versuch einer theorie der blitzsäule

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XXVII. Band. ig~s. Ollendorff, Versuch einer Theorie der Blitzs~ule. 169 Versuch einer Theorie der Blitzsiiule. Von Fra,z 011endorff, Berlin. (Mitteilung aus dem Elektrotechnischen Laboratorium der Technischen Hochschule Berlin.) (Eingegangen am 14. August 1932.) l.haiI: Es wird eine Absch~itzung der elektrodynamischen Eigenschaften der Blitzsttule ver- sucht. Der Berechnung der Liehtbogenleitfghigkeit wird eine Atmosphere aus einatomigen Stick- stoffmolekeln zugrunde gelegt, deren elektrisehe Temperaturionisation durch die Sahagleichung be- stimmt wird. Der Uberdruck im Innern der brennenden SS~ule wird mittels der Hypothese bereehnet, dab der Partialdruek der Ionen im Stiulenplasma dureh den elektrodynamischen Stromdruck der parallel gerichteten Stromf~den aufgellommen wird. Mit der Forderung eines stationtiren Zustands (Materie- und Ladungsbilanz) sind bestimmte GrSt3en tier Energieabgabe dureh Konvektion und Strahlung vereinbar; in Verbindung mit der elektrischen Sttulenleistung folgen die geometrisehen und elektrisehen Batch der S~ule. Hieraus lassen sieh einige Gesetzmttfiigkeiten fiir den zeitlichen Verlauf des Blitzes voraussehen. Insbesondere wird eine einfache Erklttrung der Waltherschen Blitz- aufnahmen gefunden, deren Teilentladungen als Relaxationsschwingungen aufgefafit werden dfirfen. Ein Vergleieh zwisehen Reehnung und Erfahrung zeigt, daft die theoretisehen Ergebnisse einiger- mafien brauchbar sind. 1. Ziel der Arbeit. Bei der Entstehung eines nattirlichen Blitzes wtichst zuntichst der Blitzkopf yon der Wolke zur Erde vor. Die hierbei entwickette Vorwachsgeschwindigkeit ltifit sich auch ohne Bezugnahme auf gaskinetische Vorstellungen aus der Kontinuitttt des Blitzstrahlstromes mit dem M axwellschen Verschiebungsstrom zwischen Blitzkopf und Wolke abschtitzen 1. Dabei macht sich die schlechte Leitfiihigkeit der Erde in einem dem Blitze entgegenwachsenden Potentialberge bemerkbar, an dem unter Umstt~nden der Blitz in mehrere Zweige zersplittern kann 2 Nach dem Einschlage ist der Blitzkopf als solcher verschwunden. Erfahrungs- gemtifi verbleibt abet nun eine zwischen Wolke und Erde brennende Stiule, welche yon den abfliet3enden Wolkenladungen noch eine gewisse Dauer unter- halten werden kann. Wir wollen im folgenden die Eigenschaften dieser Stiule an einem hinreichend vereinfachten Schema quantitativ zu schildern versuchen. Vom Standpunkte der Gasentladungsphysik handelt es sich hierbei um die Theorie eines Lichtbogens, dem wegen seiner grofien Ltinge wesentliche Komplikationen tech- nisch erzeugbarer Lichtb~igen fehlen. ~. Vereinfachende Annahmen. Da eine strenge Theorie der Blitzstiule einstweilen als undurchftihrbar erscheint, sollen folgende Annahmen getroffen werden: 1. Die Entladung wird in jedem Augenblick als zeitlich stationttr behandelt. 2. Die wahre Atmosphtire wird durch eine ideelle, reine Stickstoffatmosphtire ersetzt. 3. Innerhalb der Stiule und in ihrer unmittelbaren Umgebung sei die Tem- peratur so hoch, dab der Stickstoff in praktisch tiberwiegendem Marie in einatomige Molektile dissoziiert ist. 4:. Die gesamte Sfiule wird kings und quer zur Stromrichtung als rtiumlich homogen angesehen. 5. Kathoden- und Anodenfall wird gegen den gesamten Spannungsabfall ltings der Stiule vernachlttssigt. t R, Rfidenberg, Wiss. VerSff. Siemens-Konz. Bd. 9 Heftl S. 1. -- W. Holzer, Z. Physik Bd. 77 S. 676. 2 F. Ollendorff, Physik. Z. Bd. 33 (1932) S. 368.

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Page 1: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

XXVII. Band. ig~s. O l l e n d o r f f , V e r s u c h e iner Theor ie der Bl i tzs~ule . 169

Versuch einer Theorie der Blitzsiiule.

Von

F r a , z 011endorff, Berlin.

(Mitteilung aus dem E lek t ro t echn i schen Labora to r ium der Techn i s chen Hochschule Berlin.)

(E ingegangen am 14. Augus t 1932.)

l.haiI: Es wird eine Absch~itzung der elektrodynamischen Eigenschaften der Blitzsttule ver- sucht. Der Berechnung der Liehtbogenleitfghigkeit wird eine Atmosphere aus einatomigen Stick- stoffmolekeln zugrunde gelegt, deren elektrisehe Temperaturionisation durch die Sahagleichung be- stimmt wird. Der Uberdruck im Innern der brennenden SS~ule wird mittels der Hypothese bereehnet, dab der Partialdruek der Ionen im Stiulenplasma dureh den elektrodynamischen Stromdruck der parallel gerichteten Stromf~den aufgellommen wird. Mit der Forderung eines stationtiren Zustands (Materie- und Ladungsbilanz) sind bestimmte GrSt3en tier Energieabgabe dureh Konvektion und Strahlung vereinbar; in Verbindung mit der elektrischen Sttulenleistung folgen die geometrisehen und elektrisehen Batch der S~ule. Hieraus lassen sieh einige Gesetzmttfiigkeiten fiir den zeitlichen Verlauf des Blitzes voraussehen. Insbesondere wird eine einfache Erklttrung der Wa l the r s chen Blitz- aufnahmen gefunden, deren Teilentladungen als Relaxationsschwingungen aufgefafit werden dfirfen. Ein Vergleieh zwisehen Reehnung und Erfahrung zeigt, daft die theoretisehen Ergebnisse einiger- mafien brauchbar sind.

1. Zie l der Arbei t . Bei der Entstehung eines nattirlichen Blitzes wtichst zuntichst der B l i t z k o p f

yon der Wolke zur Erde vor. Die hierbei entwickette Vorwachsgeschwindigkeit ltifit sich auch ohne Bezugnahme auf gaskinetische Vorstellungen aus der Kontinuitttt des Blitzstrahlstromes mit dem M axwel lschen Verschiebungsstrom zwischen Blitzkopf und Wolke abschtitzen 1. Dabei macht sich die schlechte Leitfiihigkeit der Erde in einem dem Blitze entgegenwachsenden P o t e n t i a l b e r g e bemerkbar, an dem unter Umstt~nden der Blitz in mehrere Zweige zersplittern kann 2

Nach dem Einschlage ist der Blitzkopf als solcher verschwunden. Erfahrungs- gemtifi verbleibt abet nun eine z w i s c h e n Wolke und E r d e b r e n n e n d e Stiule, welche yon den abfliet3enden Wolkenladungen noch eine gewisse Dauer unter- halten werden kann. Wir wollen im folgenden die Eigenschaften dieser Stiule an einem hinreichend vereinfachten Schema quantitativ zu schildern versuchen. Vom Standpunkte der Gasentladungsphysik handelt es sich hierbei um die Theorie eines L i c h t b o g e n s , dem wegen seiner grofien Ltinge wesentliche Komplikationen tech- nisch erzeugbarer Lichtb~igen fehlen.

~. V e r e i n f a c h e n d e A n n a h m e n . Da eine strenge Theorie der Blitzstiule einstweilen als undurchftihrbar erscheint,

sollen folgende Annahmen getroffen werden: 1. Die Entladung wird in jedem Augenblick als z e i t l i c h s t a t i o n t t r behandelt. 2. Die wahre Atmosphtire wird durch eine ideelle, reine S t i c k s t o f f a t m o s p h t i r e

ersetzt. 3. Innerhalb der Stiule und in ihrer unmittelbaren Umgebung sei die Tem-

peratur so hoch, dab der Stickstoff in praktisch tiberwiegendem Marie in einatomige Molektile dissoziiert ist.

4:. Die gesamte Sfiule wird kings und quer zur Stromrichtung als rtiumlich homogen angesehen.

5. Kathoden- und Anodenfall wird gegen den gesamten Spannungsabfall ltings der Stiule vernachlttssigt.

t R, R f i d e n b e r g , Wiss. VerSff. Siemens-Konz. Bd. 9 H e f t l S. 1. - - W. H o l z e r , Z. Physik Bd. 77 S. 676.

2 F. O l l e n d o r f f , Physik. Z. Bd. 33 (1932) S. 368.

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Arch iv Bi t 170 O 11 e n d o r f f, Versuch einer Theorie der 131itzsAule. Elektrotechnik.

Z~u diesen in ihrer Tragweite fibersehbaren Annahmen tr i t t spS.ter eine besondere , , S a u m h y p o t h e s e " fiber das physikalische Verhalten des S~iulenrandes.

3 . S t i c k s t o f f d i s s o z i a t i o n u n d L e i t f t i h i g k e i t ~.

Es sei Ti die absolute Temperatur im Innern der S~iule. Von insgesamt N~ neutralen, einatomigen Stickstoffmolekiilen sei der Bruchteil x in positive Trfiger (Molektilionen) und negative Tr~iger (Elektronen) dissoziiert, so dab sich nunmehr

Ni (1 - - x) q- 2 N i x = _/Vi (1 @ x), (1) Tr~ger in der Raumeinhei t findem Sie erzeugen den Druck

P = kNi (1 + x) T , , (2) wobei k die B o l t z m a n n s c h e Konstante bedeutet. Der Dissoziationsgrad x ergibt sich mittels thermodynamischer Uberlegungen aus der I o n i s i e r u n g s a r b e i t (Ele- mentarladung q mal Ionisierungsspannung ~oi)

= q (3) nach der Formel yon S a h a 2

x ~ - - 5 1 Ai _ _ 6 , 5 ] log 1 -- x~ 2' ~ 2- log re - - 2,3~ k r ~ (4)

/ 5 9i _ _ 6,5 ~- 2- log T~ - - 5040 ~ [

Darin ist, abweichend yon (2), der Druck P in Atmosphfiren gemessen. Der geordnete Konvektionsstrom der 2N~ x geladenen Trfiger folgt im wesent-

lichen der L~ingsrichtung in der S~iule. Da wegen ihrer kleinen Masse die Elektronen eine viel gr6flere Bewegliehkeit als die Molekfilionen haben, wird der elektrische Strom merklich allein yon den Elektronen getragen. Die Stromdichte i ergibt sich also aus der Elektronen-LS.ngsgeschwindigkeit vz mittels

i = qx N~ vl. (5) Definitionsgem~iB leitet man hieraus die Leitf~ihigkeit r. durch Division mit dem

S~iule.ngradienten ~ her:

= ~ = q x N i . (6)

H~iufig wird zur Berechnung yon vz angenommen, dab jeder Zusammenstol3 eines Elektrons mit einem neutralen Molekfil oder Molekttlion die bisher im Felde erlangte Geschwindigkeit vollstandig vernichte. Sei 2 die mittlere freie Weglfinge der Elektronen, so gilt in diesem Falle

v l = ! " 2 . 6 . (7) m ci

Daria bedeutet m die Elektronenmasse und c~ die nngeordnete Geschwindig- keit der Elektronen. Mit der Annahme vOllig unelastischer ZusammenstOge wird die mittlere Bewegungsenergie eines Elektrons gleich der mittleren Bewegungsenergie eines Gasmolekfils

1 mc~--~ 3 k (s)

also Ibis auf einen ffir uns belanglosen Zahlenfaktor wegen der versehieden definierten Mittelwerte in (7) und (8)]

V a k T ; 7tZ

Sehen wit yon Zusammenst6Ben zwisehen dea gtektronen ab, so befinden sich N stol3ffihige Par tner in der Raumeinheit . Aus dem Wirkungshalbmesser a eines (einatomigen) Stickstoffmolekfils ergibt sich so die freie Wegl~inge

Wesentlich gleiche Annahmen bei K. T. Compton , Physic. Rev. Bd. 21 (1923) S. 266. Dort weitere Literatur. Vgl. auchL. S. O r n s t e i n , H. Br inkmann undA. Bennes , Z. Physik Bd. 77 (1932) S. 72.

2 Z. Physik Bd. 6 (1921) S. 40.

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XXVII . Band. i933. Ol lendorf f , Versuch einer Theorie der ]3litzs~ule. 171

)~ _ 1 _ k :r~ (1 + ~) ( l O ) a s N i ~ a s -fi

Durch Einsetzen in (6) finder sich 1 die GrbfJe der ,,thermischen Leitf~ihig- keit" ~2- i

2~ri = q q X ]

Dieser Wert dtirfte jedoch zu hoch gegriffen sein. Denrt die einatomigen Stick- stoffmolekeln verhalten sich den stogenden Elektronen gegentiber ~ihnlich wit ein E d e l g a s . H e r t z 2 hat gezeigt, dab diese StOfie wesentlich elastisch verlaufen. Das stoBende Elektron verliert je Stog den Bruchteil e seiner jeweiligen Energie der Be- wegung, wobei sich s aus dem Verh~iltnis der Elektronen- a~, masse m zur Masse M des einatomigen Stickstoffmolek/ils e~ ! ! / berechnet m ~; /

s ~ 2 ~ . (12) , !

Daher kann das Elektron die yore Felde ~ geleistete ,z8 Arbeit in mehreren St6/3en solange summieren, bis im ,1~ Mittel die Feldarbeit je freie Wegl~inge 3~ gleich dem Stot3- ,z2! verlust geworden ist. Dem Endzustande kommt die ther- ,zo mische Elektronenenergie zu% o~2~ /

w ~ - qe~ (13) ~,e

Das zugehUrige Spannungsfiquivalent Ud und die a 2 / [ 1,4b~o/u/eZef,pef#,i, ~ ] Elektronentemperatur Tr sind

0 qOOO 5'000 IZOgO 15000~

Uel-- w~ _ (~A woo (13a) Bild 1. Spannungsliquivalent q 1/~- e , T e l - 3 k der Elektronentemperatur.

2 Die mittlere Schwarmgeschwindigkeit der Elektronen wSchst daher gegentiber

dem Werte (9) um das ] / T ~ f a c h e an, und im umgekehrten Verh~iltnis verkleinern / / T~: sich nach (7) und (6) geordnete Fortschreitungsgeschwindigkeit und Leitf~ihigkeit. Demnach folgt als Leitf~ihigkeit an Stetle von (11)

XTcl = MTi" Te]e] _7_ ~i~. ] = ~" 1

wobei U T i das Voltliquivalent der Temperatur Ti nach Bild 1 bedeutet. Wir werden im folgenden der Ktirze halber den Wert (14) als L e i t f f i h i g k e i t z

(ohne Index) bezeichnen. Bei hohem Dissoziationsgrad dtirfte wegen der dann h~ufigen Zusammenst6fie der Eiektronen mit positiven Tr~igern die Leitf~ihigkeit im Sinne der Gleiehung (ll) etwas ansteigen, doch ist diese Erscheinung ftir uns ohne Interesse.

Ftir die numerische Auswertung der bier gegebenen Beziehungen brauchen wir aufier den wohlbekannten Werten yon q, m u n d k vor allem die D a t e n des e in- a t o m i g e n $ t i c k s t o f f m o l e k t i l s . Die I o n i s i e r u n g s s p a n n u n g setzen wir ~

~o{ = 15 Volt. (15) Als W i r k u n g s r a d i u s des einatomigen Stickstoffmolektils nehmen wir 4

a = 0,71.10 -s cm. (16) Ahnlich bei O. Mayr, Elektrotechn. Z. 1932 S. 75; K.T. Compton , l. c.

2 Verh. dtsch, physik. Ges. Bd. 19 (1917) S. 268. 30 . Mayr, I.c. 4 L a n d o l t - B S r n s t e i n , Erg/inzungsband I[ S. 69.

Arehiv f. :Elektroteehnik. XXVII . Band. 3. Heft. 12

Page 4: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

Archiv ffir 172 O l l e n d o r f f , Versuch einer Theorie der Blitzsgule. Elektrotechnik.

Aus der Elektronenmasse m = 8,7.10 -~s g (17)

ergibt sich die Masse e ines S t i c k s t o f f a t o m s

M = m- 1835 �9 14 = 2,25 �9 10 -2a g (18)

und also = 2 8,7 �9 10 --~s

5,25.10 -~a -- 0,77.10 -4. (19)

Ffir das Weitere h~ingt also alles davon ab, den Druck P im Innern der Blitz- s~iule zu ermitteln; denn erst damit kSnnen wir den Dissoziationsgrad als Funktion der S~iulentemperatur bereehnen.

4 . D i e S a u m h y p o t h e s e .

Wir stellen uns vor, daft der l~lbergang yon der leuchtenden Entladung der Blitzs~iule zu dem nichtleuehterlden Auf3enraum innerhalb eines schmalen S a u m s erfolgt. Der Saum besitzt hiernach die Form eines Kreiszylinders; er umschlief3t nach innen das Gebiet homogener elektrischer Str6mung und wird seinerseits yon einer praktisch nicht leitende~l Atmosph~ire aus einat0migen Stickstoffmolekeln um- geben.

Hiernach muB insbesondere innerhalb des Saums die Wiedervereinigung der in der Blitzs~iule thermisch gebildeten Ladungstr~ger und der Energieaustausch zwischen den yon innen kommenden, hochtemperierten Teilchen und den vorl aul3en einstrOmenden niedrig temperierten Molekeln stattfinden. Daraus l~il3t sich die Breite des Saums abschfitzen: Bis ein radial yon innen kommendes Elektron mit einem positiven Trfiger zusammenstOfit, mug es im Mittel die Strecke durchfliegen

4. Ni _ 2 (15) x N i x

Da aber zwischen dem Eintrit t des Elektrons in den Saum und dem zur Wieder- vereinigung ffihrenden Zusammenstof3e mehrere Zusammenst6fie mit neutralen Molekeln stattfinden, ist die Elektronenbahn keineswegs radial gerichtet. Eine ge- nauere lJberlegung zeigt, dab yon den eindringenden Elektronen etwa die HSlfte wieder in die S~iule zurtickdiffundieren, w~ihrend die andere H~ilfte etwa in der mittleren Entfernung der ,,Saumbreite"

1 2 (15a) 2 x

vom inneren Saumrande aus gerechnet zur Wiedervereinigung kommt. Allerdings verschieben sich diese Verhaltnisse mit wachsendem Dissoziationsgrad; wit behalten uns vor, die hier hinreichende Absch~itzung sparer durch genauere Rechnungen zu erg~nzen.

Aut3erordentlich viel verwickelter dfirfte der Mechanismus des Energieaus- tausches der neutralen Teilchen sein, den wit daher nut im grogen modellm{iBig zu beschreiben suehen: Der Saum m6ge die Eigenschaften eines gut w~trmeteitenden K6rpers besitzen.

Wir fordern nun zun~ichst, dab der dutch den Saum reprgsentierte K6rper sich radial nicht deformiert. Dazu mug der y o n a u g e n auf den S a u m w i r k e n d e D r u c k zuz t ig l i ch e t w a i g e r Volumkr~i f te mi t dem y o n i n n e n w i r k e n d e n D r u c k im G l e i c h g e w i e h t stehen. Hier k6nnen und solIen die Kr~ifte des Schwere- feldes auBer acht bleiben.

Als V o l u m k r a f t e verbleiben dann die e l e k t r o d y n a m i s c h e n A n z i e h u n g s - kr~ifte z w i s c h e n den w e s e n t l i e h g l e i c h g e r i c h t e t e n S t r o m f g d e n der Bli tzs~iule. Man versteht ilare Wirksamkeit, indem mart sich etwa auf ein Koordi- natensystem begibt, das mit einem fliegenden Elektron starr verbunden ist: Von hier

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XXVII, Band. ~933. Ollendor~f, Versuch ehaer Theorie der Blitzs/~ule. 173

aus erscheint neben dem statischen Magnetfeld des Stroms eine elektrische Feld- kraft, welche auf dem magnetischen Feldvektor und dem Geschwindigkeitsvektor der geordneten Tr~igerbewegung senkrecht steht und die Tr~iger (beiderlei Vorzeichens) radial nach innen dr~ngt. Danach greift die Volumkraft nur art den geIadenen Tr~igern an.

Diese einfache Oberlegung lfif3t es natfirlich erscheinen, die oben genannte G 1 e i c h- g e w i c h t s b e d i n g u n g e inze l r t a u f d ie n e u t r a l e n u n d die g e l a d e n e n Tei l - t h e n anzuwenden. Sei also N~ die Gasdichte aul3erhalb des Saums, Tr die dort herrschende Temperatur und P der Druck, so fordern wir zun~ichst

0 / 2 Y ~/ 5 6' 7 ~'%x

Bild 2. Dissoziationsgrad yon Na bei mfii~igcn Temperaturen.

.... tYdaJl t '~i~ q ~ llhke p

7,gr

s, o3

1,ol

f,o - i

- - - - 0 sooo 1oooo zoooN r Bild 4. Gesamtdruck der Blitzs/iule, abh~ingig

yon der Temperatur.

P=N~kTo=P. 1 - X - = N i k T i ( 1 - x ) (16) I+x ' " ~UO0~

z~

)5006

/0006

f

/ J

J J

/

5005

i 0 'iO 20 3~. qO 50 60%,;c

Bild 3, Dissoziationsgrad yon N I bei hohen Temperaturen.

70O5

6005

5-000

qYO0

JOOO

2000

lOOP

sooo 1000o I~oog'~'2oo~

Bild 5. Thermische Leitf~higkeit der S~ule.

Wir nehmen an, herrsche; dann folgt aus (16) so:fort tier D r u c k i n n e r h a l b d e r B l i t z s~ iu te

~ = p 1 + ~ P - ~ l a t

und der l J b e r d r u c k (ira thermodynamischen Gleichgewicht)

der also mit wachsendem Dissoziationsgrade stark ansteigt. chung (4) n immt mit (16a) die Form an

x~ 5 Ti - - 5040 ~ - - 6,5 1 at log ~f -~)~ P = ~ log . , P ~ . (17)

Sie ist in Bild 2 und 3 ausgewertet worden. Bild 4 zeigt die Gr6/]e des S~tulen- dracks nach Gleichung (16a), wfihrend in Bild 5 die thermische Leitf'<ihigkeit x,r~ nach Gleichung (11) dargestellt ist.

12"

dal3 a u t 3 e r h a l b de r B l i t z s ~ u l e A t m o s p h f i r e n d r u c k

(16 )

06b) Die Sahasche G-lei-

Page 6: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

A r c h i v f i i r 174 Ollendorff, Versuch einer Theorie der Bli tzs~ule. E1ektrotechnik.

Weiter ist die e l e k t r o d y n a m i s c h e S t r o m k r a f t m i t dem P a r t i a l d r u c k (16b) der geladenen Teilchen zu verkntipfen. Es sei R der Sfiulenhalbmesser, r der Abstand eines Aufpunktes yon der Aehse. In der Stiule erregt dann der Strom I die Stromdichte

i - • ( is) 7~ R e

und das zirkulare Magnetfeld trg },2 �9 T

= i2 - (19)

Die Induktion ist also

~=ll.~=i.lI.-~, H = 4 a - 1 0 -9 (19a)

und die Kraft auf die Raumeinheit T

!t3 i --~ i S- H. ~-. (I9 b)

Ist die Saumbreite (15a) klein gegen den S~iulenhalbmesser R -- und nur in diesem Falle ist die Vorstellung eines ,,Saums" sinnvoll -- so ist die ,,Volumkraft" je Fl~icheneinheit des Saums

( 1 )o) = i 2 H R ~z I e R ~ (20) ~ i 2 - 7 ~=R ~ ' 7 = (~Re)e .H 2

Diese Gleichung liefert dimensionsm~iBig Wattsec . die Umrechnung auf Atmo- c m 2

sph~iren wird durch t-Iinzuftigen des Faktors 10,2 berticksichtigt. Bei der Berechnung des Partialdrucks der geladenen Teilchen ist nun die oben

abgesch~itzte Rtickdiffusion zu beaehten. Je Zeiteinheit hat man daher als Impuls- zunahme des Saums (Summe der einwandernden und rtickw~irts wandernden Tr~iger)

Weiter werden wir aber im n~chsten Abschnitt zeigen, dab die Tr~iger infolge eines zus~itzlichen Radialfeldes im Mittel etwa mit dem Doppelten der thermisch un- geordneten Geschwindigkeit die S~iule verlassen. Indem wir daher den Faktor 2 hinzuftigen, linden wir als Partialdruck-Gleichgewichtsbedingung etwa

( I )~ R 2 3 2x . p = l (22) 10,2" - ~ . I I . g ' 7 ~ P 1--x'

5. D i e E n e r g i e a b g a b e .

In der stationSr brennenden S~iule muff die je Zeiteinheit erzeugte Stromw~irme nach aufien abgefiihrt werden. Man k6nnte daran denken, die Wgrmeabgabe. je Fl~cheneinheit der S~iule aus der Wfirmeleitung des Aut3enraums zu berechnen. Ein solcher Ansatz ist jedoch physikalisch widersinnig, da die hierzu erforderlichen Auf- bauzeiten viel zu grofi sind. Abgesehen davon bestehen Schwierigkeiten mathema- tischer Art, weil man bei zweidimensionaler Formulierung der Wfirmeleitungsaufgabe (Zylinderproblem) auf eine unendlich hohe Brenntemperatur der Saule kommt[

Alle diese Schwierigkeiten lassen sich umgehen, wenn man nur den Zustand innerhalb der S~iule und in ihrer nahen Umgebung als stationfir ansieht, wghrend weiter aul3en eine elastische Welle etwa mit Sehallgeschwindigkeit den thermischen Ausgleich bewirkt. Eine solche Annahme widersprieht durchaus nicht der Annahme einer station~ir brennenden Sfiule. Um dies einzusehen, denke man etwa an das Ein- schalten einer Gleichspannung an eine unbegrenzte Leitung. In der Tat ist dann un- mittelbar nach dem Einschalten der Zustand in einer gewissen Umgebung des Schalt- orts station~ir, w~ihrend der Wellenkopf mit Lichtgeschwindigkeit fortschreitet. Die vom Blitz erregte elastisehe Welle deformiert sich in einiger Entfernung vom Blitz

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XXVII . Band. ~933. Ollendorff, Versuch einer Theorie der Blitzs~iule. 175

mit Rticksicht auf die Erdoberfl~iche in eine Halbkugelwelle, welche nunmehr auch rechnungsm~iflig eine endliche station~ire S~iulentemperatur ergibt.

Zur wirklichen Berechnung der station~iren Energieabgabe je Fl~icheneinheit wollen wir die Wfirmestrahlung zun~ichst aufler acht lassen und nur den Energie- transport durch die hin- und herfliegenden Tr~iger berficksichtigen. Dazu gehen wir yon dem oben beschriebenen ,,Saumk0rper" zu dem Bilde einer fl~ichenhaften S~iulen- begrenzung fiber, welehe also jetzt den Mantel der zylindrischen Entladungsbahn darstellt. Hier springt die Temperatur unstetig..von ihrem Werte Ti im S~iuleninnern auf die Temperatur T~ des Aufienraums. Der Ubergang yore Saum endlicher Breite zu der hier angenommenen scharfen S~iulengrenze liefert einen zu hohen Wert der Wfirmeabgabe; wir werden daher in der folgenden Rechnung bereits implizite einen wesentlichen Anteil der W~irmeabstrahlung mit erfassen.

Im station~iren Zustand mul3 je Zeiteinheit der Materieverlust der S~iule gleich dem yon aufien erfolgenden Materiezustrom sein (Mate r ieb i lanz) . Weiter mtissen je Zeiteinheit gleiehviele Tr~iger be{derlei Vorzeichens die S~iule verlassen, um im Auf3enraum eine regelm~ifiige Wiedervereinigung zu unterhalten (L a d u ngs b il art z).

Es erscheint auf den ersten Blick unm0glich, die Ladungsbilanz zu befriedigen. Denn schon im thermodynamischen Gleichgewicht haben die Elektronen wegen ihrer kleinen Masse eine viel h6here ungeordnete Geschwindigkeit als die positiven Tr~iger, und dieser Unterschied wird durch die h6here Elektronentemperatur noch unterstrichen. In der Tat haben wir uns vorzustellen, dab zun~ichst die Elektronen voraneilen; dadurch entsteht im Aufienraum eine tiberwiegend negative Ladung, w~ihrend die Randpartien der S~iule an Elektronen verarmen und also positiven Ladungsiiberschul3 aufweisen. Die hier genannten Raumladungen erregen daher ein r a d i a l n a c h auf ien g e r i e h t e t e s Fe ld ~r, welches die Elektronen bremst, die positiven Tr~iger aber beschleunigt. Die Ladungsbilanz wird also erst mittels dieses Zusatzfeldes erffillt, welches die unterschiedlichen Radialkomponenten der thermischen Bewegung gerade ausgleicht 1. Es liegt nun nahe, den Materiestrom der Trfiger im Sinne der Scho t t kyschen Theorie 1 aus einem D i f f u s i o n s s t r o m , ver- ursacht durch das Konzentrationsgeffille im Saum, und einem darfiber gelagerten elektrischen K o n v e k t i o n s s t r o m des Radialfeldes Nr zusammenzusetzen. Dabei w~ire jedoch die Wiedervereinigung im Saum nicht berficksichtigt, welehe die Zahl der in die S~iule zuriickkehrenden Tr~iger stark verringert und dadurch den Diffusions- strom scheinbar erh0ht. Wir behandeln daher zun~tchst, wie oben angedeutet, den Saum als fl~iehenhafte Grenze der S~iule. Als ,,Diffusionsstromdichte" erh~ilt man dann, wenn c 4 bzw. ci_ die mittleren thermischen Geschwindigkeiten der positiven bzw. negativen Tdiger, N+ bzw. N_ ihre Konzentrationen bedeuten,

~--N+ i (23) ci+ und ~N_ci_. Der Faktor 1 rfihrt in bekannter Weise yon der Mittelung fiber die verschiedenen

Winkelrichtungen her, in der die Teilchen auf die GrenzflS~che auftreffen. Die elek- trische Konvektionsstromdiehte im Felde ~, hSmgt yon den T r ~i g e r b e w e gl i c h k e i t e n /~+, fl_ ab. Dabei sind wegen der relativ grof3en Breite des Saums nach Gleichung (15a) die Konzentrationsverh~iltnisse im Innern der S~tule mat3gebend, so daft gilt

fl+--= q 2+ } M "+ ] ~ _ _ q 2_

m ci_

1 Ahnliche 0berlegungen liegen der Diffusionstheorie der positiven S~ule yon Scfiottky zugrunde. Physik. Z. Bd. 25 (1924) S. 3~2 u. 635. Unsere Aufgabe unterscheidet sich hiervon wesentlich durch den angenommenen Mechanismus der Wiedervereinigung und durch die Be- dingungen am S~ulenrande.

Page 8: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

Archiv fiir 176 O ] 1 e n d o r f f , V e r s u c h e iner Theor ie de r ]31itzs~iule. Elektrotechnik.

Man erh~ilt also den gesamten Teilchenstrom der positiven Tr~iger zu

L N+ ci+ +/~+ N+ q ~, (25) 4

und der negativen TrS~ger

A N - ci - - fl- N - q e , . (26) 4 Wegen der Quasineutralit~it der Entladung

x �9 N~ (27) N + = N _ = 1 + ~ - ~ -

lautet also die Ladungsbilanz 1 1 u ~+ q ~ = u co- - /< q~,. (28)

Daraus folgt das Radialfeld

1 c~_-- ci+ (28 a) q ~ = 4 8 - + 8 + .

und der unipolare Trfigerstrom (beliebigen Vorzeichens) 1 x ~- ci+ + ~+ ci_ (29) 4 l+xN~ ~_+~+

Wir setzen nun das Radialfeld ~r als klein gegen den S~iulengradienten @ voraus. Ftir die Radialbewegung kann dann die Energieakkumulation der Elektronen naeh H e r t z auBer acht bleiben, so dab die Bewegliehkeiten fl+, fl_ nach Gleichung (24) mit

Ci+ = M ' s : - -

konstant sind. Wir werden sp~iter nachweisen, dab die Elektronentemperatur Tel weniger als

eine Zehnerpotenz h6her liegt als die Sfiulentemperatur Ti. Wegen M >> m gilt dann fl_ >> fl+, und wir erhalten aus (29) den Tr~igerstrom beliebigen Vorzeichens

1 , N ic{§ 2+ Tr (29a) 4- 1 ~ ~ 2 _ ~/-/]"

Da nun nach bekannten gaskinetischen Beziehungen 2_ = 4 ]/2 2+ ist, kann sich die runde Klammer in (29a) nur etwa irn Verhfiltnis 1 : 2 findern. Andererseits ist aber der Wert (29a) sieherlich zu hoch, da die Teilehenstr6me (23) ohne Beachtung der Tr~igerrfickdiffusion im Saumgebiet berechnet sind. Wie wir frfiher zeigten, mug man etwa 50% Rfickdiffusion annehmen. Die Einfltisse der erhOhten Elektronen- temperatur und der Trfigerrtiekdiffusion kompensieren sich also ungeffihr, so dab man endgfiltig mit je etwa

_ _ . -, 3 ~ T i (29b) 1 x Ni Ci+ 1 x IVl V _71/] 4 l + x 4 l + x Tr~gern beiderlei Vorzeichens zu reehnen hat, die aus der S~iule sekundlich aus- seheiden.

Von dem in (29a) bereehneten Radialfelde ~ ist das im vorigen Absehnitt be- handelte, ebenfalls radial auf die Tr~iger beiderlei Vorzeiehens wirkende elektrische Wirbelfeld wohl zu unterseheiden. Man beachte hierzu, dab beispielsweise das auf die ' Elektronen wirkende Wirbelfeld erst yon einem Koordinatensystem aus beobachtet werden kann, welches mit der geordneten, axialen Elektronengeschwindigkeit vz relativ zur Mittellage der positiven Trfiger fortschreitet. Noch deutlicher wird dieser Unterschied zwischen beiden Feldanteilen in ihrer Wirkung auf die positiven Tr~iger: Das Feld (26a) zieht sic naeh auBen, wfihrend die elektrodynamische Stromkraft auch die positiven Tr~iger nach innen drfickt; denn dieses Wirbelfeld ist jetzt aus dem Magnetfeld des Elektronenstroms durch Transformation auf ein Koordinatensystem zu bereehnen, welches relativ zu den Elektronen im Mittel die Gesehwindigkeit (-- m) besitzt.

Page 9: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

XXVII. Band. ~933. Ollendorf~, Versuch einer Theorie tier Blitzs~Lule. 177

Mit Benutzung yon (29b) k6nnen wir nua ftir die Gesamtheit der aus der S~iule je Zeiteinheit austretenden Teilchen so rechnen, als ob sie alle einheitlich die Masse M ~nd die Temperatur T~ bes~if3en. Somit folgt ihre Zahl zu

1 . 1/g~ T~ [ . (30) 2x

Sobald nun die Ni 1 - ~ T geladenen Tr~iger verschiedenen Vorzeichens sich

wiedervereinigt haben, bilden die Teilchen (30) nur noch

[ 1 - z z 1 1 1 (3Oa) 1 N~]~-~-+N~y-+- T = u

neutrale Teilchen. Die M a t e r i a l b i l a n z des Au l3en raums wird daher erftillt, wenn man setzt

l~Nar gkTa- M 4 i+xNi ~3kT_,. (31)

Schreibt man diese Gleichung

1 ( 1 + x ) ] / ~ z ~ 1 .1 /3kTi ~-N, - - 4 lVi v M ' (31a)

so kann man sie als M a t e r i e b i l a n z de r Sfiule lesen: Die hineindringenden neutralea Tr~iger nehmen durch den Dissoziationsvorgang an Zahl im Verh~iltnis (1 -t- x ) zu ; sie gleichen dann den Verlust der S~iule naeh Gleichung (30) gerade aus.

In Verbindung mit dem D r u e k g l e i c h g e w i c h t der neutralen Teilchen nach Gleichung (16)

N~k To = N i k Ti (1 --x) (16) liefert die Materiebilanz (31) die A u B e n t e m p e r a t u r T~ als F u n k t i o n der I n n e n - t e m p e r a t u r in der einfachen Form

1 - -X 2

Eine d e f i n i e r t e Btitzs~iule k a n n sich also e rs t a u s b i l d e n , w e n n das Gas m e r k l i c h d i s soz i i e r t ist; dieses Ergebnis stimmt mit der Anschauung aberein. Die Annahme, dab in der Umgebung der Blitzs~iule tiberwiegend einatomige Stickstoffmolektile vorhanden sind, ist durch (32) nachtr~iglich gerechtfertigt.

Mit der Kenatnis der AuBentemperatur bereitet es keine Schwierigkeitert mehr, den Energietransport durch Konvektion zu berechnen.

Die neutralen Teilchen und die positiven Tr~iger weisen innerhalb der S~ute 3 3 die miticlere Energie ~-k Ti auf, wfihrend die Elektronen im Mittel die Energie ~-k Tel

besitzen. Naeh (30) tragen sie zusammen den Energiestrom

1 ~ r i ~ ( 1 3 X 3 ~ Tel) (33) ~- l + x .~kT~+ 1~-,~ 2 �9 Von aufien nach innen dringt der Energiestrom

1N~ ~kMT~ 23 k T~. (34) Zu diesen Energiestr6men tritt nun noch die Neutralisationsenergie der ge-

ladenen Teilchen, die bei der paarweisen Wiedervereinigung die Ionisierungsarbeit q~oi abgeben. Der zugeh6rige Energiestrom

1 ]/3kT~ 1 2~ (35) ~Ni M 2 l +-x q~oi

ist im allgemeinen grof3 gegen die Summe der frtiher genannten Anteile. Daher kann mit nur kleinem, nachtrfiglich absch~tzbarem Fehler in (36) die (noch unbekannte) Elektronentemperatur Ta mit der Temperatur Ti vertauscht werden, und wir linden

h ~ N ~ ~ ~ T ~ + ~ q ~ --=yN~ M ~kT. . (36)

Page 10: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

Archiv fiir 178 Ol lendorf f , Versuch einer Theorie der BlitzsSmle. Elektrotechnik

Nach (35) und (16a) sind hierin alle GrOfien als Funktion yon T~ berechenbar. Das Ergebnis ist in Bild 6 dargestellt.

In der Sahaschen Formel (4) ist die A n r e g u n g der Molektile nicht berfick- sichtigt women, so dab eine B e r e c h n u n g der W ~ i r m e s t r a h l u n g im Rahmen dieser Theorie nicht m6glich ist. Man kann jedoch eine sicherlich weitaus zu hohe obere Grenze hierftir angeben, wenn man den Mantel der Blitzs~iule als Sitz je einer nach aufien und innen gerichteten schwarzen Strahlung ansieht. Nach S t e f a n und B o l t zm an n wtirde dann die F1/icheneinheit sekundlich die Energiemenge abgeben 1

hs = a (T} -- T:) = 5,76.10 12 (Y~ -- T~) Wat t /cm 2. (37) Mit Hilfe yon (35) ergibt dies, wenn man 1-~ x ~ 1 setzt, die Abschatzung

h~ = 5,76.10 -~2 T} [1 -- (1 -- x) s] Wat t /cm ~. (37a)

M~/, I I

780i .~ t :201 - - 7;,01 :aoi -.~ - - - ~ - -

7a .~ : ZZ

800g :OOOa :2000 ;'4cOO0 Bild 6. W~irmeabgabe des Saumes.

500

30o , i I - - - - - - - - /

/ zoo ~l

gOOa :O00O fXg00 lqO00 YNOOO~ Bild 7. Schwarze Strahlung der S~ule.

Aus Bild 7 entnimmt man, dab zwischen etwa 8000 und 10000 o K die kon- vektive WSrmeabgabe (39) und die Strahlung (40a) gleich grog sind. Sp~tter fiber- wiegt die Strahlung bis zum etwa dreifachen Werte gegenfiber h bei Ti = 170000 K. Da nun hs viel zu grog gerechnet ist und h attch schon zu hoch abgeschfitzt wurde, darf man hiernach den W e r t (36) d e r k o n v e k t i v e n W S r m e a b g a b e als g r6Ben- o r d n u n g s m ~ t g i g r i c h t i g a n s e h e n .

6. Die Abmessungen der Blitzs~tule. Der S~iulenstrom I ergibt zusammen mit dem S~iulengradienten E je L~ingen-

einheit der S~iule die Leistung I - @. Ist daher R der Sfiulenhalbmesser, so hat man als Energiebilanz

I . ~ : z c R 2 . ~ ~ 2 = 2~r R h .

Daraus folgt der Gradient ~ und die Stromdichte i

~=]/[2h,.R, i2 = ( ~ ) 2 = 2 ~ h Indem wir dies in das Partialdruckgleichgewicht (22)

einsetzen, linden wir 1 0 , 2 . H . ~ h . ~ = g - P - I _ z , 3 2z P = I . (39)

Hierin sind s~tmtliche Gr6gen mit Ausnahme yon ~r als Funkt ion der S~iulen- temperatur Ti bekannt, w~ihrend die Leitf/ihigkeit ~ selbst naeh Gleichung (14) vom Gradienten ~ abhangig ist. Daher kann man Gleichung (39) zur Bereehnung yon

benutzen:

(38)

(3sa)

der geladenen Tr~ger

1 L a n d o l t - B 6 r n s t e i n Bd. 2 S. 804.

Page 11: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

XXVII. Band. ~933. Ol lendor f I , Versuch einer Theorie der Blitzsgule. 179

Uri ]/2e 10,2" H. zri" h.

~ - 7 -3 ~ " P 1 x ) (39a)

u r ~ l / ~ (10~ ~. ~r~.~- ;..(1- x) ) '

Nach Gleichung (11) and (36) findern sich nun bei sehwachem Dissoziations- grad ~7-~ und h proportional mit x. Da sich in diesem Gebiete die Temperaturabh~ingig-

keiten yon Uri und ~r~ gegenseitig herausheben, n immt also der Gradient mit (1 -- x) ~

nach Bild 8 zun~ichst ab. Wenn dagegen bei sehr hoher Dissoziation (* -+ 1) zudem noch die W~irmestrahlung an EinfluB gewinnt IGleichung (a7a) und Bild 71, kann

~ & _ l I 8 T \ 6 ~'-~

z - . - . I Ir~ Z 8o0a 7oaao l~,aaa 7~,ooa lo'aoe

Bild 8. S~iulenhalbmesser und Normalgradient als Funktion der S~iulentemperatur.

1,0 ~olule ,g#ulenlemp

8oao *aooo :moo :~,ooa ::0000,4 ,

Bild 9. Relative Elektronentemperatur als Funktion der S~iulentemperatur.

m6glicherweise das Feld mit wachsender Tempera tu r wieder ansteigen; es scheint jedoch, dab die hierzn erforderlichen enormen Tempera turen praktisch nicht erreicht werden.

Nachdem der Gradient gefunden ist, kann aus (38a) rtickwlkrts der Halbmesser der Blitzs~iule ent- nommen werden:

2h R - ~ ~ , ( 40 )

wobei nach Gleichung (14) die Leitf/ihigkeit und die Elekt ronentempera tur bereehnet wurden. Nach Bild 8 besitzt der S~iulenhalbmesser die Gr6Benordnung yon etwa I cm; oberhalb der Tempera tur yon 14000 o K nimmt er stark zu. Die Elek t ronentempera tur liegt nach Bild 9 etwa eine Gr6Benordnung fiber der .S~iulen- tempera tur Ti, wovon bereits frtiher [Gleiehung (29 a, b) j Gebrauch gemacht wurde.

/000000

:o:ooo I r 1 7 oetrommtdr/ce/ Ii~Z / _ _ -

7aoG , / ~

70000 12000 lgPO0 /6000

Bild 10. Die elektrischen Daten der S~iule als Funktion der

S~iulentemperatur.

Aus der wahren Leitf~ihigkeit ~ und dem Sfiulengradienten ergibt sich die Strom- dichte i. Sie liegt nach Bild 10 in der Gr0Benordnung yon etwa 100 - - 1000 Amp./cm 2. Daher erh~ilt man entsprechend dem S~iulenquerschnitt ~ R 2 Stromst~irken zwischen etwa 100 Amp. bei 8000 ~ K und 1000000 Amp. bei 17000 ~ K. Da hiernach mit wachsen- der Tempera tur der St rom stark ansteigt, wShrend der Gradient abnimmt, besitzt die Blitzs~iule eine fallende Kennlinie nack Bild 11.

" Die Ergebnisse unserer Reehnung st immen mit der Erfahrung einigermal3en fiberein. T e m p e r a t u r m e s s u n g e n yon v. E n g e l und S t e e n b e c k 1 zeigen zu- n~ichst, dab der Stickstoffbogen und der Luftbogen bei praktisch gleicher Tempera tur brennen. Die Bogentempera tur selbst lag bei 2 Amp. Bogens~crom zwischen 5000 und 6000 ~ K; die Extrapola t ion unserer Kurve aus Bild 10 ergibt einen vorztiglichen

1 Wiss. Ver6ff. Siemens-Konz. Bd. 10 Heft 2 S. 155.

Page 12: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

Archiv flit 180 Ol l endor f f , Versuch einer Theorie der BlitzsRule. Elektrotechnik.

Anschluf3 hieran. L a w r e n c e und D u n n i n g t o n 1 bes t immten mittels kerrelektri- schen Momentverschlusses die Ents tehungs tempera tur eines Funkens zu 10000 bis 11000 ~ Die Angaben fiber die B l i t z s t r 6 m e sehwanken stark: T o e p l e r 2 nennt Stromst~irken zwischen 6000 und 20000 Amp., h~ilt jedoch st~irkere Blitze ffir m6g- lich. B i e r m a n n s 3 konstruier t auf halbempirischer Grundlage einen , ,Normalbli tz" yon 175000 Amp.; dieser Wef t dfirfte jedoch reichlich hoch gegriffen sein, wenn- gleich yon L e w i s 4, P e e k 5 und F o r t e s c u e 5 Blitze bis zu 500000 Amp. beobachtet sein sollen. Noch weniger sicher sind die Angaben fiber den S ~ i u l e n h a l b m e s s e r und die S t r o m d i c h t e ; denn alle diesbezfiglichen photographischen Aufnahmen k6nnen durch lJberblendung oder durch Leuchten nichtlei tender Saumpart ien zu grof3 erscheinen. T o e p l e r 2 gibt als obere Grenze des I-Ialbmessers 20 cm und be- merkt, daft Blitzspuren an Fensterseheiben auf I-Iatbmesser yon nu t wenigen Milli- metern schlief3en lassen; gelegentliche Sch~itzungen von 5 m S~iulenhalbmesser dfirften sich auf die stark verbre i ter ten Endbfischel beziehen. B i e r m a n n s a land durch Laborator iumsversuche eine Stromdichte zwischen 500 und 5000 Amp./cm 2, die aller- dings, entgegen unseren Resultaten, mit wachsender Stromstfirke abnahm; T o e p 1 e r 2 dagegen sch~itzt die Stromdichte im weif3en Linienblitz auf 10000 Amp./cm 2, in genauer l~lbereinstimmung mit der Theorie. Der Gradient im Bogen betr~igt nach v. E n g e l und S t e e n b e c k (1. c.) 27 Volt/era, was mit unscren Zahlen ebenfalls gut zusammen- st immt.

Obwohl hiernach der Vergleich zwischen P~echnung und Beobachtung befriedigt, erscheint doch einstweilen bei der 1Jbertragung unserer theoretisehen Anschauungen auf andere Verh~ltnisse Vorsicht geboten. Man wird verlangen, daft die eingefiihrten Hypothesen dutch weitere Versuche belegt werden; in dieser Richtung dfirften, wie wir im n~ichsten A_bschnitt zeigen, quant i ta t ive Messungen des D o n n e r s weiter- ffihren. Vom theoretischen S tandpunk t wird es dann n6tig sein, den fundamentalen Vorgang der W i e d e r v e r e i n i g u n g und der R f i c k d i f f u s i o n auf statistischer Grund- lage genauer zu verfolgen.

7. F o l g e r u n g e n ffir den ze i t l i chen V e r l a u f des Bl i tzes . Die S~iulenkennlinie nach Bild 11 gesta t te t einige einfache Aussagen fiber den

zeitlichen Ablauf des Blitzes. Wir sehen hierzu diese Kennlinie nfiherungsweise auch ffir (langsam) ver~inderlichen Bli tzstrom als gfilti K an. Die gesamte Spannung der Bli tzbahn voI1 der Lfinge l ergibt sich dann als Summe der S~ulenspannung

U, = ~ . l (41)

mit dem Spannungsabfall im Widers tand R der Einschlagsstelle UR = _7. R . (42)

Allgemeine Gesetze ffir die GrSf~e des Widerstandes R k6nnen nicht angegeben werden, da er yon der Leitf~ihigkeit des Erdreiehs, vermut l ich aber auch yon dem Initialstrom und der Dauer des Blitzes abhangt. Beim E i n s c h l a g in f r e i e s E r d - r e i c h bohrt sich der Blitz erfahrungsgem~if3 mehrere Meter tiefe L6cher, deren Halb- messer die bereits angegebene Gr6fienordnung der S~iule besitzt. Sei g die Erdleit-

f~ihigkeit ( im 1 ) Mittel 10 -4 ~2c~ ' ~o m 1 cm tier Ylalbmesser, t ~ 2 m die Tiefe des

Blitzlochs, so schafft sich also der Blitz einen Widers tand 6 yon 2t

In R -- eo ~ 5 0 ~ . (43)

2 z ~ t 1 Physic. Rev. Bd. 35 (1931) S. 396. Elektrotechn. Z. 1932 S. 323.

Hermsdorf-Schomburg Mitt. Heft 25 S. 757. 3 Forschung und Technik S. 234:. 4 Tech. Mitt. Stud.-Ges. H6chstspannungsanlagen Nr. 51 S. 20. 5 Congr~s international d'61ectricit5 Paris 1932 Section 4 rapport 7. s Vgl. z .B.F. O l l e n d o r f f , Erdstr6me, S. 22.

Page 13: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

XXVII. Band. ~9a3. Ollendorff, Versuch einer Theorie der Blitzsfi, ule. 181

Bei Einschlfigen in besonders erstellte B l i t z a b l e i t e r oder in F r e i l e i t u n g s - m a s t e kommen kleinere Widerstfinde, doch kaum unter etwa 10 f2 vor. Dagegen kann nach (43) infolge schlechter Bodenleitf~thigkeit der Widerstand nach oben hin fast beliebig hohe Werte erreichen. Im Mittei dfirfte der Wert (43) einigermafJen das Richtige treffen.

Auch die Blitzl~inge ist in weiten Grenzen variabel. Toep l e r (a. a. 0.) nennt als Mittelwert 2 - - 3 km, doch ist auch sehon ein 49 km langer Blitz beobachtet worden! Fiir das Folgende wollen wir 1 = 3 km einsetzen.

Um uns yon den Einzelheiten der Feldumbildung zwischen Wolke und Erde zu befreien, benutzen wir das in Bild 12 dargestellte Schema: Der Wolkenkapazit~it C wird durch den aufsteigenden Luftstrom der

v o # ~ i I -- l ---- L . ._L . . ._ .__ - _

! I I - _ . -/ I I I I i

p l l I i~ I !1 o 2o t/o 6"0 80 zoo 12o 1r 16"o,

Bild 11. Kennlinie der station~iren Blitzs~ule.

, , T r e n n s t r o m " / t r zugef~hrt, welcher

gr z

.4us Zus

Bild 12. Vere in fach tes Schema de r Blitzbildung.

die Spannung U der Wolkenkapazit~tt bis zum Durchbruchswert der Blitzbahn steigert. Nach dem Einsatz des Blitzes entl~idt sich die Wolkenkapazit~it nach der Gleichung

_ _ f f d U _ _ C d (UI -Jr- U R ) _ _ f _ _ f tr . (44) dt d~

Hierbei durfte die Induktivit~it vernachl~issigt werden, well die Eigenschwin- gungen 1 des aus'Wolkenkapazit~tt und Blitzinduktivit~it gebildeten Schwingkreises weir schneller als das wirklich beobachtete Abklingen 2 des Blitzstroms erfolgen.

Die Trennstromdichte gleicht dem Produkt der Raumladungsdichte ~o mit der Trenngesehwindigkeit der Ladungstr~iger verschiedenen Vorzeichens. Nach L e n a r d 3 ergibt 1 cm a zerspritzen.des Wasser eine Ladung yon 10 -9 cbm/cm 3. In einer Wolke mit einer Ergiebigkeit yon I m m Regen je Kilometer Wolkenh6he hat man also eine Raumladung yon 10 -15 cbm/cm 3. Mit einer Trenngeschwindigkeit 8 yon 8 m/sec wird danach die Trennstromdichte

hr ~ 0,8 �9 10 -1~' Amp./cm ~. (45)

Sei F die yon einem Blitz entladene Wolkenfl~iche, so ist die Kapazit~it

C ---- A . F 1 (46) ~-, zJ-- 4~.9. 101 l

und der gesamte Trennstrom Itr ~ itr" F. Daher kann Gleichung (44) in die Form gebracht werden:

- - F A

Da nun F die Gr6t3enordnung yon 1 km ~ = 10 l~ cm ~ besitzt, so ist der Blitz- strom I i m allgemeinen (d. h. solange eine leuchtende Entladung besteht) viel gr6t3er ats der Trennstrom Itr. Daher folgt aus (44a)

d ( ~ + U*) (44b) I , ~ - - F . A �9 at - "

R. R f i d e n b e r g , Elektr . Schaltvorg/inge, S. 53. - - F. E r o d e , Elekt ro techn. Z. 1910 S. 675. 2 j. B i e r m a n n s , a. a. O. -- H. N o r i n d e r , Elektr . Nachr . -Techn. Bd. 9 (1932) S. 195. 3 Ann. Physik, Bd. 47 (1915) S. 463; Bd. 65 (1921) S. 629. - - R. S e e l i g e r , Sitzgsber. Akad.

Wiss. Wien ITa, Bd. 125, (1916) S. 1167.

Page 14: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

Arch iv f i i r 182 O 11 e n d o r f f, Versuch einer Theoi-ie der Blit zsgule. Elektrotechnik.

Es sei I o der (positive) Initialwert des Stroms (t = 0) .

grfinden auch ffir t > 0 der Strom positiv bleiben muB, gilt

< 0 , dt

d I oder auch, da -~- < 0

Da aus Stetigkeits-

(47)

auf, dessen Lage dureh

C?2b eo ,~ /

~a /,/ sc ] / i

7o p . 70L2 _ ,7tromskdrke

P I I 0 20 ga Ca 6'0 100 720 lqO f6'O,

dab die resultierende Kennlinie wieder R = 5 0 0 oder R = 10,O) ein Minimum

d~ R ez + T = 0 (48)

r{ 2a

O 20 r 5"0 80 100 Y2O lga /d'g,

Bild 13. Resultierende Kennlinie je L~ingenein- Bild I4. Abreiflstrom als Funktion des Ein- heit der S~iule mitEinschlutt des Erdwiderstandes. schlagwiderstandes ffir einen 3 km langen Blitz.

gegeben ist. Sobald der abnehmende Blitzstrom den Betr iebspunkt (48) erreicht, wird der Vorgang instabil, der Blitz reiBt ab. In Bild 12 sind nach Gleichung (48) /&# -

10 - - \ , . . #dckz~'ndun_q

o -~ ~ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ ~ 46 t ; 6 ~ . x / N N \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ N

5 - - ~ 1 •

1/, ! A'#'ckzS"odstrom

I I I I INXg}O~\\\\\"b.\\\\'NN.\\\N O za ca so so faakn 12o

Bild 15. Abreigen und Rfickztinden des Blitzes.

ffir einen 3 km langen Blitz die Widerstands- werte eingetragen, die ein solches vorzeitiges Ab- reigen des Stroms bewirken. In dem Regelfall eines Blitzschlags entsprechend Gleiehung (43) mut3 man hiernaeh erwarten, dab der Blitz bei etwa 2000 Amp. abreifit, w/ihrend bei Einsehlag in einen Mast mit etwa I0 .Q Ausbreitungswider- s tand mit 43000 Amp. AbreiBstrom zu reehnen ist. Die Abrei13spannung besitzt hierbei die Gr0gen- ordnung yon etwa I0 �9 3 �9 105 = 30 �9 10 a Volt.

Durch die St romunterbrechung wird das Druckgleiehgewieht in der S~iule zerstort, weil die elektrodynamisehe Volumkraf t pl0tzlich ausbleibt. Die S~iule , ,explodiert" mit dem Part ia ldruek der geladenen Teilchen nach Bild 4, die entstehende

Schallwelle wird als D o n n e r h0rbar 1. Sollte sich diese Auffassung bew~ihren, so enthalten die Gesetze des AbreiBstroms gewisse Aussagen fiber die St~trke des Donners: Mit waehsender Blitzl~inge und abnehmendem Widerstand der Einschlagsstelle sind

1 Diese Ansicht wird bereits yon A i g n e r ausgesprochen. Diss. T. H. Berlin, noch nicht ver6ffentlicht.

des S~iulengradienten derart fiberwiegen, ansteigt. In diesem Falle t r i t t (Bild 14,

~ > o . (47 a)

Ffigt man also zu der Sfiulenkennlinie die auf die L~ingeneinheit der Bli tzbahn ur

bezogene W i d e r s t a n d s g r a d e T - , . s o mug die resultierende Kennlinie im Bereiehe des

fast station~ren Blitzstroms I fallen. Diese Bedingung ist ffir sehr hohe Werte des Widerstands R sicher ffir alle I > 0 zu erffillen (Bild 14, R = 100 52). Wenn jedoeh der Widerstand zu klein wird, kann bei hinreiehend kleinen Str0men der EinfluB

Page 15: Versuch einer Theorie der Blitzsäule

XXVII, Band. ~933. O l l e n d o r f I , Versuch einer Theorie der ]31itzs~nle. 183

kraftigere Donnerschl{ige zu erwarten. Es erscheint aussichtsreich, den Donner- schall quantitativ etwa mittels eines Kondensatormikrophons zu messen, um daran unsere Ergebnisse zu prtifen.

Nach Erl0schen des Stroms wird die Wolke durch den Trennstrom sogleich wieder aufgeladen. Nach Gleichung (44 a) und (45) ist der zeitliche Anstieg der Wolken- spannung

d U _ _ / i t r ~ 10" l Volt /sec. (49) d t - A

Das gibt ffir einen drei Kilometer langen Blitz einen Spannungsaastieg yon 30.105 Volt/sec. Wfirde nun die Blitzbahn nach Abreit3en des Stroms ihre Leit- fahigkeit sogleieh v611ig verlieren, so mfit3te die Wolkenspannung bis zur Zfindspan- hung des Blitzes (Gr6fienordnung 100 MV) anwachsen, ehe eine neue Entladung ein- setzt; diese ist dann ganz unabh~ingig yon der ersten, sie erfolgt unter den ange- nommenen Verh~iltnissen erst etwa 5 rain sparer. In Wahrheit kommt jedoch der Blitzbahn nach dem Abreigen der S~iule noch eine erhebliche Leitf~ihigkeit zu, die erst durch die Abkfihlung der Saule und die damit verbundene Rekombination der Tr~iger verschwindet. Daher gentigt eine nur wenig fiber der Abreigspannung liegende Span- hung, urn den noch hoch leiff~ihigen Kanal der vorangegangenen Entladung erneut zu zfinden. Diese zweite Entladung verlauft nun, abgesehen yon dem verringerten Initialstrom, nach denselben Gesetzen wie die erste: Der Strom reifit ab, die Wolke wird aufgeladen bis zur abermaligen Riickzfindung usw. In Bild 15 ist dieses dauernde Umspringen des Vorgangs far R = 10 .(2 (Masteinschlag) angedeutet. Ks entspricht genau den bekannten R e l a x a t i o n s s c h w i n g u n g e n etwa beim Betrieb einer Glimm- lampe mit Parallelkapazitfit und gestattet auch die gleiche quantitative Darstellung. Wir verzichten jedoch auf eine solche Diskussion, da fiber die GrOfie der Rfickzfind- spannung einstweilen nichts bekannt ist, und behalten uns vor, sp~iter darauf zurfick- zukommen. Hier geu~ige folgende Absch~itzung: Nimmt man an, dab eine 1% fiber der Abreifispannung liegende Spannung erneut (ohne Entladeverzug) zfindet, so mug bei den yon uns angesetzten Verhaltnissen die Wolkenspannung um etwa 0,01 • 30 �9 105 Volt steigen; dies geschieht nach Gleichung (49) innerhalb yon 1/loo sec. Dieses Ergebnis ist weitgehend unabh~ingig yon der Blitzlange, sofern nur fiberhaupt der Strom vorzeitig abreil3t. Der Abreifistrom jeder Einzelentladung ist in unserem ein- fachen Schema immer der gleiehe, daher hat auch die Abreit3temperatur und-der zugeh6rige ,,Teildonner" einen wohldefinierten Wert; natfirlich gilt dies nur, solange man mit der fast station~iren Kennlinie rechnen daft, so dab wir fiber die Zahl der kongruenten Teilentladungen nichts sagen k0nnen.

Jedenfalls besitzen aber diese Teilentladungen gegenfiber den einzelnen, durch minutenlange Pausen getrennten Schl~igen den Charakter eines einzigen, unter Um- stfinden allerdings die Gr6/3enordnung einer Sekunde wfihrenden ,,Blitzes". Dadurch haben wir eine zwanglose Deutung der bekannten Wal te r schen Blitzaufnahmen mit rotierender Kamera gefunden; es solt indes nicht behauptet werden, dab unsere Erkl~irung die einzig m6gliehe ist. Auf der anderen Seite erweist es sich yon unserem Standpunkte aus durchaus als moglich, dab ein Blitz in einem einzigen Sehlage ohne Rfickzfindung niederf~ihrt, falls n~imlieh der Einsehlagswiderstand so hoch oder die Blitzs~iule so kurz ist, daft die resultierende Charakteristik kein Minimum aufweist (Bild 14, R = 100 ~C2).

8. Zusammenfassung. Es wird versucht, eine quantitative Theorie der fast stationaren Blitzs~iule zu

entwiekeln. Unter hinreiehend vereinfachenden Annahmen wird zun~iehst die Gas- dissoziation in der S~ule nach der Sahaschen Formel berechnet. Die Leitfahigkeit wird hieraus unter der Annahme elastischer Zusammenst6fie zwischen Elektronen

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und neutralen Molekeln gefunden; sie h~ingt yon der Gr6t3e des S~iulengradienten ab. Es wird die Hypothese eingef~hrt, dab der Partialdruck der neutralen Teilchen in der S~iule dem Druck der neutralen Teilchen auf3erhalb der Sfiule das Gleichgewieht halte, w~ihrend der Partialdruck der geladenen Teilchen der SS.ule yon den elektro- dynamisehen Volumkr~tften des Stroms aufgenommen werden soll. Die Erhaltung der Teilchenzahl (Materiebilanz) und der Ladung ftihren dann zu der Auffassung eines zus~itzlichen elektrischen Radialfeldes, welches die unterschiedlichen Diffusions- strOme der TrSger versehiedenen Vorzeichens ausgleieht. Weiter ergibt sich hieraus eine Beziehung zwischen S~tulentemperatur und AuBentemperatur, welehe es gestattet, die Energieabfuhr je Einheit der S~iulenoberfl~iche abzusch~itzen. Es wird nach- gewiesen, dab die vernachl~issigte Strahlung nichts an der Gr6fienordnung der spe- zifisehen Energieabfuhr ~indert. Die Energiebilanz zwisehen erzeugter Stromw~irme und Energieabfuhr liefert zusammen mit den Druekgleichgewiehtsbedingungen den Gradienten und den S~iulenhalbmesser als Funktion der S~iulentemperatur. Damit sind alle Daten der SS..ule berechenbar: die Elektronentemperatur, die Stromdichte, der S~iulenstrom. Der Zusammenhang zwisehen dem Gradienten und dem S~iulen- strom (Charakteristik) gestattet qualitative Aussagen tiber den zeitlichen Ablauf des Blitzes. Insbesondere wird eine Erkl~irung ftir die yon W a l t e r nachgewiesenen Teilentladungen gefunden.

Obwohl die Theorie mit den (sehr sp~irlichen) Erfahrungszahlen einigermafien zusammenstimmt, ist sie doch nur als erster Versuch zu werten. Insbesondere wird es n0tig sein, den Mechanismus der Rekombination und Rtickdiffusion im S~iulen- rand, sowie die Frage der I{tickzfindung der vorionisierten S~tule genauer zu behandeln. Aut3erdem mtissen die Grundannahmen der Theorie an weiteren Experimenten ge- priift werden; die* Arbeit enth~ilt einige hierzu geeignete Vorschl~ige.