest: Kubanische

Massenmedien sind Staatseigentum (Kap. Vi, art.

52). Ziel des Medienwesens ist in erster linie die

Staatspropaganda. die Presse wird von der Kom-

munistischen Partei und ihren organisationen kon-

trolliert. Mirjam gehrke mit einem Überblick über

Kubas Medienlandschaft:

Presse

Die�Blätter�sind�jeweils�auf�eine�exakt�definierte�

Zielgruppe�innerhalb�der�„revolutionären�Gesell-

schaft“�zugeschnitten.�So�wird�beispielsweise�

�Juventud�Rebelde�(Rebellische�Jugend)�vom�Kom-

munistischen�Jugendverband�herausgegeben�und�

richtet�sich�an�Jugendgruppen.�In�Tabajadores�(Ar-

beiter/Arbeiterinnen),�der�Zeitung�des�kubanischen�

Gewerkschaftsverbandes�CTC,�werden�schwer-

punktmäßig�Fragen�erörtert,�die�die�arbeitende�

�Bevölkerung�betreffen.�Und�dann�ist�da�noch�die�

�offizielle�Zeitung�der�Kommunistischen�Partei,�

Granma,�mit�einer�täglichen�Auflage�von�500.000�

Exemplaren.�Sie�versteht�sich�als�Sprachrohr�des�

Regimes�und�veröffentlicht�regelmäßig�die�of-

fiziellen�Bekanntmachungen�der�kubanischen�

�Regierung.�Darüber�hinaus�gibt�es�14�regionale�

Zeitschriften,�die�den�örtlichen�Komitees�der�Kom-

munistischen�Partei�unterstehen,�und�die�Nach-

richtenagenturen�Prensa�Latina�und�Agencia�de�

�Information�Nacional.

»blogs können

großen einfluss

haben, denn sie

sind ansteckend.«

01

01 sprachrohr des regimes:

„Granma“, die offizielle Zeitung der

Kommunistischen Partei Kubas

Page 17: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

weltzeit 03_2009 titel —17

teuer. Wir leben in einem Land mit einer der geringsten Anzahl von Verbindungen ins Netz weltweit. Was mich angeht, so muss ich praktisch alle meine Blogs verfassen, ohne an das Netz angebunden zu sein. Später gehe ich an einen öffentlichen Ort, um meine Einträge loszuschi-cken. Leider können wir Kubaner keine Inter-netverbindung kaufen oder mieten, um sie von zu Hause zu genießen. Wir sind auf die wenigen Internetcafés in den Hotels angewiesen – und die verlangen sehr viel Geld.

? Dann ist es trotz der wirtschaftlichen Er-leichterungen, die von der Regierung ver-

sprochen wurden, nicht einfacher geworden? In meinem Fall ist die Lage seit dem vergangenen Jahr noch komplizierter geworden. Mitte März 2008 wurde mein Blog in Kuba blockiert, das heißt, er kann von hier nicht gelesen werden. Aber dank der virtuellen Gemeinde, die sich um meinen Blog gebildet hat, gibt es Personen, die mir helfen, meine Texte zu platzieren. Ich bin sozusagen eine blinde Bloggerin. Nur dank der Mitarbeit von vielen Leuten in der Welt konnte ich den Blog auf aktuellem Stand halten.

? Wie viele Internetcafés gibt es in Kuba?Nur sehr wenige. In Havanna kenne ich nur

zwei, die tatsächlich einen Zugang zum Internet haben. Es gibt andere Stellen mit Zugang zum E-Mail-System. Die Hotels sind für Touristen gedacht – jetzt können sich auch Kubaner da rein-schmuggeln. Das große Problem sind die exzes-siven Preise, zwischen fünf und sieben Euro pro Stunde. Auf dem Land ist das praktisch unmög-lich. Insofern ist es ein Vorteil, in der Hauptstadt zu leben und wenigstens diese Räume zu haben. Die Menschen in der Provinz haben gar nichts.

Fernsehen

Fast�alle�kubanischen�Haushalte�verfügen�über�Fern-

sehgeräte.�Landesweit�werden�vier�staatliche�Sender�

ausgestrahlt:�Cubavisión,�Tele�Rebelde�und�die�bei-

den�Bildungskanäle�Canal�Educativo�1�und�2.�Cubavisi-

ón�strahlt�außerdem�über�Satellit�ein�24-stündiges�in-

ternationales�Programm�aus.�Kuba�ist�mit�19�Prozent�

des�Kapitals�an�dem�lateinamerikanischen�Satelliten-

Informationssender�Telesur�beteiligt.�Aber:�Der�Besitz�

von�Satellitenempfangsschüsseln�und�der�Empfang�

von�Satelliten-Programmen�sind�in�Kuba�verboten.�

radio

Die�Radiolandschaft�auf�Kuba�zeichnet�sich�durch�

größere�Vielfalt�aus:�Es�gibt�zahlreiche�Sender�mit�

gemischten�Wort-Musik-Programmen�sowie�reine�

Musiksender.�Der�Nachrichtensender�Radio�Reloj�ist�

nach�eigenen�Angaben�der�älteste�24-Stunden-Nach-

richtensender�mit�ständiger�Zeitansage.�Seit�1947�

strahlt�Radio�Reloj�sein�Programm�über�Mittelwel-

le�und�in�den�großen�Ballungszentren�auch�über�UKW�

aus.�Zuletzt�kam�vor�einigen�Jahren�auch�ein�Inter-

net-Stream�hinzu.�

Ausländische�Radiosender�können�über�Mittel-�und�

Kurzwelle�in�Kuba�frei�empfangen�werden.�Ausnah-

me:�der�aus�Miami�sendende�Kanal�Radio�Martí,�der�

von�kubanischer�Seite�systematisch�gestört�wird.�

»

„Eine Provokation“Als� sie� mit� ihren� Berichten� über� den� kubanischen� Alltag� in�

den�ersten�Monaten�des�vergangenen�Jahres�Millionen�von�

Menschen� erreichte,� wurde� sie� zu� einer� Herausforderung�

für�die�staatliche�Zensur.�Und� für�den�kubanischen�Revolu-

tionsführer�Fidel�Castro,�der�mit�seinen�„Gedanken�des�Ge-

nossen�Fidel“�versucht,�das�Wissen�und�Denken�der�Kubaner�

entscheidend�zu�beeinflussen,�die�er�ein�halbes�Jahrhundert�

beherrscht�hat.�Er�klagte�Sánchez�an,�die�Arbeit�der�„neo-

kolonialen� Presse“� zu� tun.� Erst� Anfang� April� dieses� Jahres�

wurde�Yoani�Sánchez�bei�einer�offiziellen�Literaturveranstal-

tung�der�„Provokation�gegen�die�kubanische�Revolution“�be-

zichtigt,�weil�sie�mit�einer�Gruppe�Gleichgesinnter�„Freiheit�

und�Demokratie“�gefordert�hatte.�

www.desdecuba.com/generaciony

02 „Wir Kubaner sind wie kleine

Kinder, die die Genehmigung vom Papa

einholen müssen, um das haus zu ver-

lassen“: the bobs-Gewinnerin Yoani

sánchez

02

Page 18: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

18— titel

?����������������������Glauben Sie, dass Internet und spezi-ell Blogs die Lage in Kuba verändern

können?Wir Kubaner leben umgeben von einer Mauer der Kontrolle, einer Mauer des Monopols, die der Staat über alle Informationen ausübt, die in Kuba zirkulieren. Und die Blogs sind ein kleiner Spalt, der sich geöffnet hat, um die Meinung der Bürger zu hören, um zu hören, was die Bürger sagen. Ich glaube, Blogs können großen Einfluss haben, denn sie sind ansteckend. Wenn zum Beispiel junge Leute sehen, dass es andere junge Leute in Kuba gibt, die aufschreiben, was sie denken, und die die Blogs mit Leben füllen, dann kann das den Wunsch wecken, das auch zu tun. Ich glaube, es ist notwendig, dass die Bür-

ger Kubas vom Staat abweichende Meinungen ausdrücken können, und dass sie nicht auf ausländische Publikationen angewiesen sind, um ihre Artikel zu veröffentlichen.

? Werden Sie zur Preisverleihung nach Deutschland reisen können?

Ich hoffe sehr, aber ich fürchte leider, dass man mich nicht gehen lässt. Wir Kubaner sind wie kleine Kinder, die die Genehmigung vom Papa einholen müssen, um das Haus zu verlassen. Ich habe im vergangenen Jahr dreimal versucht, eine Reiseerlaubnis zu bekommen. Sie wurde jedes Mal abgelehnt. Ich werde es weiter versuchen. Und ich werde mich nicht mit einem Nein der Behörden abfinden. Aber es gibt nur wenig Aus-sicht. In gewisser Weise ist das Nicht-Reisen-Dürfen die Strafe dafür, dass ich meinen Blog schreibe. Auf jeden Fall bin ich eine Bürgerin, eine Cyber-Bürgerin, und obwohl sie mich nicht reisen lassen, reise ich doch jeden Tag dank meines Blogs. Ich werde, auch wenn möglicher-weise nur virtuell, bei der Preisverleihung in Bonn dabei sein. ——

internet

Nur�knapp�120.000�der�insgesamt�elf�Millionen�Ein-

wohner�sind�online,�gerade�mal�1,7�Prozent�der�Be-

völkerung.�Durchschnittlich�kommen�4,5�Computer�

auf�100�Einwohner�–�das�ist�die�niedrigste�Rate�in�La-

teinamerika.�Der�Besitz�von�Computern�mit�Internet-

zugang�ist�für�Privatleute�nach�wie�vor�verboten.�Die�

neue�Regierung�unter�Raúl�Castro�hat�zwar�inzwi-

schen�den�Kauf�von�Computern�und�Mobiltelefonen�

für�Privatpersonen�erleichtert.�Aber�die�Beschrän-

kungen�zum�Internetzugang�gelten�weiterhin.�

Zurzeit�wird�ein�unterseeisches�Glasfaserkabel�zwi-

schen�Venezuela�und�Kuba�verlegt,�das�bis�2010�sei-

nen�Dienst�aufnehmen�soll.�Damit�würde�die�An-

bindung�Kubas�an�das�weltweite�Datennetz�um�das�

3.000-fache�ausgebaut.�

Journalisten

Derzeit�sind�auf�Kuba�23�Journalisten�inhaftiert�–�

viele�von�ihnen�gelten�als�sogenannte�Internet-Dis-

sidenten,�die�versucht�haben,�unabhängige�Informa-

tionen�über�Kuba�ins�Ausland�zu�übermitteln.�Die�Or-

ganisation�Reporter�ohne�Grenzen�zählt�Kuba�zu�den�

größten�Gefängnissen�für�Journalisten�und�hat�das�

Land�in�die�Liste�der�„15�Feinde�des�Internets“�auf-

genommen.�

01 „Wir leben in einem land mit

einer der geringsten anzahl von Ver-

bindungen ins Netz“: internetcafé in

havanna

01

01

Page 19: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

titel —19weltzeit 03_2009

Teheran/Bonn – Die iranische Schauspielerin Pegah Ahangarani wird Anfang Juni zum deutSChe welle global Media ForuM nach Bonn kommen. Die Berliner Filmfestspiele hatte die junge, in ihrer Heimat sehr populäre Akteurin auf Einladung der DW in einem Blog be-gleitet. DW-Redakteur Farhad Payar über eine Prinzessin – auf der Suche nach einem Prinzen für ihr Land.

Zurzeit steht sie für den Film „Der blaue Weg der Seide“ vor der Kamera. „Ich spiele eine iranische Prinzessin.“ Regie führt Mohammad Bozorgnia. Kann eine junge, weltoffene Schau-spielerin im Iran ihre Ideen durchsetzen? Inwieweit man als Darstellerin eigene Ideen einbringen könne, das hänge vom Regisseur ab, sagt Ahangarani. „Ich versuche, in Filmen zu spielen, deren Regisseure meine Ideen beachten und mir einigermaßen freie Hand bei der Ge-staltung der Rolle geben.“

Die jüngste Berlinale hat sie als Filmkritike-rin in einem DW-Blog begleitet. Die deutsche Hauptstadt – „meiner Meinung nach die Kul-turhauptstadt der Welt“ – und ihr Filmfestival – „das größte und geordnetste Festival, das ich kenne“ – haben sie offenbar tief beeindruckt.

Davon abgesehen, seien ihr in Berlin vor allem die zahlreichen Galerien und Ausstellungen auf-gefallen.

Die Filmprinzessin ist durchaus politisch: Ahangarani unterstützt Mohammed Chatami, der bei den Wahlen am kommenden 12. Juni als Präsidentschaftskandidat antreten wollte, Mitte März aber zugunsten des Mitbewerbers und früheren Premiers Musawi darauf verzichtete. Was bedeutet für sie dieser Rückzug? Die Schau-spielerin überlegt, was ein Chatami mit seiner re-formorientierten Agenda als Präsident alles hätte bewirken können. „Wir Iraner müssen wohl noch

einen langen Weg gehen, um Chatami wirklich zu verdienen. Bis dahin haben wir noch viele Erfahrungen zu machen.“ Auf diesem Weg sei Ahmadinedschad als Präsident wohl „eine gute Erfahrung“, meint sie.

Zum Deutsche Welle Global MeDia ForuM – also noch vor den Präsidentschaftswahlen in ihrer Heimat – wird sie erneut in Deutsch-land erwartet. Auf der Konferenz geht es um Möglichkeiten der Konfliktprävention im Mul-timedia-Zeitalter: Können beispielsweise Blogs die Meinungsfreiheit im Iran voranbringen? „In unserem Land sind viele Zeitungen verboten worden und es werden weiterhin welche ver-boten. Viele Bücher nehmen die Hürden der Zensur nicht, Denker dürfen ihre Meinung nicht frei äußern. In einem solchen Land sind Weblogs

und andere Formen der Kommunikation über das Internet gute Möglichkeiten, die Zensur zu umgehen. Dadurch erhalten wir direkt und unzensiert Werke und Meinungen jener, die wir mögen.“

Pegah Ahangarani – als Schauspielerin auf dem „Blauen Weg der Seide“ unterwegs – sucht im grauen politischen Alltag ihres Landes nicht nach dem Märchenprinzen. Und eine Traum-rolle, die sie gern einmal spielen würde, habe sie auch nicht. „Aber es gibt Regisseure, mit denen ich gern arbeiten würde“, sagt sie – ohne Namen nennen zu wollen. ——

Die Prinzessin ohne Traumrolle02

02 „Wir iraner müssen wohl

noch einen langen Weg gehen, um

chatami wirklich zu verdienen“:

Pegah ahangarani

03

02

03 „Viele bücher nehmen die

hürden der Zensur nicht, Denker dür-

fen ihre Meinung nicht frei äußern“:

studenten an der Koranschule in Ghom

Page 20: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

20— titel

01

? Frau Jamal, ab welchem Zeitpunkt war Ihnen klar, dass Sie Pakistan verlassen

müssen? Im August 2008 wurde ich auf dem Weg zur Ar-beit von vier Männern angehalten, eine Gruppe radikaler Islamisten, die der Meinung waren, dass meine Artikel Frauen aufhetzten und dass sie dem Islam widersprächen. Sie drohten mir und sagten, ich müsse sterben, wenn ich so wei-terschreiben würde wie bisher. Ich hatte zwar auch schon früher Morddrohungen erhalten, aber das waren immer Briefe oder Anrufe ge-wesen. Niemals hatte mich jemand persönlich bedroht. Meine Familie war tief besorgt, und in diesem Moment wurde mir erst richtig klar, wie gefährlich die Situation für mich geworden war. Da wusste ich, dass ich keine andere Wahl mehr hatte, als Pakistan zu verlassen.

? Welche Artikel waren der Stein des An-stoßes?

Ein Artikel über die Koranschulen in Pakistan, die Madressas, beispielsweise. Darin ging es um die Debatte, ob es Koranschulen überhaupt geben sollte und ob Eltern ihre Kinder in Ins-titutionen schicken sollten, in denen diese so wenige Anreize bekommen, wo Wissen eine untergeordnete Rolle spielt und es nur einen be-grenzten Lehrplan gibt. Ein anderer Artikel han-delte vom Selbstbestimmungsrecht der Frauen. In Pakistan wird eine Debatte darüber geführt, ob Frauen das Recht haben, sich scheiden zu lassen. Ich bin da ziemlich ins Detail gegangen und habe alle Gesetze aufgelistet, die es gibt. Außerdem habe ich über den Einfluss der Tali-ban geschrieben, auch damit habe ich mir Ärger eingehandelt.

„Westliche Medien müssen Pakistan unter Druck setzen“Bonn – Sie lebt in Deutschland, weil sie aus ihrer Heimat Pakistan fliehen musste. Sie wurde verfolgt und mit dem Tode be-droht: die Journalistin Meera Jamal. Seit April arbeitet sie in der Urdu-Redaktion der Deutschen Welle in Bonn. Nina Haase sprach mit ihr.

01 „Freie�pakistanische�Journa-

listen�werden�von�Geheimdiensten�

drangsaliert�und�bedroht.“:�Meera�

Jamal�zur�Situation�in�ihrer�Heimat

01

Page 21: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

Meera Jamal26,� Redakteurin� der� liberalen� pakis-

tanischen� Tageszeitung� Dawn,� ent-

schloss� sich� im� Herbst� 2008� zur�

Flucht.�Wiederholt�war�sie�auf�Grund�

kritischer�Beiträge,�etwa�über�Koran-

schulen�und�die�Situation�der�Frau� in�

Pakistan,� mit� dem� Tod� bedroht� wor-

den.� Mit� Hilfe� von� Reporter� ohne�

Grenzen�erhielt�Jamal�in�Deutschland�

eine�Aufenthaltsgenehmigung�für�drei�

Jahre.� Seit� April� arbeitet� sie� in� der�

Südasien-Redaktion� der� Deutschen�

Welle� in� Bonn.� Die� streitbare� Exil-

Journalistin� wird� auch� am� Deutsche

Welle Global MeDia ForuM� Anfang�

Juni�in�Bonn�teilnehmen�–�unter�ande-

rem�an�einem�speziellen�Workshop�zur�

Mediensituation�in�Pakistan.�

titel —21 weltzeit 03_2009

? Die Zeitung „Dawn“ hat am Internatio-nalen Tag der Frau ein Porträt über eine

Prostituierte veröffentlicht, das Sie verfasst hatten. Auch da gab es Ärger?Die Frau war 56 und seit langer Zeit in die-sem Metier tätig. Sie hatte zwei Kinder, die keine Ahnung hatten, was ihre Mutter tat. Sie verdiente ihr Geld so gut sie konnte, um ihre Kinder durchzubringen und ihnen eine Ausbil-dung ermöglichen zu können. Das ist das größte Opfer, das eine Frau bringen kann, fand ich und schrieb darüber. Der verantwortliche Redakteur hatte erst Angst, den Artikel zu veröffentlichen, hat es dann aber doch getan, wenngleich auf kei-nem prominenten Platz in der Zeitung.

? Woher haben Sie den Mut genommen, über solch kontroverse Themen zu be-

richten?Es geht darum, wie man eine Geschichte formu-liert, welche Worte man benutzt. Dazu braucht man einen gewissen Riecher. Ich habe Literatur studiert und interessiere mich generell für das soziale System und für das Verhalten von Men-schen. Ich denke, man muss erstens fest an sich glauben und zweitens den Rückhalt in der Fami-lie haben. Ich bin in einer atheistischen Familie groß geworden. Das heißt, dass wir stets das abgelehnt haben, was die Leute um uns herum gelebt haben. In Pakistan mussten wir immer be-haupten, wir seien Muslime. Das war in den Pa-pieren meiner Eltern so eingetragen und auch in meinen. Öffentlich kann ich nicht sagen, dass ich Atheistin bin, aber ich praktiziere die Religion nicht. Das wussten in meinem Büro alle – auch das hat mir Ärger eingebracht. Aber ich habe immer das getan, woran ich glaube.

? Welchen Problemen sehen sich Medien-schaffende in Pakistan ausgesetzt?

In den pakistanischen Medien gibt es überall Beschränkungen und Zensur. Manche Themen werden einfach in Live-Sendungen oder in den Zeitungen nicht angesprochen. Die Zensur ist sehr effektiv. Die Regierung hat ihre eigenen Methoden, die Dinge zu regeln. Man kriegt steuerliche Probleme, die Anzahl der Print-medien wird verringert, Programme werden

vom Sender genommen, ganze Sender werden abgeschaltet. Das passiert auch unter der demo-kratischen Regierung, die wir momentan haben. Die haben eine Reihe von Sendern abgeschaltet. Freie pakistanische Journalisten werden von Ge-heimdiensten drangsaliert und bedroht. Autoren, die über islamische Themen schreiben, werden streng von islamischen Gruppen beobachtet und auch bedroht.

? Welche Aufgabe haben in diesem Zusam-menhang westliche Medien?

Westliche Medien sollten mehr Korrespondenten nach Pakistan schicken. Auch für diese ist es zwar nicht ganz ungefährlich. Man denke nur an den Fall Daniel Pearl (US-Journalist, der 2002 in Pakistan entführt und ermordet wurde; Anm. d. Red.). Aber die Situation wird sich nur bessern, wenn westliche Medien das Geschehen in Pakis-tan genauer im Auge behalten. Sie sollten sich nicht auf die Taliban beschränken, sondern eher beleuchten, warum es die Taliban überhaupt zu dieser Macht gebracht haben. Die weit verbrei-tete Armut und die soziale Situation im Allge-meinen führen zu Frustration und Wut. Wenn westliche Medien über solche Themen berichten, setzt das die Regierung unter Druck. Es muss viel geändert werden.

? Können Sie jetzt, da Sie für den deut-schen Auslandsrundfunk arbeiten, dazu

beitragen?In der Urdu-Redaktion habe ich in der Tat ein Forum, wo ich über Dinge schreiben kann, die die Bevölkerung von Pakistan beschäftigen und angehen. Ich möchte zeigen, wie es in Pakistan wirklich zugeht, unter welchen schlimmen Be-dingungen die Menschen leben und wie sie stän-dig leiden.

? Haben Sie jemals überlegt, einen anderen Beruf zu ergreifen?

Wenn ich nicht schreiben kann, fehlt mir das wie die Luft zum Atmen. Beim Schreiben kann ich kreativ und konstruktiv sein. Nein, ich könnte keinen anderen Beruf als den der Journalistin ausüben. ——

Page 22: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

Bonn. Wir bringen zusammen, was zusammengehört. Politik und Wirtschaft, Menschen und Medien, Diskussionen und Lösungen: Bonn isteine weltweit bekannte Destination mit demokratischer Tradition und unnachahmlichemAmbiente. Und das World Conference Center Bonn der Ort, an dem Ihre Tagungen,Konferenzen und Präsentationen Realität werden. Schon heute warten einzigartige Veran staltungsräume auf Sie. Ab Ende 2009 steht Ihnen auch der Erweiterungsbau mitvielseitig nutzbaren Räumlichkeiten und modernster Aus stattung für bis zu 5.000 Teil -nehmer sowie ein 4 Sterne Superior-Ameron World Conference Hotel zur Verfügung –angebunden an den berühmten Plenar saal und das Wasserwerk. Willkommen am Rhein!

Weitere Informationen erhalten Sie unter Tel. +49 (0)228-9267-0 undwww.worldccbonn.com

VERANSTALTUNGSORT DES DEUTSCHE WELLE GLOBAL MEDIA FORUM

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spot —2�weltzeit 03_2009

D-Sign und deutsch seinWas ist typisch deutsch? Kuckucksuhren und Lederhosen – Pünktlichkeit und Ordnung, wer mag darin noch typisch Deutsches sehen? Design-Studenten der Fachhochschule Düsseldorf haben sehr kreative visuelle Antworten gefunden, die seit Anfang Mai im Internetangebot der Deutschen Welle zu sehen sind. Jenseits von Gartenzwergen und bayerischer Folklore dienten Vorbilder wie Gerhard Richter oder Albrecht Dürer als Grundlage der Umsetzung, Dichter und Denker wie Goethe oder Nietzsche sorgten für wegweisende Inspiration. Die Ergebnisse wurden im Bildband „D-Sign“ dokumentiert, mit Unter-stützung der Identity-Foundation. www.dw-world.de/kultur

Mit dem Kurt-Magnus-Preis nach RabatBonn/Rabat – Für seine bewegenden Reportagen aus Äthiopien ist DW-Reporter Alexander Göbel (Bildmitte) am 27. März mit dem Kurt-Magnus-Preis 2009 ausgezeichnet worden. Der 34-Jährige hat sich der Jury zufolge „unprätentiös journalistischen Herausforderungen“ angenommen und „sensibel, ohne Pathos von menschlichen Schicksalen“ berichtet. Göbel hatte in Frankfurt am Main beim traditio-nellen Nachwuchswettbewerb zu Ehren des Radiopioniers Kurt Magnus (1887–1962) den zweiten Preis erhalten. Der Anerkennung folgte sogleich eine neue Aufgabe: Seit April verstärkt Göbel das Team im ARD-Studio in der marokkanischen Hauptstadt Rabat.

Tune in to EducationBonn – Im Rahmen der UNESCO-Weltkonferenz „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ hat eine Expertenrunde Ende März im DW-Funkhaus über die Rolle der Medien in der globalen Bildungsver-mittlung diskutiert – umrahmt von Klängen des Bundesjazzorchesters. Namibia wolle „in 25 Jahren eine ganze Generation mit einer Grundbildung ausstatten“, sagte Bildungsministerin Nangolo Mbum-ba. Malis Botschafterin Fatoumata Siré Diakite betonte die Möglichkeiten des Radios – zu sehen etwa am Erfolg der Radionovelas des DW-Projekts „Learning by Ear“. Staatssekretär Frieder Meyer-Krah-mer stellte den Bildungsauftrag Deutschlands, auch informelles Wissen global zu vermitteln, heraus.

Beethoven in Vietnam Bonn – Beim diesjährigen Beethovenfest wird auf Initiative der Deutschen Welle das Orchester der Musikakademie Hanoi in Bonn gastieren. Außerdem vergibt der deutsche Auslandsrundfunk einen Kompositionsauftrag an den vietnamesischen Komponisten Tran Manh Hung. Das Werk wird im Rah-men des Orchestercampus am 27. September in Bonn uraufgeführt. Im Januar 2010 planen Beethoven-fest und Deutsche Welle einen Gegenbesuch in Vietnam. Anlass ist das von den Regierungen in Berlin und Hanoi gemeinsam initiierte deutsch-vietnamesische Kulturjahr. In Hanoi werden gemeinsame Konzerte und Workshops mit vietnamesischen Musikern auf dem Programm stehen.

Videos von DW-TV auf DAAD-Plattform Bonn – Die Deutsche Welle und der Deutsche Akademische Austausch Dienst (DAAD) arbeiten in einem weiteren Bereich zusammen: Die vom DAAD betreute Internetseite „Research in Germany“ wird jetzt mit Videos des deutschen Auslandsfernsehens bestückt. Die Interviews mit internationalen Persön-lichkeiten aus der Wissenschaft sind Beiträge aus dem Wissenschaftsmagazin Tomorrow Today von DW-TV. Research in Germany wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und richtet sich als Informationsplattform und Forum an Menschen, die sich für Deutschlands Forschungs-landschaft und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse interessieren. www.research-in-germany.de

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24— profil

Es war wie im Fußball. Den Siegern liegt die Welt zu Füßen. Wie sonst wäre zu erklären, dass in den ersten Jahren nach 1990 so viele Leute auf einmal über Auslandsrundfunksender sprachen, dass über diese „Medienexoten“ ziemlich viel in Zeitungen zu lesen war? Normalerweise füh-ren die Sender ein Nischendasein, zumindest in Demokratien. Aber jetzt gab es staatliche Orden für einige Verantwortliche. Und mit einem Mal „wussten“ auch Politiker im Westen, dass diese Sender maßgeblich zum Sturz der kommuni-stischen Regime beigetragen hätten. Beweisen ließ sich das alles nicht. Aber es war eine richtig gute Geschichte, die noch dazu den Charme hatte, im Halbdunkel zu spielen und bei vielen ein wohliges Gruseln über die überwundenen Gefahren auf die Haut zu zaubern.

Und eines stimmt ganz bestimmt. Die eins-tigen Herrscher in der Sowjetunion und den von ihr abhängigen Staaten hatten einen Höllenre-spekt vor den „Stimmen“, wie sie die sowjetische Propaganda in abwertender Absicht zu nennen pflegte. Das kann man heute in Ansätzen auf der Internetseite intervalsignals.net nachhören. Der russischsprachige Dienst der BBC beginnt sein Programm mit der Stationsansage. Und noch bevor die markante Erkennungsmelodie erklingt, legt sich ein undurchdringlicher Vorhang aus Qietsch- und Rauschgeräuschen über das Signal aus London. Da hatte wohl jemand wirklich Angst vor den Botschaften aus dem Westen.

Anderen Sendern ging es ähnlich. Besonders unbeliebt bei den Herrschern waren die beiden amerikanischen Stationen „Radio Free Europe“ und „Radio Liberty“, die sich nicht als klassische Auslandsrundfunksender, sondern als alternative

Inlandssender verstanden, die nur durch die Um-stände gezwungen waren, aus dem Ausland zu senden. Sie hatten viel längere Sendezeiten als zum Beispiel die Deutsche Welle.

Verklärung im augenblick des triumphs Wie viele Menschen sich regelmäßig durch die „Stimmen“ informieren ließen, wird man nie genau wissen. Es gibt zwar unzählige Anzeichen dafür, dass die „verbotene Frucht“ reichlich ge-nossen wurde. Aber unmittelbar nach dem Zwei-ten Weltkrieg wollten auch unglaublich viele Franzosen die Radioansprache gehört haben, die der damals noch völlig unbekannte General de Gaulle im Sommer 1940 via BBC an das geschla-gene Land gerichtet hatte. Im Augenblick des Triumphs verklärt sich manches.

Und trotzdem – die Sender müssen eine Menge richtig gemacht haben. Denn wer, wenn nicht sie, hätte den Menschen jenseits des Ei-sernen Vorhangs erzählen sollen, dass die Welt nicht war, wie ihnen das ihre eigenen Medien immer erzählten? Wer sonst hätte sagen sol-len, dass Freiheit nicht etwas ist, was Herrscher gnadenhalber „gewähren“ können? Und da die Botschaften aus dem Äther in aller Regel nicht so plump ausfielen, dass sie alles Westliche als makellos dargestellt hätten, gewannen die „Stim-men“ bald große Glaubwürdigkeit.

Vielleicht hatten sie es in einer Hinsicht auch relativ leicht. Wenn Radio Moskau – der Sen-der, den man immer und überall hören konnte, auch wenn man es gar nicht wollte – in all seinen vielen Fremdsprachenprogrammen das nahende Ende des westlichen Gesellschafts- und Wirt-schaftsmodells beschwor, konnten die (wenigen)

01-02 Von hier sendete der

„rundfunk der DDr“: in der Nalepa-

straße saß auch radio berlin inter-

national (rbi), der auslandsrundfunk

der DDr

DieverboteneFruchtWar der Mauerfall auch eine Folge der steten und unnachgiebigen Tätigkeit der Auslands-sender aus dem Westen? Hatten die Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten mit Recht großen Respekt vor diesen „Stimmen“ aus dem Äther? Zum Schwerpunktthema 20 Jahre Mauerfall ein Gastbeitrag von Peter Sturm.

01

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profil —25 weltzeit 03_2009

Hörer im Zielgebiet unschwer feststellen, dass irgend etwas an der Botschaft nicht stimmen konnte. Wenn hingegen die westlichen Sender über Schwierigkeiten im „entwickelten Sozi-alismus“ berichteten, dann wussten die Hörer sehr wohl, wovon die Damen und Herren da sprachen. Und da steter Tropfen bekanntlich den Stein höhlt, wird schon etwas dran sein an der These, es seien nicht zuletzt die „Stimmen“ gewesen, die zum Einsturz der Mauern um den Ostblock beigetragen hätten.

Zwischen Medien- und lebenswirklichkeit Aber ist die Mission im Rückblick auch wirklich gelungen? Das Beispiel Deutschland mahnt zur Vorsicht. Die Menschen in der DDR wurden von Rias Berlin, vom Deutschlandfunk, von der Deutschen Welle, von den Landesrundfunk-anstalten, nicht zuletzt vom (west)deutschen Fernsehen flächendeckend über alles Notwen-dige informiert. Aber nach der Wiedervereini-gung zeigte sich, dass Medienwirklichkeit nicht zwangsläufig mit Lebenswirklichkeit identisch

sein muss. Wahrscheinlich waren viele der Ent-täuschungen und west-östlichen Verletzungen gar nicht zu vermeiden.

Aber sie mahnen die Auslandssender, sie mahnen alle Medien zu mehr Bescheidenheit. Es ist und bleibt eine noble Aufgabe, denjenigen, die unterdrückt werden, unzensierte Informati-onen zukommen zu lassen. Und die Botschaft, dass jedem Menschen von Natur aus bestimmte Rechte zustehen, ist unverändert aktuell. Manch einer, der die Zeit der brüllenden Störsender noch aus eigener Erfahrung kennt, mag sich wundern, dass diese Botschaft in einer Zeit, da „Modelle“ wie das chinesische in einigen Län-dern seltsam populär sind, nicht mehr mit der gleichen Überzeugung verkündet wird wie einst. Wo „Propaganda“ im Wortsinne der Verbrei-tung einer Botschaft angebracht wäre, sprechen manche lieber von einem „Dialog“, der vielleicht ganz angebracht wäre. Aber nur am Medienwe-sen kann und wird die Welt nicht genesen. ——

Peter SturmJahrgang� 1958,� studierte� Neuere�

Geschichte,� Politikwissenschaft�

und� Osteuropäische� Geschichte�

in� Gießen� und� Münster.� Promotion�

mit� einer� Arbeit� über� die� britisch-

�sowjetischen� Beziehungen� in� der�

Zwischenkriegszeit.�Volontariat�bei�

der� Wetzlarer� Neuen� Zeitung.� Seit�

1991� Mitglied� der� Politischen� Re-

daktion� der� Frankfurter� Allgemei-

nen�Zeitung,�dort�vor�allem�mit�asi-

atischen�Angelegenheiten�befasst.�

Peter� Sturm� wird� am� Deutsche

Welle Global MeDia ForuM�bei�einer�

Veranstaltung� zu� Pakistan� als� Ex-

perte�auf�dem�Podium�sitzen�–�und�

dort� unter� anderem� mit� der� pa-

kistanischen� Journalistin� Meera�

Jamal� (siehe� Interview� Seite� 20)�

diskutieren.�

0 2

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26— profil

Peking, 1995. Das Goethe-Institut befindet sich an der dritten Ringstraße im Westen der chinesischen Hauptstadt. Das viergeschossige Gebäude aus grauem Backstein ist das Zentrum der Deutschland-Informationen. Im Lesesaal im 1. Obergeschoss werden Bücher ausgestellt: Friedrich Nietzsche, Ludwig Feuerbach, Fried-rich Schiller und eben Johann Wolfgang von Goethe, auf Deutsch und Chinesisch. Beliebt ist auch die deutsche Presse, obwohl die Zeitungen und Zeitschriften über den Postweg fast immer vier bis sechs Wochen später ankommen. „FAZ“, „Stern“ oder „Brigitte“ erzeugen fast immer einen Aha-Effekt. Viele Leser sprechen gebro-chen Deutsch, Deutschland kennen sie aber nicht.

Einen Raum weiter, in der sogenannten Mediathek, laufen auf drei VHS-Rekordern fast ununterbrochen deutsche Nostalgie-Filme: „Einmal wird die Sonne wieder scheinen“ mit Heintje oder die Sissi-Trilogie mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm, im deutschen Originalton versteht sich. Von Filmgenuss kann nicht die Rede sein. Die Zuschauer müssen Kopfhörer tragen – nur maximal zwei lassen sich am Rekorder anschließen. Videokassetten kann man nicht ausleihen, die Audiokassetten dage-gen schon, produziert von Inter Nationes und der Deutschen Welle. Auf dem Cover wird die Abkürzung DW mit geschwungenem Streifen in

Dunkelblau abgedruckt. Für maximal 14 Tage – später, wegen des großen Zuspruchs, sieben Tage – darf man eine Kassette ausleihen. Dafür muss man mindestens zwei Wochen warten. Auch ich durfte in den Genuss der heiß begehrten Ton-materialien kommen. Wow!

Mein Deutschlandbild Mitte der 1990er Jahre ist bunt gemischt, geprägt von vielen Klischees: Die Deutschen trinken Bier als Grundnahrung und demonstrieren den Wohlstand mit dem Bauchumfang; die Deutschen haben Musiktalent und besitzen philosophische Denkweise, sonst wäre die deutsche Grammatik nicht so verdammt schwer; die Deutschen lieben die Umwelt und bauen trotzdem dicke Autos; Deutschland ge-lingt es beispiellos, sich selbst im Wiedervereini-gungsprozess zu überwinden. Ich bilde mir ein, Deutschland ausreichend zu kennen.

Vom rezipienten zum VermittlerBundesstadt Bonn, anno 2009. Ich sitze mit diesen Vorkenntnissen im hellen Schürmannbau mit Blick auf den Rhein, den ich früher aus dem Gedicht „Loreley“ von Heinrich Heine kannte. Jetzt wohne und arbeite ich am Rhein. Aus den Bruchteilen der einzelnen Deutschlandbilder wird ein Meisterwerk. Ich sitze in der Landschaft mittendrin.

Menschen mit Migrationshintergrund wer-den in Deutschland Kulturvermittler genannt. Deutschland und Europa zu vermitteln ist das tägliche Brot der DW, genau wie die deutschen Perspektiven zu den regionalen Themen. Ich habe die Stereotypen der Zielgruppe nicht vergessen: junge Menschen, die fleißig auf der Suche nach einem Hauch Deutschland-Gefühl sind. Sie wollen sich umfassend über das poli-tische, wirtschaftliche und kulturelle Leben in Deutschland informieren und die etwas anderen Perspektiven „Made in Germany“ erfahren.

Im Zuge der Globalisierung hat das Marken-zeichen Deutschland in Fernost andere Ausprä-gungen – materieller Art: den silbernen Stern als Kühlerfigur im Straßenverkehr, den Zwilling als Küchengarnitur im Haushalt. Das Kulturleben in Deutschland ist vielen Menschen in der ver-netzten Welt nicht mehr fremd. Auf Goethe und Schiller folgen Thomas Mann und Günter Grass. Beethoven und Bach sind Landsleute von Modern Talking, den Toten Hosen und Tokio Hotel.

01 Oft�vernachlässigt,�aber�

herausragend�als�Aushängeschild�

Deutschlands:�die�gelebte�freiheitliche�

Demokratie,�universelle�und�unteilbare�

Menschenrechte,�Rechtsstaat�und�

Toleranz

Ortswechsel mit Rollentausch

DEUTSCHLANDBILD

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profil —27weltzeit 03_2009

ein schwieriger auftrag Oft vernachlässigt, aber herausragend sind als Aus-hängeschild Deutschlands die gelebte freiheitliche Demokratie, universelle und unteilbare Men-schenrechte, Rechtsstaat und Toleranz – Begriffe, die in einigen Ländern zwar in der Verfassung stehen, jedoch nicht in vollem Umfang umgesetzt werden. Dafür trete ich zusammen mit allen DW-Mitarbeitern ein, indem wir für die Grundrechte werben, die wir in Deutschland genießen.

Zu Menschen auf anderen Kontinenten ist Deutschland näher als man denkt. Die Suche nach Deutschland lässt sich heute einfach ge-stalten. Jeder heiße Draht über DSL-Router oder Modem, sogar fast jedes mobile Teil, sei es Kurzwellenradio oder Handy, führt nach Deutschland. Unsere Zuschauer, Zuhörer und User – in meinem Fall in China – erwarten von uns unabhängige, umfassende, objektive und

pluralistische Informationen aus der Mitte Eu-ropas. Das ist ein schwieriger Auftrag, den ich schultern muss. Denn ich kenne die Triebkraft der Menschen: die brennende Neugier nach In-formationen aus und über Deutschland. Diesen Erwartungen müssen wir gerecht werden.

Das Goethe-Institut in Peking ist wegen förmlich explodierender Nachfrage und großen Platzbedarfs umgezogen: In einem modernen Bürogebäude belegt es die komplette 17. Etage. Bibliothek und Mediathek mussten sogar ausge-lagert werden.

Ich träume jetzt von einem Auftritt in „meinem“ Goethe-Institut, um Interessenten von Deutschland zu erzählen. Das wird ein langer Vortrag sein. ——Hao�Gui

www.dw-world.de/chinese

Hao GuiJahrgang�1977,�studierte�Journalis-

tik�und�Germanistik�in�Dortmund�und�

Peking.�Nach�Volontariat�beim�WDR�

seit�2003�bei�der�Deutschen�Welle,�

als� Redakteur� in� der� Chinesisch-

�Redaktion,� jetzt� Chef� vom� Dienst�

in�der�Asien-Abteilung.�Als�Experte�

tritt�Gui�bei�DW-TV�und�in�weiteren�

ARD-Sendern�auf.�Er�veröffentlichte�

diverse�Fachbücher�über�den�chine-

sischen�Medienmarkt.�

02

Deutschland mit beschränkter HaftungPersönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erzählen von der Kunst, „deutsch“ zu sein. Geboren

wurden sie im Kongo und Iran, in Venezuela, Äthiopien, Japan, Spanien, der Türkei und anderswo. Ein Buch über Menschen

in Deutschland, vorgestellt von Rainer Militzke.

Eduardo Raccah verstand bei seiner Einreise das Geschrei der Deutschen über die Abholzung des Regenwaldes in seiner Heimat nicht. Sahen doch im Winter, bei seinem Anflug auf die Wahlheimat, die deutschen Wälder alle so aus, als wären sie verbrannt. Margarita Morales, Malerin aus Mexi-ko, und Tom Panjatan, Schauspieler aus Indien, wunderten sich bei ihrer Einreise sehr, dass sie mit dem zukünftigen, noch nicht angetrauten Partner in einem Bett schlafen durften – in ihrer Heimat ein Ding der Unmöglich-keit. Dr. Haddouti, ein begehrter IT-Manager, fühlt sich in seiner neuen

Heimat Deutschland manchmal wie ein kleiner Fisch in einem Riesenaquarium. Und Hana, Künstlerin aus Japan, wünscht sich für Deutschland nicht nur einen Tag des Lächelns und der Höflichkeit. Wer sind „die Deut-schen“, die von Carmen Zapata aus Venezuela und Malika Ryad aus Marokko mit Musik und Tanz erobert wurden? In diese sehnsuchtsvollen, heiteren Lebensbekenntnisse führt ein Prinz aus kaiserlichem Hause, Karl-August Prinz von Sachsen Gessaphe, ein – taktvoll, aber doch kritisch. Und geht der Frage nach, warum Ma-nieren so wichtig sind, um in der lieb gewonnenen neuen Heimat unter Beibehaltung der eigenen Kultur zu leben und anstatt nur toleriert, ehr-lich und wahrhaftig akzeptiert zu werden. Diese 20 Lebensbekenntnisse von Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft geben nicht nur Aufschluss über die Verwendung der Begriffe Toleranz und Akzeptanz. Sie zeigen anhand konkreter Biografien den Weg zu einer Gesellschaft, in der Menschen Bürger sind und die Welt eine Stadt ist. Oder ist Deutschland doch nur eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung? Dieser Frage gehen die Autoren höchst unterhaltsam nach und kommen zu erstaunlichen Schlussfolgerungen.

Deutschland�mit�beschränkter�Haftung�–�Die�Kunst�„deutsch“�zu�sein.�Maricarmen�De�Saavedra�(Hrsg.)�–�320�Seiten,�19,90�Euro�–�ISBN�978-3-941021-02-0

B u c h t i p p

Page 28: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

28— schlaglichter

Eine�aktuelle�Studie�der�amerika-

nischen�Marktforscher�Nielsen�zeigt:�

Junge�Netznutzer�bevorzugen�die�

Kommunikation�via�Nachrichtensystem�

im�sozialen�Netz�gegenüber�E-Mails.�

Ob�Facebook�oder�Myspace�–�über�

sogenannte�Status-Updates,�Kom-

mentare�und�integrierte�Nachrich-

tensysteme�lässt�sich�offenbar�noch�

schneller�und�unmittelbarer�miteinan-

der�kommunizieren.�Die�Vorteile:�Der�

Webnutzer�erledigt�alle�Kommuni-

kationswünsche�auf�einer�Plattform�

und�eine�direkte�Kommunikation�mit�

mehreren�Nutzern�ist�problemlos�

möglich.�Durch�das�Aufkommen�von�

Mikroblogging-Diensten�wie�Twitter�

sind�die�sogenannten�Status-Updates�

in�Mode�gekommen.�Rund�elf�Prozent�

aller�Internet-User�twittern�bereits.�

Die�Kennzahlen�von�Nielsen�Online:�

Ende�letzten�Jahres�nutzten�66,8�

Prozent�soziale�Netzwerke,�65,1�

Prozent�schrieben�E-Mails.�

China Nummer eins der Internet-Feinde Derzeit�sind�weltweit�70�Menschen�

wegen�ihrer�Meinungsäußerungen�

im�Internet�in�Haft,�die�meisten�

von�ihnen�in�China.�Das�beklagt�die�

Organisation�Reporter�ohne�Grenzen�

im�Bericht�„Internet-Feinde“.�China�

sei�mit�50�Häftlingen�„das�größte�

Gefängnis�für�Blogger“,�gefolgt�von�

Vietnam�und�Iran.�Zu�den�Feinden�

der�Internet-Freiheit�zählen�laut�

RoG-Liste�auch�Ägypten,�Birma,�Kuba�

und�Nordkorea.�In�China�sei�die�Zensur�

besonders�ausgeklügelt.�Dort�seien�

fast�40.000�Mitarbeiter�des�Staates�

damit�beschäftigt,�Online-Inhalte�zu�

kontrollieren.�

Feuerfuchs vorMicrosofts ExplorerFirefox,�die�Browser-Alternative�zu�

Microsofts�Internet�Explorer,�macht�

Boden�gut.�Im�Rennen�um�Nutzer-

anteile�rangiert�der�Open�Source-

Browser�der�Mozilla�Foundation�inner-

halb�Europas�auf�der�Beliebtheitsskala�

ganz�oben.�Das�jedenfalls�sagen�die�

Web-Statistiker�von�StatCounter.�So�

überholte�der�aktuelle�Firefox�3�den�

mittlerweile�abgelösten�Internet�

Explorer�7�–�wenn�auch�knapp:�Der�

neue�Mozilla-Browser�brachte�es�auf�

35,05�Prozent�Marktanteile,�der�IE�7�

beanspruchte�indes�34,54�Prozent�

des�europäischen�Browser-Marktes�

für�sich.

Zeitung flopInternet topDas�US-amerikanische�Pew�Research�

Center�hat�seine�jährliche�Studie�

„State�of�the�News�Media“�für�die�

Vereinigten�Staaten�veröffentlicht.�

Ein�zentrales�Ergebnis:�Das�Internet�

gewinnt�als�Nachrichtenmedium�

weiter�an�Reichweite�hinzu.�Die�Zahl�

der�Amerikaner,�die�regelmäßig�Nach-

richten�im�Internet�lesen,�stieg�um�19�

Prozent�in�den�vergangenen�beiden�

Jahren.�Die�Nutzung�der�Top-50-

Nachrichtenseiten�stieg�allein�2008�

um�50�Prozent,�gleichzeitig�fielen�die�

Umsätze�von�US-Tageszeitungen�um�

14�Prozent.�

Weiter über Americom-New Skies Die�Deutsche�Welle�hat�ihren�Vertrag�

mit�der�SES-Tochter�Americom-New�

Skies�für�die�Ausstrahlung�ihrer�

Programme�in�Nordamerika�um�drei�

Jahre�verlängert.�Die�DW�sendet�mit�

einer�Bandbreite�von�4,5�Megabit�pro�

Sekunde�auf�der�Plattform�„Digital�C“�

auf�dem�Satelliten�AMC1.�Von�hier�

aus�werden�die�Programme�in�die�

Kabelnetze�eingespeist.�

iPhone-Programm der DW gefragtSeit�Mitte�März�kann�das�kostenlose�

iPhone-Programm�der�DW,�im�

sogenannten�App�Store�von�Apple�he-

runtergeladen�werden.�Der�Download�

erfolgt�entweder�über�iTunes�oder�

direkt�vom�iPhone.�Das�Programm�

Social Networking statt E-Mail

ist�in�sämtlichen�77�regionalen�App�

Stores�im�Netz�verfügbar�und�bietet�

aus�dem�DW-Angebot�Artikel,�Bilder,�

Radio-Livestreams�und�das�Video�

des�Tages�in�englischer�Sprache.�

Im�deutschen�Apple-Store�liegt�das�

Programm�derzeit�unter�den�fünf�

beliebtesten�Downloads�in�der�Katego-

rie�Nachrichten.�

Neue Partnerauf vielen PlattformenDie�Deutsche�Welle�kooperiert�mit�

dem�chinesischen�Videoportal�Tudou.

com.�Den�täglich�zehn�Millionen�Be-

suchern�des�Portals�stehen�einzelne�

Sendungen�von�DW-TV,�darunter�das�

Lifestyle-Magazin�euromaxx,�auf�

Abruf�zur�Verfügung�(www.tudou.

com).�Seit�April�ist�die�DW�zudem�auf�

der�internationalen�Videoplattform�

Dailymotion�vertreten.�Englischspra-

chige�Magazine�von�DW-TV�sind�über�

einen�eigenen�Kanal�abrufbar.�DW-TV�

ist�nun�auch�im�Basis-Bouquet�des�ke-

nianischen�Senders�Zuku�TV�enthalten.�

Zu�empfangen�ist�der�Sender�ebenfalls�

in�Tansania.�Dort�hat�die�Deutsche�

Welle�auch�im�Hörfunkbereich�einen�

neuen�Partner:�Radio�One�strahlt�die�

Radionovelas�„Learning�by�Ear“�auf�

Kisuaheli�aus.

Page 29: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

neue medien —29weltzeit 03_2009

„Einen Streifzug durch die Fernsehwelt Eu-ropas“ verspricht das Portal auf seiner Startseite – und der ist angesichts der geplanten 10.000 Beiträge reichhaltig. In derzeit elf europäischen Sprachen können sich Nutzer durch das Angebot klicken: In Kategorien von A wie Arbeitswelt über K wie Kunst und Kultur bis W wie Woh-nen hält das Portal Fernsehbeiträge bereit. Die Deutsche Welle steuert ebenso wie die BBC, der ORF oder die spanische TVC Material zu dem ambitionierten Projekt bei. „Dass so viele Rund-funk-Schwergewichte gemeinsam für ein solches Projekt ihre Archive öffnen, ist in Europa ein einmaliger Fall“, betont Guido Baumhauer, Direktor für Distribution, Strategie und Mar-keting bei der Deutschen Welle. Es zeige auch, so Baumhauer, wie durch Digitalisierung und On-Demand-Vertriebswege sowohl für Nutzer als auch Content-Produzenten neue und vielver-sprechende Angebote entstehen.

Video Active steht im Zusammenhang mit dem Projekt „Europeana“, einer digitalen euro-päischen Bibliothek, um Europas kulturelle und wissenschaftliche Reichtümer der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Auswahl der Beiträ-ge ist sehr breit: Neben Sendungen zu Themen wie Mode, Umwelt oder Gesundheit finden sich Beiträge zur sexuellen Revolution der Sechzi-gerjahre oder Specials über „Leben in der Stadt“. Die Beiträge reichen teilweise zurück bis zur Geburtsstunde des Fernsehens – vom heutigen

Stand der Technik aus betrachtet, manchmal auch ein Grund zum Schmunzeln, aber „immer authentisch und nie langweilig“, so Baumhauer. Das Projekt wurde kürzlich mit dem Publikums-preis des „Best of the Web“-Awards auf der Konferenz „Museum and the Web 2009“ ausge-zeichnet.

Neben der Dokumentation des europäischen Zeitgeschehens ist das Portal auch ein For-schungsprojekt zur Content-Präsentation im Internet. Wie katalogisiert man zig Gigabyte an Daten, um sie im Internet nach Suchbegriffen, Themen oder Kategorien aufzubereiten und somit auffindbar und zugänglich zu machen? Die Art und Weise, wie audiovisuelles Material in den einzelnen Archiven der Teilnehmer hinter-legt wird, ist sehr unterschiedlich. Video Active löst dabei auch das Problem der mehrsprachigen Präsentation der Inhalte. Das Ergebnis ermög-licht eine navigationsfreundliche Darstellung nach verschiedenen Themen, die auch die unter-schiedlichen Datenstandards der Teilnehmerlän-der in Einklang bringen.

Die Erfahrungen aus dem im August dieses Jahres auslaufenden Projekt sind so positiv, dass bereits weitere Fördermittel für das Nachfol-geprojekt „EUscreen“ bewilligt wurden. Dann beteiligt sich eine Vielzahl weiterer Rundfunk-häuser an dieser „Open-Source-Mediathek“. ——

www.videoactive.eu

Europas digitales Gedächtnis

Die Plattform Video Active gewährt Einblick in die Archive von 15 namhaften europä-ischen Rundfunkanstalten. Nutzer auf der ganzen Welt erhalten so kostenlosen Zugang zu ausgewählte Sendungen zur europäischen Kulturgeschichte.

01 „immer authentisch und nie

langweilig“: die themenfülle des euro-

päischen Videoarchivs

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Es ist eine der gesichtslosen Hochhaussied-lungen in Seoul, in der Yoon Nyung Chang mit ihrer Familie wohnt. Im Großraum der südko-reanischen Hauptstadt wohnen fast 20 Millionen Menschen. Wir fahren mit dem Fahrstuhl in den 15. Stock. Yoon Nyung Chang will uns ihr Wohnzimmer zeigen. Für Global 3000, das Globalisierungsmagazin auf DW-TV, produ-zieren wir eine Folge der Reihe „Das globale Wohnzimmer“. Menschen aus der ganzen Welt zeigen, wie sie wohnen. Frau Chang empfängt uns mit der typisch koreanischen Herzlichkeit. Sie ist Ende 30, ihr Mann arbeitet bei der Stadt-verwaltung, die 13-jährige Tochter geht auf die Oberschule. Das Wohnzimmer ist modern ein-gerichtet. Ein riesiger Flachbildfernseher, eine Couch, niedrige Bücherregale, wenig, was man als typisch koreanisch bezeichnen würde.

Die Koreaner leben modern – besonders in den Städten. Altes und Traditionelles findet man kaum. Familie Chang ist typisch für die breite südkoreanische Mittelschicht, die von der Glo-balisierung profitiert. Das Pro-Kopf-Einkom-men liegt bei über 20.000 US-Dollar im Jahr. Südkorea hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte von einem Agrarland zu einer Industrienation entwickelt mit wettbewerbsfähigen und inter-national nachgefragten Produkten. Jeder zweite Flachbildschirm ist koreanischer Herkunft und Marken wie Hyundai oder LG sind weltweit bekannt.

größter investor aus der eu Beeindruckend ist die Geschwindigkeit, mit der die Koreaner die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. In Hannam-dong, einem bürger-lichen Viertel in der südkoreanischen Hauptstadt, liegt die deutsch-koreanische Außenhandelskam-mer. Sie hat über 400 Mitgliedsunternehmen. Das Büro des stellvertretenden AHK-Chefs, Carsten Lienemann, liegt im zehnten Stock eines Hochhauses. Der Volkswirt schaut direkt auf eine riesige Baustelle. Innerhalb weniger Monate entstehen dort Luxus-Appartments.

Deutschland ist in Südkorea mit Abstand der größte Investor aus der EU. „Deutsche

01

OstasiensschnellerMotorSeoul – Wegen seiner rasanten wirtschaftlichen Entwick-lung wird Südkorea, das sich als Partnerland auf der diesjährigen Hannover-Messe präsentiert hat, auch als „Wunder Ostasiens“ bezeichnet. Manuela Kasper-Claridge, Leiterin der Wirt-schaftsredaktion von DW-TV, war vor Ort und kehrte beeindruckt zurück.

01 20�Millionen�Menschen�leben�

im�Ballungsraum�der�Hauptstadt:�Groß-

baustelle�in�Seoul�

�0— vor ort

01

Page 31: weltzeit 03_2009: Mit Smart Mobs und Twitter gegen den Krieg 2.0

vor ort —�1

Unternehmen beschäftigen hier über 100.000 Menschen“, sagt Lienemann stolz. Automobilzu-lieferer wie Bosch fertigen hier, auch zahlreiche Mittelständler – als Zulieferer für die korea-nische Investitionsgüterindustrie, für Werften, Kraftwerke, Automobilhersteller.

generation high-techIn der überfüllten Seouler U-Bahn dann ein Blick ins technikverliebte Korea. Die Men-schen stehen dicht gedrängt. Die meisten haben trotzdem Handys in der Hand, schicken Video-Nachrichten oder schauen Fernsehen auf ihrem Mobiltelefon. Die Südkoreaner wollen immer das Neueste haben. Manch einer hat zwei oder drei Handys und wenn eines davon klingelt, wird immer geantwortet – selbst wenn man ge-rade ein Vier-Augen-Gespräch hat.

Internet-Communitys sind ein Massenphäno-men. Cy World ist das größte Portal für private Webseiten, betrieben von der Sk Telekom. Viele Südkoreaner haben bei der Firma einen eigenen Webauftritt, mit Familienfotos, Texten, Spielen und mehr.

Das Internet hat heute in Südkorea einen viel größeren Einfluss als Zeitungen. Zu welchen Auswüchsen es dabei kommen kann, zeigt der tra-gische Selbstmord der Schauspielerin Jin-Sil Choi. Sie wurde von Stalkern im Netz verfolgt, die unter anderem behaupteten, dass sie ein Verhält-nis mit einem Kredithai habe oder dass sie einen anderen Menschen in den Selbstmord getrieben habe. Diese Unterstellungen konnte sie nicht mehr ertragen und nahm sich das Leben. Ihr Schicksal führte zu heftigen Diskussionen in Südkorea.

Krise im wirtschaftswunderlandEin anderes Thema, das Menschen und Medien beschäftigt, ist der Umgang mit der Wirtschafts-krise. Mittlerweile musste die Regierung das prognostizierte Wirtschaftswachstum nach unten korrigieren, die Arbeitslosigkeit steigt. Univer-sitätsabsolventen haben Schwierigkeiten, eine Anstellung zu bekommen. Das ist besonders bit-ter, wurden doch meist Zehntausende Euro für die Ausbildung bezahlt.

In der Kommunikationsabteilung von Sie-mens Korea treffen wir Li Ra Seo. Sie ist unter 30, ihr Englisch sehr gut. Sie hat zwei Jahre in den USA studiert. Sie berichtet von ihrer Kind-heit, die so typisch ist: Weit über 80 Prozent der Südkoreaner machen das Abitur. Die meisten studieren danach. „Die Koreaner sind bildungs-hungrig“, sagt sie, „aber das schafft auch Pro-bleme. Ich habe nach der Schule, die bis 16 Uhr ging, eine Privatschule besucht, das hieß, jeden Tag zusätzlich vier bis fünf Stunden lernen.“ Doch ohne Bildung kein Aufstieg – und der Wettbewerb um die Plätze an den besten Schu-len und Universitäten ist hart.

„Der Wille, etwas zum Erfolg zu bringen, ist in Korea einzigartig“, erzählt Josef Meilinger, der örtliche Siemens-Chef, der seit drei Jahren in Seoul lebt. Und, so sagt er, „in Korea gehen die Dinge schnell“. Als die deutsche Firma Solarworld in der Provinz Jeollabuk eine Pro-duktionsstätte für Solarmodule errichten wollte, war die Genehmigung innerhalb von drei Tagen erteilt. In Deutschland undenkbar. ——

www.dw-world.de/madeingermany

weltzeit 03_2009

Deutsch-koreanische Partnerschaft

Im�Regierungskomplex�in�Seoul�empfängt�uns�Wirtschafts-

minister�Youn�Ho�Lee.�Über�10.000�Angestellte�arbeiten�

in�den�Verwaltungsgebäuden,�in�denen�auch�einige�andere�

Ministerien�untergebracht�sind.�Der�Minister�hat�sich�viel�

Zeit�für�das�TV-Team�aus�Deutschland�genommen.�DW-TV�

ist�im�koreanischen�Kabel�zu�sehen�–�vorausgesetzt,�man�

hat�das�entsprechende�Paket�abonniert.�Die�deutsch-

�koreanische�Partnerschaft�ist�ihm�wichtig.�Das�Gespräch�

wird�im�Vorfeld�der�Hannover-Messe�geführt.�Von�Auto-

matisierungstechnik�bis�zu�Energieanwendungen�zeigen�

die�Koreaner�in�Deutschland,�was�sie�industriell�zu�bieten�

haben.�Gleichzeitig�wollen�sie�sich�als�grünes�Land�präsen-

tieren.�Erneuerbare�Energien�wie�Wind,�Sonne�und�Wasser�

sollen�massiv�ausgebaut�werden.�Für�Südkorea�könnte�der�

Ausbau�alternativer�Energie�ein�massives�Konjunkturpro-

gramm�sein,�erzählt�der�Minister.�

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�2— zoom

Der Trainer und seine Vorliebe für Auswärtsspiele Berlin – Seine Leidenschaft ist die Politik, seine Schwäche der Fußball und die Neugier der Grund für den Journalistenberuf. Christopher Springate ist Moderator und Repor-ter bei DW-TV. Als Trainer der DW-AKADEMIE entdeckt er eine neue Welt in Afrika. Richard Fuchs stellt ihn vor.

Auf der Reise, das war Christopher Springate schon immer. Als Sohn eines britischen Flugli-nienmanagers wurde er in Hongkong geboren, wuchs in Kuwait, Brasilien und Bangkok auf und kam erst in England während der Schulzeit ein wenig zur Ruhe. Jede freie Minute widme-te er damals dem Fußball, träumte von einer Karriere als Kapitän der englischen Nationalelf. Während des Studiums im britischen Cambridge liebäugelte der vielfältig begeisterungsfähige Student auch mit einem Leben als Schauspieler. Um sich dann auf eine andere Reise zu begeben: Die Mitarbeit an der Studentenzeitung entfachte seine Leidenschaft für den Journalismus.

„Neugier und Schüchternheit waren zwei meiner ständigen Begleiter“, sagt er heute. „Und ich habe gelernt, wie ich mit meiner Neugier die Schüchternheit bändigen kann.“ Journalistenschulen in London und Paris eb-neten ihm den Weg in seinen späteren Beruf. Ein einjähriges Lehrerengagement an einer Berliner Schule legte den Grundstein für sein persönliches Glück. Unmittelbar vor der poli-tischen Wende 1989 verliebte sich Springate in seine spätere Frau, eine waschechte Berlinerin. Und Liebe empfand er bald auch zur heutigen deutschen Hauptstadt, die viel grüner war, als er je vermutet hätte.

Und noch etwas war anders als erwartet: „Ich war überrascht, dass die Deutschen tagtäglich in irgendeiner Form über Vergangenheitsbewälti-gung gesprochen haben“, erinnert er sich. Und das sagt der Besitzer eines britischen Passes voller Bewunderung: „Ich kenne kein anderes Land, das sich so beispielhaft mit seiner Vergangenheit beschäftigt hat und so weit weggekommen ist von den hässlichen Seiten dieser Vergangenheit, wie Deutschland.“

Die Nachwendejahre erlebt Springate aus der Reporter-Perspektive, begleitet die politischen Annäherungsversuche zwischen Ost und West mit Geschichten von der Straße. Dabei berich-tet er über linke Skinheads, die mit Ska-Musik durch Potsdam marschieren. Genauso wie über die Probleme ostdeutscher Schulen bei der Um-stellung des Schulsystems.

27 anläufe für ersten aufsager 1991 beginnt er, sich endgültig in Berlin nie-derzulassen und knüpft Kontakte zu DW-TV. Brauchte er in seinem ersten Aufsager als Kor-respondent für das Journal noch 27 Anläufe, um es sendefähig zu machen, hat er es heute als routinierter Moderator des Politik-Magazins People & Politics einfacher. Meist ist die Mo-deration bereits nach dem ersten Versuch „im Kasten“ – bleibt mehr Zeit, über den Sinn seines journalistischen Tuns nachzudenken.

Bei der Deutschen Welle fühlt er sich gut aufgehoben, denn auch beim deutschen Aus-landsrundfunk erkennt er jene „Kultur der Zu-rückhaltung“, die ihm schon als Beobachter der deutschen Außenpolitik so gut gefallen hat: „Die Deutsche Welle nimmt die Funktion des ehr-lichen Maklers wahr“. Und für solche Informati-onen gebe es in der Welt eine rege Nachfrage, ist der langjährige politische Hauptstadtkorrespon-dent von DW-TV überzeugt. Leider habe sich das noch nicht in allen Bundestagsfraktionen herumgesprochen, denn damit die DW als „kul-tureller Türöffner“ für Deutschland in der Welt noch besser wirken könne, müsste die Finanzie-rung langfristig gesichert werden.

Bei aller Nachdenklichkeit: Über das Privileg, Journalist sein zu dürfen, freut sich Springate noch immer, und zwar jeden Tag. Und er lebt es

»ich kenne kein

anderes land, das

sich so beispiel-

haft mit seiner

Vergangenheit

beschäftigt hat.«

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aus, zum Beispiel als VJ-Reporter für das Tages-thema im Journal. Im vergangenen Jahr konnte er eine Amazonas-Reportage realisieren, die ihm neben harter Arbeit unvergessliche Eindrücke aus einem sensiblen Natur-Juwel brachten.

VJ-reporter und trainer Immer häufiger geht er heute nicht mehr als Reporter, sondern als Trainer auf Reisen. Seit gut einem Jahr arbeitet er für das Team Afrika der DW-AKADEMIE. Auch dort hat er bereits die „DW-Handschrift“ entdeckt, die journalis-tische Fortbildung auf gleicher Augenhöhe und mit hohen Qualitätsansprüchen zum Ziel hat. Seine neue Rolle fordert ihm viel ab. In Sachen Projektmanagement und Organisation von Trai-nings musste er dazulernen, im Gegenzug erfuhr er viel über den afrikanischen Kontinent und seine Menschen.

Auch das Reisefieber hat ihn mit dieser Auf-gabe wieder, denn „die nächste Perspektive ist

immer die nächste Reise“, gibt er schmunzelnd zu Protokoll. Seine beiden Söhne (13 und 9 Jahre) nehmen das mit gemischten Gefühlen wahr, denn so fehlt der Vater von Zeit zu Zeit beim sonntäglichen Fußballspiel. Das findet ku-rioserweise nur einen Steinwurf von jenem Ort statt, wo die Reise für Christophers Vorfahren losging: Seine deutschstämmige Großmutter wohnte wie er im Norden Berlins, bis sie vor den Nazis nach Brasilien floh. Sein Deutsch-landbild habe das nie getrübt, sagt er. Im Ge-genteil: Im Superwahljahr 2009 will auch er neben dem britischen noch einen deutschen Pass beantragen. Und das nicht nur, weil er nach 18 Jahren Deutschland auch einmal den Bundestag mitwählen möchte. „Ob ich mit der DW-AKA-DEMIE beispielsweise in Simbabwe als Brite oder als Deutscher einreise, das macht auch ganz praktisch einen großen Unterschied.“ Für Springate geht damit die Reise weiter. Wohin, da hat er noch viele Ideen. ——

SondersendungDW-TV� produziert� im� Rahmen� des�

Programmschwerpunkts�„60�Jahre�

Bundesrepublik� Deutschland“�

eine� Sondersendung� des� Magazins�

�People & Politics� –� moderiert� von�

Christopher� Springate.� Ausstrah-

lung�am�Freitag,�22.�Mai,�0.30�Uhr�

UTC� –� mit� Wiederholungen� am� Fol-

getag.� Weitere� Ausstrahlungster-

mine� und� die� jeweils� aktuelle� Aus-

gabe�des�Magazins,�auch�der�deut-

schen�Ausgabe�Politik direkt,�sind�

im� Internet� als� Video-on-demand�

abrufbar.

www.dw-world.de/peopleandpolitics�

www.dw-world.de/politikdirekt�

01 „Die�nächste�Perspektive�ist�

immer�die�nächste�Reise“:�DW-TV-

�Moderator�Christopher�Springate01

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�4— partner

Neben dem gängigen Lehrbetrieb un-terhält die staatliche Fernuniversität mit Sitz in Neu Delhi zusätzlich fünf landes-weit operierende TV-Kanäle und 29 Cam-pus-Radiostationen an den wichtigsten Universitäten Indiens. Das Ziel: Über spezielle Sendungen mit berufsbegleiten-den Inhalten hinaus soll Basis- und All-gemeinbildung vermittelt werden. Dieses Angebot richtet sich vor allem an die Be-

völkerung in Regionen mit erschwertem Zugang zu Bildung – an junge, englisch-sprachige Menschen mit großen Zielen und wenig finanziellen Möglichkeiten.

Die indische Regierung unterstützt das Projekt mit staatlichen Fördergeldern. Die Deutsche Welle als Partner der medial engagierten Universität steuert zahlreiche Radiosendungen und TV-Produktionen bei. Im März dieses Jahres starteten zudem

Trainer des deutschen Auslandssenders die ersten Fortbildungen vor Ort: Es geht um Online-Journalismus, um Trainer-Ausbil-dung und Medienmanagement. Kurse, die nun auf dem Lehrplan der neugegründeten „School of Journalism“ stehen, die Stu-denten aus dem ganzen Land anzieht. ——

www.ignou.ac.in

IHDP Open Meetings: Umweltberichterstattung diskutiertBonn� –� Als� Partner� des� „IHDP� Open� Meetings“,� der�

größten� UN-Wissenschaftskonferenz� in� diesem� Jahr,�

Ende�April�in�Bonn,�war�die�Deutsche�Welle�mit�der�Dis-

kussionsrunde�„Catastrophe�Sells�–�die�Umweltbericht-

erstattung�in�den�Medien“�präsent.�Unter�der�Modera-

tion� von� DW-Redakteurin� Irene� Quaile� stritt� eine� Ex-

pertenrunde�im�World�Conference�Center�insbesondere�

über�den�Stellenwert�und�die�Vermittlung�von�Zukunfts-

visionen.�Mit�dabei�unter�anderem�James�Painter,�BBC,�

Richard� Klein� vom� Stockholm� Environment� Institute,�

Greenpeace-Sprecher� Stefan� Krug� und� Risikoexperte�

Walter�Amman�aus�Davos.�

UN-Volunteers: Zusammenarbeit ausgebaut Bonn�–�Das�Freiwilligenprogramm�der�Vereinten�Nationen�

(UNV)�und�die�Deutsche�Welle�wollen�ihre�Zusammenar-

beit�bei�Medientraining�und�gemeinsamen�Seminaren�vor�

Ort� verstärken.� Das� UN-Freiwilligenprogramm� hat� bei-

spielsweise� großes� Interesse,� an� Medien-Projekten� der�

DW�weltweit�mitzuwirken,�etwa�in�den�vom�Tsunami�be-

troffenen�südostasiatischen�Ländern.�Jährlich�entsendet�

UNV�rund�8.000�berufserfahrene�Experten�aus�Entwick-

lungs-�und�Industrieländern�als�Freiwillige�für�Einsätze�in�

der�Entwicklungszusammenarbeit.�Auch�vom�heimischen�

Computer�aus�können�Freiwillige�aktiv�werden.�Über�das�

„Online-Volunteering“� können� sie� weltweit� Organisati-

onen�zum�Beispiel�in�Fragen�der�Informationstechnologie�

beraten�und�unterstützen.�

Forum Medien und Entwicklung: „Radio von unten“ vorgestelltBerlin�–�Auf�einer�Tagung�des�Forums�Medien�und�Ent-

wicklung� (FoME)� am� 24.� April� in� Berlin� stellte� Helmut�

Osang,� Leiter� der� Asien-Abteilung� der� Akademie� der�

Deutschen�Welle,�ein�Projekt�für�die�Volksrepublik�Laos�

vor.�Es�hat�zum�Ziel,�ein�„Radio�von�unten“�zu�etablie-

ren,�das�vornehmlich�die�Menschen�selbst�zu�Wort�kom-

men�lässt.�Die�kommunistische�Staatsführung�sei�zu�der�

Einsicht�gelangt,�dass�sie�mit� ihren�„Protokoll-News“�

von� Staatsbesuchen� und� den� Personalien� von� Partei-

funktionären�die�Bevölkerung�nicht�mehr�erreiche.� Im�

FoME�arbeiten�Institutionen�und�Organisationen�zusam-

men,�die�Medien�in�Entwicklungsländern�mit�Know-how�

und�Förderprojekten�zu�mehr�Qualität�und�Professiona-

lität�im�Journalismus�verhelfen�wollen�–�unter�anderem�

die�Deutsche�Welle�und�politische�Stiftungen.�

Bildung für alleNeu Delhi – Mit zwei Millionen Studenten ist die Indira Gandhi National Open University (IGNOU) zweifellos eine Mega-Uni. Zumal die zahlreichen Fernstudenten aus 33 Ländern und ein ambitioniertes Allgemeinbildungsprogramm für die breite indische Bevölkerung hinzu-kommen. Die DW unterstützt diesen gigantischen Bildungsauftrag.

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ikonen der

zeitgeschichte

bilder

imkopf

Ausstellung / 21. Mai bis 11. Oktober 2009Museumsmeile Bonn / Di – So 9 – 19 Uhr / Eintritt frei / www.hdg.de Deutsches

Rundfunk archiv

Foto

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www.medienforum.nrw.de

21. medienforum.nrw Koelnmesse, Rheinparkhalle 22.–24. Juni 2009

Internationaler Filmkongress der Filmstiftung NRW

Internationaler Konvergenzkongress:Mobile Media, Games, Web 2.0

Internationaler Printkongress

InternationalerFernsehkongress

Das medienforum.nrw ist eine Veranstaltung der Landesanstalt für Medien (LfM), gefördert mit Mitteln des Ministers für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen. Verantwortlich für Konzeption und Durchführung ist die LfM Nova GmbH.

MeFo_Anzeige_U-Bahn_A4_proMedia–V06.indd 1 23.03.2009 12:10:05 Uhr