was wäre wenn? - januar 11

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4. Ausgabe Januar 2011 SEITE07 ffener Brief nach Bundesbern. O SEITE28 xodus aus Helvetien. E Was wäre, wenn Wir früher reagiert hätten?

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Wäre alles besser? Ein Spiel mit Möglichkeiten.

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Page 1: Was wäre wenn? - Januar 11

4. Ausgabe

Januar 2011

SEITE07ffener Brief nach Bundesbern.O SEITE28

xodus aus Helvetien.E

Was wäre, wennWir früher reagiert hätten?

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4. Ausgabe, Januar 2011

2 Inhalt

RedaktionSimon Jacoby, Conradin Zellweger, Manuel Perriard

Bremgartnerstrasse 66

8003 Zürich

TextA.H.B. | A.B. | R.L.| G.S. | C.N. | L.L. | V.H. | S.J.

C.I. | F.M. | P.W. | P.M.W.

Illustration/BildB.B. | J.M. | A.S. | C.B. | V.I. | P.A.F. | S.K.

FotoL.L.

TiteltextG.U.GL & Ano N. Ym

LayoutPer Rjard

LektoratMara Bieler

WebdesignTimo Beeler | timobeeler.ch

DruckZDS Zeitungsdruck Schaffhausen AG

Auflage4000

Artikel [email protected]

[email protected]

GönnerkontoPC 87-85011-6, Vermerk: Gern geschehen

Thema der nächsten AusgabeZeitgeist oder der Geist der Zeit.

Weitere Themen zu folgenden Ausgaben auf dieperspektive.ch

RedaktionsschlussSonntag 16. Jänner, 2011, 16.01 Uhr

Impressum

EDITORIAL03Was wäre, wenn dieses Schiff über den Schnee schwimmen könnte?

HINTERGRUND04Lemmy hat Geburtstag.05L.O.S.06Fassaden - reisst sie nieder.07Offener Brief nach Bundesbern.0810 Dinge die frau auf Partnersuche nicht tun sollte. TEIL II09Die Strasse & Ich.10Irgend sonen Tubel.

THEMENSEITE13 - 24Was wäre, wenn?

KULTUR12Die Wiedergeburt der Schreibkultur.

KREATIVES25Plan B26Frieden28Exodus aus Helvetien.

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4. Ausgabe, Januar 2011

3Editorial

as wäre, wenn wir nicht so schrecklich egoistisch wären? Würden wir alle in Kommunen leben und uns gegenseitig lieb haben? Wä-ren dann die Hippies nicht durch den Markt wegrationalisiert worden? Was wäre, wenn wir uns um der Liebe willen lieben würden? Wären wir dann alle nur noch gemeinsam glücklich? Wäre dann alles besser, weil wir uns nicht nur auf uns selber fokussierten? Würde mit dem Ende dieses ekligen Egoismus die ganze Gesellschaft fundamental verändert? Was wäre, wenn sich die Welt plötzlich nur noch in Paaren organisieren wür-de? Würde der Bundesrat dann nicht mehr als Siebnergremium funktio-nieren, sondern sich in drei Zweiergruppen organisieren? Was wäre mit dem überzähligen Bundesrat? Wäre es einmal mehr Micheline, die dann im Abseits stünde?

Was wäre mit all den Szenis, die ja ach so viel Wert drauf legen, einzig-artig zu sein? Würden auch sie auf Paarmodus umstellen? Wären sie ver-sucht, als Paarhaufen möglichst einzigartig zu sein? Würde sich dadurch der Umsatz von American Apparel verdoppeln, weil fast auf der gesamten Kollektion „unisex“ drauf steht (sogar auf den BHs)? Was wäre mit den Journalisten der Weltwoche, wenn sie plötzlich das Paar Blocher und Toni Brunner synchron loben müssten? Wären sie total überfordert und wür-den den beiden die Worte im Mund umdrehen? Gäbe dann minus mal minus plus, sodass die Weltwoche plötzlich auf der linken Seite der WOZ Konkurrenz machen würde? Was wäre dann mit Rosche Köppel? Müsste er ausgeschafft werden, weil er sich selber verraten hätte?

Was wäre, wenn unser dritter Redaktor immer in Thailand in den Feri-en wäre? Wären dann alle Sitzungen so friedlich und unkompliziert? Zum Schluss aber habe ich noch eine einzige Frage: Was zum Teufel wäre, wenn letzte Woche meine Duschstange nicht kaputt gegangen wäre?

Simon Jacobyperspektivischer Redaktor

Was wäre, wenn dieses Schiff über den Schnee schwimmen könnte?

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4. Ausgabe, Januar 2011Hintergrund4

s weihnachtet schwer. Dicke Männer in roten Kostümen grinsen von Plakaten. Der Konsum schreit. Wir folgen ihm und landen dort, wo Besinnlichkeit bis zur Besinnungslosigkeit gekauft werden kann. Genau! An der Bahnhofstrasse. Man erkauft sich das kommende Seelen-heil. Das ist teuer. Stinketeuer! Aber das ist scheissegal. Schliesslich feiert man Weihnachten nur einmal im Jahr. Dieses Jahr, nächstes Jahr, und all die Jahre nachher auch noch. Nicht zu vergessen die Weihnachten, die man schon gefeiert hat. Das ist fast so wie Geburtstag. Da kommste nich drum rum!

Gesegnet sind diejenigen, die beides gleichzeitig feiern dürfen. Wie zum Beispiel das Christkind oder Mr. Motörhead, Lemmy Kilmister. Weil aber Weinachten so stinketeuer ist, kauft man gerne Lotionen und Mittelchen, die den Gestank übertünchen. Die Herrscher und Priester der Konsumtempel wissen das nur all zu gut. Darum platzieren sie ihre Parfüminfanterie direkt an den Eingängen. Bewaffnet mit Müsterchen. Spritz, spritz, spritz. Da kommste nich drum rum! Ob Asthmatiker oder nicht. Keine Gnade, lautet die Devise. Opfer müssen gemacht werden! Vor den Toren lauern schon die Heilsarmee, Weltverbesserungsorganisationen oder andere Sekten, bei denen man sich schon für lumpige 5 Fränkli im Monat ein ruhiges Gewissen kaufen kann. Absolution ist schon eine tolle Sache. Wer möchte sich nicht reinwaschen vom Gedanken daran, dass die erworbenen Geschenke nur dank den klitzekleinen Löhnen in irgendwel-chen Ländern, far far away, erschwinglich sind. Da spendet man gerne, da kommste nich drum rum.

Liebes Christkind. Falls du die Perspektive liest, hier noch meine Wunschliste.

1. Cowboyhut, so einen wie Lemmy hat.2. Cowboystiefel, solche wie Lemmy hat.3. Bademantel, so einen wie Lemmy hat.4. Jack Daniels Jahresabonnement, wie Lemmy eins hat. •

Lemmy hat Geburtstag.{Text} Apachenkönig Huntin‘Beer

Da kommste nich drum rum!

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4. Ausgabe, Januar 2011Hintergrund 5

EIN FILM VON XAVIER DOLAN

LES AMOURSIMAGINAIRES

MONIA CHOKRI NIELS SCHNEIDER XAVIER DOLAN

Ab 6. Januar im Kino

«Ein wundervolles Pop- und Retro-Mosaik.»

Les Inrockuptibles

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www.filmcoopi.ch

Sydney Film Festival Bester Film

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L.O.S.{Text} Anna BischofbergerF

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6 Hintergrund

nlass meiner Schreiblust ist das von Misserfolg gezeichnete Ergebnis meiner regen Bewerbungstätigkeit. Ich muss den Frust loswerden. Mit jeder weiteren Absage verstärkt sich in mir das Gefühl, dieser Welt den Rücken zukehren zu wollen und von nun an ein Dasein als Über-lebenskünstlerin zu fristen, irgendwo in einer Waldhütte, wo mich ausser der Frage, wie ich die nächste Malzeit auftreibe, nicht viel anderes interessiert.

Zurück zu meinem Problem. Sind wir ehrlich, Bewerbungsschreiben sind doch nichts anderes als der Versuch, sich beim Arbeitgeber einzuschleimen. Das fängt an mit „Sehr geehrte/r so und so“. Seit wann ehre ich einen Menschen, den ich noch nie im Leben gesehen habe und von dem ich nicht weiss, ob er mir überhaupt sympathisch ist? Tu ich nicht.

Was dann folgt, ist Verlogenheit in Reinkultur. In neunzig Prozent der Fälle interessiert es mich nämlich herzlich wenig, dass ich in einem „abwechslungsreichen und spannenden Arbeitsumfeld in einem jungen, dynamischen Team“ arbeiten werde. Aber ich poliere meine Formulierungen auf Hochglanz und täusche brennendes Interesse vor; um die Bewerbung abzurunden, gebe ich noch bekannt, dass mich die Aussicht auf ein baldiges Vorstellungsgespräch in höchstem Masse erfreut. Ich brauch Kohle und habe keine Lust, irgendwo zwischen Kohlköpfen und Konservendosen in einem Lebensmittelgeschäft zu versauern. So sieht’s aus. Ganz abgesehen davon, dass ich Vorstel-lungsgespräche ätzend finde.

Dass jedes zweite Unternehmen es sehr bedauert, mir keinen besseren Bescheid geben zu kön-nen, glaube ich mittlerweile auch nicht mehr. Nichts als unbrauchbare Floskeln, wo auch immer man hinschaut.

Diese meine Situation regte mich zum Nachdenken an. In meinem Ärger las ich die Anforde-rungsprofile und meine Bewerbungsschreiben nochmals durch und fragte mich verzweifelt, was ich eigentlich falsch machte. Das Ergebnis lautete: nichts! Was den Eindruck der Falschheit in mir hervorrief, war dieses ganze Rollengehabe. Die leeren Redensarten, die abgegriffenen Wendungen, von Echtheit keine Spur.

ocationwechsel. Meine Arbeitskollegin schüttelt der Begleitung eines Kunden zum Abschied die Hand und beteuert, dass sie das Kennenlernen sehr gefreut habe. Das verbindliche Lächeln noch immer im Gesicht, kommt sie mir entgegen. Kaum sind wir drei Sekunden später unter uns, klatscht sie mit der Hand entnervt auf einen Tisch und seufzt, dass es sie eigentlich in keinster Weise gefreut habe. Aber der Kunde sei König. Heuchelei stand ja bekanntermassen auch schon in der mittelalterlichen Hofgesellschaft an der Tagesordnung.

un, einige Tage nach dem Bewerbungsdebakel, sitze ich im Zug und feile an meinem Text. Mir schräg gegenüber sitzt ein aufgestyltes Püppchen mit blondierten Haaren und einer Tonne Schminke im Gesicht. Da ist sie wieder, die Fassade, aalglatt präsentiert sie sich mir in menschlicher Form. Wobei ich mir an diesem Punkt die Frage stelle, ob dieser Anblick noch etwas mit menschlichem Dasein zu tun hat. Ich jedenfalls fühle mich von diesem Erscheinungsbild aufs Höchste angestachelt, mit einer gehörigen Portion Gegengift einen Kontrapunkt zu setzen. Zuerst lege ich eine Zeitung auf den gegenüberliegenden Sitz, dann lasse ich demonstrativ meine schmut-zigen Undercover-Stiefel darauf plumpsen. Erfreut und mit einer inneren Befriedigung stelle ich fest, dass die Diva angewidert in die Ecke ihres Sitzes rutscht.

In meinen Ohren knüppeln Vader mit „Epitaph“: Watching out the flowing people, how you define the mob? Miserable life of rats. Musik ohne Schnörkel. Musik, die so klingt, wie sie gemeint ist. Musik, die Wahrheiten in die Welt hinaus prügelt.

In meiner nächsten Bewerbung werde ich den sehr geehrten Damen und Herren wohl mal ein paar solche Zitate vorsetzen. Vielleicht checkt’s ja einer. •

Fassaden - reisst sie nieder!{Text} Ramona Lackner

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LN

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7Hintergrund

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8 Hintergrund

Dich mit deinen Langzeitbeziehungs-Freundinnen über dieProblematik unterhalten.

Sie werden frau schlicht und einfach nicht verstehen. Auch wenn die Freundinnen sich sonst in- und auswendig kennen und über alles sprechen; in dieser Situation kön-nen sie nicht mit Tipps zur Seite stehen. Sie wissen nicht mehr wie es ist, sich bemühen zu müssen, und können frau höchstens durch ihr eigenes glückliches Liebesleben deprimieren. Und dabei kann frau noch nicht einmal wütend auf sie sein, weil es ja die Freundinnen sind.

7. Schnulzige Filme ansehen oder kitschige Bücher lesen.Es gibt immer ein Happy End, die unmöglichsten Hindernisse werden umschifft,

das hässliche Entlein wird zum wunderschönen Schwan und jedes Pech wandelt sich in Glück. Während rund 90 Minuten oder 300 Seiten wird frau vor Augen geführt, wie schön eine Partnerschaft sein könnte und was sie alles verpasst, bis dass sie am Ende glaubt, der einzige Single der Welt zu sein. Sogar in Filmen mit verheissungsvollen Titeln wie „Er steht einfach nicht auf dich“, steht nach 129 Minuten jeder auf jeden. So gibt es nichts Besseres für die Seele als ein paar hinterhältige und kaltblütige Morde. Da fühlt sich frau gleich viel besser und - vor allem - normaler.

8. Eine Typveränderung versuchen.Das kann nur schief gehen. Sicher, Neues auszuprobieren macht Spass und ist ein

lustiger Zeitvertreib unter Freundinnen. Aber mal ehrlich: Will sich frau wirklich die Mühe machen, sich dauerhaft zu verändern? Wozu denn? Eine versuchte Typverände-rung artet leicht in ein ungewolltes Kostümfest aus, nur dass frau die einzige Kostü-mierte ist. Und wer sich nicht unbedingt wie Bridget Jones im Häschenkostüm auf der Gartenparty fühlen will, lässt es lieber bleiben. Viel besser geht frau ein bisschen shoppen und bleibt ihrem eigenen Stil treu. Dazu hat sie ja auch einen.

9. Mögliche Kandidaten mit Expartnern vergleichen.Trifft frau einen vielversprechenden Kandidaten, ist es alles andere als hilfreich, ihn

mit einem Ex zu vergleichen. Auch wenn frau sich nach einer gewissen Zeit nur noch an die schönen gemeinsamen Zeiten erinnert, gibt es ganz bestimmt jede Menge triftige Gründe, weshalb er eben der Ex und nicht der Partner ist. Und mal ehrlich, frau muss nicht zwingend immer wieder auf den gleichen Typ Mann hereinfallen. Denn der glei-che Typ Mann wird sie früher oder später auch wieder vor die gleichen Probleme und wahrscheinlich sogar Trennungsgründe stellen.

10. Hochzeitsglocken läuten hören.Frau denkt, sie hat es geschafft! Sie hat einen netten Mann getroffen, sich gut un-

terhalten und er hat eindeutig Interesse gezeigt. Es kann durchaus passieren, dass frau in der ersten Euphorie bereits die Hochzeitsglocken läuten hört. Wenn frau sich aber nicht per Zufall in einen Hollywood-Film verirrt hat, ist dies noch ein wenig verfrüht. Sobald frau merkt, dass sie beim netten Mann ein leichtes Spiel hat, verfl iegt der Spass der Jagd. Was dann noch übrig bleibt, ist matchentscheidend. Nur nett? Das möchte frau sich wahrscheinlich lieber nicht antun und die Glocken verstummen wie von selbst. Interessant, erfrischend, einfallsreich, unterhaltsam und liebenswert? Vielleicht hat frau ja doch das grosse Los gezogen. Einen Versuch ist es defi nitiv wert. •

Fortsetzung der Dezemberausgabe 2010.„10 Dinge die frau auf Partnersuche nicht tun sollte.“

Teil 2: Die Abrechnung{Text} Cornelia Noti

6.

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9Hintergrund

November 2010, als der Schnee das erste Mal fällt. Zauberstadt. Aber auch meine Stadt, und das wirklich ohne jeglichen Zauber. Schnee bedeutet für mich Kälte – Nässe – Tod. Ich lebe nicht wie ihr in warmen Stuben mit weichen Betten, wo gelbes Licht die Geborgenheit durch Fenster in die Kälte schreit.

Ich lebe auf der Strasse. Darauf bin ich stolz. Ich könnte irgendwo bestimmt unterkommen, das weiss ich. Geht aber gegen’s Prinzip und Prinzipien sind gut. Was, woran

man sich halten kann.

Letztes Jahr drohte ich zweimal zu erfrieren, unter der Kornhausbrücke. Doch die fanden mich, zwei Sozialidioten. Den einen kannt’ ich schon, kommt auf die Strasse, spricht mit mir, hat keine Ahnung, tut aber so. Glaubt es wahrscheinlich auch. Sie haben mich mitgenommen, in Decken gepackt. Das war irgendwie schön, obwohl die mich nervten. Es könnt’ anders sein. Ich weiss. Aber ich komm nicht zurück, ihr Wixxer. Ihr habt‘s euch mit mir versaut. Lieber lieg ich in eurer Gesellschaftskotze.

Bei der Kornhausbrücke bin ich oft. Da sind die Nutten. Das ist mein Kino. Wenn ihr jetzt denkt, das geilt mich auf, dann habt ihr keine Ahnung, wie ich ticke. Ich kenn’ die alle. Sie mich nicht. Hab ihnen Namen gegeben, Kamala, Astrid, Syntetica. Ich wette auf die Autos, welches hält an, welches nicht. System hab ich da bis jetzt keines erkannt. Die, die ich Astrid nenne, mag ich sehr, die trägt auch viel Kleidung und braunes Haar. Einmal hat sie geweint, da hab ich mich verliebt. Am Anfang nann-te ich sie Laura, bis sie weinte. Der Name war ihr nicht mehr würdig, jetzt heisst sie Astrid, wie meine Mutter.

An meine Mutter mag ich nicht denken. Was ihr passiert ist, würdet ihr mir nicht in tausend Jahren glauben. Nicht, dass ich das hier erzählen würde. Ganz bestimmt nicht jetzt. Später, vielleicht.

Auf jeden Fall heisst die jetzt Astrid und der schau ich gern zu. Tagelang. Manchmal schaut sie zu mir rüber, angewidert.

Das stört mich schon. Wenn ihr wüsstet, wie sie ist, würd‘ euch das auch stören. Also ich versuch’ sie euch zu beschreiben: Sie hat diese langen braunen Haare, ganz glatt, wie Wasser. Sie ist nicht dünn und nicht dick. Das Gesicht ist ganz lieblich, schmale Lippen, kleine Augen, grosse Nase, hohe Stirn. Jetzt, wo es wieder kälter ist, trägt sie eine schwarze Steppjacke. Schwarz, braun, weiss. Ihr Gesicht, schneeweiss. Wunderschön.

Jetzt werd’ ich sentimental und Sentimentalität gehört nicht auf die Strasse. Hat mir mal einer erklärt. Ist so. •

26.

Die Strasse & Ich.{Text & Foto} Lux Lisbon

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10 Hintergrund

„DIrgend sonen Tubel

{Text} Veronika Henschel

{Text & Umsetzung} Gian Steiner

er Bahnhof Stadelhofen ist bis auf weiteres nicht befahrbar, Grund dafür ist ein Perso-nenunfall. Wir bitten Sie um Verständnis.“

Ist es nicht bedenklich, dass so viele Menschen lieber sterben, als in unserer Gesellschaft weiter-zuleben? Jedes einzelne Mal, wenn jemand von einer Brücke springt, sich vor einen Zug wirft oder Tabletten nimmt, jedes Mal, wenn ein Menschenleben unnötig verloren geht, haben wir versagt. Wir, als Gesellschaft. Denn wir waren nicht in der Lage, diesem Menschen das zu geben, was er brauchte.

Jedes einzelne Mal, wenn ein Mensch den Weg Freitod als den einzigen oder besten ansieht, haben wir auf ganzer Linie versagt. Und das sollte uns treffen, das sollte uns aufwecken, uns erschre-cken und uns aktiv werden lassen. Doch aktiv werden wir einzig, indem wir den Arbeitgeber infor-mieren, dass wir zu spät kommen, weil schon wieder „irgend sonen Tubel vor de Zug gumped isch“.

Und wieder einmal frage ich mich: Was muss noch passieren, damit wir endlich aufmerksam werden? Damit wir unseren Mitmenschen endlich die nötige Beachtung schenken, ein offenes Ohr oder eine helfende Hand anbieten? Damit wir begreifen, dass manches nicht von selber kommt? Wie viele Zeichen und Warnungen müssen noch kommen, wie viele Opfer müssen noch gebracht werden?

Ich fordere euch dazu auf, euer Handeln zu überdenken, euch selbst zu beobachten, kritisch zu betrachten. Ich fordere euch dazu auf, euch auch mit den unangenehmen Themen des Lebens zu befassen. Ich fordere euch dazu auf, weil es absolut notwendig ist, dass sich in unserer Gesellschaft etwas ändert. Und am besten fängt man ja bekanntlich immer vor der eigenen Haustür an. Also: Öffnet eure Türen, kommt ein, zwei Schritte heraus und kämpft euch durch den Müllhaufen, den ihr da vorfi nden werdet! Es ist an der Zeit. Es ist überfällig. •

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Da isst jeder gern vegetarisch. www.hiltl.ch

RufLanz

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12 Kultur

ie Auswirkungen der digitalen Vernetzung sind gigantisch und erobern das Be-wusstsein der kommenden Generationen auf eine Weise, wie sich das die Älteren nicht vorstellen können.

Die jungen Menschen werden gerne auch als „digital Einheimische“ bezeichnet, da sie in einer Zeit aufwachsen, in der das Internet bereits zum festen Alltag gehört. Ihnen gegenüber stehen ihre Eltern, die „digitalen Immigranten“ und die Grosseltern, die „digital Heimatlosen“. Weil Jugend-liche mit dem Internet aufwachsen, nutzen sie dieses auch sehr intensiv. Technische Geräte, wie z. B. Netbooks und das iPhone vereinfachen den Zugang zum Internet fortwährend.

rüher trafen sich Kinder und Jugendliche draussen zum Spielen, heute sind Treffen in den so genannten „social networks“ (Facebook, Myspace) beliebter. Hier kommen vorwiegend junge Menschen aus aller Welt online zusammen und kommunizieren miteinander. Diese Plattformen ermöglichen den Internetnutzern, soziale Kontakte zu pflegen, ohne den Schreibtisch zu verlassen. Es stellt sich die Frage, ob Jugendliche, die einen Grossteil ihrer Freizeit in sozialen Netzwerken verbringen, nicht einen Entwicklungsschritt verpassen. Jugendliche haben viel Zeit zur freien Ver-fügung, welche genutzt werden sollte, um reale soziale Kontakte zu pflegen, um Dinge auszupro-bieren, um Grenzen zu erfahren.

ie Schreibkultur erlebt eine unglaubliche Renaissance, die durch die Vernetztheit der Jugend stattgefunden hat. Ein heranwachsender Mensch vor zehn oder zwanzig Jahren war schriftlich um ein Vielfaches weniger aktiv als es die heutige Jugend ist. Experimentiert wird mit neuen Schreibweisen und neuen Wörtern, die jegliches Gefühl für Orthografie und Grammatik vermissen lassen, jedoch auch gerade deshalb dem Schreibenden ein Gefühl der Exklusivität und der Kreativität verleihen.

Freundschaften in der digitalen Welt bieten Gleichgesinnten auf dem ganzen Planeten die Möglichkeit, sich zu vernetzen, miteinander zu kommunizieren und so ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen.

Durchaus problematisch ist die tägliche Veröffentlichung von Daten aus dem Privatleben wie zum Beispiel Fotos und intime Details. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass die Betroffenen frei-willig und kontrollierend über die Daten entscheiden, zu denen andere Nutzer Zugang erhalten.

Unsere junge Generation erhielt mit dem ständig verfügbaren Internet ein virtuelles, gren-zenloses Gefäss, in welchem sie sich in einem Masse selbst verwirklichen kann, wie das ohne nicht möglich wäre. Doch sollten wir aufpassen, dass das Leben nicht vollständig in diesem Gefäss statt-findet, sondern in der grossen, freien Welt. •

Die Wiedergeburt der Schreibkultur.{Text} S. aus A. bei Z. wohnhaft in W.

Das Internet und die Jugend sind heute kaum trennbar.Durch ihre ungeheure Vielseitigkeit übt die digitale Welt eine starke Anziehung aus.

Wandel des Soziallebens

Vorzüge der virtuellen Welt

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13Was wäre, wenn...

{Text & Illustration} Bianca Barandun

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14 Was wäre, wenn...

as wäre,wenn wenn nicht wenn wäre?Was wäre es denn,wenn wenn nicht wenn wäre?

in Wörtchen mit anderem Sinn,eine Form mit anderem Ende und Beginn?

enn denn wenn denn wäre,wäre was wäre wenn was wäre denn,und wenn ein Wörtchen, das ich so nicht kenn.

o bleibe ich lieber beim wenn, wenn ich wenn sage,das entspannt die Lage,und erspart mir die Klage,ich sei zu verwirrt und plage unsere Sprache nicht zu vage.

ie Spielerei war’s trotzdem wert,ein wenig Wortsinnerei ist doch nie verkehrt.Lasst euch inspirieren,etwas zu kreieren. •

WEWSD

Was wäre wenn, wenn nicht wenn?{Text} Cécile Imhof

{Illustration} Julia Marti

What if I was deaf?

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15Was wäre, wenn...

Was wäre, wennBuchstaben biologisch abgebaut würden?

{Idee & Illustration} Anna Schönholzer

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{Illustration} Carole Birou

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4. Ausgabe, Januar 2011

18 Was wäre, wenn...

as wäre, wenn du dich wieder einmal einen Tag lang über die kleinen, wunderbaren Dinge des Lebens freuen würdest?

Was wäre, wenn du bis ins letzte Detail wüsstest, was du tust?Was wäre, wenn du auf einmal nicht mehr der Mittelpunkt deiner

Welt wärst?Was wäre, wenn der „Dateninformationskrieg“ um Wikileaks der 3.

Weltkrieg wäre? Würden dann Staaten gegen Einwohner kämpfen? Auf welcher Seite würdest du stehen? Und das nur im Internet?

Was wäre, wenn du eine Woche ganz ehrlich wärst? Was würdest du verlieren? Was würdest du gewinnen?

Was wäre, wenn du deine moralischen Ansichten dem Kapital unter-ordnen würdest?

Was wäre, wenn die französische Revolution gescheitert wäre? Und was ist eigentlich mit den demokratischen Grundsätzen Freiheit, Gleich-heit, Brüderlichkeit passiert? Gibt es die noch?

Was wäre, wenn du kritischer lesen, schreiben, denken würdest? Was wäre, wenn dein Leben nach Plan verlaufen würde? Wäre es

dann noch spannend?Was wäre, wenn du alles - und auch wirklich alles - beantworten

könntest? Würdest du an einen toten Punkt kommen?Was wäre, wenn alles Geld der Welt seinen Wert verlieren würde?

Würden wir wieder auf Tauschhandel umsteigen? Oder hätten wir neue revolutionäre Ideen?

Was wäre, wenn du dich opfern könntest, um den Weltfrieden herzu-stellen: Würdest du diesen Schritt machen?

Was wäre, wenn der Hintergrund in den Vordergrund rückt?Was wäre, wenn alle deine Ziele sich plötzlich ändern und du von nun

an etwas Anderes erreichen möchtest? Was müsste geschehen, um dein Leben so markant zu beeinflussen?

Was wäre, wenn schlussendlich alles egal und sinnlos ist, weil jeder von uns irgendwann sterben muss? Wäre wirklich alles egal und sinnlos? Tragen wir Verantwortung für das, was nach uns kommt?

Was wäre, wenn die Menschen sich einfach zu wichtig fühlen?Was wäre, wenn du dich mit all diesen Fragen ernsthaft auseinander-

setzen würdest?Und was wäre, wenn du keine Theorien aufstellen könntest?

Ach übrigens:Was wäre, wenn das Wesentliche nicht so oft im Kleingedruckten stehen würde? •

W

Was wäre, wenn du diesen Text nichtlesen würdest?

{Text} [email protected]{Illustration} Vincenzo Iorio

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19Was wäre, wenn...

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dieperspektive bedankt sich bei all denen, die fürGleichheit, Meinungsfreiheit und Menschenrechtekämpfen.Die dafür verfolgt, inhaftiert, gefoltert oder untermysteriösen Umständen spurlos verschwinden und umgebracht werden!

Ài Wèiwèi:chinesischer Konzeptkünstler & Bildhauer. Wegen seines politischen und gesell-schaftlichen Engagements ist er regelmäßig Repressalien durch chinesische Behörden und die Polizei ausgesetzt.

Anna Stepanowna Politkowskaja:war eine russisch-amerikanische Reporterin, Autorin und Aktivistin für Menschenrechte. Sie wurde bekannt durch Reportagen und Bücher über den Krieg in Tschetschenien, über Korruption im russischen Verteidigungsministerium und dem Oberkomman-do der Streitkräfte in Tschetschenien. Großes internationales Aufsehen erregte ihre Ermordung im Oktober 2006 im Treppenhaus vor ihrer Wohnung in Moskau. Der Mord geschah am Geburtstag des damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putin. Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt.

Aung San Suu Kyi:ist Politikerin und setzt sich seit den späten 1980er-Jahren für eine ge-waltlose Demokratisierung ihres Heimatlandes ein. 1991 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Am 13. November 2010 entließ die Militärregierung Myanmars Aung San Suu Kyi aus ihrem insgesamt 15 Jahre währenden Hausarrest.

Alexander Issajewitsch Solschenizyn:In den letzten Kriegsmonaten wurde er überra-schend von der militärischen Spionageabwehr verhaftet und in das Moskauer Gefängnis Lubjanka überstellt, weil er, Leninist, in Briefen an einen Freund Kritik an Stalin geübt hatte.

Andrei Dmitrijewitsch Sacharow:war ein russischer Kernphysiker, Dissident und Nobel-preisträger. Er verteidigte die Menschenrechte und unterstützte die Zivilgesellschaft.

Abdul Kadir Konuk: Kurdischer Schriftsteller. Wurde in der 1990 Türkei verfolgt und zum Tode verurteilt. Konnte jedoch aus dem Gefängnis fliehen.

China Keitetsi:wurde im Alter von acht Jahren von Soldaten der „National Resistance Army“ zwangsrekrutiert, lebte 10 Jahre als Kindersoldatin. Mit 19 Jahren Flucht durch fünf afrikanische Länder. Wurde in Südafrika vom ugandischen Geheimdienst aufgespürt und schwer misshandelt. Kam 1999 mit Hilfe der Vereinten Nationen nach Dänemark, lebt seitdem dort im Exil. Arbeitet als Sozialarbeiterin und engagiert sich gegen den Einsatz von Kindersoldaten.

Elena Tregubova:arbeitete fünf Jahre als Kreml-Korrespondentin für die Moskauer Tageszei-tung „Kommersant“. Wurde durch ihre Kritik an Wladimir Putin bekannt, entging 2004 nur knapp einem Bombenanschlag vor ihrer Wohnungstür in Moskau. Lebt seitdem untergetaucht, seit 2007 in Großbritannien im Exil.

Guillermo Fariñas Hernández:ist ein kubanischer Psychologe, unabhängiger Journalist so-wie politischer Dissident. Bekannt wurde er durch zahlreiche Hungerstreiks gegen das kubanische Regime zunächst unter Fidel Castro, später unter dessen Bruder und Nachfolger Raúl, unter deren Amtszeit Fariñas insgesamt elf Jahre im Gefängnis saß.

Jodgor Obid:1989 Mitglied der usbekischen Bürgerrechtsbewegung Birlik, die 1993 verboten wurde. Elfmal in Usbekistan im Gefängnis gesessen, wurde gefoltert, weil er mit seinen Texten die Zustände in seiner Heimat anprangerte. Seine Gedichte durften aufgrund ihrer Gesellschaftskritik in Usbekistan nicht mehr erscheinen. 1996 Flucht nach Österreich ins Exil.

Liu Xiaobo:ist ein chinesischer Schriftsteller und Dissident. Liu war Dozent an der Pädago-gischen Universität Peking und seit 2003 Präsident des chinesischen PEN-Clubs unabhängiger Schriftsteller. Im Dezember 2008 unterstützte er mit 302 anderen Intellektuellen das im Internet veröffentlichte Bürgerrechtsmanifest Charta 08 zum Internationalen Tag der Menschenrechte und wurde wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ festgenommen. Im Juni 2009 wurde offiziell gegen ihn Anklage erhoben. Am 25. Dezember 2009 wurde er zu elf Jahren Haft verurteilt.

Mumia Abu Jamal:ist ein US-amerikanischer Journalist und schwarzer Politaktivist. 1982 we-gen Mordes an einem Polizisten und Drogenkonsums angeklagt und in einem umstrittenen Ver-fahren zum Tode verurteilt. Sitzt seitdem in der Todeszelle. Schreibt seit zwei Jahrzehnten aus der Zelle seine kritischen Essays und Kolumnen, die der Öffentlichkeit ein schonungsloses Bild aus den Todestrakten der USA zeigen.

Roberto Saviano:ist ein italienischer Schriftsteller und Journalist. In seinem literarischen Werk und in seinen Reportagen beschäftigt er sich mit dem Phänomen der organisierten Wirtschaftskri-minalität. Nach der Veröffentlichung von Gomorrha und seines Engagements gegen die organisierte Wirtschaftskriminalität erhielt Saviano mehrere Morddrohungen. Anfang Oktober 2006 appellierte der Schriftsteller Umberto Eco in den Hauptnachrichten des italienischen Fernsehens für seinen Schutz und sorgte damit in Italien für beträchtliches Aufsehen. Saviano erhielt ab dem 13. Oktober 2006 vom Innenministerium Personenschutz und lebt seitdem versteckt an wechselnden Orten, die er etwa alle zwei Tage verlassen muss. Er hält nur noch den Kontakt zu seiner Familie aufrecht.

as, wenn‘s dieMeinungsfreiheitwirklich geben würde?W

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4. Ausgabe, Januar 2011

22 Was wäre, wenn...

What ifthe earth was round?

{Illustration} Julia Marti

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4. Ausgabe, Januar 2011

23Was wäre, wenn...Was wäre, wenn dieser Text dein Leben verändern würde.Tw e n t y -seven ye-ars ago, as E m p e r o r of Ethi-opia, I m o u n t e d the ro-strum in G e n e v a , S w i t z e r-land, to a d d r e s s the League of Na-tions and to appeal for relief from the d e s t r u c -tion which had been unleashed against my defenseless nation, by the Fasci-st invader. I spoke then both to and for the con-science of the world. My words went un-h e e d e d , but history testifies to the accu-racy of the w a r n i n g that I gave in 1936. Today, I stand be-fore the world or-ganization which has s u c c e e -ded to the m a n t l e d i s c a r -ded by its discredited predeces-sor. In this body is enshrined the prin-

ciple of collective s e c u r i t y which I u n s u c -c e s s f u l l y invoked at G e n e v a . Here, in this As-sembly, re-poses the best - per-haps the last - hope for the p e a c e f u l survival of mankind. In 1936, I d e c l a r e d that it was not the Co-venant of the League that was at stake, but internati-onal mo-rality. Un-dertakings, I said then, are of little worth if the will to keep them is lacking. The Char-ter of the U n i t e d N a t i o n s expresses the noblest aspirations of man: abjuration of force in the set-tlement of d i s p u t e s b e t w e e n states; the assurance of human rights and fundamen-tal free-doms for all without distinction

as to race, sex, langu-age or re-ligion; the sa feguar-ding of in-ternational peace and s e c u r i t y. But the-se, too, as were the phrases of the Co-v e n a n t , are only w o r d s ; their value d e p e n d s wholly on our will to observe and honor them and give them c o n t e n t and mea-ning. The p r e s e r -vation of peace and the gua-ranteeing of man‘s basic free-doms and rights re-quire cou-rage and e t e r n a l vigilance: courage to speak and act - and if necessary, to suffer and die - for truth and justi-ce; eternal vigilance, that the least trans-gression of internati-onal mo-rality shall not go un-d e t e c t e d and unre-m e d i e d .

These les-sons must be learned anew by each suc-c e e d i n g genera t i -on, and that gene-ration is fortunate i n d e e d w h i c h l e a r n s from other than its own bit-ter expe-r i e n c e . This Or-ganization and each of its mem-bers bear a crus-hing and a w e s o m e responsi-bility: to absorb the w i s d o m of histo-ry and to apply it to the pro-blems of the pre-sent, in order that f u t u r e g e n e r a -tions may be born, and live, and die, in peace. The re-cord of the United N a t i o n s during the few short years of its life affords mankind a solid basis for encou-ragement and hope for the fu-ture. The

U n i t e d N a t i o n s has da-red to act, when the League da-red not in Palestine, in Korea, in Suez, in the Con-go. There is not one among us today who does not conjecture upon the reaction of this body when mo-tives and actions are called into quest ion. The opini-on of this Organiza-tion today acts as a powerfu l inf luence upon the d e c i s i -ons of its mem-bers. The spot l ight of world o p i n i o n , focused by the United N a t i o n s upon the transgres-sions of the rene-gades of human so-ciety, has thus far proved an e f f e c t i v e safeguard a g a i n s t unchecked aggression and un-restricted v io la t ion of human

r i g h t s . The Uni-ted Na-tions con-tinues to sense as the forum where na-tions who-se interests clash may lay their cases be-fore world opinion. It still pro-vides the e s s e n t i a l escape val-ve without w h i c h the slow b u i l d - u p of pres-s u r e s w o u l d have long since re-sulted in ca t a s t ro -phic ex-p l o s i o n . Its actions and deci-sions have s p e e d e d the achie-vement of f r e e d o m by many peoples on the con-t i n e n t s of Africa and Asia. Its efforts have con-t r i b u t e d to the ad-vancement of the s t a n d a r d of living of peop-les in all corners of the world. For this, all men must give t h a n k s .

As I stand here to-day, how faint, how remote are the me-mories of 1936.How d i f f e r e n t in 1963 are the a t t i t u d e s of men. We then existed in an atmos-phere of s u f f o c a -ting pes-s i m i s m . T o d a y , c a u t i o u s yet buo-yant opti-mism is the prevailing spirit. But each one of us here k n o w s that what has been accomplis-hed is not e n o u g h . The Uni-ted Na-tions judg-ments have been and c o n t i n u e to be sub-ject to fru-stration, as individual m e m b e r-states have i g n o r e d its pro-n o u n c e -ments and d i s r egar-ded its r e c o m -m e n d a -tions. The O r g a n i -zation‘s si-news have been wea-kened, as

m e m b e r-states have s h i r k e d their ob-l i g a t i o n s to it. The authority of the Or-ganization has been mocked, as individual m e m b e r-states have proceeded, in viola-tion of its com-m a n d s , to pursue their own aims and ends. The t r o u b l e s w h i c h c o n t i n u e to plague us virtual-ly all ari-se among m e m b e r states of the Orga-n iza t ion , but the O r g a n i -z a t i o n r e m a i n s impotent to enforce acceptable solutions. As the maker and e n f o r c e r of the in-ternational law, what the Uni-ted Na-tions has a c h i e v e d still falls regrettab-ly short of our goal of an in-ternational c o m m u -nity of n a t i o n s .

This does not mean that the U n i t e d N a t i o n s has failed. I have lived too long to c h e r i s h many il-l u s i o n s about the e s s e n t i a l h ighmin-dedness of men when b r o u g h t into stark confronta-tion with the issue of control over their s e c u r i t y, and their p r o p e r t y interests . Not even now, when so much is at hazard w o u l d m a n y n a t i o n s wi l l ing ly e n t r u s t their de-s t i n i e s to other h a n d s . Yet, this is the ul-t i m a t u m p r e s e n -ted to us: secure the conditions w h e r e b y men will e n t r u s t their secu-rity to a larger en-tity, or risk annih i l a -tion; per-suade men that their sa lva t ion rests in the

s u b o r d i -nation of n a t i o n a l and local i n t e r e s t s to the in-terests of humanity, or endan-ger man‘s f u t u r e .These are the objec-tives, yes-terday un-o b t a i n a -ble, today essentia l , which we must labor to achieve.Until this is accom-p l i s h e d , mankind‘s future re-mains ha-z a r d o u s and per-m a n e n t peace a matter for speculati-on. There is no single magic for-mula, no one sim-ple step, no words, w h e t h e r w r i t t e n into the

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What ifthe earth was round?

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4. Ausgabe, Januar 2011

24 Was wäre, wenn...

Was wäre,wennAchillesgar nicht somännlichist?

Wäre esBrad Pitt dann auch nicht?

{Text} Paul - Adam Fehr

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4. Ausgabe, Januar 2011

Plan B{Text} Veronika Henschel

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25Kreatives

{Illustration} Samuel Kaufmann

isst ihr, was ein total doofes Gefühl ist? Wenn man merkt, dass man Plan B vergessen hat. Das ist ein richtiges Scheissgefühl. Normalerweise hat man ja so seine Vorstellungen, wie etwas ablaufen sollte. Also zumindest in groben Zügen. Das ist Plan A. Dazu hat man immer (ja, immer!) einen Plan B. Vielleicht nur im Unterbewusstsein, aber er ist immer da, die-ser Plan B. Die andere Möglichkeit. Der zweite Weg. Jedenfalls kann man, falls bei Plan A irgendetwas schief geht oder etwas Unvorhergesehenes eintritt, auf Plan B zugreifen. Man nimmt einfach Plan B und alles wird ein bisschen anders, aber man HAT einen Plan, auf den man sich besinnen kann. Und nach einer gewissen Zeit nimmt alles wieder mehr oder weniger seinen gewohnten Lauf.

Das Doofe ist nun, wenn man Plan B vergessen hat. Und zwar dann, wenn man ihn bräuchte. Von Plan A ist weit und breit nichts mehr zu sehen, der hat sich aus dem Staub gemacht. Dann steht man da, total planlos, und schwebt in der Luft. Man hat absolut keine Ahnung, wie man sich verhalten soll, und nicht den blassesten Schimmer davon, wie es jetzt weitergeht. Man ist raum- und zeitlos und kann nur noch denken: „Wo ist mein Plan B? Wo ist nur mein Plan B geblieben?“ Dazu kommen die schwarzen Pünktchen - die gleichen, wie wenn man zu schnell aufsteht. Die schwarzen Pünktchen kommen und machen einen ganz irre, es fängt sich alles an zu drehen und man versteht die Welt nicht mehr (also ja, man versteht sie noch weniger als bis anhin). Und dann kann man auf einmal nichts mehr machen. Die Augen schliessen sich von ganz allein, sie halten diese Pünktchen und die Karrussellfahrt nicht mehr aus. Plötzlich lösen sich die verkrampften Muskeln. Sie lassen einfach los. Das ist ein wunderschönes Gefühl. (Dass man nachher blaue Flecken hat, weil man logischerweise hingefallen ist, ist Nebensache.) Dieses Loslassen - einfach herrlich. Das ist aber auch das einzig Gute daran, Plan B vergessen zu haben. Man schwebt zwar im leeren Raum und ist sehr verwirrt, dann empfindet man aber für einen winzig kleinen Moment eine Freiheit, die man sonst auf keinem anderen Weg erfahren kann.

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4. Ausgabe, Januar 2011

26 Kreatives

s bleiben mir die Erinnerungen und das Gefühl. Morgens ist B. kaum ansprechbar. Ihre offenen Haare liegen in Strähnen auf dem Kissen und auf meinem Gesicht. Ich kann ihr nichts vor-werfen; ausser vielleicht, dass sie das Risiko scheute und sich so nur zögerlich eingelassen hat. Ich kann mir nichts vorwerfen, von dem ich weiss zumindest. Habe mich eingelassen, geöffnet, habe gelebt, geliebt und riskiert. Ich erwache, als sie sich vom Schreibtisch erhebt und sich im Bett an mich schmiegt. Ich bereue nichts. Ich habe viel gegeben. Ich habe auch viel bekommen. Ich sage ihr, dass ich sie begehre. Ohne den forcierten Aktionismus wäre das alles vielleicht noch weiter gegangen. Trotz-dem habe ich, und im Übrigen auch sie, alles richtig gemacht. Wie bei keiner Person zuvor fiel es mir leicht, ich selber zu sein, weil sie mich so mochte. Sie hat mich verstanden, so glaube ich. Was denkst du? Sie merkt, wenn mich etwas beschäftigt. Die Aufrichtigkeit ihrer Zuneigung war eine ungekannte Wertschätzung. Wurde B. mir gerecht? Ich denke schon. Nur bei meiner Einstellung zur Politik nicht. Da hatten wir Mühe, uns zu verständigen. Mir geht es um Einfluss. Dafür brauche ich Macht. Sie hat recht, wenn sie sagt, mir fehlen die Themen. Das eine geht nicht ohne das andere. So einfach ist das. Gerecht werden; was heisst das schon? Stundenlang sitzen wir am See. B. mag es nicht, wenn ich ihr beim Essen zusehe. Am nächsten Morgen fragt sie mich, ob ich mich verliebt hätte. Ich sage nein. Ich realisiere. Sie fragt nochmals und ich sage ja. Bei unserem Gespräch sagte sie, ich hätte eine Bessere verdient. Eine Bessere ist nicht vorstellbar. Nicht in diesem Moment. Irgendwann wird es eine An-dere geben. Besser oder schlechter spielt keine Rolle. Ich hatte noch viel vor – ein Ende schien kaum möglich. Wir gehen durch die Stadt. Sie und ich im kalten H. zwischen den grossen roten Gebäuden. Ich stelle mir Fragen, die ich nicht beantwortet haben möchte: Warum? Wie lange schon? War sie mir wichtiger als ich ihr? Es ist nicht so, dass ich die Fragen nicht beantwortet haben möchte, weil ich mich vor den Antworten fürchte, sondern weil ich dadurch ihr nicht gerecht würde; und weil die Zeit gut war, so wie sie war. Ich würde damit die schöne Zeit, die wir gemeinsam hatten, unterwandern. Das möchte ich nicht. Die Erinnerungen sind gegenwärtig. Wir liegen im Bett, nackt und angezogen. Wir reden und teilen; sie erzählt viel und ich merke, dass ich ihr wichtig geworden bin. Sie sagt, der fehlende Kontakt sei ungewohnt; mich zerreisst er. Wir gehen wie selbstverständlich nebeneinander her, von ihrer Wohnung zur grossen Strasse. Ja, ich bin aufgeregt, wenn ich sie ansehe. Die Vertrautheit kam rasch; so fällt es mir leicht, mich zu verlieben. Keine Vorwürfe. Was soll ich auch vorwerfen? Wut würde alles einfacher machen. Aber Wut würde zerstören. Sie würde zerstören, was ich liebe. Wenn die Wut noch kommen sollte, nehme ich sie an. Suchen und provozieren werde ich sie auf keinen Fall. Und einreden lasse ich sie mir schon gar nicht. Probieren sei wichtig, betonte B.; doch sträube sie sich gegen die Bezeichnung „Beziehung“. Sie tat das kaum nur wegen des Wortes; sondern wohl auch darum, weil sie sich, wenn sie eine Beziehung eingeht, eingeengt fühlt und dadurch unser Zusam-mensein riskiert hätte; und wohl auch darum, weil sie dazu nicht bereit war. Dass sie das so nie gesagt hat, spielt keine Rolle mehr. Soll ich ein Kleid anziehen? Sie weiss und sieht mir an, dass ich das mag. Es spielt keine Rolle, wer wen verlassen hat. Schreiben beruhigt und ordnet meine Gedanken. Wir liegen aufeinander in meinem Bett in unserer Stadt. Sie verführt mich, ich verführe sie – gleichzeitig, gemeinsam, intuitiv. Die Gedanken werden nicht weggestellt, sondern gut sichtbar platziert. Ich hatte nie das Gefühl, mich aufspielen zu müssen oder wichtig zu machen. Da liegst du falsch, sagt sie. Ich nehme das als kleine Hilfe, ganz natürlich; nicht als Tadel. Wenn sie mich verbessert, nimmt meine Be-geisterung deswegen keinen Schaden. B. ist eine starke Person. Ihre Intelligenz und ihr Gespür für die Situation habe ich immer bewundert. Auch wie sie mit mir umgehen konnte. Kritisch, aufmerksam, fair und temperament- und liebevoll. Ich war froh über die ruhige und schmutzlose Trennung. Ich war froh darüber, dass die Erinnerungen bei uns schön sein werden: Frieden. Der Sex war ausgezeichnet. Vor allem das erste Mal, als ich realisiere, dass ich sie liebe. Damals in H. Über ihren Rücken und ihre Arme streichen, das mag sie sehr. Ob es richtig ist, etwas zu beenden, obwohl es stimmt – wenn auch nicht ganz, wie sie sagt – weiss ich nicht. Sie sagt, sie sei kompliziert, wenn etwas ernsthafter wird. B. hat mich inspiriert und geprägt. Sie war nicht nur begleitend. Wie findest du meine Arbeiten? Illustrie-ren ist mein Kind. Ist es besser, der Geliebte oder der Liebende zu sein? Macht das überhaupt einen Unterschied? Es steht mir kaum zu, solche Fragen zu stellen. Ich sage B., dass ich ihre Arbeiten mag. Ich wage es nicht zu betonen, weil die Ernsthaftigkeit verloren gehen könnte. Tagsüber geht es mir ok. In den Nächten liege ich wach – versuche nicht an konkrete Situationen zu denken. Sie kommt nach Hause von der Arbeit, küsst mich und braucht eine Zigarette und ein Glas Wein. An diesem Abend gehen wir aus. Etwas essen und trinken.

Ich fahre durch ihre Haare. •

Frieden{Text} Anonym

Die Zeit beschreiben, ohne etwas zu erfinden, ohne auszuweichen in Erfindungen.E

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4. Ausgabe, Januar 2011

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2. Ausgabe, November 2010 2. Ausgabe, November 2010

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Design kann süchtig machen{Text} Designomat{Fotos} ???

Ein herkömmliches Zigarettenautomaten-Modell wird beiDESIGNOMAT zum Gefäss für eine aussergewöhnliche Kollektion von Designobjekten. Diese wurden und werden von Gestalterinnen und Gestaltern aus der Schweiz entwickelt und im «Designomat» verkauft.

Am 19. November 2010 wird der 1. DESIGNOMAT seine Eröffnung feiern und auserwählte Designobjekte von 10 DesignerInnen ausfolgenden Disziplinen präsentieren: Fotografie, Trend, Accessoire,Grafik, Fashion, Textildesign, Produkt, Illustration, Web und Animation.Parallel zu den Automaten wird die Website http://www.designomat.ch ab November 2010 über spannende Geschehnisse rund um DESIGNO-MAT berichten und durchmischte Einblicke hinter die Kulissen derDesigner schaffen.

Die Gründerinnen von Designomat, Dinda Reumer und Marlen Gro-her, freuen sich, am 19. November 2010 die ersten 10 DesignerInnen mit folgendem Eröffnungsprogramm begrüssen zu dürfen:

Design Objects by Japanproxy / Zotta / MSKLKTR / Openminds / Kublé AG / Isabel Jakob / Lisa Bedogni / Institut für Spass & Ernst / kreuzstich / Burlesque Performance by LouLou BonBon / Live Session by Vinxvegas / Groove Sound by Brüno Burningman / Visuals by Van-Nutt / Live Concerts by Lem Phago / Schnitzer / The Rabbit Theory / Cool Drinks by Radio Lora / DJ Sound by Pistol Pete

Wann: 19:00 Uhr

Wo: Stall 6, Gessnerallee 8, 8001 Zürich

Weitere Infos unter: www.designomat.ch

www.designomat.ch

SOCIAL MEDIA

2010/11

KUBLÉ AGGustavo Salami & Silvan GroherBuckhauserstrasse 408048 Zürichwww.kuble.com

SOCIAL BOXMit der Social Box lädt Kublé ein, #Offline in ihr lokales Netz einzutauchen! Mit dem Kauf von Social Box wirst du eingeladen, in diversen Ate-liers und Büros, mit welchen Kublé zusammenarbeitet, Kaffee zu trinken! Eine genia-le Idee, die Platz für span-nende Kaffee-Gespräche und neuartigen Austausch schafft! Egal ob Grafiker, Typograph, Werber, Programmierer, Filmer oder Produkt-Ent-wickler – jedem schmeckt der Kaffee anders. Finde heraus, wo dir der Kaffee am besten schmeckt und tauche ein in ein Netzwerk, welches dir seine Türen öffnet, um Social Media offline zu erleben!

AKTUELLO.MUFFFreundlich, klein und süss ist er, der O.MUFF von Zotta. Überallhin wird er dich treu begleiten und nicht von deiner Mantel-, Hosen- und Handtasche weichen. Aber besonders liebt er es, sich an dein Ohr zu schmiegen, woh-lige, flauschige Wärme zu ver-breiten und neidische Blicke auf sich zu ziehen – jawohl, unser kleiner Charmeur! Der O.MUFF füllt die Lücke, die zwischen frisurzerstörender, Handtaschen verstopfender Mütze und eisekalten Ohren klafft! Verschiedene Farb-kombinationen sind jetzt bei DESIGNOMAT erhältlich! Material: Merino Bio Wolle, flexibles Band.

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ACCESSORY

2010/11

AKTUELL

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4. Ausgabe, Januar 2011

28 kreativ Reisen

EXODUSAUS HELVETIEN

{Text} P.M.W

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4. Ausgabe, Januar 2011

29kreativ Reisen

m Montag, 28. Februar 2011, stürmten 23’750 Personen den Flughafen Kloten, weit mehr als gewöhnlich, und auch Basel-Mulhouse sowie Genf-Cointrin vermeldeten einen sprung- und rätselhaften Passagieranstieg. Die Auto-bahnen A1 und A2 waren hoffnungslos verstopft und zuge-staut und bei der SBB und der BLS rieb man sich verwundert die Augen: Sämtliche internationalen Züge waren sardinenar-tig überbelegt. Am 1. März ging es auf gleiche Weise weiter und am 2., 3., 4. und 5. ebenso. Nach 6 Tagen waren bereits 422‘000 Menschen aus der Schweiz ausgereist. Da platzte eine Medienmitteilung der Dachorganisation der Migrantenvereine der Schweiz wie eine Bombe in die Redaktionsstuben. Betitelt war sie mit „Exodus aus der frustrierten helvetischen Alpenre-publik“. Und im halbfetten Vorspann stand: „Sämtliche nicht eingebürgerten Ausländerinnen und Ausländer verlassen im Vorfeld der National- und Ständeratswahlen vom 23. Oktober 2011 die ungastliche Schweiz, damit sie nicht länger unter dem schmähenden und demütigenden Generalverdacht stehen, So-zialhilfebetrüger, Asylmissbraucher und Kriminelle zu sein und zur Befriedigung der politischen Machtgelüste der SVP missbraucht werden können.“

SVP-Chefstratege Christoph Blocher hob umgehend knapp zwei Milliarden Franken von seinem Privatkonto ab und schickte seine Parteisoldaten mit dem Geld auf Bahn-höfe und Flughäfen. Sie sollten versuchen, die Ausreisenden mit namhaften Geldbeträgen zum Bleiben zu überreden. Der Chefvordenker machte dafür namentlich zwei Gründe gel-tend. Einerseits würde die SVP ohne das Feindbild der Aus-länderinnen und Ausländer eine riesige Wahlschlappe ein-fahren, andererseits drohe dem Vaterland ohne ausländische Arbeitskräfte der volkswirtschaftliche Kollaps. Doch die Aus-reisewilligen liessen sich weder kaufen noch mit dem Verspre-chen einer „kostenlosen, erleichterten Einbürgerung“ ködern.

In den Filialen von Migros und Coop fehlten plötzlich die Lebensmittel. Regale blieben leer, der Nachschub blieb aus, weil die wenigen verbliebenen Disponenten in den Verteilzen-tren heillos überfordert waren. Es kam zu panikartigen Ham-sterkäufen. Wer sich in einem Gasthaus sättigen wollte, stand vor verschlossenen Türen. Das Küchen- und Servicepersonal war abgereist. Die ersten Spitäler meldeten, dass sie nur noch einen minimalsten Notfallbetrieb aufrechterhalten könnten. Landauf, landab verwaisten die zahlreichen Baustellen. All-gemach wurden die wachsenden Abfallberge an den Strassen-rändern unerträglich. Verteidigungsminister Ueli Maurer ord-nete eine Teilmobilmachung an. Die einrückenden Sanitäts-, Transport- und Verpflegungstruppen mussten Zentrale Kran-kenzimmer (ZenKZ) betreiben, Abfallberge abtragen und woanders wieder aufschichten und aus mobilen Feldküchen die hungrige Bevölkerung notdürftig verpflegen. Aussenmini-sterin Micheline Calmy-Rey schickte eine Depesche an Mini-sterpräsident Wen Jiabao nach Peking mit der Frage, ob China helfend Menschen schicken könne.

Wen Jiabao richtete ohne lange zu fackeln eine Luftbrücke ein, und Chinesen quollen zu hunderten aus Flugzeugrümpfen. Das erwies sich als Flop. Da sie unserer Sprache nicht mächtig waren, musste man sie vor ihren Arbeitseinsätzen in Sprach-kurse schicken, auch zwecks Integration ins Schweizerland. Die Nation versank unterdessen mehr und mehr im Morast. Kranke starben mangels Pflege, doch da es keine Zeitungen mehr gab, nahm niemand davon Notiz. Landwirtschaftsmini-ster Johann Schneider-Ammann bestellte Tonnen von Weizen in Kanada und Russland. Doch die Säcke mit der kostbaren Fracht blieben auf den Flughäfen liegen und die Ratten und Mäuse fielen darüber her. Doris Leuthard verpflichtete sich einen Tag lang als Putzfrau im Bundeshaus und „10 vor 10“ drehte darüber eine rührende, aufwühlende Reportage. Poli-tikerinnen und Politiker heckten in der Folge für sich überall eifrig Arbeitseinsätze aus, zumal der Endspurt für den Wahl-kampf begonnen hatte. Heerscharen von arbeitslosen Schwei-zerinnen und Schweizern höhlten zwischenzeitlich binnen weniger Wochen die Arbeitslosenversicherung aus. Sodann kam die Sozialhilfe an die Reihe und eine Gemeinde nach der andern ging Bankrott. Die UBS verweigerte jegliche Unter-stützung. Ihr einsilbiger Kommentar: „Too small to bail.“ Den Einheimischen blieb kein anderer Ausweg als die Flucht ins Ausland. Dort überfielen sie, ausgehungert wie sie waren, sau-bannerbandenmässig Lebensmittelläden. Es dauerte nicht lan-ge, da prangten europaweit Plakate, auf denen dieser rührende Schweizer Senn mit Chäppi abgebildet war, der mit einem gro-ben Fusstritt in seine Heimat zurückbefördert wurde. „Krimi-nelle Schweizer ausschaffen!“, lautete der Claim.

Es kam, wie es kommen musste: Der Wirtschaftsfach-mann Didier Burkhalter war fortan auf dem Frischmarkt von Neuchâtel als Gemüseverkäufer anzutreffen, die Pianistin Simonetta Sommaruga werkelte mit ihren Chefbeamten an einem Gesetz, mit dem Ausländern verboten werden sollte, die Eidgenossenschaft zu verlassen, so lange sie einen Arbeits-vertrag hatten. Ingenieur Schneider-Ammann versuchte sich in Langental unbeholfen im Betongiessen auf dem Bau, Eveline Widmer-Schlumpf liess die Kehrichtsverbrennungsanlage Un-tervaz dann und wann ohne nennenswerten Erfolg hochfahren und Ueli Maurer arbeitete als Meisterbefehlshaberknecht auf einem mehrhektarigen Bauernhof im Zürcher Oberland.

„Das ist endlich unsere Schweiz!“ mäh-mähten jubelnd die SVP-Schäfchen auf den Wahlplakaten des („Spin doctor“) schraubenlockeren Alexander Segert, der sich dank Fresspa-keten aus Hamburg wie eine Made im Speck während der Hungersnot verköstigte. Doch da Wahltag Zahltag ist, fiel die Partei am 23. Oktober auf einen Wähleranteil von 11,9% zurück. „Ohne Ausländer ist die SVP ein Nichts! Das haben wir den Linken und den Netten zu verdanken“, maulte mit tränenerstickter Stimme der hochkant abgewählte Christoph Mörgeli. Wie so viele Volkstribune der SVP bringt auch er Ur-sache und Wirkung völlig durcheinander. •

EXODUSAUS HELVETIEN

A

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Themen2011

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