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In unserer Welt gibt es Millionen von Verbindungen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften. All diese Stoffe setzen sich aus weniger als 100 Elementen zusammen. Doch wie erzeugen diese Elemente die Vielfalt der Stoffe in unserer Welt? Wie verbinden sich die Elemente miteinander? Warum finden chemische Reaktionen überhaupt statt? Und wie kann man diese Reaktionen beeinflussen?Antworten auf diese und andere Fragen liefert diese kleine Einführung in die anorganische Chemie.

TRANSCRIPT

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Von den Elementen zu Verbindungen

Eine kleine Einführung

in die anorganische Chemie

Kurt Martin

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Copyright © 2015 Kurt Martin, Red Horse, München Red Horse sind: Peter Hauser, Kurt Martin und Jack Eden

Email: [email protected]

http://www.facebook.com/pages/Red-Horse/148020228618240 All rights reserved.

Das komplette Buch kann hier gefunden werden: http://www.amazon.de/dp/B0174V2DIE

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1. EINLEITUNG

2. DIE BAUSTEINE DER NATUR

2.1. Historischer Überblick

2.2. Die Entdeckung der Elemente

2.3. Das Periodensystem

2.4. Der Aufbau der Atome

2.5. Die Elektronenorbitale

3. CHEMISCHE REAKTIONEN

3.1. Reaktionsgleichungen

3.2. Bindungen 3.2.1. Die metallische Bindungen 3.2.2. Die ionische Bindung 3.2.3. Die kovalente Bindung 3.2.4. Bindungen zwischen Molekülen

3.3. Warum gibt es chemische Reaktionen? 3.3.1. Gibbs-Energie 3.3.2. Aktivierungsenergie 3.3.3. Reaktionsgleichgewicht

3.4. Reaktionsarten 3.4.1. Redoxreaktionen 3.4.2. Säure-Base-Reaktionen

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1. Einleitung Unsere Welt besteht aus Tausenden von Stoffen. Einige, wie Holz und Papier, sind brennbar, andere wie Steine und Eisen, sind hart und brennen nicht so leicht, wieder andere, wie Wasser und Öl, sind flüssig, und wieder andere, wie Helium und Sauerstoff, sind gasförmig. Schon früh wusste man, dass man Stoffe ineinander umwandeln kann: Verbrennt man Holz, dann bleibt Asche zurück; vermischt man Kupfer und Zink, dann erhält man Bronze; vermischt man Kaolin, Feldspat und Spat, dann erhält man Porzellan; vermischt man Salpeter, Schwefel und Holzkohle, dann erhält man Schwarzpulver. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Heute sind mehrere Millionen unterschiedliche Verbindungen bekannt. Die Frage, wie diese Verbindungen aufgebaut sind, und wie man sie ineinander umwandeln kann, ist die Grundfrage der Chemie. Im Mittelalter versuchten die Alchemisten das wertvollste aller Elemente herzustellen, nämlich Gold. Den Weg dahin sollte ihnen der „Stein der Weisen“ zeigen, der nicht nur wertlose Metalle wie Blei in Gold verwandeln konnte, sondern es auch noch ermöglichen sollte, ein Elixier herzustellen, welches ewiges Leben ermöglichte. Wie die Geschichte zeigt, wurde der Stein der Weisen bis heute nicht entdeckt – und mittlerweile verstehen wir auch, wieso es ihn nicht geben kann. Doch die Erkenntnis, dass man nicht einfach irgendwelche Substanzen in Gold umwandeln kann, erlangte man erst im 18. Jahrhundert. Der Grund liegt darin, dass Gold eine ganz spezielle Substanz ist: Es ist ein Element, die kleinste Einheit aus denen sich unsere Stoffe zusammensetzte. Es gibt auf der Welt nur 94 natürlich vorkommende Elemente. Aus diesen wenigen Bausteinen setzen sich die Millionen von Substanzen zusammen, mit denen wir es in unserer Welt zu tun haben. Auch wenn man im 19. Jahrhundert die meisten Elemente identifiziert und im Periodensystem der Elemente angeordnet

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hatte, so war zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht ganz klar, welche Kraft dafür sorgte, dass sich die Elemente zu den Substanzen verbinden, die wir kennen. Humphry Davy erkannte zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dass man Bindungen zwischen Elementen mit dem elektrischen Strom aufbrechen kann. Die Kraft der Bindung musste also elektrischer Natur sein. Doch genauer konnte man sie erst beschreiben, als die Quantenmechanik geklärt hatte, wie ein Atom, welches die Grundeinheit eines Elements ist, eigentlich aussieht. Heute weiß man, dass im Wesentlichen die äußeren, negativ geladenen Elektronen eines Atoms, die sogenannten Valenzelektronen, die chemische Reaktivität eines Elements bestimmen. Die Reaktionen selber laufen nach bestimmten Regeln ab. Ob eine Reaktion überhaupt freiwillig stattfindet, hängt dabei nicht nur davon ab, ob hierbei die Energie der Endsubstanz niedriger ist als der Ausgangssubstanzen, sondern auch, ob bei der Reaktion die Entropie steigt. Diese Abhängigkeit wird durch die Gibbs-Energie beschrieben. Die Gibbs-Energie erlaubt es uns auch abzuschätzen, wie viele erfolgreich eine Reaktion verläuft, d.h. wie groß der Anteil der Endsubstanz im Reaktionsgemisch sein wird; denn jede Reaktion, bei der sich zwei Substanzen verbinden, wird durch ihre Rückreaktion, bei der sich die Substanzen wieder trennen, überlagert. Allerdings gibt es Möglichkeiten, dieses Gleichgewicht in die gewünschte Richtung zu verändern. Reaktionen setzen in der Regel auch nicht einfach so ein, selbst wenn sie „freiwillig“ verlaufen, sondern es braucht einen „Zündfunken“, es muss eine Aktivierungsenergie bereitgestellt werden, um eine Reaktion zu initiieren. Einmal aktiviert, laufen viele Reaktionen dann jedoch einfach weiter, so lange genug Ausgangsmaterial vorhanden ist. Mit der Hilfe eines Katalysators kann man die Aktivierungsenergie deutlich reduzieren und so dafür sorgen, dass eine Reaktion leichter startet. Auch wenn chemische Reaktionen Millionen von Verbindungen erzeugen, so lassen sich die meisten Reaktionen als Austausch von Protonen (Säure-Base-Reaktionen) oder Austausch von Elektronen (Redoxreaktionen) beschreiben.

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Letztlich zeigt sich, dass die Chemie mit all ihrer Vielfalt an Substanzen und Reaktionen ein paar einfachen Grundregeln gehorcht, die wir nun in dieser kleinen Einführung in die anorganische Chemie genauer betrachten wollen.

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2. Die Bausteine der Natur

2.1. Historischer Überblick

Die Vorstellung, dass alle Substanzen, die wir in der Natur beobachten können, auf einige wenige Elemente zurückgehen, ist keine Erfindung der Moderne. Schon die alten Griechen glaubten, dass die Vielfalt der Natur auf einige wenige Grundsubstanzen zurückgeführt werden könnte. Der griechische Philosoph Empedokles vertrat im fünften Jahrhundert vor Christus die These, dass es vier Grundsubstanzen gebe, nämlich Wasser, Feuer, Erde und Luft. Zugleich gebe es vier Eigenschaften, nämlich feucht, warm, kalt und trocken, von denen je zwei ein Element charakterisieren (siehe Abbildung 1). So ist Wasser zugleich kalt und feucht, und Feuer zugleich warm und trocken. Alle Stoffe, die wir in der Natur wahrnehmen, bestehen aus diesen vier Elemente, allerdings in unterschiedlichen Anteilen. Je leichter ein Stoff ist, umso mehr Luft enthält er. Ein flüssiger Stoff hingegen enthält mehr Wasser als ein trockener Stoff. Die vier Elemente konnten sich in beliebigen Verhältnissen miteinander mischen, womit es möglich war, die Vielzahl an Stoffen zu generieren, mit der wir es auf unserer Erde zu tun haben.

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Eine völlig andere Theorie vertrat der griechische Naturforscher Demokrit. Während Empedokles noch annahm, dass seine vier Elemente in beliebigen Mengen miteinander gemischt werden konnten, war Demokrit der Ansicht, dass man einen Körper nicht in beliebig kleine Teile schneiden könnte. Irgendwann gäbe es ein kleinstes Teilchen, aus dem dieser Körper bestand. Er nannte dieses Teilchen „Atom“ für unteilbar. Ein Körper setzt sich aus Milliarden dieser Atome zusammen. Da es Tausende verschiedener Stoffe gab, musste es auch Tausende verschiedener Atome geben, also Atome für Holz, für Eisen, für Keramik und so weiter. Das Problem dieser Theorie war nicht so sehr, dass man sich nicht vorstellen konnte, dass es Tausende verschiedener Atome geben konnte, sondern dass es schwierig war zu erklären, wie sich Substanzen in andere umwandeln konnten; denn dass man Substanzen, wenn man sie verrührte oder erhitzte, ineinander umwandelte, war jedem bekannt. Empedokles Theorie der vier

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Elemente erklärte diese Umwandlung einfach damit, dass sich durch den Prozess der Umwandlung das Verhältnis der vier Elemente in der Substanz änderte. Doch wie sollte ein unteilbares Atom für Holz sich in ein unteilbares Atom für Ruß umwandeln, wenn man Holz verbrannte? Demokrits Idee der Atome konnte sich deshalb nicht durchsetzen (und auch wir benutzen heute nicht seine Theorie der Atome, sondern bezeichnen als Atome nur die Bausteine der Elemente, während die Vielfalt der Substanzen unserer Welt durch Verbindungen zwischen den Atomen unterschiedlicher Elemente erzeugt wird). Bis in die Renaissance, also für über 2000 Jahre, bildete Empedokles Theorie der vier Elemente die Grundlage, mit der man sich die Vielfalt der Stoffe erklärte. Wenn Empedokles Theorie richtig war, dann bedeutete sie eine Herausforderung für die Wissenschaftler, die sich anfangs Alchemisten nannten, was je nach Interpretation „Kunst der Ägypter“ (da die Chemie ursprünglich hier entstand) oder „Lehre des Gießens“ (da die Substanzen bei chemischen Prozessen beständig umgegossen werden mussten) bedeuten kann. Denn wenn sich jeder Stoff in jeden umwandeln ließ, weil man ja nur durch den richtigen Umwandlungsprozess das Verhältnis der vier Elemente, aus denen er bestand, verändern musste, dann sollte es auch möglich sein, aus Blei Gold herzustellen. Man musste einfach nur einen Weg finden, wie man die elementare Zusammensetzung von Blei so verändern konnte, dass Gold entstand. Diese Mixtur geistert als „Stein der Weisen“ durch die Literatur der Alchemisten. Und weil diese Mixtur so mächtig war, sollte der „Stein der Weisen“ dann auch die Möglichkeit haben, das Leben zu verlängern. Es gab immer wieder Gerüchte, dass es einem Alchemisten gelungen sei, den „Stein der Weisen“ herzustellen. Allerdings konnte keins dieser Gerüchte bestätigt werden. Und auch wenn Alchemisten fleißig ihre Beobachtungen aufschrieben, so fällt es heute schwer, diese noch zu entziffern; denn die Alchemisten waren große Geheimniskrämer und verschlüsselten ihre Erkenntnisse. Die benutzen Substanzen wurden mit Symbolen

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verschlüsselt, wie sie in Abbildung 2 zu sehen sind. Nur wenige konnte diese überhaupt entziffern.

Doch die Alchemisten verschlüsselten nicht nur die Substanzen, mit denen sie zu tun hatten, sondern beschrieben die Umwandlungsprozesse, die sie vorgenommen haben, nur symbolhaft, weshalb sie zumeist unklar blieben. Statt einer detaillierten Beschreibung der eingesetzten Mengen und Temperaturen benutzten sie dafür Bilder, aus denen der Eingeweihte die chemischen Prozeduren ableiten sollte. Wenn zum Beispiel auf einem Bild ein männliches und ein weibliches Lebewesen auftauchen, dann wurden in der Regel zwei Substanzen vermischt, um eine dritte (das Kind) zu erzeugen (siehe Abbildung 3). Und ein Feuersalamander stand dafür, dass man die Substanz einer großen Hitze aussetzen sollte. Die Alchemisten waren umtriebige Menschen, die unzählige Reaktionen ausprobierten, um ihr Ziel zu erreichen, den „Stein der Weisen“ zu erschaffen. Allerdings gingen sie bei diesen Versuchen nicht sehr wissenschaftlich vor. So erwähnen sie zwar hohe Temperaturen, bemerken aber keine genaue Temperatur. Auch die Mengen der verwendeten Substanzen wurden nicht genauer beschrieben. Allerdings entdeckten sie schon, dass man einige Substanzen wie Eisen, Kupfer oder Gold nicht weiter zerlegt werden konnten, egal, was sie mit ihnen anstellten.

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Zu diesen Stoffen gehörte auch eine Substanz, die der deutsche Alchemist Henning Brand im Jahr 1669 entdeckte. Bei seinen Versuchen, den „Stein der Weisen“ zu finden, hatte er Urin langsam erhitzt und ließ den Rest dann stehen. Dabei schlug sich an der Wand des Gefäßes ein weißlicher Stoff nieder, der bei Dunkelheit leuchtete. Brand nannte diese eigenartige Substanz „Phosphorus“ (nach dem griechischen Wort für Lichtträger), und auch wenn es sich dabei nicht um den „Stein der Weisen“ handelte, so verdiente Brand mit dem Verkauf des merkwürdig leuchtenden Phosphors recht viel Geld. Später stellte sich heraus, dass Phosphor nicht weiter zerlegt werden konnte. Im Jahr 1661 hatte der britische Naturforscher Robert Boyle ein Buch mit dem Titel „The Sceptical Chymist“ (Der skeptische Chemiker) veröffentlicht, mit dem er die Chemie auf eine wissenschaftliche Basis stellen und sie von ihren esoterischen Elemente befreien wollte. Dieses Unterfangen erwies sich schwieriger, als gedacht (selbst der große Isaac Newton betrieb Anfang des 18. Jahrhunderts noch alchemistische Studien). Doch in diesem Buch hatte Boyle ein Element als einen Reinstoff definiert, der mit chemischen Methoden nicht weiter zerlegt werden kann. Brand hatte mit seinen Experimenten also ein neues Element gefunden. Es war das erste neue Element, welche die Menschheit seit dem Altertum entdeckt hatte, und es sollte nicht das letzte bleiben.

2.2. Die Entdeckung der Elemente

Zu den Grundprozeduren, die die Alchemisten benutzten, gehört das Verbrennen von Stoffen. Doch was geschah bei der Verbrennung eigentlich? Die Vier-Elemente-Theorie der Antike erklärt die Verbrennung dadurch, dass Feuer eine Ausgangssubstanz verließ und die Endsubstanz dann weniger

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Feuer enthalten musste. Aber diese Theorie erlaubte keine quantitativen Aussagen über den Verbrennungsprozess. Der deutsche Alchemist Georg Ernst Stahl ging um 1700 einen Schritt weiter und entfernte sich von der Vier-Elemente-Theorie der Antike. Nach seiner Theorie gab es ein Element, das Phlogiston, welches in unterschiedlichen Mengen in den Stoffen enthalten ist. Wenn ein Stoff verbrennt, dann gibt er Phlogiston ab und wandelt sich in das Verbrennungsprodukt. Die Luft, die uns umgibt, ist nach Stahl kein Element mehr, sondern nur noch eine Substanz, die Phlogiston aufnehmen oder abgeben kann (denn man kann auch einige Verbrennungsprozesse rückgängig machen). Allerdings kann Luft nicht in unbegrenzter Menge Phlogiston aufnehmen, sondern nur in begrenztem Maße. Ist die Luft gesättigt, dann hört die Verbrennung auf, weshalb in einem geschlossenen Gefäß jede Verbrennung irgendwann zum Erliegen kommt. Es gibt damit phlogistizierte Luft, in der nichts brennt, und dephlogistizierte Luft, in der Stoffe gut brennen, weil sie noch viel Phlogiston aufnehmen kann. Stahls Theorie des Phlogistons konnte die Vorgänge bei chemischen Reaktionen erklären. Sie erlaubte es auch, Vorhersagen zu machen, wie Verbrennungsvorgänge ablaufen sollten (je nachdem, wie viel Phlogiston die einzelnen Stoffe enthielten und wie gesättigt die Luft war). Und in der Phlogiston-Theorie blieben alle Stoffe enthalten, während das Feuer in der Vier-Elemente-Theorie beim Verbrennen einfach „verschwand“ und veränderte Substanzen zurückließ. Stahls Theorie, obwohl sie sich als falsch erweisen sollte, war damit ein erster Schritt in die Moderne und weg von der klassischen Alchemie. Im Jahr 1766 experimentierte der englische Chemiker Henry Cavendish mit Metallen wie Eisen, Zink, Zinn und Säuren. Er bemerkte, dass hierbei ein neues Gas entstand, welches fast explosionsartig verbrannte. Er nannte dieses Gas „verbrennbare Luft“ (heute nennen wir es Wasserstoff). Cavendishs Entdeckung zeigte, dass die Luft nicht nur ein Etwas war, welches Phlogiston aufnehmen konnte, sondern selber aus Substanzen zusammengesetzt sein musste.

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Der schottische Arzt Joseph Black hatte schon im Jahr 1754 herausgefunden, dass beim Versetzen von Calciumcarbonat-Lösungen mit Säuren ein Gas freigesetzt wird, welches er fixierte Luft nannte. Diese Luft unterstützte Verbrennungsprozesse nicht, weshalb er davon ausging, phlogistizierte Luft erzeugt zu haben. Der schottische Arzt Daniel Rutherford berichtete 1772 von einem Versuch, in dem er Phosphor in Luft verbrannte, bis die Flamme ausging. Die verbliebene phlogistizierte Luft leitete er durch eine Lösung, welche die fixierte Luft, die Black untersucht hatte, absorbierte. Die dann noch verbliebene Luft, obwohl des aufgenommenen Phlogistons beraubt, ließ aber immer noch keine Verbrennung zu. Man hatte es also mit zwei Arten von phlogistizierter Luft zu tun, die wir heute als Kohlendioxid bezeichnen (entdeckt von Black) und Stickstoff (entdeckt von Rutherford). Je länger man sich mit der Luft beschäftigte, desto komplizierter wurde ihre Zusammensetzung. Zudem veröffentlichte im Jahr 1772 der französische Chemiker Antoine de Lavoisier eine Untersuchung, in der er eine genaue Messung der Massen der Substanzen vor und nach einer Verbrennung durchgeführt hatte. Dabei zeigte sich, dass die verbrannten Substanzen sogar schwerer waren als die Ausgangssubstanzen. Stahl und die anderen Unterstützer der Phlogiston-Theorie hatten diese so einleuchtend gefunden, dass sie sich gar nicht die Mühe gemacht hatten, diese genau zu überprüfen und die beteiligten Massen zu messen. Sie hatten sich zwar von der spekulativen Vier-Elemente-Theorie entfernt, waren jedoch noch nicht so weit gegangen, eine wissenschaftliche Theorie aufzustellen, die eben nicht nur überzeugende Argumente braucht, sondern vor allem eine Bestätigung durch das Experiment. Doch die Unterstützer der Phlogiston-Theorie gaben nicht so schnell auf. Der Naturforscher Guyton de Morveau stellte die Hypothese auf, dass Phlogiston ein negatives Gewicht habe. Wenn es sich beim Verbrennen aus einem Stoff entferne, dann nehme sein Gewicht dabei zwangsläufig zu.

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Lavoisier hielt diese These für zu abenteuerlich, hatte aber auch noch keine andere Erklärung für die Verbrennung. Da hörte er im Jahr 1774 von einer Entdeckung des englischen Chemikers Joseph Priestley. Dieser hatte Quecksilberoxid erhitzt und dabei ein Gas enthalten, dass eine Kerze besonders heiß und hell brennen ließ. Dasselbe Gas hatte der deutsch-schwedische Apotheker Carl Wilhelm Scheele beim Erhitzen von Braunstein (Mangandioxid) erhalten und „Feuerluft“ genannte. Allerdings hatte er seine Ergebnisse erst 1777 veröffentlicht. Priestley interpretierte seine Beobachtungen im Rahmen der Stahlschen Theorie und glaubte, dephlogistizierte Luft erzeugt zu haben, schließlich unterstützte sie die Verbrennung. Doch Lavoisier hatte das Gefühl, dass etwas ganz anderes passiert war. Er ging in sein Labor und legte eine genau abgemessene Menge Zinn in einen verschlossenen Glaskolben. Er erhitzte den Glaskolben, das Metall schmolz, und es bildete sich ein schwarzes Pulver am Boden des Gefäßes: Zinnkalk. Lavoisier wog den Glaskolben mit dem Zinn noch einmal und stellte fest, dass das Gewicht unverändert war. Alle an der Verbrennung beteiligten Substanzen waren noch im Glaskolben vorhanden. Er öffnete den Glaskolben vorsichtig und ließ Luft einströmen. Dann wog er den Glaskolben noch einmal, der nun etwas mehr wog. Ganz offensichtlich hatte der Zinn bei der Verbrennung zum Zinnkalk einen Bestandteil der Luft aufgenommen und ihn daraus entfernt. Deshalb konnte Luft nachströmen, als Lavoisier den Glaskolben öffnete. Bei der Verbrennung verlässt also kein Phlogiston den Körper, sondern der Körper geht eine Verbindung mit einem Bestandteil der Luft ein, den Priestley dephlogistizierte Luft genannt hatte, und den Lavoisier 1776 als „Sauerstoff“ bezeichnen würde. Dadurch erklärt sich auch, wieso die Ausgangsstoffe einer Verbrennung schwerer sind als die ursprünglichen Stoffe; schließlich haben sie einen Teil der Luft aufgenommen. Damit hatte Lavoisier den Vorgang der Verbrennung geklärt. Und neben dem Phosphor, den schon Brand 1669 entdeckt

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hatte, waren weitere Elemente wie der Sauerstoff und der Stickstoff hinzugekommen, die man in der Luft gefunden hatte. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Das 18. Jahrhundert war das Jahrhundert, in dem ein Großteil der Elemente identifiziert wurde. Seit dem Altertum kannte man schon Elemente wie Eisen, Kobalt, Nickel, Kupfer, Silber, Platin, Gold, Kohlenstoff, Schwefel oder Blei, auch wenn man erst nach Boyles Definition festlegen konnte, dass es sich bei diesen Stoffen tatsächlich um Elemente handelte. Bis zum Jahr 1800 waren der Phosphor hinzugekommen, sowie der Stickstoff, der Sauerstoff und der Wasserstoff, aber auch Titan, Chrom, Mangan, Chlor, Yttrium, Zirconium, Molybdän, Uran, Tellur und Wolfram Im 19. Jahrhundert identifizierte man dann Elemente wie Vanadium, Tantal, Palladium, Osmium, Iridium, Lithium, Magnesium, Kalium, Bor, Aluminium, Silizium, Iod, Brom, Helium, Caesium, Indium und die seltenen Erden wie Lanthan, Cer, Terbium, Thorium und Erbium. Bis zum Ende des 19. Jahrhundert hatte man damit die meisten Elemente entdeckt. Die große Frage war nun, woraus diese Elemente eigentlich bestanden. Man stellte dieselbe Frage, die auch schon Demokrit im antiken Griechenland gestellt hatte: Wenn man ein Stück Eisen nimmt und dies immer weiter zerteilt – erhält man dann eine kleinste Einheit Eisen, ein Atom, oder kann man ein Element wie Eisen beliebig klein schneiden, d.h. es ist eine kontinuierliche Substanz? Der englische Naturforscher John Dalton lieferte 1803 dieselbe Antwort, die über 2000 Jahre vor ihm schon Demokrit gegeben hatte: Die Materie war keine kontinuierliche Substanz, sondern bestand aus kleinsten Atomen. Doch während Demokrit noch annahm, dass jede Substanz aus ihren eigenen Atomen bestand, es also Tausende von verschiedenen Atomen geben musste, nahm Dalton nur an, dass es einige Dutzend verschiedene Atome gab, nämlich genauso viele, wie es auch Elemente gab. Alle anderen Substanzen waren ja Verbindungen dieser Elemente und damit auch Verbindungen der Atome.

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Dalton konnte seine Atomtheorie mit Beobachtungen begründen, die seine Chemiker-Kollegen schon seit einiger Zeit gemacht hatten: In einer Verbindung stehen die Massen der verbundenen Elemente immer in einem festen Verhältnis zueinander. Dieses Gesetz wird „Gesetz der konstanten Proportionen“ genannt. Es war 1797 vom französischen Chemiker Joseph Louis Prost aufgestellt worden. Nehmen wir Wasser. Wasser besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff, und zwar ist der Sauerstoff immer achtmal schwerer als der Wasserstoff (heute wissen wir, dass Wasser aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom besteht, die Formel lautet H20. Ein Sauerstoffatom ist 16-mal schwerer als ein Wasserstoffatom, da man für Wasser aber zwei Wasserstoffatome braucht, ist der Sauerstoff im Wasser achtmal schwerer als der Wasserstoff). Ähnliches gilt für die Verbindung Schwefeldioxid (in heutiger Nomenklatur als SO2 geschrieben), bei der der Schwefel und der Sauerstoff ein Masseverhältnis von 1:1 haben. Egal, wie wir das Schwefeldioxid gewinnen, das Massenverhältnis ist immer 1:1. Betrachtet man eine Verbindung wie Wasserstoffperoxid (H2O2), dann hat man ein Masseverhältnis von Sauerstoff zu Wasserstoff von 16:1. Im Fall des Schwefeltrioxids (SO3) ist das Masseverhältnis 2:3. Auch bei anderen Wasserstoff-Sauerstoff-Verbindungen oder Schwefel-Sauerstoff-Verbindungen stehen die Atome in einem festen Verhältnis zueinander – und dieses Verhältnis ist immer ganzzahlig! Egal welche Verbindung man untersucht, die Massen der Elemente stehen immer in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander. Die Tatsache, dass die Massenanteile der Elemente in allen chemischen Verbindungen dieser Elemente in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen, wurde von Dalton als „Gesetz der multiplen Proportionen“ bezeichnet. Wenn aber ein Element eine beliebige, nicht definierte Ausdehnung hat (da es kontinuierliche verkleinert werden kann), dann sollte es in einer Verbindung auch eine beliebige Masse haben können. Damit wäre es aber schon ein ziemlicher Zufall, dass die Massen bei allen beobachteten chemischen Reaktionen

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in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen und Daltons „Gesetz der multiplen Proportionen“ galt. Nahm man jedoch an, dass alle Elemente aus Atomen bestehen, die eine feste Masse haben, dann war diese Beobachtung leicht zu erklären. Daltons Atomtheorie konnte die Massenverhältnisse in Molekülen erklären. Aber seine Theorie hatte den Nachteil, dass man sie nicht direkt nachweisen kann, da Atome sehr, sehr klein sind. Aber Behauptungen über etwas, das man nicht nachweisen kann, sind schnell aufgestellt. Man kann sie jedoch erst ernstnehmen, wenn es gelingt, sie auch nachzuweisen. Da dies lange nicht gelang, wurde die Atomtheorie von vielen Wissenschaftlern zwar als nette Hypothese akzeptiert, die half, chemische Experimente zu erklären, doch kaum jemand mochte wirklich an die Existenz von Atomen glauben. Das änderte sich, als Anfang des 20. Jahrhunderts ein Schweizer Patentprüfer mit Namen Albert Einstein eine überzeugende Erklärung für die Brownsche Bewegung vorlegte. Bei der Bronwschen Bewegung handelte es sich um eine Beobachtung, die der schottische Botaniker Robert Brown im Jahre 1827 gemacht hatte. Er hatte entdeckt, dass sich Pollen auf der Wasseroberfläche bewegten (er war wahrscheinlich nicht der erste, der dies beobachtet hatte, er war allerdings der erste, dem dies als bemerkenswert auffiel): Kleine Pollenkörner, die auf der Wasseroberfläche schwammen, bewegten sich scheinbar zufällig in jede Richtung. Anfangs dachte Brown noch, dass dies ein Ausdruck der Lebenskraft der Pollen sei, die sie als lebendige Organismen (oder Teilen davon) besitzen mussten; er glaubte also, dass die Pollen sich aus eigener Kraft bewegten. Als guter Wissenschaftler machte Brown aber einige Experimente, um seine Theorie zu überprüfen. So streute er auch Staubteilchen unterschiedlicher Art auf das Wasser und konnte beobachten, dass auch die Staubteilchen sich ähnlich wie die Pollen bewegten (siehe Abbildung 4). Der Staub war jedoch anorganischer Natur und besaß definitiv keine Lebenskraft. Also waren es nicht die Teilchen, die sich bewegten, sondern irgendetwas bewegte die Teilchen.

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Schon im 19. Jahrhundert vermutete man, dass die ominösen Wasserteilchen, die aus den Atomen zusammengesetzten Moleküle, daran schuld sein konnten. Vielleicht bewegten sich die Wasserteilchen, stießen auf die Staubteilchen und Pollen und brachten sie so dazu, sich zu bewegen. Allerdings gelang es niemandem, eine mathematische Beschreibung dieses Phänomens vorzulegen, die das Verhalten der Teilchen genau beschrieb. In seinem „annus mirabilis“, im Jahr 1905, als er auch seine spezielle Relativitätstheorie vorstellte und einen der grundlegenden Artikel zur Quantenmechanik schrieb, veröffentlichte Albert Einstein einen Artikel, in dem er die Brownsche Bewegung überzeugend durch Stöße der Wasserteilchen erklärte und dabei einen Wert für die mittlere Weglänge herleitete, der gut mit dem Experiment übereinstimmte. Spätestens nach dieser Arbeit war die Existenz von Atomen und Molekülen, also kleinsten Einheiten der Materie, allgemein anerkannt

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In den 1960er Jahren erreichten Elektronenmikroskope dann eine Auflösung, die groß genug war, einzelne Atome aufzulösen. Zum ersten Mal konnte man Atome „sehen“ – nun konnte wirklich niemand mehr an ihrer Existenz zweifeln. Und das 1981 von Gerd Binnig und Heinrich Rohrer entwickelte Rastertunnelmikroskop ermöglicht es, selbst mit relativ geringem Aufwand Bilder mit atomarer Auflösung herzustellen, wie die in Abbildung 5 gezeigte Aufnahme einer Graphitoberfläche; jeder helle Kreis steht hier für ein Kohlenstoffatom.

Doch nun wieder zurück ins 19. Jahrhundert, in dem sich die Atomtheorie nur langsam durchsetzte. Und auch wenn nicht alle an die Existenz von Atomen glaubten, so wollte man doch wissen, ob es in dem Zoo der Elemente nicht irgendeine Ordnung gab, die helfen konnte, die Eigenschaften der Elemente und ihr Verhalten zu verstehen.

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2.3. Das Periodensystem

Diese Frage stellten sich im 19. Jahrhundert viele Chemiker. Man konnte die Elemente sicherlich nach ihrem Gewicht ordnen, oder danach, ob sie bei Raumtemperatur fest, flüssig oder gasförmig waren. Doch diese Ordnung brachte keine neuen Erkenntnisse. Der russische Chemiker Dmitri Iwanowitsch Mendelejew und der deutsche Chemiker Lothar Meyer arbeiteten unabhängig voneinander an einer Ordnung der Elemente, bei der sie die Elemente ihrem Atomgewicht nach von links nach rechts ordneten. Zugleich führten sie eine zweite Dimension ein, bei der sie Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaften untereinander anordneten. Dabei erkannten sie eine „Oktett-Regel“: Die chemischen Eigenschaften ähnelten sich für jedes achte Element (nur Wasserstoff schien alleine zu stehen). Sie veröffentlichten ihr Periodensystem der Elemente im Jahr 1869, wobei Mendelejews Arbeit einige Monate vor Meyers erschien. Allerdings schien die Oktett-Regel manchmal nicht zu funktionieren. So kam es vor, dass sich die chemischen Eigenschaften schon nach dem siebten Elemente wiederholten. Mendelejew jedoch war so davon überzeugt, mit der Oktett-Regel eine grundlegende Regel der Natur gefunden zu haben, dass er fehlende Elemente vorhersagte wie das Gallium, Scandium und Germanium, die die „Lücken“ in seinem Periodensystem schließen sollten. Die Eigenschaften dieser Elemente leitete er aus dem Verhalten der benachbarten Elemente ab, und dies gelang ihm erstaunlich gut. So hatte er die Dichte von Gallium mit 5,9 g/cm³ vorhergesagt, gemessen wurde 5,904 g/cm³. Gallium wurde 1875, Scandium 1879 und Germanium 1886 entdeckt. Auch gab es einige Metalle wie das Eisen, Mangan oder Nickel, die in ihren Eigenschaften einander sehr ähnlich sind und nicht der Oktett-Regel folgen. Mendelejew sortierte sie neben den Erdalkalimetallen ein. Heute ordnen wir sie einer Nebengruppe zu, bzw. den Gruppen drei bis zwölf.

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Mit der Zeit wurde das Periodensystem um die seltenen Erden erweitert, bei denen es sich um Metalle handelt, die ursprünglich in selten vorkommenden Kristallen gefunden wurden, weshalb man annahm, dass es sie auf der Erde selten geben würde. Heute weiß man, dass einige dieser seltenen Erden häufiger vorkommen als Gold, allerdings sind die seltenen Erden zumeist dünn in der Erdkruste verteilt, und es finden sich nur wenige Lagerstätten, in denen sich ein kommerzieller Abbau lohnt. Die letzte Erweiterung nahm Mendelejew im Jahr 1902 an seinem Periodensystem vor. Er fügte auf der rechten Seite eine weitere Spalte für die sogenannten Edelgase ein. Mit „edel“ bezeichnet man in der Chemie reaktionsträge Materialien. Dies war auch der Grund, weshalb die Edelgase recht spät entdeckt wurden. Nun wiederholten sich die chemischen Eigenschaften nicht mehr nach jedem achten, sondern erst nach jedem neunten Element, und Mendelejew musste auf seine schöne Oktett-Regel verzichten, aber die Ordnung des Periodensystem erlaubte es, die Eigenschaften der Elemente so gut vorherzusagen, dass dieser Verlust verschmerzbar war. Abbildung 6 zeigt das Periodensystem der Elemente. Man unterscheidet die Gruppen der Alkalimetalle, Erdalkalimetalle, Halogene und Edelgase, sowie Metalle, Halbmetalle und Nichtmetalle und die Übergangsmetalle und die Lanthanoide und Actinoide. Einige Elemente liegen bei Raumtemperatur gasförmig vor, einige flüssig (es sind mit Quecksilber und Brom genau zwei), die meisten jedoch fest. Die meisten Elemente sind stabil, ein paar jedoch sind radioaktiv und zerfallen mit der Zeit. Geht man von links nach rechts durch das Periodensystem, dann gelangt man von den Metallen zu den Nicht-Metallen. Ungefähr in der Mitte befinden sich die Halbmetalle. Die Halbmetalle gehören zu den Halbleitern (wie auch einige Verbindungen wie Galliumnitrid, aus dem man Leuchtdioden herstellt) und spielen in der modernen Elektronik eine große Rolle, da man ihre elektrische Leitfähigkeit in einem großen Bereich verändern kann, so dass sie sich wie Isolatoren oder fast perfekte Metalle verhalten können.

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