versuch zu einer massanalytischen gehaltsbestimmung von eiweisslösungen

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- 1053 - Versueh zu einer massanalytisehen Gehaltsbestimmung von Eiweisslosungen yon W. D. Treadwell und W. Eppenberger. (28. IX. 28.) Die Schnellmethode von Essbach, die bekanntlich darin besteht, das Eiweiss mit eirier Pikrinsbure-Zitronensaurelosung zu fallen und nach einer bestimniten Rartezeit aus der rcsultierenden Schichthohe des Niederschlages auf die vorharidene Eiweissmenge zu schliessen, stellt ein Verfahrrn dar, das nur innerhalb eines recht begrenzten Kon- zentrationsgebietes einigermassen brauchbare Resultate liefert. Kurzlieh hat Wigandl) die Fallung von Eiweisslosungen mit Tannin zii quantitativen Bestimmungen verwendet. Aus der Schichthohe des Niederschlages einerseits und der Empfindliclikeitsgrenze der Reaktion andererseits lassen sich kleine Mengen von Eiweiss mit bemerkenswerter Sicherheit quantitativ bestimmen. Trotz der grossen Empfindlichkeit der Tanninreaktion kommt eine direkte Fallungstitration wohl kaum in E'rage, da die maximale Empfindlichkeit der Fallung die Anwendung eines grossen Uberschusses an Tanninlosung verlangt und andererseits die quantitative Fallung zumal aus hochverdiinnten Losungen bis zu mehreren Stunden in An- spruch nehrnen kann. Ganz analog sind die Verhaltnisse aucli bei andern Eiweissfallungsrnitteln. Es bestcht somit kaum einc Aussicht, dass man zu einer direkten Titration gelangen wird. Die Versuche von E. J. JZiille+) zur direkten Titration von Eiweiss mit Kaliumferro- cyanidlosung rnit Tupfelung des Endpunktes auf Eisenalaunpapier konnten tlaher keinen Erfolg haben. Wir haben uns davon uberzeugt, dass die Pallung einen Endpunkt bei dcr elektrometrischen Prufung nicht erkennen lasst. Wir pruften die Titration bei Zimmertemperatur und bei 60-70° C mit Ferrocyanidlosungen im Bereich von 0,001-m. bis 0,02-m., mit und ohne mechanische Ruhrung der Losung. Beim Zusatz der Ferro- cyaiiidlosung fallt das Eiweiss alsbald aus und setzt sich nach langerem Stehen als grunlich-weisser Xiederschlag zu Boden. Das Potential der Platinsonde schwankt wahrend der Fallung und tendiert zur Ver- schiebung naeh der negativen Seite, was darauf liinzudeuten scheint, dass die Spuren Ferricyanion in der Titra tionsflussigkeit vom Nieder- schlag langsam reduziert werden. l) Munch. med. Wochenschr. 73, 521 (1926). 2, Bull. Sci. pharmacol. 24, 29 (1917).

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- 1053 -

Versueh zu einer massanalytisehen Gehaltsbestimmung von Eiweisslosungen

yon W. D. Treadwell und W. Eppenberger. (28. IX. 28.)

Die Schnellmethode v o n Essbach, die bekanntlich darin besteht, das Eiweiss mit eirier Pikrinsbure-Zitronensaurelosung zu fallen und nach einer bestimniten Rartezeit aus der rcsultierenden Schichthohe des Niederschlages auf die vorharidene Eiweissmenge zu schliessen, stellt ein Verfahrrn dar, das nur innerhalb eines recht begrenzten Kon- zentrationsgebietes einigermassen brauchbare Resultate liefert.

Kurzlieh hat Wigandl) die Fallung von Eiweisslosungen mit Tannin zii quantitativen Bestimmungen verwendet. Aus der Schichthohe des Niederschlages einerseits und der Empfindliclikeitsgrenze der Reaktion andererseits lassen sich kleine Mengen von Eiweiss mit bemerkenswerter Sicherheit quantitativ bestimmen.

Trotz der grossen Empfindlichkeit der Tanninreaktion kommt eine direkte Fallungstitration wohl kaum in E'rage, da die maximale Empfindlichkeit der Fallung die Anwendung eines grossen Uberschusses an Tanninlosung verlangt und andererseits die quantitative Fallung zumal aus hochverdiinnten Losungen bis zu mehreren Stunden in An- spruch nehrnen kann. Ganz analog sind die Verhaltnisse aucli bei andern Eiweissfallungsrnitteln. Es bestcht somit kaum einc Aussicht, dass man zu einer direkten Titration gelangen wird. Die Versuche von E. J . JZiille+) zur direkten Titration von Eiweiss mit Kaliumferro- cyanidlosung rnit Tupfelung des Endpunktes auf Eisenalaunpapier konnten tlaher keinen Erfolg haben. Wir haben uns davon uberzeugt, dass die Pallung einen Endpunkt bei dcr elektrometrischen Prufung nicht erkennen lasst.

Wir pruften die Titration bei Zimmertemperatur und bei 60-70° C mit Ferrocyanidlosungen im Bereich von 0,001-m. bis 0,02-m., mit und ohne mechanische Ruhrung der Losung. Beim Zusatz der Ferro- cyaiiidlosung fallt das Eiweiss alsbald aus und setzt sich nach langerem Stehen als grunlich-weisser Xiederschlag zu Boden. Das Potential der Platinsonde schwankt wahrend der Fallung und tendiert zur Ver- schiebung naeh der negativen Seite, was darauf liinzudeuten scheint, dass die Spuren Ferricyanion in der Titra tionsflussigkeit vom Nieder- schlag langsam reduziert werden.

l) Munch. med. Wochenschr. 73, 521 (1926). 2, Bull. Sci. pharmacol. 24, 29 (1917).

- 1054 - Alan ist auf Uberschusstitration angewiesen, clazu muss die Losung

vorn Niederschlag abfiltriert werden. Aus der Konzentrationsabnahme, die das im Uberschuss zngesetzte Fallungsmittel durch die Nieder- schlagsbildung erfaihrt, ist rein empirisch auf die lllenge des vorhandenen Eiweisses zu schliessen. Nun sind aber die Bedingungen dafur sehr ungunstig, weil der Niederschlag relativ wenig Ferrocyanion aufnimmt und bei einem grossen Uberschuss davon erzeugt werden muss.

Wir fiihrten einige orieritierende Versuche in der folgenden Weise aus : Gemessene Proben von 1 -proz. Eiweisslosung, die mit Essigsaure schwach angesauert waren, wurden bei 60O C unter standigem Itiihren mit einem Uberschuss von 0,Ol-m. Kaliumferrocyanid versetzt. (Bei langerem Warten fkrbt sich der Niederschlag schwach blau infolge spurenweiser Zersetzung des Ferrocyanions). Der Siederschlag wurde vollstandig absitzen gelasscn, hierauf dureh ein Papierfilter abfiltriert und mit wenig Essigsiiure-haltigern Wasser gewaschen. (Richtiger ware die Verwendung eines aliquoten Teils dcs Filtrates ohne Waschung gewesen.) In dem Filtrat wurde sodann das Ferrocyanion elektrometrisch titriert. Ein platiniertes Platinblech dierite als Indikatorclektrode. Als Vergleichspotential wahlten wir eine Platinelektrode, die in eine schwachsaure Suspension von Zn,K,[Fe(CN),], tauchte. Titriert wurde init 0,01-n. Zinksulfatlosung bei 60-70° C unter intcnsiver mechanischer Ruhrung. Ein Millivoltmeter von ca. 1000 Ohm Widerstand, das in Serie mit einem Graphitwiderstand an die Zelle geschaltet war, diente zur Beobachtung der Potentialdnderungen. Der Endpunkt der Titration wurde jeweils durch scharfe Potentialsprunge angezeigtl) .

Der Ferrocyangehalt des Niederschlages ist meitgehend von den E’allungsbedingungen abhangig. Ver such : 10 cm3 Eiweisslosung mit einem Gehalt von 0,115 g wurden mit 5 em3 2-n. Essigsaure angesiiuert, die Lbsung mit Wasser auf 50 em3 verdunnt und nun bei 60° C unter Ruhren mit 10 em3 0,01-m. Kaliumferrocyanid gefallt. Aus der Titration des Biltrats ergab sicb, dass der Nicderschlag pro 1 g Eiweiss 0,72 Milli- mole Fcrrocyan cnthielt.

Schon vier Jahre friiher hatte A. 71. Sulk auf Veranlassung des einen von uns TTersacht, Eiweiss nsch der nberschussmethode mit Kaliumferrocyanid zu bestimmen. Er beobachtete einen Verbrauch an Ferrocyanion, welcher dem vorgelegten Eiweiss annahernd propor- tional war. Zu den Versuchcn wurde eine Eiweissliisung verwendet, die 12,36 g Trockensubstanz pro Liter enthielt und mit 0,0333-m. Kaliumferrocyanid in schwach essigsaurer Losung in der Warme gefiillt wurde.

6,26 cm3 Eiweisslosung verbtauchten 0,52 om3 0,0333-m. K,Fe(CN)QI 12,50 ,, t ~ 0 7 ,, 9 7 ,, 25,OO ., f ,, 2,09 ,,

l) Vgl. Nussberger, Diss. E. T. H., Zurich 1924, und die weitere Literatur daselbst.

- 1055 -

Bei cliesen Versuchen enthielt der Niederschlag pro 1 g Eiweiss nur 0,22 A!fillimole Ferrocyan. Danach sclieint sich die Fallung von Eiweiss rnit Perrocyanion nicht als Grundlage fiir eine Eiweisstitration zu eignen.

Melir Aussicht schien uns eine Titration zu haben, die darauf aus- geht, die Sattigungskapazitiit von Eiweiss oder besser eines Eiweiss- niederschlages gegenuber einem gefarbten Anion zu bestimmen. Als E’arbliisung wahlten wir kolloides Berlinerblau.

In saurer Losung ist Eiweiss bekannt lich cin positiv geladenes Kolloid, Berlinerblausol dagegen ist durch adsorbiertes Ferrocyanion negativ geladen. In der Tat fallen sich die beidcn Kolloide gegenseitig leicht aus. Wir glaubten indessen zu stabileren Nietlersclilagen gclangen zu konnen dadurch, dass wir das Eiweiss zunachst mit Tannin fallten und dann das Berlinerblau auf den Niederschlag einwirkcn licssen. Ausser der Bindung zwischen Eiweisskation und Ferrocyanion ist ausser- den1 rnit einer solclien zwischen Tannin und Ferrisalz zu rechnen.

Ein Eiweiss-Tanninniederschlag adsorbiert kolloides Berlinerblau sehr begierig bis zur Entfarbung dcr Losung. Mit bemerkenswcrter Scharfe liisst sich der Moment erkennen, wo die Sat,tigung des Nieder- schlages mit Berlinerblau erreicht ist urid die iiberstehende Losung auch nach langerem Schuttcln blau gefarbt bleibt; tlamit ist der End- punkt der Titration erreicht.

Wird nun die E’iillung des Eiweisses mit eineni gegebenen Uberschuss an Tannin vorgenommen und hierauf Berlinerhlaulosung solange unter jeweiligem Schutteln zugesctzt, bis die uberstehende Losung deutlich blau gefarbt bleibt, so erweist sich der Verbraucli an Berlinerblau in einem grosseren Gebiet der Eiweissmenge annaihernd proportional, bei genauer Einhaltung gegeberier Vcrsuchsbcdingungen.

Mit der Katur des Eiweisses im Tanninniederschlag andcrt sich auch sein Aufnahmevermogen fur Berlinerblau. So wird z. B. der Gelatine-Tanninniederschlag sehr vie1 tiefer voii Berlinerblau gefarbt, als der Niederschlag mit IIuhnereiweiss. Die Anfarbung rnit Berliner- blau eignet sich somit auch zur Differenzierung der Niederschlgge. Zu unseren Titrationen beniitzten wir die folgenden Losungen :

1. Die l’anninlosung. Tannin stellt ein Gemisch von versehieden weit galloylierten Glukosen dar und zeigt in wassriger Losung nur ganz schwach saure Reaktion. Uber die sauren Eigenschaften des Tannins orientiert am besten die elektrometrische Titration. Each Versuchen, die W . Anderaul) und Chr. Duel) vor einigen Jahren auf Veranlassung des einen von uns ausgefiihrt haben, seien liier nur kurz die IIaupt- merkmale der Tannintitration mitgeteilt. Bei der Titration von Tannin mit Lauge zeigt sich e in deutlicher Wendepunkt sowohl mit normaler, \vie mit 0,l-normaler Lauge. Derselbe liegt weiter im alkalischeii

l) Diplomarbeit 1922/25.

- 1056 - Gebiet, als der Umschlagspunkt des Phenolphtaleins, etwa bei pH = 9,3. Die saure Gruppe, welche hierbei neutralisiert wird, besitzt eine Disso- ziationskonstante von K = ca. 1000 em3 l-n. Natronlauge werden von 170 g Tannin neutralisiert. Mit W . Andeyau wurde fur das Mol des Tannins 1779 gefunden, wiihrend die Penta-digalloyl-glukose E. Pischer’s 1700,4 verlangt. Bis zu 1% freie Gallussaure im Tannin konnte durch Elektrotitration mit 0,01-n. Natronlauge noch bestimnit werden.

Fur die folgenden Versuche wurden Losungen hergestellt %-on 5 respektive 10 g reinstem, gallussaurefreiexn Tannin pro Liter. Mit Hilfe der Dissoziationskonstanten K = (H*)(S-)/(IJS) - lops, folgt fur die ebengenannten Losungen (H.) -0,6 x

Die Empfindlichkeit der Eiweissfallung mit Tannin ist sehr gross. Sach R. W’igandl) lassen sich in 2 em3 Losung auf Zusatz von 2 em3 l-proz. Tanninltivung noch 0,001 mg Eiweiss nach 12-stundigem Warten crkennen.

Nach A. W . Thomas2) ist fur die Pallung von Gelatine der Aciditats- hereich von pH = 3,5 - 4,; zu wahlen, fur die Fallung von Eiweiss gibt T . Sollmann3) pH = 2-5 an.

2. Die Berlinerblauliisung. Durch Eintropfen von 0,2-n. Kalium- ferrocyanid in 0,2-n. Eisen(II1)chlorid his zum Volumenverhaltnis 4 : 3, also gleichen molaren h1engen von Ferrocyanion und Ferriion entsprechend, wurde in bekannter Weise kolloides Berlinerblau her- gestellt. IIierauf wurde die Losung verdunnt bis sie 0,01-n. in bezug auf Ferrocyan war. So wurden z. B. gemischt 25 em3 0,2-n. K,[Fe(CN),] mit 18,s em3 FeC1, und dann auf 500 em3 verdunnt. Von der kolloiden Natnr der Losung uberzeugt man sich durch Aufsaugen eines Tropfens in Filtrierpapier. Die Ftirbung muss sich dabei gleichmassig darin vertcilen. Trotzdem sich die Losung mehrere Wochen halt, ohne einen Xiederschlag abzusctzen, empfiehlt sich doch die oftere Erneuerung derselben, uni nicht mit Losungen von zu verschiedener Teilchengrosse zu operieren.

3. Die Gelatinelosung. Durch Auflosen von 1 g reinster kauflicher Gelatine in 1 Liter Wasser wurde eine 0,l-proz. Losung hergestellt.

4. Die Losung von Huhnereiweiss. Das Eiklar von einem frischen Huhnerei wurde mit 300 em3 Wasser eine Stunde geschuttelt und hier- auf die Losung durch Baumwolle und durch eirr Faltenfilter filtriert. Das Filtrat zeigte nur schwache Opalescenz. Der Gehalt wurde jeweils durch Eindampfen einer Probe bestimmt, die dann bei l l O o C zur Gewichtskonstanz gebracht und gewogen wurde. Mit dieser Gehalts-

bis 0,8 x

1) 1. c. Nach unsern Versuchen ist die Tanninreaktion auf Hiihnereiweiss ebenso

*) J. Ind. Eng. Chem. 15, 839 (1923)., 3, T. Sollmann, J. Pharmacol. Exp. Therap. 16, 49 (1920).

empfindlich wie die Fdlung mit Kaliumcadmiumjodid.

- 1057 - bestimmung konnten wir uns begnugen mit Rucksicht auf die relativ rohen Bestimmungen, um die es sich im Folgenden handelt.

5. Ausfuhrung der Versuche. Abgemessene Proben der Eiweiss- losung bis zu ca. 30 mg wurden mit einem Tanninuberschuss von 200 mg in der Form einer 0,5-l-proz. Losung versetzt und rnit Wasser auf 100 em3 aufgefullt. Nachdem sich der Niederschlag vollig gesetzt hatte, wurde Berlinerblaulosung zugegeben, zu Anfang bei den grosseren Eiweissproben 2-1 em3 auf einmal. Zur Absattigung der letzten Milli- gramme Eiweiss wurde dann das Berlinerblau in Mengen von je 0,5 em3 zugegeben und auf den Endpunkt, einer bleibendan schwachen Blauung der Losung, interpoliert. Zur Einstellung des Gleichgewichtes wurde nach jedem Zusatz 10 Minuten auf der Maschine milde geschuttelt.

Um den Endpunkt gut erkennen zu konnen, wurden gegen Schluss der Titration nach jedem Zusatz von Rerlinerblau 10 em3 von der Waupt- losung entnommen und wahrend 5 Minuten bei 2000 Touren zentri- fugiert. Nach Feststellung der Farbe in der klaren iiberstehenden Losung wurde die Probe der Hauptlosung wieder zugefiigt.

Der Verbrauch an Berlinerblau ist gewohnlich nicht genau pro- portional der vorgelegten Eiweissmenge, indem der Niederschlsg mit steigender Menge seine relative Aufnahmefahigkeit etwas vermindert. Man nahert sich indessen einem proportionalen Verbrauch bei ver- langerter Schuttelzcit. Es ist daher unbedingt notig, Titerstellung und Versuche unter genau denselben Bedingungen durchzufuhren.

Bei der Titration rnit Berlinerblau ist darauf zu achten, dass ein zu starkes Schutteln die Flocken des Kiederschlages soweit zersclilagen kannl), dass die dadurch vorgetauschte Farbung der Losung nur schwer von der Farbung des Berlinerblaus zu unterscheiden ist, ganz abgesehen davon, dass durch die f eine Verteilung des Eiweissniederschlages schliess- lich eine unerwiinschte Koagulation des Berlinerblaus bewirkt werden konnte2). Wahrscheinlich wiirde eine milde Bewegung der Losung rnit einem Riihrer dem Schutteln auf der Maschine vorzuziehen sein.

Da die Titration in Gegenwart von uberschiissigem Tannin erfolgt, wird die hciditat der Losung durch dieses letztere bestimmt und diirfte nach den iiber die Tanninlosung gemachten Angaben etwa pH = 5 betragen; sie kommt damit ganz in die Nahe des isoelektrischen Punktes von Eieralbumin und der Gelatine, deren isoelektrische Punkte bei PH = 4,s respektive pH = 4,7 liegen3).

Nach unsern Versuchen werden von 1 g Gelatine 2,3 Millimole Ferrocyan als Berlinerblau aufgenommen, von 1 g IIuhnereiweiss 1,l Millimole. Ganz ahnliche Betrage sind von L. M . Chapman4) und seinen

l) Vgl. H . Freundlich, Ch. Z. 52, 747 (1928). 2, H . AAfulle~, Zur Theoric der elektrisohen Ladung und der Koagulation der Kol-

3, Siehe 0. Kestner, Chemie der Eiweisskorper, 138 (1925). 4, J. Biol. Chem. 72, 707 (1927).

loide, E. T. H. (1928).

67

- 1058 - Mitarbeitern als Adsorptionsvermogen von Eiweisskorpern gegenuber sauern Parbstoffen beobachtet worden. Die Autoren betrachten dieses Adsorptionsvermogen als ein Mass fur die vorhandenen freien Amino- gruppen.

Bei einem Molekulargewicht des Eiweisses von 11,000 kamen nach obigem Befund auf 1 Mol desselben 11 Mole Berlinerblau. Offenbar kragt das Berlinerblausol cine entsprechend geringere Ladungsdichte. Danach prasentiert sich der Eiweiss-Tanninniederschlag als ein kolloid- chemisch sehr aktiver Korper.

Wir fiihren nun einige Beispiele von Titrationen an, bei denen praktisch salzfreie Losungen Ton Gelatine und Huhnereiweiss ver- wendet wurden. Tabelle 1 enthalt cine Reihe von Gelatinetitrationen. Die resultierende G, B-Kurvel) konnte durch die Gleichung B = 1,92 x dargestellt werden. Hierin bedeutet B die Kubikcenti- meter Berlinerblau, die von G g Gelatine adsorbiert werden.

Tabelle 1. Titration yon reiner Gelatinelosung mit Berlinerblau.

Nr . -~

1 2 3 4 5 6 7 8 9 -

ng Gelatine angew.

034 18 2,o

8,O

__ ~~

4,o

12 16 20 24

Zusiltze 0,0025-m. Berlinerblau- verbrauch

Gef.

1,1 2,5

4,5 7,5 9,5

12,5 14,O 16,O

3,o

Ber. ~~~ ..-

0,94 1,80

4.7

999 12,o 14,O

2,9

-

-

Analoge Titrationen wurden mit einer Eiweisslosung ausgefuhrt. Bei genauer Wiederholung der Versuchsbedingungen von Tabelle 1 wurde cine E, B-Kurve erhalten, die der obigen G, B-Kurve parallel verlief und durch die Gleichung B = 0,915 x E o~(i8s dargestellt wurde. Das Verhaltnis des Berlinerblaus in der Gelatine zu demjenigen im Eiweiss ergab sich danach ZIX

B : Be = 1,92 : 0,915 = 2,l R Wurde indessen die Schuttelzeit zwischen den Zusatzen des Berliner-

blaus verlangert, so nahm der Niederschlag von grosseren Eiweissmengen noch mehr Berlinerblau auf, bis schliesslich der Verbrauch angenahert proportional der angewandten Eiweissmenge gefunden wurde. Im all-

l) G , B-Kurve = Gelatine-Berlinerblaukurve. Ebenso sol1 im folgenden die Ab- kiirzung E , B-Kurve = Eiweiss-Berlinerblaukurve verwendet werden.

2, Die Losung wurde jeweib mit Wasser auf 100 cm3 erganzt.

- 1059 - gemeinen war es mit Eiweiss schwieriger als mit Gelatine, reproduzierbare Titrationen auszufuhren. Im Folgenden geben wir als Beispiele 3 Ver- suchsreihen an. Reihe 1 ist der erste Teil der oben schon erwahnten B, E-Kurve, Reihe 2 ist mit einer andern Eiweissprobe und der normalen Schuttelzeit von 10 Minuten ausgefuhrt. In Reihe 3 liegen die letzten Punkte infolge verlangerter Schuttelzeit etmas hoch.

cm3 0,Ol-n.

angew. 1 verbraucht mg Eiweiss 1 Berlherblau

Tabelle 2.

cm3 0,0025-m. mg Eiweiss 1 Berlherblau

angew' 1 verbraucht

192 2,3 3,5 5 3 11,5

Reihe Nr. 1 I Reihe Nr. 3 130 1,5 290 2,5 4,5

5,o 10.0 20,o 30,O

192 3,o 5,9 8 3

23,6 35,4 47,2

545 435 890

11,o

Die samtlichen Versuche liegen langs der Linie B = 0,35 E + 0,5 und zwar betragt die mittlere und maximale Abweichung, A mittl. und A max.:

In Reihe Nr. 1 Amittl. = 0,16 cm3; A,,,. = -0,3 cm3 In Reihe Nr. 2 Amittl. = 0,11 cm3; A,,,. = -0,3 cm3 In Reihe Nr. 3 A,ittl. = 0,30 om3; A,,,. = -0,9 om3

Man sieht aus diesen Bestimmungen, dass fur eine genauere Bestim- mung, Vergleichsproben mit etwa volum,engleichen Niederschlagen von bekanntem Eiweissgehalt notig sein werden.

Es ist notig, dass der Zusatz des Berlinerblaus in kleinen Portionen von 1-2 em3 erfolgt und gegen Schluss, wenn sich das Gleichgewicht nur noch langsam einstellt, in Mengen von 0,5 em3. Anderungen der Tanninmenge von 10-20 Proz. beeintrachtigen die Titration nicht. Mit der doppelten Tanninmenge wird dann aber, zumal bei grosseren Eiweissmengen, merklich mehr Berlinerblau verbraucht.

Wie zu erwarten, ist das Ergebnis der Titration in empfindlicher Weise von der Aciditat der Losung abhangig. I n den folgenden Gelatine- titrationen kommt der Einfluss der zugesetzten verdunnten Saure resp. Base sehr deutlich zum Ausdruck.

- 1060 - Tabelle 3.

cm3 Gelatine- losung

0,02-poz.

om3 Wasser

om3 NaOH

20 20 20 20

~ -

1 0,Ol-n. 3 0,Ol-n. 1 0,l-n.

35 39 37 39

cm3 HC1

LiCl NaCl KCl RbCl

5 0,l-n. 1 0,i-n. 3 0,Ol-n. 1 0,01-n.

-

535

8

cm3 Tannin- losung

O$-proe.

40 40 40 40 40 40 40 40

Zur Titration Terbrauchte Losung

von 0,Ol-n. Berlinerblau

_______ 0,5

5,o

4,5 4,75

592 4,5 3,s 0,s)

Man sieht, dass eine Abweichung von der Aciditat der Tannin- losung, die dem isoelektrischen Punkt der Gelatine sehr nahe liegt, die Adsorption des Berlinerblaus sofort vermindert, analog der Beobach- tung von A. Grollmannl), wonach die Anfarbung von Gelatine und Casein durch Phenolrot beim isoelektrischen Punkt der genannten Ampholyte ein Maximum aufweist.

Die Tanninmenge in den obigen Versuchen betragt 0,2 g gegenuber 4 mg Gelatine. Zur Neutralisation des Tannins waren nach den weiter oben erwahnten Titrationen von W. Anderau 11,8 em3 0,l-n. Lauge notig. Umso deutlicher tritt damit die Alkaliempfindlichkeit der Ti- tration in Erscheinung.

Selbstverstandlich wird die Eiweisstitration auch durch Neutral- salze beeinflusst. Der Aussalzwirkung entsprechend war ein vermehrter Verbrauch von Berlinerblau zu erwarten. In diesem Sinn wirkte auch in der Tat ein Zusatz yon Kalium- und Rubidiumchlorid, wahrend Natrium- und Lithiumchlorid den Verbrauch verminderten, wie Tabelle 4 zeigt.

Zu 12 em3 0,OS-proz. Gelatinelosung wurden 20 em3 1-proz. Tannin- losung zugesetzt, dann die in der Tabelle angegebenen Mengen 0,5-n. Alkalichloridlosung. Hierauf wurde in der ublichen Weise mit 0,01-n. Berlinerblaulosung titriert .

Tabelle 4. cm3 Alkalichlorid- losung zugesetzt

__ _- ~

1) J. Biol. Chem. 64, 141 (1925).

- 1061 - Ohne Salzzusatz betrug der Verbrauch 7,O em3 Berlinerblaulosung. Nach dem Verhalten der Schwermetallferrocyanide den Alkali-

ionen gegeniiber, konnte man vermuten, dass die Wirkung des Lithium- chlorids mit einer Vermehrung der Hydratation der Berlinerblauteilchen zusammenhangt, indem der grosse Uberschuss an Lithiumion den teil- weisen Austausch gegen Kaliumion erzwingt. Erdalkaliionen wirken dagegen alle gleichsinnig vermehrend auf den Verbrauch an Berlinerblau.

Um daher salzhaltige Eiweisslosungen mit Berlinerblau titrieren zu konnen, mussen sie zuvor dialysiert werden. Zur Entsalzung von kleinen Flussigkeitsmengen im Betrag von 20-30 em3 hat sich ein Dialysator, Fig. 1, gut bewahrt. Das als Riihrer dienende Reagenzglas wird in der Weite so gewahlt, dass die Losung den Pergamentschlauch bis zum obern Rande fullt. Dadurch, dass man die Plussigkeiten innen und aussen auf gleiches Niveau einstellt, wird erreicht, dass sich die Konzentration der Eiweisslosung wahrend der Dialyse nicht merklich veran dert .

Die Leistung des Dialysators wird durch folgenden Versuch veranschaulicht : 10 em3 ca. 0,1-proz. Eiweisslosung + 10 em3 0,l-n. NaCl + 10 em3 Wasser wurden dialysiert mit langsam durchfliessendem, destillierten Wasser im Ausssnraum. Von Zeit zu Zeit wurden Proben von 1 em3 entnommen, in denen der Gehalt an Chlorion durch elektro- metrische Titration mit 0,01-n. AgNO, be- stimmt wurde. Die folgende Tabelle 5 zeigt den Verlauf der Entsalzung.

3 -+

Dialysntor Fig. 1.

Tabelle 5.

Dauer der Dia-

Gehalt der Losung

lyse in Min. . 0 60 105 135 I 193 285 360

I n Kontrollversuchen konnten wir feststellen, dass unsere Eiweiss- titration durch Alkalichloride nicht mehr gestort wird, wenn deren Konzentration unter 0,01-n. bleibt. Nach den obigen Versuchen wird also eine Eiweisslosung nach 3 4 - stiindiger Dialyse fur die Titration genugend entsalzt sein. Zweckmassig verwendet man fur die Titration Eiweisslosungen, die zuvor in gleicher Weise dialysiert worden sind.

an0,l-n. NaCl . 10 I 4,9 3,2 2,0 1 1,6 0,5 0,36

- 1062 -

Wir pruften auch den Einfluss von einigen Amino-carbonsauren auf die Eiweisstitration. Zusatze von je 5 mg Glykokoll, Alanin, Phenyl- alanin, Leucin und Tyrosin storten die Titration von 11,5 mg Hiihner- eiweiss nicht; es wurde stets der Sollwert von 4,5 cm3 0,Ol-n. Berliner- blau verbraucht. Ob die Methode den Bedurfnissen des praktischen Analytikers dienen kann, werden weitere Versuche zu zeigen haben.

An der Durchfuhrung der Titrationen in dieser Arbeit haben sich die Herren P. Hofmunn, J . Koch und K. Wiiclcerlin mit grossem Eifer beteiligt.

Zurich, Analytisch-chemisches Laboratorium der Eidg. Techn. Hochschule.

Uber Lupinin von P. Karrer, F. Canal, K. Zohner und Rose Widmer.

( 5 . X. 28.)

In den gelben und schwarzen Lupinen (Lupinus luteus und L. niger) finden sich die beiden Alkaloide Lupinin C1,H,,ON und Spartein C1,H,,N2, die, da sie in denselben Pflanzen vorkommen, zweifellos nahe verwandt sind. Die Kenntnis der Konstitution des einfacher zusammen- gesetzten Lupinins verspricht daher auch einen Einblick in den Bau des komplizierteren Sparteins. Wir haben uns darum zuerst der Unter- suchung des Lupinins zugewandt.

Die wichtigste altere Untersuchung uber Lupinin ist diejenige von R. Willstatter und E. Fourneau2), in welcher die Bruttoformel des Alkaloids festgelegt und durch erschopfende Methylierung gezeigt worden ist, dass der Stickstoff im Lupinin zwei Ringen angehoren muss, da dessen Eliminierung als Trimethylamin erst nach dreimaliger Addition von Methyljodid moglich war. Ferner wiesen die genannten Autoren nach dass die alkoholische Hydroxylgruppe der Base primarer Natur sein muss, da durch Chromsaureoxydation die einbasische Lupininsaure C,,Hl,O,N entsteht, die noch dieselbe Anzahl von Kohlenstoffatomen wie Lupinin selbst besitzt.

Auf Grund dieser Versuchsergebnisse schliessen Willstitter und Fourneau, dass ,,im Lupinin ein primarer Alkohol vorliegt, welcher sich von einem gesattigten bicyclischen System folgender Art ableitet :

C

"\I/" l) Der Anteil der Herren F. Canal und K. Zohner an der Untersuchung ergibt

2, Arch. Pharm. 240, 335 (1902); B. 35, 1910 (1902). sich aus deren Dissertationen.