vertragsschluss und verbraucherschutz beim einsatz von software-agenten

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Informatik_Spektrum_4_August_2004 311 HAUPTBEITRAG / SOFTWARE-AGENTEN } An der Universität Karlsruhe (TH) gibt es derzeit ein interdiszi- plinäres, vom Bundes- ministerium für Bil- dung und Forschung gefördertes For- schungsprojekt zur In- ternetökonomie 2 , bei dem Wissenschaftler aus allen drei Diszipli- nen zusammenarbei- ten. Bei diesem Projekt geht es um internetbasierten Stromhandel im Rah- men sogenannter virtueller Kraftwerke. Dabei kommt dem Einsatz von Software-Agenten beim Vertragsschluss eine Schlüsselrolle zu. Einführung Ein bekanntes, wenn auch technisch relativ niedrig angesiedeltes Beispiel für den praktischen Einsatz von Software-Agenten sind sog. Biet-Agenten bei Internet-Auktionen. Diese Agenten können inner- halb eines vorgegebenen finanziellen Rahmens selbständig Gebote abgeben 3 . Obwohl sich die Ge- richte und auch die juristische Literatur schon um- fangreich mit Internet-Auktionen befasst haben 4 , wurde der spezielle Aspekt „Vertragsschlüsse durch Software-Agenten“ bislang nur vereinzelt und rudi- mentär juristisch erörtert. Dieses Defizit gilt es auf- zuholen, da absehbar ist, dass Software-Agenten künftig in weit größerem Umfang und mit weit größeren Handlungsspielräumen als bisher einge- setzt werden. Computer sind dabei, sich vom blo- ßen Kommunikationsmittel zu aktiven Teilneh- mern an elektronischen Märkten zu entwickeln 5 . Grund für die wachsende Bedeutung von Software- Agenten sind nicht nur die ökonomischen und praktischen Vorteile ihres Einsatzes, sondern auch die ständig steigende Bereitschaft der Menschen, private und geschäftliche Kommunikation mit Hilfe des Internet abzuwickeln. Belegen lässt sich diese Entwicklung etwa mit der rapide gewachsenen Zahl breitbandiger Internetanschlüsse, der gestiegenen durchschnittlichen Zeit, die Menschen online ver- bringen, der wachsenden Zahl registrierter Web- sites oder den – allen Unkenrufen zum Trotz – nach wie vor wachsenden Umsätzen im Bereich des E-Commerce, die im Jahr 2003 erstmals 100 Mrd. EUR überstiegen 6 . Aus ökonomischer und praktischer Sicht bietet der Einsatz autonomer, intelligenter Software- Agenten gewichtige Vorteile: Die Agenten können nicht nur Informationen filtern; vielmehr können sie auf sämtlichen Stu- fen von Geschäftspro- zessen eingesetzt wer- den, sei es bei der Be- darfsanalyse, bei der Auswahl von Produk- ten und Vertragspart- Vertragsschluss und Verbraucherschutz beim Einsatz von Software-Agenten Peter Sester DOI 10.1007/s00287-004-0407-8 © Springer-Verlag 2004 P. Sester Universität Karlsruhe, Institut für Informationsrecht, Am Fasanengarten, 76128 Karlsruhe E-Mail: [email protected] Das Thema Software- Agenten ist bislang nur vereinzelt im juristi- schen Schrifttum er- örtert worden 1 . Ganz anders ist die Situation in der Informatik und den Wirtschaftswissen- schaften. Wir Juristen stehen also wieder ein- mal im Bereich des E-Commerce vor einem erheblichen Nachhol- bedarf. 1 Vgl. Cornelius, MMR 2002, 353 ff.; Gitter u. Rossnagel, K&R 2003, 65 ff. 2 Selbstorganisation und Spontaneität in liberalisierten und harmonisierten Märkten (SESAM) 3 Vgl. genauer Leible u. Sosnitza, Sniper-Software und Wettbewerbsrecht, in: CR 2003, S. 344. 4 Vgl. statt vieler Spindler u. Bizer, Internet-Auktionen, 2001, m. w. N. 5 Zu letzterem vgl.Weitzenboeck, Electronic agents and the formation of contracts, S. 6. 6 Vgl. Aktionsprogramm Informationsgesellschaft Deutschland 2006 der Bundes- regierung, S. 2 ff, 10 ff.

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Page 1: Vertragsschluss und Verbraucherschutz beim Einsatz von Software-Agenten

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HAUPTBEITRAG / SOFTWARE-AGENTEN }

An der UniversitätKarlsruhe (TH) gibt esderzeit ein interdiszi-plinäres, vom Bundes-ministerium für Bil-dung und Forschunggefördertes For-schungsprojekt zur In-ternetökonomie2, beidem Wissenschaftleraus allen drei Diszipli-nen zusammenarbei-ten. Bei diesem Projekt

geht es um internetbasierten Stromhandel im Rah-men sogenannter virtueller Kraftwerke. Dabeikommt dem Einsatz von Software-Agenten beimVertragsschluss eine Schlüsselrolle zu.

EinführungEin bekanntes, wenn auch technisch relativ niedrigangesiedeltes Beispiel für den praktischen Einsatzvon Software-Agenten sind sog. Biet-Agenten beiInternet-Auktionen. Diese Agenten können inner-halb eines vorgegebenen finanziellen Rahmensselbständig Gebote abgeben3. Obwohl sich die Ge-richte und auch die juristische Literatur schon um-

fangreich mit Internet-Auktionen befasst haben4,wurde der spezielle Aspekt „Vertragsschlüsse durchSoftware-Agenten“ bislang nur vereinzelt und rudi-mentär juristisch erörtert. Dieses Defizit gilt es auf-zuholen, da absehbar ist, dass Software-Agentenkünftig in weit größerem Umfang und mit weitgrößeren Handlungsspielräumen als bisher einge-setzt werden. Computer sind dabei, sich vom blo-ßen Kommunikationsmittel zu aktiven Teilneh-mern an elektronischen Märkten zu entwickeln5.Grund für die wachsende Bedeutung von Software-Agenten sind nicht nur die ökonomischen undpraktischen Vorteile ihres Einsatzes, sondern auchdie ständig steigende Bereitschaft der Menschen,private und geschäftliche Kommunikation mit Hilfedes Internet abzuwickeln. Belegen lässt sich dieseEntwicklung etwa mit der rapide gewachsenen Zahlbreitbandiger Internetanschlüsse, der gestiegenendurchschnittlichen Zeit, die Menschen online ver-bringen, der wachsenden Zahl registrierter Web-sites oder den – allen Unkenrufen zum Trotz –nach wie vor wachsenden Umsätzen im Bereich des E-Commerce, die im Jahr 2003 erstmals 100 Mrd.EUR überstiegen6.

Aus ökonomischer und praktischer Sicht bietetder Einsatz autonomer, intelligenter Software-Agenten gewichtige Vorteile: Die Agenten könnennicht nur Informationen filtern; vielmehr könnensie auf sämtlichen Stu-fen von Geschäftspro-zessen eingesetzt wer-den, sei es bei der Be-darfsanalyse, bei derAuswahl von Produk-ten und Vertragspart-

Vertragsschluss und Verbraucherschutz beim Einsatzvon Software-Agenten

Peter Sester

DOI 10.1007/s00287-004-0407-8© Springer-Verlag 2004

P. SesterUniversität Karlsruhe,Institut für Informationsrecht,Am Fasanengarten, 76128 KarlsruheE-Mail: [email protected]

Das Thema Software-Agenten ist bislang nur

vereinzelt im juristi-schen Schrifttum er-

örtert worden1. Ganz anders ist die Situation

in der Informatik undden Wirtschaftswissen-

schaften. Wir Juristenstehen also wieder ein-

mal im Bereich des E-Commerce vor einem

erheblichen Nachhol-bedarf.

1 Vgl. Cornelius, MMR 2002, 353 ff.; Gitter u. Rossnagel, K&R 2003, 65 ff.2 Selbstorganisation und Spontaneität in liberalisierten und harmonisierten Märkten (SESAM)3 Vgl. genauer Leible u. Sosnitza, Sniper-Software und Wettbewerbsrecht, in:CR 2003, S. 344.4 Vgl. statt vieler Spindler u. Bizer, Internet-Auktionen, 2001, m. w. N.5 Zu letzterem vgl.Weitzenboeck, Electronic agents and the formation of contracts,S. 6.6 Vgl. Aktionsprogramm Informationsgesellschaft Deutschland 2006 der Bundes-regierung, S. 2 ff, 10 ff.

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nern, bei Vertragsverhandlungen bis hin zur nach-vertraglichen Evaluation7. Je vielschichtiger diehierbei zu berücksichtigenden Details, je mehr Par-teien an einer Verhandlung beteiligt sind, desto kla-rer liegen die Vorteile der Übernahme solcher Ver-handlungen durch autonome, intelligente Agentenauf der Hand: Durch menschliche Verhandlungs-führer könnte die anfallende Menge an Informatio-nen unmöglich in derselben Geschwindigkeit wiedurch Software-Agenten gesichtet und bewertetwerden, um schließlich die Entscheidung für einenkonkreten Geschäftsabschluss zu treffen8. Der Ein-satz autonomer, intelligenter Agenten würde also zueiner erheblichen Entlastung ihrer Nutzer – sowohlhinsichtlich des Zeitaufwands als auch hinsichtlichder Transaktionskosten insgesamt – und damit zueiner Beschleunigung sowie Vereinfachung deselektronischen Geschäftsverkehrs führen9. In sol-cher Weise automatisierte Vertragsverhandlungenund -abschlüsse sind dabei nicht nur im Bereichdes elektronischen Handels mit Konsumgüterndenkbar; ebenso viel versprechend sind sie etwa für Elektrizitäts- oder Finanzmärkte oder für dieProduktionsplanung in Subunternehmer-Netz-werken10.

Im Folgenden soll untersucht werden, ob undwie Geschäfte mit Hilfe autonomer, intelligenterSoftware-Agenten rechtswirksam abgeschlossenwerden können. Dabei wird zunächst zu fragensein, was überhaupt unter einem autonomen, intel-ligenten Software-Agenten zu verstehen ist. In ei-nem zweiten Schritt soll geklärt werden, wie dasHandeln autonomer, intelligenter Software-Agentenim Rahmen eines Vertragsschlusses aus juristischerSicht zu beurteilen ist. In einem letzten Schritt wer-den schließlich ausgewählte verbraucherschutz-rechtliche Fragen beleuchtet, die sich durch denEinsatz von Software-Agenten ergeben.

Begriff des autonomen,intelligenten Software-Agenten

AusgangspunktWas ist also unter einem autonomen, intelligentenSoftware-Agenten zu verstehen? Der Begriff des(Software)agenten wird in den verschiedenen Wis-senschaftsdisziplinen uneinheitlich verwendet. Ins-besondere innerhalb der Informatik existiert eineVielzahl von Definitionsvarianten, die z. T. auf sehrunterschiedliche Aspekte abheben, aufgrund derersich Agenten von gewöhnlicher Software unter-scheiden11. Für die Zwecke dieser Untersuchungmuss deshalb zunächst ein einheitliches Verständ-nis des Agenten-Begriffs gefunden werden. Fragender konkreten Architektur und Implementierungverschiedener Arten von Agenten bleiben hierbeiaußen vor (dies würde den Rahmen einer primärjuristischen Untersuchung auch sprengen). Ob einAgent stationär auf einem System arbeitet odermobil ist, kann ebenfalls weitgehend außer Be-tracht bleiben12. Für das hier interessierende juris-tische Problem des Vertragsschlusses sind vielmehrallein die grundlegenden Funktionalitäten undCharakteristika autonomer, intelligenter Software-Agenten relevant, auf die im Folgenden näher ein-gegangen wird.

Allgemeine Definition von (Software)agenten

Ganz allgemein kann man unter einem Software-Agenten nach einer häufig zitierten Definition vonWooldridge ein Computersystem bzw. -programmverstehen, welches in der Lage ist, innerhalb seinerUmgebung zur Erreichung der ihm gesetzten Zieleautonom zu agieren13. Diese Definition ist aller-dings so weit gefasst, dass beispielsweise bereits einHeizungsthermostat darunter fällt: Er befindet sichinnerhalb einer Umgebung, nämlich eines Raums,und kann eine Heizung ohne Fremdeinwirkung,also autonom, regeln bzw. ein- und ausschalten;dies dient seinem Entwurfsziel, die Raumtempera-

7 Vgl. Maes, Guttman, Moukas: Agents that buy and sell, in: Communications of theACM 1999, S. 83; ausführlich hierzu Clement u. Runte, Intelligente Software-Agen-ten – Implikationen für das Marketing im eCommerce, S. 6 ff.8 Vgl.Van Haentjes, Shopping Agents and their legal Implications regarding Austri-an Law, S. 1.9 Vgl. Maes, Guttman, Moukas: Agents that buy and sell, in: Communications of theACM 1999, S. 81.10 Vgl. Sandholm, Automated Negotiation, Communications of the ACM 1999, S. 84.

11 Einen Überblick über verschiedene Agenten-Definitionen bieten Franklin u.Graesser, Is it an agent, or just a program?, S. 1 ff.12 Zwar existieren einige Besonderheiten bei mobilen Agenten, etwa hinsichtlichder Abgabe und des Zugangs von Willenserklärungen; dies soll hier jedoch nichtvertieft werden.13 Vgl.Wooldridge, An introduction to Multi Agent Systems, S. 15 f.; ähnlich: Franklinu. Graesser, S. 4.

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tur angenehm zu erhalten14. Diesen weiten Agen-ten-Begriff gilt es zu präzisieren.

KonkretisierungIntelligenz. Folgende Eigenschaften müssen vor-handen sein, damit man von einem intelligentenSoftware-Agenten sprechen kann: Der Agent mussreaktiv sein. Das bedeutet, er muss Veränderungenin seiner Umgebung wahrnehmen und interpretie-ren und sich schließlich diesen Veränderungen ent-sprechend verhalten können15. Der Agent mussweiter proaktiv sein, also selbst die Initiative zurErreichung seines Ziels ergreifen können16. Zudemmuss der Agent interaktionsfähig sein, d.h. er mussmit Dritten, insbesondere mit anderen Agenten,kommunizieren und kooperieren können. Schließ-lich muss der Agent auch lernfähig sein.

Autonomie. Nachdem nun klar ist, was der Begriff„intelligent“ bei Agenten bedeutet, lautet die nächs-te Frage: Wann kann man von einem autonomenAgenten sprechen? Der Etymologie folgend – „au-tos“ heißt im Griechischen selbst, „nomos“ bedeu-tet Regel oder Gesetz – ist ein System autonom,welches sich selbst steuern und zudem sich seineRegelsätze selbst geben und diese verändernkann17. Wenn ein System zumindest in gewissemUmfang sein eigenes Verhalten kontrollieren undohne Eingriff von Menschen oder anderen Syste-men agieren kann, ist es demzufolge als autonomesSystem zu bezeichnen18.

Definition des Software-Agenten für die juristische Analyse

Zusammenfassend ist ein autonomer, intelligenterSoftwareagent also ein Programm, welches füreinen Benutzer bestimmte Aufgaben (wenigstenszum Teil) selbständig durchführen und mit seinerUmwelt hierzu sinnvoll interagieren kann. Ein sol-cher Softwareagent kann z.B. dafür eingesetzt wer-den, selbständig, d.h. ohne einzelfallbezogeneRückfragen beim Benutzer, Signale abzugeben, die

zu Vertragsabschlüssen im elektronischen Ge-schäftsverkehr führen sollen. Konkret vorstellbarist etwa, dass der Softwareagent durch seinen Be-nutzer den Auftrag erhält, eine bestimmte MengeStrom für einen festgelegten Zweck und Zeitraumzu kaufen und im Rahmen dieser Vorgaben eigen-ständig ein passendes Produkt eines Anbieters aus-wählt und die zum Vertragsschluss erforderlichenSchritte durchführt. All dies geschieht, ohne dassder Benutzer die einzelnen Schritte noch in irgend-einer Form rückbestätigen muss.

Dieses Vertragsanbahnungs- und -abschluss-Szenario bildet die Basis für die folgenden rechtli-chen Überlegungen zu autonomen, intelligentenSoftware-Agenten. Während gegenwärtig Agentenerst vereinzelt eingesetzt werden, sind mit fort-schreitender technischer Entwicklung auch aufMulti-Agenten-Systemen basierende Marktplattfor-men denkbar, in denen Agenten weitgehend unab-hängig anhand der Präferenzen ihrer Benutzerhandeln19.

Rechtliche Beurteilung des Handelns eines autonomen,intelligenten Software-Agenten

Ausgangspunkt einer rechtlichen Bewertung desHandelns von Software-Agenten in Wissenschaftund Rechtsprechung sind die Grundsätze, die zumVertragsschluss im Internet bislang entwickelt wur-den, insbesondere für Vertragsschlüsse per E-Mailund Web-Formular sowie Internet-Auktionen. Die-se Prinzipien werden im Folgenden kurz dargelegt,bevor in einem zweiten Schritt zu überlegen ist,ob sie auf Vertragsschlüsse mittels Software-Agen-ten übertragen werden können, oder ob es der Erarbeitung spezifischer Lösungsansätze bedarf,oder ob gar das Eingreifen des Gesetzgebers nötigist, um den Einsatz von Software-Agenten zu er-möglichen.

Vertragsabschlüsse im InternetZunächst wird erörtert, wie Vertragsabschlüsse imInternet im Normalfall ablaufen und wie dieser Pro-zess rechtlich einzuordnen ist. Die Darstellung bleibtdabei auf den Vertrieb von Waren via Internet als diepraktisch häufigste (und im Hinblick auf die später

14 Beispiel nach Wooldridge, a.a.O., S. 16; Franklin / Graesser, S. 4.15 Wooldridge, a. a. O., S. 23; Clement u. Runte, Intelligente Software-Agenten, S. 2.16 Wooldridge, ebenda; Lockemann u. Nimis, Flexibility through Multi-Agent Systems, S. 2.17 So auch Smithers, zitiert nach: Steels, When are robots intelligent autonomousagents?, S. 4.18 Vgl.Weiss, Multiagent systems: a modern approach to distributed artificial intel-ligence, S. 2; Weitzenboeck, Electronic agents and the formation of contracts, S. 3.

19 Solche Szenarien beschreiben etwa Weitzenboeck, Electronic agents and the formation of contracts, S. 2 und Kerr, Providing for autonomous electronic devicesin the Uniform Electronic Commerce Act, S. 12 ff.

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zu erörternden Fragen des Verbraucherschutzrechtesinteressanteste) Konstellation beschränkt20.

Ablauf eines Warenkaufes im Internet. Typischer-weise stellt sich ein Vertragsabschluss im Internetwie folgt dar21: Ein Anbieter präsentiert seine Wa-ren und/oder Dienstleistungen auf seiner Websiteim Internet. Ein Nachfrager findet auf dieser Siteein von ihm gewünschtes Produkt und kann Pro-duktinformationen einsehen. Entscheidet er sichzum Kauf, so werden ihm regelmäßig zunächst dieZahlungs- und Lieferbedingungen des Anbietersangezeigt, bevor er die Möglichkeit hat, mittels ei-ner Warenkorbfunktion sowie eines Bestellformu-lars die für die Durchführung des Vertrags von sei-ner Seite erforderlichen Angaben an den Anbieterzu übermitteln. Der Anbieter sendet daraufhin eine– in der Regel automatisch erstellte – E-Mail an denNachfrager, in der die Bestellung bestätigt wird22.

Rechtliche Bewertung. Aus juristischer Sicht ist die-ses Szenario folgendermaßen zu beurteilen: DerAbschluss eines Vertrages erfordert zwei kongruen-te Willenserklärungen der künftigen Vertragspart-ner, Angebot und Annahme.

Die Warenpräsentation auf der Webseite desWarenanbieters stellt regelmäßig noch kein i. S. v.§ 145 BGB verbindliches Angebot dar. Beim Großteilder Webseiten, auf denen Waren zum Verkauf ange-boten werden, ist die Unverbindlichkeit der Pro-duktpräsentation vom Verständnishorizont derKunden23 zweifelsfrei gegeben, so dass sie als bloßeinvitatio ad offerendum einzustufen sind24. Im Ein-zelfall kann dies freilich anders zu beurteilen sein(z.B.: beliebig reproduzierbare Leistung ohne Ent-geltpflicht)25.

Das Angebot liegt in dem vom Nachfrager aus-gefüllten und durch Klicken des Bestell-Buttons auf

der Webseite des Anbieters an diesen übermitteltenOnline-Bestellformular. Die Bestellbestätigung desWarenanbieters stellt regelmäßig die Annahme desAngebots dar. Dergestalt kann der Verkäufer vorder Annahme eine Vorratsprüfung vornehmen undggf. auch den Besteller auf seine Bonität hin prüfen.

Willenserklärungen können grundsätzlich inbeliebiger Form abgegeben werden26. Daher istauch deren elektronische Übermittlung an die an-dere Vertragspartei unproblematisch möglich, ins-besondere per E-Mail27 oder durch Klicken aufeinen Button einer Webseite28.

Da die Parteien bei einem Vertragsschluss imInternet regelmäßig nicht in Echtzeit kommunizie-ren, ist gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zur Wirksamkeitder Willenserklärung erforderlich, dass sie der an-deren Seite zugeht29. Zugang bedeutet, dass die Er-klärung dergestalt in den Machtbereich einer Per-son gelangt sein muss, dass diese unter regelmäßi-gen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnah-me hat. Bezogen auf E-Mails heißt dies konkret: DieErklärung muss in der Mailbox der Person gespei-chert und dort für diese abrufbar sein30.

Bei der automatisch erstellten Bestellbestäti-gung handelt es sich um eine sog. computergene-rierte Erklärung. Für solche Erklärungen ist mitt-lerweile anerkannt, dass es sich dabei um wirksa-me, dem Benutzer des Computersystems zurechen-bare Willenserklärungen handelt. Umstritten wardies, weil im Zeitpunkt der Herstellung und Über-mittlung der Erklärung keine aktive menschlicheHandlung erfolgt31. Der Computer führt dabei aberletztlich nur die vorgegebenen Anordnungen seinesBenutzers aus; dessen Willensbildung wurde alsolediglich zeitlich vorverlagert. An der Steuerungdes Geschehens durch den Benutzer bestehen keineZweifel32.

20 Anders wären der Vertrieb von Software im Internet sowie die entgeltliche Nutzung von Online-Datenbanken zu bewerten, die hier aber außen vor bleiben;vgl. dazu Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 216 f.21 Vgl. auch Hoenike u. Hülsdunk, MMR 2002, S. 415; Dilger, Verbraucherschutz beiVertragsabschlüssen im Internet, S. 17; Borges, Verträge im elektronischen Ge-schäftsverkehr, 42 ff.22 Dieses Szenario trifft auf die meisten Vertragsabschlüsse im elektronischen Ge-schäftsverkehr zu; andere technische Abläufe werden hier ausgeblendet.23 Vgl. BGH NJW 1988, S. 1378 (1379); NJW 1990, S. 3206; NJW 1992, S. 1446 (1447).24 Vgl. Dilger, S. 32 f.; Köhler u. Arndt, Recht des Internet, 1999, Rn. 93.25 Hierzu Holzbach u. Süßenberger, in: Moritz u. Dreier, Rechtshandbuch zum E-Commerce, Kap. C, Rn. 266; Mehrings, MMR 1998, S. 32; Glatt, Vertragsschluss imInternet, S. 40 ff.; ausführlich Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr,S. 196 ff.

26 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf v § 116 Rn. 1.27 BGH Urteil vom 07.11.2001, VIII ZR 13/01, CR 2002, S. 213 ff.; vgl. auch Borges,Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 220 f. m. w. N.28 Vgl. Mehrings, in: Hoeren u. Sieber, Kap. 13.1, Rn. 113; Borges, Verträge im elektro-nischen Geschäftsverkehr, S. 194; Holzbach u. Süßenberger, in: Moritz u. Dreier,Rechtshandbuch zum E-Commerce, Kap. C, Rn. 69.29 Vgl. Mehrings, MMR 1998, S. 32 f. m. w. N.; ausführlich Dilger, a. a. O, S. 24 f.30 Näher zu Voraussetzungen und Zeitpunkt des Zugangs Dilger, a. a. O, S. 25 ff. undHolzbach u. Süßenberger, in: Moritz u. Dreier, Kap. C, Rn. 262.31 Vgl. Glatt, Vertragsschluss im Internet, S. 32 f.; Mehrings, MMR 1998, S. 31.32 So i. E. auch OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.11.2002, 9 U 94/02, JurPC Web-Dok. 91/2003 und ihm folgend LG Köln, Urteil vom 16.04.2003, 9 S 289/02, CR2003, S. 613; vgl. dazu ferner Cornelius, Vertragsschluss durch autonome elektroni-sche Agenten, in: MMR 2002, S. 355; Gitter u. Rossnagel, Rechtsfragen mobilerAgentensysteme im eCommerce, in: K&R 2003, S. 66 m. w. N. (Fn. 14).

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Ist die Bestellbestätigung dem Nachfrager zu-gegangen, so ist also regelmäßig ein Vertrag wirk-sam zustande gekommen33.

Vertragsabschluss mittels Software-Agenten

Problemstellung. Damit stellt sich folgende An-schlussfrage: Können die dargelegten Grundsätzefür Vertragsabschlüsse per E-Mail oder mittelsWebformularen ohne weiteres auch auf solche Ver-träge angewendet werden, die mit Hilfe von auto-nomen, intelligenten Software-Agenten abgeschlos-sen wurden?

Ausschlaggebend für die Übertragbarkeit ist,ob in beiden Fällen eine vergleichbare Interessenla-ge besteht, und zwar im Lichte der rechtlichen Vor-gaben an wirksame Willenserklärungen. Die Ver-gleichbarkeit wäre gegeben, wenn der Software-agent wie im Fall der Computererklärung lediglichein technisches Hilfsmittel bei der Abgabe einer Er-klärung seines Benutzers darstellen würde oder an-ders formuliert: Wenn das Handeln des Software-Agenten nur das Resultat einer antizipierten Wil-lensbildung des Benutzers wäre.

Eigene Willenserklärung des Software-Agenten? Da-ran könnte man wegen der Autonomie und der In-telligenz des Agenten zweifeln: Diese legen nämlichdie Frage nahe, ob er nicht eine eigene, rechtlichwirksame Willenserklärung abgibt. Dies setzt vo-raus, dass Software-Agenten Rechtssubjekte sindund Geschäftsfähigkeit besitzen.

Geschäftsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit,Rechtsgeschäfte selbständig vollwirksam vorzuneh-men34. Wie sich im Umkehrschluss aus § 104 BGBergibt, setzt dies die Fähigkeit zu freier Willensbil-dung voraus. Aufgrund ihrer Intelligenz und Auto-nomie mögen Software-Agenten in gewissem Um-fang diese Fähigkeit besitzen. Nach dem gegenwär-tigen technischen Stand ist diese Fähigkeit aller-dings noch recht begrenzt; von bewussten odermoralischen Entscheidungen sind Agenten nochweit entfernt35 und werden es – trotz frappierenderEntwicklungen im Bereich der künstlichen Intelli-genz – wohl auch für immer bleiben.

Rechtsfähigkeit kann verstanden werden als die Fä-higkeit, sich rechtserheblich zu verhalten36. Dieskönnte man bei intelligenten Software-Agenten be-jahen, da sie – wenn auch in gewissen Grenzen – inder Lage sind, Erklärungen zu generieren und zuübermitteln, die zum Abschluss von Verträgen füh-ren. Ganz überwiegend wird Rechtsfähigkeit ver-standen als die Fähigkeit, Träger von Rechten undPflichten zu sein37. Danach müssten Software-Agenten also Zuordnungssubjekte von Vermögensein können und eine Identität haben38. Beides istde lege lata nicht der Fall: Das Gesetz kennt Rechts-subjekte nur in Gestalt von juristischen und natür-lichen Personen. In der Literatur werden allerdingsverschiedene Konzepte zur Gewährleistung von ei-genem Vermögen39 und zur Identifizierung40 elek-tronischer Agenten diskutiert.

Mangels Rechts- und Geschäftsfähigkeit vonSoftware-Agenten können die dadurch generiertenund übermittelten Erklärungen derzeit also nichtals eigene Willenserklärungen des Agenten angese-hen werden. Selbst wenn es möglich wäre, dieseProbleme – etwa im Wege von Analogien oder derSchaffung eines eigenständigen Rechtssubjekts„elektronische Person“ – zu überwinden, so ergä-ben sich weitere Unstimmigkeiten: Ein Software-agent könnte nur unter den Voraussetzungen derStellvertretung für seinen Benutzer rechtlich bin-dend handeln. Die Parallele zum Stellvertretungs-recht liegt nahe, da die Funktion des Agenten dereines realen Vertreters sehr stark ähnelt; sie wirftaber weitere Fragen auf: Was gilt etwa, wenn derAgent aus irgendwelchen Gründen (z. B. wegentechnischer Störungen) über den Geschäftswillendes Benutzers hinaus geht? Geschieht dies bei ei-nem realen Stellvertreter, so trifft ihn nach § 179BGB eine Erfüllungshaftung. Ein Softwareagentkann aber mangels Rechtspersönlichkeit und Ver-mögens nicht Zuordnungssubjekt einer solchen

33 Anders liegt es, wenn lediglich der Eingang der Bestellung bestätigt wird; dieAnnahme ist dann in der Aussonderung der Ware zum Versand an den Käufer zusehen; vgl. hierzu Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 148 Rn. 2 bzw. § 151 Rn. 2.34 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf v § 104 Rn. 2.35 Vgl.Weitzenboeck, Electronic agents and the formation of contracts, S. 8.

36 Vgl. Schmitt, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2001, § 1 Rn. 7.37 Vgl. Schmitt, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2001, § 1 Rn. 6m. w. N.38 Vgl. Reuter, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2001, Vor § 21 Rn. 2m. w. N; Weitzenboeck, Electronic agents and the formation of contracts, S. 9.39 Sartor, Agents in Cyberlaw, S. 7, schlägt die Übertragung einer bestimmten (elek-tronischen) Geldmenge an den Agenten vor, in deren Rahmen der Agent unabhän-gig agieren kann; das Geld soll gleichzeitig – vergleichbar dem Stammkapital einerGmbH – als Haftungssumme dienen.40 Zur Identifizierung elektronischer Agenten wird ein dem Handelsregister ver-gleichbares Register vorgeschlagen; vgl.Weitzenboeck, Electronic agents and theformation of contracts, S. 9; De Miglio, Onida, Romano, Santoro: Electronic agentsand the law of agency, S. 5 f.

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Haftung sein; die Verkehrsschutzfunktion des § 179BGB liefe damit leer41.

Hieran zeigt sich, dass eine bloße analoge An-wendung des Stellvertretungsrechts auf Software-Agenten der Problemlage nicht gerecht würde. DieLösung dürfte künftig wohl eher in einer eigenstän-digen Regelung für den Vertragsschluss via Softwa-re-Agenten zu suchen sein, die sich in beschränk-tem Umfang an Stellvertretungsrecht anlehnenkönnte und Fragen der Identifikation und Haftungvon Software-Agenten zu berücksichtigen hätte.

Zusammenfassend lässt sich de lege lata jeden-falls festhalten, dass Software-Agenten mangelsRechtspersönlichkeit und Geschäftsfähigkeit keineeigenen Willenserklärungen abgeben und damitnicht nach Stellvertretungsrecht behandelt werdenkönnen. Die technische Entwicklung allein kanndies nicht ändern, vielmehr ist hier gesetzgeberi-sche Aktivität erforderlich.

Wirksamkeit der Agentenerklärung. (1) Zurechnungals Erklärung des Benutzers: Handelt der Agentmangels Willenserklärung im Rechtssinn nicht alsStellvertreter, dann stellt sich weiter die Frage, obund wie die Erklärung dem Benutzer zugerechnetwerden kann. Dafür werden sehr verschiedeneKonstruktionen in der Literatur diskutiert.

Eine Einordnung des Agenten als Bote lägezwar wegen dessen fehlender Geschäftsfähigkeitnahe, scheidet aber aus einem anderen Grund aus:Ein Bote übermittelt lediglich die vorgefasste Wil-lenserklärung einer anderen Person42; ein autono-mer, intelligenter Softwareagent gestaltet aberselbst maßgeblich den konkreten Erklärungsin-halt43.

Aus dem gleichen Grund passt auch eine Ein-ordnung der Agentenerklärung als sogenanntes An-gebot ad incertas personas, also ein Angebot aneinen unbestimmten Personenkreis, nicht: DieseRechtsfigur wird insbesondere zur Begründung desVertragsschlusses an Warenautomaten eingesetzt.Dort gibt der Inhaber des Automaten durch dasAufstellen und Betreiben ein Angebot an einen un-bestimmten Personenkreis ab, das auf den Vorrat

und die angegebenen Preise beschränkt ist. Dereinzelne Passant, der Geld einwirft, konkretisiertdieses Angebot auf eine der vorhandenen Waren-Preis-Kombinationen und bringt damit den Ver-tragsschluss zu Stande. Im Gegensatz dazu ent-scheidet beim agentenbasierten Vertrag (auch) aufSeiten des Konsumenten eine Maschine, die den In-halt der Erklärung weit gehend autonom bestimmtund den Vertragspartner selbst auswählt.

Auch die Einordnung der Agentenerklärung alssog. Computererklärung, die einer Willenserklä-rung des Computer-Benutzers gleichgestellt wird,scheint auf den ersten Blick nicht ganz zu passen:Grund für die Einordnung der Computererklärungals Willenserklärung ist – wie oben gezeigt – gera-de, dass das Computersystem die vordefiniertenAnordnungen seines Benutzers ausführt und des-halb der Inhalt der Erklärung ohne weiteres aufden Willen des Benutzers zurückführbar ist; dieWillensbildung wurde lediglich vorverlagert. We-sentliche Voraussetzung für die Zurechnung der Er-klärung zum Benutzer ist also die Möglichkeit derKontrolle und Steuerung des Benutzers hinsichtlichdes konkreten Erklärungsinhaltes44.

Bei Erklärungen, die durch autonome, intelligen-te Software-Agenten abgegeben werden, ist dieseRückbindung an den Willen des Benutzers jedochnur noch in geringem Umfang gewährleistet: DerAgent handelt nicht lediglich im Rahmen der ihmvorgegebenen Entscheidungsmöglichkeiten, sondernkann aufgrund seiner Lernfähigkeit und Autonomieeigene Entscheidungen treffen. Die entscheidendeFrage lautet also, ob mit dem Inbetriebnehmen einesautonomen, intelligenten Software-Agenten zu ei-nem bestimmten Zweck bereits eine hinreichendkonkrete Willensbetätigung des Benutzers hinsicht-lich der späteren Agenten-Erklärung vorliegt.

Zur Lösung dieser Frage können die Grund-sätze zur so genannten Blanketterklärung fruchtbargemacht werden: Bei dieser vervollständigt einDritter die inhaltlich bewusst noch unvollständige,aber unterzeichnete Willenserklärung einer ande-ren Person. Diese Person hat keinen oder allenfallsgeringen Einfluss auf den endgültigen Inhalt derErklärung45. Sehr ähnlich ist die Situation beimEinsatz eines autonom handelnden Software-Agen-41 Hierzu Wettig u. Zehendner, S. 7; Cornelius, Vertragsschluss durch autonome

elektronische Agenten, in: MMR 2002, S. 355.42 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf v § 164 ff., Rn. 11.43 Ebenso Cornelius, Vertragsschluss durch autonome elektronische Agenten, in:MMR 2002, S. 355; Gitter u. Rossnagel, Rechtsfragen mobiler Agentensysteme imeCommerce, in: K&R 2003, S. 66.

44 Ähnlich Gitter u. Rossnagel, a. a. O., S. 66; ebenso OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.11.2002, 9 U 94/02, JurPC Web-Dok. 91/2003; LG Köln, Urteil vom 16.04.2003,9 S 289/02, CR 2003, S. 613.45 Vgl. Larenz u.Wolf, BGB AT, § 48 Rn. 34.

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ten: Ihm werden lediglich Handlungsanweisungengegeben; die Erklärung in ihrer endgültigen Formgeneriert er selbständig, ohne dass der Benutzerdarauf noch Einfluss hat.

Die Blanketterklärung wird in Literatur undRechtsprechung seit langem als rechtswirksameWillenserklärung akzeptiert46. Ein Softwareagentunterliegt – zumindest zum gegenwärtigen techno-logischen Entwicklungsstand – aufgrund seinerProgrammierung notwendig größerer Kontroll-möglichkeiten als ein mit der Komplettierung einerBlanketterklärung beauftragter, völlig unabhängighandelnder Mensch. Der Benutzer des Agenten hatinsbesondere deshalb einen größeren Einfluss, weilder Agent nur innerhalb der vorgegebenen Parame-ter selbständig entscheiden kann.

Wird aber schon die Aushändigung einer Blan-ketterklärung an einen autonom handelnden Men-schen – womöglich sogar an den Vertragspartner –als ausreichende eigene Willensbetätigung angese-hen, so muss dies erst recht für einen zumindestnoch in gewissem Maße technisch kontrollierbarenSoftware-Agenten gelten. Eine Erklärung unter Be-teiligung eines autonomen, intelligenten Software-Agenten ist demzufolge als eine Willenserklärungdes Benutzers anzusehen, die lediglich in einer Artgestrecktem Verfahren generiert wurde.

Insgesamt kann die Agentenerklärung entspre-chend den Computererklärungen gegenwärtig alsWillenserklärung des Benutzers angesehen werden.Allerdings ist einzuräumen, dass mit wachsenderAutonomie und Intelligenz von Software-Agentendas Band zwischen der Willensbetätigung des Be-nutzers, der die Programmstruktur des Agenten janicht kennt, und der Erklärung des Agenten immergeringer wird. In dem Maß, wie dies geschieht, wirddie Interessenlage als Analogiebasis zu den obengenannten herkömmlichen elektronischen Willens-erklärungen immer dünner.

(2) Abgabe und Zugang der Agentenerklärung:Mit der Zurechnung der Agentenerklärung als Wil-lenserklärung des Benutzers ist noch nichts überihre Wirksamkeit gesagt. Dazu muss die betreffen-de Erklärung abgegeben werden und gem. § 130Abs. 1 BGB dem Empfänger zugegangen sein47. Für

beide Schritte ergeben sich bei der Agentenerklä-rung Besonderheiten gegenüber normalen Willens-erklärungen48.

(2a) Abgabe: Eine Willenserklärung ist abgege-ben, wenn sie mit dem Willen des Erklärenden end-gültig in Richtung auf den Empfänger in den Ver-kehr gebracht wurde, so dass unter normalen Um-ständen mit dessen Kenntnisnahme zu rechnenist49. Bei einer Erklärung per E-Mail ist das etwader Fall, wenn der Erklärende sie an den Empfän-ger abgesendet hat.

Beim Einsatz autonomer, intelligenter Softwa-re-Agenten ist der Zeitpunkt der Abgabe dagegenschwieriger zu bestimmen. Eine Willensbetätigungdes Benutzers liegt zwar im Aktivieren des Softwa-re-Agenten; darin kann aber noch nicht die endgül-tige Abgabe der Willenserklärung gesehen werden.Denn zwischen der Aktivität des Benutzers und derAbgabe eines elektronischen Signals durch denSoftware-Agenten steht noch der komplexe Kon-kretisierungsprozess im Gehirn des Software-Agen-ten. Abgegeben ist die Willenserklärung daher erstin dem Moment, in dem der Agent das Ergebnisseines Denkprozesses als elektronisches Signal anden Empfänger absendet50.

(2b) Zugang: Damit die abgegebene Willenser-klärung voll rechtswirksam wird, muss sie (vorbe-haltlich der Regelung des § 151 BGB) dem Empfän-ger zugehen. Zugegangen ist eine Willenserklärung,wenn sie dergestalt in den Machtbereich des Emp-fängers gelangt ist, dass er unter regelmäßigen Um-ständen mit ihrer Kenntnisnahme rechnen kann51.

In den Machtbereich des Empfänger gelangt isteine Erklärung, wenn sie eine typischerweise fürden Empfang von Willenserklärungen benutzteVorrichtung erreicht52, beispielsweise bei E-Mail-Kommunikation die Mailbox des Empfängers53.Soweit der Empfänger gleichfalls einen Software-Agenten nutzt, kann dieser ohne weiteres als zum

46 Vgl. Larenz u.Wolf, BGB AT, § 48 Rn. 34 m. w. N.47 Ggf. müssen auch noch weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen, etwa Formerforder-nisse, gegeben sein; eine Auseinandersetzung hiermit würde den Rahmen der Unter-suchung sprengen. Der Einsatz qualifizierter elektronischer Signaturen im Rahmen eines Agentensystems ist jedoch technisch ohne größere Schwierigkeiten realisierbar.

48 Die Ausführungen beziehen sich primär auf stationär auf dem System des Benutzers arbeitende Software-Agenten; zu Besonderheiten der Abgabe und des Zugangs von Erklärungen bei mobilen Agenten vgl. Gitter u. Rossnagel, K&R 2003,S. 66 f.49 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, § 130 Rn. 4; Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 24. Auflage2000, Rn. 475.50 Ebenso Cornelius, Vertragsabschluss durch autonome elektronische Agenten, in:MMR 2002, S. 355 f.; Gitter u. Rossnagel, Rechtsfragen mobiler Agentensysteme imE-Commerce, in: K&R 2003, S. 66.51 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 130 Rn. 5.52 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 130 Rn. 5.53 Differenzierend Borges, Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 249 ff.und 270 ff.

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Machtbereich des Empfängers gehörig angesehenwerden, da der Benutzer auf ihn Einfluss nehmenund Regelungen für die Behandlung eingegangenerNachrichten treffen kann54. Wird eine eingehendeNachricht also auf dem System des Agenten gespei-chert, so ist sie dem Benutzer damit zugegangen.

Schwieriger zu beurteilen ist allerdings, ob derEmpfänger dann auch die Möglichkeit der Kennt-nisnahme hatte. Er setzt den Agenten gerade ein,um von einer Reihe von Informationen – so auchvon Vertragsangeboten – nicht Kenntnis nehmenzu müssen. Der Agent soll diesbezüglich autonomentscheiden und agieren. Es ist deshalb zu überle-gen, ob anstelle der Möglichkeit der Kenntnisnah-me durch den Benutzer auf die Möglichkeit der in-haltlichen Erfassung der Erklärung durch denAgenten abzustellen ist55. Sobald eine Erklärungdurch das Agentensystem gespeichert und inhalt-lich erfasst wurde, besteht aber auch für den Benut-zer selbst die prinzipielle Möglichkeit, vom Inhaltder Erklärung Kenntnis zu nehmen; dies gilt insbe-sondere, wenn der Agent dergestalt konfiguriertwird, dass er dem Benutzer den Eingang vertrags-relevanter Erklärungen etwa per E-Mail, SMS oderüber eine graphische Benutzeroberfläche mitteilt.Macht der Benutzer von der Möglichkeit zurKenntnisnahme keinen Gebrauch und lässt denAgenten die Erklärung ungesehen weiter verarbei-ten, so kann das letztlich zu keinem anderen Ergeb-nis führen als etwa bei einer postalisch übermittel-ten Erklärung, bei der der Empfänger den Briefum-schlag nicht öffnet: Aufgrund der bestehendenMöglichkeit der Kenntnisnahme ist der Zugang er-folgt.

Es bleibt daher festzuhalten, dass eine Erklä-rung bei empfängerseitigem Einsatz eines Softwa-re-Agenten zugegangen ist, wenn sie auf dem Agen-tensystem gespeichert wurde. Dieses Ergebnis legtauch § 312e Abs. 1 S. 2 BGB nahe, wonach Bestellungund Empfangsbestätigung als zugegangen gelten,wenn sie unter gewöhnlichen Umständen abrufbarsind.

(2d) Zwischenergebnis: Damit ist als wesentli-ches Ergebnis festzuhalten: Unter Einschaltung au-tonomer, intelligenter Software-Agenten könnenwirksame, dem Benutzer des Agenten zurechenbare

Willenserklärungen generiert werden56. Somit istein Vertragsschluss mittels Software-Agenten mög-lich, sofern zwei korrespondierende Erklärungenvorliegen.

Verbraucherschutz beim Einsatz autonomer, intelligenter Software-Agenten

ProblemskizzeJenseits dieser elementaren Problematik für dasZustandekommen wirksamer Verträge stellen sichbeim Einsatz von Software-Agenten eine Reihe wei-terer Rechtsfragen: Die Frage nach der Beweisbar-keit der abgegebenen Erklärungen, die Frage nachdem anwendbaren Recht bei grenzüberschreiten-den Geschäften, nach der Einbeziehung allgemeinerGeschäftsbedingungen oder nach der Berücksichti-gung verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften.

Von diesen Problemfeldern ist dasjenige desVerbraucherschutzes vielleicht das Dringendste,denn mit der Einhaltung der zwingenden verbrau-cherschützenden Vorschriften steht und fällt gege-benenfalls die Wirksamkeit des Vertragsschlussesbzw. die Bindung daran. Anders formuliert: Hiersind unverrückbare Größen für einen wirksamenVertragsschluss betroffen. Deshalb soll die Einhal-tung verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften andieser Stelle näher beleuchtet werden. Dabei lautetdie Kernfrage: Sind bei Vertragsschlüssen via Soft-ware-Agenten die gleichen verbraucherschutzrecht-lichen Pflichten zu erfüllen wie gegenüber Men-schen und wie ist dabei ein äquivalenter Schutz vonVerbrauchern erreichbar, die Agenten einsetzen?

Bezugspunkt für die Anwendbarkeit des Ver-braucherschutzrechts ist der Verbraucherbegriff.Software-Agenten fungieren – wie oben erörtert –auf Basis des derzeitigen technischen Entwick-lungsstandes beim Vertragsschluss als Werkzeuge,um Willenserklärungen zu erstellen, abzugebenund entgegen zu nehmen, wobei der Agent kraftseiner Intelligenz und Autonomie relativ großenEinfluss auf den konkreten Vertragsinhalt hat. AlsWerkzeug ist der Software-Agent in Bezug auf dieFrage „Verbraucherschutz oder nicht?“ neutral. DenAusschlag gibt die Einordnung seines Benutzers:Erfüllt er bei dem betreffenden Geschäft die gesetz-lichen Merkmale der Verbraucherdefinition des § 13

54 Ebenso Cornelius, MMR 2002, S. 356.55 Vgl. Cornelius, MMR 2002, S. 356; ähnlich Mehrings, MMR 1998, S. 33, für dieMöglichkeit der Verarbeitung bei Computererklärungen.

56 Sofern ggf. weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen, etwa die Geschäftsfähigkeitdes Benutzers, erfüllt sind.

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BGB, so finden die entsprechenden Schutzvor-schriften Anwendung. Bei agentenbasierten Verträ-gen sind dies insbesondere die Vorschriften überFernabsatzverträge. Als Fernabsatzverträge defi-niert § 312b Abs. 1 BGB solche Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer57 überdie Lieferung von Waren bzw. die Erbringung vonDienstleistungen, die ausschließlich unter Benut-zung von Fernkommunikationsmitteln geschlossenwerden. Ein wie im zugrunde gelegten Szenariomittels des Internet geschlossener Vertrag stellteinen solchen Fernabsatzvertrag gem. § 312b Abs. 2BGB i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG dar, da in Online-Shops regelmäßig Warenangebote in elektronischabrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriffund unmittelbarer Bestellmöglichkeit offeriert wer-den.

Die Schutzbestimmungen, welche bei Fernab-satzverträgen gelten, beinhalten vor allem Informa-tionspflichten gegenüber dem Verbraucher sowieWiderrufs- bzw. Rückgaberechte. Sinn und Zweckdieser Regelungen ist es, den typischerweise vor-handenen Informationsvorsprung des Unterneh-mers gegenüber dem Verbraucher auszugleichenund die vergleichsweise im Geschäftsverkehr weni-ger versierten Privatpersonen vor Übervorteilungund Übereilung zu schützen58.

Relevante verbraucherschutzrechtlicheRechte und Pflichten

Die Tragweite der Problematik, ob und wie Ver-braucherschutzvorschriften auf agentenbasierteVerträge übertragbar sind, erschließt sich, wennman sich Inhalt und Umfang der gesetzlichen In-formationspflichten vor Augen hält.

Der Unternehmer muss den Verbraucher be-reits vor Vertragsabschluss in leicht erkennbarersowie klarer und verständlicher Weise über den ge-schäftlichen Zweck des Vertrags unterrichten. Auchüber die Identität und Adresse des Anbieters, denPreis, wesentliche Eigenschaften der Ware sowieinsbesondere über das Bestehen eines gesetzlichenWiderrufs- oder Rückgaberechts ist zu unterrich-ten59. Diese Informationen müssen dem Verbrau-

cher spätestens bis zur Vertragserfüllung (d. h. beiKaufverträgen: Lieferung) in qualifizierter Weise,nämlich in der Textform des § 126b BGB, zur Verfü-gung gestellt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt müs-sen weitere Informationen gegeben werden; diesbetrifft Einzelheiten zur Ausübung und zu denRechtsfolgen des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts,Gewährleistungs- oder Garantiebedingungen sowieeine Adresse für mögliche Beanstandungen60.

Das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht (§ 355BGB) ist ein besonders schneidiges Instrument desVerbraucherschutzes, denn es ermöglicht dem Ver-braucher, den Vertrag ohne Angabe von Gründenoder dem Vorhandensein von Mängeln der Kaufsa-che aufzuheben. Die Frist für die Ausübung des Wi-derrufs- oder Rückgaberechts bei Fernabsatzver-trägen beträgt zwei Wochen. Diese Frist beginnt ge-mäß § 312d Abs. 2 BGB nicht zu laufen, bevor dieoben genannten Informationspflichten erfüllt sind,frühestens jedoch mit Ablieferung der Ware. EineNichterfüllung der Informationspflichten birgt alsofür den Unternehmer das Risiko, dass der Verbrau-cher den Vertrag noch nach vielen Monaten wider-rufen kann und damit auch der wirtschaftliche Er-folg des Geschäfts gefährdet ist.

Erfüllung von Informationspflichten beimEinsatz von Software-Agenten

Der neuralgische Punkt ist nun, wie die erörtertenInformationspflichten erfüllt werden können, wennauf Seiten des Verbrauchers ein Softwareagent ein-gesetzt wird. Machen sie überhaupt Sinn oder ent-fallen sie beim Einsatz autonomer intelligenterSoftware-Agenten etwa mangels Sinnhaftigkeit? Beider Lösung dieser Fragen ist zum einen zu differen-zieren nach dem Zeitpunkt, zu dem die fraglichenInformationen zu gewähren sind. Zum anderen istzu berücksichtigen, ob eine Erfüllung der Informa-tionspflichten gegenüber einem autonomen, intelli-genten Software-Agenten sinnvoll und technischmöglich ist. Hier gibt es einen Konflikt zwischender Zielsetzung des Verbraucherschutzrechts, eineumfassende Information der Person des Verbrau-chers zu gewährleisten, und der ökonomischen undtechnischen Zwecksetzung von Software-Agenten,nämlich den Benutzer (z. B. einen Verbraucher) da-von zu entlasten, Informationen zur Kenntnis neh-men zu müssen.

57 § 14 BGB.58 Näher Aigner u. Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, S. 3 ff; Janal, Sanktionenund Rechtsbehelfe bei der Verletzung verbraucherschützender Informations- undDokumentationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 1 ff.; Dilger, Ver-braucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet, S. 59 ff.59 Vgl. § 312c Abs. 1 BGB i.V. m. § 1 Abs. 1 BGB-InfoV. 60 Vgl. § 312c Abs. 2 BGB i.V. m. § 1 Abs. 2 und 3 BGB-InfoV.

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Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Informati-onserteilung. (1) Nachträgliche Informationspflich-ten: Das Fernabsatzrecht unterscheidet zwischenbereits vor dem Vertragsabschluss zu erfüllendenInformationspflichten und solchen, die erst nach-träglich zu erfüllen sind.

Relativ einfach stellt sich die Situation bezüg-lich der erst nach Vertragsabschluss zu gewähren-den Informationen61 dar. Dem Benutzer sollen die-se Informationen zur effektiven Wahrnehmung sei-ner Rechte dauerhaft speicher- oder ausdruckbar62

zur Verfügung gestellt werden. Beim verbraucher-seitigen Einsatz von Software-Agenten bedeutetdies: Der Unternehmer muss entweder die entspre-chenden Informationen direkt dem Agenten über-mitteln oder ihm einen Hinweis geben, wo die In-formationen eingesehen oder erhalten werden kön-nen. Dabei kann es letztlich keine Rolle spielen, aufwelchem Übertragungsweg die zu gewährenden In-formationen beim Verbraucher ankommen, d.h. obhierzu eine E-Mail direkt an den Verbraucher ge-sandt wird oder dem Software-Agenten die Infor-mationen übermittelt werden63. Der Benutzer er-hält in beiden Fällen die Möglichkeit der Kenntnis-nahme, entscheidet aber selbst, ob und wann erKenntnis nimmt.

(2) Vorab-Informationspflichten: Dagegen isteine Information des Benutzers vor Vertragsschlussfaktisch kaum möglich, denn der Softwareagent sollden Vertragsschluss ja gerade ohne Einwirkung desBenutzers durchführen, um ihn von der Verarbei-tung größerer Informationsmengen zu entlasten.Dies gilt auch für Informationen, die auf der Erfül-lung einer gesetzlichen Informationspflicht beru-hen. Vor diesem Hintergrund ist zu überprüfen, obund auf welchem Wege der Unternehmer seinen In-formationspflichten nachkommen kann.

Sinnhaftigkeit der Informationserteilung gegenüberSoftware-Agenten. Betrachtet man die zu erteilen-den Informationen im einzelnen, dann fällt auf,dass einige dieser Informationen wenig sinnvoll er-scheinen, wenn auf Seiten des Verbrauchers ein

Softwareagent eingesetzt wird. Beispiele hierfürsind etwa die Pflicht gem. § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 BGB-InfoV, die zum Vertragsab-schluss erforderlichen technischen Schritte zu er-läutern oder der von § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGBi.V.m. § 3 Nr. 3 BGB-InfoV geforderte Hinweis aufzur Verfügung gestellte Korrekturmöglichkeiten:Der Agent benötigt diese Informationen nicht,denn er beherrscht die technischen Schritte (bzw.kommuniziert mittels definierter Standards) undist ein vom Benutzer selbst gewähltes Mittel zurVermeidung von Eingabefehlern. Der Benutzer be-nötigt diese Informationen ebenfalls nicht, da ernicht selbst mit dem Vertragsabschluss befasst ist.

Andere Pflichtinformationen ergeben auchbeim Einsatz von Agenten Sinn, etwa die Informa-tionen über Name64 und Adresse65 des Vertrags-partners, Preis66 und Eigenschaften67 einer zu lie-fernden Sache, Zahlungs- und Liefermodalitäten68

oder die Mindestlaufzeit des Vertrages69. Für dieweiteren Überlegungen ist deshalb zwischen beimEinsatz elektronischer Agenten sinnvollen undsinnlosen Informationen zu differenzieren.(1) Erlass sinnloser Informationspflichten? Hin-sichtlich der gegenüber einem Agenten sinnlosenInformationen liegt der Schluss nahe, dass dem Un-ternehmer die entsprechenden Informationspflich-ten erlassen werden könnten. Dieser Schluss er-weist sich jedoch aus praktischen wie juristischenErwägungen als voreilig:

Für den Unternehmer ist nicht notwendig er-kennbar, ob sich ein Verbraucher eines Software-Agenten bedient oder nicht. Zudem ist er gemäß § 6 TDG, § 4 TDDSG sowie nach §§ 305, 312c und312e BGB ohnehin verpflichtet, bestimmte Informa-tionen auf seiner Webseite bereit zu stellen70.

Ein Erlass von gesetzlichen Informationspflich-ten mangels Sinnhaftigkeit im konkreten Fall ist je-doch aus juristischer Sicht äußerst problematisch,denn es handelt sich um für bestimmte Geschäfts-typen zwingende Regelungen. Für die Pflicht zur

61 Vgl. § 312c Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 3 S. 3 BGB-InfoV.62 Vgl. § 126b BGB.63 Dies setzt voraus, dass bei der Implementierung des Software-Agenten eine Zugriffsmöglichkeit des Benutzers auf übermittelte Informationen sichergestelltwird. Hinsichtlich des Einsatzes mobiler Agenten machen Brazier, Oskamp,Schellekens, Wijngaards: Can agents close contracts?, S. 5, allerdings auf eine Reiheoffener Fragen aufmerksam.

64 § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV.65 § 1 Abs. 1 Nr. 2 BGB-InfoV.66 § 1 Abs. 1 Nr. 6 BGB-InfoV.67 § 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV.68 § 1 Abs. 1 Nr. 7, 8 BGB-InfoV.69 § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV.70 Mittels einer standardisierten Kommunikation über die für den Vertragsab-schluss relevanten Informationen wäre es allerdings technisch möglich, die gegen-über Software-Agenten sinnlosen Informationen wegzulassen.

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Erläuterung der zum Vertragsschluss erforderli-chen technischen Schritte gemäß § 312e Abs. 1 S. 1Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 BGB-InfoV ergibt sich derzwingende Charakter aus § 312f BGB und der die-sen Informationspflichten zugrunde liegenden E-Commerce-Richtlinie71: In deren Art. 10 (1) wirdklargestellt, dass die Regelung bei Verträgen mitVerbrauchern nicht abdingbar ist. Zudem gelten dieInformationspflichten gegenüber (menschlichen)Verbrauchern ebenfalls ohne Rücksicht darauf, obeine Person im Einzelfall etwa die technischenSchritte zum Vertragsabschluss noch erläutert be-kommen muss oder nicht.

(2) Unmöglichkeit sinnvoller Informations-pflichten? Was die Informationen anbelangt, dieauch gegenüber Agenten sinnvoll sind, so müssendiese zweifelsfrei zur Verfügung gestellt werden.Aus technischer Sicht ist dazu eine standardisierteRepräsentation (d. h. Umsetzung in eine allgemeinverbreitete Maschinensprache) der entsprechendenInformationen erforderlich; denn anders kann derAgent sie nicht verstehen. Zwar existieren verschie-dene Ansätze der Formalisierung juristischer Rege-lungen und Begriffe72. Sie beziehen sich bislang je-doch nur auf einen Teilbereich des elektronischenGeschäftsverkehrs, wie insbesondere auf die Au-thentifizierung, die Bezahlung oder auf Fragen desDatenschutzes. Verhandlungsprotokolle und juristi-sche Ontologien, die umfassend alle Problemberei-che des elektronischen Geschäftsverkehrs abbilden,müssen noch entwickelt und nicht zuletzt auch all-gemein benutzt werden, um autonome Vertragsver-handlungen durch Software-Agenten möglich zumachen. Hierin liegt aus juristischer Sicht eine dervordringlichen Arbeitsaufträge für die Entwicklervon Agentenplattformen. Angesichts der hohenKomplexität der Formalisierung von Recht, insbe-sondere wenn verschiedene Rechtssprachen und -systeme berücksichtigt werden sollen, ist damit je-doch in näherer Zukunft nicht zu rechnen. EineStandardisierung und damit Maschinenverständ-lichkeit der aus Sicht des Verbraucherschutz- undFernabsatzrechtes relevanten Informationen also(noch) nicht gewährleistet. Was gilt aber in derZwischenzeit? Entfallen die gesetzlichen Informati-

onspflichten gegenüber Software-Agenten einstwei-len wegen technischer Unmöglichkeit?

Dafür ließe sich etwa mit Gitter u. Rossnagel73

wie folgt argumentieren: Es ist doch gerade der Ver-braucher, der durch den Einsatz seines Software-Agenten die Erfüllung der Informationspflichtenunmöglich macht. Den Unternehmer das aus derNichterfüllung der Informationspflichten resultie-rende Risiko der dauerhaften Widerruflichkeit desVertrags tragen zu lassen, erscheine insofern unbil-lig. Schließlich setze der Verbraucher den Agentenfreiwillig ein und ziehe daraus ökonomische Vortei-le: Daten über Produkteigenschaften und Preisewerden effektiv gesammelt und ausgewertet. Ange-sichts dessen erscheine es als unzulässiges wider-sprüchliches Verhalten, wenn sich ein Verbraucherspäter auf das Fehlen von Informationen berufenkönnte, die technisch nicht lieferbar sind, und einunbegrenztes Widerrufsrecht geltend machen wür-de.

Diese Argumentation erscheint zwar auf denersten Blick schlüssig, bei näherer Betrachtungsteht sie aber auf dünnen juristischen Beinen. DasArgument des widersprüchlichen und rechtsmiss-bräuchlichen Verhaltens ist in § 242 BGB angesie-delt. Diese Norm hat eine korrigierende und be-schränkende Funktion im Einzelfall74 und kommtimmer nur dann zur Anwendung, wenn keine spe-zifischen Regulierungen vorhanden sind oder dieseausnahmsweise im Licht höherrangiger Normen re-striktiv anzuwenden sind. Bei den verbraucher-schützenden Normen im Fernabsatzverkehr exis-tiert jedenfalls in einer Hinsicht eine klare Regulie-rung: Die Verbraucherschutznormen haben zwin-genden Charakter zugunsten des Verbrauchers; dieParteien können sie also nicht einmal kraft aus-drücklicher Vereinbarung ausschließen75. Mag dasVerbraucherschutzrecht aus der Sicht einer ökono-mischen Anreizanalyse vielfach verfehlt sein, soführt jedoch kein Weg daran vorbei, dass das Kon-zept verbraucherschützender Normen geradezu da-von lebt, dass sie zwingenden Charakter haben. DasGesetz ordnet den zwingenden Charakter an vielenStellen ausdrücklich an (vgl. z. B. §§ 321f, 475, 506

71 Richtlinie 2000/31 EG vom 08.06.2000, ABl. Nr. L 178, S. 1 ff.; vgl.Wendehorst, in:Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 312 f. Rn. 3, 8 f.72 Vgl. den Überblick bei Brazier, Oskamp, Schellekens, Wijngaards: Can agents closecontracts?, S. 3; ferner http://www.w3c.org/P3P/

73 Rechtsfragen mobiler Agentensysteme im E-Commerce, in: K & R 2003, S. 69.74 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 13.75 Vgl. für die hier relevanten Normen Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 312 f. Rn. 3, 8 f.; Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 355 Rn. 4; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 312f Rn. 1 und § 355 Rn. 2.

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BGB sowie Art. 10 (1) der E-Commerce-Richtlinie);im Übrigen folgt er aus einer Gesamtanalogie undden systemimmanenten Erfordernissen des Ver-braucherschutzrechtes76. Zwingend bedeutet in die-sem Zusammenhang auch und gerade, dass ein Ver-zicht auf die Erfordernisse durch den Verbrauchernicht möglich ist77. Für die Annahme eines konklu-denten Verzichts (z. B. durch die Benutzung einesSoftware-Agenten) gilt dies erst recht.

Eine Korrektur über das Instrument des wider-sprüchlichen Verhaltens ist zwar auch bei unver-zichtbaren Rechten grundsätzlich möglich, aber nurin krassen Ausnahmefällen zu bejahen78 – im Hin-blick auf die Geltendmachung von verbraucher-schützenden Normen sind solche Fälle kaum denk-bar. Im Übrigen ist Voraussetzung für den Einwandwidersprüchlichen Verhaltens, dass auch derjenige,der sich darauf beruft, sich selbst redlich verhält.Der Unternehmer entwirft aber gerade die Ge-schäftsmodelle, in denen Agenten eingesetzt wer-den können und bietet diese am Markt an; zumin-dest hält er bewusst jene Vorrichtungen bereit, dieden Einsatz von Software-Agenten durch den Ver-tragspartner ermöglichen. Er kennt also die Gren-zen ihrer Leistungsfähigkeit und er weiß auch umdie zwingenden rechtlichen Pflichten, die gegen-über Verbrauchern im Fernabsatzverkehr gelten.Vor diesem Hintergrund und im Licht der Recht-sprechung, die verbraucherschützende Normeneher extensiv als restriktiv auslegt79, erscheint fol-gender Rechtssatz zwingend: Setzt ein Unterneh-mer gegenüber Verbrauchern ein Geschäftsmodellein, bei dem autonome intelligente Software-Agen-ten den Vertragsschluss bewirken (können), so istder Unternehmer verpflichtet, die technischen Vo-raussetzungen dafür zu schaffen, dass die im Fern-absatzverkehr geltenden Informationspflichten er-füllt werden können.

76 Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 355 Rn. 4.77 Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 312 f. Rn. 3,8 f. und Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 355 Rn. 478 Vgl. Roth, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 242 Rn. 431.79 Vgl. etwa die Rechtsprechung zu verbundenen Geschäften, zuletzt BGH, Urteil v.21.07.2003, II ZR 387/02, NZG 2003, 917 ff.

FazitDer Einsatz von autonomen intelligenten Software-Agenten beim Abschluss bestimmter Verträge istwünschenswert, da sie durch ihre übermenschlicheVerarbeitungskapazität die Markttransparenz erhö-hen80 und damit die Effizienz des Marktes steigern.Mit dem Einsatz von Software-Agenten bei Ver-tragsabschlüssen wird aber die Rückkopplung zueiner menschlichen Willensbetätigung derart dünn,dass die tradierte Rechtsgeschäftslehre an ihreGrenzen stößt. Vielleicht lassen sich einstweilennoch Behelfskonstruktionen bauen; mit zunehmen-der Intelligenz und Autonomie der Agenten wirddies aber immer problematischer. Deshalb wird dasBedürfnis nach Normen immer dringender, dieVertragsschlüsse via Software-Agenten auf eine si-chere Rechtsgrundlage stellen. Hierbei könnte dasStellvertretungsrecht Modell stehen. Im Bereich desVerbraucherschutzrechts besteht derzeit noch er-hebliche Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Be-handlung agentenbasierter Vertragsabschlüsse.Auch dies müsste also bei der Schaffung von Rege-lungen für agentenbasierte Verträge berücksichtigtwerden, damit sich das Verbraucherschutzrechtnicht als unüberwindbare Hürde erweist. Einstwei-len kann bei der Beteiligung von Verbrauchern nurüber Rahmenverträge für bestimmte Arten von Geschäften ein Ermöglichungsrahmen für agenten-basierte Verträge geschaffen werden. Solche Rahmen-verträge wären zwischen den Benutzern von Soft-ware-Agenten und den Haltern von entsprechendenEmpfangseinrichtungen im Vorfeld eines konkretenVertragsabschlusses zu vereinbaren. Damit gehtaber die Spontaneität des Vertragsschlusses, die Geschäftsmodellen mit Software-Agenten zugrundeliegt und von Informatikern und Wirtschaftswis-senschaftlern immer wieder betont wird, zu einemguten Teil verloren.

80 Vgl. hierzu Burkhardt, Intelligente Software-Agenten und elektronische Auktionen – ausgewählte Entwicklungen und Potentiale, in: Holst u.Wilkens (Hg.),Finanzielle Märkte und Banken – Innovative Entwicklungen am Beginn des 21. Jahrhunderts, S. 157.