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WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia, Johannes Malalas, Theophanes und Nikephoros Kallistos I. Einleitung Das Geschichtswerk des Priskos von Panion, das eine um- fangreiche Darstellung der historischen Ereignisse des 5. Jahrhun- derts, insbesondere des Aufstiegs und Niedergangs der Hunnen sowie der Expansion der Vandalen, enthielt, gehört zu den interes- santesten Leistungen der griechischen Historiographie in der aus- gehenden Antike. 1 Der Text ist leider nicht erhalten, wir verfügen lediglich über Fragmente. Es ist aber sicher, dass Priskos gelesen und exzerpiert wurde und dass seine Geschichtsdarstellung die spätere historiographische Tradition bedeutend beeinflusste. Unter 1) Zu Priskos vgl. R. C. Blockley, The Fragmentary Classicizing Historians of the Later Roman Empire. Eunapius, Olympiodorus, Priscus and Malchus, I–II, Liverpool 1981/1983 (umfangreiche Einführung, Text, Kommentar), P.Carolla (Hrsg.), Priscus Panita. Excerpta et fragmenta, Berlin 2008 (Text), J.Kuranc, De Prisco Panita, rerum scriptores quaestiones selectae, Lublin 1958, B. Baldwin, Priscus of Panion, Byzantion 50, 1980, 18–61, E. V. Maltese, Note ed osservazioni sul testo di Prisco di Panion, Helikon 17, 1977, 263–279, E. V. Maltese, A proposito dell’opera storica di Prisco di Panion, QS 9, 1979, 279–321, U. Roberto, Prisco e una fonte romana del V secolo, RomBarb 17, 2000–2002, 117–159, R. C. Blockley, The Development of Greek Historiography: Priscus, Malchus, Candidus, in: G. Maras- co (Hrsg.), Greek and Roman Historiography in Late Antiquity. Fourth to Sixth Century A. D., Leiden / Boston 2003, 289–315, D. Brodka, Attila und Aetius. Zur Priskos-Tradition bei Prokopios von Kaisareia, in: J. Styka (Hrsg.), From Antiqui- ty to Modern Times. Classical Poetry and its Modern Reception. Essays in Honour of S. Stabryła, Classica Cracoviensia XI, Kraków 2007, 147–156, D. Brodka, Attila, Tyche und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern. Eine Untersuchung zum Geschichtsdenken des Priskos von Panion, Hermes 136, 2008, 227–245, D. Brodka, Pragmatismus und Klassizismus im historischen Diskurs des Priskos von Panion, in: A. Goltz / H. Leppin / H. Schlange-Schöningen (Hrsg.), Jenseits der Grenzen. Beiträge zur spätantiken und frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung, Berlin / New York 2009, 11–24. RhM 155 (2012) 185–209

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WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE

Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia Johannes Malalas

Theophanes und Nikephoros Kallistos

I Einleitung

Das Geschichtswerk des Priskos von Panion das eine um-fangreiche Darstellung der historischen Ereignisse des 5 Jahrhun-derts insbesondere des Aufstiegs und Niedergangs der Hunnen sowie der Expansion der Vandalen enthielt gehoumlrt zu den interes-santesten Leistungen der griechischen Historiographie in der aus-gehenden Antike1 Der Text ist leider nicht erhalten wir verfuumlgenlediglich uumlber Fragmente Es ist aber sicher dass Priskos gelesenund exzerpiert wurde und dass seine Geschichtsdarstellung die spaumltere historiographische Tradition bedeutend beeinflusste Unter

1) Zu Priskos vgl R C Blockley The Fragmentary Classicizing Historiansof the Later Roman Empire Eunapius Olympiodorus Priscus and Malchus IndashIILiverpool 19811983 (umfangreiche Einfuumlhrung Text Kommentar) P Carolla(Hrsg) Priscus Panita Excerpta et fragmenta Berlin 2008 (Text) J Kuranc DePrisco Panita rerum scriptores quaestiones selectae Lublin 1958 B Baldwin Priscus of Panion Byzantion 50 1980 18ndash61 E V Maltese Note ed osservazionisul testo di Prisco di Panion Helikon 17 1977 263ndash279 E V Maltese A propositodellrsquoopera storica di Prisco di Panion QS 9 1979 279ndash321 U Roberto Prisco e unafonte romana del V secolo RomBarb 17 2000ndash2002 117ndash159 R C Blockley TheDevelopment of Greek Historiography Priscus Malchus Candidus in G Maras-co (Hrsg) Greek and Roman Historiography in Late Antiquity Fourth to SixthCentury AD Leiden Boston 2003 289ndash315 D Brodka Attila und Aetius ZurPriskos-Tradition bei Prokopios von Kaisareia in J Styka (Hrsg) From Antiqui-ty to Modern Times Classical Poetry and its Modern Reception Essays in Honourof S Stabryła Classica Cracoviensia XI Krakoacutew 2007 147ndash156 D Brodka AttilaTyche und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern Eine Untersuchung zumGeschichtsdenken des Priskos von Panion Hermes 136 2008 227ndash245 D BrodkaPragmatismus und Klassizismus im historischen Diskurs des Priskos von Panionin A Goltz H Leppin H Schlange-Schoumlningen (Hrsg) Jenseits der GrenzenBeitraumlge zur spaumltantiken und fruumlhmittelalterlichen Geschichtsschreibung Berlin New York 2009 11ndash24

RhM 155 (2012) 185ndash209

den Historikern die das Werk des Priskos besonders intensiv benutzten und umfangreich exzerpierten war Eustathios von Epi-phaneia wovon die bekannte Aussage des Kirchenhistorikers Eu -agrios zeugt dass Eustathios fruumlhere Geschichtswerke darunterdas Werk des Priskos in zwei Baumlnden vorzuumlglich zusammengefassthabe (Evagr HE 524)2 So faumlllt die Suche nach der Priskos-Tradi-tion haumlufig mit der Suche nach der Eustathios-Tradition (fuumlr das5 Jahrhundert) zusammen Auch das Geschichtswerk des Eusta -thios ist vollstaumlndig verloren gegangen und die unter seinem Namenin FHG IV 134ndash142 stehenden Fragmente stammen entweder ausEuagrios (fr 1ndash6) oder aus Malalas (fr 7)3 Deswegen muss man fuumlreine Rekonstruktion seiner historischen Darstellung auf diejenigenTexte zuruumlckgreifen die sein Werk als Vorlage haumltten verwendenkoumlnnen Zu beruumlcksichtigen ist insbesondere ein spaumltes Monumentder byzantinischen Historiographie naumlmlich die um 1320 geschrie-bene Kirchengeschichte des Nikephoros Kallistos4 Es geht hier allerdings nicht um eine Untersuchung der Quellen der gesamtenKirchengeschichte des Nikephoros5 Vielmehr moumlchte ich eine ein-gehende Analyse eines einzelnen Kapitels durchfuumlhren das zumin-dest theoretisch gewisse Aspekte der Priskos-Tradition enthaltenkann Gemeint ist Nic HE 1457 wo sich Nikephoros auf Eusta -thios als seine Quelle namentlich beruft6 Dabei versuche ich auch

186 Dar iusz Brodka

2) Zu Eustathios vgl C Benjamin Eustathius RE VI 1909 1450ndash1451J R Martindale The Prosopography of the Later Roman Empire Bd II Cam-bridge 1980 435ndash436 P Allen An Early Epitomator of Josephus Eustathius ofEpiphaneia BZ 81 1988 1ndash11 D Brodka Eustathios von Epiphaneia und das Endedes Westroumlmischen Reiches JOumlB 56 2006 59ndash78 Wenig uumlberzeugend sind hinge-gen die Ausfuumlhrungen von W Treadgold (The Byzantine World Histories of JohnMalalas and Eustathius of Epiphania IHR 29 2007 709ndash745 und The Early By-zantine Historians New York 2007 114ndash120 251ndash255 311ndash327 vgl dazu meineRezension in H-Soz-u-Kult 20 08 2007 httphsozkultgeschichtehu-berlinderezensionen2007-3-130 = Historische Literatur 20073 57ndash61)

3) Ein neues Fragment ediert Allen (wie Anm 2)4) J-P Migne (Hrsg) Nicephori Callisti Xanthopuli Ecclesiasticae Histo-

riae Libri XVIII PG 145ndash147 Turnhout 18655) Grundlegend dazu G Gentz F Winkelmann Die Kirchengeschichte des

Nicephorus Callistus Xanthopulus und ihre Quellen Berlin 19666) Das Werk des Eustathios wird von Winkelmann nicht als moumlgliche Quelle

der Kirchengeschichte des Nikephoros beruumlcksichtigt Fuumlr das Kapitel Nic HE 1457nimmt er jedoch Theophanes Malalas und Euagrios als Quellen an (Gentz Winkel-mann [wie Anm 5] 142 f) ohne aber die parallelen Stellen zu analysieren Das Werkdes Eustathios existierte mindestens noch im 13 Jahrhundert siehe dazu P Maas EineHandschrift der Weltgeschichte des Eustathios von Epiphaneia BZ 38 1938 350

zu erklaumlren wie gewisse Fehler die offensichtlich die Priskos-Tra-dition entstellen in der Uumlberlieferung entstehen konnten

In der relevanten Passage berichtet Nikephoros vom Feldzugdes Theodosius II gegen die Vandalen vom Abbruch dieses Feld-zuges wegen des Hunnenkrieges von Attila von den Einfaumlllen derHunnen in das roumlmische Reich vom Sieg des Aetius von AttilasTod vom Krieg gegen Persien und bietet zum Schluss eine allge-meine Uumlbersicht uumlber die Dichter und Bauten in der Regierungs-zeit des Theodosius Die quellenkritische Analyse dieses Ab-schnitts soll die Frage beantworten ob dieser Text wirklich als einTextzeuge des Eustathios betrachtet werden kann und ob er uumlberdie Informationen die die parallelen Berichte fruumlherer Autoren wieMalalas7 Chronicon Paschale8 Theophanes9 Euagrios10 bieten

187Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

7) Text I Thurn (Hrsg) Ioannis Malalae Chronographia Berlin NewYork 2000 kommentierte Uumlbersetzungen The Chronicle of John Malalas A Trans-lation by E Jeffreys M Jeffreys R Scott Melbourne 1986 Johannes Malalas Welt-chronik Uumlbersetzt von J Thurn und M Meier Stuttgart 2009 Zu Malalas vgl insbesondere E Jeffreys B Croke R Scott (Hrsg) Studies in John Malalas Syd-ney 1990 E Jeffreys The Beginnig of Byzantine Chronography John Malalas inMarasco (wie Anm 1) 497ndash527 J Beaucamp (Hrsg) Recherches sur la Chroniquede Jean Malalas IndashII Paris 20042006

8) Text L Dindorf (Hrsg) Chronicon Paschale ad Exemplar VaticanumBonn 1832 Zum Chronicon Paschale vgl M Whitby Ma Whitby Chronicon Paschale 284ndash629 AD Liverpool 1989 J Howard-Johnston Witnesses to a WorldCrisis Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century Oxford2010 37ndash59

9) Text C de Boor (Hrsg) Theophanis Chronographia IndashII Leipzig 18831885 Zu Theophanes vgl insbesondere C Mango R Scott The Chronicle of Theophanes Confessor Byzantine and Near East History AD 284ndash813 Oxford 1997(kommentierte Uumlbersetzung vgl dazu auch die Rezension von W Brandes BZ 911998 549ndash561) Vgl auch W Brandes Pejorative Phantomnamen im 8 JahrhundertEin Beitrag zur Quellenkritik des Theophanes und deren Konsequenzen fuumlr die his-torische Forschung in H Hoffmann (Hrsg) Zwischen Polis Provinz und Periphe-rie Beitraumlge zur byzantinischen Geschichte und Kultur Wiesbaden 2005 93ndash125W Brandes Der fruumlhe Islam in der byzantinischen Historiographie Anmerkungenzur Quellenproblematik der Chronographia des Theophanes in Goltz Leppin Schlange-Schoumlningen (wie Anm 1) 313ndash343

10) Text J Bidez L Parmentier (Hrsg) The Ecclesiastical History of Ev -agrius with the Scholia London 1898 kommentierte Uumlbersetzung Evagrius Scho-lasticus Historia Ecclesiastica Kirchengeschichte Uumlbersetzt und eingeleitet vonA Huumlbner Turnhout 2007 Zu Euagrios vgl G F Chesnut The First Christian His-tories Eusebius Socrates Sozomen Theodoret and Evagrius Paris 1977 P AllenEvagrius Scholasticus The Church Historian Louvain 1981

hinausgeht11 Lieszlige sich diese Frage positiv beantworten koumlnnteeine naumlhere Untersuchung dieses Kapitels der Kirchengeschichtedes Nikephoros und paralleler Berichte Einsichten eroumlffnen diezum einen gewisse Aspekte des Werkes des Priskos zum anderendie Art und Weise wie die byzantinischen Historiker ihre Quellenbenutzten erhellen

In der modernen Forschung wurde allerdings bereits die Fra-ge gestellt ob die Passagen der verlorenen Texte die Nikephorosnur punktuell als Vorlage benutzte fuumlr uns greifbar waumlren Im Fallder verlorenen Kirchenhistoriker wurde diese Frage negativ beant-wortet12 Weil aber das Problem der Benutzung fruumlherer Chroni-ken durch Nikephoros nach wie vor nicht voumlllig geloumlst ist scheinteine weitere Untersuchung des Themas angebracht zu sein13

Das gesamte Kapitel Nic HE 1457 kann in vier Teile geglie-dert werden 1) der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen 2) At-tila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- und westroumlmischeReich 3) der Krieg gegen Persien 4) Dichter und Bauwerke in derZeit des Theodosius Dieser Einteilung gemaumlszlig soll die folgendeUntersuchung durchgefuumlhrt werden

II Der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen (Nic HE 1457 Theoph AM 5941ndash5942)

Die 1 Sektion konzentriert sich auf die ostroumlmische Offensi-ve gegen Geiserich14 Im vorangehenden Kapitel d h in Nic HE1456 stellte Nikephoros die Eroberung Afrikas durch die Van -dalen dar wobei er Theophanes (Theoph AM 5931) als seine Vor-

188 Dar iusz Brodka

11) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111 und Whitby Whitby(wie Anm 8) 78 Anm 260 nehmen an dass Nikephoros hier Eustathios als seineVorlage verwendete Von Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 142 f werden hier nurTheophanes Malalas und Euagrios als Quellen genannt

12) G Gentz K Aland Die Quellen der Kirchengeschichte des Nicepho-rus und die Bedeutung fuumlr die Konstituierung des Textes der aumllteren Kirchenhisto-riker ZNTW 42 1949 139 ff Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 193

13) Mit Recht wurde bereits von Gentz Aland (wie Anm 12) 119 undGentz Winkelmann (wie Anm 5) 189 festgestellt dass die Frage der Benutzungder Chronisten durch Nikephoros nicht voumlllig zu loumlsen sei Es sei nur klar dass erdie Chronik des Theophanes sehr intensiv benutzt habe

14) Γιζριχος ( ) γα πρτος αυτν νεπε κα ο μην μνον τν πρεσβυτραν λλ κα ατν ampλπει τν νεωτραν κα τν τατης κατ)ρχοντα

lage verwendete15 Aumlhnlich wie Theophanes beendet er seinen Be-richt mit der Niederlage des Bonifatius und des Aspar und mit derzusammenfassenden Feststellung dass die Vandalen Afrika eroberthaben (Nic HE 1456) Das Kapitel HE 1457 beginnt Nikephorosmit der Notiz dass sich Geiserich rex genannt habe Dann schil-dert er die weiteren Handlungen des Vandalenkoumlnigs Sie werdengrundsaumltzlich aus der ostroumlmischen Perspektive betrachtet weilsich Nikephoros hier vor allem fuumlr die ostroumlmisch-vandalischenBeziehungen und die Politik des Theodosius interessiert Darauf-hin berichtet er uumlber den Feldzug des Theodosius gegen die Van-dalen (im Jahr 441) Der Kaiser habe gegen Geiserich eine riesigeFlotte geschickt die aus 1170 Schiffen bestanden habe16 Das Kom-mando uumlber diese Flotte habe er an Areobindus und Germanusuumlbergeben Da Geiserich vor dieser Flotte Furcht gehabt habehabe er versucht mit Theodosius II uumlber einen Frieden zu ver-handeln So habe die roumlmische Flotte auf die Entscheidung des Kaisers gewartet ohne irgendwelche Handlungen gegen die Van-dalen zu unternehmen Letztendlich (im Jahr 442) sei der Kaisergezwungen worden mit Geiserich Frieden zu schlieszligen Dabei ist mit ν)γκη d h der Notwendigkeit die den Kaiser zu einemVerzicht auf den Angriff gegen die Vandalen zwang die aggressivePolitik des Hunnenkoumlnigs Attila gemeint

Einige Parallelen bietet hier Theophanes (Theoph AM 5941und 5942)17 wobei er den Feldzug nicht richtig datiert18 Die Ursa-

189Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

Θεοδσιον Κα ς τν παροιν0αν μ ampνεγκν στλον ητρπιζεν ξιμαχονβδομ2κοντα κα κατν κα χιλ0αις ναυσ συμπληρομενον 3ξηγεσθαι δ5 τοτουampπταττεν 6ρεβινδον τε κα Γερμανν το7ς ρ0στους τν στρατηγν 8ν δ κα ampνΣικελ0 γενομνων δε0σας Γιζριχος περ σπονδν Θεοδοσ0 λγους ltπεμπε Τοgtδ5 στλου ampκε παραπλοντος ως ο A βασιλε7ς τ ποιητον κελεσειεν BλληςampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο Θεοδσιος Dπ0σω δrsquo ναστρφειντν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ (Nic HE 1457)

15) Theoph AM 5931 folgt hingegen dem Bericht des Prokopios16) Dies ist auch deswegen interessant weil die byzantinische Historiogra-

phie auch im Fall des Basiliskos-Feldzugs 468 konkrete Zahlenangaben macht Al-ler Wahrscheinlichkeit nach gehen diese Informationen auf eine Urquelle (Priskos)zuruumlck die an solchen Angaben Interesse hatte

17) Theoph AM 5941 Γιζριχος ( ) γα καλσας αυτν γς τε καθαλ)σσης κα ν2σων πολλν τος ωμα0οις Fποτελν κατασχGν ampλπει τν Θε-οδσιον κα ποστλλει χιλ0ας ρ΄ Aλκ)δας μετ δυν)μεως ωμαϊκς 6ρεοβ0νδουκα 6νσ0λα κα Kνοβ0νδου κα 6ρινθου κα Γερμανοgt τν στρατηγν τατης οLντς δυν)μεως τM Σικελ0 προσορμισθε0σης καταπλαγες A Γιζριχος πρεσβεεταιΘεοδοσ0 περ σπονδν Theoph AM 5942 Τοgt δ5 στλου ( ) ampν Σικελ0 ampκδε-

che fuumlr diesen chronologischen Fehler ist houmlchstwahrscheinlich inseiner Vorlage zu suchen die einen nicht-chronographischen Cha-rakter gehabt haben muss19 Die Anfaumlnge beider Berichte weisengroszlige Aumlhnlichkeiten auf die sich einige Male auch auf die Wortwahlerstrecken Waumlhrend Nikephoros sehr allgemein uumlber GeiserichsHandlungen gegen das alte und neue Rom spricht berichtet Theo-phanes dass der Vandalenkoumlnig Laumlnder Meere und Inseln die denRoumlmern gehoumlrten unterworfen habe Theophanes sagt also an die-ser Stelle nichts von zwei roumlmischen Reichen Er gibt auch eine andere Zahl der Schiffe an (1100) als Nikephoros (1170) Auszligerdemnennt Theophanes mehrere roumlmische Befehlshaber (AreobindusAnsilas Inobindus Arintheus Germanus) waumlhrend Nikephorosnur den ersten und letzten erwaumlhnt Daraufhin spricht Theophanesaumlhnlich wie Nikephoros uumlber die Furcht Geiserichs dessen Ge-sandtschaft an Theodosius und dann in AM 5942 uumlber das Wartender roumlmischen Befehlshaber auf die Entscheidung des Kaisers An-schlieszligend berichtet Theophanes uumlber Attila und den Einfall derHunnen in Thrakien und stellt fest gerade wegen dieses Einfallshabe Theodosius Frieden mit den Vandalen geschlossen Dies wirdvon Nikephoros in nur leicht veraumlnderter Reihenfolge erzaumlhlt

Insgesamt ist es sehr plausibel dass Theophanes weiterhinQuelle fuumlr diese 1 Sektion von Nic HE 1457 ist Es gibt hier zwi-schen beiden Texten fast keine Unterschiede die gegen die Benut-zung des Theophanes durch Nikephoros sprechen koumlnnten Eineumgestellte Reihenfolge deutliche Kuumlrzungen und eine staumlrkereAkzentuierung gewisser Umstaumlnde bei Nikephoros koumlnnen ausdessen Arbeitsmethode resultieren Das aumlndert nichts an der Tat -sache dass Nikephoros sein Faktenmaterial relativ quellennah aus-gearbeitet hat Man muss aber auf einen wichtigen Unterschiedzwischen beiden Texten hinweisen Nikephoros gibt wie bereitsgesagt eine houmlhere Zahl der Schiffe (1170) als Theophanes (1100)an Meines Erachtens kommt hier eine Fehllesung seitens Nike-

190 Dar iusz Brodka

χομνου τν τν πρεσβευτν Γιζερ0χου Bφιξιν κα τν τοgt βασιλως κλευσιν ampντN μεταξ7 6ττ0λας ( ) κατατρχει τν ΘρOκην διP Qν μ)λιστα Θεοδσιος σπνδε-ται Γιζριχον κα ampπαν)γει τν στλον ampκ Σικελ0ας

18) Theophanes datiert den Feldzug auf AM 5941ndash5942 d h auf das Jahr449 waumlhrend er in die Jahre 441ndash442 gehoumlrt

19) Diesmal verwendet Theophanes nicht mehr Prokopios als seine Vorlagevgl dazu Mango Scott (wie Anm 9) 158 Anm 5 Zur Benutzung des Prokopiosdurch Theophanes vgl Mango Scott (wie Anm 9) XII ff

phoros nicht in Frage Eine Auslassung eines von einigen auf-einander folgenden Elementen durch Theophanes ist plausibler alseine Erweiterung dieser Zahl um ein zusaumltzliches Element durchNikephoros Theophanes sagt an dieser Stelle nichts davon dassdie Vandalen die Kriege gegen West- und Ostrom fuumlhrten obwohler in einer fruumlheren Passage die Eroberung Afrikas durch die Van-dalen und ihre Kaumlmpfe gegen Westrom darstellte (Theoph AM5931) Es liegt somit nahe dass Theophanes in diesem Fall nicht dieQuelle des Nikephoros ist Da aber beide Berichte miteinanderdurch eine groszlige Anzahl von Aumlhnlichkeiten verbunden sindkoumlnnte dies fuumlr eine gemeinsame Vorlage sprechen die vor allemTheophanes ziemlich genau wiedergibt

In Betracht zu ziehen ist aber noch eine andere Loumlsung Ni-kephoros koumlnnte den Text des Theophanes mit Hilfe eines anderenkorrigiert haben Diese Nebenquelle waumlre dann wohl mit der Vor-lage des Theophanes identisch Betrachtet man den Umgang desNikephoros mit seinen Quellen sind beide Hypothesen moumlglichGentz hat bereits gezeigt dass Nikephoros parallele Berichte ad-diert und gewissermaszligen zu einem Mosaik zusammenfuumlgt Erspringe von einer Vorlage zur anderen und uumlbernehme einen Ab-schnitt aus dem einen Schriftsteller den naumlchsten aus dem zweitenden uumlbernaumlchsten aus dem dritten Die uumlbernommenen Abschnit-te koumlnnten auch noch auseinander gerissen und sprachlich umge-staltet werden20

Unabhaumlngig davon welche der beiden Hypothesen richtig istdarf man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davonausgehen dass nicht nur Theophanes sondern auch eine andereQuelle in Nic HE 1457 benutzt wurde Diese gemeinsame Ur-quelle geht vermutlich ihrerseits auf Priskos von Panion zuruumlck daer sehr detailliert die Auseinandersetzungen der Roumlmer mit denVandalen und Hunnen dargestellt hat Zwar ist es theoretisch nichtauszuschlieszligen dass Theophanes hier direkt auf Priskos zuruumlck-geht21 im Fall des Nikephoros kommt aber eine direkte Abhaumln-gigkeit von Priskos nicht in Frage22 Auszugehen ist also eher von

191Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

20) Gentz Aland (wie Anm 12) 138 Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 9 ff21) Die Materialien koumlnnten allerdings bereits von Georgios Synkellos vor-

bereitet sein dessen Werk Theophanes fortsetzt22) Es gibt so viele Aumlhnlichkeiten zwischen Theophanes und Nikephoros

dass Nikephoros entweder von Theophanes oder von dessen direkter Vorlage ab-haumlngen muss Dass Nikephoros und Theophanes beide direkt auf Priskos zuruumlck-

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

192 Dar iusz Brodka

griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 2: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

den Historikern die das Werk des Priskos besonders intensiv benutzten und umfangreich exzerpierten war Eustathios von Epi-phaneia wovon die bekannte Aussage des Kirchenhistorikers Eu -agrios zeugt dass Eustathios fruumlhere Geschichtswerke darunterdas Werk des Priskos in zwei Baumlnden vorzuumlglich zusammengefassthabe (Evagr HE 524)2 So faumlllt die Suche nach der Priskos-Tradi-tion haumlufig mit der Suche nach der Eustathios-Tradition (fuumlr das5 Jahrhundert) zusammen Auch das Geschichtswerk des Eusta -thios ist vollstaumlndig verloren gegangen und die unter seinem Namenin FHG IV 134ndash142 stehenden Fragmente stammen entweder ausEuagrios (fr 1ndash6) oder aus Malalas (fr 7)3 Deswegen muss man fuumlreine Rekonstruktion seiner historischen Darstellung auf diejenigenTexte zuruumlckgreifen die sein Werk als Vorlage haumltten verwendenkoumlnnen Zu beruumlcksichtigen ist insbesondere ein spaumltes Monumentder byzantinischen Historiographie naumlmlich die um 1320 geschrie-bene Kirchengeschichte des Nikephoros Kallistos4 Es geht hier allerdings nicht um eine Untersuchung der Quellen der gesamtenKirchengeschichte des Nikephoros5 Vielmehr moumlchte ich eine ein-gehende Analyse eines einzelnen Kapitels durchfuumlhren das zumin-dest theoretisch gewisse Aspekte der Priskos-Tradition enthaltenkann Gemeint ist Nic HE 1457 wo sich Nikephoros auf Eusta -thios als seine Quelle namentlich beruft6 Dabei versuche ich auch

186 Dar iusz Brodka

2) Zu Eustathios vgl C Benjamin Eustathius RE VI 1909 1450ndash1451J R Martindale The Prosopography of the Later Roman Empire Bd II Cam-bridge 1980 435ndash436 P Allen An Early Epitomator of Josephus Eustathius ofEpiphaneia BZ 81 1988 1ndash11 D Brodka Eustathios von Epiphaneia und das Endedes Westroumlmischen Reiches JOumlB 56 2006 59ndash78 Wenig uumlberzeugend sind hinge-gen die Ausfuumlhrungen von W Treadgold (The Byzantine World Histories of JohnMalalas and Eustathius of Epiphania IHR 29 2007 709ndash745 und The Early By-zantine Historians New York 2007 114ndash120 251ndash255 311ndash327 vgl dazu meineRezension in H-Soz-u-Kult 20 08 2007 httphsozkultgeschichtehu-berlinderezensionen2007-3-130 = Historische Literatur 20073 57ndash61)

3) Ein neues Fragment ediert Allen (wie Anm 2)4) J-P Migne (Hrsg) Nicephori Callisti Xanthopuli Ecclesiasticae Histo-

riae Libri XVIII PG 145ndash147 Turnhout 18655) Grundlegend dazu G Gentz F Winkelmann Die Kirchengeschichte des

Nicephorus Callistus Xanthopulus und ihre Quellen Berlin 19666) Das Werk des Eustathios wird von Winkelmann nicht als moumlgliche Quelle

der Kirchengeschichte des Nikephoros beruumlcksichtigt Fuumlr das Kapitel Nic HE 1457nimmt er jedoch Theophanes Malalas und Euagrios als Quellen an (Gentz Winkel-mann [wie Anm 5] 142 f) ohne aber die parallelen Stellen zu analysieren Das Werkdes Eustathios existierte mindestens noch im 13 Jahrhundert siehe dazu P Maas EineHandschrift der Weltgeschichte des Eustathios von Epiphaneia BZ 38 1938 350

zu erklaumlren wie gewisse Fehler die offensichtlich die Priskos-Tra-dition entstellen in der Uumlberlieferung entstehen konnten

In der relevanten Passage berichtet Nikephoros vom Feldzugdes Theodosius II gegen die Vandalen vom Abbruch dieses Feld-zuges wegen des Hunnenkrieges von Attila von den Einfaumlllen derHunnen in das roumlmische Reich vom Sieg des Aetius von AttilasTod vom Krieg gegen Persien und bietet zum Schluss eine allge-meine Uumlbersicht uumlber die Dichter und Bauten in der Regierungs-zeit des Theodosius Die quellenkritische Analyse dieses Ab-schnitts soll die Frage beantworten ob dieser Text wirklich als einTextzeuge des Eustathios betrachtet werden kann und ob er uumlberdie Informationen die die parallelen Berichte fruumlherer Autoren wieMalalas7 Chronicon Paschale8 Theophanes9 Euagrios10 bieten

187Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

7) Text I Thurn (Hrsg) Ioannis Malalae Chronographia Berlin NewYork 2000 kommentierte Uumlbersetzungen The Chronicle of John Malalas A Trans-lation by E Jeffreys M Jeffreys R Scott Melbourne 1986 Johannes Malalas Welt-chronik Uumlbersetzt von J Thurn und M Meier Stuttgart 2009 Zu Malalas vgl insbesondere E Jeffreys B Croke R Scott (Hrsg) Studies in John Malalas Syd-ney 1990 E Jeffreys The Beginnig of Byzantine Chronography John Malalas inMarasco (wie Anm 1) 497ndash527 J Beaucamp (Hrsg) Recherches sur la Chroniquede Jean Malalas IndashII Paris 20042006

8) Text L Dindorf (Hrsg) Chronicon Paschale ad Exemplar VaticanumBonn 1832 Zum Chronicon Paschale vgl M Whitby Ma Whitby Chronicon Paschale 284ndash629 AD Liverpool 1989 J Howard-Johnston Witnesses to a WorldCrisis Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century Oxford2010 37ndash59

9) Text C de Boor (Hrsg) Theophanis Chronographia IndashII Leipzig 18831885 Zu Theophanes vgl insbesondere C Mango R Scott The Chronicle of Theophanes Confessor Byzantine and Near East History AD 284ndash813 Oxford 1997(kommentierte Uumlbersetzung vgl dazu auch die Rezension von W Brandes BZ 911998 549ndash561) Vgl auch W Brandes Pejorative Phantomnamen im 8 JahrhundertEin Beitrag zur Quellenkritik des Theophanes und deren Konsequenzen fuumlr die his-torische Forschung in H Hoffmann (Hrsg) Zwischen Polis Provinz und Periphe-rie Beitraumlge zur byzantinischen Geschichte und Kultur Wiesbaden 2005 93ndash125W Brandes Der fruumlhe Islam in der byzantinischen Historiographie Anmerkungenzur Quellenproblematik der Chronographia des Theophanes in Goltz Leppin Schlange-Schoumlningen (wie Anm 1) 313ndash343

10) Text J Bidez L Parmentier (Hrsg) The Ecclesiastical History of Ev -agrius with the Scholia London 1898 kommentierte Uumlbersetzung Evagrius Scho-lasticus Historia Ecclesiastica Kirchengeschichte Uumlbersetzt und eingeleitet vonA Huumlbner Turnhout 2007 Zu Euagrios vgl G F Chesnut The First Christian His-tories Eusebius Socrates Sozomen Theodoret and Evagrius Paris 1977 P AllenEvagrius Scholasticus The Church Historian Louvain 1981

hinausgeht11 Lieszlige sich diese Frage positiv beantworten koumlnnteeine naumlhere Untersuchung dieses Kapitels der Kirchengeschichtedes Nikephoros und paralleler Berichte Einsichten eroumlffnen diezum einen gewisse Aspekte des Werkes des Priskos zum anderendie Art und Weise wie die byzantinischen Historiker ihre Quellenbenutzten erhellen

In der modernen Forschung wurde allerdings bereits die Fra-ge gestellt ob die Passagen der verlorenen Texte die Nikephorosnur punktuell als Vorlage benutzte fuumlr uns greifbar waumlren Im Fallder verlorenen Kirchenhistoriker wurde diese Frage negativ beant-wortet12 Weil aber das Problem der Benutzung fruumlherer Chroni-ken durch Nikephoros nach wie vor nicht voumlllig geloumlst ist scheinteine weitere Untersuchung des Themas angebracht zu sein13

Das gesamte Kapitel Nic HE 1457 kann in vier Teile geglie-dert werden 1) der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen 2) At-tila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- und westroumlmischeReich 3) der Krieg gegen Persien 4) Dichter und Bauwerke in derZeit des Theodosius Dieser Einteilung gemaumlszlig soll die folgendeUntersuchung durchgefuumlhrt werden

II Der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen (Nic HE 1457 Theoph AM 5941ndash5942)

Die 1 Sektion konzentriert sich auf die ostroumlmische Offensi-ve gegen Geiserich14 Im vorangehenden Kapitel d h in Nic HE1456 stellte Nikephoros die Eroberung Afrikas durch die Van -dalen dar wobei er Theophanes (Theoph AM 5931) als seine Vor-

188 Dar iusz Brodka

11) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111 und Whitby Whitby(wie Anm 8) 78 Anm 260 nehmen an dass Nikephoros hier Eustathios als seineVorlage verwendete Von Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 142 f werden hier nurTheophanes Malalas und Euagrios als Quellen genannt

12) G Gentz K Aland Die Quellen der Kirchengeschichte des Nicepho-rus und die Bedeutung fuumlr die Konstituierung des Textes der aumllteren Kirchenhisto-riker ZNTW 42 1949 139 ff Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 193

13) Mit Recht wurde bereits von Gentz Aland (wie Anm 12) 119 undGentz Winkelmann (wie Anm 5) 189 festgestellt dass die Frage der Benutzungder Chronisten durch Nikephoros nicht voumlllig zu loumlsen sei Es sei nur klar dass erdie Chronik des Theophanes sehr intensiv benutzt habe

14) Γιζριχος ( ) γα πρτος αυτν νεπε κα ο μην μνον τν πρεσβυτραν λλ κα ατν ampλπει τν νεωτραν κα τν τατης κατ)ρχοντα

lage verwendete15 Aumlhnlich wie Theophanes beendet er seinen Be-richt mit der Niederlage des Bonifatius und des Aspar und mit derzusammenfassenden Feststellung dass die Vandalen Afrika eroberthaben (Nic HE 1456) Das Kapitel HE 1457 beginnt Nikephorosmit der Notiz dass sich Geiserich rex genannt habe Dann schil-dert er die weiteren Handlungen des Vandalenkoumlnigs Sie werdengrundsaumltzlich aus der ostroumlmischen Perspektive betrachtet weilsich Nikephoros hier vor allem fuumlr die ostroumlmisch-vandalischenBeziehungen und die Politik des Theodosius interessiert Darauf-hin berichtet er uumlber den Feldzug des Theodosius gegen die Van-dalen (im Jahr 441) Der Kaiser habe gegen Geiserich eine riesigeFlotte geschickt die aus 1170 Schiffen bestanden habe16 Das Kom-mando uumlber diese Flotte habe er an Areobindus und Germanusuumlbergeben Da Geiserich vor dieser Flotte Furcht gehabt habehabe er versucht mit Theodosius II uumlber einen Frieden zu ver-handeln So habe die roumlmische Flotte auf die Entscheidung des Kaisers gewartet ohne irgendwelche Handlungen gegen die Van-dalen zu unternehmen Letztendlich (im Jahr 442) sei der Kaisergezwungen worden mit Geiserich Frieden zu schlieszligen Dabei ist mit ν)γκη d h der Notwendigkeit die den Kaiser zu einemVerzicht auf den Angriff gegen die Vandalen zwang die aggressivePolitik des Hunnenkoumlnigs Attila gemeint

Einige Parallelen bietet hier Theophanes (Theoph AM 5941und 5942)17 wobei er den Feldzug nicht richtig datiert18 Die Ursa-

189Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

Θεοδσιον Κα ς τν παροιν0αν μ ampνεγκν στλον ητρπιζεν ξιμαχονβδομ2κοντα κα κατν κα χιλ0αις ναυσ συμπληρομενον 3ξηγεσθαι δ5 τοτουampπταττεν 6ρεβινδον τε κα Γερμανν το7ς ρ0στους τν στρατηγν 8ν δ κα ampνΣικελ0 γενομνων δε0σας Γιζριχος περ σπονδν Θεοδοσ0 λγους ltπεμπε Τοgtδ5 στλου ampκε παραπλοντος ως ο A βασιλε7ς τ ποιητον κελεσειεν BλληςampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο Θεοδσιος Dπ0σω δrsquo ναστρφειντν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ (Nic HE 1457)

15) Theoph AM 5931 folgt hingegen dem Bericht des Prokopios16) Dies ist auch deswegen interessant weil die byzantinische Historiogra-

phie auch im Fall des Basiliskos-Feldzugs 468 konkrete Zahlenangaben macht Al-ler Wahrscheinlichkeit nach gehen diese Informationen auf eine Urquelle (Priskos)zuruumlck die an solchen Angaben Interesse hatte

17) Theoph AM 5941 Γιζριχος ( ) γα καλσας αυτν γς τε καθαλ)σσης κα ν2σων πολλν τος ωμα0οις Fποτελν κατασχGν ampλπει τν Θε-οδσιον κα ποστλλει χιλ0ας ρ΄ Aλκ)δας μετ δυν)μεως ωμαϊκς 6ρεοβ0νδουκα 6νσ0λα κα Kνοβ0νδου κα 6ρινθου κα Γερμανοgt τν στρατηγν τατης οLντς δυν)μεως τM Σικελ0 προσορμισθε0σης καταπλαγες A Γιζριχος πρεσβεεταιΘεοδοσ0 περ σπονδν Theoph AM 5942 Τοgt δ5 στλου ( ) ampν Σικελ0 ampκδε-

che fuumlr diesen chronologischen Fehler ist houmlchstwahrscheinlich inseiner Vorlage zu suchen die einen nicht-chronographischen Cha-rakter gehabt haben muss19 Die Anfaumlnge beider Berichte weisengroszlige Aumlhnlichkeiten auf die sich einige Male auch auf die Wortwahlerstrecken Waumlhrend Nikephoros sehr allgemein uumlber GeiserichsHandlungen gegen das alte und neue Rom spricht berichtet Theo-phanes dass der Vandalenkoumlnig Laumlnder Meere und Inseln die denRoumlmern gehoumlrten unterworfen habe Theophanes sagt also an die-ser Stelle nichts von zwei roumlmischen Reichen Er gibt auch eine andere Zahl der Schiffe an (1100) als Nikephoros (1170) Auszligerdemnennt Theophanes mehrere roumlmische Befehlshaber (AreobindusAnsilas Inobindus Arintheus Germanus) waumlhrend Nikephorosnur den ersten und letzten erwaumlhnt Daraufhin spricht Theophanesaumlhnlich wie Nikephoros uumlber die Furcht Geiserichs dessen Ge-sandtschaft an Theodosius und dann in AM 5942 uumlber das Wartender roumlmischen Befehlshaber auf die Entscheidung des Kaisers An-schlieszligend berichtet Theophanes uumlber Attila und den Einfall derHunnen in Thrakien und stellt fest gerade wegen dieses Einfallshabe Theodosius Frieden mit den Vandalen geschlossen Dies wirdvon Nikephoros in nur leicht veraumlnderter Reihenfolge erzaumlhlt

Insgesamt ist es sehr plausibel dass Theophanes weiterhinQuelle fuumlr diese 1 Sektion von Nic HE 1457 ist Es gibt hier zwi-schen beiden Texten fast keine Unterschiede die gegen die Benut-zung des Theophanes durch Nikephoros sprechen koumlnnten Eineumgestellte Reihenfolge deutliche Kuumlrzungen und eine staumlrkereAkzentuierung gewisser Umstaumlnde bei Nikephoros koumlnnen ausdessen Arbeitsmethode resultieren Das aumlndert nichts an der Tat -sache dass Nikephoros sein Faktenmaterial relativ quellennah aus-gearbeitet hat Man muss aber auf einen wichtigen Unterschiedzwischen beiden Texten hinweisen Nikephoros gibt wie bereitsgesagt eine houmlhere Zahl der Schiffe (1170) als Theophanes (1100)an Meines Erachtens kommt hier eine Fehllesung seitens Nike-

190 Dar iusz Brodka

χομνου τν τν πρεσβευτν Γιζερ0χου Bφιξιν κα τν τοgt βασιλως κλευσιν ampντN μεταξ7 6ττ0λας ( ) κατατρχει τν ΘρOκην διP Qν μ)λιστα Θεοδσιος σπνδε-ται Γιζριχον κα ampπαν)γει τν στλον ampκ Σικελ0ας

18) Theophanes datiert den Feldzug auf AM 5941ndash5942 d h auf das Jahr449 waumlhrend er in die Jahre 441ndash442 gehoumlrt

19) Diesmal verwendet Theophanes nicht mehr Prokopios als seine Vorlagevgl dazu Mango Scott (wie Anm 9) 158 Anm 5 Zur Benutzung des Prokopiosdurch Theophanes vgl Mango Scott (wie Anm 9) XII ff

phoros nicht in Frage Eine Auslassung eines von einigen auf-einander folgenden Elementen durch Theophanes ist plausibler alseine Erweiterung dieser Zahl um ein zusaumltzliches Element durchNikephoros Theophanes sagt an dieser Stelle nichts davon dassdie Vandalen die Kriege gegen West- und Ostrom fuumlhrten obwohler in einer fruumlheren Passage die Eroberung Afrikas durch die Van-dalen und ihre Kaumlmpfe gegen Westrom darstellte (Theoph AM5931) Es liegt somit nahe dass Theophanes in diesem Fall nicht dieQuelle des Nikephoros ist Da aber beide Berichte miteinanderdurch eine groszlige Anzahl von Aumlhnlichkeiten verbunden sindkoumlnnte dies fuumlr eine gemeinsame Vorlage sprechen die vor allemTheophanes ziemlich genau wiedergibt

In Betracht zu ziehen ist aber noch eine andere Loumlsung Ni-kephoros koumlnnte den Text des Theophanes mit Hilfe eines anderenkorrigiert haben Diese Nebenquelle waumlre dann wohl mit der Vor-lage des Theophanes identisch Betrachtet man den Umgang desNikephoros mit seinen Quellen sind beide Hypothesen moumlglichGentz hat bereits gezeigt dass Nikephoros parallele Berichte ad-diert und gewissermaszligen zu einem Mosaik zusammenfuumlgt Erspringe von einer Vorlage zur anderen und uumlbernehme einen Ab-schnitt aus dem einen Schriftsteller den naumlchsten aus dem zweitenden uumlbernaumlchsten aus dem dritten Die uumlbernommenen Abschnit-te koumlnnten auch noch auseinander gerissen und sprachlich umge-staltet werden20

Unabhaumlngig davon welche der beiden Hypothesen richtig istdarf man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davonausgehen dass nicht nur Theophanes sondern auch eine andereQuelle in Nic HE 1457 benutzt wurde Diese gemeinsame Ur-quelle geht vermutlich ihrerseits auf Priskos von Panion zuruumlck daer sehr detailliert die Auseinandersetzungen der Roumlmer mit denVandalen und Hunnen dargestellt hat Zwar ist es theoretisch nichtauszuschlieszligen dass Theophanes hier direkt auf Priskos zuruumlck-geht21 im Fall des Nikephoros kommt aber eine direkte Abhaumln-gigkeit von Priskos nicht in Frage22 Auszugehen ist also eher von

191Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

20) Gentz Aland (wie Anm 12) 138 Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 9 ff21) Die Materialien koumlnnten allerdings bereits von Georgios Synkellos vor-

bereitet sein dessen Werk Theophanes fortsetzt22) Es gibt so viele Aumlhnlichkeiten zwischen Theophanes und Nikephoros

dass Nikephoros entweder von Theophanes oder von dessen direkter Vorlage ab-haumlngen muss Dass Nikephoros und Theophanes beide direkt auf Priskos zuruumlck-

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

192 Dar iusz Brodka

griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 3: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

zu erklaumlren wie gewisse Fehler die offensichtlich die Priskos-Tra-dition entstellen in der Uumlberlieferung entstehen konnten

In der relevanten Passage berichtet Nikephoros vom Feldzugdes Theodosius II gegen die Vandalen vom Abbruch dieses Feld-zuges wegen des Hunnenkrieges von Attila von den Einfaumlllen derHunnen in das roumlmische Reich vom Sieg des Aetius von AttilasTod vom Krieg gegen Persien und bietet zum Schluss eine allge-meine Uumlbersicht uumlber die Dichter und Bauten in der Regierungs-zeit des Theodosius Die quellenkritische Analyse dieses Ab-schnitts soll die Frage beantworten ob dieser Text wirklich als einTextzeuge des Eustathios betrachtet werden kann und ob er uumlberdie Informationen die die parallelen Berichte fruumlherer Autoren wieMalalas7 Chronicon Paschale8 Theophanes9 Euagrios10 bieten

187Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

7) Text I Thurn (Hrsg) Ioannis Malalae Chronographia Berlin NewYork 2000 kommentierte Uumlbersetzungen The Chronicle of John Malalas A Trans-lation by E Jeffreys M Jeffreys R Scott Melbourne 1986 Johannes Malalas Welt-chronik Uumlbersetzt von J Thurn und M Meier Stuttgart 2009 Zu Malalas vgl insbesondere E Jeffreys B Croke R Scott (Hrsg) Studies in John Malalas Syd-ney 1990 E Jeffreys The Beginnig of Byzantine Chronography John Malalas inMarasco (wie Anm 1) 497ndash527 J Beaucamp (Hrsg) Recherches sur la Chroniquede Jean Malalas IndashII Paris 20042006

8) Text L Dindorf (Hrsg) Chronicon Paschale ad Exemplar VaticanumBonn 1832 Zum Chronicon Paschale vgl M Whitby Ma Whitby Chronicon Paschale 284ndash629 AD Liverpool 1989 J Howard-Johnston Witnesses to a WorldCrisis Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century Oxford2010 37ndash59

9) Text C de Boor (Hrsg) Theophanis Chronographia IndashII Leipzig 18831885 Zu Theophanes vgl insbesondere C Mango R Scott The Chronicle of Theophanes Confessor Byzantine and Near East History AD 284ndash813 Oxford 1997(kommentierte Uumlbersetzung vgl dazu auch die Rezension von W Brandes BZ 911998 549ndash561) Vgl auch W Brandes Pejorative Phantomnamen im 8 JahrhundertEin Beitrag zur Quellenkritik des Theophanes und deren Konsequenzen fuumlr die his-torische Forschung in H Hoffmann (Hrsg) Zwischen Polis Provinz und Periphe-rie Beitraumlge zur byzantinischen Geschichte und Kultur Wiesbaden 2005 93ndash125W Brandes Der fruumlhe Islam in der byzantinischen Historiographie Anmerkungenzur Quellenproblematik der Chronographia des Theophanes in Goltz Leppin Schlange-Schoumlningen (wie Anm 1) 313ndash343

10) Text J Bidez L Parmentier (Hrsg) The Ecclesiastical History of Ev -agrius with the Scholia London 1898 kommentierte Uumlbersetzung Evagrius Scho-lasticus Historia Ecclesiastica Kirchengeschichte Uumlbersetzt und eingeleitet vonA Huumlbner Turnhout 2007 Zu Euagrios vgl G F Chesnut The First Christian His-tories Eusebius Socrates Sozomen Theodoret and Evagrius Paris 1977 P AllenEvagrius Scholasticus The Church Historian Louvain 1981

hinausgeht11 Lieszlige sich diese Frage positiv beantworten koumlnnteeine naumlhere Untersuchung dieses Kapitels der Kirchengeschichtedes Nikephoros und paralleler Berichte Einsichten eroumlffnen diezum einen gewisse Aspekte des Werkes des Priskos zum anderendie Art und Weise wie die byzantinischen Historiker ihre Quellenbenutzten erhellen

In der modernen Forschung wurde allerdings bereits die Fra-ge gestellt ob die Passagen der verlorenen Texte die Nikephorosnur punktuell als Vorlage benutzte fuumlr uns greifbar waumlren Im Fallder verlorenen Kirchenhistoriker wurde diese Frage negativ beant-wortet12 Weil aber das Problem der Benutzung fruumlherer Chroni-ken durch Nikephoros nach wie vor nicht voumlllig geloumlst ist scheinteine weitere Untersuchung des Themas angebracht zu sein13

Das gesamte Kapitel Nic HE 1457 kann in vier Teile geglie-dert werden 1) der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen 2) At-tila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- und westroumlmischeReich 3) der Krieg gegen Persien 4) Dichter und Bauwerke in derZeit des Theodosius Dieser Einteilung gemaumlszlig soll die folgendeUntersuchung durchgefuumlhrt werden

II Der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen (Nic HE 1457 Theoph AM 5941ndash5942)

Die 1 Sektion konzentriert sich auf die ostroumlmische Offensi-ve gegen Geiserich14 Im vorangehenden Kapitel d h in Nic HE1456 stellte Nikephoros die Eroberung Afrikas durch die Van -dalen dar wobei er Theophanes (Theoph AM 5931) als seine Vor-

188 Dar iusz Brodka

11) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111 und Whitby Whitby(wie Anm 8) 78 Anm 260 nehmen an dass Nikephoros hier Eustathios als seineVorlage verwendete Von Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 142 f werden hier nurTheophanes Malalas und Euagrios als Quellen genannt

12) G Gentz K Aland Die Quellen der Kirchengeschichte des Nicepho-rus und die Bedeutung fuumlr die Konstituierung des Textes der aumllteren Kirchenhisto-riker ZNTW 42 1949 139 ff Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 193

13) Mit Recht wurde bereits von Gentz Aland (wie Anm 12) 119 undGentz Winkelmann (wie Anm 5) 189 festgestellt dass die Frage der Benutzungder Chronisten durch Nikephoros nicht voumlllig zu loumlsen sei Es sei nur klar dass erdie Chronik des Theophanes sehr intensiv benutzt habe

14) Γιζριχος ( ) γα πρτος αυτν νεπε κα ο μην μνον τν πρεσβυτραν λλ κα ατν ampλπει τν νεωτραν κα τν τατης κατ)ρχοντα

lage verwendete15 Aumlhnlich wie Theophanes beendet er seinen Be-richt mit der Niederlage des Bonifatius und des Aspar und mit derzusammenfassenden Feststellung dass die Vandalen Afrika eroberthaben (Nic HE 1456) Das Kapitel HE 1457 beginnt Nikephorosmit der Notiz dass sich Geiserich rex genannt habe Dann schil-dert er die weiteren Handlungen des Vandalenkoumlnigs Sie werdengrundsaumltzlich aus der ostroumlmischen Perspektive betrachtet weilsich Nikephoros hier vor allem fuumlr die ostroumlmisch-vandalischenBeziehungen und die Politik des Theodosius interessiert Darauf-hin berichtet er uumlber den Feldzug des Theodosius gegen die Van-dalen (im Jahr 441) Der Kaiser habe gegen Geiserich eine riesigeFlotte geschickt die aus 1170 Schiffen bestanden habe16 Das Kom-mando uumlber diese Flotte habe er an Areobindus und Germanusuumlbergeben Da Geiserich vor dieser Flotte Furcht gehabt habehabe er versucht mit Theodosius II uumlber einen Frieden zu ver-handeln So habe die roumlmische Flotte auf die Entscheidung des Kaisers gewartet ohne irgendwelche Handlungen gegen die Van-dalen zu unternehmen Letztendlich (im Jahr 442) sei der Kaisergezwungen worden mit Geiserich Frieden zu schlieszligen Dabei ist mit ν)γκη d h der Notwendigkeit die den Kaiser zu einemVerzicht auf den Angriff gegen die Vandalen zwang die aggressivePolitik des Hunnenkoumlnigs Attila gemeint

Einige Parallelen bietet hier Theophanes (Theoph AM 5941und 5942)17 wobei er den Feldzug nicht richtig datiert18 Die Ursa-

189Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

Θεοδσιον Κα ς τν παροιν0αν μ ampνεγκν στλον ητρπιζεν ξιμαχονβδομ2κοντα κα κατν κα χιλ0αις ναυσ συμπληρομενον 3ξηγεσθαι δ5 τοτουampπταττεν 6ρεβινδον τε κα Γερμανν το7ς ρ0στους τν στρατηγν 8ν δ κα ampνΣικελ0 γενομνων δε0σας Γιζριχος περ σπονδν Θεοδοσ0 λγους ltπεμπε Τοgtδ5 στλου ampκε παραπλοντος ως ο A βασιλε7ς τ ποιητον κελεσειεν BλληςampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο Θεοδσιος Dπ0σω δrsquo ναστρφειντν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ (Nic HE 1457)

15) Theoph AM 5931 folgt hingegen dem Bericht des Prokopios16) Dies ist auch deswegen interessant weil die byzantinische Historiogra-

phie auch im Fall des Basiliskos-Feldzugs 468 konkrete Zahlenangaben macht Al-ler Wahrscheinlichkeit nach gehen diese Informationen auf eine Urquelle (Priskos)zuruumlck die an solchen Angaben Interesse hatte

17) Theoph AM 5941 Γιζριχος ( ) γα καλσας αυτν γς τε καθαλ)σσης κα ν2σων πολλν τος ωμα0οις Fποτελν κατασχGν ampλπει τν Θε-οδσιον κα ποστλλει χιλ0ας ρ΄ Aλκ)δας μετ δυν)μεως ωμαϊκς 6ρεοβ0νδουκα 6νσ0λα κα Kνοβ0νδου κα 6ρινθου κα Γερμανοgt τν στρατηγν τατης οLντς δυν)μεως τM Σικελ0 προσορμισθε0σης καταπλαγες A Γιζριχος πρεσβεεταιΘεοδοσ0 περ σπονδν Theoph AM 5942 Τοgt δ5 στλου ( ) ampν Σικελ0 ampκδε-

che fuumlr diesen chronologischen Fehler ist houmlchstwahrscheinlich inseiner Vorlage zu suchen die einen nicht-chronographischen Cha-rakter gehabt haben muss19 Die Anfaumlnge beider Berichte weisengroszlige Aumlhnlichkeiten auf die sich einige Male auch auf die Wortwahlerstrecken Waumlhrend Nikephoros sehr allgemein uumlber GeiserichsHandlungen gegen das alte und neue Rom spricht berichtet Theo-phanes dass der Vandalenkoumlnig Laumlnder Meere und Inseln die denRoumlmern gehoumlrten unterworfen habe Theophanes sagt also an die-ser Stelle nichts von zwei roumlmischen Reichen Er gibt auch eine andere Zahl der Schiffe an (1100) als Nikephoros (1170) Auszligerdemnennt Theophanes mehrere roumlmische Befehlshaber (AreobindusAnsilas Inobindus Arintheus Germanus) waumlhrend Nikephorosnur den ersten und letzten erwaumlhnt Daraufhin spricht Theophanesaumlhnlich wie Nikephoros uumlber die Furcht Geiserichs dessen Ge-sandtschaft an Theodosius und dann in AM 5942 uumlber das Wartender roumlmischen Befehlshaber auf die Entscheidung des Kaisers An-schlieszligend berichtet Theophanes uumlber Attila und den Einfall derHunnen in Thrakien und stellt fest gerade wegen dieses Einfallshabe Theodosius Frieden mit den Vandalen geschlossen Dies wirdvon Nikephoros in nur leicht veraumlnderter Reihenfolge erzaumlhlt

Insgesamt ist es sehr plausibel dass Theophanes weiterhinQuelle fuumlr diese 1 Sektion von Nic HE 1457 ist Es gibt hier zwi-schen beiden Texten fast keine Unterschiede die gegen die Benut-zung des Theophanes durch Nikephoros sprechen koumlnnten Eineumgestellte Reihenfolge deutliche Kuumlrzungen und eine staumlrkereAkzentuierung gewisser Umstaumlnde bei Nikephoros koumlnnen ausdessen Arbeitsmethode resultieren Das aumlndert nichts an der Tat -sache dass Nikephoros sein Faktenmaterial relativ quellennah aus-gearbeitet hat Man muss aber auf einen wichtigen Unterschiedzwischen beiden Texten hinweisen Nikephoros gibt wie bereitsgesagt eine houmlhere Zahl der Schiffe (1170) als Theophanes (1100)an Meines Erachtens kommt hier eine Fehllesung seitens Nike-

190 Dar iusz Brodka

χομνου τν τν πρεσβευτν Γιζερ0χου Bφιξιν κα τν τοgt βασιλως κλευσιν ampντN μεταξ7 6ττ0λας ( ) κατατρχει τν ΘρOκην διP Qν μ)λιστα Θεοδσιος σπνδε-ται Γιζριχον κα ampπαν)γει τν στλον ampκ Σικελ0ας

18) Theophanes datiert den Feldzug auf AM 5941ndash5942 d h auf das Jahr449 waumlhrend er in die Jahre 441ndash442 gehoumlrt

19) Diesmal verwendet Theophanes nicht mehr Prokopios als seine Vorlagevgl dazu Mango Scott (wie Anm 9) 158 Anm 5 Zur Benutzung des Prokopiosdurch Theophanes vgl Mango Scott (wie Anm 9) XII ff

phoros nicht in Frage Eine Auslassung eines von einigen auf-einander folgenden Elementen durch Theophanes ist plausibler alseine Erweiterung dieser Zahl um ein zusaumltzliches Element durchNikephoros Theophanes sagt an dieser Stelle nichts davon dassdie Vandalen die Kriege gegen West- und Ostrom fuumlhrten obwohler in einer fruumlheren Passage die Eroberung Afrikas durch die Van-dalen und ihre Kaumlmpfe gegen Westrom darstellte (Theoph AM5931) Es liegt somit nahe dass Theophanes in diesem Fall nicht dieQuelle des Nikephoros ist Da aber beide Berichte miteinanderdurch eine groszlige Anzahl von Aumlhnlichkeiten verbunden sindkoumlnnte dies fuumlr eine gemeinsame Vorlage sprechen die vor allemTheophanes ziemlich genau wiedergibt

In Betracht zu ziehen ist aber noch eine andere Loumlsung Ni-kephoros koumlnnte den Text des Theophanes mit Hilfe eines anderenkorrigiert haben Diese Nebenquelle waumlre dann wohl mit der Vor-lage des Theophanes identisch Betrachtet man den Umgang desNikephoros mit seinen Quellen sind beide Hypothesen moumlglichGentz hat bereits gezeigt dass Nikephoros parallele Berichte ad-diert und gewissermaszligen zu einem Mosaik zusammenfuumlgt Erspringe von einer Vorlage zur anderen und uumlbernehme einen Ab-schnitt aus dem einen Schriftsteller den naumlchsten aus dem zweitenden uumlbernaumlchsten aus dem dritten Die uumlbernommenen Abschnit-te koumlnnten auch noch auseinander gerissen und sprachlich umge-staltet werden20

Unabhaumlngig davon welche der beiden Hypothesen richtig istdarf man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davonausgehen dass nicht nur Theophanes sondern auch eine andereQuelle in Nic HE 1457 benutzt wurde Diese gemeinsame Ur-quelle geht vermutlich ihrerseits auf Priskos von Panion zuruumlck daer sehr detailliert die Auseinandersetzungen der Roumlmer mit denVandalen und Hunnen dargestellt hat Zwar ist es theoretisch nichtauszuschlieszligen dass Theophanes hier direkt auf Priskos zuruumlck-geht21 im Fall des Nikephoros kommt aber eine direkte Abhaumln-gigkeit von Priskos nicht in Frage22 Auszugehen ist also eher von

191Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

20) Gentz Aland (wie Anm 12) 138 Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 9 ff21) Die Materialien koumlnnten allerdings bereits von Georgios Synkellos vor-

bereitet sein dessen Werk Theophanes fortsetzt22) Es gibt so viele Aumlhnlichkeiten zwischen Theophanes und Nikephoros

dass Nikephoros entweder von Theophanes oder von dessen direkter Vorlage ab-haumlngen muss Dass Nikephoros und Theophanes beide direkt auf Priskos zuruumlck-

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

192 Dar iusz Brodka

griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 4: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

hinausgeht11 Lieszlige sich diese Frage positiv beantworten koumlnnteeine naumlhere Untersuchung dieses Kapitels der Kirchengeschichtedes Nikephoros und paralleler Berichte Einsichten eroumlffnen diezum einen gewisse Aspekte des Werkes des Priskos zum anderendie Art und Weise wie die byzantinischen Historiker ihre Quellenbenutzten erhellen

In der modernen Forschung wurde allerdings bereits die Fra-ge gestellt ob die Passagen der verlorenen Texte die Nikephorosnur punktuell als Vorlage benutzte fuumlr uns greifbar waumlren Im Fallder verlorenen Kirchenhistoriker wurde diese Frage negativ beant-wortet12 Weil aber das Problem der Benutzung fruumlherer Chroni-ken durch Nikephoros nach wie vor nicht voumlllig geloumlst ist scheinteine weitere Untersuchung des Themas angebracht zu sein13

Das gesamte Kapitel Nic HE 1457 kann in vier Teile geglie-dert werden 1) der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen 2) At-tila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- und westroumlmischeReich 3) der Krieg gegen Persien 4) Dichter und Bauwerke in derZeit des Theodosius Dieser Einteilung gemaumlszlig soll die folgendeUntersuchung durchgefuumlhrt werden

II Der ostroumlmische Feldzug gegen die Vandalen (Nic HE 1457 Theoph AM 5941ndash5942)

Die 1 Sektion konzentriert sich auf die ostroumlmische Offensi-ve gegen Geiserich14 Im vorangehenden Kapitel d h in Nic HE1456 stellte Nikephoros die Eroberung Afrikas durch die Van -dalen dar wobei er Theophanes (Theoph AM 5931) als seine Vor-

188 Dar iusz Brodka

11) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111 und Whitby Whitby(wie Anm 8) 78 Anm 260 nehmen an dass Nikephoros hier Eustathios als seineVorlage verwendete Von Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 142 f werden hier nurTheophanes Malalas und Euagrios als Quellen genannt

12) G Gentz K Aland Die Quellen der Kirchengeschichte des Nicepho-rus und die Bedeutung fuumlr die Konstituierung des Textes der aumllteren Kirchenhisto-riker ZNTW 42 1949 139 ff Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 193

13) Mit Recht wurde bereits von Gentz Aland (wie Anm 12) 119 undGentz Winkelmann (wie Anm 5) 189 festgestellt dass die Frage der Benutzungder Chronisten durch Nikephoros nicht voumlllig zu loumlsen sei Es sei nur klar dass erdie Chronik des Theophanes sehr intensiv benutzt habe

14) Γιζριχος ( ) γα πρτος αυτν νεπε κα ο μην μνον τν πρεσβυτραν λλ κα ατν ampλπει τν νεωτραν κα τν τατης κατ)ρχοντα

lage verwendete15 Aumlhnlich wie Theophanes beendet er seinen Be-richt mit der Niederlage des Bonifatius und des Aspar und mit derzusammenfassenden Feststellung dass die Vandalen Afrika eroberthaben (Nic HE 1456) Das Kapitel HE 1457 beginnt Nikephorosmit der Notiz dass sich Geiserich rex genannt habe Dann schil-dert er die weiteren Handlungen des Vandalenkoumlnigs Sie werdengrundsaumltzlich aus der ostroumlmischen Perspektive betrachtet weilsich Nikephoros hier vor allem fuumlr die ostroumlmisch-vandalischenBeziehungen und die Politik des Theodosius interessiert Darauf-hin berichtet er uumlber den Feldzug des Theodosius gegen die Van-dalen (im Jahr 441) Der Kaiser habe gegen Geiserich eine riesigeFlotte geschickt die aus 1170 Schiffen bestanden habe16 Das Kom-mando uumlber diese Flotte habe er an Areobindus und Germanusuumlbergeben Da Geiserich vor dieser Flotte Furcht gehabt habehabe er versucht mit Theodosius II uumlber einen Frieden zu ver-handeln So habe die roumlmische Flotte auf die Entscheidung des Kaisers gewartet ohne irgendwelche Handlungen gegen die Van-dalen zu unternehmen Letztendlich (im Jahr 442) sei der Kaisergezwungen worden mit Geiserich Frieden zu schlieszligen Dabei ist mit ν)γκη d h der Notwendigkeit die den Kaiser zu einemVerzicht auf den Angriff gegen die Vandalen zwang die aggressivePolitik des Hunnenkoumlnigs Attila gemeint

Einige Parallelen bietet hier Theophanes (Theoph AM 5941und 5942)17 wobei er den Feldzug nicht richtig datiert18 Die Ursa-

189Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

Θεοδσιον Κα ς τν παροιν0αν μ ampνεγκν στλον ητρπιζεν ξιμαχονβδομ2κοντα κα κατν κα χιλ0αις ναυσ συμπληρομενον 3ξηγεσθαι δ5 τοτουampπταττεν 6ρεβινδον τε κα Γερμανν το7ς ρ0στους τν στρατηγν 8ν δ κα ampνΣικελ0 γενομνων δε0σας Γιζριχος περ σπονδν Θεοδοσ0 λγους ltπεμπε Τοgtδ5 στλου ampκε παραπλοντος ως ο A βασιλε7ς τ ποιητον κελεσειεν BλληςampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο Θεοδσιος Dπ0σω δrsquo ναστρφειντν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ (Nic HE 1457)

15) Theoph AM 5931 folgt hingegen dem Bericht des Prokopios16) Dies ist auch deswegen interessant weil die byzantinische Historiogra-

phie auch im Fall des Basiliskos-Feldzugs 468 konkrete Zahlenangaben macht Al-ler Wahrscheinlichkeit nach gehen diese Informationen auf eine Urquelle (Priskos)zuruumlck die an solchen Angaben Interesse hatte

17) Theoph AM 5941 Γιζριχος ( ) γα καλσας αυτν γς τε καθαλ)σσης κα ν2σων πολλν τος ωμα0οις Fποτελν κατασχGν ampλπει τν Θε-οδσιον κα ποστλλει χιλ0ας ρ΄ Aλκ)δας μετ δυν)μεως ωμαϊκς 6ρεοβ0νδουκα 6νσ0λα κα Kνοβ0νδου κα 6ρινθου κα Γερμανοgt τν στρατηγν τατης οLντς δυν)μεως τM Σικελ0 προσορμισθε0σης καταπλαγες A Γιζριχος πρεσβεεταιΘεοδοσ0 περ σπονδν Theoph AM 5942 Τοgt δ5 στλου ( ) ampν Σικελ0 ampκδε-

che fuumlr diesen chronologischen Fehler ist houmlchstwahrscheinlich inseiner Vorlage zu suchen die einen nicht-chronographischen Cha-rakter gehabt haben muss19 Die Anfaumlnge beider Berichte weisengroszlige Aumlhnlichkeiten auf die sich einige Male auch auf die Wortwahlerstrecken Waumlhrend Nikephoros sehr allgemein uumlber GeiserichsHandlungen gegen das alte und neue Rom spricht berichtet Theo-phanes dass der Vandalenkoumlnig Laumlnder Meere und Inseln die denRoumlmern gehoumlrten unterworfen habe Theophanes sagt also an die-ser Stelle nichts von zwei roumlmischen Reichen Er gibt auch eine andere Zahl der Schiffe an (1100) als Nikephoros (1170) Auszligerdemnennt Theophanes mehrere roumlmische Befehlshaber (AreobindusAnsilas Inobindus Arintheus Germanus) waumlhrend Nikephorosnur den ersten und letzten erwaumlhnt Daraufhin spricht Theophanesaumlhnlich wie Nikephoros uumlber die Furcht Geiserichs dessen Ge-sandtschaft an Theodosius und dann in AM 5942 uumlber das Wartender roumlmischen Befehlshaber auf die Entscheidung des Kaisers An-schlieszligend berichtet Theophanes uumlber Attila und den Einfall derHunnen in Thrakien und stellt fest gerade wegen dieses Einfallshabe Theodosius Frieden mit den Vandalen geschlossen Dies wirdvon Nikephoros in nur leicht veraumlnderter Reihenfolge erzaumlhlt

Insgesamt ist es sehr plausibel dass Theophanes weiterhinQuelle fuumlr diese 1 Sektion von Nic HE 1457 ist Es gibt hier zwi-schen beiden Texten fast keine Unterschiede die gegen die Benut-zung des Theophanes durch Nikephoros sprechen koumlnnten Eineumgestellte Reihenfolge deutliche Kuumlrzungen und eine staumlrkereAkzentuierung gewisser Umstaumlnde bei Nikephoros koumlnnen ausdessen Arbeitsmethode resultieren Das aumlndert nichts an der Tat -sache dass Nikephoros sein Faktenmaterial relativ quellennah aus-gearbeitet hat Man muss aber auf einen wichtigen Unterschiedzwischen beiden Texten hinweisen Nikephoros gibt wie bereitsgesagt eine houmlhere Zahl der Schiffe (1170) als Theophanes (1100)an Meines Erachtens kommt hier eine Fehllesung seitens Nike-

190 Dar iusz Brodka

χομνου τν τν πρεσβευτν Γιζερ0χου Bφιξιν κα τν τοgt βασιλως κλευσιν ampντN μεταξ7 6ττ0λας ( ) κατατρχει τν ΘρOκην διP Qν μ)λιστα Θεοδσιος σπνδε-ται Γιζριχον κα ampπαν)γει τν στλον ampκ Σικελ0ας

18) Theophanes datiert den Feldzug auf AM 5941ndash5942 d h auf das Jahr449 waumlhrend er in die Jahre 441ndash442 gehoumlrt

19) Diesmal verwendet Theophanes nicht mehr Prokopios als seine Vorlagevgl dazu Mango Scott (wie Anm 9) 158 Anm 5 Zur Benutzung des Prokopiosdurch Theophanes vgl Mango Scott (wie Anm 9) XII ff

phoros nicht in Frage Eine Auslassung eines von einigen auf-einander folgenden Elementen durch Theophanes ist plausibler alseine Erweiterung dieser Zahl um ein zusaumltzliches Element durchNikephoros Theophanes sagt an dieser Stelle nichts davon dassdie Vandalen die Kriege gegen West- und Ostrom fuumlhrten obwohler in einer fruumlheren Passage die Eroberung Afrikas durch die Van-dalen und ihre Kaumlmpfe gegen Westrom darstellte (Theoph AM5931) Es liegt somit nahe dass Theophanes in diesem Fall nicht dieQuelle des Nikephoros ist Da aber beide Berichte miteinanderdurch eine groszlige Anzahl von Aumlhnlichkeiten verbunden sindkoumlnnte dies fuumlr eine gemeinsame Vorlage sprechen die vor allemTheophanes ziemlich genau wiedergibt

In Betracht zu ziehen ist aber noch eine andere Loumlsung Ni-kephoros koumlnnte den Text des Theophanes mit Hilfe eines anderenkorrigiert haben Diese Nebenquelle waumlre dann wohl mit der Vor-lage des Theophanes identisch Betrachtet man den Umgang desNikephoros mit seinen Quellen sind beide Hypothesen moumlglichGentz hat bereits gezeigt dass Nikephoros parallele Berichte ad-diert und gewissermaszligen zu einem Mosaik zusammenfuumlgt Erspringe von einer Vorlage zur anderen und uumlbernehme einen Ab-schnitt aus dem einen Schriftsteller den naumlchsten aus dem zweitenden uumlbernaumlchsten aus dem dritten Die uumlbernommenen Abschnit-te koumlnnten auch noch auseinander gerissen und sprachlich umge-staltet werden20

Unabhaumlngig davon welche der beiden Hypothesen richtig istdarf man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davonausgehen dass nicht nur Theophanes sondern auch eine andereQuelle in Nic HE 1457 benutzt wurde Diese gemeinsame Ur-quelle geht vermutlich ihrerseits auf Priskos von Panion zuruumlck daer sehr detailliert die Auseinandersetzungen der Roumlmer mit denVandalen und Hunnen dargestellt hat Zwar ist es theoretisch nichtauszuschlieszligen dass Theophanes hier direkt auf Priskos zuruumlck-geht21 im Fall des Nikephoros kommt aber eine direkte Abhaumln-gigkeit von Priskos nicht in Frage22 Auszugehen ist also eher von

191Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

20) Gentz Aland (wie Anm 12) 138 Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 9 ff21) Die Materialien koumlnnten allerdings bereits von Georgios Synkellos vor-

bereitet sein dessen Werk Theophanes fortsetzt22) Es gibt so viele Aumlhnlichkeiten zwischen Theophanes und Nikephoros

dass Nikephoros entweder von Theophanes oder von dessen direkter Vorlage ab-haumlngen muss Dass Nikephoros und Theophanes beide direkt auf Priskos zuruumlck-

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

192 Dar iusz Brodka

griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 5: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

lage verwendete15 Aumlhnlich wie Theophanes beendet er seinen Be-richt mit der Niederlage des Bonifatius und des Aspar und mit derzusammenfassenden Feststellung dass die Vandalen Afrika eroberthaben (Nic HE 1456) Das Kapitel HE 1457 beginnt Nikephorosmit der Notiz dass sich Geiserich rex genannt habe Dann schil-dert er die weiteren Handlungen des Vandalenkoumlnigs Sie werdengrundsaumltzlich aus der ostroumlmischen Perspektive betrachtet weilsich Nikephoros hier vor allem fuumlr die ostroumlmisch-vandalischenBeziehungen und die Politik des Theodosius interessiert Darauf-hin berichtet er uumlber den Feldzug des Theodosius gegen die Van-dalen (im Jahr 441) Der Kaiser habe gegen Geiserich eine riesigeFlotte geschickt die aus 1170 Schiffen bestanden habe16 Das Kom-mando uumlber diese Flotte habe er an Areobindus und Germanusuumlbergeben Da Geiserich vor dieser Flotte Furcht gehabt habehabe er versucht mit Theodosius II uumlber einen Frieden zu ver-handeln So habe die roumlmische Flotte auf die Entscheidung des Kaisers gewartet ohne irgendwelche Handlungen gegen die Van-dalen zu unternehmen Letztendlich (im Jahr 442) sei der Kaisergezwungen worden mit Geiserich Frieden zu schlieszligen Dabei ist mit ν)γκη d h der Notwendigkeit die den Kaiser zu einemVerzicht auf den Angriff gegen die Vandalen zwang die aggressivePolitik des Hunnenkoumlnigs Attila gemeint

Einige Parallelen bietet hier Theophanes (Theoph AM 5941und 5942)17 wobei er den Feldzug nicht richtig datiert18 Die Ursa-

189Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

Θεοδσιον Κα ς τν παροιν0αν μ ampνεγκν στλον ητρπιζεν ξιμαχονβδομ2κοντα κα κατν κα χιλ0αις ναυσ συμπληρομενον 3ξηγεσθαι δ5 τοτουampπταττεν 6ρεβινδον τε κα Γερμανν το7ς ρ0στους τν στρατηγν 8ν δ κα ampνΣικελ0 γενομνων δε0σας Γιζριχος περ σπονδν Θεοδοσ0 λγους ltπεμπε Τοgtδ5 στλου ampκε παραπλοντος ως ο A βασιλε7ς τ ποιητον κελεσειεν BλληςampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο Θεοδσιος Dπ0σω δrsquo ναστρφειντν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ (Nic HE 1457)

15) Theoph AM 5931 folgt hingegen dem Bericht des Prokopios16) Dies ist auch deswegen interessant weil die byzantinische Historiogra-

phie auch im Fall des Basiliskos-Feldzugs 468 konkrete Zahlenangaben macht Al-ler Wahrscheinlichkeit nach gehen diese Informationen auf eine Urquelle (Priskos)zuruumlck die an solchen Angaben Interesse hatte

17) Theoph AM 5941 Γιζριχος ( ) γα καλσας αυτν γς τε καθαλ)σσης κα ν2σων πολλν τος ωμα0οις Fποτελν κατασχGν ampλπει τν Θε-οδσιον κα ποστλλει χιλ0ας ρ΄ Aλκ)δας μετ δυν)μεως ωμαϊκς 6ρεοβ0νδουκα 6νσ0λα κα Kνοβ0νδου κα 6ρινθου κα Γερμανοgt τν στρατηγν τατης οLντς δυν)μεως τM Σικελ0 προσορμισθε0σης καταπλαγες A Γιζριχος πρεσβεεταιΘεοδοσ0 περ σπονδν Theoph AM 5942 Τοgt δ5 στλου ( ) ampν Σικελ0 ampκδε-

che fuumlr diesen chronologischen Fehler ist houmlchstwahrscheinlich inseiner Vorlage zu suchen die einen nicht-chronographischen Cha-rakter gehabt haben muss19 Die Anfaumlnge beider Berichte weisengroszlige Aumlhnlichkeiten auf die sich einige Male auch auf die Wortwahlerstrecken Waumlhrend Nikephoros sehr allgemein uumlber GeiserichsHandlungen gegen das alte und neue Rom spricht berichtet Theo-phanes dass der Vandalenkoumlnig Laumlnder Meere und Inseln die denRoumlmern gehoumlrten unterworfen habe Theophanes sagt also an die-ser Stelle nichts von zwei roumlmischen Reichen Er gibt auch eine andere Zahl der Schiffe an (1100) als Nikephoros (1170) Auszligerdemnennt Theophanes mehrere roumlmische Befehlshaber (AreobindusAnsilas Inobindus Arintheus Germanus) waumlhrend Nikephorosnur den ersten und letzten erwaumlhnt Daraufhin spricht Theophanesaumlhnlich wie Nikephoros uumlber die Furcht Geiserichs dessen Ge-sandtschaft an Theodosius und dann in AM 5942 uumlber das Wartender roumlmischen Befehlshaber auf die Entscheidung des Kaisers An-schlieszligend berichtet Theophanes uumlber Attila und den Einfall derHunnen in Thrakien und stellt fest gerade wegen dieses Einfallshabe Theodosius Frieden mit den Vandalen geschlossen Dies wirdvon Nikephoros in nur leicht veraumlnderter Reihenfolge erzaumlhlt

Insgesamt ist es sehr plausibel dass Theophanes weiterhinQuelle fuumlr diese 1 Sektion von Nic HE 1457 ist Es gibt hier zwi-schen beiden Texten fast keine Unterschiede die gegen die Benut-zung des Theophanes durch Nikephoros sprechen koumlnnten Eineumgestellte Reihenfolge deutliche Kuumlrzungen und eine staumlrkereAkzentuierung gewisser Umstaumlnde bei Nikephoros koumlnnen ausdessen Arbeitsmethode resultieren Das aumlndert nichts an der Tat -sache dass Nikephoros sein Faktenmaterial relativ quellennah aus-gearbeitet hat Man muss aber auf einen wichtigen Unterschiedzwischen beiden Texten hinweisen Nikephoros gibt wie bereitsgesagt eine houmlhere Zahl der Schiffe (1170) als Theophanes (1100)an Meines Erachtens kommt hier eine Fehllesung seitens Nike-

190 Dar iusz Brodka

χομνου τν τν πρεσβευτν Γιζερ0χου Bφιξιν κα τν τοgt βασιλως κλευσιν ampντN μεταξ7 6ττ0λας ( ) κατατρχει τν ΘρOκην διP Qν μ)λιστα Θεοδσιος σπνδε-ται Γιζριχον κα ampπαν)γει τν στλον ampκ Σικελ0ας

18) Theophanes datiert den Feldzug auf AM 5941ndash5942 d h auf das Jahr449 waumlhrend er in die Jahre 441ndash442 gehoumlrt

19) Diesmal verwendet Theophanes nicht mehr Prokopios als seine Vorlagevgl dazu Mango Scott (wie Anm 9) 158 Anm 5 Zur Benutzung des Prokopiosdurch Theophanes vgl Mango Scott (wie Anm 9) XII ff

phoros nicht in Frage Eine Auslassung eines von einigen auf-einander folgenden Elementen durch Theophanes ist plausibler alseine Erweiterung dieser Zahl um ein zusaumltzliches Element durchNikephoros Theophanes sagt an dieser Stelle nichts davon dassdie Vandalen die Kriege gegen West- und Ostrom fuumlhrten obwohler in einer fruumlheren Passage die Eroberung Afrikas durch die Van-dalen und ihre Kaumlmpfe gegen Westrom darstellte (Theoph AM5931) Es liegt somit nahe dass Theophanes in diesem Fall nicht dieQuelle des Nikephoros ist Da aber beide Berichte miteinanderdurch eine groszlige Anzahl von Aumlhnlichkeiten verbunden sindkoumlnnte dies fuumlr eine gemeinsame Vorlage sprechen die vor allemTheophanes ziemlich genau wiedergibt

In Betracht zu ziehen ist aber noch eine andere Loumlsung Ni-kephoros koumlnnte den Text des Theophanes mit Hilfe eines anderenkorrigiert haben Diese Nebenquelle waumlre dann wohl mit der Vor-lage des Theophanes identisch Betrachtet man den Umgang desNikephoros mit seinen Quellen sind beide Hypothesen moumlglichGentz hat bereits gezeigt dass Nikephoros parallele Berichte ad-diert und gewissermaszligen zu einem Mosaik zusammenfuumlgt Erspringe von einer Vorlage zur anderen und uumlbernehme einen Ab-schnitt aus dem einen Schriftsteller den naumlchsten aus dem zweitenden uumlbernaumlchsten aus dem dritten Die uumlbernommenen Abschnit-te koumlnnten auch noch auseinander gerissen und sprachlich umge-staltet werden20

Unabhaumlngig davon welche der beiden Hypothesen richtig istdarf man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davonausgehen dass nicht nur Theophanes sondern auch eine andereQuelle in Nic HE 1457 benutzt wurde Diese gemeinsame Ur-quelle geht vermutlich ihrerseits auf Priskos von Panion zuruumlck daer sehr detailliert die Auseinandersetzungen der Roumlmer mit denVandalen und Hunnen dargestellt hat Zwar ist es theoretisch nichtauszuschlieszligen dass Theophanes hier direkt auf Priskos zuruumlck-geht21 im Fall des Nikephoros kommt aber eine direkte Abhaumln-gigkeit von Priskos nicht in Frage22 Auszugehen ist also eher von

191Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

20) Gentz Aland (wie Anm 12) 138 Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 9 ff21) Die Materialien koumlnnten allerdings bereits von Georgios Synkellos vor-

bereitet sein dessen Werk Theophanes fortsetzt22) Es gibt so viele Aumlhnlichkeiten zwischen Theophanes und Nikephoros

dass Nikephoros entweder von Theophanes oder von dessen direkter Vorlage ab-haumlngen muss Dass Nikephoros und Theophanes beide direkt auf Priskos zuruumlck-

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

192 Dar iusz Brodka

griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 6: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

che fuumlr diesen chronologischen Fehler ist houmlchstwahrscheinlich inseiner Vorlage zu suchen die einen nicht-chronographischen Cha-rakter gehabt haben muss19 Die Anfaumlnge beider Berichte weisengroszlige Aumlhnlichkeiten auf die sich einige Male auch auf die Wortwahlerstrecken Waumlhrend Nikephoros sehr allgemein uumlber GeiserichsHandlungen gegen das alte und neue Rom spricht berichtet Theo-phanes dass der Vandalenkoumlnig Laumlnder Meere und Inseln die denRoumlmern gehoumlrten unterworfen habe Theophanes sagt also an die-ser Stelle nichts von zwei roumlmischen Reichen Er gibt auch eine andere Zahl der Schiffe an (1100) als Nikephoros (1170) Auszligerdemnennt Theophanes mehrere roumlmische Befehlshaber (AreobindusAnsilas Inobindus Arintheus Germanus) waumlhrend Nikephorosnur den ersten und letzten erwaumlhnt Daraufhin spricht Theophanesaumlhnlich wie Nikephoros uumlber die Furcht Geiserichs dessen Ge-sandtschaft an Theodosius und dann in AM 5942 uumlber das Wartender roumlmischen Befehlshaber auf die Entscheidung des Kaisers An-schlieszligend berichtet Theophanes uumlber Attila und den Einfall derHunnen in Thrakien und stellt fest gerade wegen dieses Einfallshabe Theodosius Frieden mit den Vandalen geschlossen Dies wirdvon Nikephoros in nur leicht veraumlnderter Reihenfolge erzaumlhlt

Insgesamt ist es sehr plausibel dass Theophanes weiterhinQuelle fuumlr diese 1 Sektion von Nic HE 1457 ist Es gibt hier zwi-schen beiden Texten fast keine Unterschiede die gegen die Benut-zung des Theophanes durch Nikephoros sprechen koumlnnten Eineumgestellte Reihenfolge deutliche Kuumlrzungen und eine staumlrkereAkzentuierung gewisser Umstaumlnde bei Nikephoros koumlnnen ausdessen Arbeitsmethode resultieren Das aumlndert nichts an der Tat -sache dass Nikephoros sein Faktenmaterial relativ quellennah aus-gearbeitet hat Man muss aber auf einen wichtigen Unterschiedzwischen beiden Texten hinweisen Nikephoros gibt wie bereitsgesagt eine houmlhere Zahl der Schiffe (1170) als Theophanes (1100)an Meines Erachtens kommt hier eine Fehllesung seitens Nike-

190 Dar iusz Brodka

χομνου τν τν πρεσβευτν Γιζερ0χου Bφιξιν κα τν τοgt βασιλως κλευσιν ampντN μεταξ7 6ττ0λας ( ) κατατρχει τν ΘρOκην διP Qν μ)λιστα Θεοδσιος σπνδε-ται Γιζριχον κα ampπαν)γει τν στλον ampκ Σικελ0ας

18) Theophanes datiert den Feldzug auf AM 5941ndash5942 d h auf das Jahr449 waumlhrend er in die Jahre 441ndash442 gehoumlrt

19) Diesmal verwendet Theophanes nicht mehr Prokopios als seine Vorlagevgl dazu Mango Scott (wie Anm 9) 158 Anm 5 Zur Benutzung des Prokopiosdurch Theophanes vgl Mango Scott (wie Anm 9) XII ff

phoros nicht in Frage Eine Auslassung eines von einigen auf-einander folgenden Elementen durch Theophanes ist plausibler alseine Erweiterung dieser Zahl um ein zusaumltzliches Element durchNikephoros Theophanes sagt an dieser Stelle nichts davon dassdie Vandalen die Kriege gegen West- und Ostrom fuumlhrten obwohler in einer fruumlheren Passage die Eroberung Afrikas durch die Van-dalen und ihre Kaumlmpfe gegen Westrom darstellte (Theoph AM5931) Es liegt somit nahe dass Theophanes in diesem Fall nicht dieQuelle des Nikephoros ist Da aber beide Berichte miteinanderdurch eine groszlige Anzahl von Aumlhnlichkeiten verbunden sindkoumlnnte dies fuumlr eine gemeinsame Vorlage sprechen die vor allemTheophanes ziemlich genau wiedergibt

In Betracht zu ziehen ist aber noch eine andere Loumlsung Ni-kephoros koumlnnte den Text des Theophanes mit Hilfe eines anderenkorrigiert haben Diese Nebenquelle waumlre dann wohl mit der Vor-lage des Theophanes identisch Betrachtet man den Umgang desNikephoros mit seinen Quellen sind beide Hypothesen moumlglichGentz hat bereits gezeigt dass Nikephoros parallele Berichte ad-diert und gewissermaszligen zu einem Mosaik zusammenfuumlgt Erspringe von einer Vorlage zur anderen und uumlbernehme einen Ab-schnitt aus dem einen Schriftsteller den naumlchsten aus dem zweitenden uumlbernaumlchsten aus dem dritten Die uumlbernommenen Abschnit-te koumlnnten auch noch auseinander gerissen und sprachlich umge-staltet werden20

Unabhaumlngig davon welche der beiden Hypothesen richtig istdarf man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davonausgehen dass nicht nur Theophanes sondern auch eine andereQuelle in Nic HE 1457 benutzt wurde Diese gemeinsame Ur-quelle geht vermutlich ihrerseits auf Priskos von Panion zuruumlck daer sehr detailliert die Auseinandersetzungen der Roumlmer mit denVandalen und Hunnen dargestellt hat Zwar ist es theoretisch nichtauszuschlieszligen dass Theophanes hier direkt auf Priskos zuruumlck-geht21 im Fall des Nikephoros kommt aber eine direkte Abhaumln-gigkeit von Priskos nicht in Frage22 Auszugehen ist also eher von

191Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

20) Gentz Aland (wie Anm 12) 138 Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 9 ff21) Die Materialien koumlnnten allerdings bereits von Georgios Synkellos vor-

bereitet sein dessen Werk Theophanes fortsetzt22) Es gibt so viele Aumlhnlichkeiten zwischen Theophanes und Nikephoros

dass Nikephoros entweder von Theophanes oder von dessen direkter Vorlage ab-haumlngen muss Dass Nikephoros und Theophanes beide direkt auf Priskos zuruumlck-

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

192 Dar iusz Brodka

griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 7: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

phoros nicht in Frage Eine Auslassung eines von einigen auf-einander folgenden Elementen durch Theophanes ist plausibler alseine Erweiterung dieser Zahl um ein zusaumltzliches Element durchNikephoros Theophanes sagt an dieser Stelle nichts davon dassdie Vandalen die Kriege gegen West- und Ostrom fuumlhrten obwohler in einer fruumlheren Passage die Eroberung Afrikas durch die Van-dalen und ihre Kaumlmpfe gegen Westrom darstellte (Theoph AM5931) Es liegt somit nahe dass Theophanes in diesem Fall nicht dieQuelle des Nikephoros ist Da aber beide Berichte miteinanderdurch eine groszlige Anzahl von Aumlhnlichkeiten verbunden sindkoumlnnte dies fuumlr eine gemeinsame Vorlage sprechen die vor allemTheophanes ziemlich genau wiedergibt

In Betracht zu ziehen ist aber noch eine andere Loumlsung Ni-kephoros koumlnnte den Text des Theophanes mit Hilfe eines anderenkorrigiert haben Diese Nebenquelle waumlre dann wohl mit der Vor-lage des Theophanes identisch Betrachtet man den Umgang desNikephoros mit seinen Quellen sind beide Hypothesen moumlglichGentz hat bereits gezeigt dass Nikephoros parallele Berichte ad-diert und gewissermaszligen zu einem Mosaik zusammenfuumlgt Erspringe von einer Vorlage zur anderen und uumlbernehme einen Ab-schnitt aus dem einen Schriftsteller den naumlchsten aus dem zweitenden uumlbernaumlchsten aus dem dritten Die uumlbernommenen Abschnit-te koumlnnten auch noch auseinander gerissen und sprachlich umge-staltet werden20

Unabhaumlngig davon welche der beiden Hypothesen richtig istdarf man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davonausgehen dass nicht nur Theophanes sondern auch eine andereQuelle in Nic HE 1457 benutzt wurde Diese gemeinsame Ur-quelle geht vermutlich ihrerseits auf Priskos von Panion zuruumlck daer sehr detailliert die Auseinandersetzungen der Roumlmer mit denVandalen und Hunnen dargestellt hat Zwar ist es theoretisch nichtauszuschlieszligen dass Theophanes hier direkt auf Priskos zuruumlck-geht21 im Fall des Nikephoros kommt aber eine direkte Abhaumln-gigkeit von Priskos nicht in Frage22 Auszugehen ist also eher von

191Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

20) Gentz Aland (wie Anm 12) 138 Gentz Winkelmann (wie Anm 5) 9 ff21) Die Materialien koumlnnten allerdings bereits von Georgios Synkellos vor-

bereitet sein dessen Werk Theophanes fortsetzt22) Es gibt so viele Aumlhnlichkeiten zwischen Theophanes und Nikephoros

dass Nikephoros entweder von Theophanes oder von dessen direkter Vorlage ab-haumlngen muss Dass Nikephoros und Theophanes beide direkt auf Priskos zuruumlck-

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

192 Dar iusz Brodka

griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

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gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 8: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

der Voraussetzung dass es sich in beiden Faumlllen um eine auf Pris-kos zuruumlckgehende Mittelquelle handelt Paradoxerweise sind dieSpuren des Denkens des Priskos bei Nikephoros deutlicher als beiTheophanes Nikephoros betont staumlrker die Zwangslaumlufigkeit die4412 zum Scheitern der Vandalenpolitik des Theodosius fuumlhrtBeide Verfasser zeigen dass der Einfall der Hunnen den Kaiserzum Friedensschluss mit Geiserich zwang wobei die Worte diebei Nikephoros erscheinen deutlicher einen Zustand zeichnen inwelchem das politische Geschehen uumlber das Wirken und Wollendes Theodosius hinausgriff Er wurde gezwungen auf die Um-staumlnde zu reagieren und musste sich der Notwendigkeit anpassen(Bλλης ampπιCυε0σης ν)γκης τς μ5ν σπονδς προσ0ετο ΘεοδσιοςDπ0σω δrsquo ναστρφειν τν στλον ampκλευεν 6ττ0λας γρ ) DasDenken in solchen Kategorien erinnert an die historische Darstel-lung des Priskos von Panion der in den erhaltenen Fragmenteneben auf diese Weise die Politik des Theodosius deutete23

III Attila und die Einfaumllle der Hunnen in das ost- undwestroumlmische Reich (Nic HE 1457 Theoph AM 5942

Malal 1410 Chron Pasch p 587 Dind)

III1 Attilas Aufstieg

Das Scheitern der Expedition gegen die Vandalen wird vonNikephoros und Theophanes mit dem Angriff der Hunnen erklaumlrtMit dem Verweis auf Attila beginnt die 2 Sektion in Nic HE 1457Nikephoros stellt fest Attila Sohn des Numidios sei Gote ausdem Stamm der Gepiden gewesen und habe uumlber die Hunnen ge-herrscht24 Zu diesem Satz gibt es weder bei Malalas noch bei Theo-phanes eine exakte Parallele trotzdem ist es moumlglich wenn auchwenig plausibel dass eine Kontamination vorliegt Die Nachricht

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griffen ist deshalb sehr unwahrscheinlich weil sie dann unabhaumlngig voneinanderbeim Exzerpieren aus einem umfangreichen Bericht wie im Fall des Priskos exaktdieselbe Auswahl getroffen haumltten

23) Dazu vgl Brodka 2009 (wie Anm 1)24) Nic HE 1457 6ττ0λας γρ A Γτθος ampκ τοgt τν Γηπδων καταγμενος

ltθνους Νουμιδ0ου δ5 πας Sν κα τ κρ)τος μνος ltχων τν ΟUννων μυρι)σιπλε0σταις στρατοgt Aρμηθες Aμσε κατ τν δο ampχρει ρχν FφV αυτN καBμφω τ2ν τε πρεσβυτραν κα νεωτραν μην θεναι διανοομενος μυθ2τφρυ)γματι

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

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25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

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29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

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33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

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34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

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41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 9: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

dass Attila ein Sohn des Numidios war koumlnnte auf Theophanes zu-ruumlckgehen bei dem allerdings der Name von Attilas Vater zu Mun-dios entstellt ist25 Theophanes sagt aber Attila sei Skythe gewesenund gibt dann noch an nach dem Tod seines Bruders Bdellas (d h Bleda) sei Attila zum Alleinherrscher der Skythen d h derHunnen geworden Insgesamt duumlrfte der Text des Theophanes dieAnsichten des Priskos ziemlich gut wiedergeben der die Hunnenarchaisierend Skythen nannte Priskos berichtete auch vom TodBledas Er nennt aber Attilas Vater Mundiuchos (Prisc fr 152Blockley = exc 122 Carolla)26 Zweifellos lag diese Angabe auchschon bei Theophanes vor Die Meinung Attila sei gepidischer Ab-stammung gewesen scheint Nikephoros hingegen mit Malalas zuverbinden27 Man muss aber betonen dass beide Verfasser nichtvoumlllig miteinander uumlbereinstimmen Malalas dessen Text an dieserStelle mit Hilfe der slawischen Uumlbersetzung und des ChroniconPaschale rekonstruiert wird spricht naumlmlich von Attila aus demStamm der gepidischen Hunnen Die Aumlhnlichkeiten zwischen bei-den Texten sind somit auch in diesem Fall nicht so dass eine direkteAbhaumlngigkeit zwingend anzunehmen waumlre Eher duumlrften sich hierverschiedene Quellen uumlberlagern oder der Bericht auf eine andereVorlage (als Malalas und Theophanes) zuruumlckgehen Ich bin derMeinung dass einige Indizien auf die erste Moumlglichkeit hindeutenEine detaillierte Analyse der einzelnen Unstimmigkeiten und Feh-ler die sich bei Nikephoros finden legt die Annahme nahe dass erbei der Benutzung von mindestens zwei Quellen Fehler macht dieauf ihn selbst zuruumlckgehen Einen Skythen bei Theophanes kannNikephoros einfach durch einen Goten ersetzt haben bei gleich-zeitiger Uumlbernahme der Angaben des Malalas Wie schon gesagtbezeichnete Priskos archaisierend die Hunnen als Skythen DieseTendenz wurde gerade von Theophanes bewahrt In der Spaumltanti-ke setzte man aber auch die Goten mit den Skythen gleich28 Eine

193Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

25) Theoph AM 5942 ampν τN μεταξ7 6ττ0λας A Μουνδ0ου πας Σκθηςγενμενος νδρεος κα Fπερ2φανος ποβαλGν Βδελλ)ν τν πρεσβτερον δελ-φν κα μνος Bρχων τ τν Σκυθν βασ0λειον οYς κα ΟUννους καλοgtσιν κατα-τρχει τν ΘρOκην

26) Vgl auch Iord Get 188 und 257 Mundzuc27) Malal 1410 Zπ δ5 τς βασιλε0ας ατοgt κα Βαλεντινιανοgt ampπεστρ)τευ-

σε κατ μης κα κατ Κωνσταντινουπλεως 6ττιλ[ς ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων πλθος ltχων μυρι)δων πολλν Vgl auch Chron Pasch p 587 Dind

28) Ein gutes Beispiel derartigen Denkens bilden die Getica des Iordanes

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 10: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

derartige Gleichsetzung kommt uumlbrigens an einer anderen Stellebei Theophanes vor Er verweist auf den Historiker Trajan der be-richtet haben soll dass die Skythen in ihrer Sprache Goten genanntwuumlrden (Theoph AM 5870) Nikephoros muss somit einer solchenTradition gefolgt sein Malalas hingegen29 der hier moumlglicherwei-se einen detaillierten Bericht des Priskos exzerpierte koumlnnte sich in der Menge der Informationen die Priskos bot nicht zurecht -gefunden und folglich einige Angaben aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang ungeschickt herausgeloumlst haben30 In der von ihmabgekuumlrzten Quelle standen wohl die Skythen die Hunnen undandere Voumllker wie die Gepiden die den Hunnen unterlagen nebeneinander und daher machte er Attila zu einem gepidischenHunnen31 Nikephoros dagegen versuchte aus Malalas und Theo-phanes (und vermutlich aus dessen Quelle) alle moumlglichen Infor-mationen zu sammeln ungeachtet dessen dass sie widerspruumlchlichsein konnten Eine solche Arbeitsweise ist auch an anderen Stellenseines Werkes zu erkennen32

III2 Die Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzen

Im naumlchsten Satz gibt Nikephoros an dass Attila der uumlbereine groszlige Menge Soldaten verfuumlgte einen Krieg gegen das alte und neue Rom fuumlhrte um beide Reiche zu unterwerfen Darin wer-den die Ereignisse aus den Jahren 441ndash451 auf verwirrende Weisezusammengedraumlngt Die unmittelbare Ursache des Abbruchs derostroumlmischen Offensive gegen die Vandalen im Jahr 441 war derEinfall der Hunnen in die Balkanprovinzen Nikephoros fasst dieEreignisse zusammen indem er gleichzeitig auf die Angriffe der

194 Dar iusz Brodka

29) Chron Pasch p 587 Dind haumlngt voumlllig von Malal 1410 ab30) Malal 1410 beruft sich hier auf Priskos als seine Vorlage Man darf sei-

ne Aussage nicht vernachlaumlssigen und deswegen meine ich dass er hier das Werkdes Priskos aus erster Hand kennt obwohl eine Mittelquelle (Eustathios) stets inFrage kommt

31) Im griechischen Malalas-Text stehen an dieser Stelle nur bdquodie Gepidenldquo(ampκ τοgt γνους τν Γηπδων) bdquodie Hunnenldquo (ΟUννων) erscheinen in dem slawischenMalalas und im Chronicon Paschale Mit Recht ergaumlnzte also Thurn die relevanteStelle mit Hilfe dieser Texte und nahm die Lesart an ampκ τοgt γνους τν ΓηπδωνΟUννων

32) Wie Gentz gezeigt hat geht es hier gewissermaszligen um eine voumlllige Aus-schoumlpfung der Quellen ndash vgl dazu Gentz Aland (wie Anm 12) 131 Gentz Win-kelmann (wie Anm 5) 9

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 11: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

Hunnen auf beide roumlmischen Reiche eingeht Damit bringt er dieEreignisse der Jahre 441ndash442 mit den Ereignissen des Jahres 451 inkausalen und zeitlichen Zusammenhang Die Meinung Attila habebeide roumlmischen Reiche unterwerfen wollen ist bei Theophanesnicht zu finden gewisse Aumlhnlichkeiten mit der Darstellung des Ni-kephoros erscheinen aber bei Malalas und dem (von ihm abhaumlngi-gen) Chronicon Paschale wo vom hunnischen Angriff gegen Romund Konstantinopel die Rede ist Malalas fuumlhrt noch einen arro-ganten Brief Attilas an Kaiser Valentinian III an in welchem derHunnenkoumlnig den Befehl erteilte der Kaiser solle fuumlr ihn seinenPalast herrichten Denselben Brief schickte Attila auch an Theodo-sius (Malal 1410) Daruumlber informieren weder Theophanes nochNikephoros

Anschlieszligend stellt Nikephoros den Einfall der Hunnen indie Balkanprovinzen dar ohne klar zu bestimmen welcher Einfallgemeint ist33 Das Fehlen einer zutreffenden chronologischen An-gabe resultiert aus dem Fehlen der korrekten Chronologie in sei-ner Quelle Der Bericht des Nikephoros weist hier eine groszlige Aumlhnlichkeit mit Theophanesrsquo Bericht zum Weltjahr 5942 auf Ni-kephoros fuumlgt an dieser Stelle eine kurze Charakteristik des Hun-nenkoumlnigs an Er sei tollkuumlhn (θρασς) und tapfer (νδρεος) ge-wesen Malalas und das Chronicon Paschale enthalten diese Cha-rakteristik nicht Theophanes hingegen bezeichnet den Hunnen-koumlnig zu Beginn seines Attila-Berichtes als tapfer (νδρεος) undhochmuumltig (Fπερ2φανος) Nikephoros draumlngt hier aumlhnlich wieTheophanes die Ereignisse zusammen die in den Jahren 442ndash447stattfanden Den Ausgangspunkt bildet der erste Einfall der Hun-nen 4412 der Kaiser Theodosius zum Abbruch der Interventiongegen die Vandalen zwang den Endpunkt der Friedensschluss mitden Hunnen im Jahr 447 wobei Nikephoros den Tod Bledas an-ders als Theophanes nicht erwaumlhnt Nikephoros uumlberliefert dassdie Hunnen ganz Thrakien gepluumlndert und viele Staumldte erobert haumlt-

195Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

33) Nic HE 1457 Θρασ7ς κα νδρεος μ)λα γενμενος τν ΘρκνampπιGν ltκειρε κα τς πλεις π)σας σαι τε ampπειρτιδες κα περ θ)λατταν FφVαυτν ampποιετο Bχρις 6θgtρος παντα ληϊσ)μενος 6νθ0στα δ5 ατN ΘεοδσιοςστρατN ξιομ)χ ]σπαρ) τε κα 6ρεβινδον 3πε δV ampκενος Dσημραι κρα-ταιτερος Sν Θεοδσιος ε^γε τν ο_κε0ων ρων ποχωρ2σειεν ξακισχιλ0ας λ0τραςχρυσοgt δοgtναι κατεπηγγλλετο Προσωμολγει δ5 κα ampτ2σιον Bλλο διδναι χιλ0ωνμνν ε_ τοgt λοιποgt ampφV αυτοgt μνειν κα aρεμεν λοιτο 6ττ0λας μ5ν οLν τε_ρημνα λαβGν νεχρει τς ΘρOκης

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 12: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

ten und schlieszliglich bis zu Athyros vorgedrungen seien Der Kaiserhabe gegen die Angreifer eine starke Armee unter der Fuumlhrung vonAspar und Areobindus geschickt Weil das roumlmische Heer von denHunnen einige Male besiegt worden sei habe sich der Kaiser ver-pflichtet einen Tribut zu zahlen um Frieden zu schlieszligen Er habeeinmalig 6000 und auszligerdem jaumlhrlich 1000 Pfund Gold zahlenmuumlssen

Bei Malalas und folglich auch im Chronicon Paschale gibt eskeine Darstellung der Einfaumllle der Hunnen in die Balkanprovinzenwaumlhrend sich erneut enge Parallelen zwischen Theophanes AM5942 und Nikephoros feststellen lassen Es ist somit klar dass Ni-kephoros von Theophanes abhaumlngig ist34 Theophanesrsquo Bericht istweitaus detaillierter als derjenige des Nikephoros und gibt eine etwas andere Reihenfolge der Ereignisse an35 Theophanes zaumlhlt die von den Hunnen gepluumlnderten Staumldte auf bestimmt praumlzise die Reichweite ihrer Handlungen und stellt schlieszliglich fest dassAttila nach dem Sieg uumlber das roumlmische Heer bis zu Athyras vor-gedrungen sei36 Die Kriegshandlungen gegen Attila fuumlhren beiTheophanes Aspar Areobindus und Argagisclus Am Ende betontauch Theophanes die Zwangslage in welche Ostrom geriet Wegender Niederlagen sei der Kaiser Theodosius zum Friedensschlussgezwungen worden Bei der Bestimmung der Houmlhe der Tributzah-lung stimmen die Angaben des Theophanes voumlllig mit denjenigendes Nikephoros uumlberein Theophanes gibt allerdings mehr Einzel-heiten insbesondere geographische an nennt konkrete Staumldtewaumlhrend Nikephoros viele dieser Details stillschweigend uumlbergehtBei beiden Autoren ist aber der Endpunkt der hunnischen Einfaumll-le derselbe AthyrasAthyros In seinem Exzerpt veraumlnderte Nike-phoros auch leicht die Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse Dieroumlmische militaumlrische Gegenaktion erwaumlhnt er erst nach der Be-schreibung der ganzen Invasion wobei er nur zwei und nicht drei

196 Dar iusz Brodka

34) Zwischen Malalas und Theophanes gibt es keine Bezugspunkte35) O Maenchen-Helfen The World of the Huns Berkeley Los Angeles

London 1973 112 ff hat mit Recht beobachtet dass die Passage Theoph AM 5942eine Mischung verschiedener nicht immer miteinander verbundener Informationenbildet indem sie die Ereignisse aus den Jahren 441ndash447 (und dabei zwei groszlige hun-nische Invasionen 4412 447) vereinfacht und luumlckenhaft zusammenstellt Vgl dazuauch Blockley 1983 (wie Anm 1) 381 f Anm 20 P Heather Upadek cesarstwarzymskiego Poznań 2006 358

36) Theoph AM 5942 bστε κα ε_ς τν 6θραν ατν φροριον ampλθεν

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 13: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

Befehlshaber nennt Aumlhnlich wie Theophanes uumlberliefert auch Ni-kephoros dass die roumlmische Armee einige Male besiegt wurde37

und dass der Kaiser gezwungen wurde um Frieden zu bitten38 DieBedingungen des Friedens sind wie gesagt bei beiden Historikernidentisch39 Man kann also davon ausgehen dass Nikephoros hierdie entsprechende Passage des Theophanes exzerpiert bzw zusam-menfasst Zu betonen ist aber dass es selbst wenn wir es in diesemFall was ich nicht bezweifle mit dem urspruumlnglich auf Priskos zu-ruumlckgehenden Bericht zu tun haben einige Abweichungen vonPriskosrsquo Darstellung gibt Priskos stellt in einigen Punkten die Be-dingungen des Anatolius-Friedens von 447 anders dar (Prisc fr 94Blockley = exc 5 Carolla) Laut Priskos mussten die Ostroumlmer ein-malig 6000 Pfund Gold (darin stimmen alle Autoren uumlberein) undnoch jaumlhrlich 2100 Pfund Gold zahlen waumlhrend Theophanes undNikephoros von 1000 Pfund Gold als jaumlhrlichem Tribut sprechenAller Wahrscheinlichkeit nach liegt hier ein Fehler des Theophanesoder seiner Quelle vor40

III3 Einfall der Hunnen in das westroumlmische Reich und Attilas Tod

Theophanes beendet seinen Bericht uumlber die Herrschaft desTheodosius II mit dem Tod des Kaisers und mit der Machtuumlber-nahme durch Marcian (Theoph AM 5942) Diese Ereignisse er-waumlhnt Nikephoros erst im naumlchsten Kapitel (Nic HE 1458) wo-bei er die Aussage anfaumlnglich woumlrtlich uumlbernimmt indem er fest-stellt der Kaiser sei bald nach der Ruumlckkehr des Heeres aus demKrieg gegen Attila gestorben Nikephoros loumlst aber diese Nach-richt aus dem urspruumlnglichen Zusammenhang heraus und seineDarstellung ist insgesamt weitaus umfangreicher als diejenige desTheophanes Waumlhrend sich der Chronist auf die bloszlige Feststellung

197Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

37) Theoph AM 5942 τν οLν στρατηγν ampλαττωθντων σφδρα ταςμ)χαις

38) Theoph AM 5942 ναγκ)ζεται οLν Θεοδσιος πρεσβεσασθαι πρς6ττ0λαν

39) Theoph AM 5942 ξακισχιλ0ας χρυσιοgt λ0τρας Fπ5ρ τς ναχωρ2σεωςπαρασχεν χιλ0ων δ5 χρυσιοgt λιτρν ampτ2σιον φρον ατN aρεμοgtντι προσομο-λογσαι τελεν

40) Erneut (aumlhnlich wie im Fall der roumlmischen Flotte im Jahr 441) sind somitdie Zahlenangaben des Theophanes falsch

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 14: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

des Todes des Theodosius sowie auf eine genaue Bestimmung desTodesdatums beschraumlnkt schildert Nikephoros detailliert die Um-staumlnde dieses Ereignisses41 Es scheint dass Nikephoros ndash durchdie Reihenfolge des Erzaumlhlten bei Theoph AM 5942 in Verlegen-heit geraten ndash zur Wahl einer anderen Hauptquelle gezwungenwurde Einerseits muss Nikephoros nicht bewusst gewesen seindass eine endguumlltige Auseinandersetzung mit Attila in die ZeitMarcians faumlllt andererseits fand er wohl bei Theophanes keineNachricht uumlber die groszlige Invasion der Hunnen in den WestenTheophanes erwaumlhnt naumlmlich den Einfall der Hunnen in Galliensowie ihre Niederlage nur kurz und in einem anderen Zusammen-hang Dies erfolgt unter vielen Nachrichten zu Marcians Herr-schaft (Theoph AM 5493)42 Wahrscheinlich wurde Nikephorosvon Malalas irregefuumlhrt dessen Werk er auch als Quelle fuumlr die Informationen uumlber die Hunnen benutzte und ging von falschenchronologischen Voraussetzungen aus So folgt er Malalas bei derDarstellung der Invasion der Hunnen in den Westen und dazukommen weitere eigene Fehler Verwirrend konnte auch die chro-nologische Perspektive bei Malalas sein Die Darstellung der Herr-schaft Marcians beginnt in seiner Chronik erst mit dem 28 Kapitel(Malal 1428) Daruumlber hinaus bezieht sich die einzige chronolo -gische Angabe die am Anfang des Kapitels uumlber die Invasion derHunnen in Gallien steht auf die Herrschaft des Theodosius II unddes Valentinian III (Malal 1410 3π δ5 τς βασιλε0ας ατοgt [scΘεοδοσ0ου] κα Βαλεντινανοgt)43

198 Dar iusz Brodka

41) Weder Malal 1427 Chron Pasch p 589 Dind Theoph AM 5492 nochEvagr HE 122 sagen dass Theodosius auf der Jagd vom Pferd herabstuumlrzte DieJagd erwaumlhnt hingegen Theod Lect 353 Nikephoros schoumlpft hier somit die In -formationen sowohl aus der Chronik des Malalas (der verletzte Kaiser lieszlig sich ineiner Saumlnfte zuruumlcktragen) als auch aus der Kirchengeschichte (in der epitomiertenFassung) des Theodor Lector (Sturz auf der Jagd) Sehr plausibel ist aber dass erhier auf ihre (gemeinsame) Quelle zuruumlckgreift Diese Quelle kann Eustathios vonEpiphaneia sein

42) Es ist nicht klar woher Theophanes diese praumlzise Information schoumlpftSie geht wohl auf dieselbe Vorlage zuruumlck wie der fruumlhere Bericht uumlber die Kriegegegen Attila Diese Vorlage ist wahrscheinlich Eustathios von Epiphaneia obwohleine direkte Benutzung des Priskos durch Theophanes nicht auszuschlieszligen ist

43) Vgl auch die Fragmenta Tusculana (Auszuumlge aus der Malalas-Chronik[= Malal 149 Thurn]) 3π δ5 τς βασιλε0ας τοgt ατοgt Θεοδοσ0ου κα Βαλεντινα-νοgt und Chron Pasch p 587 Dind 3π δ5 τς βασιλε0ας Θεοδοσ0ου κα Οαλεν -τινανοgt

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 15: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

Wenden wir uns nun einer seltsamen verworrenen Passagezu der uumlber die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und At-tilas Tod welche Nikephoros diesmal eng mit Malalas verbindetDiese behandelt den Einfall der Hunnen in Gallien im Jahr 451 denSieg des Aetius uumlber Attila und den Tod Attilas44 Erneut ist essinnvoll mit Nikephoros anzufangen

Laut Nikephoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Romals Attila das aumlltere Rom angegriffen habe nach Gallien gekom-men um Alarich der dort geherrscht habe um Hilfe zu bitten ob-wohl dieser Alarich der Feind der Roumlmer gewesen sei Aetius habeAlarich veranlasst seine Kraumlfte mit den Roumlmern gegen die Hunnenzu vereinigen Die folgende Information betrifft die Schlacht mitAttila Als der Hunnenkoumlnig am Donaustrom gelagert habe habeihn Aetius angegriffen und besiegt wobei viele Tausende der Hun-nen getoumltet worden seien In der Schlacht seien sowohl Alarich alsauch Attila ums Leben gekommen Der Passus endet mit der Fest-stellung mit Gottes Hilfe seien damals beide roumlmischen Reichevon der gotischen (gemeint sind allerdings die Hunnen) Bedro-hung gerettet worden45 Die Passage ist voll von Fehlern und Un-stimmigkeiten trotzdem enthaumllt sie aber auch interessante DetailsInsgesamt hat sie eine klare Struktur Der Verfasser beginnt mitdem Angriff auf West- und Ostrom und endet mit dem Hinweisdarauf dass beide Reiche gerettet wurden Es ist auch deutlich dassverschiedene nicht unbedingt zeitlich oder kausal verbundene Er-eignisse hier zusammengedraumlngt wurden Alles bezieht sich natuumlr-lich auf den groszligen Krieg gegen Attila Zu den Hauptfehlern ge-houmlren erstens der falsche Name des Westgotenkoumlnigs ndash gegen At-tila kaumlmpfte auf den Katalaunischen Feldern Theoderich und nichtAlarich zweitens die Lokalisierung der Schlacht ndash sie wurde nichtan der Donau sondern in Gallien auf den Katalaunischen Feldern

199Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

44) Nic HE 1457 ampπε δ5 τος ροις τς πρεσβυτρας μης πολ7ς κατ -εC)γη A προειρημνος 6τιος τς μης τ πρτα φερμενος κα τν cβριν τοgtβαρβ)ρου μ ampνεγκGν πρς τν τν Γαλλιν κατ)ρχοντα 6λλ)ριχον φικνεταικα0περ ωμα0οις ε_ς ltχθραν dντα οeς πρτερον διελ)βομεν fμως πολλας καδιαφροις ampπαγγελ0αις πε0σας τν β)ρβαρον στρατN γεννα0 τοτ συστρα-τευσ)μενος α^φνης τN 6ττ0λ πραν gστρου ampσκηνωμν συνεπιτ0θεται κα πολ7νampκε0ν φνον ampπο0ει hς πολλς χιλι)δας διαφθαρναι iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη λλ μν κα ατς 6λλ)ριχος τξ βληθε0ς

45) Nikephoros bezeichnet in der gesamten Passage die Hunnen konsequen -terweise als die Goten

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 16: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

geschlagen und drittens die Information dass Attila in dieserSchlacht getoumltet wurde waumlhrend er erst 453 in der Hochzeitsnachtmit seiner Frau Ildico starb

Nun soll dies mit der Uumlberlieferung des Malalas und desChronicon Paschale verglichen werden46 Aumlhnlich wie bei Nike-phoros ist Aetius die ranghoumlchste Person in Rom und kommt nachGallien zu Alarich Zweifelsohne ist dieser unrichtige Name als einBindefehler zwischen Malalas und Nikephoros anzusehen AuchMalalas betont dass Alarich der Feind Roms war Hinzuweisen isthier auf die slawische Uumlbersetzung des Malalas und auf das Chro-nicon Paschale Dort erscheint in diesem Kontext die zusaumltzlicheErklaumlrung dass Alarich wegen Honorius den Roumlmern gegenuumlberfeindlich eingestellt war Dieser Verweis auf Honorius fehlt bei Nikephoros47 Aumlhnlich wie bei Nikephoros gewann ihn Aetius fuumlrsich und brachte ihn auf seine Seite gegen Attila Nun folgt die all-gemeine Information Attila habe viele roumlmische Staumldte zerstoumlrt ndashdiese Information kommt bei Nikephoros nicht vor Malalas unddas Chronicon Paschale geben an dass Aetius die Hunnen am Donaustrom angegriffen (hier Danubius genannt bei NikephorosIstros) und ihnen eine schwere Niederlage zugefuumlgt habe Auch indiesem Punkt stimmt Nikephoros mit Malalas uumlberein dies ist derzweite Bindefehler der die Abhaumlngigkeit des Nikephoros von Ma-lalas bestaumltigt Danach weichen aber beide Uumlberlieferungen von -ein ander ab Malalas (und das Chronicon Paschale) erwaumlhnt zuerstden Tod Alarichs (d h Theoderichs) der beim Handgemenge einetoumldliche Pfeilwunde davontrug Anschlieszligend geht er zu Attilauumlber und stellt fest in gleicher Weise (hσατως) sei Attila ums Le-ben gekommen Damit meint er allerdings nicht dass Attila in die-ser Schlacht getoumltet wurde Der Chronist stellt ja die Ursache und

200 Dar iusz Brodka

46) Malal 1410 κα κηκοGς 6τιος A πρτος συγκλητικς μης τν Fπερ-β)λλουσαν τλμαν τς πονενοημνης ποκρ0σεως 6ττιλ[ πλθε πρς 6λ)ριχονπρς το7ς Γ)λλους dντα ampχθρν ωμα0ων δι jνριον κα προετρψατο ατνκα lνεγκεν ατν μα ατN κατ 6ττιλ[ ( ) κα ampξα0φνης ampπιρρ0ψαντες ατNhς ampστν πληκεων πλησ0ον τοgt Δανουβ0ου ποταμοgt ltκοψαν ατν χιλι)δας πολ-λ)ς ε_ς δ5 τν συμβολν πληγν λαβGν A 6λ)ριχος π σαγ0τας ampτελετησενhσατως δ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν καταφορ αnματος δι τν ινν ampν -εχθεσα νυκτς ( ) περ ο πολμου συνεγρ)ψατο A σοφτατος Πρ0σκος A ΘρoξVgl auch Chron Pasch p 587 Dind

47) Nikephoros verfuumlgte somit uumlber keine bessere Kopie des Malalas-Textesals diejenige die bis heute erhalten ist

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 17: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

die Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs praumlzise dar infolge eines Blutsturzes waumlhrend der Hochzeitsnacht Malalas sagt abernicht dass Attila erst 453 also zwei Jahre nach der Schlacht starbAn dieser Stelle beruft sich Malalas (und folglich auch das Chroni-con Paschale) auf Priskos als seine Quelle48 Daruumlber hinaus fuumlgt erin seinen Bericht eine andere Version von Attilas Tod ein die nichtmehr auf Priskos zuruumlckgeht Es ist nicht klar ob Malalas hierwirklich Priskos direkt verwendet und ihn selbststaumlndig ergaumlnztoder ob er eine Mittelquelle (wohl Eustathios) benutzt die diese alternative Version von Attilas Tod enthielt49 Die moderne For-schung hat bereits erkannt dass Malalas manchmal bewusst dasMaterial aus verschiedenen Quellen zu verbinden versucht50 umein kohaumlrentes und rationales seiner Weltanschauung entspre-chendes Bild des Geschehens zu schaffen51 Die gesamte Passage zuAttila hat ihre innere Logik und ist insgesamt sehr stimmig Sie berichtet von der Uumlberheblichkeit eines Hunnenkoumlnigs der beideroumlmischen Reiche zu unterwerfen versuchte aber von Aetius undseinen Verbuumlndeten besiegt wurde und bald danach starb In die-sem Bericht ist die chronologische Perspektive leicht verworrenDie Rezipienten gewinnen den falschen Eindruck dass sich dasganze Geschehen noch unter der Herrschaft des Theodosius ent-wickelte waumlhrend die meisten dargestellten Ereignisse in Wirk-lichkeit in die Zeit Marcians fallen Die einzelnen Fehler brauchennicht unbedingt als bloszlige Erfindungen des Malalas bzw seinerVorlage betrachtet zu werden sondern sie resultieren vielmehr ausungeschickter Abkuumlrzung des umfangreichen Berichtes des Pris-kos mangelndem Verstaumlndnis gewisser Fakten und der Verwechs-lung der Personen und Ereignisse

201Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

48) Whitby Whitby (wie Anm 8) 78 Anm 260 nahmen an dass Malalas undNikephoros hier auf Eustathios von Epiphaneia zuruumlckgingen der den Bericht desPriskos stark uumlberarbeitet und durcheinandergebracht habe

49) Obwohl die moderne Forschung nicht ausschlieszligt dass Malalas hierPriskos als unmittelbare Vorlage verwendet nimmt man wegen der verworrenenNatur dieser Passage an dass er ihn aus zweiter Hand (uumlber Eustathios von Epi-phaneia) kennt So E Jeffreys Malalasrsquo Sources in Jeffreys Croke Scott (wieAnm 7) 180 191 Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110ndash111

50) Nach Konstantinopel kamen wohl zahlreiche Nachrichten uumlber drama-tische Ereignisse die im Zusammenhang mit Attilas Tod und dem Zerfall seines Imperiums standen Vgl dazu Iord Get 263

51) Jeffreys (wie Anm 49) 215 mit Beispielen

Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

202 Dar iusz Brodka

52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

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1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

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65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

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Interessant ist die Frage woher und warum der Name Alarichin dieser Geschichte erscheint52 Man darf nicht von vornherein ausschlieszligen dass Priskos es war der den unrichtigen Namen desGotenkoumlnigs nannte Meines Erachtens ist es aber weitaus plausib-ler dass diese Aumlnderung erst in der spaumlteren Uumlberlieferung aufkamEs gibt einige moumlgliche Gruumlnde die zu einer solchen Verwechslungfuumlhren konnten Von Bedeutung ist der Umstand dass die Persondes Kaisers Honorius an dieser Stelle in dem slawischen Malalasund im Chronicon Paschale erscheint53 Dies belegt dass Honoriusin diesem Kontext auch in der griechischen Urfassung der Chronikvorkam Davon geht auch Thurn in seiner Malalas-Ausgabe ausDie Rede ist naumlmlich davon dass Alarich wegen Honorius derFeind der Roumlmer war Hier muss es somit urspruumlnglich um Ala-rich I den Eroberer Roms im Jahr 410 der gegen Kaiser Honoriuskaumlmpfte und nicht um den Westgotenkoumlnig (d h Theoderich I418ndash451) der auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 fiel ge-gangen sein Priskos kann einfach Theoderich mit dessen bekann-testem koumlniglichen Vorgaumlnger d h Alarich in Zusammenhang ge-bracht haben und erst ein spaumlterer Benutzer seines Werkes kann die Namen der Koumlnige bewusst oder unbewusst verwechselt habenmoumlglicherweise um zu zeigen wie schwierig das Buumlndnis zwischenden alten Feinden d h zwischen Rom und den Westgoten warSehr plausibel ist es also dass gerade Malalas diesen Fehler begingEine solche hypothetische Rekonstruktion der Priskos-Darstellungkoumlnnte erklaumlren warum Honorius in diesem Kontext erscheint

Falsch ist offensichtlich auch die Lokalisierung der entschei-denden Schlacht zwischen Aetius und Attila Sie fand in Gallien auf den Katalaunischen Feldern statt und nicht an der Donau Al-ler Wahrscheinlichkeit nach schilderte Priskos diese Schlacht sehrdetailliert und dieser Schilderung folgte Theophanes (Theoph AM5943)54 Warum also spricht Malalas dann von einer Schlacht an derDonau Es scheint dass er auch in diesem Fall urspruumlnglich unver-

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52) Blockley 1983 (wie Anm 1) 391 Anm 110 erkannte nicht die Abhaumlngig-keit des Nikephoros von Malalas und nahm zu kategorisch an dass Alarich bereitsbei Eustathios von Epiphaneia erwaumlhnt worden sei Eine solche Voraussetzung istzwar moumlglich aber nicht notwendig

53) Im erhaltenen griechischen Text im Codex Bodleianus Baroccianus 182fehlt der Name des Honorius an dieser Stelle

54) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage als dubium be-trachtet vgl Blockley Prisc fr [212] Carolla Fr 65

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 19: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

bundene Ereignisse miteinander verknuumlpft Malalas oder seine un-mittelbare Vorlage muss hier die Schlacht auf den KatalaunischenFeldern von 451 mit den spaumlteren Kaumlmpfen die zum Ruumlckzug At -tilas aus Italien im Jahr 452 beitrugen verbunden haben Von Be-deutung sind die Beobachtungen von Maenchen-Helfen der auf die Information in der Chronik des Hydatius verwies (Hyd chron146 Burgess)55 und aus diesem Grund annahm dass es im Jahr 452zu einer militaumlrischen Intervention Marcians in der Donauzone so-wie zu einer offensiven Aktion des Aetius gekommen sei56 Zwar bewertete Maenchen-Helfen den Wahrheitsgehalt dieser Aussagedes Malalas extrem negativ57 es scheint aber dass man dieses Text-zeugnis nicht vernachlaumlssigen sollte da es als wertvolle Bestaumltigungfuumlr das was Hydatius berichtet betrachtet werden kann Malalas exzerpiert hier einfach ungeschickt aus dem Bericht uumlber die Ereig-nisse der Jahre 451ndash453 ohne die richtigen kausalen und chrono -logischen Zusammenhaumlnge zu bewahren Eine solche Arbeitsme-thode ist fuumlr die byzantinischen Chronisten recht typisch Vielesscheint darauf hinzudeuten dass die Vorlage des Malalas von einemAngriff der Ostroumlmer undoder des Aetius gegen Attila im Jahr 452handelte und dass Malalas die Kriegshandlungen von 451 und von452 miteinander vermengt hat Leider erklaumlrt dies nicht ob wiemanche vermuten ein anderer ostroumlmischer Aetius die ostroumlmi-schen Truppen befehligte58 Immerhin deuten die fehlerhaften Be-

203Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

55) Hyd chron 146 (Burgess) Secundo regni anno principis Martiani Uniqui Italiam praedabantur aliquantis etiam civitatibus inruptis divinitus partimfame partim morbo quodam plagis caelestibus feriuntur missis etiam per Martia-num principem Aetio duce caeduntur auxiliis pariterque in sedibus suis et caelestibusplagis et per Marciani subiguntur exercitum et ita subacti pace facta cum Romanisproprias universi repetunt sedes ad quas rex eorum Attala mox reversus interiit

56) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 137 ff57) Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 13058) Einige Forscher plaumldieren fuumlr die These es gehe bei Hydatius nicht um den

bekannten westlichen Aetius sondern um einen anderen Aetius comes domesticorumin Byzanz der 454 mit dem Konsulat geehrt worden sei Vgl u a E A ThompsonThe Huns Oxford 1996 163 M OrsquoFlynn Generalissimos of the Western Roman Em-pire Edmonton 1983 98 ff G Wirth Attila Das Hunnenreich und Europa Stuttgart1999 109 Andere meinen aber Hydatius denke hier an patricius Aetius Sieger vonden Katalaunischen Feldern so G Zecchini Aezio lrsquoultima difesa dellrsquoOccidente Ro-mano Roma 1983 138 Maenchen-Helfen (wie Anm 35) 138 T Stickler Aetius Ge-staltungsspielraumlume eines Heermeisters im ausgehenden Westroumlmischen Reich Muumln-chen 2002 147 M Pawlak Aecjusz i barbarzy cy Krakoacutew 2007 270 Anm 81 Zur In-terpreation dieser Hydatius-Passage vgl auch R W Burgess A New Reading for Hy-datius Chronicle 177 and the Defeat of the Huns in Italy Phoenix 42 1988 357ndash363

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

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63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 20: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

merkungen des Malalas auf gewisse militaumlrische Aktivitaumlten der Rouml-mer in der Donauzone hin die im Jahr 452 stattgefunden habenmuumlssen Dies wuumlrde auch erklaumlren warum die Niederlage Attilasmit seinem Tod zeitlich verbunden wird Die Feststellung hσατωςδ5 κα A 6ττιλ[ς ampτελετησεν (Malal 1410) ergibt keinen Sinn fuumlrdas Jahr 451 und die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern fuumlrdas Jahr 452 nach dem Ruumlckzug aus Italien waumlre sie hingegen ak-zeptabel Nach seinem Ruumlckzug aus Italien hat Attila nichts mehr erreicht und starb bald danach59 Besonders irrefuumlhrend ist fuumlr dieRezipienten die Feststellung hσατως ndash in gleicher Weise ebensoDadurch betont Malalas dass auch Attila den Tod fand also aumlhnlichwie Theoderich aber nicht dass Attila in der Schlacht gegen Aetiusgetoumltet wurde Daruumlber hinaus koumlnnten die Rezipienten auch durchdie Reihenfolge der erzaumlhlten Ereignisse irregefuumlhrt werden Nachder Darstellung von Attilas Tod sagt Malalas noch dass Aetius nachseinem Sieg uumlber die Hunnen nach Rom zuruumlckkehrte Erst eineAnalyse die die Ursachen der Fehler des Malalas erklaumlrt erlaubt esdie noch verworrenere Version dieser Ereignisse bei Nikephoros zu verstehen Abgesehen von den stilistischen Fragen weicht dieFassung des Nikephoros von derjenigen des Malalas nur in einemPunkt ab Nikephoros stellt naumlmlich eindeutig fest Attila sei in derSchlacht gegen Aetius getoumltet worden iνθα δ κα 6ττ0λας ατνδρατι κεντηθες διεφθ)ρη (Nic HE 1457) Man kann somit davonausgehen dass Nikephoros den Bericht des Malalas missverstandenhat Der Satz bdquoAttila ist in gleicher Weise ums Leben gekommenldquoverstand Nikephoros als Indiz fuumlr den Tod Attilas auf dem Schlacht-feld Auch die erst am Ende des Berichtes stehende Nachricht uumlberdie Ruumlckkehr des Aetius nach Rom muss zu diesem Irrtum beige-tragen haben Auszliger Acht lieszlig Nikephoros hingegen Malalasrsquo Dar-stellung der wirklichen Umstaumlnde des Todes des Hunnenkoumlnigs

An dieser Stelle wo Malalas (und folglich das Chronicon Pas -chale) das Werk des Priskos als seine Vorlage nennt60 wechselt Nikephoros seine Quelle und beendet die Erzaumlhlung uumlber AttilaEr geht wieder zu den Vandalen uumlber und sagt Geiserich habe nunallein uumlber die Barbaren geherrscht Einen solchen Schluss gibt esweder bei Malalas noch bei Theophanes

204 Dar iusz Brodka

59) So sieht dies bei Hydatius aus60) In den modernen Priskos-Ausgaben wird diese Passage (allerdings der

Text vom Chronicon Paschale der weniger entstellt ist als derjenige von Malalas) alsPriskos-Fragment betrachtet (Blockley Prisc fr 211 Carolla fr 64)

IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

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IV Der Krieg gegen Persien und die Dichter und Bauwerke in der Zeit des Theodosius II

(Nic HE 1457 Malal 1423 Evagr HE 119)

Nikephoros geht nun zu den anderen Kriegen uumlber die zurZeit des Theodosius II gefuumlhrt wurden Er konzentriert sich aufden Krieg gegen Persien der mit einem Frieden beendet wurde der bis zum 12 Jahr der Regierung des Anastasius hielt Diese Ge-schichte bereichert er um eine Anekdote uumlber den Einzelkampfzwischen Areobindus und Ardazanes die auch aus anderen Quel-len vor allem aus Malal 1423 bekannt ist61 und beruft sich aufEustathios von Epiphaneia als seine Quelle p δ πολλος μ5νqστρηται ampπιττμηται δ5 μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πι-φανε0ας τN Σρ ς κα τν 6μ0δης λωσιν συνεγρ)ψατο Ausdiesem Satz koumlnnte man folgern dass Eustathios von Epiphaneiain Nic 1457 zu den Quellen gehoumlrt

Nikephoros uumlbernahm aber diesen Satz fast woumlrtlich vonEuagrios (Evagr HE 119 περ qστρηται μ5ν κα Bλλοιςampπιττμηται δ5 εL μ)λα κομψς κα Εσταθ0 τN ampξ 3πιφανε0αςτN Σρ ς κα τν λωσιν 6μ0δης συνεγρ)ψατο) Es gibt hier insgesamt viele Parallelen zu Euagrios Aumlhnlich wie dieser ergaumlnztNikephoros seinen Bericht uumlber die Herrschaft des TheodosiusSowohl Euagrios als auch Nikephoros verweisen auf zahlreicheAufstaumlnde (ampπαναστ)σεις) waumlhrend der Herrschaft dieses Kai-sers62 Auf Euagrios geht auch die Erwaumlhnung der Dichter Klau -dian und Cyrrhus in dem abschlieszligenden Teil der Passage Nic HE1457 zuruumlck Beachtenswert ist aber die Tatsache dass der Ab-schnitt der den Krieg gegen Persien enthaumllt bestenfalls nur teil-weise auf Euagrios zuruumlckgehen kann An der entsprechendenStelle gibt dieser naumlmlich nur sehr allgemeine Informationen uumlberden Verlauf des Krieges und nennt den Kirchenhistoriker Socratesals eine seiner Quellen Mit Euagrios stimmt Nikephoros nur da-rin uumlberein dass Theodosius die Perser besiegt und Frieden mit

205Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

61) Vgl Socr 718 Leo Gramm 108 9ndash23 Georg Monach 506ndash507 SymMagist et Logoth 965 Cedr 5996ndash13 Nur Malalas und Nikephoros geben denNamen des persischen Soldaten ndash Ardazanes ndash an

62) Nic HE 1457 Πλεσται δ5 κα Bλλαι ampπαναστ)σεις ampπ Θεοδοσ0ουampγνοντο ( ) sς καθελε πεζικN κα νηtτu στρατN ~ Evagr HE 119 3ν τος ατοςχρνοις Θεοδοσ0ου ampπαναστ)σεις συχνα ( ) γεγνασιν ( ) sς κα καθελε Θεοδσιος ( ) πεζικN τε κα νηtτu στρατN

ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

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ihnen geschlossen habe als sie durch eine Gesandtschaft darum gebeten haumltten Daruumlber hinaus erweitert Nikephoros seine Erzaumlh-lung um den Einzelkampf zwischen Areobindus und ArdazanesDiese Anekdote gibt es nicht bei Euagrios aber sie ist mit mehre-ren Details bei Malalas zu finden (Malal 1423) Moumlglicherweisewurde Nikephoros gerade durch den Bericht des Euagrios veran-lasst an dieser Stelle direkt auf Eustathios zuruumlckzugreifen Ichmeine dass Nikephoros den Bericht des Euagrios nicht mit Hilfedes Malalas sondern mit Hilfe des Eustathios ergaumlnzt hat Auszligerdem Verweis auf Eustathios spricht allerdings nichts gegen die Ab-haumlngigkeit des Nikephoros von Malalas Nikephoros kann einfachMalal 1423 abgekuumlrzt haben Der Verweis auf Eustathios brauchtaber gerade in diesem Kontext nicht unbedingt als ein bloszliges Zitatbetrachtet zu werden obwohl dies stets moumlglich ist63 Vor allemaber zeigt die bisherige Untersuchung dass es in dem gesamten Kapitel Nic HE 1457 Spuren einer Vorlage gibt die weder mitMalalas noch mit Theophanes oder Euagrios identisch ist Insge-samt scheint es sinnvoll die Benutzung des Eustathios in der rele-vanten Passage zu postulieren Aus diesem Grund nehme ich andass Nikephoros fuumlr den Einzelkampf zwischen Areobindus undArdazanes erneut auf diese vierte Quelle d h auf Eustathios zu-ruumlckgreift Deswegen hat er hier diese Quelle genannt64 Dies fuumlhrtalso zum Schluss dass die Bewertung des Eustathios selbst zwarauf Euagrios zuruumlckgeht aber der gesamte Schlussteil (zum rouml-misch-persischen Krieg) sowohl auf Euagrios als auch auf Eusta -thios gruumlndet Unklar bleibt jedoch die Frage ob die alternativeChronologie des Socrates die Euagrios hier auch beruumlcksichtigtaus einem selbststaumlndigen Nachdenken des Euagrios resultiertoder ob Euagrios sie bereits bei Eustathios gefunden hat

206 Dar iusz Brodka

63) In vielen Faumlllen wenn sich Nikephoros auf einen Autor beruft bedeutetdies nicht dass er ihn aus erster Hand kennt Meistens uumlbernimmt er den Nameneinfach von seiner direkten Vorlage Vgl z B Nic HE 151 wo am Anfang Priskosund am Ende Prokopios zitiert werden Diese lange Passage mitsamt den Verwei-sen auf beide Autoren geht vollstaumlndig auf Evagr HE 21 zuruumlck ohne andereQuellen zu beruumlcksichtigen

64) Es liegt somit nahe dass Malal 1423 auch auf Eustathios zuruumlckgeht

V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

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V Fazit

Abschlieszligend soll die Frage beantwortet werden in welchemMaszlig diese quellenkritische Untersuchung von Nic HE 1457 undallen wirklichen und vermeintlichen Vorlagen dieser Passage neueEinsichten in die Geschichtswerke des Priskos und des Eustathiosgewaumlhrt Wie groszlig ist der wirkliche Einfluss des Eustathios aufNic HE 1457 benutzte Nikephoros tatsaumlchlich noch im 14 Jahr-hundert seine Chronik Die genannten Fragen sind leider nichteindeutig zu beantworten Diese Untersuchung hat deutlich ge-zeigt dass Nikephoros lediglich in sehr beschraumlnktem Umfang zurErforschung der verlorenen Geschichtswerke die in der ausgehen-den Antike entstanden beitragen kann Zwar beruft sich Nike-phoros auf Eustathios namentlich die gesamte Passage Nic HE1457 haumlngt aber von verschiedenen Quellen ab die sich stets uumlber-lagern Bestenfalls kann diese Nennung belegen dass Nikephorosgewisse Kenntnisse von Eustathiosrsquo Geschichtswerk hatte Es istklar dass Nikephoros hier einige Vorlagen benutzte wobei er sienicht systematisch verglich sondern lediglich zur gegenseitigen Ergaumlnzung heranzog Das Ganze sollte ein klares Bild der Auszligen-politik des Theodosius II ergeben Aus dieser Perspektive war dieOstpolitik (gegenuumlber Persien) sehr erfolgreich waumlhrend die Si-tuation im Westen wegen der komplizierten Lage auf dem Balkander Kontrolle entglitten ist Die groumlszligte Herausforderung waren dieVandalen deren Bekaumlmpfung der Konflikt mit den Hunnen un-moumlglich machte Wegen der hunnischen Bedrohung musste sich dieostroumlmische Politik zwangslaumlufig auf den Balkan konzentrierenMit dem Tod Attilas werden erneut die Vandalen zum Hauptpro-blem wie sich aus dem Hinweis auf die einzigartige politische Stel-lung Geiserichs ergibt Auch Theophanes erklaumlrt das Scheitern derVandalenpolitik durch den Druck seitens der Hunnen Nikepho-rosrsquo Bericht betont jedoch noch staumlrker die innere Abhaumlngigkeitder einzelnen Ereignisse sowie die Zwangslaumlufigkeit des Gesche-hens der Theodosius nachgeben musste Deswegen scheint es dasseine solche allgemeine Struktur der Erzaumlhlung die die kausalenZusammenhaumlnge stark akzentuierte auf den am Ende genanntenEustathios zuruumlckgehen kann Eustathios durch den Vergleich desTheophanes und Nikephoros rekonstruiert bewahrte seinerseitsdie Logik der historischen Darstellung des Priskos Es liegt alsonahe dass die hypothetische Quelle des ersten Teils von Nic HE

207Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

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1457 Eustathios von Epiphaneia ist Traumlfe diese Vermutung zufungierte Eustathios in Nic HE 1457 nicht als Nebenquelle mitHilfe derer kleine Korrekturen an der Uumlberlieferung des Theopha-nes gemacht wurden sondern waumlre eine der Hauptquellen Dieswuumlrde dann bedeuten dass Nikephoros im ersten Teil seiner Aus-fuumlhrungen weniger Theophanes als vielmehr dessen Quelle ndash Eu -stathios ndash exzerpiert haumltte

Die erhaltenen Fragmente des Geschichtswerkes des Priskosvon Panion und die Darstellung der Ereignisse von 441ndash447 durchTheophanes und Nikephoros beweisen daruumlber hinaus dass Pris-kos die militaumlrischen Handlungen nicht auszliger Acht lieszlig OhneZweifel wurde die Kriegsgeschichte in seinem Werk ausreichendberuumlcksichtigt worauf selbst die kurzen Notizen in den spaumlterenChroniken hinweisen Es scheint auch dass Priskos um genaueZahlenangaben bemuumlht war daher ist die Groumlszlige sowohl der roumlmi-schen Flotte des Theodosius im Jahr 441 als auch des Basiliskos imJahr 468 bekannt Was sich hier den Chroniken in den Punkten diewahrscheinlich auf Priskos zuruumlckgehen entnehmen laumlsst stimmtvoumlllig mit den erhaltenen Priskos-Fragmenten uumlberein Das Ge-schichtswerk des Priskos ist also fuumlr eine recht typische Reichsge-schichte zu halten die die komplizierten Bedingungen der groszligenPolitik im 5 Jahrhundert behandelte Deswegen stellte er die engenZusammenhaumlnge dar die es zwischen verschiedenen Ereignissen anverschiedenen Fronten gab

Gleichzeitig kann man auch erkennen wie subjektiv seinWerk von den folgenden Generationen der byzantinischen Histo-riker exzerpiert wurde Besonders intensiv wurde er von Eusta -thios von Epiphaneia und wohl durch dessen Vermittlung vonTheophanes benutzt Wie den Notizen des Theophanes und Nike-phoros zu entnehmen ist hat Eustathios zumindest teilweise dieLogik der Ausfuumlhrungen des Priskos (insbesondere bei der Her-vorhebung der aumluszligeren Bedingungen der ostroumlmischen Politik) bewahrt Man kann auch beobachten dass die richtige Datierungder von Priskos dargestellten Ereignisse den Chronisten sehr groszligeSchwierigkeiten bereitete Priskosrsquo Geschichtswerk das sich gat-tungsgemaumlszlig auf groszlige Politik Kriege und Diplomatie konzen-trierte legte weniger Wert auf die praumlzise Datierung der FaktenDaher verwundert es nicht dass die Chronisten die es exzerpier-ten so viele Fehler vor allem in der Chronologie begingen Diemeisten chronologischen und historischen Fehler Vereinfachun-

208 Dar iusz Brodka

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f

Page 25: WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE ... · WEGE UND IRRWEGE DER BYZANTINISCHEN HISTORIOGRAPHIE Quellenkritische Studie zur Priskos-Tradition bei Eustathios von Epiphaneia,

gen Missinterpretationen die fehlerhaften kausalen und chronolo-gischen Zusammenhaumlnge bei den Chronisten haben ihren Grundhoumlchstwahrscheinlich im Charakter der Vorlage d h in Gattungs-unterschieden zwischen der klassischen Historiographie und derChronographie65 So haben Eustathios und der wohl von ihm ab-haumlngige Theophanes alle Invasionen der Hunnen in Thrakien von441ndash447 zu einer einzigen zusammengedraumlngt waumlhrend Malalasdie Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 die ost-roumlmischen militaumlrischen Handlungen in der Donauzone im Jahr452 und den Tod Attilas miteinander unter Missachtung jeglicherchronologischen Perspektive verknuumlpfte

Wenn man sich das klar macht kann man die Mechanismendie zu den konkreten Irrtuumlmern gefuumlhrt haben besser verstehenauf diese Weise neue Einsichten sogar in verlorene Werke gewin-nen und folglich die spaumltantike und byzantinische Chronographierichtiger einschaumltzen

Krakoacutew Dar iusz Brodka

209Wege und Irrwege der byzantinischen Historiographie

65) In Bezug auf die Chronik des Theophanes verweisen darauf I RochowZu einigen chronologischen Irrtuumlmern in der Chronographie des Theophanes inJ Herrmann H Koumlpstein R Muumlller (Hrsg) Griechenland ndash Byzanz ndash EuropaEin Studienband Berlin 1985 43ndash49 und Brandes 2005 (wie Anm 9) 120 f