vertrieb und vermittlung von versicherungen aus rechtlicher sicht

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Vertrieb and Vermittlung von Versicherungen aus rechtlicher Sicht Von Karl Sieg, Hamburg Inhaltsiibersicht A. Direktvertrieb B. Nichtprofessionelle / professionelle Vermittler (Uberblick) C. Versicherungsangestellte im Werbeaullendienst I. Abgrenzung zum Versicherungsvertreter II. Provision III. Sozialer Schutz IV. Inbesondere: Geschaftsstellenleiter D. Versicherungsvertreter I. Begriff II. Haupt- and nebenberufliche Vertreter III. Einfirmenvertreter/Mehrfachagent W. Hauptvertreter/Untervertreter V. Ausgleichsanspruch VI. Altersversorgung VII. Dienstvertragsrecht des BGB E. Versicherungsmakler I. Charakteristik 1I. Arten III. Verhaltnis zu den Parteien des Versicherungsvertrages IV. Grenzen der Maklerstellung F. Firmenverbundene Versicherungsvermittler Resumee Schon zweimal hatte der Verfasser die Ehre, auf dem Forum des Deutschen Vereins fair Versicherungswissenschaft uber Versicherungs- vermittlungsrecht zu sprechen, namlich 1979 and 1982. 1 Der erstere Vortrag stand unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts ein- schlie13lich der aufsichtsrechtlichen Aspekte, der zweite hatte das Berufs- * Der Aufsatz stellt die etwas erweiterte Fassung eines Vortrages dar, gehalten am 2.3. 1988 auf der Jahrestagung des Deutschen Vereins fur Versicherungswissen- schaft e. V. in Kiel. 1 Sieg ZVersWiss 1979 S. 91 ff.; ZVersWiss 1982 S. 143 ff.

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Vertrieb and Vermittlung von Versicherungenaus rechtlicher Sicht

Von Karl Sieg, Hamburg

Inhaltsiibersicht

A. Direktvertrieb

B. Nichtprofessionelle / professionelle Vermittler (Uberblick)

C. Versicherungsangestellte im Werbeaullendienst

I. Abgrenzung zum VersicherungsvertreterII. Provision

III. Sozialer SchutzIV. Inbesondere: Geschaftsstellenleiter

D. Versicherungsvertreter

I. BegriffII. Haupt- and nebenberufliche Vertreter

III. Einfirmenvertreter/MehrfachagentW. Hauptvertreter/UntervertreterV. Ausgleichsanspruch

VI. AltersversorgungVII. Dienstvertragsrecht des BGB

E. Versicherungsmakler

I. Charakteristik1I. Arten

III. Verhaltnis zu den Parteien des VersicherungsvertragesIV. Grenzen der Maklerstellung

F. Firmenverbundene Versicherungsvermittler

Resumee

Schon zweimal hatte der Verfasser die Ehre, auf dem Forum desDeutschen Vereins fair Versicherungswissenschaft uber Versicherungs-vermittlungsrecht zu sprechen, namlich 1979 and 1982. 1 Der erstere

Vortrag stand unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts ein-

schlie13lich der aufsichtsrechtlichen Aspekte, der zweite hatte das Berufs-

* Der Aufsatz stellt die etwas erweiterte Fassung eines Vortrages dar, gehaltenam 2.3. 1988 auf der Jahrestagung des Deutschen Vereins fur Versicherungswissen-schaft e. V. in Kiel.

1 Sieg ZVersWiss 1979 S. 91 ff.; ZVersWiss 1982 S. 143 ff.

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recht sowie das Verhaltnis zum VN zum Gegenstand. Bei diesem Beitragnun ist die Zielsetzung eine andere; das Konzept, die Absatzstrategien derVersicherer zu durchleuchten, gebietet es, das Verhaltnis zum Versichererin den Mittelpunkt zu stellen.

A. Direktvertrieb

Vorerst sei jedoch ein kurzer Blick auf jenes Absatzsystem geworfen,das uberhaupt ohne Vermittlung auskommt, namlich auf den Direktver-trieb. Wenn er auch z. Zt. noch keine groi3e Rolle in der Versicherungswirt-schaft spielt, so scheint die Tendenz doch zunehmend zu sein. Wenn hierDirektvertrieb als ein System gekennzeichnet wurde, das die Vermittlungeinspart, so wird dabei einer Definition gefolgt, die in der Versicherungs-wirtschaft ublich ist, aber interessanterweise nicht fur alle Wirtschafts-zweige gilt. Nimmt man namlich das Buch des Frankfurter OrdinariusPeter Gilles ,,Das Recht des Direktmarketing" (1982) zur Hand, so fallt auf,daJ3 dieser den Begriff viel weiter fal3t. Danach fallt unter das Direktmar-keting jeder Vertragsschlul3 and jede Werbung aul3erhalb der Geschafts-raume des Anbieters, also alle sogenannten Haustizrgeschafte. Soweitgeht der iibliche Sprachgebrauch in der Versicherungswirtschaft beiweitem nicht, and das findet eine gewisse, wenn auch vom Gesetzgebersicherlich nicht willentlich vollzogene Bestatigung darin, daB das Gesetzfiber den Widerruf von Hausti-irgeschaften in § 6 Ziff. 2 Versicherungsver-trage ausnimmt, Hier hat eben das Hausturgeschaft eine andere Funktionals etwa im Warenverkehr. — Kommunikationsmittel des Direktvertriebsist nicht eine Person, sondern etwa der Katalog, der Brief, das Telefonge-sprach and neuerdings der Bildschirm. Vorsicht ist beim Telefongesprachgeboten, denn diese Art der Werbung gilt jedenfalls gegeniiber Privatenals sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG 2 , es sei denn, der Anruf sei vomKunden erbeten worden, oder er diene der Information des Kundeninnerhalb einer schon bestehenden Verbindung. — Zum Direktvertriebim weiteren Sinne zahlt auch der Vertrieb Uber Versandhauser. 3 Zwarkommen hier der Form nach Agenturvertrage vor (die Versandhauserfungieren darn als nebenberufliche Vertreter), aber da jeder Kontakt zumKunden fehlt, liegt soziologisch Direktvertrieb vor. Eine Zusammenfas-sung von Warenhaus and Versicherer kommt auch durch die Grundungeines Versicherungsunternehmens durch beide vor: Quelle and PartnerLeben, Quelle and Partner Allgemeine 4 , sind die Beispiele; Koopera-

2 Vgl. die VW 1988 S. 166 besprochenen Urteile.B. Unger, Die Versicherungsvermittlung im Wirkungsfeld des Aufsichts- and

Wettbewerbsrechts, 1987 S. 106. Uber moderne Vertriebswege Schirmer VW 1986S. 530ff., 614ff. Ganz ungeeignet fiir Versicherungen ist der Vertrieb fiber Verbrau-chermarkte.

" Die Konzessionen sind veroffentlicht VerBAV 1988 S. 13.

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tionen, die ubrigens deshalb bemerkenswert sind, weil der,,Partner` verbandsmal3ig stark gebunden ist. Jedenfalls soweit QueueVersicherungsvertrage hereinbringt, liegt Direktvertrieb vor.

B. Nichtprofessionelle / professionelle Vermittler (Uberblick)

Ehe wir uns den drei Hauptblocken der Vermittlung, Angestellte imWerbeaul3endienst, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler, zu-wenden, ein kurzes Wort zu den nichtprofessionellen Vermittlern. Siespielen bei manchen Versicherern eine bedeutende Rolle. Gemeint ist dieWerbung unter Vereinsmitgliedern, Kollegen eines Betriebes, Angehori-gen einer Verwaltung, die Werbung durch Vertrauensleute. Hier wie auchbei denen, die gelegentlich einen Versicherungsvertrag im Familien- oderFreundeskreis vermitteln, fehlt es an einem standigen Betrauungsver-haltnis zur Unternehmung, weshalb §§ 84ff. HGB keine Anwendungfinden. Welche Rechtsordnung ist aber mal3gebend? Den Vertragstypusdes Zivilvertreters kennt das BGB nicht, wohl aber den des Zivilmaklers,weshalb §§ 652 ff. BGB analog Anwendung finden sollen. 5 Allerdings pal3tgleich die erste Vorschrift dieser Reihe insofern nicht, as danach dieCourtage mit dem Vertragsschluf3 verdient ware, wahrend auch derGelegenheitsvermittler den Anspruch erst mit der Pramienzahlungerwirbt, wie das BAG entschieden hat. 6 Ganz ohne unmittelbare gesetzli-che Regelung ist die hier behandelte Personengruppe aber nicht. DieTVO-Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung erfal3t sie namlich in § 32, wosogar an das Minimum der Vermittlung gedacht wird, namlich denNachweis von Anschriften. Der normative Befund ist also mager. Abergleichwohl haben sich, wie das sparliche Entscheidungsmaterial zeigt,kaum Schwierigkeiten ergeben.

Wir kommen nun zum Absatz unter Zwischenschaltung eines professio-nellen Vermittlers. Die Entwicklung der letzten Jahre hat den Zug zurTypenvermischung beschleunigt and damit den Blick fur die Schaffungvon Abgrenzungskriterien gescharft, denn auf die einzelnen Typenreagieren durchaus unterschiedliche Rechtssatze. Die Zweifel beginnenbereits bei der Frage: Wer ist Angestellter, wer ist freiberuflicher Vertre-ter? Wer ist unter den letzteren Versicherungsvertreter oder sonstigerHandelsvertreter (durchaus akut fur die sogenannten Financial Servi-ces)? Wer ist echter, wer ist unechter Unteragent (problematisch etwabeim Vertreternetz des Versicherers, der kraft Organisationsvertragessemen Apparat einem anderen Versicherer zur Verfiigung stellt)?

Mit den aufgeworfenen Fragen, soli gewissermal3en der rote Faden andie Hand gegeben werden fur das Verstandnis der folgenden Ausftihrun-

5 Vgl. B. Unger wie oben Ful3note 3) S. 17.6 BAG BB 1968 S. 168.

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gen. Die Subsumption eines bestimmten Lebenssachverhalts unter eineder zur Verfugung stehenden Gesetzeskategorien ist meist schwieriger alsdie Auffindung der Konsequenzen, die sich auf Grund der Typuseinord-nung oft nahezu von selbst ergeben.

Den Gesichtspunkt fur die folgende Gliederung bildet die Intensiti t desWeisungsrechts des Versicherers. 7 Es ist am starksten ausgepragt bei denAngestellten im Aul3endienst, weniger beim Versicherungsvertreter andallenfalls rudimentar beim Versicherungsmakler.

C. Versicherungsangestellte im WerbeauBendienst

I. Abgrenzung zum Versicherungsvertreter

Das Rechtsverhaltnis zwischen dem AuBendienst-Angestellten andseiner Unternehmung wird von zwei grundsatzlich unterschiedlichenRechtsordnungen gepragt, dem liberalen HGB and dem sozialrechtlichverpflichteten Arbeitsrecht, dieses wiederum aufgespalten in eine Reihevon Gesetzen, die auf individuelle Arbeitsverhaltnis reagieren, and vonNormen des kollektiven Arbeitsrechts, vornehmlich des BetrVG. Nor-menschaffende Wirkung hat ferner ein Tarifvertrag, hier in erster Linieder Manteltarifvertrag fur das private Versicherungsgewerbe mit semenSpezialbestimmungen der §§ 17 ff. fur die AuBendienstler. Nun zur Ab-grenzung zu den Vertretern. § 84 HGB will eine Stutze geben: ,Selbstan-dig ist, wer im wesentlichen frei seine Tatigkeit gestalten and seineArbeitszeit bestimmen kann." Weiter konkretisiert Abs. 2 des § 84,: ,Wer,ohne selbstandig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, standig betraut ist, fureinen Unternehmer Geschate zu vermitteln oder in dessen Namenabzuschliel3en, gilt als Angestellter."

Es sind gut gemeinte Vorschriften, die aber wegen ihrer Verschwom-menheit kaum zur Klarung im Einzelfall beitragen konnen. So nimmt esnicht Wunder, daB uber die Abgrenzung Strome von Tinte vergossenworden sind, and zwar bis in die neueste Zeit.B hides helfen hiertheoretische Erorterungen wenig weiter, fir den Praktiker ist eineMusterung der Judikatur wichtig. Als deren Extrakt lassen sich etwafolgende Satze herausfiltern: Wesentlich ist das Gesamtbild des Verhalt-nisses zwischen Unternehmer and Werbendem 9 , wobei dem Direktions-

Einzelheiten: Bruck/Moller, VVG, 8. Aufl. 1961 vor §§ 43-48 Anm. 159;Vof3/Hdit, Versicherungsenzyklopadie, 1984 Bd. 3 VIII S. 51ff.

8 Vgl. etwa B. Unger wie oben Fullnote 3) S. 10ff.; Meisters, Der selbstandigeVersicherungsvertreter and der unselbstandige Angestellte im Versicherungsau-13endienst, Diss. Köln 1973 -1974; Bangert, Der selbstandige and der unselbstandigeVersicherungsvertreter, 1983. Allgemein: Stolterfoth, Die Selbstandigkeit desHandelsvertreters, 1973.

9 Vgl. BGH DB 1982 S. 590; BAG VersR 1966 S. 383 = DB 1966 S. 546.

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recht als der starksten Form des Weisungsrechts eine bedeutende Rollezugedacht wird (umgekehrt: schwaches Weisungsrecht des Unterneh-mers spricht fur Selbstandigkeit des anderen Teils). Ebenso spielt dasVerhaltnis Fixum zu Provision eine erhebliche Rolle insofern, als selb-standig nur der ist, der ein eigenes unternehmerisches Risiko tragt.Primar kommt es nicht darauf an, ob Lohnsteuer and Sozialversiche-rungsbeitrage einbehalten worden sind, oder ob umgekehrt der Mitarbei-ter Einkommen-, Gewerbe- and Umsatzsteuer zahlt, ob er Mitglied derzustandigen Industrie- and Handelskammer ist. All das, so meint dasBAG, seien nur Folgen des jeweiligen Status, aber keine Umstande, dieden Status bestimmen. Immerhin aber seien diese sekundaren Erschei-nungsmerkmale nicht vollig ohne Bedeutung insofern, als sie, jahrelanggeubt, zeigen, wie die Parteien ihr Rechtsverhaltnis auffassen.

Bis in die jungste Zeit umstritten ist, welche Bedeutung der ausdruckli-chen Zuordnung im Vertrage zukommt, etwa dem Passus ,hiermit wirdkein Angestelltenverhaltnis begrundet". Sicher ist aber immerhin so viel,daB solche Wendung allein ohne Wirkung bleibt, wenn ihr die wirklicheHandhabung widerspricht. Die Vertragsvereinbarung kann insoweit nurdie Rolle eines Zungleins an der Waage spielen, wenn im ubrigen ebensoviele Umstande fur wie gegen den Vertreterstatus sprechen.

Die immer noch bestehende Unsicherheit ruhrt nicht zuletzt daher, daBuber streitige, im Zusammenhang hiermit stehende Fragen nicht nur dasordentliche oder das Arbeitsgericht entscheidet (so bei privatrechtlichenStreitigkeiten), sondern u. U. auch das Sozial- oder das Finanzgericht.Keines dieser Gerichte ist an die Beurteilung des anderen gebunden,selbst im gleichen Falle nicht. Der Gemeinsame Senat der OberstenGerichtshofe des Bundes, der zur Wahrung der Rechtseinheit geschaffenwurde, ist mit dieser Materie bisher nicht befal3t worden.

II. Provision

Wir wenden uns den Provisionen zu. Gesetzliche Grundlage fur denangestellten Werber ist § 65 HGB, der auf einige Vorschriften des Provi-sionsrechts fur Handelsvertreter verweist. Leider ist die Bezugnahmeunvollstandig and mu13 in dem Sinne erganzt werden, daB sie sich auchauf § 92 HGB bezieht, wonach ein Versicherungsvertreter Anspruch aufProvision nur fiir Geschafte hat, die auf seine Tatigkeit zuriickzufiihrensind (keine Provision fur sogenannte Nachbestellungen), and das erstdann, wenn der VN die Pramie gezahlt hat. 1° DaB § 92 HGB auch auf denAngestellten Anwendung finden muJ3 11 , ergibt sich schon daraus, daB der

10 Zur Auswirkung des Satzes „Die Provision folgt der Pramie" Vof3/Hol wieoben Fuilnote 7) S. 76f.

11 Kustner, Handbuch des gesamten Aul3endienstrechts, Bd. 3 1985 Rdnr. 257.

18 Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 2

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durch ihn reduzierte § 87 a fur Versicherungsprovisionen nicht pa13t, weilhier von einer Ausfuhrung des Geschafts durch den Unternehmer, alsodurch den Versicherer, keine Rede sein kann. 12

Die Provision ist also nicht als Leistungslohn and schon gar nicht alsZeitlohn zu verstehen, sondern als Erfolgslohn. Jede andere Losungwurde den selbstandigen Vertreter unangemessen benachteiligen. Wirdin dieser Richtung also die Provision wie ein Gegenwert unternehmeri-scher Leistung behandelt, so ist es widerspruchsvoll, da13 die h. L. dieseAnspuche gleichwohl wie Lohn in 2 Jahren verjahren 1ä13t statt in 4 Jahrenwie die Vertreterprovision. 13

Der Provisionsanspruch ist also bei Abschlul3 des Versicherungsvertra-ges aufschiebend bedingt durch die Pramienzahlung. 14 Wenn die Erstpra-mie bereits die gesamte Abschluf3provision fallig macht, wie bisher in derLebens- and Krankenversicherung, so ist diese auflosend bedingt durchNichtzahlung der Folgepramie. Provisionsvorschusse konnen als Darle-hen oder als vorgezogene Falligkeit erfiillungsbedingter Anspriichevereinbart werden. 15 Der Trend des Aufsichtsamts geht dahin, auch in derLebensversicherung zu ratierlichen Provisionsfalligkeiten zu kommen, jenach Pramieneingang.

Hochst umstritten war der koltektivrechtliche Einflul3 auf die Provision.Zu unterscheiden sind insoweit AbschluB-, Leitungs- and Anteilprovi-sion. Was AbschluBprovision ist, liegt auf der Hand; Leitungsprovisionerhalt der Organisationsleiter als Prozentsatz vom jahrlichen Nettozu-gang; die Anteilprovision schliel3lich entspricht der Superprovision einesGeneralagenten. Nach der Rechtsprechung des BAG gilt fur alle dreiProvisionsteile das Mitbestimmungsrecht nach § 87I Ziff. 10 BetrVG,nicht jedoch das intensivere Mitbestimmungsrecht der Ziff. 11. 16 WurdeZiff. 11 gelten, so wurde sich die Mitbestimmung auf die Festsetzung derProvisionshohe erstrecken. Diese Folgerung hat das BAG verneint' 7 anddamit zum Ausdruck gebracht, dal3 die Provision nicht leistungs- sondernerfolgsbezogen ist. Der Unterschied zwischen Ziff. 10 and Ziff. 11 des § 87

12 Kustner, wie oben Fulinote 11) Rdnr. 260.13 Heymann/Kotter, HGB, 21. Aufl. 1971 § 65 Anm. 7.14 Kustner, Handbuch des gesamten Auilendienstrechts, Bd. 1 1979 Rdnr. 486.15 Fallt die Bedingung aus, d. h. zahlt der VN die Pramie nicht, so steht VU bei der

letzteren Losung nur ein Bereicherungsanspruch nach § 812 I S. 21. Alternative zu.Werden die Provisionsvorschiisse als Darlehen behandelt, so hat die Nichtzahlungder Pramie die Wirkung, daI3 die Darlehensforderung nicht in Hohe der Provisiongetilgt wird, das VU also einen vertraglichen Anspruch behalt.

is BAG BB 1984 S. 2128 = NJW 1985 S. 399; ArbG Monchengladbach VersR 1982S. 661 mit Anmerkung Seifert.

17 BAG BB 1984 S. 2128 = NJW 1985 S. 399. Heinze Neue Zeitschr. f. Arbeits- u.Sozialrecht 1986 S. 1f. noch restriktiver.

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ist wichtig: weil lediglich Ziff. 10 gilt, bezieht sich die Mitbestimmung nurauf Strukturfragen, auf die Methode der Bemessung. — Grenzen fur dieProvision, die auch kollektivrechtlich zu beachten sind, ergeben sich furdie Kraftfahrzeughafkpflichtversicherung 18 durch die TVO and fur dieLebensversicherung durch Aufsichtsrecht. 19

Wie gesagt, ist die Provision erst endgultig verdient mit der Pramien-zahlung des VN. Erfullt dieser nicht, entsteht die Frage, welche Anstren-gungen der Versicherer unternehmen muf3, urn die Pramie hereinzube-kommen and damit dem Angestellten die Provision zu erhalten. Bemii-hungen des Versicherers in dieser Richtung gehoren zu seinen Obliegen-heiten. Generell ist ihr Umfang schwer zu umschreiben, es gilt vielmehrzu differenzieren, zunachst nach dem Versicherungszweig. Gesichert ist,daB der Versicherer in der Lebensversicherung regelmdflig nicht gehaltenist, Pramienklage zu erheben 20 , in den ubrigen Zweigen dann nicht, wennes sich urn kleine Betrage handelt (Kostenrisiko unverhaltnismaBig gro13),oder wenn keine Vollstreckungsaussichten beim VN vorhanden sind.Eher ist dem Versicherer die Klage auf Folgepramie als auf Erstpramieanzusinnen, doch kommt alles auf die Umstande an. 21 Ist der Versicherernach dem Gesetz nicht gehalten, weitere Schritte gegen den VN zuunternehmen, so liegt es ihm ob, dem Werber eine Stornogefahrmittei-lung zukommen zu lassen, damit dieser nachbearbeiten kann. SolcheMitteilung ist nur dann entbehrlich, wenn der Dienstvertrag inzwischenbeendet worden ist. 22

III. Sozialer Schutz

Eigenartig ist an der Position des Angestellten, daB er zwar hinsichtlichder Provision wie ein Handelsvertreter behandelt wird, gleichwohl aberden vollen sozialen Schutz eines Arbeitnehmers genieSt. So gelten zuseinen Gunsten das allgemeine KundigungsschutzG and der Kundi-gungsschutz fur altere Angestellte. Eine Unternehmerkundigung ist imSinne des § 1 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Angestellte

'$ Hierzu Sievers VW 1985 S.456-458.19 Rundschreiben R 4/86 vom 29. 5. 1986 VerBAV 1986 S. 267 and die darin in

Bezug genommenen Rundschreiben R 5 / 74 and R 3 / 85. Hierzu VW 1987 S. 1202.

2' Die Geschaftsplanmal3igen Erklarungen zu den ALB (hier einschlagig Ziff. 3.1)sind VerBAV 1984 S. 382 veroffentlicht. Vgl. ferner Vof3/Hoft wie oben FuBnote 7)S. 76; Sundermann BB 1958 S. 542, 546; BAG BB 1968 S. 168.

21 Vgl. hierzu noch Hans BB 1957 S. 1060 and BB 1958 S. 544 in Erwiderung aufSundermann wie oben Ful3note 20): ferner B. Unger wie oben Fuilnote 3) S. 84f.;Platz VersR 1985 S. 621; Kiistner BB Beilage 12 / 85 S. 6; OLG Frankfurt VersR 1986S. 461.

I LAG Hamm VersR 1981 S. 1054; LAG Frankfurt VersR 1982 S. 480; Kustner BBBeilage 12 / 85 S. 6.

18*

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nicht einmal das an Provision erzielt, was dem Mindesttariflohn ent-spricht. Allerdings bedarf es einer vorangegangenen Abmahnung andeines schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, wobei aber das Ver-schulden vermutet wird, wenn vergleichbare Mitarbeiter die in siegesetzten Erwartungen erfullt haben. 1 Nach § 15 Ziff. 3 Manteltarifver-trag ist der altere Angestelite nach einer bestimmten Dienstzeit uber-haupt unkundbar (ausgenommen naturlich die Kundigung aus wichtigemGrund), aber das gilt nicht fur den Aul3endienst, der also in diesem Punktetwas schlechter steht als sein Kollege im Innendienst.

Aul3endienstangestellte haben nach dem Manteltarifvertrag fernerAnspruch auf Urlaubsentgelt, auf Fortzahlung der Bezuge im Krank-heitsfall, auf Feiertagsentlohnung. Das Lebensstandardprinzip wird alsoauf sie ubertragen, wohinter sich eine Anomalie verbirgt: Da der Ange-stellte im Aul3endienst seine Arbeitszeit praktisch frei gestalten kann 25

(auch die Arbeitszeitordnung gilt nicht fur ihn), erleidet er durch dieFeiertage keinen Ausfall. Was Urlaubsentgelt and Fortzahlung bei Krank-heit angeht, so ware es logisch, hier als Fortzahlung nur das Fixumzugrunde zu legen statt des Fixums plus durchschnittlicher Provision wieim Tarifvertrag vorgesehen. 26 Damit kommt ein Element ins Spiel(Provision ohne fair den Abschlul3 kausale Tatigkeit), das nach § 92 IIIHGB beim Versicherungsvertreter ausgeschlossen ist. Der Kolner Ar-beitsrechtler Manfred Lieb hat den Aul3endienstangestellten als Teilun-ternehmer apostrophiert 27 , man kann hinzufugen: Teilunternehmer mitvollem Sozialschutz.

Eine gewisse innere Rechtfertigung 1al3t sich allerdings fur diesenSchutz darin erblicken, daB die Unternehmerfreiheit des Angestelltendurch das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschrankt wird oderjedenfalls eingeschrankt werden kann and daB hier ein Ausgleichsan-spruch fehlt. 28

I LAG Dusseldorf VersR 1986 S. 149; LAG Baden—Wurttemberg VersR 1983S. 1067.

Hierzu ArbG Aachen and LAG Köln VersR 1986 S. 1199.§ 18 Manteltarif fur das private Versicherungsgewerbe.§§ 21, 22 Manteltarif fair das private Versicherungsgewerbe.

27 Lieb ZVersWiss 1976 S. 207ff.28 Der Ausgleichsanspruch ist das Aquivalent fiir Provisionsverzichte bei Aus-

scheiden aus dem Agenturverhaltnis. Provisionsverzichtsabreden mit angestelltenVermittlern sind grundsatzlich unwirksam; anders nur, wenn beim Ausgeschiede-nen wegfallende Provisionen dem Nachfolger bezahlt werden, oder wenn der jetztAusgeschiedene bei Beginn seiner Tatigkeit Provisionen aus den Geschaften seinesVormannes erhalten hat. Vgl. zu alledem: BAG BB 1972 S. 1453; BGH DB 1982S. 590; Kustner wie oben Fullnote 11) Rdnrn. 251, 252; Kustner BB Beilage 12/85S. 15.

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IV. Insbesondere: Geschditsstellenleiter

Besonderheiten gelten ftir den angestellten Geschaftsstellenleiter (mi13-verstandlich manchmal auch Generalagent genannt). Seine Rechtspo-sition ist dahin zu charakterisieren, da13 das kollektive Arbeitsrecht hierweniger greift als bei den ubrigen Angestellten. Der Tarifvertrag fur dasprivate Versicherungsgewerbe gilt fur ihn nicht. Statt dessen hat derBundesverband der Geschaftsstellenleiter der Assekuranz in Uberein-stimmung mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirt-schaft ,Hauptpunkte eines Vertrages" bekanntgegeben, die aber dieRechtsstellung des Geschaftsstellenleiters nur recht vage umreil3en, wasinsbesondere fdr die Bezilge gilt. Den Hauptpunkten fehlt selbstverstand-lich die zwingend erganzende Wirkung des Tarifvertrages, sie stellenlediglich Empfehlungen dar.

Gehort der Geschaftsstellenleiter zu den leitenden Angestellten, wasdie Regel sein sollte, so findet das BetrVG nach dessen § 5 III prinzipiellkeine Anwendung. Das bedeutet: Die leitenden Angestellten habenweder das aktive noch das passive Wahlrecht zum Betriebsrat, ihreEinstellung, Versetzung oder Entlassung unterliegt nicht der Mitbestim-mung, sondern ist dem Betriebsrat nach § 105 BetrVG lediglichmitzuteilen. 1' Nach §§ 107, 108 konnen auch leitende Angestellte demWirtschaftsausschul3 angehoren, and wenn das nicht der Fall ist, kann derUnternehmer sie gleichwohl zu Sitzungen heranziehen. Sofern Versiche-rer dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen, ist dessen § 15 II S. 3 ein-schlagig: Von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmerseite mu13eines Angestellter, eines Arbeiter, eines leitenden Angestellter sein.

Auch als leitender Angestellter geniel3t der Geschaftsstellenleiter denallgemeinen Kundigungsschutz, nach § 14 KSchG nur minimal einge-schrankt. Die Hauptpunkte verweisen in dieser Beziehung auf die imBereich des jeweiligen Versicherers ublichen Regelungen fur Leitende.

D. Versicherungsvertreter

I. Begriff

Verlassen wir den angesteliten Vermittler and kommen zur erstenGruppe der Selbstandigen, den Versicherungsvertretern. Das HGB siehtden Versicherungsvertreter als Unterfall des Handelsvertreters an, ent-halt aber in § 92 III, IV Sonderregeln fur die Provision and in § 89 b V eineSpezialbestimmung Air den Ausgleich. Deshalb ist die Frage bedeutsam:Wer ist Versicherungsvertreter? Sie war bisher relativ einfach zu beant-

29 Der leitende Angestellte unterliegt auch nicht der normativen Wirkung einerBetriebsvereinbarung.

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worten, konnte aber schwieriger zu beurteilen sein, wenn sich dasKonzept der sogenannten Financial Services — trotz aller Skepsisnamentlich seitens der Versicherungswirtschaft — durchsetzen sollte.Immerhin werden ja den Financial Services grol3ere Chancen als demalternativem Vertrieb uber Versand- and Warenhauser eingeraumt. Beidiesen neuen Absatzformen sieht sich der Jurist wie haufig in unsererinnovativen Wirtschaftswelt vor die Schwierigkeit gestellt, der auftau-chenden Probleme Herr zu werden mit einem Jahrzehnte zuruckliegen-den juristischen Instrumentarium. Erinnert sei daran, data ja die Handels-vertreternovelle nunmehr auch schon wieder 35 Jahre alt ist. In dieserDiskrepanz zwischen Tatsachenwelt and Norm liegt die Ursache fur dieoft beklagte, aber angesichts der Schwerfalligkeit des Gesetzgebersunvermeidbare Zunahme des Richterrechts, das allerdings bei gegluckterSchopfung zum Gewohnheitsrecht erstarken kann. Damit ist allerdingsschon etwas vorgegriffen, denn Gewohnheitsrecht spielt in der Versiche-rungsvermittlung eher bei den Maklern als bei den Vertretern eine Rolle.

Kehren wir zum Versicherungsvertreter zuriick. Das Verbot, derFuhrung fremden Geschafts, das § 7 II VAG fur Versicherer ausspricht,gilt fur ihn nicht. Er kann also, ohne mit irgendwelchen Gesetzen inKonflikt zu geraten, Versicherungs- and Bankleistungen vermitteln. 30 Ober alsdann als Versicherungsvertreter oder als sonstiger Handelsvertreterzu gelten hat, entscheidet sich nach der sogenannten Ubergewichtstheo-rie, d. h. danach, wo einkommensmal3ig and nach der Tatigkeit derSchwerpunkt liegt. 31 Wir kommen darauf sogleich bei den einzelnenArten der Versicherungsvertreter zuri ck, zunachst bei der Abgrenzungzwischen haupt- and nebenberuflicher Vertretung.

II. Haupt- and nebenberufliche Vertreter

Von dieser Unterscheidung geht bekanntlich das HGB aus. Nur demHauptberuflichen wird ein Ausgleichsanspruch gewahrt, die Kundi-gungsfristen sind bei Nebenberuflichen kurzer. Die Frage ist also, wannist jemand haupt-, wann ist er nebenberuflicher Vertreter? Nach § 92b IIist erforderlich, daB der Vertreter ausdriicklich als nebenberuflicherbetraut wird. Jeder Partner kann sich aber gleichwohl auf die Nebenbe-ruflichkeit berufen, wenn der andere Teil diese Zuordnung akzeptiert. Die

30 B. Unger wie oben Fuf3note 3) S. 116 N. 274. Grenzen ergeben sich evtl. ausvertraglichen Griinden, hierzu Hoft, Wiedergabe seines Vortrags in Rundschau furVertreterRecht 1967 S. 16f.

a' B. Unger wie oben FuBnote 3) S. 12 and die daselbst N. 23 Genannten; Kustner,Handbuch des gesamten AuBendienstrechts, Bd. 2, 5. Aufl. 1988, Rdnr. 52; ders. BB1966 S. 1213.

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Schriftform hat also lediglich prozessuale Bedeutung, indem ihre Nichter-fiillung eine entsprechende Einrede des Unternehmers ausschlie13t. 32

Zur Abgrenzung ist das Gesetz wenig hilfreich, wenn es sagt, ob einHandelsvertreter im Nebenberuf tatig sei, bestimme sich nach derVerkehrsauffassung. Heute kann die sogenannte Ubergewichtstheorie alsmal3gebend angesehen werden, d. h. — urn ihren Inhalt kurz zu wiederho-len — das uberwiegende Arbeitseinkommen muB aus der Versicherungs-vermittlung stammen, and die uberwiegende Tatigkeit muB der Versiche-rungsvermittlung gewidmet sein. Erst die Kumulation beider Merkmalemacht zurn hauptberuflichen Versicherungsvertreter. Die Abgrenzung istalso hier eine andere als in § 31 TVO fiir die Kraftfahrzeug-Haftpflichtver-sicherung, wo lediglich auf die Hohe des Arbeitseinkommens abgestelltwird. Nach der letzteren Definition konnten also eine Hausfrau, einStudent, die uber kein Arbeitseinkommen verf igen, hauptberuflicheVermittler sein. Nach der Ubergewichtstheorie fallen beide zweifellosunter die Nebenberufler, was auch der Lebensauffassung entsprechendurfte. Daraus ergibt sich folgende Relation: Wer im Sinne des HGBhauptberuflicher Vertreter ist, ist es auch nach der TVO; umgekehrt istaber der Kreis der Hauptberufler nach HGB enger als nach der TVO. Nochein Wort zurn Rentner, der sich durch Vermittlungen eine zusatzlicheEinnahme verschafft: Da er nicht mehr aktiv in seinem Beruf tatig ist, istdas Merkmal der uberwiegenden Vermittlungstatigkeit relativ schnellerfiillt. Hinzukommen mul3 aber, wie gesagt, daB das Einkommen aus derVermittlung das nachwirkende Arbeitseinkommen — sprich Rente oderPension — ubersteigt. Die nebenberufliche Vertretung spielt im Versiche-rungsgewerbe eine erhebliche Rolle, zumal auch juristische Personenhierfizr in Frage kommen, z. B. Kraftfahrzeughandler, Reiseburos, Spedi-teure, Vereine. Spediteure sind allerdings keine Vermittler, wenn sie imeigenen Namen fair Rechnung des Kunden abschliel3en, and Vereinemussen darauf achten, daB sie durch Vermittlung nicht den Status einesIdealvereins verlieren. Schon seit langerer Zeit betatigen sich Banken alsnebenberufliche Versicherungsvertreter insofern, als sie Restschuldversi-cherungen vermitteln (hier sogar in der besonderen Eigenart, daB siegleichzeitig als Vertreter des Kreditnehmers, also des kiinftigen VN,auftreten). 3' Neuerdings hat sich der nebenberuflichen Vertretung nochein weiteres Feld in Gestalt des sogenannten Alternativabsatzes eroffnet.Gerneint ist der Vertrieb durch Warenhauser; Beispiele bilden hier Massa

31 Kiistner BB 1966 S. 1214.Kiistner BB 1966 S. 1214 N. 14; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 27. Aufl. 1987

§ 92b Anm. 1C.4̂ OLG Hamm VersR 1982 S. 337; Prolss /Martin, VVG, 24. Auf1.1988 § 43 Anm. 1;

Kiistner BB 1966 S. 1214. Vgl. auch Sieg VersR 1986 S. 932.

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and Metro als Mehrfachagenten, Neckermann als Vermittler fur dieTransatlantische Leben. 1

Zuruck zum traditionellen Feld. Durch das 14. AnderungsG zum VAGist der Begriff der Funktionsausgliederung Teil der Gesetzessprachegeworden. § 5 III Nr. 4 versteht darunter u. a. Vertrage, durch die derVertrieb auf Dauer einem anderen Unternehmen iibertragen wird. Istdieses andere Unternehmen ebenfalls ein VU, spricht man von Organisa-tionsvertrag (vgl. § 13 I a VAG). Auch er schafft in der Regel nebenberufli-che Vertretung durch den betrauten Versicherer', anerkanntermal3enkeine versicherungsfremde Betatigung im Sinne des § 7 II VAG. 37 In derVersicherungswirtschaft kommen mehrfach gegenseitige Organisations-vertrage vor, sei es zwischen zwei Versicherern (diesen Fall erwahnt § 92 aII HGB), sei es zwischen einem Versicherer and einem Kreditinstitut.Beispiele hierfiir bilden die Zusammenarbeit offentlichrechtlicher Versi-cherer mit Sparkassen and Landesbanken, and die Kooperation derRaiffeisenunternehmungen. Wird der Absatz einem Nichtversichereriibertragen, so kann dieser nach den oben erorterten Kriterien haupt-oder nebenberuflicher Vertreter sein. Ist Ubernehmer eine Tochter desVersicherers, etwa eine Vermittlungsdienst-GmbH., so ist sie praktischverlangerter Arm des Versicherers, sie vermittelt fur derenGesellschafter. 39 So liegt es z. B. bei der Deutschen Familiendienst-GmbH., einer gemeinsamen Griindung von Otto-Versand and Gerling.Die Funktionsausgliederung wirft das heikle Problem des Weisungsrechtsauf. Der Wunsch nach weitgehender Entlastung des Ubertragenden findetseine Grenzen an der Verantwortung seines Vorstandes, dem die letzteEntscheidung bleiben mul3. Zweckmal3igerweise werden im Ausgliede-rungsvertrag nur Richtlinien vereinbart, die dem Ubernehmer einenunternehmerischen Spielraum lassen. 40

III. Einftrmenvertreter/Mehrfachagent

Nun zu einer weiteren Unterscheidung, der zwischen Einfirmen- andMehrfachagenten. Das HGB spricht in § 92a vom Einfirmen- oder Kon-

I Uber die Kooperation der Nurnberger Versicherungsgesellschaften mit einzel-nen Bankpartnern wird ZfV 1987 S. 376 berichtet.

I B. Unger wie oben Fullnote 3) S. 18f. Organisationsvertrage werden vorsorg-lich nach § 102 GWB angemeldet: B. Unger wie oben Fui3note 3) S. 228.

31 Prolss/Schmidt/Frey, VAG, 9. Aufl. 1983 § 7 Rdnrn. 4, 5; Goldberg/Muller,VAG, 1980 § 7 Rdnrn. 3ff.

1 Vgl. „Die Welt" vom 7. 10. 1987.39 Hierzu: Obergethmann VW 1984 S. 6511'. Vgl. zum Gegenstdck unten Fuilnote

93).40 Prolss/Schmidt/Frey wie oben Ful3note 37) § 5 Rdnr. 15b; Sasse in Festschrift

fur K. Sieg zum 65. Geburtstag, 1976 S. 449 N. 49; v. Puscds VW 1984 S. 434; R.Schmidt VW 1982 S. 22ff. Ziff. 2.5.

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zernvertreter and ermachtigt den Bundesminister der Justiz, bestimmteMindestleistungen des Unternehmers festzusetzen. Eine solche Verord-nung, die als Ersatz fur hier nicht zulassige Tarifvertrage gedacht war (vgl.§ 12a TVG), ist bisher nicht erlassen worden. Materiellrechtlich ist derwirtschaftlich abhangige Einfirmenvertreter nur insofern einem Arbeit-nehmer gleichgestellt, als er nach § 21 S. 2 BUr1G einen Urlaubsansprucherheben kann. Die wirtschaftliche Abhangigkeit wird nach Art. 3 derHandelsvertreternovelle durch ein bestimmtes Hochstmal3 an Gesamt-vergutung (z. Zt. 2 000,— DM monatlich) indiziert. Im ubrigen gilt fur ihnaber weder das individuelle noch das kollektive Arbeitsrecht, insbesonde-re kein Kundigungsschutz. 41 Bestrebungen nach weiterer Annaherungdes arbeitnehmerahnlichen Vertreters an einen Angestellten42 sind z. Zt.nicht akut. Dem arbeitnehmerahnlichen Vertreter, einem Spiegelbild desunternehmerahnlichen Geschaftsstellenleiters, will § 92 a einen gewissensozialen Schutz zukommen lassen, woraus folgt, dal3 diese Bestimmungnur fur einen hauptberuflichen Vertreter gelten kann. 43

Der Einfirmen- oder Konzernvertreter bildet den Ruckhalt der Aus-schliel3lichkeitsorganisation eines Versicherers. Er unterliegt einemstrengen Wettbewerbs-, ja sogar schlechthin einem anderwartigen Beta-tigungsverbot, kartellrechtlich unbedenklich (weder § 1 noch § 18 GWBsind betroffen), wie jetzt wohl uberwiegend angenommen wird. 45 AlsGegenleistung der Versicherer erfahrt dieser Typus eine besondersweitgehende Unterstutzung.

Rechtliche Probleme wirft der Mehrfachagent auf"6 , namlich insofern,als hier die so wichtige Abgrenzung zwischen haupt- and nebenberufli-chem Vertreter Schwierigkeiten macht. Ich habe bereits die Fi lle desversicherungsvermittelnden Reiseburos sowie des Vermittlers von Finan-

" 1 LAG Dusseldorf VersR 1980 S. 1143.42 Hierfi r pladiert Schwerdtner, Blatter fur Steuerrecht, Sozialversicherung and

Arbeitsrecht, 1972 S. 17, 22f.41 Bruggemann in Grof3kommentar zum HGB, 4. Aufl. 1982 § 92 a Rdnr. 5, § 84

Rdnr. 38; Finke VerBAV 1952 S. 138.Etwa 70% des Umsatzvolumens wird von Ausschlielllichkeitsorganisationen

hereingebracht, die Tendenz ist fallend: Schreiber VW 1987 S. 912. 90% derhauptberuflichen Versicherungsvertreter sind Ausschlief3lichkeitsvertreter:Vof3/Hoft wie oben Fuf3note 7) S. 11.

45 Helm, Das Kartellrecht in der Wirtschaftspraxis, 2. Aufl. 1977 Rdnrn. 107, 124,263; Rittner, Einfuhrung in das Wettbewerbs- and Kartellrecht, 1985 § 7 B III 2 b (2),§ 9 B 12; Muller / Gief3ler /Scholz, Kommentar zum GWB, 4. Aufl. 1981 § 18 Rdnrn. 20,20 a.

46 OLG Dusseldorf VersR 1973 S. 74 behandelt den Mehrfachagenten haftungs-rechtlich wie einen Makler, d.h. lal3t ihn, nicht das vertretene VU, wegenschuldhafter Verletzung des Geschaftsbesorgungsvertrages haften. Vgl. untenFul3note 73.

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cial Services erwahnt. Eine ahnliche Doppelstellung linden wir, wenn einWarenvertreter auch Versicherungsvertrage vermittelt, oder ein Versi-cherungsvertreter auch fur einen Buchclub wirbt (Bertelsmann). 47 Hierhat folgendes zu gelten: Widmet der Vertreter seine Hauptkraft derVersicherungsvermittlung, and zieht er daraus auch den uberwiegendenTeil seines Arbeitseinkommens, ist er Versicherungsvertreter. 48 Da sichgerade in diesen Fallen oft die zeitliche Aufspaltung der Arbeitstatigkeitschwer nachvollziehen la13t, trifft hier das Merkmal des uberwiegendenEinkommens in den Vordergrund.

Ist dieselbe naturliche oder juristische Person durch mehrere Versiche-rungsagenturvertrage gebunden, so ist zunachst zu fragen, ob die Versi-cherungsprovisionen jeweils zusammengerechnet den Schwerpunkt desArbeitseinkommens bilden. Ist das zu verneinen, so ist der Agent imVerhaltnis zu jedem der beteiligten Versicherer Nebenberufler. Prakti-sche Beispiele bilden — wie schon erwahnt — die Falle Massa and Metro.Machen hingegen die durch Versicherungsvermittlungen verdientenProvisionen and die hierauf aufgewendete Zeit, beides jeweils addiert, dasHauptvolumen aus, so ist nach herrschender Lehre der Vertreter jedemder beteiligten Versicherer gegeniiber als hauptberuflich anzusprechen,es gilt die Fiktion der Einheit aquivalenter Vermittlungstatigkeit. 49

Einen qualifizierten Fall der Mehrfachagenten bilden die an denSeeplatzen tatigen Assecuradeure. Sie sind Generalagenten mit weitge-henden Vollmachten bei Abschlul3, Verwaltung and Schadenregulierung.Der BGH hat ihnen bei der Regressverfolgung die Stellung von Prozel3-standschaftern zuerkannt, d. h. sie fiir befugt gehalten, im eigenen Namenauf den Versicherer izbergegangene Anspriiche fur dessen Rechnungeinzuklagen. 50 Eine solche Betatigung, so der BGH, verstol3e auch nichtgegen das RechtsberatungsG. In diesen Entscheidungen schwingt nochetwas aus der Historie dieses Berufs mit. Wie der Name andeutet, war derAssecuradeur fruher Versicherer, and zwar personlich haftender, trugalso selbst das Assekuranzrisiko.

TV. Hauptvertreter / Untervertreter

Eine weitere Unterscheidung ist im Gesetz angelegt, namlich diezwischen Haupt- and Untervertreter: § 84 III HGB. Die Praxis differen-ziert noch zwischen echter and unechter Untervertretung. Bei derersteren hat der Generalagent vollstandig die Stellung eines Unterneh-

41 Hierzu ZfV 1987 S. 322.48 OLG Frankfurt BB 1978 S. 728; Kiistner BB 1966 S. 1214.49 Hiervon geht auch BGH VersR 1981 S. 832 ff. aus mit beachtlichen Ausfi hrun-

gen zum Billigkeitserfordernis des § 89b I beim Mehrfachagenten.50 Vgl. Sieg RIW 1986 S. 139; BGH VersR 1979 S. 717.

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mers, es bestehen keine rechtlichen Beziehungen zwischen Untervertre-ter and Hauptunternehmer. In der Versicherungswirtschaft wird dasSystem der unechten Untervertretung bevorzugt, d. h. der Vertragkommt mit dem vertretenen Unternehmen zustande, sei es direkt, sei es,daB der Generalagent den Vertrag im Namen des Hauptunternehmersabschliel3t. Solche Untervertretungsvertrage enthalten oft die Bestim-Bestimmung, daB der Untervertreter dem Generalagenten organisato-risch unterstellt and auch von dessen Weisungen abhangig ist. Auch dieschon erwahnten Organisationsvertrage schaffen Untervertretungsver-haltnisse. La13t Versicherer A semen Absatz durch die Aul3enorganisationdes Versicherers B bewirken, so ist B Hauptvertreter, seine Agenten sindUntervertreter von A. 51 An diesem Beispiel wird deutlich, daB Hauptver-treter auch ein Nebenberufler sein kann 52 , jedoch ist das die Ausnahme.

Beim unechten Untervertretungsvertrag gibt es Provisions- and Aus-gleichsanspruche nur gegenuber dem Hauptunternehmen, mag auch dieProvision uber den Hauptvertreter fliel3en. Zuweilen ist dieser, je nachden Abmachungen, berechtigt, eine Provisionsspitze einzubehalten an-stelle einer sonst geschuldeten Superprovision. 53 Sie entspricht derAnteilprovision, die wir beim angestellten Vermittler kennengelernthaben. Dariiber hinaus sind Gehaltsabsprachen and Organisationszu-schiisse zugunsten des Generalagenten nicht selten. Bei der Untervertre-tung haftet der Generalagent gegenuber dem Versicherer fur Auswahl-verschulden (1 664 I S. 2 BGB)', wenn ihm die Auslese oblag. Das spielteine Rolle etwa bei Beitragsunterschlagung des Untervertreters, soferndiese zu Lasten des Versicherers geht, d. h. wenn der Versicherungsneh-mer durch Zahlung an den Untervertreter befreit wurde. Vom Fall derUntervertretung ist zu unterscheiden, daB der VersicherungsvertreterAngestellte im VersicherungsauBendienst beschaftigt. Die Rechtsverhalt-nisse richten sich hier nach dem Tarifvertrag fur das Versicherungsver-mittlungsgewerbe. 55

V. Ausgleichsanspruch

Bei den Einzelfragen steht naturlich wirtschaftlich im Vordergrund dieProvision. Rechtlich tauchen hier kaum andere Probleme auf als bei der

51 Schroder, Rundschau fiir Vertreter-Recht, 1970 S. 261-263.52 Der abweichenden Ansicht Schroders, Rundschau fiir VertreterRecht, 1970

S. 266-268 kann jedenfalls fur die Versicherungswirtschaft nicht zugestimmtwerden.

53 Die Superprovision ist Grundlage fiir den Ausgleichsanspruch des General-agenten.

' 4 Bruggemann wie oben FuBnote 43) § 84 Rdnr. 29.55 Vg1. Fauth BB 1962 S. 1252 (Buchbesprechung); Versicherungsvermittlung

1973 S. 28 (Text des Tarifvertrages).

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Provision des Angestellten im Aul3endienst. Die Gleichheit der Fragestel-lung ist nicht verwunderlich, denn § 65 HGB verweistja fur die Provisiondes Angestellten auf die des Handelsvertreters.

Die wichtigste Neuerung der Handelsvertreternovelle bestand in derEinfuhrung des Ausgleichsanspruchs. Er steht nur dem Hauptberufler zu,dem Versicherungsvertreter in der etwas abgewandelten Form des § 89bV. Die mit seiner Errechnung verbundenen Schwierigkeiten konnendurch das selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft im wesentlichen alsuberwunden gelten, ich mein die zwischen dem Gesamtverband derDeutschen Versicherungswirtschaft and den Vertreterverbanden verein-barten ,Grundsiitze fiir Sach-, Leben- and Krankenversicherung". Furdie letzteren beiden Sparten waren besondere Modelle notig, weil bisherbei Ausscheiden des Vertreters eine vollwertige AbschluBprovision be-reits bezahlt war, ein Provisionsverzicht, als dessen Aquivalent derAusgleich anzusehen ist, also nicht vorkam. Das hat sich mit derEinfuhrung der dynamischen Lebensversicherung and mit der Aufstock-moglichkeit der Krankenversicherung geandert. 56

Die ,Grundsiitze" werden heute uberwiegend als Handelsbrauch vonden Gerichten angesehen 57 , es bedarf also nicht ihrer Vereinbarung, dievor Beendigung des Agenturverhaltnisses sogar unwirksam seinkonnte. Die Qualifikation als Handelsbrauch lauft auf eine Beweislastre-gel hinaus. Wer behauptet, daB der Handelsbrauch auf ihn wegenbesonderer Umstande nicht anwendbar sei, hat die Beweislast. Die,,Grundsatze" haben also die Vermutung der Richtigkeit fur sich, mehrnicht. Der Ansicht von Martin59 and Kiistner60 , der nach den ,Grundsat-zen" errechnete Betrag sei der nach § 89b IV unabdingbar geschuldete,kann also nicht gefolgt werden. Soweit reicht die Verbandsautonomienicht.

Die ,,Grundsatze" sehen die Anrufung einer Gutachterstelle bei Streitfiber den Ausgleichsanspruch vor. Sie ist fakultative Giitestelle, d. h. ihreAnrufung ist nicht Voraussetzung ftir die Beschreitung des Rechtsweges,

I Vgl. Haft ZVersWiss 1976 S. 452ff. Vof3/Haft wie oben Fullnote 7) S. 74. ZurVermittlungsprovision bei Anpassungsversicherungen: Kustner BB 1975 S. 493.Voraussetzung £ur den Provisionsanspruch ist fordernde Mitwirkung bei derVertragserweiterung. Sie wird vom BAG eher bejaht als vom BGH, BAG VersR1986 S. 251, BGH VersR 1986 S. 988 = BB 1986 S. 2091.

51 Kustner wie oben Fullnote 31) Rdnr. 711; Vofi/Haft wie oben Fuiinote 7) S. 91.Etwas abweichend: Baumbach/Duden/Hopt wie oben Fullnote 33) § 89b Anm. 6 C;BAG DB 1986 S. 919; OLG Frankfurt VersR 1986 S. 814.

1 Vgl. OLG Frankfurt VersR 1986 S. 388 = BB 1986 S. 896 mit Berichtigungdaselbst S. 1257.

59 Martin VersR 1970 S. 796.60 Kustner wie oben Fullnote 31) Rdnr. 711.

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die Klage konnte nicht deshalb als z. Zt. unbegrundet abgewiesen werden,weil die Gutestelle nicht angerufen wurde. Sie wird uberdies nur tatig,wenn beide Parteien ihrer Inanspruchnahme zustimmen, was bisher demVernehmen nach lediglich in zwei Verfahren der Fall war, die durchVergleich beendet wurden.

VI. Altersversorgung

Die ,Grundsdtze" gehen, wie auch die hochstrichterliche Rechtspre-chung, davon aus, dal3 der Ausgleichsanspruch zugleich eine Versor-gungsfunktion fiir den aus Altersgrtinden ausscheidenden Versicherungs-vertreter darstellt, weshalb eine von den Unternehmen gebotene Alters-versorgung61 einen Reduktionsfaktor im Rahmen der Billigkeit nach§ 89b I Ziff. 3 HGB bildet 62 . Das Verhaltnis Ausgleichsanspruch / Alters-versorgung ist durch das BetriebsrentenG (vgl. § 17) kompliziert wor-den63 , sofern das Ausscheiden des Handelsvertreters nicht mit demBeginn der Altersversorgung zusammenfallt, der Anspruch hierauf abernach § 1 BetriebsrentenG unverfallbar geworden ist. Hier darf nichteinfach der Kapitalwert der Versorgung vom Ausgleich, wie er sich nachden ,Grundsiitzen" ergibt, abgezogen werden, sondern die Reduktionmu13 geringer ausfallen, weil ja die Minderung schon jetzt erfolgt, aberdas, was ihre Ursache abgibt, vielleicht erst viele Jahre spater oderniemals eintritt. 64

Eine weitere Frage wird durch § 16 BetriebsrentenG aufgeworfen. Eskonnte sich ergeben, daB der Abzugsposten vom Ausgleich zu niedrigausgefallen ist, weil bei der Errechnung des ersteren die spi terenAnpassungen nach § 16 naturgemiiB noch nicht berucksichtigt werdenkonnten. Die Folge konnte theoretisch sein, daB die Anpassungenunterbleiben konnen, was die h.L. indes ablehnt. 65

Aber auch an eine Teilruckforderung des Ausgleichs wegen Wegfallsrechtlichen Grundes ist hier nicht zu denken. — § 16 BetriebsrentenG istin unserem Zusammenhang auch noch aus anderem Grunde interessant:Wird der Ausgleich nicht durch Kapitalzahlung, sondern durch Rentengewahrt, so fragt sich, ob diese der Anpassung unterliegen. Das wird aber— trotz der Beziehung zwischen Ausgleich and Altersversorgung —abgelehnt, denn der Ausgleich ist ein rein schuldrechtlicher Anspruch, zu

61 Hierzu and zum Folgenden: Vorschlage fiir die Altersversorgung des selbstan-digen Versicherungsauflendienstes, unterbreitet vom GDV. Die Vorschlage bezie-hen sich auf hauptberufliche Einfirmen- bzw. Konzernvertreter.

12 Kustner wie oben Ful3note 31) Rdnr. 470.63 Einzelheiten: K iistner BB 1976 S. 1485ff.'4 Kustner wie oben Ful3note 31) Rdnr. 484.65 Kustner wie oben Fuflnote 31) Rdnr. 486; vgl. aber Sieg VersR 1968 S. 105.

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erkennen daran, daB er beim Tode des Berechtigten auf dessen Erbenubergeht, ganz im Unterschied zur Altersrente. 6'

VII. Dienstvertragrecht des BGB

Umstritten ist, ob einige Vorschriften des BGB uber den Dienstvertragauf den Versicherungsvertreter anwendbar sind, vor allem das Kiindi-gungsrecht and der Zeugnisanspruch. Die Frage ist nicht etwa a limine zuverneinen mit dem Hinweis darauf, daB der Vertreter selbstandig ist, denndas Dienstvertragsrecht setzt ja keineswegs abhangige Arbeit voraus. Wirwollen uns nicht in Einzelheiten verlieren. Immerhin sei angemerkt: DieHandelsvertreternovelle von 1953 hat im wesentlichen den sozialenSchutz des Vertreters im Visier gehabt. Wenn sie BGB-Bestimmungennicht ubernommen hat, ist daraus zu schlieBen, daB sie im Agenturver-haltnis nicht gelten sollten. Das spricht zumindest fur restriktive Anwen-dung. Allenfalls fur die arbeitnehmerahnlichen Vertreter des § 92 a HGBkonnen vorsichtige Analogien vertretbar sein. 67 Fur Versicherungsver-treter spielt das kaum eine Rolle.

E. Versicherungsmakler

I. Charakteristik

Wahrend der Einfirmenvertreter zur Ausschliel3lichkeitsorganisationdes Versicherers gehort, steht der Makler auf dem Gegenpol, der Fremd-struktur des Aul3endienstes, womit eine starkere Berucksichtigung desKundeninteresses einhergeht. Der juristische Unterschied zum Agentenbesteht in dem Fehlen eines standigen Betrauungsverhaltnisses zwischenMakler and Unternehmer. Er wird gewohnlich als Vertrauensmann desKunden bezeichnet, was auch zutrifft, aber nicht den Blick davorverschlieBen darf, daB der Makler mit der Aufnahme des Kontakts zumVersicherer zu diesem in vertragsahnliche Beziehungen gerat', wirhaben es also mit einem Doppelrechtsverhaltnis zu tun. Dem tragt § 98

66 Kustner wie oben Ful3note 31) Rdnr. 491.87 Einzelheiten bei Bruggemann wie oben FuBnote 43) § 92a Rdnr. 1; Vof3/Hoff

wie oben Ful3note 7) S. 85, 101.; Kustner BB Beilage 12/85 S. 7. BGH VersR 1986S. 1239 = BB 1986 S. 2015: § 62611 BGB fmdet auf den selbstandigen Vertreter keineAnwendung; OLG Celle VersR 1967 S. 1235: Kein Zeugnisanspruch des Handelsver-treters.

6' Aus diesem Grund ist § 654 BGB nicht analog anzuwenden, denn das HGBrechnet mit Offenheit zur Gegenseite: Briiggemann wie oben FuBnote 43) vor § 93Rdnr. 14; anders Vof3/Hoft wie oben Ful3note 7) S. 128.

1 Vgl. Zierke VersR 1987 S. 746, dem aber in der Beurteilung der Genehmigungnach dem RechtsberatungsG nicht gefolgt werden kann; Vof3/Hoft wie obenFul3note 7) S. 123. Im Verhaltnis zum Kunden liegt Geschaftsbesorgung vor, weil

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HGB Rechnung: Der Makler haftet jeder der Parteien fur den durch seinVerschulden entstandenen Schaden. Wie der BGH entschieden hat, kannder Vertreter nicht bei demselben Geschaft zugleich als Makler tatigwerden, denn der Makler mul3te, vom Kunden aus gesehen, mit einemDritten Kontakt aufnehmen; der Versicherer sei aber im Verhaltnis zuseinem Vertreter nicht Dritter. 7° Das bedeutet, daB in solchem Fall derVersicherer fur den Agenten als Abschlul3gehilfen haftet, wahrend ernatiirlich fur einen Makler nicht einzutreten braucht.

II. Arten

Die Unterscheidung zwischen haupt- and nebenberuflich, die beimVertreter vor allem wegen des Ausgleichsanspruchs von Bedeutung ist,spielt hier keine Rolle. Wie beim Vertreter kommen auch hier zweistufigeVermittlungsverhaltnisse vor, d. h. der Makler kann einen Untermaklereinschalten 71 . Das beruhrt aber unser Thema nicht, denn hierauf hat derVersicherer, uber dessen Absatz wir hier handeln, keinen Einflul3.

Hingegen spielt die Intensitat der Bindung an eine Partei, die beimEinfirmenvertreter besonders ausgepragt ist, auch hier eine Rolle. DerVersicherungsmakler ist — wie gesagt — der Vertrauensmann desKunden. Daher sind Bindungen an einen bestimmten Versicherer hochstunerwunscht. 71 Gemeint ist der Typus des Makleragenten. 73 Auch dasBAV sieht hierin eine Gefahrdung der Kundeninteressen, begndgt sichaber mit dem Verlangen, daB Makler and Agent, wean auch personen-gleich, unter verschiedener Firma auftreten. 74 In solchen Fallen ist derAusgleichsanspruch umstritten. Wendet man die Ubergewichtstheorie,von der schon die Rede war, auch hier an, so wdrde, sofern dasMaklergeschaft uberwiegt, uberhaupt kein Ausgleichsanspruch entste-hen konnen. Bei Zugrundelegung der pro-rata-Methode indes ware derAusgleichsanspruch nicht ausgeschlossen. 75 Allerdings ware dann zuprufen, ob nicht die Rechtsform der Vertretung einen Mij3brauch darstellt,

der Makler verpflichtet ist, fur den Kunden tatig zu werden. Wegen der Erfolgsbezo-genheit hat der Vertrag Verwandschaft mit dem Werkvertrag.

70 Vgl. BGH VerBAV 1974 S. 101.71 Hierzu Jauernig/ Volt kommer, BGB mit Erlauterungen, 4. Aufl. 1987 vor § 652

Anm. 4 c.72 Bruck/Moller, wie oben Ful3note 7) vor §§ 43-48 Anm. 26.

73 B. Unger wie oben Fuflnote 3) S. 16 f. Mit einem Fall, in dem streitig war, ob derVermittler als Makler oder als Agent aufgetreten war, beschaftigt sich BGH VersR1987 S. 663 ff. mit beachtlichen Ausfuhrungen uber die unterschiedliche Haftunggegenuber dem Kunden. Vgl. unten Ful3note 46.

" Rundschreiben R 3 / 61 VerBAV 1961 S. 38; ZfV 1961 S. 169.

75 R. Schmidt VW 1982 S. 22ff. Ziff.2.7.

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begangen zu Lasten des Kunden, lediglich im finanziellen Interesse desVermittlers. 76 Hochstrichterlich ist die Frage noch nicht entschieden.

Der Makler soil, wenn auch vom Kunden betraut, zwischen denParteien stehen. Deshalb ist auch eine zu starke Bindung an den Kundenunerwunscht, insbesondere dergestalt, daB der Kunde dem Maklerumfassende Vollmacht zur Ordnung seiner gesamten Versicherungsver-haltnisse erteilt and ihn zu deren dauernder Betreuung bestimmt, so daBder Makler nach eigenem Ermessen — and man mu13 wohl sagen: nacheigenen Interessen — Umdeckungen vornehmen kann. Mil3brauchendieser Art seitens der sogenannten Pseudomakler begegnet der Punkte-katalog", d. h. eine Empfehlung des GDV an seine Mitgliedsunterneh-men, Maklervertrage nicht anzunehmen, wenn die im einzelnen aufge-fiihrten Mil3brauche vorliegen. Das BAV and die Vermittlerverbandestehen hinter deco Punktekatalog.

III. Verhaltnis zu den Parteien des Versicherungsvertrages

Das Rechtsverhaltnis des Maklers zu den Parteien des von ihmvermittelten Vertrages ist fast ausschlie13lich vom Gewohnheitsrecht'$and von Handelsbrauchen beherrscht. Unproblematisch ist sein Verhalt-nis zum Kunden. Der Makler ist verpflichtet, sich um eine Deckung zubemuhen, er gilt im kaufmannischen Verkehr als bevollmachtigt, einevorlaufige Deckungszusage einzuholen. 79 Er kann auch mit Vollmachtenfur die Schadenregulierung ausgestattet werden. Der BGH nennt denVersicherungsmakler den Treuhander seines Kunden and gewinnt dar-aus einen strengen Hafkungs-MaBstab. 80 Allerdings ist der Makler nichtder Reprasentant im versicherungsrechtlichen Sinne, d. h. dessen Oblie-genheitsverletzungen werden nicht dem VN zugerechnet. 81

' s Kiistner wie oben Fuflnote 31) Rdnr. 97." VW 1981 S. 196. Ober einen einschlagigen Fall berichtet an. VW 1986 S. 688. Vgl.

weiter R. Schmidt VW 1982 S. 22 ff. Ziff. 2.8; B. Unger wie oben Fullnote 3) S. 101 f.Maklervertrage, die gegen den Punktekatalog verstolen, sind nicht sittenwidrig imSinne des § 138 BGB, sondern nur wettbewerblich bedenklich.

78 Gewohnheitsrecht gilt als Gesetz im Sinne des § 1 GVG, deshalb ist dieRevisibiliti t nach § 549 ZPO zu bejahen.

79 Vgl. Vol3/Hoft wie oben Fuf3note 7) S. 122.80 BGH VersR 1985 S. 930 = VerBAV 1985 S. 356.81 Vgl. Karstaedt, Grundsatzliche Fragen der Drittzurechnung in den Allgemei-

nen Deutschen Seeversicherungsbedingungen, Diss. Hamburg 1977 S. 82f. AndersOLG Hamburg Hans GZ Hauptbl. 1924 S. 25 (dem Makler war vom VN dieselbstandige Schadenregulierung uberlassen worden); Bruck/Moller wie obenFul3note 7) vor §§ 43-48 Anm. 50 stimmen dieser Entscheidung zu; s. auch ZopfVersR 1986 S. 747.

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Juristisch differenzierter ist das Verhaltnis zwischen Makler andVersicherer. Gewohnheitsrechtlich steht fest, daB der Versicherer dieProvision schuldet. Umstritten war in einem ProzeB, ob dem Makler (imUnterschied zum Agenten) Provision fur Anschluf3vertrage zusteht. DerBGH hat solchen von Maklerseite behaupteten Handelsbrauch wederbejaht noch verneint, aber ihn fur relevant gehalten and deshalb zuri ck-verwiesen zwecks Einholung eines Sachverstandigengutachtens, ob eineeinschlagige Usance besteht. 82 Auf Handelsbrauch beruht ferner, ob denVersicherer gegenuber dem Makler in dessen Provisionsinteresse eineNacharbeitungs-Obliegenheit trifft, wenn der VN mit der Pramienzah-lung saumig ist. 1 Wiederum Gewohnheitsrecht ist die Grundlage dafur,daJ3 die Provision erst endgultig mit der Zahlung der Pramie verdient ist 84 ,

§ 92 IV HGB wird also analog angewendet, § 652 BGB abandernd. DasBand zum Versicherer kann verstarkt sein durch Provisionsabkommen,die allerdings, weil die Neutralitat des Maklers gefahrdend, unerwunschtsind.

Auch sonst konnen vertragsmal3ige Bindungen zum Versicherer uber dasgewohnliche Ma13 hinaus eingegangen werden insofern, als der Maklerdem Versicherer manche Verwaltungsarbeit abnimmt, wie das vor allembeim technischen Makler evident wird, aber auch in umfangreichenVollmachten semen Ausdruck finden kann, etwa zur Regulierung vonSchaden, zur Empfangnahme von Gestaltungserklarungen des VN (Mak-lerklausel), zum Inkasso der Pramie. 85 Die Bindung an einen Versichererwird europarechtlich noch eine Rolle spielen, sofern man aus dem Urteildes EuGH vom 9. 12. 1986 ein Kumulverbot herausliest. 86 Es soli namlichdanach einem Versicherer der Dienstleistungsverkehr nur insoweitgestattet sein, als das Geschaft nicht im Tatigkeitsland uber eine Nieder-lassung abgeschlossen werden konnte. Als Niederlassung gelten nunnicht nur Zweigniederlassung oder Agentur, sondern auch ein von einemUnabhangigen gefiihrtes Bilro, sofern dieser beauftragt ist, auf Dauer furdas betreffende Unternehmen wie eine Agentur zu handeln. Das konntenaturlich fur Makler in Betracht kommen. $' Die notwendige 2. Koordinie-rungsrichtlinie der direkten Schadensversicherung wird hier Farbe zu

82 BGH VersR 1986 S. 236; vgl. auch BGH VersR 1986 S. 58.

Bruck/Moller wie oben FuBnote 7) vor §§ 43-48 Anm. 96, die aufgeworfeneFrage unter Hinweis auf § 162II BGB bejahend.

Voff /Hoft wie oben FuBnote 7) S. 126; Prolss /Martin wie oben Ful3note 34) nach§ 48 Anm. 3.

1 Vgl. § 3111, III TVO; Vof3/Hoft wie oben Ful3note 7) S. 123-125.

Einschlagig sind Ziff. 21 and 24 des Urteils (VersR 1986 S. 1215 ff. = VerBAV 1987S. 45ff.). Vgl. auch § 107 VAG.

87 Hierzu D. Bremkamp, Wiedergabe seines Vortrags VW 1987 S. 893; R. SchmidtVW 1982 S. 22ff. Ziff. 2.9. Angerer, Lahno, Badenhoop VW 1987 S. 418, 428, 622.

19 Zertschr. f. d. ges. Versicherungsw. 2

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bekennen haben, insbesondere welche Rolle vom Versicherer erteilteVollmachten in diesem Zusammenhang spielen. Vom deutschen Stand-punkt aus ist an die oben erwahnte BGH-Entscheidung zu erinnern, diedas enge Verhaltnis zum Kunden betont and daher die Beziehung zumVersicherer in den Hintergrund treten 1ä13t. Sicher scheint, dal3 derMakleragent im Sinne jener EuGH-Entscheidung eine standige Prasenzdes betreffenden Versicherers darstellt.8 Z.Zt. ist es noch so, da13 derBereich der erlaubten Korrespondenzversicherung i berschritten ist,wenn ein Makler zwischengeschaltet war: § 105 VAG.

IV Grenzen der Maklerstellung

Neuere Entscheidungen haben den Blick auf die Grenzen der Makler-stellung gelenkt. So ist zweifelhaft geworden, inwieweit der Versicherergehalten ist, mit einem Makler zusammenzuarbeiten, wenn sein VN eswunscht. Die Pflicht zur Einschaltung des Maklers in die Vertragsabwick-lung ist dann zu bejahen, wenn dieser den Vertrag vermittelt hat and ihnbetreuen soil. Ob dasselbe gilt, wenn der Agent den Vertragsschlul3bewirkt hat, ist umstritten. 89 Man wird anzunehmen haben, dal3 einVersicherer eine dahingehende Vollmacht des VN grundsatzlich zutolerieren hat, wie ja der Versicherer auch eine einem Anwalt erteilteVollmacht seines Kunden zu beachten hat. Voraussetzung ist allerdings,da13 solche Einschaltung des Maklers den Versicherer nicht mit Mehrar-beit belastet.

Bekannt ist, da13 Makler versuchen, fair ihre Auftraggeber giinstigereBedingungen zu erzielen, als der Masse der VN zugestanden wird, eshandelt sich urn die sogenannten Makler-Hausbedingungen. 91 Hier tauchtein Problem im Zusammenhang mit dem AGB-G auf: Sicher werden dieMaklerbedingungen nicht den VN im Sinne des § 9 des Gesetzes unange-messen benachteiligen, aber kann zugunsten des Versicherers § 9 ins Spielgebracht werden, kann sich der Versicherer auf Nichtbeachtlichkeit derBedingungen berufen, weil der Kunde (durch den Makler) Bedingungenverwendet hat, die den Versicherer nach Treu and GLauben unangemes-sen benachteiligen? Das OLG Hamburg hat kurzlich einem nansportver-sicherer den Einwand aus § 9 AGB-G versagt. 91 Eine nahere Begrundung

88 Gumbel ZfV 1987 S. 531, 534.1 Bejahend Wilting ZfV 1987 S. 271; Prolss/Martin wie oben Fullnote 34) nach

§ 48 Anm. 1 C. Verneinend: Bruck / Moller wie oben Fullnote 7) vor §§ 43-48 Anm. 70;LG Munchen I VersR 1982 S. 753, letzteres unzutreffend von der Nichtigkeit derVollmacht des VN ausgehend, worauf Evers in der Anmerkung VersR 1983 S. 130zutreffend hinweist. Vgl. auch GDV Quartalsbericht 1/88 S. 66.

90 Beispiele aus der Seeversicherung bei Luttmer ZfV 1987 S. 347ff. Kritisch zuden Makler-Hausbedingungen BAV VerBAV 1965 S. 41.

s' Vgl. das von Luttmer ZfV 1987 S. 355 referierte Urteil des OLG Hamburg.

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ist nicht bekannt, jedenfalls ist sie nicht veroffentlicht worden. — Auf denbesonderen Status des Ruckversicherungsmaklers einzugehen, ist hiernicht notig, denn dessen Funktion hat sich ja vom Absatz weg zurBeschaffung des Versicherungsschutzes entwickelt. 92

F. Firmenverbundene Versicherungsvermittler

Eine besondere Kategorie bilden die firmenverbundenen Vermittler,das Gegenstuck zu den Vermittlungsgesellschaften, die Versicherergrunden. Die Firmenverbundenen sind soziologisch den Maklern ver-gleichbar, weil sie fur ihren Auftraggeber den gunstigsten Vertragsab-schlul3 tatigen sollen. Juristisch kann man sie aber nicht als Maklerbezeichnen, denn dieser steht zwischen den Parteien, die Firmenverbun-denen sind aber der verlangerte Arm des VN. 93 Wegen dieses Befundesliegt der Verdacht nahe, daB mittels ihrer die Provisionsabgabeverboteumgangen werden konnten. Solange diese noch gelten, sorgt die Wiesba-dener Vereinigung9' dafur, daB nur solche Firmenverbundenen alsunbedenklich gelten, durch deren Leistung der Versicherer entlastetwird, wodurch sich die Provisionszahlung rechtfertigt.

Resumee

Zum SchluB dieses Streifzugs durch das Vermittlerrecht sind noch zweiFeststellungen zu treffen:

1. Die hier behandelten neuen Vertriebswege, also insbesondere derAlternativvertrieb and die Financial Services, lassen sich zwar durchschuldrechtliche Vertrage (Agenturvertrage) herstellen, eine engereKooperation wird aber nur durch kapitalmaBige Beteiligung, die zuUnternehmensvertragen fiihrt, zu erreichen sein. 95 Im Rahmen desThemas waren nur solche Kooperationen anzufiihren, die mit demAbsatz zusammenhangen. Die Bedeutung der Kooperation erschopftsich aber damit naturlich nicht.

2. Wir haben die vier grundsatzlichen Vertriebswege: Direktvertrieb,Angestellte im AuBendienst, Vertreter, Makler Revue passieren las-

92 R. Schmidt VW 1982 S. 22ff. Ziff. 2.3, daselbst auch zum anriichigen Koppe-lungsgeschaft.I Deshalb stehen sie auch wohl zu ihrer Muttergesellschaft nicht in einem

Agenturverhaltnis: Sie vermittein nicht fur ein anderes Unternehmen, sondern fairihre Gesellschafter, ebenso Kustner wie oben FuBnote 14) Rdnr. 5—Die firmenver-bundenen Vermittler verhindern praktisch die Grundung von Captives.

I Hierzu Rittner ZVersWiss 1985 S. 214 N. 34. Die Provisionsabgabeverbotevertragen sich nicht mit weiterer Liberalisierung.I Vgl. „Die Welt" vom 26. 11. 1987.

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sen. Die Vielfalt der Haupttypen, nimmt man auch ihre Varianten nochhinzu, zeigt vom Vertrieb her, daJ3 ein lebhafter Wettbewerb vorhandenist, zumal auch unter den jeweiligen Beteiligten der einzelnen Grup-pen', and daB die Pramisse der Deregulierungskampfer, der Wettbe-werb in der Versicherungswirtschaft sei unterentwickelt, kritischuberpruft werden mul3.

Ergebnis der Podiumsdiskussion zum Thema,,Vertrieb and Vermittlung von Versicherungen"

am 2. Marz 1988 in Kiel*

ZusammengefaBt von Dieter Farny, Koln

1. Die Vielfalt des Vertriebs von Versicherungen and der Versicherungs-vermittlung ist historisch gewachsen. Die heute vorhandenen Struktu-ren von Vertrieb and Vermittlung sind neben dem Produkt- andPreiswettbewerb ein eigenes wichtiges Wettbewerbselement auf demVersicherungsmarkt.

2. Schwerpunktmaf3ig sind im gewerblichen Versicherungsgeschaft mitden GroJ3- and Grol3tkunden die Versicherungsmakler and Mehrfach-vertreter tatig, im Privatkundengeschaft die ausschliel3lich fur einenVersicherer oder Versicherungskonzern tatigen Versicherungsvertre-ter. Dabei sind die Tatigkeitsfelder der Einfirmen/Konzernvertreterand der Mehrfachvertreter nicht genau voneinander abgrenzbar.Uberschneidungen gibt es im gewerblichen Geschaft mit kleinen andmittleren Unternehmen and mit den freien Berufen and Selbstandi-gen. Die firmenverbundenen Vermittler der grol3en Wirtschaftskonzer-ne haben sich mit einem hohen Leistungsniveau fur eine beschrankteAufgabe der Versicherungsschutzbeschaffung etabliert; weitere fir-menverbundene Vermittler sind nicht zu erwarten oder werden nurzum Zwecke des Provisionsbezugs gegrundet. Die Vermittlung vonBelegschaftsgeschaft durch firmenverbundene Vermittler wird aus der

" Moller ZVersWiss 1985 S. 176f.; Meyer-Kahlen ZVersWiss 1985 S. 249

* An der Podiumsdiskussion unter der Leitung von Professor Dr. Dieter Farny,Köln, nahmen teil: Max Engl, Munchen (Bundesverband Deutscher Versicherungs-kaufleute e. V.); Franz-G. von Gaertner, Hamburg (Verein Deutscher Versiche-rungsmakler e. V.); Dr. Edgar Jannott, Dusseldorf (Victoria Versicherungsgesell-schaften); Rechtsanwalt Dietrich Merkisch, Dusseldorf (Henkel KGaA); Dipl.-Volkswirt Peter Schutt, Berlin (Stiftung Warentest); Arno Surminski, Hamburg.