versuch einer neuen deutung der constitution der sog. imide

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des Wnsser- uiid Fetlgehaltes dee Gehirno. 55 rehr analoge qwnntktaldve Mischung besilzt , wenigslens in Be- treff des Wasser- und Fettgehaltes. Kommt uns hier nicht in spaterer Zcit der Nachweis bedeutender qualitativer Differen- Zen zu Hulfe, so bleibt riicksichtlich des niateriellcn Substrates fur die Hirnfunctianen und Geistcsthltigkeiten wenig Atifklii- rung fur die aergleichehde P$ychologb zu hoffen ; offenbar bestitnnit dann weit mehr die Form, die specielle Organisation nind anatomisclre Entzoiclrlung die Fahigkeib der Nervenmaterie zii lroheren oder niedereren Leislungen. Schliefslich miiclite ich noch sehr zu vergleichenden Aschenanalyscn und StickstoffbesLimmiingcn dcr Gehirntlieile und Substanzcn derselben und versclticdcner Menschen und Thiere auffordern; viellcicht dafs sich von dieser Seite her die vorausgesetzten Verschiedenheiten auch in der Mischung des Substrates ergeben. Erst wenn auch sie geliefert sind, wenn fermer das norinalc menschliche Gehirn nacli allen Seiten hin und in seinen manclierlei En twicklungszustanden qaantitativ und qualitativ erforscht eeyn wird, lafst sich an erspriefsliche Folgerungen (nach cherriisclien Analysen) fur die Palhologie des Nervensystems eher denken. Tiibingen deh 1. Septbr. 1852. Prof. Schlofsberger. Versuch einer rieuen Deutung der Constitution der sog. Imide; von J. Schlorsberger. (Nach einem Vortrage in der Naturforschervereammlung zu Wieabadcn.) Schon in der crsten Auflage meines Lehrbuclis der or- ganischen Chemie hatte ich versucht, die exceptionelle und -

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Page 1: Versuch einer neuen Deutung der Constitution der sog. Imide

des Wnsser- uiid Fetlgehaltes dee Gehirno. 55

rehr analoge qwnntktaldve Mischung besilzt , wenigslens in Be- treff des Wasser- und Fettgehaltes. Kommt uns hier nicht in spaterer Zcit der Nachweis bedeutender qualitativer Differen- Zen zu Hulfe, so bleibt riicksichtlich des niateriellcn Substrates fur die Hirnfunctianen und Geistcsthltigkeiten wenig Atifklii- rung fur die aergleichehde P$ychologb zu hoffen ; offenbar bestitnnit dann weit mehr die Form, die specielle Organisation nind anatomisclre Entzoiclrlung die Fahigkeib der Nervenmaterie zii lroheren oder niedereren Leislungen.

Schliefslich miiclite ich noch sehr zu vergleichenden Aschenanalyscn und StickstoffbesLimmiingcn dcr Gehirntlieile und Substanzcn derselben und versclticdcner Menschen und Thiere auffordern; viellcicht dafs sich von dieser Seite her die vorausgesetzten Verschiedenheiten auch in der Mischung des Substrates ergeben. Erst wenn auch sie geliefert sind, wenn fermer das norinalc menschliche Gehirn nacli allen Seiten hin und in seinen manclierlei En twicklungszustanden qaantitativ und qualitativ erforscht eeyn wird, lafst sich an erspriefsliche Folgerungen (nach cherriisclien Analysen) fur die Palhologie des Nervensystems eher denken.

T i ib ingen deh 1. Septbr. 1852. Prof. S c h l o f s b e r g e r .

Versuch einer rieuen Deutung der Constitution der sog. Imide;

von J . Schlorsberger. (Nach einem Vortrage in der Naturforschervereammlung zu Wieabadcn.)

Schon in der crsten Auflage meines Lehrbuclis der or- ganischen Chemie hatte ich versucht, die exceptionelle und

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scheinhar a1,riornie Constitution der 1, a u r e n t ' sclien h i d e dahin xu tcriinclerii, dafs man dieselbcn als norinale Nilril- saureti interprclire und auf dicse Art aus ihnen eine Reihe von librpcrn bilde, dic zii den bishcr bekanntcn Nitrilen sich i n dcrselbcn Weisc vcrhiellen , wic die Amitlsauren zu den Aniiden. Es ist ruir uhcr diesen Deulungsversuch hislier we- tler ein zuslin~mcnclcs noch verwerfendrs iilTentlichcs Urlheil his jelzt l~ekannt gcwordcn ; dagegen habe ich niit Vergnugen wahrgenonniion , (Id's spatcr I i o l b e (diese Annalen , LXXVI, 58) e1~t:nfallv das Gczwungcne dcr L a u r e n t'sclien Ansicht von seirien Iinitlcn gefulilt, und wenn auch niclit auf dieselbe, doc11 auf analoge Wcisc dieselbe zu vereinhclien gestrebt hat.

Man hann sicli a priori ails den sauerstoffsauren Am- inoniun~oxytlsalzcn durcli Austretcn von Wasseratomcn eine doppcllc Rcihe to11 j c viercrlci Verbindungen der Reste aus dem Ainmoniumoxyd untl ails dcr Sauerstoffsaure hervorgehend denken, nainlicli : A. Aus nculralem Aminoninin-

oxydsalz : ROS + NHJO.

1. ROJNHS (sog. wasscrfrcics A i m o n sit lz)

2. ROZNI12 (ncutralcs Aiiiitl) 3. RO N H (ncutralcs Iinid) 4. RIY (ncutralcs Nitril).

B. Aus saurem Ammonium- oxydsalz :

~ 0 3 ~ ~ 4 0 + R O ~ H O . 1. ROSNHS+RO$HO (Ammon-

saure) 2. R02NI12+RO~HO(AniidsPure) 3. RO 11'H +ROSHO (Imidsaurc) 4. RN + ROSHO (Nitrilsiiurc).

Bis jetzt fchlcn in diesem Schema in der neutralen Rcilie (A) nor die Ruhrilr 3 (Pic Iinidc), dagegen in der saurcn Rcihc die Ruhrikcn 1, 3 und 4. L a u r e n t und einige Chemi- ker nach ihm liatten Verbindungen kennen gelehrt , welche durch Verlost von 4 Atomen Wasser aus den sauren Am- moniumoxydsalzen, oder was im Resultat dasselbe ist , durch Verlust von 2 Atomen Wasser aus dcn Amidsauren hervor- gchcn, und denen dahcr dic allgeineinc Foriiiel R204NH zii-

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der Coicstitutiorc der sog. Imide, 57

kotntnt. Aiiffallenderweisc hiit meines Wissens bis heute Nie- inand diese Iiiirpcr, denen cinigertnafscn saure Eigenschaften zuzukomtneii sclieineu , als die sauren Nitrile betraclitet , son- dern inan hat sie, wie schon atis ihrem gcbrauchlichen Namen ,,Itnide' hervorgeht , als Verbindungen des hypothetischen achten Inlids mit der woasserfreien SlUrC angesehen , also a h RONH + ROS. Die inerltwiirdige Tliatsache, dab bis jelzt solche Korper nur von Saurcn erhalten werden konnten, welclie ills Anhydride bestehen kiinnen , schien zu Gunsten clieser Deutuiig zu spreelien. Allein nacli G e r h a r d t ' s new- sten Untersuchungen scheint es wahrscheinlich, dars man viel- Ieiciit nocli von allen organischen Sauren die Anhydride zu isoliren lernt ; und auf der anderen Seite diirfte wenigstens vorlaufig die nachsteliende Interpretation der L a u r e n t ' schen Imide viel einfacher und uin so annehinbarer erscheinen , als sie cine schiine Uebereinstitntnung zwischen den Amiden und Nitrilen herbeifuhrt.

Man denke sich diese sog. Imide als Verbindungen der neutralen Nitrile nrit 1 Aeq. Saurehydrat, also das Caniphimid als eine Verbindung voti Camphonitril mit Camphersaureliydrat. Wir crhalten so cine durchgreifende Parallelc zwischen den neutralen und sauren Ammoniunioxydsalzen, den neutralen und sauren Amideu, den neutralen nnd sauren Nitrilen. Dagegen fallt tnerkwiirdigenveise das ganze Mittelglied dcr Jmidverbindungen viillig Bus. Uebrigens bleibt diese Kluft auch nach L a u r e n t's Hypothese, indeni kein Analogon einer Verbindung mit eineni Anhydride in der Reihe der Aniide und Nitrile bisher bekannt ist. Nur rnit den sog. wasserfreien Ammonverbindungen liefse sich die L a u r e n t ' sclie AuFdssung seiner Imide parallclisiren, insofern man sich erstere als Verbindungen von NHs iriit was- serfreicr Saiirc clcnlit. Ucbrigcns licl'scn sich dicse Ainnion- verbindungcn auch als Pilarungen des normalcn Arntnonium- oxydsalzcs niit dem entsprechenden Airlid ansehen :

2 (SOSNHS) = SOSN€140 + S02NH2.

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58 Schl o f s 6 e r g e r , Vevsuch einer neuen Deutung etc.

Bestatigen sich die sauren Eigenschaften der seibher Imide genannten Kiirper, nainentlich ihre Neigung, sich mit gewissen Basen zu verbinden, so giebt unsere Deutung eine genugende Erklarung, da sie ja 1 Aeq. Siiurehydrat in ihnen voraussetzt, nicht aber die bisher ubliche, da ja die Anhydride keine ei- gentlichen Saurecharactere rnehr besitzen.

Kol b e ha2 die L a u r e n t 'schen Jmide als Paarungen von Cyanverbindungen mit 1 Aeq. Saurchydrat zu Iinterpretiren versucht, und gleichfalls die sauren Eigenschaften derselben als ein Moment zu Gunsten dieser Deutung angefuhrt. Er betrachtet z. B. das Camphirnid als C J C ' ~ H I ~ + C20sH0, nacli der ihrn oigenthumlichen Auffassung von den gepaartcn Oxal- sauren und gemafs seiner intercssanten Vergleichungen der neutralen Nitrile rnit den Cyanverbindungen der Alkoholradi- cale etc. Wie nach ihrn aus einem neutralen tlmmoniumoxyd- salz oder einem neutralen Amid als Eqdprodiict der Wasser- eliinination eine neutrale Cyanverbindung hervorgeht , so Igst er aus einem sawen Ainmoniumoxydsalz oder auch einer Amid- saure eine mit Silurehydrat gepaarte Cyangruppe entstehen.

Uebrigens gesteht Kol be selbst zu [I. c.), daQ man h i der Verfolgung dieser seiner Hypothese auf bedeutende Schwie- rigkeiten stoke; man wurde dadurch z. B. bei den h i l m zu sehr kunstlichen und vielfach rein hypotlietischen Annahmen genothigt. Nach meiner Interpretation wiirden diese Schwie- rigkeiten gam vermieden ; die Anile wiiren (den L awr en t'- schen Iiniden durchaus entsprechend) Verbindungen von Anilin- nitrilen (welche freilich bisher noch rricht fiir sich dmgestelit werden konnten) mit Siiurehydrat ; also Succinanil ware SUC- cinanilinnitrilsaure, d. h. eme Verbindung von Succinanilinnitril mit Bernsteinsiiurehydrat.

Ich empfehle diese Deutung der experimentellen Kritik besonders derjenigen Cheniiker, die sich init den sog. Imiden beschaftigt haben.