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8 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (20) DER HAUSARZT-REPORTER AUS DER PRAXIS Haben Sie Anregungen für den Hausarzt-Reporter? Ein wichtiges aktuelles Diskussionsthema, ein unerhörtes Erlebnis aus Alltag oder Bürokratie, oder vielleicht einfach nur eine interessante Hausarztpraxis? Melden Sie sich! Telefon: 0 89 / 20 30 43 - 13 64 E-Mail: [email protected] Reportage: „familycare“-Praxis in Berlin Vom Frühchen bis zum Greis Neu © Mißlbeck Kleinkinder mit Infekten stecken oft auch die Eltern an. In der Praxis von Dr. Bernhard König in Berlin-Friedrichshain werden diese direkt mitversorgt – wofür der Pädiater eigens zwei Allgemeinärzte angestellt hat. Aus dieser Idee hat sich eine hausärztliche Praxis für die ganze Familie entwickelt, wo Patienten ihr ganzes Leben lang versorgt werden können. - Das Angebot geht natürlich über die Versorgung akuter Beschwerden hinaus. Bei planbaren Behandlungen, etwa Vor- sorgeuntersuchungen oder Impfungen, erhalten Kind und Eltern Kettentermine. Das spart den Patienten Zeit und Wege. „Wir können die Familien umfassend betreuen“, freut sich König. Der Vater dreier Teenies ist der Auffassung, dass Pädiatrie immer auch Familienmedizin ist. Weil der Kinderarzt sich ärgerte, dass er die Eltern seiner Patienten weiterschi- cken musste, hat er seit 2008 das Kon- zept „familycare“ zur generationenüber- greifenden Versorgung entwickelt. Letz- tes Jahr kam er beim Wettbewerb „Die innovative Arztpraxis“ von Springer Medizin und UCB unter die Top Ten. Im Jahr 2010 startete das Versor- gungsangebot in neuen, großzügigen Räumen, zunächst mit einer angestellten Allgemeinmedizinerin. Der Erfolg war jedoch so groß, dass König im Herbst 2012 die Nachbarräume der Praxis an- mietete und einen zweiten Allgemein- mediziner anstellte. Für die beiden Dis- ziplinen arbeitet außerdem je eine Assis- tenzärztin mit. Gemeinsam versorgen die Ärzte rund 3 500 Patienten im Quar- tal, davon etwa 1 600 in der Kinderheil- kunde. Entlastet werden sie von insge- samt sieben Helferinnen und drei Schü- lerinnen. Auch Königs Frau, eine Kin- derkrankenschwester, arbeitet mit. Aus manchen Familien versorgt die Praxis inzwischen drei Generationen. Doch richtig stolz ist König darauf, dass alle Mitarbeiter hinter dem „familycare“- Konzept stehen. „Am meisten freut mich, dass es allen Spaß macht, hier zu arbeiten“. Die Praxis ist familiengerecht ausgestattet. Es gibt einen blickgeschütz- ten Wickeltisch und ein Stillzimmer. Gesunde Babys, die nur zur Vorsorge kommen, warten in einem eigenen Be- reich. In einem der fünf Behandlungs- Dr. Bernhard König (2. v. l.) empfängt ganze Familien in seiner „familycare“-Praxis.

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Page 1: Vom Frühchen bis zum Greis

8 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (20)

FORTBILDUNG_SCHWERPUNKT

DER HAUSARZT-REPORTER

AUS DER PRAXIS

Haben Sie Anregungen für den Hausarzt-Reporter? Ein wichtiges aktuelles Diskussionsthema, ein unerhörtes Erlebnis aus Alltag oder Bürokratie, oder vielleicht einfach nur eine interessante Hausarztpraxis? Melden Sie sich!

Telefon: 0 89 / 20 30 43 - 13 64 E-Mail: [email protected]

Reportage: „familycare“-Praxis in Berlin

Vom Frühchen bis zum Greis

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Kleinkinder mit Infekten stecken oft auch die Eltern an. In der Praxis von Dr. Bernhard König in Berlin-Friedrichshain werden diese direkt mitversorgt – wofür der Pädiater eigens zwei Allgemeinärzte angestellt hat. Aus dieser Idee hat sich eine hausärztliche Praxis für die ganze Familie entwickelt, wo Patienten ihr ganzes Leben lang versorgt werden können.

−Das Angebot geht natürlich über die Versorgung akuter Beschwerden hinaus. Bei planbaren Behandlungen, etwa Vor-sorgeuntersuchungen oder Impfungen, erhalten Kind und Eltern Kettentermine. Das spart den Patienten Zeit und Wege. „Wir können die Familien umfassend betreuen“, freut sich König. Der Vater

dreier Teenies ist der Au�assung, dass Pädiatrie immer auch Familienmedizin ist. Weil der Kinderarzt sich ärgerte, dass er die Eltern seiner Patienten weiterschi-cken musste, hat er seit 2008 das Kon-zept „familycare“ zur generationenüber-greifenden Versorgung entwickelt. Letz-tes Jahr kam er beim Wettbewerb „Die

innovative Arztpraxis“ von Springer Medizin und UCB unter die Top Ten.

Im Jahr 2010 startete das Versor-gungsangebot in neuen, großzügigen Räumen, zunächst mit einer angestellten Allgemeinmedizinerin. Der Erfolg war jedoch so groß, dass König im Herbst 2012 die Nachbarräume der Praxis an-mietete und einen zweiten Allgemein-mediziner anstellte. Für die beiden Dis-ziplinen arbeitet außerdem je eine Assis-tenzärztin mit. Gemeinsam versorgen die Ärzte rund 3 500 Patienten im Quar-tal, davon etwa 1 600 in der Kinderheil-kunde. Entlastet werden sie von insge-samt sieben Helferinnen und drei Schü-lerinnen. Auch Königs Frau, eine Kin-derkrankenschwester, arbeitet mit.

Aus manchen Familien versorgt die Praxis inzwischen drei Generationen. Doch richtig stolz ist König darauf, dass alle Mitarbeiter hinter dem „familycare“-Konzept stehen. „Am meisten freut mich, dass es allen Spaß macht, hier zu arbeiten“. Die Praxis ist familiengerecht ausgestattet. Es gibt einen blickgeschütz-ten Wickeltisch und ein Stillzimmer. Gesunde Babys, die nur zur Vorsorge kommen, warten in einem eigenen Be-reich. In einem der fünf Behandlungs-Dr. Bernhard König (2. v. l.) empfängt ganze Familien in seiner „familycare“-Praxis.

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Dr. Bernhard König

Niedergelassener Pädiater und Neonatologe in Berlin-Fried-richshain. Werdegang: Medizinstudium in Marburg, Ausbildung zum Pädiater und neonatologische Tätigkeit an einer Berliner Klinik. Niederlassung 2005 in Einzelpraxis in Berlin-Friedrichs-hain. Seit 2010 Praxiskonzept „familycare“ mit zwei angestell-ten Allgemeinmedizinern.

zimmer im kinderärztlichen Bereich gibt es eine Wärmelampe für Früh- und Neugeborene. Ein Raum wird für die kleine Chi-rurgie genutzt. Ultraschall für Hü�e, Bauch, Nieren und Kopf macht König selbst. Für die neonatologische Versorgung gibt es ein Gerät zur transkutanen Messung des Bilirubinwertes.

Genauso modern und umfassend ausgestattet ist der allge-meinmedizinische Teil der Praxis. Dort gibt es noch einmal fünf Behandlungszimmer mit Platz für Sonogra�e und EKG sowie ein Labor. Knapp 900 Quadratmeter umfasst die Praxis unweit des Alexanderplatzes insgesamt. Die hochwertige Ausstattung verdankt sie nicht zuletzt einem im Berliner Vergleich über-durchschnittlich hohen Anteil an Privatpatienten. „Bestimmte Investitionen könnte ich sonst nicht tätigen“, sagt König.

„familycare“ strebt hohe Impfraten anFür das Impfmanagement hat er ein stringentes Konzept entwi-ckelt, das auch die Allgemeinärzte anwenden. Kern ist eine kla-re Terminstruktur und Information auf Augenhöhe. „Mit ver-unsicherten Eltern kann man reden“, sagt König. Folgetermine für Kinder werden gleich beim ersten Imp�ermin vereinbart. So hat die Praxis 2011 eine Rotavirus-Impfrate von 76% bei den Säuglingen bis zum achten Lebensmonat erreicht. Den Bundes-durchschnitt gibt König mit 30% an. Im allgemeinärztlichen Praxisteil fallen die Plakate zur Masernimpfung auf. Erwach-sene werden bei „familycare“ auch dann geimp�, wenn sich das Imp�uch nicht mehr �nden lässt.

Bei der Betreuung chronisch kranker Kinder, die ins Erwach-senenalter kommen, gibt es keine problematischen Brüche. Die virtuelle Patientenakte geht vom Pädiater an den Allgemeinme-diziner. Bei der wöchentlichen Teamsitzung wird der Fall be-sprochen, die Kontinuität der Versorgung ist gewährleistet. Da-mit die umfassende Versorgung auch bei spezi�schen Patien-tenproblemen funktioniert, p�egt König ein Netzwerk mit fach-ärztlichen Kollegen und Kliniken, mit Hebammen, Physiothe-rapeuten und Logopäden. „Patienten fragen nach Empfehlun-gen. Mein Anspruch ist, die zu kennen, die ich empfehle“, sagt der Kinderarzt.

Eltern schwerkranker Kinder bietet König einen besonderen Service: Sie haben seine Handynummer. „Ich habe früher im Krankenhaus 24-Stunden-Schichten gemacht, da kann mich heute ein Anruf am Wochenende nicht schrecken“, sagt er. Angela Mißlbeck ■