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250-4003-8222/2017-E-S-015-GTH Seite 1 von 37 Vergabekammer Freistaat Thüringen Beschluss In dem Nachprüfungsverfahren, §§ 155 ff. GWB; aufgrd. des Nachprüfungsantrages vom 13.09.2017 der Bietergemeinschaft "XXX" ./. Rechtsanwalt YYY als Insolvenzverwalter über das Vermögen der YYY GmbH, betreffend das Vergabeverfahren "Europaweite Ausschreibung (offenes Verfahren) von Busverkehrsleistungen im Landkreis xxx (2017/S 119-240963), Lose 3-6" Verfahrensbeteiligte: Bietergemeinschaft „XXX“, bestehend aus den Mitgliedern 1. XXX GmbH v.d.d. Geschäftsführerin xxx xxxx xxxx -gleichzeitig auch die Vertreterin der Bietergemeinschaft- 2. XXX Inhaberin xxx xxxx xxxx 3. XXX Inhaber xxx xxxx xxxx 4. XXX GmbH v.d.d. Geschäftsführer xxx xxxx xxxx - Antragstellerin - (AST) Verfahrensbevollmächtigte: XXX Rechtsanwälte und Insolvenzverwalter GmbH Rechtsanwalt xxx xxxx xxxx gegen

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Vergabekammer Freistaat Thüringen Beschluss

In dem Nachprüfungsverfahren, §§ 155 ff. GWB; aufgrd. des Nachprüfungsantrages vom 13.09.2017 der Bietergemeinschaft "XXX" ./. Rechtsanwalt YYY als Insolvenzverwalter über das Vermögen der YYY GmbH, betreffend das Vergabeverfahren "Europaweite Ausschreibung (offenes Verfahren) von Busverkehrsleistungen im Landkreis xxx (2017/S 119-240963), Lose 3-6" Verfahrensbeteiligte: Bietergemeinschaft „XXX“, bestehend aus den Mitgliedern

1. XXX GmbH v.d.d. Geschäftsführerin xxx xxxx xxxx

-gleichzeitig auch die Vertreterin der Bietergemeinschaft-

2. XXX

Inhaberin xxx xxxx xxxx

3. XXX

Inhaber xxx xxxx xxxx

4. XXX GmbH

v.d.d. Geschäftsführer xxx xxxx xxxx

- Antragstellerin - (AST)

Verfahrensbevollmächtigte: XXX

Rechtsanwälte und Insolvenzverwalter GmbH Rechtsanwalt xxx xxxx xxxx

gegen

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Herrn Rechtsanwalt YYY als Insolvenzverwalter über das Vermögen der YYY GmbH yyyy yyyy

- Vergabestelle - (VST)

Verfahrensbevollmächtigte: YYY PartGmbB

Rechtsanwalt yyy yyyy yyyy

beigeladen: ZZZ GmbH v.d.d. Geschäftsführer zzz zzzz zzzz

- Beigeladene - (BEI)

Verfahrensbevollmächtigte: zzz Partnerschaftsgesellschaft mbB

Rechtsanwalt zzz zzzz zzzz und Rechtsanwälte QQQ Rechtsanwalt qqq qqqq qqqq

hat die Vergabekammer Freistaat Thüringen, in der Besetzung mit Herrn Regierungsdirektor Scheid als Vorsitzendem, Herrn Oberregierungsrat Gers als hauptamtlichem Beisitzer und Herrn Fischer als ehrenamtlichem Beisitzer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2017 am 09.11.2017 beschlossen: 1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zur ückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen.

3. Die Antragstellerin hat die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung not -wendigen Aufwendungen der Vergabestelle und der Bei geladenen zu tragen.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Nachprüfungs -verfahren durch die Vergabestelle und die Beigelade ne wird für notwendig erklärt.

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5. Die Gebühr für das Nachprüfungsverfahren wird auf xxx Euro festgesetzt. Auslagen werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Landkreis xxx ist für sein Kreisgebiet nach § 8 Absatz 3 Satz 1 PBefG in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nr. 2 ThürÖPNVG Aufgabenträger für den Straßenpersonennahverkehr. Er hat die VST bis zum 30.06.2019 mit der Erbringung von Busverkehrsleistungen im Stadt- und Kreisgebiet xxx betraut. Die VST ist Inhaberin der nach den §§ 2 Absatz 1 Nr. 3, 9 Absatz 1 Nr. 3, 42 ff. PBefG erforderlichen (Betriebs-/Linien-) Genehmigung für die von ihr bedienten Buslinien. Sie erbringt die übergreifenden Management- und Organisations-leistungen selbst und greift zur Erbringung der operativen Busverkehrsleistungen auf Dritte zurück. Die VST befindet sich seit dem xxx in Insolvenz. Vor diesem Hintergrund hat die VST am 24.06.2017 den öffentlichen Auftrag Busverkehrs-leistungen im Landkreis xxx im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union im Wege eines offenen Verfahrens europaweit ausgeschrieben (ABl./S. 119, 240963-2017-DE). Die im Stadt- und Regionalverkehr zu erbringenden Busverkehrsleistungen waren nach näherer Maßgabe von Ziffer II.2) der europaweiten Ausschreibung in sechs Lose unterteilt. Nach Ziffer II.2.5) der europaweiten Ausschreibung ist für jedes der Lose der Preis das maßgebliche Zuschlagskriterium. Nach Ziffer II.2.7) der europaweiten Ausschreibung soll der losweise zu vergebende Betriebsleistungsvertrag zur Durchführung des Busverkehrs jeweils am 01.12.2017 beginnen und am 30.06.2019 enden. Die Ziffer IV.2.2) der europa-weiten Ausschreibung hat die Angebotsfrist auf den 31.07.2017, 12:00 Uhr, festgesetzt. Nach Ziffer 3.4.2, Unterabsatz 2, des Leitfadens zu Ausschreibung und Bewerbungsbe-dingungen hat der Bieter bereits im Angebot zwingend zu erklären, ob er sämtliche Leistungen selbst erbringen oder einen Teil der Leistungen an andere Unternehmen ver-geben will. Der Bieter muss mindestens 50 % der ausgeschriebenen Leistungen pro Los gemessen in Fahrplankilometern selbst erbringen. Der in Ziffer 1. der Leistungsbeschreibung enthaltenen Tabelle ist die losweise geforderte Fahrleistung in Fahrplankilometern zu entnehmen. Danach beinhalten die Lose 3 bis 6 ins-gesamt 1.173.856,80 Fahrplankilometer. Nach Ziffer 3.2.4.1, Unterabsatz 4, der Leistungs-beschreibung sollen durch den Auftragnehmer grundsätzlich Standardlinienbusse und Ge-lenkbusse/15-Meter-Busse eingesetzt werden. Nach Ziffer 3.2.4.3, Unterabsatz 2, der Leistungsbeschreibung sind im Regionalverkehr pro Los gemessen in Fahrplankilometern mindestens 30 % und im Stadtverkehr mindestens 80 % Niederflur- oder Low Entry-Busse einzusetzen. Der Auftragnehmer hat insbesondere nach den Ziffern 3.1.1, 3.2.3 und 3.2.4 der Leistungsbeschreibung und nach § 3 Absätze 1 und 2 des Entwurfs eines Betriebs-leistungsvertrages zur Durchführung des Busverkehrs die erforderlichen Kapazitäten an ge-eignetem Personal und geeigneten Fahrzeugen bereitzustellen. Der Auftragnehmer haftet bei Verstößen gegen seine Pflichten nach näherer Maßgabe der §§ 6, 10 des Entwurfs eines Betriebsleistungsvertrages zur Durchführung des Busverkehrs. Dem Anhang 1 An Anlage 2 Leistungsbeschreibung Losbeschreibungen im Überblick ist der von der VST losweise veranschlagte Fahrzeugbedarf zu entnehmen (Los 1: insgesamt 5, Los 2: insgesamt 4, Los 3: insgesamt 5, Los 4: insgesamt 5, Los 5: insgesamt 6, Los 6: insgesamt 5). Die AST hat bei der VST unter dem 21.07.2017, eingegangen am 28.07.2017, Angebote für die Lose 1 bis 6 abgegeben. Die BEI hat bei der VST am 31.07.2017 noch vor Ablauf der Angebotsfrist Angebote für die Lose 3 bis 6 abgegeben. Die BEI hat nach Ziffer 1.2 des von ihr ausgefüllten Angebots-formulars ihr Angebot als Einzelunternehmen angegeben; sie hat ausweislich Ziffer 1.4 des Angebotsformulars keine Angabe zu einer von ihr etwa beabsichtigten Unterbeauftragung gemacht. Die BEI ist durch den ppp-Kreis mit Aufgaben des öffentlichen Personennahver-kehrs im ppp-Kreis und in angrenzenden Gebieten betraut worden. Der ppp-Kreis ist über

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seine hundertprozentige Tochtergesellschaft, die ppp-Kreis Personenverkehrsgesellschaft mbH (im Folgenden: ppp), mit 34 % an der BEI beteiligt; die restlichen 66 % der Geschäftsanteile werden von Herrn pppp gehalten. Herr aaaaaaa Omnibusbetrieb und Reisebüro e.K. (im Folgenden: Herr aaaaa) hat am 31.07.2017 noch vor Ablauf der Angebotsfrist Angebote für die Lose 1 bis 6 abgegeben. Nach der Durchführung von Bietergesprächen mit der AST am 31.08.2017 und mit Herrn aaaaa am 04.09.2017 und einer Auswertung aller Angebote am 04.09.2017 hat die VST am 04.09.2017 der BEI im Rahmen einer Bieterinformation ihre Absicht mitgeteilt, die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 bezuschlagen zu wollen. Des Weiteren hat die VST am 04.09.2017 der AST im Rahmen einer Bieterinformation ihre Absicht mitgeteilt, die Angebote der AST auf die Lose 1 und 2 bezuschlagen zu wollen, die Angebote der AST auf die Lose 3 bis 6 jedoch nicht berücksichtigen zu wollen, da es sich insofern nicht um die Angebote mit dem niedrigsten Preis handele. Die VST hat der AST weiter ihre Absicht mit-geteilt, für die Lose 3 bis 6 den Zuschlag auf die insofern abgegebenen Angebote der BEI zu erteilen. Die VST hat am 04.09.2017 Herrn aaaa im Rahmen einer Bieterinformation ihre Absicht mitgeteilt, seine Angebote auf die Lose 1 bis 6 nicht berücksichtigen zu wollen und dies auf eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen durch Herrn aaaaa, auf eine fehlende Eignung von Herrn aaaaa sowie auf fehlende Preisangaben Herrn aaaa gestützt. Die VST hat Herrn aaaa weiter ihre Absicht mitgeteilt, für die Lose 1 und 2 den Zuschlag auf die Angebote der AST und für die Lose 3 bis 6 auf die Angebote der BEI erteilen zu wollen, da diese Angebote bezogen auf die jeweiligen Lose die preislich niedrigsten Angebote darstellten. Die AST hat mit Telefax/Schreiben vom 11.09.2017 gegenüber der VST mehrere Vergabe-verstöße gerügt und insofern um unverzügliche Abhilfe und Mitteilung hierüber bis 13.09.2017, 12:00 Uhr, gebeten. Sie hat für den Fall der Nichtabhilfe einen Nachprüfungs-antrag bei der Vergabekammer in Aussicht gestellt. Die AST hat ihre Rügen im Einzelnen wie folgt begründet: Die BEI könne nicht gewährleisten, nach Ziffer 3.4.2 des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen mindestens 50 % der ausgeschriebenen Leistungen pro Los ge-messen in Fahrplankilometern selbst zu erbringen. Die Lose 3 bis 6 beinhalteten gemäß der Leistungsbeschreibung 1,162 Mio. Fahrplankilometer pro Jahr. Der Auftragnehmer habe nach der Ausschreibung für die Ausführung der Leistungen in den Losen 3 bis 6 ins-gesamt 21 Omnibusse in der geforderten technischen Spezifikation zu stellen. Die BEI könne die in Ziffer 3.4.2 des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen geforderte Kapazität der Eigenerbringung der Leistungen für die Lose 3 bis 6 nicht er-bringen. Gemäß den Angaben der BEI auf ihrer Homepage vom 08.09.2017 verfüge sie über eine Busflotte von 39 eigenen Fahrzeugen. Diese 39 Fahrzeuge untergliederten sich in 7 Kleinbusse, die für die ausgeschriebenen Leistungen nicht geeignet seien, sowie in 5 Reisebusse, die die technischen Spezifikationsanforderungen der Ausschreibung nicht er-füllten, so dass die BEI über insgesamt 27 Linienbusse verfüge, die dem Grunde nach den Ausschreibungsbedingungen für die Lose 3 bis 6 entsprächen. Allerdings seien diese Busse für den Einsatz im ÖPNV im ppp-Kreis gebunden und zwar für 4 Stadtbuslinien und 18 Regionalbuslinien. Zudem seien diese 27 Linienbusse mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. Die Förderbestimmungen beinhalteten die Auflage, dass die Fahrzeuge in der ört-lichen Zuständigkeit des Aufgabenträgers zweckgebunden eingesetzt würden. Dies sei vor-liegend der ppp-Kreis. Da die BEI mit der derzeit zur Verfügung stehenden Fahrzeugkapa-zität die ausgeschriebene Leistung nicht abdecken könne, da sämtliche Fahrzeuge für den Stadt- und Regionalverkehr im ppp-Kreis vertraglich fest gebunden seien, liege im Falle der Zuschlagserteilung an die BEI für die Lose 3 bis 6 ein Vergabeverstoß vor. Zwar sei denk-bar, dass die BEI die geforderte fünfzigprozentige Eigenausführung für die Lose 3 bis 6 dadurch zu untersetzen suche, indem sie diese Kapazität durch den Kauf oder die Option für einen Kauf von Unternehmensteilen einer anderen Omnibusverkehrsgesellschaft be-lege. Jedoch sei in diesem Fall zu berücksichtigen, dass der Erwerb von Unternehmens-teilen nebst den damit einhergehenden Investitionen, die sich möglicherweise auch auf die Anmietung von Fahrzeugen und eine Personalüberlassung bezögen, aufgrund des damit

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verbundenen Finanzvolumens ein zustimmungsbedürftiges Geschäft darstelle. Nach Kenntnis der AST sei die erforderliche Zustimmung seitens der ppp als Mitgesellschafterin der BEI bislang nicht erteilt worden. In diesem Zusammenhang sei auf den Ausdruck aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts Jena vom 08.09.2017 zu verweisen, welcher für die BEI als Geschäftsgegenstand die Erfüllung von übertragenen Aufgaben des ppp-Kreises als Aufgabenträger des straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), insbesondere die Gewährleistung des ÖPNV und die Übernahme von Betriebsführungsaufgaben im Nahverkehrsraum des ppp-Kreises und der angrenzenden Gebiete als wirtschaftliches Gemeinschaftsunternehmen von privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand ausweise. Nach Kenntnis der AST sei dem durch die ppp an der BEI beteiligten ppp-Kreis eine Beteiligung der BEI an dem vorliegenden Vergabeverfahren sowie etwaige Vereinbarungen der BEI darüber, dass Unternehmensteile anderer Omnibusgesellschaften erworben und Fahrzeuginvestitionen getätigt werden sollen, nicht bekannt. Die AST gehe daher davon aus, dass keine Zustimmungserklärungen der ppp für die beabsichtigten Übernahmen und/oder Investitionen vorliegen. Bei dieser Sachlage sei nicht gesichert, dass die BEI im Falle einer Zuschlagserteilung für die Lose 3 bis 6 den vorgesehenen Leistungsbeginn am 01.12.2017 gewährleisten könne. Ferner seien für die Durchführung der in den Losen 3 bis 6 ausgeschriebenen Leistungen mindestens 40 Fahrpersonale notwendig, um die ausgeschriebene Leistung auch personell sicherstellen zu können. Die BEI beschäftige ausweislich ihrer Homepage derzeit 77 Mitarbeiter, darunter 54 Busfahrer. Diese 54 Busfahrer seien insgesamt für den derzeitigen Betrieb der BEI von 39 Bussen vorgehalten. Demgemäß verfüge die BEI über keine freien personellen Kapazitäten, um die ausgeschriebenen Leistungen in den Losen 3 bis 6 erbringen zu können. In Deutschland bestehe derzeit für alle Busunternehmer ein akuter Mangel an Busfahrerpersonal. Auch die ppp habe keine Kenntnis darüber, dass die BEI verbindliche Regelungen zur Übernahme von 40 benötigten Busfahrern zur Sicherstellung des Personalbedarfs für die Ausführung der Leistungen gemäß der Lose 3 bis 6 getroffen habe. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei eine Leistungsaufnahme für die Lose 3 bis 6 durch die BEI nicht gesichert, so dass die nach Ziffer 3.4.2 des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen geforderte Eigenleistungsquote von mindestens 50 % durch die BEI nicht erfüllt werden könne. Demgemäß fehle es der BEI unter dem Gesichtspunkt der technischen Leistungsfähigkeit an der erforderlichen Eignung gemäß § 122 GWB. Des Weiteren bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass es vergaberechtlich unzu-lässige Preisabsprachen zwischen der BEI und Herrn aaaa gegeben habe. Nach Kenntnis der AST habe Herr aaaa am 08.09.2017 seine Mitarbeiter im Aufent-haltsraum darüber unterrichtet, dass die BEI den Zuschlag für die vorliegend streitgegen-ständliche Ausschreibung erhalten habe bzw. werde und die Firma aaaa sich hiernach mit ihren Mitarbeitern darüber freue, die Leistungen ab 01.12.2017 auszuführen. Herr aaaa habe weiter ausgeführt, dass er sich ebenfalls an der Ausschreibung beteiligt habe, jedoch sein Angebot nur für alle Lose gemeinsam gegolten habe und er deshalb nicht zum Zuge gekommen sei. Er werde nun aber die Leistungen ab 01.12.2017 im Auftrag der BEI erbringen und für die Mitarbeiter der Firma aaaa ändere sich nichts. Aus diesem Grund müssten auch die der VST gehörenden Kassensysteme aus den Bussen des Herrn aaaa nicht ausgebaut werden. Es sei davon auszugehen, dass es zwischen der BEI und Herrn aaaa Absprachen zu den von ihm als Unterauftragnehmer der BEI auszuführenden Leistungen und deren Vergütung gegeben habe. Bei dieser Sachlage sei der für eine Gleichbehandlung der Bieter zentrale Grundsatz des Geheimschutzes für einen echten Bieterwettbewerb nicht mehr gegeben. Nach der Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass Bieter und Nachunternehmer, die ihrerseits als Bieter auftreten, nicht von einer Vergabe ausgeschlossen werden könnten, wenn beiden Bietern dem jeweils anderen Bieter in ihrer Ausgestaltung unbekannt bleibende Gestaltungsspielräume bei der Kalkulation des jeweils eigenen Angebots verblieben. Vorliegend sei auf der Grundlage der Ausschreibung allerdings nicht ersichtlich, dass dem am Vergabeverfahren als Bieter beteiligten Herrn aaaa nennenswerte Spielräume verblieben sind, seine eigene Leistung in dem Angebot gegenüber der VST anders auszugestalten als im Unterauftragnehmerangebot gegenüber der BEI. Die technische Spezifikation der jeweils angebotenen Busse dürfte identisch sein, ebenso die Bezahlung der nach MDO-Tarifvertrag zu vergütenden Mitarbeiter. Auch die

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konkret auszuführenden Leistungen, die Bedienung der jeweils ausgeschriebenen Linien, seien ohne jeden Gestaltungsspielraum. Die Angebote der BEI seien daher nach den §§ 34 Absatz 5 SektVO, 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB von der Vergabe auszuschließen. Ferner sei die für die Ausführung der ausgeschriebenen Leistung erforderliche Eignung des von der BEI im Angebot offensichtlich benannten Unterauftragnehmers -Herr aaaa- nicht gegeben. Nach Ziffer 3.4.2 des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbe-dingungen darf sich der Auftragnehmer nur Dritter bedienen, welche den im Rahmen der Ausschreibung geforderten Eignungskriterien bezüglich der von dem Dritten zu er-bringenden Leistungen entsprechen. Nach Ziffer 2.1 des Angebotsformulars müsse der Bieter in der Lage sein, sämtliche Nachweise zur Eignungsprüfung für die vorgesehenen Unterauftragnehmer während der Angebotsprüfung auf Verlangen der Vergabestelle inner-halb einer gesetzten Frist beizubringen. Herr aaaa sei rechtskräftig zur Zahlung eines Betrages von xxxxx Euro nebst Zinsen an den Freistaat Thüringen verurteilt worden, da er die ordnungsgemäße Verwendung von Fördermitteln, die ihm zur Anschaffung von Omnibussen gewährt worden seien, nicht habe belegen können. Da Herr aaaa diese Forderung bislang nicht erfüllt habe, sei das Finanzamt xxx um Amtshilfe gebeten worden, um den offenen Betrag zu pfänden. Die VST habe zudem selbst einen Rechtsstreit gegen Herrn aaaa wegen der Herausgabe des rechnergestützten Betriebsleitsystems (Kassen- und Fahrgastsysteme) geführt. Nach Auffassung der VST begründe die bislang durch Herrn aaaa verweigerte Herausgabe des vorbezeichneten Systems Schadensersatzansprüche der VST. Diese Umstände begründeten das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 124 Absatz 1 Nrn. 4 und 7 GWB. Danach könne ein Unternehmen vom Wettbewerb ausgeschlossen werden, wenn das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen habe, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt werde. Auch könne das Unternehmen ausgeschlossen werden, wenn eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt worden sei und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadenersatz oder zu einer vergleich-baren Rechtsfolge geführt habe. Die Rückforderung von nicht ordnungsgemäß ver-wendeten Fördermitteln stelle im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die aus der Be-endigung des vorhergehenden Auftrags sich ergebenden Herausgabepflichten Herrn aaaa für Kassen etc. bislang nicht erfüllt worden seien, eine schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit dar, die die Integrität des Unternehmens des Herrn aaaa infrage stelle. Auch die Tatsache, dass aus der Beendigung eines vorhergehenden Auftrags mit Herrn aaaa Schadensersatzansprüche wegen der Nichtherausgabe der Kassen resultierten, rechtfertige die Annahme eines Verstoßes nach § 124 Absatz 1 Nr. 7 GWB. Wegen der bestehenden Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit des Herrn aaaa sei das Angebot der BEI auszuschließen. Darüber hinaus sei im Falle einer Zuschlagserteilung zugunsten der BEI im Hinblick auf die Lose 3 bis 6 ein Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 anzu-nehmen. Nach dieser Vorschrift könne jede zuständige örtliche Behörde beschließen, selbst öffentliche Personenverkehrsdienste zu erbringen oder öffentliche Dienstleistungs-verträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit zu vergeben, über die die zuständige ört-liche Behörde eine Kontrolle ausübt. Für den Fall einer solchen Direktvergabe dürfe sich nach Artikel 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 der Adressat dieser Direktvergabe nicht an wettbewerblichen Vergabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personen-verkehrsdiensten außerhalb des Zuständigkeitsgebietes der zuständigen örtlichen Behörde beteiligen. Die BEI sei durch den ppp-Kreis mit Verpflichtungen zur Durchführung des öffentlichen Personenverkehrs im Gebiet des ppp-Kreises betraut worden. Dieser Betrauung sei kein wettbewerbliches Vergabeverfahren vorausgegangen, so dass eine Direktvergabe gemäß Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 vorliege. Der ppp-Kreis übe aufgrund der Betrauung und der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung über die pppp die Kontrolle über die BEI aus. Demgemäß sei die BEI nach Artikel 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 als Bieterin vom vorliegenden Vergabeverfahren auszuschließen, so dass im Falle einer Zuschlagserteilung ein Vergabeverstoß vorliege.

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Die VST hat auf die Rüge der AST vom 11.09.2017 hin am 13.09.2017 im Rahmen einer fernmündlichen Unterredung mit der BEI die sachliche Berechtigung der von der AST er-hobenen Rügen erörtert. Die BEI hat dabei ausweislich eines Vermerks der VST unter anderem mitgeteilt, dass sie während der Angebotserstellung und danach auch im Hinblick auf einen etwaigen Nachunternehmereinsatz keine Absprachen mit anderen Bietern ge-troffen habe. Dies gelte auch in Bezug auf Herrn aaaa. Die BEI hat hinsichtlich der zu stellenden Busfahrer und Fahrzeuge weiter mitgeteilt, dass ihr Konzept insofern zweigleisig aufgebaut sei. Sie würde nach Zuschlagserteilung zunächst mit den unterlegenen Bietern Kontakt aufnehmen, um mit diesen über den Erwerb der von ihnen nicht mehr benötigten Busse und über die Übernahme der auf den Umläufen der Lose 3 bis 6 bislang einge-setzten Busfahrer zu verhandeln. Auch könne sie sich einen Nachunternehmereinsatz der unterlegenen Bieter vorstellen, sofern die Vergabeunterlagen dies zuließen. Falls dies alles zu keinem Erfolg führe, werde sie selbstverständlich die Leistungsbeschreibung selbständig voll erfüllen. Die BEI hat in diesem Zusammenhang auf den Umfang ihrer Tätigkeit und ihre Erfahrungen im ppp-Kreis hingewiesen. Sie sei entgegen der Behauptung der AST auch nicht im Wege einer Direktvergabe nach der VO (EG) Nr. 1370/2007 mit der Erbringung von Busverkehrsleistungen beauftragt worden. Die VST hat daraufhin die am 11.09.2017 von der AST erhobenen Rügen mit Telefax/ Schreiben vom 13.09.2017 gegenüber der AST zurückgewiesen und insofern eine Abhilfe abgelehnt. Nach Auffassung der VST wird die AST durch die Entscheidung der VST, den Zuschlag in Bezug auf die Lose 3 bis 6 der BEI erteilen zu wollen, nicht in ihren Rechten nach § 97 Ab-satz 6 GWB auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt. Das Rügeschreiben der AST vom 11.09.2017 genüge bereits nicht den Anforderungen an eine Rüge nach § 160 GWB. Eine Rüge ins Blaue hinein sei nicht zulässig. Die Auffassung der AST, die BEI werde im Falle der Zuschlagserteilung nicht über die erforderlichen tech-nischen Kapazitäten verfügen, sei eine nicht belegte Mutmaßung. Dies gelte insbesondere für die Einschätzung der AST, der BEI sei die Beschaffung von Fahrzeugen und Personal bis zum geplanten Leistungsbeginn nicht möglich. Gleiches gelte für die Annahme der AST, eine etwa erforderliche Zustimmung für eine Beschaffung von Fahrzeugen sei durch die Gesellschafter der BEI nicht erteilt worden. Nach Auffassung der VST sind die Rügen der AST auch materiell unbegründet. Die BEI sei fachkundig und leistungsfähig, mithin geeignet im Sinne von § 122 Absatz 1 GWB. Die von der VST zu prüfenden Kriterien zur technischen Leistungsfähigkeit seien in Ziffer 2.4. des Angebotsformulars enthalten. Die dort von der BEI gemachten Angaben seien nachvollziehbar und plausibel und würden letztlich von der AST auch nicht infrage gestellt werden. Soweit die AST geltend mache, die BEI verfüge derzeit nicht über die für die Leistungser-bringung erforderliche technische und personelle Ausstattung, sei zu berücksichtigen, dass Fahrzeuge und Personal nicht bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe vorhanden sein müssten. Ein Bieter sei nicht verpflichtet, von Anfang an sämtliche technische und per-sonelle Mittel für die Auftragsdurchführung vorzuhalten. Auch die weitergehenden Angaben der BEI unter Ziffer 3. des Angebotsformulars zu den organisatorischen und technischen Angaben zur Leistungserbringung seien in sich schlüssig und plausibel. Die VST habe demnach keine Bedenken, dass die BEI zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns über die er-forderliche technische und personelle Ausstattung verfüge. Die BEI sei nicht wegen des Abschlusses wettbewerbswidriger Abreden nach § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die VST verfüge insbesondere nicht über hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die BEI entsprechende Abreden mit einem anderen Unternehmen, insbesondere mit Herrn aaaa, getroffen habe. Der VST seien die Durchführung und die Inhalte der von der AST im Schreiben vom 11.09.2017 genannten und in den Räumlichkeiten von Herrn aaaa durchgeführten Personalversammlung nicht bekannt. Den eingereichten Angeboten seien keine Anhaltspunkte für eine wettbewerbswidrige Preisabsprache zwischen der BEI und Herrn aaaa zu entnehmen. Die BEI habe angegeben, keine Nachunternehmer einzusetzen. Die BEI sei hieran gebunden. Der VST erschließe sich daher nicht, worauf Herr aaaa seine Annahme stütze, seine Firma werde die Leistungen der Lose 3 bis 6 ab dem 01.12.2017 im Auftrag der BEI erbringen.

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Ein Ausschluss der BEI wegen eines etwaigen Verstoßes gegen Artikel 5 Absatz 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 komme ebenfalls nicht in Betracht. Die VST habe keine Kenntnis davon, dass die BEI durch den ppp-Kreis im Wege der Direktvergabe nach Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 mit der Durchführung von Beförderungsleistungen beauftragt worden sei. Auch dieser Vortrag der AST sei durch nichts belegt. Zudem handele es sich bei Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 um keine Bestimmung über das Ver-gabeverfahren, auf deren Einhaltung die AST Anspruch habe. Ein etwaiger Verstoß der BEI gegen Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 sei zudem ohne Einfluss auf das Ver-hältnis zwischen der VST und der BEI. Die AST hat daraufhin mit Telefax/Schreiben vom 13.09.2017 bei der Vergabekammer einen gegen die VST gerichteten Nachprüfungsantrag gestellt. Sie hat beantragt,

1. die Angebote der BEI auszuschließen, 2. der AST Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren, 3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die AST für notwendig zu

erklären, 4. der VST die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckent-

sprechenden Rechtsverfolgung der AST aufzuerlegen, 5. die ZZZ GmbH, v.d.d. Geschäftsführer zzz, beizuladen.

Nach Auffassung der AST ist ihr Nachprüfungsantrag zulässig. Sie führt zur Begründung zunächst aus, dass die SektVO anwendbar sei. Die VST sei Sektorenauftraggeberin nach § 100 Absatz 1 Nr. 2 GWB, da diese eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 Absatz 4 GWB im Bereich von Verkehrsleistungen ausübe. Die VST stelle ein Verkehrsnetz zur Verfügung, das von ihr zur Versorgung der Allgemeinheit mit Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs betrieben werde. Die VST übe diese Tätigkeit auf Basis eines besonderen Rechts aus, da die VST Inhaberin der Linienverkehrsgenehmig-ungen für die streitgegenständlichen Lose sei, die durch behördliche Entscheidungen auf der Grundlage des PBefG gewährt worden seien. Auch übe der Landkreis xxx als öffent-licher Auftraggeber gemäß § 100 Absätze 1 Nr. 2, 3 GWB einen beherrschenden Einfluss auf die VST aus, da er Inhaber von 54 % der Geschäftsanteile der VST sei. Der nach Artikel 15 a der Richtlinie 2014/25/EU maßgebliche Schwellenwert von 414.000,00 Euro sei unter Berücksichtigung von § 2 Absatz 11 SektVO und der in Ziffer 2.1 des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen für die Lose 1 bis 6 zu-grunde gelegten ca. 1.728.000,00 Fahrplankilometer sowie der hierfür üblichen Entgelte zweifellos überschritten. Die AST sei auch antragsbefugt. Sie habe ein Angebot abgegeben und damit ihr Interesse an dem öffentlichen Auftrag dokumentiert. Sie macht auch eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend. Der AST würde durch die vergaberechtswidrige Erteilung des Zuschlags an die BEI ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen. Die AST habe auch in Erfahrung bringen können, dass ihr Angebot für die Lose 3 bis 6 das preislich niedrigste Angebot nach dem Angebot der BEI sei. Die AST habe die von ihr geltend gemachten Vergabeverstöße am 11.09.2017 unverzüg-lich nach § 160 Absatz 3 Nr. 1 GWB gerügt. Die AST habe ihren Nachprüfungsantrag rechtzeitig innerhalb der Frist des § 160 Absatz 3 Nr. 4 GWB gestellt. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages stehe auch kein zwischenzeitlich erteilter Zu-schlag entgegen, so dass ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis der AST bestehe. Nach Auffassung der AST ist ihr Nachprüfungsantrag auch begründet. Die AST hat zur Begründung ihres Nachprüfungsantrages im Wesentlichen den Inhalt ihrer Rügen vom 11.09.2017 wiederholt und vertieft. Sie hat ergänzend vorgetragen, dass die von der VST am 13.09.2017 zur Untersetzung der Leistungsfähigkeit der BEI vorge-brachten Argumente nicht überzeugend seien. Die VST überzeuge nicht, wenn sie sich gegenüber der AST darauf berufe, dass die vermeintlich plausiblen Darlegungen der BEI in ihrem Angebot zur ihrer Leistungsfähigkeit von der VST nicht infrage gestellt würden. Gleiches gelte für das Argument der VST, dass die für die Leistungserbringung erforder-

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liche technische und personelle Ausstattung erst zum Zeitpunkt der Auftragsdurchführung vorzuhalten sei. Die VST sei dazu angehalten, zu prüfen, ob die konkrete und berechtigte Erwartung, dass der Bieter aufgrund seiner technischen, organisatorischen und finanziellen Ausstattung bereit und in der Lage sei, den Auftrag zu erfüllen, überhaupt bestehe. Die Grundlagen dieser Prognoseentscheidung müssten auf gesicherten Erkenntnissen be-ruhen. Der Auftraggeber sei hierfür nicht verpflichtet, ein gerichtsähnliches Verfahren zur Ermittlung von Tatsachen durchzuführen, er müsse aber Einwänden zur Feststellung der Eignung mit angebrachter Sorgfalt nachgehen (VK Nordbayern, IBR 2009, 165; OLG Karlsruhe, IBR 2016,32). Die VST werde diesem Prüfungsmaßstab nicht gerecht, wenn sie auf die konkreten Einwendungen der AST lediglich mit der Feststellung reagiere, dass die BEI erst zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns über die erforderliche technische und per-sonelle Ausstattung verfügen müsse. Die BEI würde im Falle der Zuschlagserteilung ihr Unternehmensauftragsvolumen und ihre derzeitigen technischen und personellen Kapa-zitäten fast verdoppeln müssen. Es sei nicht ersichtlich, dass die BEI zur Umsetzung dieser Unternehmenserweiterung überhaupt die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe. Ein solch ambitioniertes Unterfangen verpflichte die VST zu weiteren Aufklärungen. Sie könne sich bei dieser Sachlage nicht nur auf die Plausibilität der durch die BEI ausgefüllten Form-blätter berufen, da dort ohnehin nur formelhaft die Angabe der schon mit der Aus-schreibung vorgegebenen Fahrzeuge erfolge. Es sei auch für jeden fachkundigen Bus-unternehmer ausgeschlossen, innerhalb eines Zeitraumes von lediglich zweieinhalb Monaten bis zum Leistungsbeginn die nach der Ausschreibung erforderliche Ausweitung des Geschäftsbetriebes technisch, finanziell und personell abzusichern. Die Vergabekammer hat am 14.09.2017 der VST den Nachprüfungsantrag der AST vom 13.09.2017 übersendet sowie um die Übersendung der Vergabeakte bis zum 19.09.2017 und um eine Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag bis zum 21.09.2017 gebeten. Die AST hat auf Anforderung der Vergabekammer vom 14.09.2017 einen Kostenvorschuss in Höhe der Mindestgebühr von xxx Euro entrichtet. Die VST hat am 19.09.2017 der Vergabekammer die Vergabeakte übergeben. Die VST hat am 21.09.2017 bei der Vergabekammer beantragt,

1. die Anträge der AST abzulehnen, 2. der AST die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die VST für notwendig zu

erklären, 4. der VST zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekannt-

gabe der dies gestattenden Entscheidung zu erteilen, 5. die ZZZ GmbH beizuladen.

Nach Auffassung der VST ist der Nachprüfungsantrag der AST bereits unzulässig. Der AST fehle in Bezug auf die Lose 1 und 2 bereits die Antragsbefugnis gemäß § 160 Ab-satz 2 GWB, da sie insofern Zuschlagsdestinatärin sei und ihr daher kein Schaden drohen könne. Der Nachprüfungsantrag genüge auch nicht den Begründungsanforderungen des § 161 Ab-satz 2 GWB. Es reiche nicht aus, wenn sich ein Antragsteller auf die Äußerung von pau-schalen Vermutungen beschränke, ohne dies mit konkreten Fakten zu belegen. Der Antrag-steller sei nicht berechtigt, einfach ins Blaue hinein einen Nachprüfungsantrag in der Hoff-nung zu stellen, er werde bei der Akteneinsicht gegebenenfalls anderweitig Anhaltspunkte finden, auf die er sein Begehren stützen kann. Insbesondere reiche es nicht aus, die ver-meintliche Rechtsverletzung auf bloße Vermutungen zu stützen. Die AST habe in ihrem Nachprüfungsantrag ausgeführt, dass sie in Erfahrung habe bringen können, dass das von ihr abgegebene Angebot für die Lose 3 bis 6 das preislich niedrigste Angebot nach dem Angebot der BEI sei. Diese Information könne die AST während des nicht abgeschlossenen Ausschreibungsverfahrens ausschließlich unter Verletzung der Grundsätze des Geheim-wettbewerbs erlangt haben. Jedenfalls lege die AST nicht dar, auf welche Art und Weise

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sie vergaberechtskonform zu diesen Informationen gelangt sei. Die AST führe unsub-stantiiert aus, sie sei darüber informiert worden, dass Investitionen von der BEI noch nicht getätigt worden seien und auch die erforderliche Zustimmung der Gesellschafter der BEI nicht vorliege. Nach Auffassung der VST ist der Nachprüfungsantrag der AST auch unbegründet. Die AST sei nicht in ihren Rechten aus § 97 Absatz 6 GWB verletzt. Die Angebote der BEI seien insbesondere nicht wegen fehlender technischer Leistungs-fähigkeit der BEI auszuschließen. Die BEI sei gemäß § 122 GWB geeignet. Die in Ziffer 2.4 des Angebotsformulars erfolgten Angaben der BEI zu ihrer technischen Leistungsfähigkeit seien nachvollziehbar und plausibel und würden von der AST nicht substantiiert infrage ge-stellt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters, insbesondere in Bezug auf Fahrzeuge und Personal, nicht bereits zum Zeitpunkt der Ange-botsabgabe vorhanden sein müsse, sondern zum Zeitpunkt der Leistungserbringung. Ein Bieter sei nicht verpflichtet, von Anfang an sämtliche technische und personelle Mittel für die Auftragsdurchführung vorzuhalten. Folge man der Argumentation der AST, seien nur solche Unternehmen als leistungsfähig zu qualifizieren, die bei Angebotsabgabe ent-sprechende Kapazitäten an Sachmittel und Personal frei verfügbar vorhielten. Da dies eher die Ausnahme sei, wäre letztlich nur der aktuelle Leistungserbringer leistungsfähig. Die VST verkenne nicht, dass sie im Rahmen einer Prognoseentscheidung gehalten sei, sich über die technische Leistungsfähigkeit der Bieter zum Zeitpunkt der Leistungserbringung zu informieren. Die Angaben der BEI in ihrem Angebot begründeten keine Bedenken der VST daran, dass die BEI aufgrund ihrer unternehmerischen Erfahrungen und Referenzen in der Lage sei, die ausgeschriebene Leistung frist- und ordnungsgemäß auszuführen. Die BEI habe gegenüber der VST im Rahmen der am 13.09.2017 geführten fernmündlichen Unter-redung glaubhaft und nachhaltig versichert, dass sie rechtzeitig zum vorgesehenen Leistungsbeginn -auch ohne Einsatz von Nachunternehmern- über die erforderlichen sach-lichen und personellen Mittel verfügen werde. Die von der BEI in der fernmündlichen Unter-redung geschilderte Strategie zur Beschaffung des erforderlichen Personals und der Fahr-zeuge sei schlüssig und entspreche der üblichen Praxis. Die AST weise zutreffend darauf hin, dass der Zeitraum zwischen dem Ablauf der ursprünglichen Zuschlags- und Bindefrist und dem vorgesehenen Leistungsbeginn zum 01.12.2017 eher knapp bemessen sei. Die durch das Nachprüfungsverfahren verursachte Verkürzung der Reaktionsfrist zwischen Zu-schlagserteilung und Leistungsbeginn könne jedoch nicht zu Lasten der BEI gehen. Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen der AST, es sei für jedes fachkundige Unter-nehmen ausgeschlossen, innerhalb eines Zeitraumes von lediglich zweieinhalb Monaten bis zum Leistungsbeginn die erforderliche Ausweitung des Geschäftsbetriebs technisch, finanziell und personell abzusichern. Dieser Zeitraum sei von Beginn an in den Ausschreib-ungsunterlagen vorgegeben und für alle Unternehmen ersichtlich gewesen. Die VST habe bei der Bestimmung der Zuschlags- und Bindefrist bereits geprüft, ob es geeigneten und fachkundigen Unternehmen möglich ist, die für die Leistungserbringung erforderliche per-sonelle und sachliche Ausstattung zu beschaffen. Dabei habe die VST zugrunde gelegt, dass bei einem Wechsel der Leistungserbringer davon ausgegangen werden könne, dass ein Großteil des bislang für die Leistungserbringung eingesetzten Personals vom bis-herigen auf den künftigen Leistungserbringer wechseln werde. Entsprechendes gelte hin-sichtlich der Fahrzeuge. Auch hier entspreche es den geschäftlichen Gewohnheiten, dass Fahrzeuge vom bisherigen Leistungserbringer zum künftigen Leistungserbringer wechseln. Auch habe die VST berücksichtigt, dass im Landkreis xxx derzeit eher ein Überschuss an Bussen als ein Mangel bestehe. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass Bewerber, die sich im Ergebnis erfolglos an dem Ausschreibungsverfahren beteiligt hätten, bereit sein könnten, dem künftigen Leistungserbringer Personal und Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Auch habe die VST zugrunde gelegt, dass ein valider und umfangreicher Markt für gebrauchte Fahrzeuge bestehe und von der BEI genutzt werden könne. Ausweislich eines Auszuges aus dem Portal www.truckscout24.de vom 18.09.2017 seien aktuell 23 Überland-busse und 5 Gelenkbusse und in dem Portal www.bus-store.com insgesamt 38 Fahrzeuge verfügbar, die den Anforderungen der Ausschreibung entsprächen. Die von der AST zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe führe im Ergebnis zu keiner anderen Einschätzung. Die Angebotsangaben der BEI zu ihrer technischen Leistungsfähigkeit seien nicht zu bean-standen. Die VST habe sich ein belastbares Bild darüber verschafft, dass die für die

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Leistungserbringung erforderlichen Sach- und Personalmittel rechtzeitig zum Leistungsbe-ginn von der BEI zur Verfügung gestellt werden können. Ein Ausschluss der BEI wegen fehlender technischer Leistungsfähigkeit sei demnach weder angezeigt noch möglich. Die VST könne die BEI auch nicht wegen wettbewerbswidriger Absprachen gemäß § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB von der Teilnahme am vorliegenden Vergabeverfahren ausschließen. Die AST berufe sich für das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Absprache auf Aussagen des Herrn aaaa vom 08.09.2017. Laut Mitteilung der AST soll Herr aaaa gegenüber seinen Mitarbeitern geäußert haben, sein Unternehmen werde ab dem 01.12.2017 als Nachunternehmer für die BEI tätig werden. Der VST seien diese Äußerungen Herrn aaaa nicht bekannt. Es handele sich bei diesen Äußerungen allenfalls um eine einseitige Erwartung Herrn aaaa, die sich nicht auf entsprechende Abreden mit der BEI stützen könnten. Die BEI habe in ihrem Angebot angegeben, keine Nachunternehmer einsetzen zu wollen. Im Rahmen der fernmündlichen Unterredung vom 13.09.2017 habe die BEI gegen-über der VST glaubhaft und nachhaltig verneint, Herrn aaaa als Nachunternehmer einsetzen zu wollen. Die BEI habe bekräftigt, dass sie zu ihren entsprechenden Angaben in Bezug auf ihre Eigenleistung in ihrem Angebot stehe und hierzu auch in der Lage sei, ohne auf Nachunternehmer Rückgriff nehmen zu müssen. Die Annahme der AST, es habe Ab-sprachen zwischen der BEI und Herrn aaaa gegeben, die seinen Einsatz als faktischen Nachunternehmer und seine Vergütung zum Gegenstand gehabt hätten, entbehre einer tatsächlichen Grundlage. Die Auswertung der Angebote des Herrn aaaa und der BEI hätten in Bezug auf die preisliche Gestaltung ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben, die belastbar auf eine unzulässige, wettbewerbswidrige Absprache schließen ließen. Insbesondere würden sich die betreffenden Angebote bei der Entgeltstruktur grundsätzlich unterscheiden. Ein Ausschluss des Angebotes der BEI wegen wettbewerbswidriger Absprachen scheide demnach ebenfalls aus. Der Zuschlag an die BEI sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 ausgeschlossen. Gemäß Artikel 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 sei Voraussetzung für eine sog. Direktvergabe, dass sich der beauftragte interne Betreiber nicht an außerhalb des Zu-ständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde organisierten wettbewerblichen Ver-gabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten beteilige. Es sei unzutreffend, dass die BEI durch den ppp-Kreis nach Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 direkt zur Erbringung von Personenverkehrsdienstleistungen beauftragt worden sei. Die BEI habe am 13.09.2017 im Rahmen der fernmündlichen Unterredung dargelegt, dass keine Direktvergabe nach Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 durch den ppp-Kreis erfolgt sei. Dies sei auch deswegen nicht möglich, da der ppp-Kreis keine be-herrschende Kontrolle über die BEI nach Artikel 5 Absatz 2 lit. a) der VO (EG) Nr. 1370/2007 ausüben könne. Die AST habe in ihrem Rügeschreiben vom 11.09.2017 darauf hingewiesen, dass 66 % der Geschäftsanteile an der BEI nicht vom ppp-Kreis, sondern vom privaten Gesellschafter, Herrn zzz, gehalten würden. Zwar verlange Artikel 5 Absatz 2 lit. a) der VO (EG) Nr. 1370/2007 für die beherrschende Kontrolle nicht zwingend, dass die zuständige Behörde zu 100 % Eigentümer des internen Betreibers sei. Voraussetzung bleibe jedoch, dass ein beherrschender öffentlicher Einfluss aufgrund bestimmter Kriterien festgestellt werden könne, so dass eine Kontrolle von der zuständigen Behörde über den internen Betreiber ausgeübt werden könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen dem ppp-Kreis und der BEI vor Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1370/2007 begründet worden seien. Die Wettbewerbsverbote des Artikels 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 fänden auf solche Vertragsverhältnisse keine Anwendung. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass ein etwaiger Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot nach Artikel 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 allein die Unzulässigkeit der Direktvergabe zur Folge habe, nicht jedoch die BEI daran hindere, sich an dem vorliegenden Ausschreibungsverfahren zu beteiligen. Auch darüber hinaus habe die VST keine Anhaltspunkte für etwaige Wettbewerbsbeschränkungen zu Lasten der BEI, sei es aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus dem Leistungsvertrag mit dem ppp-Kreis. Nach Auffassung der VST ist der Antrag auf vorzeitige Gestattung des Zuschlags gemäß § 169 Absatz 2 GWB zulässig und begründet. Im Hinblick auf den verbleibenden Zeitraum bis zum Leistungsbeginn und die für die BEI bestehende Notwendigkeit, die erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen, sei das

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Verfahren eilbedürftig. Daher habe sich die VST entschlossen, einen Antrag auf vorzeitige Gestattung des Zuschlags zu stellen. Die Voraussetzungen für eine vorzeitige Gestattung des Zuschlags nach § 169 Absatz 2 Satz 1 GWB lägen vor. Die nach dieser Norm vorzu-nehmende Abwägung der Interessen der VST und der Allgemeinheit mit den Interessen der AST am Erhalt des Auftrags falle zugunsten der VST aus. Nach § 169 Absatz 2 Satz 4 GWB könnten die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages in die Abwägung einbe-zogen werden. Der Nachprüfungsantrag der AST sei jedenfalls unbegründet. Im Übrigen überwögen auch das Interesse der VST und der Allgemeinheit an einer raschen Zuschlags-erteilung das Interesse der AST an einem Zuwarten mit dem Zuschlag bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens. Bei der Erbringung der ausgeschriebenen Personenver-kehrsdienstleistungen handele es sich um Leistungen der Daseinsvorsorge, die für die Auf-rechterhaltung des öffentlichen Personennahverkehrs unabdingbar seien. Die derzeit be-stehenden vertraglichen Beziehungen mit dem bisherigen Leistungserbringer -der vvvv GbR- endeten zum 30.11.2017. Infolge des noch verbleibenden Zeitraumes zwischen Zuschlagserteilung und Leistungsbeginn sei eine Verzögerung des Zuschlags nicht hin-nehmbar. Es bestehe das Risiko, dass die BEI einer weiteren Verlängerung der Bindefrist ihres Angebotes nicht zustimme. Dies hätte zur Folge, dass jeglicher Wettbewerb entfallen würde. Eine Verkürzung des Leistungszeitraumes begründe zudem die Gefahr, dass die Leistungen nicht zu den im Angebot genannten Entgelten erbracht werden könnten. Dem Antrag auf vorzeitige Gestattung des Zuschlags sei daher aus den vorgenannten Gründen stattzugeben. Die Vergabekammer hat am 25.09.2017 die Beiladung der ZZZ GmbH beschlossen und die BEI und die anderen Verfahrensbeteiligten hierüber informiert. Die BEI hat mit Telefax/Schreiben vom 25.09.2017 bei der Vergabekammer Akteneinsicht beantragt. Die Vergabekammer hat der AST auf ihren Antrag vom 13.09.2017 und der BEI auf ihren Antrag vom 25.09.2017 am 29.09.2017 bzw. 05.10.2017 Einsicht in die Akten gewährt, so-weit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren. Die Vergabekammer hat die Verfahrensbeteiligten am 25.09.2017 zum Termin zur münd-lichen Verhandlung am 07.11.2017, 09:00 Uhr, im Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar geladen und ihnen Gelegenheit zum weiteren Vortrag in der Sache bis einschließ-lich 25.10.2017 eingeräumt. Die Vergabekammer hat am 10.10.2017 gegenüber den Verfahrensbeteiligten die Frist zur Entscheidung in der Sache nach § 167 Absatz 1 GWB bis zum 22.11.2017 verlängert. Die Vergabekammer hat am 12.10.2017 im Rahmen der Amtsermittlung den ppp-Kreis unter Vorlage von Unterlagen um Mitteilung gebeten, in welcher vergaberechtlichen Form der ppp-Kreis die BEI mit ÖPNV-Aufgaben betraut hat, insbesondere, ob insofern eine Direktvergabe an die BEI im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 erfolgt ist. Die AST hat mit Telefax/Schreiben vom 13.10.2017 gegenüber der Vergabekammer zu-nächst vorsorglich klargestellt, dass sich ihr Nachprüfungsantrag vom 13.09.2017 gegen die von der VST beabsichtigte Zuschlagserteilung für die Lose 3 bis 6 zugunsten der BEI richte. Sie hat Ziffer 1. ihres Nachprüfungsantrages vom 13.09.2017 dahingehend prä-zisiert, dass

die Angebote der BEI zu den Losen 3 bis 6 auszuschließen sind. Des Weiteren rügt die AST einen weiteren vermeintlichen Vergabeverstoß, der ihr aufgrund der erfolgten Akteneinsicht bekannt geworden sei und auf den sie den Nachprüfungsantrag zusätzlich stützt. Die Akteneinsicht habe ergeben, dass den Angeboten der BEI, an der der ppp-Kreis über die ppp zu 34 % beteiligt sei, keine Genehmigung der zuständigen Rechts-

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aufsichtsbehörde -des Thüringer Landesverwaltungsamtes Weimar- für eine Tätigkeit außerhalb des Kreisgebiets nach §§ 71 Absatz 5, 114 ThürKO beigefügt gewesen sei. Die BEI verfüge daher über keine aufsichtsbehördliche Genehmigung zum Tätigwerden außer-halb des Kreisgebietes. Jedenfalls sei der Homepage www.xxxxx.de ein entsprechender Beschluss des ppp-Kreises zur Änderung des Unternehmenszwecks sowie des Aufgaben-kreises nicht zu entnehmen. Aufgrund der Tatsache, dass der ppp-Kreis über die ppp an der BEI beteiligt sei, unterliege die BEI den Regelungen der §§ 71 ff. ThürKO, die über § 114 ThürKO auch für Kreise gelten würden. Nach § 71 Absatz 5 Satz 1 ThürKO dürfe eine Gemeinde mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebietes nur tätig werden, wenn dafür die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 der Vorschrift vorlägen und die be-rechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt seien. Nach § 71 Absatz 2 Nr. 1 ThürKO dürfe eine Gemeinde Unternehmen nur gründen oder er-weitern, wenn der öffentliche Zweck das Unternehmen erfordere, das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Ge-meinde und zum voraussichtlichen Bedarf stünde und beim Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt werden könne. Auch dürften nach § 71 Absatz 3 ThürKO gemeindliche Unternehmen keine wesentliche Schädigung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handel und Gewerbe sowie Industrie bewirken. Schließlich sei nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO das Tätigwerden eines gemeindlichen Unternehmens außerhalb des Gemeinde-gebiets von der Rechtsaufsichtbehörde zu genehmigen. Vorliegend sei bereits nicht ersicht-lich, dass die BEI mit der beabsichtigten Durchführung der in den Losen 3 bis 6 geforderten Personennahverkehrsleistungen überhaupt einen öffentlichen Zweck verfolge, da diese Dienstleistungen rein privatwirtschaftlicher Natur seien und die BEI hierbei auch im Wett-bewerb zu anderen Anbietern, wie etwa der AST, stehe. Die BEI verfüge offensichtlich auch nicht über die nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO erforderliche Genehmigung der zu-ständigen Rechtsaufsichtsbehörde. Es sei auch nicht erkennbar, dass der BEI die erforder-liche Genehmigung für ein Tätigwerden außerhalb des Kreisgebietes erteilt worden wäre, da die hierfür bestehenden Voraussetzungen nach § 71 Absatz 2 ThürKO ersichtlich nicht vorlägen. Es liege im Hinblick auf die von der BEI zu den Losen 3 bis 6 angebotenen Leistungen keine rechtlich erlaubte Betätigung der BEI vor. Die VST sei daher bereits bei der Prüfung und Wertung der Angebote dazu verpflichtet gewesen, die BEI mit ihren An-geboten aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. Der ppp-Kreis hat der Vergabekammer mit Telefax vom 19.10.2017 mitgeteilt, dass der Kreistag in Ziffer 3. des Tenors des Beschlusses Nummer 411/09 vom 01.04.2009 die BEI mit der Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste im nördlichen ppp-Kreis zuzüglich einiger abgehender Linien in das Gebiet benachbarter ÖPNV-Aufgabenträger (z.B. Land-kreis xxx) betraut habe. Die Betrauung der BEI sei nach damaliger Rechtslage ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens möglich gewesen. Nach Ziffer I., 1., Satz 3, der Begründung des Beschlusses sei eine Verkehrsbedienung außerhalb des Gebietes des ppp-Kreises dann möglich, wenn benachbarte Aufgabenträger mit dem ppp-Kreis die Übernahme der Aufgabenträgerschaft vereinbart hätten. Derartige Verein-barungen bestünden mit dem Landkreis xxx nicht. Ziffer 3., Satz 2, des Tenors des Be-schlusses habe vorgesehen, dass die Betrauung ab dem Zeitpunkt, ab welchem Artikel 5 der VO (EG) Nr. 1370/2007 in Deutschland anzuwenden sei, durch einen nach Maßgabe dieser Verordnung gestalten Dienstleistungsauftrag zu ersetzen sei, der wiederum gemäß Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 direkt an die BEI zu vergeben sei. Da die Be-auftragung der BEI vor dem Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1370/2007 am 09.12.2017 erfolgt sei, habe diese nach Artikel 8 Absatz 3 lit. d) der VO (EG) Nr. 1370/2007 für eine Über-gangszeit von zehn Jahren bestehen können. Eine (Direkt-) Vergabe an die BEI im Sinne des Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 sei dann in der Folgezeit mit Blick auf die Minderheitsbeteiligung des ppp-Kreises über die ppp und die dadurch bedingten fehlenden Kontrollmöglichkeiten nicht mehr erfolgt. Der ppp-Kreis habe ohne Erfolg Verhandlungen zur Erlangung der erforderlichen Kontrolle durch Erhöhung der Beteiligung der ppp an der BEI geführt. Die ppp habe deshalb zwischenzeitlich den Austritt aus der BEI mit Wirkung zum 31.12.2017, 24:00 Uhr, erklärt. Die Beteiligung der BEI an dem vorliegenden Ausschreibungsverfahren sei ohne Kenntnis des ppp-Kreises erfolgt. Die nach der

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Ausschreibung durch die BEI im Landkreis xxx jährlich zu erbringenden Gesamtverkehrsleistungen entsprächen weit mehr als der Hälfte des Volumens der durch die BEI im ppp-Kreis bis 30.06.2019 zu erbringenden Busverkehrsleistungen. Der ppp-Kreis habe bislang keine Kenntnis von entsprechenden Überkapazitäten der BEI, die eine Betriebsaufnahme durch die BEI im Landkreis xxx zum 01.12.2017 bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der im ppp-Kreis zu erbringenden Busverkehrsleistungen erlauben würden. Dem ppp-Kreis bzw. der ppp seien auch keine Gesellschafterbeschlüsse bezüglich einer geplanten und nach dem Gesellschaftsvertrag zustimmungsbedürftigen Leistungserweiterung durch die BEI bekannt. Eine solche Zustimmung sei durch den Geschäftsführer der BEI auch nicht eingeholt worden. Der ppp-Kreis habe daher erhebliche Bedenken, dass die BEI ihre Leistungen im ppp-Kreis bis zum 30.06.2019 erbringen könne und befürchte durch die Erbringung von Busverkehrsleistungen im Landkreis xxx durch die BEI negative Auswirkungen auf die finanzielle Situation der BEI. Wegen der geplanten Leistungserweiterung der BEI sei wahrscheinlich eine Beschaffung von weiteren Fahrzeugen notwendig; der ppp-Kreis habe insofern von dem nach § 100 Absatz 1 Nr. 2 lit. a) GWB durchzuführenden Vergabeverfahren bislang keine Kenntnis. Nach alledem bestünden seitens des ppp-Kreises erhebliche Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen Erbringung von Busverkehrsleistungen im Landkreis xxx durch die BEI. Es sei hierdurch ein negativer Einfluss auf die bestehenden Leistungspflichten der BEI im ppp-Kreis zu erwarten. Die AST hat mit Telefax/Schreiben vom 25.10.2017 gegenüber der Vergabekammer dar-gelegt, dass die Erwartung der BEI, die bislang auf den Umläufen der Lose 3 bis 6 einge-setzten Busfahrer der Mitgliedsunternehmen der AST übernehmen zu können, unbegründet sei. Diese Busfahrer befänden sich in unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhält-nissen mit der AST. Weder auf Seiten der Mitgliedsunternehmen der AST noch auf Seiten der Busfahrer bestehe wegen der bislang nicht erfolgten Zuschlagserteilung für die Lose 3 bis 6 die Absicht, diese Beschäftigungsverhältnisse zu beenden. Aufgrund der Insolvenz des Herrn aaaa seien sämtliche Dienstverhältnisse mit den von ihm beschäftigten Busfahrern am 19.10.2017 gekündigt worden. Nach Kenntnis der AST seien insofern 30 Busfahrer betroffen, von denen 15 zwischenzeitlich bei Mitgliedsunternehmen der AST eine unbefristete Anstellung gefunden hätten. Darüber hinaus sei der AST bekannt, dass ein weiterer Teil der gekündigten Busfahrer zwischenzeitlich eine Anstellung bei den KKKK Verkehrsbetrieben gefunden hätten. Im Übrigen sei für einen weiteren Teil der gekündigten Busfahrer zu erwarten, dass diese aufgrund Renteneintritts ohnehin beruflich nicht mehr tätig sein würden. Aufgrund der Tatsache, dass die BEI wenigstens 40 Busfahrer benötige, um die Lose 3 bis 6 bedienen zu können, sei daher nicht ansatzweise ersichtlich, auf welcher Basis die BEI von der Erwartung ausgehe, zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns über ausreichend Busfahrer verfügen zu können. Der AST sei auch nicht bekannt, dass die BEI Aktivitäten zum Erwerb der erforderlichen mindestens 24 Busse eingeleitet habe. Der ppp-Kreis habe in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass für den Erwerb der be-nötigten Busse durch die BEI ein Vergabeverfahren nach § 100 Absatz 1 Nr. 2 GWB durch-zuführen sei. Unter Berücksichtigung der insofern zu wahrenden Vergabefristen sei nicht ersichtlich, dass die BEI zum Leistungsbeginn über die erforderliche technische Aus-stattung zur Ausführung der Lose 3 bis 6 verfüge. Die von der BEI beabsichtigte Einstellung von ungefähr 40 Busfahrern sowie der erforderliche Erwerb von ungefähr 24 Bussen ein-schließlich der insofern erforderlichen Investitionsmittel/Darlehensaufnahmen stellten nach dem die BEI betreffenden Gesellschaftsvertrag zustimmungsbedürftige Geschäfte dar. Es sei nicht ersichtlich, dass der ppp-Kreis eine solche Zustimmung erteilt habe oder zukünftig erteilen werde, so dass die BEI hinsichtlich der Einstellung von ungefähr 40 Busfahrern und dem Erwerb von ungefähr 24 Bussen bis zum 31.12.2017 nicht handlungsfähig sei. Der Stellungnahme des ppp-Kreises vom 19.10.2017 sei zu entnehmen, dass die erfolgte Be-trauung der BEI mit ÖPNV-Aufgaben offenbar die Regelung enthalte, dass eine Verkehrs-bedienung außerhalb des ppp-Kreises nur möglich sei, wenn benachbarte Aufgabenträger mit dem ppp-Kreis die Übernahme der Aufgabenträgerschaft vereinbart hätten. Der ppp-Kreis weise darauf hin, dass eine solche Vereinbarung mit dem Landkreis xxx nicht be-stehe. Die BEI erfülle daher die ihr im Rahmen der Betrauung auferlegten Pflichten zur Leistungsausführung offenbar nicht, wenn sie entgegen der Vorgaben der Betrauung in

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einem anderen Landkreis tätig werden wolle, ohne dass die hierfür erforderlichen Zu-stimmungen vorlägen. Auch insofern sei die BEI rechtlich daran gehindert, im Gebiet des Landkreises xxx die ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen. Die VST hat mit Telefax/Schreiben vom 25.10.2017 gegenüber der Vergabekammer aus-geführt, dass der ursprünglich für den 01.12.2017 vorgesehene Leistungsbeginn im Einver-nehmen mit der AST und der BEI auf den 01.02.2018 verlegt worden sei. Die BEI sei ge-eignet und verfüge insbesondere über die erforderliche technische Leistungsfähigkeit. Der Vergabestelle stehe insofern ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungs-instanzen nur eingeschränkt überprüft werden könne. Derzeit stünde im Raum xxx ge-eignetes Busfahrerpersonal in ausreichender Zahl zur Verfügung. Bei einem Wechsel des Auftragnehmers bestünde eine Annahme dafür, dass Mitarbeiter des bisherigen Leistungs-erbringers jedenfalls nicht vollständig von diesem weiterbeschäftigt würden und dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stünden. Der Wechsel von qualifiziertem Personal vom bisherigen Leistungserbringer zum zukünftigen Leistungserbringer sei bei Dienstleistungen, die Gegenstand langjähriger öffentlicher Aufträge seien, die Regel. Des Weiteren stünden dem Arbeitsmarkt und auch der BEI durch die Insolvenz Herrn aaaa die Mitarbeiter seines Unternehmens grundsätzlich zur Verfügung. Auch das Interesse des bislang eingesetzten Personals, keinen geographischen Wechsel in ihrem Tätigkeitsfeld zu erleiden, streite für die Vermutung, dass die bislang auf den Umläufen der Lose 3 bis 6 eingesetzten Busfahrer der AST und die vormaligen Busfahrer Herrn aaaa der BEI zukünftig zur Verfügung stünden. Diese Mitarbeiter könnten auf dem Gebiet des Landkreises xxx im Bereich des öffentlichen Busverkehrs nicht ausweichen, da insofern die VST alleinige Leistungserbringerin sei. Die BEI sei auch nicht deshalb auszuschließen, weil sie nicht über eine kommunalaufsichtsrechtliche Genehmigung nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO ver-füge. Es handele sich bei dieser Bestimmung um keine Bestimmung über das Vergabever-fahren im Sinne von § 97 Absatz 6 GWB, auf deren Einhaltung die AST gegenüber der VST einen Anspruch habe. Das Genehmigungserfordernis des § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO habe ausschließlich ordnungsrechtliche Funktionen in Bezug auf das Kommunalwirtschafts-recht. Des Weiteren sei eine Genehmigung nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO auch nicht mehr erforderlich, da zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns am 01.02.2018 eine Beteiligung des ppp-Kreises oder anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht mehr bestehe. Eine Genehmigung nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO sei in Bezug auf die BEI nicht er-forderlich, da der ppp-Kreis über die pppp mittelbarer Minderheitsgesellschafter der BEI sei, § 71 ThürKO jedoch ausschließlich auf die unmittelbare Beteiligung der Kommune An-wendung finde. Auch könne von einem Unternehmen im Sinne des § 71 Absatz 5 ThürKO nur dann die Rede sein, wenn die Kommune alleiniger Gesellschafter oder zumindest je-doch die Mehrheit der Geschäftsanteile innehabe. Das kommunale Wirtschaftsrecht des Freistaates Thüringen könne die wirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen, die mehrheit-lich in privater Hand seien, nicht einschränken. Das Genehmigungserfordernis nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO erfasse nach alledem nicht die Tätigkeit von Unternehmen, an denen eine Kommune nur mittelbar mit einer Minderheitsbeteiligung beteiligt sei. Die BEI hat durch ihren zweiten Verfahrensbevollmächtigten mit Telefax/Schreiben vom 25.10.2017 bei der Vergabekammer beantragt,

1. die Anträge der AST abzulehnen, 2. die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der BEI im Nachprüfungsverfahren für

notwendig zu erklären, 3. der AST die Kosten des Verfahrens einschließlich der Aufwendungen der BEI zur

zweckentsprechenden Rechtsverteidigung aufzuerlegen. Die BEI trägt zum Nachprüfungsantrag der AST vor, dass sie keine wettbewerbswidrige Ab-sprachen mit Herrn aaaa getroffen habe. Sie habe ihm zu keinem Zeitpunkt ihre Kal-kulation oder Bestandteile derselben zur Kenntnis gegeben und auch ihrerseits keine Kenntnis von der Kalkulation oder Bestandteilen derselben von Herrn aaaa erlangt. Darüber hinaus bestünden auch keine Absprachen hinsichtlich eines Nachunternehmerver-hältnisses zwischen der BEI und Herrn aaaa. Herr aaaa habe sich aber nach der am

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04.09.2017 durch die VST erfolgten Bieterinformation an die BEI wegen einer möglichen Beauftragung durch die BEI und wegen einer Übernahme eines Großteils seiner Arbeitnehmer und/oder Anmietung nicht mehr benötigter Busse gewandt. Seit dieser Zeit würden sich täglich Busfahrer von Herrn aaaa bei der BEI bewerben, da sie vom Insolvenzverwalter Herrn aaaa zum 31.12.2017 gekündigt worden seien. Die BEI habe daraufhin lediglich mitgeteilt, sie werde die Möglichkeit einer derartigen Zusammenarbeit prüfen lassen. Sie habe jedoch eine Beauftragung von Herrn aaaa abgelehnt. Die BEI hat weiterhin pauschal dargelegt, das Angebot der AST sei nicht form- und fristgerecht eingegangen, enthalte nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen, weise zweifelhafte Änderungen an Eintragungen der AST auf, die AST habe Änderungen und Er-gänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen und das Angebot der AST ent-halte nicht die erforderlichen Preisangaben, dafür jedoch unzulässige Nebenangebote. Diese Annahmen stützten sich darauf, dass es sich bei der AST um eine aus vier Verkehrs-unternehmen bestehende Bietergemeinschaft handele und die Erstellung und Abstimmung eines formal korrekten Angebots erfahrungsgemäß bei Bietergemeinschaften problema-tisch sei. Die BEI bittet die Vergabekammer, den Sachverhalt insofern von Amts wegen zu erforschen. Die BEI behauptet weiter, dass das Angebot der AST keine Dokumentation für die Eingehung einer Bietergemeinschaft aufweise, welche die mit der Bietergemeinschaft verbundene Wettbewerbsverkürzung rechtfertige. Die BEI bittet die Vergabekammer, den Sachverhalt auch insofern von Amts wegen zu erforschen. Die AST sei nicht antragsbefugt. Ihr drohe kein Schaden, da sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt selbst den Zuschlag erhalten könne. Vielmehr sei das Angebot der AST durch die VST vom Vergabeverfahren auszuschließen, da es zum einen formwidrig und un-vollständig sei und zum anderen auf einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung einer Bieter-gemeinschaft beruhe. Darüber hinaus wäre bei einem unterstellten Ausschluss der BEI das Vergabeverfahren durch die VST aufgrund unwirtschaftlichen Ergebnisses aufzuheben. Das nicht form- und fristgerechte und unvollständige Angebot der AST sei gemäß § 57 Ab-satz 1 VgV von der Wertung auszuschließen. Dieser Umstand führe dazu, dass die AST von der Wertung nicht betroffen sei, ihr kein Schaden entstehen oder drohen könne und sie daher auch nicht in ihren Rechten verletzt sein könne. Die AST habe in Form einer unzu-lässigen Bietergemeinschaft selbst wettbewerbswidrige Abreden getroffen und sei daher gemäß § 42 VgV in Verbindung von § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB auszuschließen. Die Vor-aussetzungen einer zulässigen Bietergemeinschaft -die fehlende Markteintrittsfähigkeit der teilnehmenden Unternehmen und die wirtschaftliche und kaufmännische Zweckmäßigkeit der Bietergemeinschaft- seien vorliegend nicht erfüllt. Die vorliegend unzulässige Bieter-gemeinschaft führe im Ergebnis zu einer Wettbewerbsverkürzung. Auch habe die AST die Bildung einer Bietergemeinschaft aus vier Verkehrsunternehmen in ihrem Angebot nicht ge-rechtfertigt. Das Angebot enthalte mutmaßlich keine ausreichende Darlegung objektiver und subjektiver Gründe für den Zusammenschluss. Die Bildung einer vorliegend unzu-lässigen Bietergemeinschaft verstoße gegen das Wettbewerbsprinzip gemäß § 97 Absatz 1 GWB in Verbindung mit § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB, auf dessen Einhaltung alle Bieter gemäß § 97 Absatz 6 GWB ein Recht hätten. Die AST dürfe daher selber nicht den Zu-schlag erhalten. Die Teilnehmer hätten sich nicht aus dem legitimen Grund zu einer Bieter-gemeinschaft zusammengeschlossen, um zusammen überhaupt leistungsfähig genug für eine Beteiligung am Wettbewerb zu sein. Vielmehr sei man übereingekommen, einen ge-meinsamen Preis abzusprechen und anzubieten, um nach Erwerb des Auftrags diesen untereinander aufzuteilen und die Rendite so zu maximieren. Die BEI habe diesen Plan durch ihr preislich günstigeres Angebot durchkreuzt. Dass der Preis der AST über dem Preis der BEI liege, obwohl die AST ihren Zusammenschluss zur Bietergemeinschaft nur mit erheblichen Synergien rechtfertigen könne, erhärte ebenfalls den Verdacht einer wett-bewerbswidrigen Preisabsprache, denn Synergien führten zu Kostensenkungen, nicht je-doch zu Preissteigerungen. Die BEI behauptet ferner, dass im unterstellten Falle eines Ver-bleibs allein des Angebots der AST dieses Angebot die Sollkostenberechnung der VST derart überschreite, dass das Ergebnis der Ausschreibung unwirtschaftlich und die Aus-schreibung daher gemäß § 57 SektVO in Verbindung mit § 63 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 VgV analog aufzuheben wäre. Werde die Ausschreibung aufgehoben, könne die AST keinen Zuschlag mehr erhalten, was jedoch ausweislich ihres Nachprüfungsantrages ihr Ziel sei. Der AST drohe folglich kein Schaden.

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Der Nachprüfungsantrag sei zudem unbegründet. Die AST sei nicht in ihren eigenen Rechten verletzt. Die VST sei nicht verpflichtet gewesen, das Angebot der BEI von der Wertung auszuschließen. Die BEI sei für die Leistungserbringung geeignet. Sie habe ihre technische Leistungsfähig-keit im Angebot nachgewiesen. Sie werde hinreichend Personal und Material rechtzeitig zum Betriebsbeginn zur Verfügung stellen. Der Bieter sei grundsätzlich nicht verpflichtet, die sachlichen Mittel für die angebotene Leistung bereits im Zeitpunkt der Zuschlagser-teilung vorzuhalten. Es genüge, dass der Bieter in der Lage sei, sich bis zur Auftragser-teilung die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Ansonsten wären die Bieter sehr früh zu In-vestitionen gezwungen, die sich für den Fall, dass sie den Auftrag nicht erhalten, als wirt-schaftlich unsinnig erweisen würden. Der Auftragsbeginn sei zudem auf den 01.02.2018 verschoben worden. Der Vortrag der AST, der BEI werde es nicht gelingen, rechtzeitig Material und Personal zu beschaffen, sei zu pauschal und unsubstantiiert. Die BEI sei zudem nicht verpflichtet, bereits zum jetzigen Zeitpunkt nachweisen zu müssen, dass und wie sie ihre Betriebsbereitschaft zur Betriebsaufnahme bewerkstelligen werde. Es bestehe im Raum xxx kein Mangel an Busfahrern. Durch die Vergabe an die BEI käme es zu einer Freisetzung von Busfahrern der AST und von Herrn aaaa. Busfahrern sei es eigentümlich, dass diese die heimatnahe Tätigkeit schätzten. Sie würden sich deshalb im besonderen Maße für eine Tätigkeit bei der BEI interessieren. Zudem sei Herr aaaa in Insolvenz gegangen und der vorläufige Insolvenzverwalter habe die Kündigung der Arbeits-verhältnisse zum 31.12.2017 angekündigt. Dies passe exakt in das Zeitkonzept der BEI. Es könne keine Rede von einer offenbaren Unmöglichkeit der Bereitstellung der personellen und technischen Mittel durch die BEI sein. Die BEI sei insofern auch nicht ausschreibungs-pflichtig, da sie keine Sektorenauftraggeberin sei. Die BEI schildert ferner ihre laufenden und beabsichtigten Maßnahmen zur Personalgewinnung wie folgt:

• Die BEI beabsichtige die Übernahme der Busfahrer des bisherigen Leistungser-bringers -der AST.

• Die BEI beabsichtige die Übernahme der Busfahrer des in Insolvenz gegangenen Herrn aaaa. Mit 7 Busfahrern seien bereits Arbeitsverträge geschlossen worden.

• Die BEI habe in Zeitungen zwei Stellenanzeigen zur Personalgewinnung geschaltet; diese Anzeigen würden bei Bedarf nach vier Wochen nochmals geschaltet.

• Die BEI stehe wegen einer Personalleihe in Verhandlungen mit einem dritten Ver-kehrsunternehmen.

• Die BEI habe entsprechende Stellenanzeigen beim Jobcenter (Agentur für Arbeit xxx) geschaltet.

• Die BEI plane die Veranstaltung einer hausinternen Jobbörse, auf der sie Interessenten Rede und Antwort stehe und über die beruflichen Perspektiven und Leistungen des Unternehmens informieren werde.

• Die BEI arbeite mit einer auf Fahrpersonal spezialisierten Zeitarbeitsfirma zu-sammen. Diese werde etwaige Personalengpässe zu Betriebsbeginn abdecken, falls es nicht gelingen solle, in den verbleibenden drei Monaten die restlichen Per-sonale fest einzustellen.

• Die BEI eruiere derzeit auch die Personalgewinnung in anderen europäischen Mit-gliedstaaten (Tschechien, Griechenland, Spanien etc.).

Die Maßnahmen der BEI zur Personalgewinnung trügen bereits jetzt Früchte. Die BEI ver-füge zudem zum Betriebsbeginn über eine planerische Überkapazität von fünf weiteren Fahrern. Zwölf der benötigten vierzig Fahrer stünden bereits jetzt sicher zur Verfügung. Der BEI verblieben zur Einstellung der restlichen 28 Fahrer drei Monate; dies sei angesichts der umfassenden und zeitnah anstehenden Maßnahmen der BEI zur Personalgewinnung mehr als ausreichend. Die BEI bedürfe für die Wettbewerbsteilnahme auch keiner Zustimmung der kommunalen Minderheitsgesellschafterin pppp. Es handele sich bei der Wettbewerbsteilnahme der BEI um deren gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (Erbringung von ÖPNV-Dienstleistungen). Der Gesellschaftszweck erstrecke sich ausweislich des die BEI betreffenden Gesellschaftsver-trages auch auf die Erbringung von ÖPNV-Dienstleistungen in angrenzenden Gebieten des ppp-Kreises. Außerdem solle im Rahmen der sog. Kreisreform in Thüringen der Landkreis

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xxx mit dem ppp-Kreis zu einem einheitlichen Kreisgebiet verschmolzen werden. Der Landkreis xxx grenze an den ppp-Kreis. Ein Gesellschafterbeschluss sei insofern gar nicht erforderlich gewesen, wie auch der Katalog der Zustimmungserfordernisse in § 7 des die BEI betreffenden Gesellschaftsvertrages zeige. Die pppp habe den die BEI betreffenden Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2017, 24:00 Uhr, gekündigt. Die pppp dürfe infolge dieser Kündigung hinsichtlich zukünftiger Rechtsgeschäfte gemäß § 47 Absatz 4 GmbHG ihr Stimmrecht nicht mehr ausüben. Dies wäre auch treuwidrig. Die Kündigung des die BEI betreffenden Gesellschaftsvertrages durch die pppp ziehe die Einziehung ihrer Ge-schäftsanteile an der BEI nach sich. Da 2/3 der Geschäftsanteile in der Hand von Herrn zzzz lägen, welcher der Wettbewerbsteilnahme der BEI vorsorglich zugestimmt habe, sei die pppp für den Zeitraum nach dem 31.12.2017 nicht mehr stimmberechtigt und stimmenmäßig chancenlos, so dass insgesamt kein Investitionshindernis auf Seiten der BEI vorliege. Schließlich sei der Geschäftsführer der BEI -Herr zzzz- in seiner Vertretungsmacht für die BEI im Außenverhältnis nicht beschränkt. Das von der BEI abgegebene Angebot sei demnach auch für den Fall eines Zustimmungserfordernisses der pppp als wirksam abgegeben und als zu erfüllen zu betrachten. Die beabsichtigte Vergabe an die BEI verstoße auch nicht gegen § 71 ThürKO. Die insofern vorgebrachte Rüge der AST sei gemäß § 160 Absatz 3 GWB präkludiert. Die AST stütze ihre Rüge einer vermeintlichen Verletzung von § 71 ThürKO ausschließlich auf öffentlich zugängliche Informationen; diese seien auch Anfang September bereits öffentlich verfügbar gewesen. Die Rüge hierzu datiere allerdings erst auf den 13.10.2017. Dies sei vor dem Hintergrund der Rügepräklusionsnormen des § 160 Absatz 3 GWB verspätet und daher nicht mehr zu berücksichtigen. Zudem sei § 71 ThürKO vorliegend irrelevant, da es sich um keine vergaberechtliche Bestimmung handele, die Gegenstand einer Nachprüfung durch die Vergabekammer sein könne. Ferner seien die Voraussetzungen des § 71 Thür-KO eingehalten worden. Die Beschränkungen des § 71 ThürKO würden ausweislich § 71 Absatz 2 Nr. 4 ThürKO im Bereich der Daseinsvorsorge -wozu der ÖPNV unstreitig zähle- ohnehin nur eingeschränkt gelten. Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand sei in diesem Bereich privilegiert. Der legitime öffentliche Zweck sei in der Erbringung von Nahverkehrsleistungen für die Bevölkerung zu sehen. Einer Genehmigung gemäß § 71 Ab-satz 5 ThürKO bedürfe es nicht. Denn es handele sich nicht um eine Erweiterung der Unternehmung. Die Beteiligung am streitbefangenen Wettbewerb sei vom Gesellschafts-zweck gedeckt. Da die pppp am 31.12.2017, 24:00 Uhr, aus der Gesellschaft der BEI aus-scheide und die Leistungsaufnahme erst am 01.02.2018 zu erfolgen habe, sei für die Leistungserbringung der dann rein privaten Gesellschaft der BEI keine Zustimmung der Rechtsaufsicht mehr notwendig. Die BEI beabsichtige, die Leistung vollständig selbst zu er-bringen. Sie habe keine Nachunternehmer angegeben und beabsichtige auch nicht, solche einzusetzen. Die BEI verstoße insofern nicht gegen die Verdingungsunterlagen. Die BEI habe keine unzulässige Preisabsprachen mit Dritten, insbesondere mit Herrn aaaa, getroffen. Es sei zu keinem Austausch von kalkulationsrelevanten Tatsachen, Preisen oder Preisbestandteilen gekommen. Die BEI habe die Anfrage von Herrn aaaa nach einer Beschäftigung als Nachunternehmer zurückgewiesen. Die AST trage nicht schlüssig vor, inwiefern eine Verletzung des Gebots des Geheimwettbewerbs erfolgt sein soll. Die Ausführungen der AST seien insofern spekulativ. Einem insolventen Unternehmen -Herrn aaaa- dürfe es nicht verwehrt sein, aus sozialen Gründen auf seine nun nicht mehr benötigten Fahrer hinzuweisen. Die Teilnahme der BEI am Vergabeverfahren verstoße auch nicht gegen Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007. Die BEI sei nicht Empfängerin einer kommunalen Direktver-gabe gemäß Artikel 5 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 gewesen und könne daher auch nicht gegen die Vorgaben der VO (EG) Nr. 1370/2007 verstoßen haben. Der ppp-Kreis beherrsche durch die pppp die BEI nicht und übe daher keine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 und lit. a) der VO (EG) Nr. 1370/ 2007 aus. Die BEI sei durch den ppp-Kreis mit Kreistagsbeschluss 411/09 vom 01.04.2009 bis zum 30.06.2019 mit der Erbringung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden. Die Betrauung sei mit Eingang des gegengezeichneten Exemplars des Kreistags-beschlusses am 24.09.2017 zustande gekommen und daher noch vor Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1370/2007 vorgenommen worden. Das seitens der AST angeführte Territorialitäts-prinzip nach Artikel 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 finde auf die vor In-

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krafttreten der VO (EG) Nr. 1370/2007 vorgenommenen Betrauungen keine Anwendung. Nach den Artikeln 4 Absatz 3, 8 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 bleibe die auf zehn Jahre vorgenommene Betrauung der BEI mit ÖPNV-Aufgaben gültig und sei vom An-wendungsbereich der VO (EG) Nr. 1370/2007 ausdrücklich ausgenommen. Auch ergebe sich aus der Betrauung selbst keine Beschränkung der BEI in ihrer wettbewerblichen Tätig-keit. Denn die Betrauung umfasse auch gebietsübergreifende Angebote, soweit die Auf-gabenträger der benachbarten Gebiete, in denen Fuhrleistungen durch die BEI erbracht werden, mit dem ppp-Kreis die Übernahme der Aufgabenträgerschaft vereinbart hätten. Demnach bestehe kein Verbot, sondern lediglich eine Beschränkung der Möglichkeit einer Betrauungserweiterung. Die AST hat mit Telefax vom 03.11.2017 gegenüber der Vergabekammer bekräftigt, dass die BEI nicht über die zur Auftragsdurchführung erforderliche personelle und technische Leistungsfähigkeit verfüge, so dass die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 vom Ver-gabeverfahren auszuschließen seien. Die Mitgliedsunternehmen der AST hätten vormals für Herrn aaaa tätig gewesene Busfahrer neu eingestellt; auch dadurch mangele es an geeigneten, verfügbaren Busfahrern im Raum xxx. Es bestünden keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der BEI zum nunmehr vorgesehenen Leistungsbeginn am 01.02.2018 die benötigten Busfahrer tatsächlich zur Verfügung stünden. Die BEI habe nicht konkret darlegen und beweisen können, dass ihr das zur Auftragsausführung benötigte Busfahrerpersonal zum Leistungsbeginn am 01.02.2018 zur Verfügung stehen werde. Auch lägen die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der BEI außerhalb des Ge-bietes des ppp-Kreises gemäß § 71 Absatz 2 ThürKO nicht vor. Damit liege eine von der BEI zu den Losen 3 bis 6 rechtlich nicht erlaubte Tätigkeit vor. Die Annahme der VST, das Genehmigungserfordernis nach § 71 Absatz 5 ThürKO gelte allenfalls für Unternehmen, bei denen eine Kommune unmittelbar beteiligt sei, sei unzutreffend. Das Gesetz nehme auch keine Differenzierung in Bezug auf den Umfang der gehaltenen Gesellschaftsanteile vor. Das Argument der VST, im Zeitpunkt des Leistungsbeginns am 01.02.2018 würden sämt-liche Geschäftsanteile an der BEI voraussichtlich ausschließlich von Privaten gehalten werden, überzeuge nicht. Die in § 71 Absatz 5 ThürKO geregelten Genehmigungsvor-behalte dienten auch dem Schutz der Kommunen, die sich an dem Unternehmen beteiligt hätten. Für die Frage, ob die Genehmigung nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO für ein Tätigwerden des gemeindlichen Unternehmens außerhalb des Gemeindegebiets seitens der Rechtsaufsichtsbehörde erteilt worden wäre, sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die BEI die Genehmigung hätte beantragen müssen. Des Weiteren ergebe sich aus der Stellungnahme des ppp-Kreises vom 19.10.2017, dass eine Tätigkeit der BEI außerhalb des ppp-Kreises nicht im Interesse des ppp-Kreises sei. Die AST hat weiter ausgeführt, dass sie ihre Rüge vermeintlich wettbewerbswidriger Absprachen zwischen der BEI und Herrn aaaa nicht mehr aufrechterhalte. Das Angebot der AST als Bietergemeinschaft sei vergaberechtlich ordnungsgemäß erstellt worden. Die Ausschreibung enthalte keine Ver-pflichtung der Bietergemeinschaft, eine Dokumentation für die Gründe zur Eingehung einer Bietergemeinschaft zusammen mit dem Angebot vorzulegen. Angaben zur Bildung einer Bietergemeinschaft seien erst auf eine entsprechende Anforderung des Auftraggebers er-forderlich. Der Nachprüfungsantrag der AST sei zulässig. Es liege keine Rügepräklusion und auch sonst kein Verstoß gegen die Verfahrensförderungspflicht seitens der AST vor. Die AST habe ein form- und fristgerechtes Angebot abgegeben. Die von der BEI be-haupteten Verstöße seien ohne Substanz. Die Gründung der Bietergemeinschaft sei unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer Südbayern, der Vergabe-kammer Sachsen und des OLG Düsseldorf vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Es seien die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen, die zur Gründung der Bieter-gemeinschaft geführt hätten, zu berücksichtigen. Nach Artikel 7 Absatz 2, 1. Alternative, der VO (EG) Nr. 1370/2007 habe spätestens ein Jahr vor Einleitung des wettbewerblichen Ver-gabeverfahrens eine Vorabbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union über die beabsichtigte Vergabe stattzufinden. Die Bekanntmachung für die streitgegenständliche Vergabe sei am 24.06.2017 erfolgt, mithin fünf Monate vor dem Leistungsbeginn gemäß der Ausschreibung. Nach Artikel 4 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 sei als obliga-torischer Inhalt der Ausschreibung für Busverkehrsdienste eine Laufzeit von höchstens 10 Jahren vorzusehen. Die üblichen Laufzeiten für die Vergabe von Busverkehrsleistungen

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würden zwischen 8 und 10 Jahren betragen. Demgegenüber betrage vorliegend die Lauf-zeit der zu vergebenden Busverkehrsdienstleistungen lediglich 19 Monate. Die wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen stellten sich im Hinblick auf die mit der Teilnahme am Wettbe-werb erforderlichen Investitionen in Personal und Fahrzeuge als schwierig dar, da für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum erhebliche Mittel in personeller und technischer Hinsicht gebunden würden. Zudem seien zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots der AST ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der VST anhängig gewesen und zeitgleich die aus-geschriebenen Linien durch Herrn aaaa auf der Grundlage des sog. Doppelverkehrs bedient worden. Bei dieser Sachlage hätten die Mitglieder der Bietergemeinschaft die Ent-scheidung getroffen, die bestehenden wirtschaftlichen Risiken auf mehrere Partner zu ver-teilen und über die hierbei auch erreichten Synergieeffekte ein erfolgversprechendes Ange-bot abgeben zu können. Die Mitglieder der Bietergemeinschaft hätten auch berücksichtigt, dass Kapazitätsprobleme bei der Ausführung der streitgegenständlichen Busverkehrs-leistungen im Rahmen einer Bietergemeinschaft besser abgefedert werden könnten, als es bei der Beteiligung am Vergabeverfahren durch einen Einzelunternehmen anzunehmen sei. Die Gründung der Bietergemeinschaft sei auch durch die Tatsache veranlasst worden, dass zwei Mitglieder der Bietergemeinschaft über Betriebshöfe im Einzugsbereich von xxx verfügten, die von den weiteren Mitgliedern der Bietergemeinschaft für die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen genutzt werden könnten. Die AST verfüge auch über keine marktbeherrschende Position im Raum xxx. Sie verfüge erst seit Mai 2017 über Erfahrungen im Stadtverkehr, der vornehmlich Gegenstand der Ausschreibung gewesen sei. In Thüringen seien regional und überregional tätige Busunternehmen in der Lage, sich an Ausschreibungen des Personennahverkehrs zu beteiligen. Die AST habe ein in jeder Hinsicht wirtschaftliches Angebot abgegeben, so dass der angestrebte Ausschluss der BEI aus dem Vergabeverfahren zu keinem unwirtschaftlichen Ergebnis führe. Die BEI könne ihren Personalbedarf von ca. 40 Busfahrern zur Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen nicht decken. Die von der BEI ergriffenen Personalgewinnungsmaßnahmen reichten hierfür nicht aus. Insbesondere könne über Zeitarbeitsfirmen derzeit kein Bus-fahrerpersonal akquiriert werden. Dies gelte auch für die von der BEI erwähnte Jobbörse, bei der ein erheblicher Teil der anwesend gewesenen Busfahrer nicht über die erforder-lichen Sprachkenntnisse verfügten. Die AST bestreitet auch das Bestehen einer planerischen Überkapazität von fünf Busfahrern zum geplanten Leistungsbeginn am 01.02.2018. Die Behauptung der BEI, sie könne die benötigten restlichen Busfahrer in den nächsten drei Monaten einstellen, sei nicht glaubhaft. Der Geschäftsführer der BEI habe in einer Mitarbeiterversammlung angekündigt, 16 neue Busse und 8 gebrauchte Busse er-werben zu wollen. Die derzeitigen Lieferzeiten für Neufahrzeuge würden aber wenigstens 6 Monate betragen, so dass ein Großteil der benötigten Fahrzeuge zum 01.02.2018 nicht zur Verfügung stehen könnte. Der BEI sei es aus förderrechtlichen Gründen zudem untersagt, die im ppp-Kreis eingesetzten Busse für die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen einzusetzen. Die notwendige Verdopplung der wirtschaftlichen Tätigkeit der BEI sei in per-soneller, technischer und insbesondere in finanzieller Hinsicht ohne Beteiligung der pppp kaum darstellbar. Die AST führt abschließend aus, dass die Hinzuziehung von zwei Ver-fahrensbevollmächtigten durch die BEI nicht erforderlich gewesen sei. Die VST hat mit Telefax vom 03.11.2017 der Vergabekammer mitgeteilt, dass sie ihrer mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Dienstleisterin -der KKKK Unternehmensberatung GmbH- um Prüfung und Stellungnahme zu den von der VST beab-sichtigten Personalgewinnungsmaßnahmen gebeten habe. Die Dienstleisterin habe darauf-hin mit E-Mail vom 03.11.2017 der VST mitgeteilt, dass diese Personalgewinnungsmaß-nahmen hinreichend umfangreich und konkret seien. Insofern bestünden nach Auffassung der Dienstleisterin keine Zweifel, dass die BEI in der Lage sei, die Leistungen ab Leistungs-beginn am 01.02.2018 ordnungsgemäß zu erbringen. Die VST habe mit E-Mail vom 03.11.2017 ihrem Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt, dass sie sich nach erfolgter Prüf-ung und Wertung den Ausführungen ihrer Dienstleisterin anschließe. Des Weiteren habe die Dienstleisterin der VST mit weiterer E-Mail vom 03.11.2017 mitgeteilt, dass der Fuhr-park des insolventen Herrn aaaa derzeit versteigert werde und daher zusätzliche Möglichkeiten für die BEI bestünden, die erforderlichen Busse zu erwerben. Die BEI habe zudem der VST am 02.11.2017 mitgeteilt, dass sie zwischenzeitlich 10 weitere Mitarbeiter

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arbeitsvertraglich gebunden habe. Ferner seien in der Datenbank der Arbeitsagentur weitere ca. 25 Busfahrer aufgeführt, die noch keine Anstellung erhalten hätten. Die BEI stehe mit der JJJJJ Verkehrsbetriebe AG hinsichtlich der Überlassung von Personal im Rahmen einer Personalleihe in Kontakt, zudem mit einer auf Fahrpersonal spezialisierten Zeitarbeitsfirma -der Firma HHHH GmbH. Sowohl die JJJJJ Verkehrsbetriebe AG als auch die HHHH GmbH seien hinsichtlich ihrer Größe, Kapazität und Marktpräsenz geeignet, die BEI bei der Akquirierung des weiteren erforderlichen Personals effektiv und nachhaltig zu unterstützen. Das bislang bei Herrn aaaa bzw. bei den derzeitigen Leistungserbringern beschäftigte Fahrpersonal würde seine Entscheidung hinsichtlich eines Wechsels des Arbeitgebers maßgeblich davon abhängig machen, welches Unternehmen ab dem 01.02.2018 die ausgeschriebenen Leistungen erbringen werde. Eine nachhaltige und effektive Personalakquirierung von den derzeitigen Leistungserbringern könne berechtigterweise erst nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens erwartet werden. Es könne jedenfalls nicht für sämtliche Lose angenommen werden, dass die VST insofern nicht den Nachweis der rechtzeitigen Verfügbarkeit des erforderlichen Personals erbracht habe. Daher scheide ein Ausschluss sämtlicher Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 aus. Die Verfahrensbeteiligten hatten in der mündlichen Verhandlung am 07.11.2017 Gelegen-heit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern. Die AST hat in der mündlichen Verhandlung ihre Anträge aus ihrer Antragsschrift vom 13.09.2017 und 13.10.2017 gestellt. Die VST hat ihre Anträge zu 1. bis 3. aus ihrem Schrift-satz vom 21.09.2017 gestellt; sie hat ihren Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung nicht mehr gestellt. Die BEI hat ihre Anträge aus ihrem Antragsschriftsatz vom 25.10.2017 ge-stellt. Die Vergabekammer verweist im Einzelnen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 07.11.2017. Die Vergabekammer nimmt ergänzend Bezug auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten der VST.

II. 1. Zulässigkeit Der auf einen Ausschluss der Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 abzielende Nach-prüfungsantrag der AST vom 13.09./13.10.2017 ist ganz überwiegend zulässig. a) Die AST hat nach § 161 Absatz 1 Satz 1 GWB am 13.09.2017 einen schriftlichen Nach-prüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht, der nach näherer Maßgabe von § 161 Absatz 2 GWB begründet worden ist. Nach § 161 Absatz 2 GWB muss die Begründung die Bezeichnung des Antragsgegners, eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten sowie darlegen, dass die Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt ist; sie soll, soweit bekannt, die sonstigen Beteiligten benennen. Die Sachverhaltsdarstellung darf in dem Antrag nicht völlig fehlen und muss zumindest so erfolgen, dass sich aus ihr die konkrete Möglichkeit einer Rechtsverletzung zum Nachteil des Antragstellers ergibt. Der Antragsteller muss deutlich machen, welche Handlung oder Unterlassung des Auftraggebers einen Verstoß gegen Vergabevorschriften darstellt. Die Darlegungspflicht des Antragstellers erstreckt sich jedoch nur auf solche Tat-sachen, die dem Antragsteller bekannt sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bestimmte Sachverhaltselemente gar nicht vortragen kann, weil sie sich auf interne Vorgänge der Vergabestelle beziehen oder das Angebot eines Mitbewerbers be-treffen, die dem Antragsteller in aller Regel nicht bekannt sind. Die Anforderungen an die Darlegungslast des Antragstellers dürfen daher nicht überspannt werden. Vom Antrag-steller kann und muss aber verlangt werden, dass er ihm bekannte Tatsachen zur Grund-lage seiner Antragsbegründung macht, wenn er aus diesen Tatsachen die Verletzung seiner Rechte ableitet. Der Antragsteller muss in zumindest laienhafter Darstellung die

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Indizien und tatsächlichen Anhaltspunkte aufzeigen, die den Antragsteller zu dem Schluss bewogen haben, die Vergabestelle habe sich rechtswidrig verhalten. Pauschale Behaup-tungen und Anträge ins Blaue hinein reichen aber nicht aus (Müller-Wrede, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2016, § 161, Rdn. 49 ff.; Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., 2016, § 160, Rdn. 81 ff.; § 161, Rdn. 20 ff.). Die AST trägt diesen Anforderungen an die Begründung bereits im Rahmen der Erörterung ihrer Antragsbefugnis Rechnung, indem sie ohne Nennung ihrer Informationsquelle aus-führt, sie habe in Erfahrung bringen können, dass ihr Angebot für die Lose 3 bis 6 das preislich niedrigste Angebot nach dem Angebot der BEI gewesen sei. Die AST hat damit konkludent darlegt, dass sie in der Bieterrangfolge unmittelbar hinter der BEI stehe, sie ohne die von ihr behaupteten Vergabeverstöße eine echte Chance gehabt hätte, den Zu-schlag zu erhalten und ihr daher im Falle der Zuschlagserteilung an die BEI ein wirtschaft-licher Schaden drohe. Die AST argumentiert in diesem Zusammenhang auf der Grundlage ihres derzeitigen Kenntnisstandes bzw. auf der Grundlage ihr bekannter tatsächlicher An-haltspunkte. Die Ausführungen der AST sind insofern (zum Zeitpunkt der Antragstellung) auch zutreffend gewesen. Die AST trägt den Anforderungen an die Begründung auch im Rahmen der Erörterung der von ihr behaupteten fehlenden technischen Leistungsfähigkeit der BEI Rechnung, sofern sie darauf hinweist, dass nach der ihr bekannt gewordenen Kenntnis von Vertretern des ppp-Kreises eine Investition der BEI in die erforderlich werdende Vergrößerung des Fahr-zeugparks zwecks Erfüllung der ausgeschriebenen Busverkehrsleistungen seitens der BEI bislang nicht erfolgt sei und hierfür auch nicht die erforderliche Zustimmung der Gesell-schafter der BEI vorliege. Die AST argumentiert auch in diesem Zusammenhang auf der Grundlage ihres derzeitigen Kenntnisstandes bzw. auf der Grundlage ihr bekannter tatsäch-licher Anhaltspunkte, ohne dass sie ihre Informationsquelle nennt. Die Ausführungen der AST sind insofern (zum Zeitpunkt der Antragstellung) auch zutreffend gewesen. Die AST trägt den Anforderungen an die Begründung auch im Rahmen der Erörterung von vermeintlich vergaberechtlich unzulässigen (Preis-) Vereinbarungen zwischen der BEI und Herrn aaaa Rechnung, indem sie sogar unter Nennung von zwei Zeugen ausführt, dass Herr aaaa am 08.09.2017 seine Mitarbeiter darüber informiert habe, dass die BEI den Zuschlag für die Lose 3 bis 6 erhalten solle, er sich selbst fruchtlos an der Ausschreibung beteiligt habe, er aber mit seiner Firma gleichwohl im Auftrag der BEI die entsprechenden Busverkehrsleistungen erbringen werde, und die AST daraus das Zustandekommen wettbewerbswidriger (Preis-) Vereinbarungen zwischen der BEI und Herrn aaaa ableitet. Die AST argumentiert auch in diesem Zusammenhang auf der Grundlage ihres derzeitigen Kenntnisstandes bzw. auf der Grundlage ihr bekannter tatsächlicher Anhaltspunkte. Nach Auffassung der Vergabekammer hat die AST den formalen Anforderungen an die Be-gründung des Nachprüfungsantrages des § 161 Absatz 2 GWB Rechnung getragen. Die Vergabekammer hat erst im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungs-antrages festzustellen, ob der Sach- und Rechtsvortrag der AST wirklich zutreffend ist. b) Die Vergabekammer ist für das Nachprüfungsverfahren gemäß den §§ 155, 156 Absatz 1, 2. HS, 158 Absatz 2 und 159 Absatz 3 Satz 1 GWB in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Satz 1 ThürVkVO sachlich und örtlich zuständig.

• Die VST ist Sektorenauftraggeberin im Bereich der Versorgung der Allgemeinheit mit Busverkehrsleistungen nach den §§ 98, 100 Absatz 1 Nr. 2, 102 Absatz 4 GWB.

• Bei den für die Lose 3 bis 6 zu vergebenden Betriebsleistungsverträgen zur Durchführung des Busverkehrs ab nunmehr 01.02.2018 handelt es sich jeweils um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 103 Absätze 1 und 4 GWB.

• Der für die zu vergebenden Dienstleistungen nach § 106 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 2 GWB in Verbindung mit Artikel 15 lit. a) der Richtlinie 2014/25/EU geltende Schwellenwert in Höhe von 418.000,00 Euro ist mit Blick auf die in den Losen 3 bis 6 zu erbringende Fahrleistung von über 1 Mio. Kilometer, die hierfür zu veran-schlagende Vergütung und den jeweils geplanten Vertragsbeginn am 01.02.2018 und das jeweils geplante Vertragsende am 30.06.2019 unstreitig überschritten.

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c) Die AST ist überwiegend antragsbefugt. Nach § 160 Absatz 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevor-schriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Die AST ist nicht antragsbefugt, sofern sie in ihrer Antragsschrift vom 13.09.2017 ausführt, dass die gebotene mindestens fünfzigprozentige Eigenausführung des Auftrags erhebliche finanzielle Investitionen der BEI erfordere, die ohne Zustimmung der Gesellschafter der BEI nicht möglich seien bzw. die der Zustimmung der Gesellschafter der BEI bedürften. Die AST beanstandet damit konkludent eine Verletzung des die BEI betreffenden Gesell-schaftsvertrages durch die BEI. Die AST rügt insofern keine Verletzung von Vorschriften, die ihrem eigenen Schutz zu dienen bestimmt sind; sie kann insofern keine Verletzung in ihren eigenen Rechten geltend machen. Denn der Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 12./16.08.1999 ist von der pppp und Herrn zzz abgeschlossen worden. Die in diesem Gesellschaftsvertrag enthaltenen Bestimmungen unter anderem über den Zweck und Gegenstand des Unternehmens, Geschäftsgang, Beschlussfassung, Zustimmungs- und Mehrheitserfordernisse in der Gesellschafterversammlung betreffen vornehmlich das Verhältnis der Gesellschafter und ihrer Organe zueinander und dienen der Wahrung der berechtigten Interessen der Gesellschafter. Diese Bestimmungen sind nicht zumindest auch dem Schutz individueller Interessen der AST als Mitbieterin zu dienen bestimmt. Eine andere Betrachtung würde in der Folge dazu führen, dass die Vergabestellen und die Vergabekammern auch noch vertieft gesellschaftsrechtliche Fragen zu prüfen und zu entscheiden hätten, was insbesondere die Vergabestellen im Regelfall überfordern würde (vgl. zu diesem Problem sinngemäß Burgi, Vergaberecht, 2016, § 6, Rdn. 21). Nach Auffassung der Vergabekammer ist dies nach den §§ 94, 95 Absatz 1 Nr. 4 lit. a) GVG vor-rangig Aufgabe der Kammern für Handelssachen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach Kenntnis der Vergabekammer die pppp am 21./22.12.2016 den die BEI be-treffenden Gesellschaftsvertrag bzw. ihre Gesellschafterstellung mit Wirkung zum 31.12.2017, 24:00 Uhr, nach § 13 Absatz 2 des Gesellschaftsvertrages gekündigt hat. Diese Kündigung hat nach § 13 Absatz 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages das Aus-scheiden des kündigenden Gesellschafters aus der Gesellschaft zur Folge. Nach § 13 Ab-satz 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages hat das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht das Ende der Gesellschaft zur Folge; die verbleibenden Gesellschafter führen das Unter-nehmen fort. Es dürfte daher dem Geschäftsführer der BEI -Herrn zzz- ab 01.01.2018 keine Schwierigkeiten mehr bereiten, für die Vornahme der entsprechenden Investitionen in der Gesellschaft der BEI die erforderliche Mehrheit zu organisieren (vgl. hierzu auch später). Die von der AST erhobene Rüge der fehlenden Zustimmung der Gesellschafter zu den geplanten Investitionen der BEI hätte sich spätestens dann erledigt. Diese Erwägungen gelten sinngemäß auch, sofern die AST in ihrem Rügeschreiben vom 11.09.2017 auf einen Ausdruck aus dem Handelsregister vom 08.09.2017 verweist, der als Geschäftsgegenstand der BEI die Erfüllung von ÖPNV-Aufgaben für den ppp-Kreis im ppp-Kreis und in angrenzenden Gebieten nennt, und sofern der ppp-Kreis in seiner Stellungnahme vom 19.10.2017 ausführt, die von der BEI geplante Leistungserweiterung beinhalte nach dem Gesellschaftsvertrag der BEI zustimmungspflichtige Rechtsgeschäfte und der BEI überschreite den grundsätzlich auf den ppp-Kreis beschränkten Geltungsbereich seiner Betrauung mit der Durchführung von ÖPNV-Aufgaben. Der ppp-Kreis ist zudem kein Ver-fahrensbeteiligter, insbesondere kein Antragsteller, und insofern nicht rügebefugt. Die AST ist im Übrigen antragsbefugt. Sie hat durch die Abgabe von Angeboten unter anderem für die Lose 3 bis 6 ihr Interesse an den entsprechenden öffentlichen Aufträgen dokumentiert und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht -Verstoß gegen die §§ 97 Absatz 1 Satz 1, 122 Absätze 1 und 2 Satz 2 Nr. 3, 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB., 71 Absatz 5 Sätze 1 und 3 ThürKO, Artikel 5 Absatz 2 lit b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 (vgl. hierzu noch später). Die AST hat einen drohenden Schaden dar-

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gelegt. Der drohende Schaden ergibt sich dem drohenden Zuschlag an die BEI und mithin dem dadurch der AST entgehenden Auftrag. Nach Auffassung der BEI steht der Antragsbefugnis der AST entgegen, dass diese kein form- und fristgerechtes sowie vollständiges Angebot abgegeben habe und es sich bei der AST um eine unzulässige Bietergemeinschaft handele, deren Angebote auszuschließen seien. Des Weiteren sei bei einem unterstellten alleinigen Verbleib der AST im Wettbewerb das Ergebnis der Ausschreibung als unwirtschaftlich zu betrachten, die Ausschreibung daher gemäß den §§ 57 SektVO, 63 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 VgV analog aufzuheben, so dass die AST keinen Zuschlag mehr erhalten könne. Die AST könne daher aus diesen Gründen gar keinen Schaden und keine Rechtsverletzung erleiden. Die Vergabekammer kann nicht feststellen, dass das Angebot der AST nicht form- und frist-gerecht und überdies unvollständig gewesen ist. Die Vergabekammer kann auch nicht feststellen, dass bei einem unterstellten alleinigen Verbleib der AST im Wettbewerb das Er-gebnis der Ausschreibung als unwirtschaftlich zu betrachten wäre und daher eine Auf-hebung der Ausschreibung erfolgen müsste. Die Vergabekammer kann insbesondere auch nicht feststellen, dass es sich bei der AST um eine unzulässige Bietergemeinschaft handelt. Die Bildung von Bietergemeinschaften ist grundsätzlich zulässig und unterliegt nicht dem Generalverdacht der Kartellrechtswidrigkeit (vgl. auch §§ § 43 VgV, § 6 EU Absatz 3 Nr. 2 VOB/A). Die Bildung einer Bietergemeinschaft und die Abgabe eines gemeinsamen An-gebots kann jedoch gegen § 1 GWB verstoßen, wenn sie eine Verhinderung, Ein-schränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Die Verabredung einer Bietergemeinschaft in Bezug auf die Auftragsvergabe und die damit in der Regel kombinierte Eingehung einer Arbeitsgemeinschaft für den Fall des Zuschlags schließt im Allgemeinen die Verpflichtung ein, von eigenen Angeboten abzusehen und mit anderen Unternehmen nicht zusammenzuarbeiten, was im Einzelfall den Tatbestand einer Wettbe-werbsbeschränkung im Sinne des § 1 GWB erfüllen und zu einem Ausschluss des Ange-bots der Bietergemeinschaft nach § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB führen kann. Allerdings wird bei Unternehmen, die auf demselben Markt tätig sind und zueinander in einem potentiellen Wettbewerbsverhältnis stehen, die Bildung einer Bietergemeinschaft als wettbewerbsun-schädlich angesehen, wenn

• die beteiligten Unternehmen jedes für sich zu einer Teilnahme an der Aus-schreibung mit einem eigenständigen Angebot aufgrund ihrer betrieblichen und ge-schäftlichen Verhältnisse nicht leistungsfähig sind und erst der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft sie in die Lage versetzt, sich daran mit Erfolgsaussicht zu beteiligen, oder

• die Unternehmen für sich genommen zwar leistungsfähig, Kapazitäten aufgrund anderweitiger Bindung aktuell jedoch nicht einsetzbar sind, oder

• die beteiligten Unternehmen für sich genommen leistungsfähig sind, der Zu-sammenschluss zu einer Bietergemeinschaft aber als eine im Rahmen wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handelns liegende Unternehmens-entscheidung erscheint bzw. im Rahmen einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung erst der Zusammenschluss ein erfolgver-sprechendes Angebot ermöglicht.

In diesen Fällen wird durch den Zusammenschluss der Einzelunternehmen der Wettbewerb nicht nur nicht beschränkt, sondern aufgrund des gemeinsamen Angebots gestärkt. Den beteiligten Unternehmen ist im Rahmen ihrer Entscheidung für einen Zusammen-schluss zu einer Bietergemeinschaft eine Einschätzungsprärogative zuzuerkennen, deren Ausübung durch die Nachprüfungsinstanzen -wie im Fall eines Beurteilungsspielraums- nur eingeschränkt auf die Einhaltung ihrer Grenzen, kurz zusammengefasst: auf Vertretbarkeit, zu kontrollieren ist (vgl. zu alledem OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2016, Az.: VII-Verg 3/16; Müller-Wrede, a.a.O., § 124, Rdn. 69 ff.; Burgi/Dreher, Kommentar zum Ver-gaberecht, GWB 4. Teil, 3. Aufl., 2017, § 124, Rdn. 57 ff.).

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Die Mitgliedsunternehmen der AST sind als Busverkehrsunternehmen auf demselben Markt tätig und stehen zueinander grundsätzlich in einem Wettbewerbsverhältnis. Die AST hat in Ziffer 1.3 des von ihr ausgefüllten Angebotsformulars ausdrücklich angegeben, dass die Bietergemeinschaft aufgrund des Auftragsvolumens gegründet worden ist. Die nach-folgende Kurzbeschreibung der Aufgabenteilung innerhalb der Bietergemeinschaft enthält die losbezogene Angabe, welches Mitglied der Bietergemeinschaft welche Umläufe zu be-dienen hat. Der Kurzbeschreibung der Aufgabenteilung kann im Falle der AST zunächst entnommen werden, dass keiner der Mitglieder der Bietergemeinschaft kapazitätsmäßig in der Lage ist, ein Angebot für sämtliche sechs Lose abzugeben. Ziffer II.1.6) der europa-weiten Ausschreibung und Ziffer 1 des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbe-dingungen ist allerdings zu entnehmen, dass ein Angebot für ein Los, mehrere Lose oder alle Lose abgegeben werden kann. Die nähere Betrachtung der Kurzbeschreibung der Auf-gabenteilung ergibt im Fall der AST, dass bei jedem der sechs Lose, für die die AST ein Angebot abgegeben hat, die darin enthaltenen, näher bezeichneten Umläufe von mehreren Mitgliedern der Bietergemeinschaft gefahren werden. Dies legt die Vermutung nahe, dass keiner der Mitglieder der Bietergemeinschaft kapazitätsmäßig in der Lage ist, alle Umläufe eines Loses zu fahren und damit ein eigenes Angebot für eines der Lose abzugeben. Für diese Vermutung spricht auch, dass die Mitglieder der Bietergemeinschaft neben der Er-füllung von ÖPNV-Aufgaben zusätzlich (private) Reiseverkehrs- und Güterverkehrsauf-gaben erfüllen und die hierfür benötigten Kapazitäten nicht mehr zur Verfügung stehen, um ggf. noch mehr Umläufe der jeweils ausgeschriebenen Lose bedienen zu können. Zwar ist es theoretisch vorstellbar, dass die Mitglieder der Bietergemeinschaft sämtliche ihrer Kapa-zitäten dafür einsetzen, um sämtliche Umläufe eines Loses zu bedienen; insofern käme dann jeweils auch ein eigenständiges Angebot und damit eine unabhängige Teilnahme durch die Mitglieder der Bietergemeinschaft in Betracht. Die Vergabekammer verkennt auch nicht, dass die vier Mitglieder der Bietergemeinschaft eine Anzahl von Umläufen zu bedienen haben, die im Schnitt 1,5 Lose entsprechen. Dieser Gesichtspunkt spricht eher für eine Leistungsfähigkeit der Mitglieder der Bietergemeinschaft, die ihnen jeweils ein eigenständiges Angebot für ein oder mehrere Lose und damit eine unabhängige Teilnahme an der Ausschreibung erlaubte. Nach Auffassung der Vergabekammer war aber jedenfalls der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft im Rahmen einer wirtschaftlich zweck-mäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung vertretbar: Denn der Auftragnehmer hat nach näherer Maßgabe der Ziffern 3.2.1, 3.2.3 und 3.2.4 der Leistungsbeschreibung und § 3 des Entwurfs eines Betriebsleistungsvertrages zur Durchführung des Busverkehrs die Busverkehrsleistungen zu erbringen und hierfür Personal und Busse bereitzustellen. Wenn der Auftragnehmer diese Pflichten verletzt, haftet er nach näherer Maßgabe der §§ 6, 10 Nr. 7 des Entwurfs eines Betriebsleistungsvertrages zur Durchführung des Bus-verkehrs. Nach Einschätzung der Vergabekammer ist davon auszugehen, dass ein Ausfall von Fahrzeugen und Personal eines Mitgliedes der Bietergemeinschaft im Bedarfsfall durch die anderen Mitglieder der Bietergemeinschaft schneller und kostengünstiger kompensiert werden kann als durch einen Einzelunternehmer. Der Zusammenschluss zu einer Bieter-gemeinschaft führt daher vorliegend grundsätzlich zu einer Verringerung der wirtschaft-lichen Haftungs-, aber auch der Verdienstausfallrisiken zugunsten der Mitglieder der Bieter-gemeinschaft und zu einer erhöhten Sicherheit in der Gewährleistung eines störungsfreien ÖPNV und in diesem Sinne auch zu positiven Synergieeffekten. Die Vergabekammer schließt sich insofern ausdrücklich den Ausführungen der AST vom 03.11.2017 an. Die mit der Bildung einer Bietergemeinschaft in der Regel einhergehenden positiven Synergie-effekte entfallen auch nicht dadurch, dass es einem anderen Bieter -hier der BEI- im Einzel-fall gelingt, ein wirtschaftlicheres Angebot zu erstellen. Die Bietergemeinschaft hat aufgrund ihrer Größe und der oben dargestellten Synergieeffekte grundsätzlich eher die Möglichkeit, ein besonders konkurrenzfähiges Angebot abzugeben. Des Weiteren hat eine Bieterge-meinschaft, deren Mitglieder -wie im vorliegenden Fall- nur eingeschränkt leistungsfähig sind, die Möglichkeit, Angebote für mehrere oder alle Lose abzugeben. Sie kann dann grundsätzlich auch aufgrund ihrer höheren Leistungsfähigkeit (auf bestimmte Los-kombinationen) eher Rabatte gewähren (vgl. hierzu Ziffer 4.2 des Leitfadens zur Aus-schreibung und Bewerbungsbedingungen) und auch dadurch ein besonders konkurrenz-fähiges Angebot abgeben (vgl. auch Müller-Wrede, a.a.O., Rdn. 81; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Nach alledem war es im Rahmen einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kauf-

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männisch vernünftigen Entscheidung vertretbar, dass die Mitglieder der AST sich zu einer Bietergemeinschaft zusammengeschlossen haben. Die VST hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend die Bildung der Bietergemeinschaft auf Seiten der AST statt auf wirt-schaftlich zweckmäßiges und kaufmännisch vernünftiges Handeln auf eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs abgezielt hat. Es besteht auch keine Anforderung dahingehend, dass die Bildung einer Bietergemeinschaft durch deren Mit-glieder nur das letzte Mittel zur Überwindung mangelnder Leistungsfähigkeit zur Angebots-abgabe sein kann und die von der BEI vorgetragenen anderen Gestaltungen (z.B. Bildung von zwei Bietergemeinschaften durch die Mitglieder der AST etc.) zur Erhaltung des Wett-bewerbs vorrangig sind. Dies wird in der jüngeren Rechtsprechung nicht mehr vertreten und widerspräche auch der Einschätzungsprärogative der beteiligten Unternehmen (vgl. auch Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 01.02.2016, Az.: Z3-3-3194-1-58-11/15). Dass der nach § 97 Absatz 1 Satz 1 GWB anzustrebende faire Wettbewerb tatsächlich stattgefunden hat, wird auch dadurch belegt, dass neben der AST auch die BEI und Herr aaaa -die beide keine Bietergemeinschaft repräsentieren- Angebote abgegeben haben und nach dem Willen der VST die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 den Zuschlag erhalten sollen. d) Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages steht auch kein zwischenzeitlich erteilter Zu-schlag nach § 168 Absatz 2 GWB entgegen. e) Die AST ist fristgerecht ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen. Nach dieser Bestimmung muss der Antragsteller den von ihm vor Ein-reichen des Nachprüfungsantrags erkannten Verstoß gegen Vergabevorschriften gegen-über dem Auftraggeber innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen rügen, um ihn dann im Nachprüfungsverfahren geltend machen zu können. Die AST ist nach der ihr am 04.09.2017 zugegangenen Bieterinformation der VST mit Rügeschreiben vom 11.09.2017 grundsätzlich ihrer Rügeobliegenheit fristgerecht nachge-kommen. Die AST hat nach der am 29.09.2017 erfolgten Akteneinsicht aufgrund weiterer (Internet-) Recherchen im Laufe des Oktobers in Erfahrung bringen können, dass die BEI über keine kommunalaufsichtsrechtliche Genehmigung zum Tätigwerden außerhalb des Gebietes des ppp-Kreises verfügt und daraufhin mit Telefax/Schreiben vom 13.10.2017 gegenüber der Vergabekammer einen weiteren vermeintlichen Verstoß gegen § 71 Absatz 5 Sätze 1 und 3 ThürKO gestützt. Die Vergabekammer geht zugunsten der AST davon aus, dass sie den von ihr erkannten vermeintlichen Verstoß gegen § 71 Absatz 5 Sätze 1 und 3 ThürKO am 13.10.2017 noch innerhalb der zehntägigen Rügefrist geltend gemacht hat. Die Vergabekammer geht nicht davon aus, dass sich dieser vermeintliche Verstoß der AST bereits zu einem früheren Zeitpunkt im September 2017 geradezu aufdrängen musste und die AST sich insofern der positiven Kenntnis eines solchen vermeintlichen Verstoßes willentlich verschlossen hat (Müller-Wrede, a.a.O., § 160, Rdn. 58). 2. Begründetheit Der Nachprüfungsantrag der AST vom 13.09./13.10.2017 ist jedoch unbegründet. Die VST verstößt bei der vorgesehenen Erteilung des Zuschlags für die Lose 3 bis 6 an die BEI nicht gegen Vergabevorschriften. Die AST wird durch einen solchen Zuschlag an die BEI nicht in ihren Rechten verletzt. a) Die BEI ist für die zu vergebenden Aufträge der Lose 3 bis 6 geeignet; insbesondere mangelt es ihr entgegen der Auffassung der AST nicht an der erforderlichen technischen Leistungsfähigkeit. Die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 sind aus diesem Grund nicht auszuschließen.

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Nach den §§ 122 Absatz 1, 142 GWB werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen sind. Nach den §§ 122 Absatz 2, 142 GWB ist ein Unternehmen ge-eignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungs-gemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Die objektiven Eignungskriterien von Sektorenauftraggebern dürfen auch die tech-nische und berufliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens betreffen (vgl. auch §§ 122 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3, 142 Nr. 1 GWB). Das Eignungskriterium der technischen und beruf-lichen Leistungsfähigkeit ermöglicht den Auftraggebern, solche Anforderungen zu stellen, dass die Auftragnehmer über die erforderlichen personellen und technischen Ressourcen und Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können. Nach Ziffer III.1.3) der europaweiten Ausschreibung gelten für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit die Eignungskriterien gemäß den Auftragsunterlagen. Ziffer 3.4.2, Unter-absatz 2, des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen ist zu ent-nehmen, dass der Auftragnehmer im Falle eines anzugebenden Nachunternehmerein-satzes mindestens 50 % der ausgeschriebenen Leistungen pro Los gemessen in Fahrplan-kilometern selber zu erbringen hat. Nach den Ziffern 3.2.3 und 3.2.4 der Leistungsbe-schreibung haben die Auftragnehmer bestimmte Anforderungen an das von ihnen einge-setzte Personal und an die von ihnen eingesetzten Fahrzeuge zu erfüllen. Nach Anhang 1 an Anlage 2 Leistungsbeschreibung Losbeschreibungen im Überblick veranschlagt die VST den Fahrzeugbedarf für die Lose 3 bis 6 mit insgesamt 21 Fahrzeugen. Nach Auffassung der AST verfügt die BEI derzeit nicht über das Busfahrerpersonal und nicht über die Busse, um über die derzeitige Erbringung von Busverkehrsleistungen im ppp-Kreis hinaus mindestens 50 % der im Landkreis xxx ausgeschriebenen Busverkehrs-leistungen hinsichtlich der Lose 3 bis 6 selber erbringen zu können. Zwar komme zur Er-füllung der fünfzigprozentigen Eigenleistungsquote ein Ankauf oder eine Kaufoption von Anteilen an anderen Busunternehmen durch die BEI in Betracht. Jedoch habe die BEI eine solche der Zustimmung der Gesellschafter bedürftige Investition bislang nicht getätigt. Es sei für einen fachkundigen Busunternehmer auch ausgeschlossen, innerhalb eines Zeit-raumes von lediglich zweieinhalb Monaten bis zum Leistungsbeginn die erforderlich werdende Ausweitung des Geschäftsbetriebes technisch, finanziell und personell abzu-sichern. Der BEI fehle es daher an der erforderlichen technischen Leistungsfähigkeit, so dass ihr Angebot bereits aus diesem Grunde auszuschließen sei. Ziffer 3.4.2, Unterabsatz 2, des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbe-dingungen muss der Auftragnehmer im Falle eines anzugebenden Nachunternehmerein-satzes mindestens 50 % der ausgeschriebenen Leistungen pro Los gemessen in Fahrplan-kilometern selber erbringen. Die Vergabekammer kann einen Nachunternehmereinsatz von Herrn aaaa durch die BEI nicht feststellen (vgl. hierzu auch später). Die BEI muss daher im Zeitpunkt der Auftragsausführung nicht nur 50 %, sondern sämtliche zur Erbringung der Busverkehrsleistungen erforderlichen personellen und technischen Ressourcen zur Verfügung haben. Nach Einschätzung der Vergabekammer wird die BEI im Zeitpunkt der nunmehr ab 01.02.2018 beginnenden Auftragsausführung über die erforderlichen Busfahrer und Busse verfügen. Die Bejahung der Leistungsfähigkeit des Bieters erfordert das Vorliegen der zur Erbringung der Leistung notwendigen Kapazitäten in fachlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Der Bieter muss grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Auftragsausführung und nicht bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder der Zuschlagserteilung über die erforderlichen Ressourcen für die Auftragsausführung ver-fügen. Denn es wäre einem Bieter nicht zumutbar, bereits über die erforderlichen sach-lichen und personellen Ressourcen verfügen zu müssen, um sich überhaupt am Wettbe-werb beteiligen zu können. Jedoch muss die Eignung eines Bieters, insbesondere seine Leistungsfähigkeit, grundsätzlich im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung geklärt sein und muss in diesem Zeitpunkt bejaht werden können. Der Auftraggeber darf keinen Auftrag an einen Bieter vergeben, der nicht aufgrund gesicherter Erkenntnisse fachkundig und leistungsfähig ist. Beruft sich ein Bieter -wie hier die BEI- für die Auftragsausführung auf bisher nicht verfügbares Personal, muss er darlegen und ggf. nachweisen, dass ihm dieses Personal später auch tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Es ist erforderlich, dass be-

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lastbare Umstände vorliegen, die mit Blick auf den zukünftigen Zeitpunkt der Leistungser-bringung die Annahme rechtfertigen, der Bieter sei in der Lage, das zur Auftragsausführung erforderliche Personal rechtzeitig einzustellen. Derartige Umstände liegen bei zu ver-gebenden Dienstleistungsaufträgen in der Regel bereits dann vor, wenn es sich um Tätig-keiten handelt, für die ein breiter Markt an Mitarbeitern zur Verfügung steht, wie etwa im Reinigungs- oder Baugewerbe, in dem üblicherweise Personal kurzfristig zu beschaffen ist. Handelt es sich hingegen bei den zu vergebenden Dienstleistungen um solche, für die auf dem Arbeitsmarkt nur eine begrenzte Anzahl an geeigneten Mitarbeitern zur Verfügung steht, und kann deshalb von einer jederzeitigen Verfügbarkeit nicht ohne weiteres ausge-gangen werden, reicht allein das Vorhandensein potentieller Mitarbeiter auf dem Arbeits-markt nicht aus. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, dass hiervon eine ausreichende Anzahl potentieller Mitarbeiter auch bereit ist, die betreffenden Dienste für den Bieter zu er-bringen. In einem solchen Fall muss der Bieter in seinem Angebot konkret darlegen, aus welchen Gründen ihm das zur Auftragsausführung erforderliche Personal bei Leistungs-beginn tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Denn nur dann hat der Auftraggeber Anlass zu der Annahme, der Bieter sei mit Blick auf den zukünftigen Zeitpunkt der Leistungser-bringung auch tatsächlich in der Lage, den Auftrag auszuführen (OLG Düsseldorf, Be-schluss vom 04.02.2013, Az.: VII-Verg 52/12; Beschluss vom 05.11.2014, Az.: VII-Verg 21/14; Müller-Wrede, a.a.O., § 122, Rdn. 95 ff.). Die VST und insbesondere die BEI haben jeweils mit Telefax/Schriftsatz vom 25.10.2017 und 03.11.2017 sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 07.11.2017 ausführlich dargelegt, dass die BEI die für die Erbringung der Busverkehrsleistungen hinsichtlich der Lose 3 bis 6 erforderlichen Busse und Busfahrer im Zeitpunkt des Leistungsbeginns am 01.02.2018 zur Verfügung stehen werden. Nach Auffassung der Vergabekammer ist der BEI eine Anmietung oder ein Ankauf von technisch geeigneten Bussen -unter anderem von Herrn aaaa- bis zum geplanten Leistungsbeginn am 01.02.2018 grundsätzlich möglich. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die VST keinen Einsatz öffentlich ge-förderter Busse plant, die für die Erfüllung von ÖPNV-Aufgaben im ppp-Kreis benötigt werden. Nach Einschätzung der Vergabekammer wird es der BEI auch gelingen, bis zum geplanten Leistungsbeginn am 01.02.2018 die erforderlichen Busfahrer zu gewinnen. Die BEI möchte hierfür die nachfolgenden Personalgewinnungsmaßnahmen ergreifen:

• Die BEI beabsichtigt die Übernahme der Busfahrer des bisherigen Leistungser-bringers -der AST.

• Die BEI beabsichtigt die Übernahme der Busfahrer des in Insolvenz gegangenen Herrn aaaa. Mit mehreren Busfahrern des Herrn aaaa sind bereits Arbeitsverträge geschlossen worden.

• Die BEI kann aus den fortlaufend bei ihr eingehenden Initiativbewerbungen Bus-fahrer einstellen.

• Die BEI bildet derzeit drei Lehrlinge aus, die voraussichtlich ab 01.02.2018 als Bus-fahrer zur Verfügung stehen werden.

• Die BEI hat in Zeitungen zwei Stellenanzeigen zur Personalgewinnung geschaltet; diese Anzeigen werden bei Bedarf nach vier Wochen nochmals geschaltet.

• Die BEI steht wegen einer Personalleihe in Verhandlungen mit einem dritten Ver-kehrsunternehmen -der JJJ Verkehrsbetriebe AG.

• Die BEI hat entsprechende Stellenanzeigen beim Jobcenter (Agentur für Arbeit xxx) geschaltet.

• Die BEI plant die Veranstaltung einer hausinternen Jobbörse, auf der sie Interessenten Rede und Antwort stehen und über die beruflichen Perspektiven und Leistungen des Unternehmens informieren will.

• Die BEI arbeitet mit einer auf Fahrpersonal spezialisierten Zeitarbeitsfirma -der Firma HHH GmbH- zusammen. Diese soll etwaige Personalengpässe zu Be-triebsbeginn abdecken, falls es nicht gelingen solle, in den verbleibenden drei Monaten die restlichen Personale fest einzustellen.

• Die BEI eruiert derzeit auch die Personalgewinnung in anderen europäischen Mit-gliedsstaaten (Tschechien, Griechenland, Spanien etc.).

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Darüber hinaus hat die BEI mitgeteilt, dass sie über eine planerische Überkapazität von fünf Busfahrern zum geplanten Leistungsbeginn am 01.02.2018 verfügt. Der BEI verbleiben zudem noch fast drei Monate, um die erforderlichen Busfahrer zu gewinnen. Gerade dieser noch relativ lange Zeitraum dürfte es ihr ermöglichen, mit Hilfe der von ihr vorgesehenen Maßnahmen die erforderlichen Busfahrer zu gewinnen. Der BEI ist es durch eine Anmietung oder einen Ankauf von Bussen sowie durch eine An-stellung von Busfahrern, ggf. auch durch eine Beteiligung an anderen Busverkehrsunter-nehmen, grundsätzlich möglich, die Busverkehrsleistungen hinsichtlich der Lose 3 bis 6 ab 01.02.2018 für die VST im Raum xxx selbständig zu erbringen. Der notwendigen An-schaffung von Bussen und der Anstellung von Busfahrern steht ungeachtet der insofern bereits fehlenden Antragsbefugnis der AST auch das Gesellschaftsrecht nicht entgegen. Zwar dienen die insofern erforderlichen Investitionen der BEI nicht der Erfüllung von ÖPNV-Aufgaben für den ppp-Kreis im ppp-Kreis und in angrenzenden Gebieten nach § 2 Absätze 1 und 3 bis 5 des die BEI betreffenden Gesellschaftsvertrages. Die BEI ist daher nach § 2 Absatz 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages zur Vornahme der Investitionen grundsätzlich nicht berechtigt. Nach dieser Bestimmung kann die Gesellschaft lediglich die den Gesell-schaftszweck fördernden und mit diesem in einem organisatorischen Zusammenhang stehenden Geschäfte abschließen. Sie ist (auch nur insoweit, Anm.d.Verf.) berechtigt, sich an anderen, gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen zu beteiligen. Auch ist nach § 2 Ab-satz 6 des Gesellschaftsvertrages eine Ausdehnung des Unternehmensgegenstandes nur dann zulässig, wenn es sich um Bereiche handelt, die der Erfüllung des Unternehmens-zwecks förderlich sind und mit diesem in einem organisatorischen Zusammenhang stehen, was bei einer vorliegend einschlägigen Erfüllung von ÖPNV-Aufgaben für die VST im Land-kreis xxx nicht der Fall ist. Es bedürfte daher zunächst nach § 7 Absatz 2 lit. w) des Ge-sellschaftsvertrages einer den Unternehmenszweck und -gegenstand betreffenden Änderu-ng des Gesellschaftsvertrages, die nach § 7 Absatz 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages eine 3/4-Mehrheit der Gesellschafterversammlung erforderte, über die Herr zzz mit seiner 2/3-Mehrheit nicht verfügt. Daher ist der Geschäftsführer der BEI -Herr zzz- aufgrund dieser von ihm nach § 9 Absatz 4 des Gesellschaftsvertrages zu beachtenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages im Innenverhältnis derzeit grundsätzlich nicht berechtigt, die zur Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen erforderlichen Busfahrer und Busse zu akquirieren. Die Vergabekammer macht allerdings darauf aufmerksam, dass die pppp aus Treu und Glauben zur Rücksichtnahme gegenüber der BEI und dem Mitgesellschafter, Herrn zzz, verpflichtet ist. Die pppp hat am 21./22.12.2016 die Kündigung des Gesellschaftsvertrages bzw. ihrer Gesellschafterstellung mit Wirkung zum 31.12.2017, 24:00 Uhr, erklärt. Diese Kündigung hat nach § 13 Absatz 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters aus der Gesellschaft zur Folge. Nach § 13 Absatz 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages hat das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht das Ende der Gesellschaft zur Folge; die verbleibenden Gesellschafter führen das Unternehmen fort. Die BEI und der verbleibende Mitgesellschafter, Herr zzz, stehen also vor der Aufgabe, das Unternehmen der BEI wirtschaftlich überlebens- und zukunftsfähig zu machen. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, dass der Geschäftsführer der BEI sich über den bisherigen örtlichen Wirkungskreis hinaus um neue Aufträge bemüht. Die pppp hat aufgrund ihrer Rücksichtnahmepflichten alles zu unterlassen, was die wirtschaftliche Überlebens- und Zukunftsfähigkeit der BEI und des Mitgesellschafters, Herrn zzz, infrage stellte. Dies gilt auch für die Stimmrechtsausübung durch die pppp in der Gesellschafterversammlung. Das bedeutet, dass die pppp ggf. positiv verpflichtet ist, bei notwendigen Veränderungen des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken/mitzustimmen (vgl. oben), und sie ihr Stimmrecht nicht rechtsmissbräuchlich zum Nachteil der BEI und des Mitgesellschafters, Herrn zzz, ausüben darf (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., 2013, § 47, Rdn. 111, Anh § 47, Rdn. 98 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., 2015, § 47, Rdn. 42 ff.). Die Vergabekammer macht auch darauf aufmerksam, dass die Vertretungsmacht des Geschäftsführers der BEI im Außenverhältnis zu Dritten nach § 37 Absatz 2 GmbHG grundsätzlich unbeschränkbar ist. Nach dieser Bestimmung hat eine im Innenverhältnis bestehende Beschränkung der Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH, die Gesellschaft zu vertreten, nach § 37 Absatz 2 GmbHG keine rechtliche Wirkung gegen dritte Personen. Dies gilt insbesondere

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für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erforderlich ist. Demnach kann also der Geschäftsführer die BEI im Außenverhältnis zu Geschäftspartnern grundsätzlich wirksam vertreten, indem er Busse anschafft und Busfahrer anstellt, es sei denn, es liegt ein kollusives Zusammenwirken des Geschäftsführers der BEI und einem Geschäftspartner zum Schaden der BEI vor oder der Geschäftsführer der BEI handelt bewusst zum Nachteil der BEI und der Geschäftspartner erkennt dies (Baumbach/ Hueck, a.a.O., § 35, Rdn. 160, § 37, Rdn. 43 ff.; Roth/Altmeppen, a.a.O., § 37, Rdn. 37 ff.). Nach diesen Maßstäben ist es dem Geschäftsführer der BEI auch grundsätzlich möglich gewesen, für die BEI im vorliegenden Vergabeverfahren am 31.07.2017 Angebote für die Lose 3 bis 6 abzugeben. Nach Auffassung der Vergabekammer kann bereits ein (kollusives) Handeln des Geschäftsführers der BEI im Zusammenwirken mit Geschäftspartnern zum Schaden/Nachteil der BEI nicht festgestellt werden, wenn dieser sich über den bisherigen örtlichen Wirkungskreis hinaus um neue Aufträge bemüht, um letztlich die BEI überlebens- und zukunftsfähig zu machen, auch wenn die für die Vorbereitung und Ausführung dieser Aufträge erforderlichen Investitionen mit erheblichen Belastungen für die BEI verbunden sind. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die pppp am 21./22.12.2016 die Kündigung des Gesellschaftsvertrages bzw. ihrer Gesellschafterstellung mit Wirkung zum 31.12.2017, 24:00 Uhr, erklärt hat und dies nach dem Gesellschaftsvertrag das Ausscheiden der pppp und das Fortbestehen der BEI zur Folge hat. Herr zzz kann daher ab 01.01.2018 eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages vornehmen und es dürfte dem Geschäftsführer der BEI -dem Sohn zzz- keine Schwierigkeiten mehr bereiten, für die Vornahme der entsprechenden Investitionen in der Gesellschaft der BEI die erforderliche Mehrheit zu organisieren. Nach Einschätzung der Vergabekammer ist es finanziell, personell und technisch auch möglich, die erforderliche Ausweitung des Geschäftsbetriebes der BEI bis zum geplanten Leistungsbeginn am 01.02.2018 zu organisieren. Nach Auffassung der Vergabekammer ist zudem die in Ziffer 3.4.2 des Leitfadens zur Aus-schreibung und Bewerbungsbedingungen für den Fall einer Unterbeauftragung zu Lasten des Bieters statuierte und von der AST mehrfach angeführte Selbstausführungsquote von mindestens 50 % der ausgeschriebenen Leistungen pro Los gemessen in Fahrplankilo-metern ohnehin unzulässig. Die Beauftragung eines Unterauftragnehmers ist durch den Auftragnehmer grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Sie kann durch den Auftraggeber hinsichtlich wesentlicher und/oder sensibler Auftragsteile beschränkt und sogar ausgeschlossen werden, sofern die Prüfungs-möglichkeiten des Auftraggebers hinsichtlich der Kapazitäten des Unterauftragnehmers be-schränkt sind (zuletzt EuGH, Urteil vom 14.07.2016 - C-406/14; Amelung, NZBau 2017, 139). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Prüfungsmöglichkeiten der VST hinsichtlich der Kapazitäten eines Unterauftragnehmers des Bieters sind nicht beschränkt, so dass die VST nicht vorschreiben konnte, dass der Bieter mindestens 50 % der ausgeschriebenen Leistungen pro Los gemessen in Fahrplankilometern selber zu erbringen hat. Der Bieter ist im Falle einer Unterbeauftragung nach Maßgabe von Ziffer 1.4 des Angebotsformulars nämlich verpflichtet, die Leistungen, für die eine Unterbeauftragung vorgesehen ist, und den Namen, die Rechtsform, die Anschrift und die berufsgenossenschaftliche Zugehörigkeit des Unterauftragnehmers -sofern im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt- anzu-geben. Der Bieter muss zudem nach Ziffer 2.1 des Angebotsformulars in der Lage sein, sämtliche Nachweise zur Eignungsprüfung für die vorgesehenen Unterauftragnehmer während der Angebotsprüfung auf Verlangen der VST innerhalb einer gesetzten Frist bei-zubringen. Er hat unter anderem auf Verlangen der Vergabestelle nachzuweisen, dass ihm die erforderlichen Mittel des Unterauftragnehmers bei der Erfüllung von Leistungen tatsäch-lich zur Verfügung stehen, indem er beispielsweise eine entsprechende Erklärung des Unterauftragnehmers vorlegt (vgl. auch Ziffer 3.4.2 des Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen). b)

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Nach Auffassung der Vergabekammer bestehen keine hinreichende Anhaltspunkte für wettbewerbswidrige (Preis-) Vereinbarungen zwischen der BEI und Herrn aaaa. Nach § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Ver-gabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unter-nehmen Vereinbarungen mit anderen Unternehmen getroffen hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Die AST hat in diesem Zusammenhang zunächst vorgetragen, dass sie Kenntnis davon er-halten habe, dass Herr aaaa seine Mitarbeiter am 08.09.2017 darüber unterrichtet habe, dass die BEI den Zuschlag für die Lose 3 bis 6 erhalten habe und er, der sich selber erfolglos an der Ausschreibung beteiligt habe, sich darüber freue, ab 01.12.2017 im Auftrag der BEI die Busverkehrsleistungen zu erbringen. Herr aaaa habe sich sowohl als Bieter als auch als faktische Nachunternehmer der BEI an dem Vergabeverfahren beteiligt, so dass es Absprachen zwischen der BEI und Herrn aaaa im Hinblick auf die von ihm als Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen und deren Vergütung gegeben habe. Damit liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs vor, so dass nach § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 auszuschließen seien. Die Vergabekammer kann den von der AST zunächst angenommenen Nachunternehmer-einsatz von Herrn aaaa durch die BEI nicht feststellen. Die BEI hat ausweislich Ziffer 1.4 des von ihr ausgefüllten Angebotsformulars eine Unter-beauftragung insbesondere von Herrn aaaa nicht angegeben. Ausweislich des Vermerks der VST zu der von Vertretern der VST und dem Geschäftsführer der BEI -Herrn zzz- am 13.09.2017 geführten fernmündlichen Unterredung hat der Geschäftsführer der BEI gegenüber den Vertretern der VST versichert, dass er keine unter anderem einen Nachunternehmereinsatz betreffende Absprachen oder Verhandlungen mit anderen Bietern -insbesondere auch nicht mit Herrn aaaa- getroffen bzw. geführt habe. Der Geschäftsführer der BEI hat vielmehr zu verstehen gegeben, dass er vorrangig nach Zuschlagserteilung mit den unterlegenen Bietern Kontakt aufnehmen wolle, um mit diesen über einen Erwerb der nicht mehr benötigten Busse und über eine Übernahme der vormals auf den Umläufen der Lose 3 bis 6 beschäftigten Busfahrer zu verhandeln, um mit den akquirierten personellen und technischen Mitteln die Busverkehrsleistungen selbständig erbringen zu können. Zwar hat der Geschäftsführer der BEI im Rahmen der fernmündlichen Unterredung auch einen im Antragsformular nicht angegebenen Nachunternehmereinsatz erwogen. Jedoch hat er gegenüber den Vertretern der VST letztlich zugesichert, die Busverkehrsleistungen ohne Einschaltung eines Nachunternehmers selber erbringen zu wollen und zu können. Die Vergabekammer kann daher die von der AST zunächst angenommenen Absprachen zwischen der BEI und Herrn aaaa im Hinblick auf die von ihm als Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen und deren Vergütung nicht feststellen. Die AST hat aufgrund dieser Sachlage die Rüge wettbewerbswidriger (Preis-) Verein-barungen zwischen der BEI und Herrn aaaa in ihrem Telefax vom 03.11.2017 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2017 nicht mehr aufrechterhalten. c) Nach Auffassung der Vergabekammer ist der von der AST zunächst angenommene Ver-stoß der BEI gegen den aus dem Wettbewerbsgrundsatz abgeleiteten Grundsatz des Ge-heimwettbewerbs sowie eine daraus abgeleitete, wettbewerbswidrige (Preis-) Vereinbarung zwischen der BEI und Herrn aaaa im Sinne von § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB nicht fest-stellbar. Der Wettbewerbsgrundsatz im Sinne von § 97 Absatz 1 Satz 1 GWB enthält neben dem freien Zugang der Bieter zu öffentlichen Aufträgen auch den Grundsatz des Geheimwett-bewerbs. Der Geheimwettbewerb bedeutet, dass die Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulation anderer Bieter für den einzelnen Bieter unbekannt sind und er deshalb weder sein eigenes Angebot nach dieser Kenntnis ausrichten noch Absprachen mit anderen Bietern treffen kann. Der Geheimwettbewerb wird daher dann gestört, wenn ein Bieter in Kenntnis des Angebotes oder Teilen des Angebotes eines anderen Bieters sein

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Angebot abgibt, da er dann sein eigenes Angebot danach ausrichten kann. Nur wenn die Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulation der anderen Bieter unbekannt sind, ist ein echter Bieterwettbewerb möglich. Denn dann ist jeder einzelne Bieter gehalten, selbst bis an die eigene Rentabilitätsgrenze zu kalkulieren und das aus Sicht des öffent-lichen Auftraggebers möglichst wirtschaftlichste Angebot zu unterbreiten. Kennt ein Bieter die Angebote, Angebotsgrundlagen oder Angebotskalkulation anderer Bieter, muss er nicht mehr ein potentiell günstigeres Angebot unterbreiten, sondern er braucht sein Angebot nur noch an den ihm bekannten Bedingungen der anderen Bieter auszurichten. Der Grundsatz des Geheimwettbewerbs gilt für alle Vergabeverfahren. Der Begriff der wettbewerbswidrigen Vereinbarung im Sinne von § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB ist mit Blick auf den das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden Wettbewerbsgrund-satz weit auszulegen (kritisch hierzu Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, 5. Aufl., 2016, § 124 GWB, Rdn. 59). Er ist nicht auf gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst auch alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind. Das Zustandekommen einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung erfordert keine ausdrückliche Verständigung zwischen zwei Unternehmen darüber, wer welche Leistung zu welchem Preis anbietet. Sie ist vielmehr in aller Regel schon dann verwirklicht, wenn ein Angebot in Kenntnis der Be-dingungen des Konkurrenzangebots, zumindest aber wesentlicher Angebotsgrundlagen, er-stellt wird. Auch in diesem Fall kann nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ein Aus-schluss des betreffenden Angebots nach § 124 Absatz 1 Nr. 4 GWB erfolgen (vgl. zu alle-dem OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2013, Az.: VII-Verg 31/12; OLG Magedeburg, Beschluss vom 02.08.2012, Az.: 2 Verg 3/12; OLG München, Beschluss vom 14.03.2013, Az.: Verg 32/12; a.A.: Burgi/Dreher, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, Band 1, 3. Aufl., 2017, § 124, Rdn. 63). Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die BEI ihr Angebot in Kenntnis des Angebots oder Teilen des Angebotes von Herrn aaaa erstellt und abgegeben hat. Vielmehr ergibt ein Vergleich der Angebote der BEI und Herrn aaaa, dass die BEI jeweils zeitraumabhängige Entgelte und fahrplankilometerabhängige Entgelte für den Stadt- und Regionalbusverkehr abgegeben hat, Herr aaaa hingegen lediglich zeitraumabhängige Entgelte, jedoch überhaupt keine fahrplankilometerabhängige Entgelte angegeben hat. Nach Auffassung der Vergabekammer ist damit belegt, dass die BEI ihre Angebote der Struktur und Höhe nach völlig unabhängig von den Angeboten Herrn aaaa erstellt haben muss. Die Vergabekammer macht auch darauf aufmerksam, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs nur dann bejaht werden kann, wenn durch eine erlangte Kenntnis des Angebots oder Teilen des Angebots eines anderen Bieters das Angebot des Bieters beeinflusst worden ist (OLG München, a.a.O.; Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.12.2016, Az.: 1 K 51/16). Dies ist vorliegend bei der BEI gerade nicht der Fall. Es bestehen auch keine weiteren Anhaltspunkte für eine wettbewerbswidrige (Preis-) Vereinbarung zwischen der BEI und Herrn aaaa im oben dargelegten Sinne. Die AST hat aufgrund dieser Sachlage die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs sowie eine daraus abgeleitete, wettbewerbswidrige (Preis-) Ver-einbarung zwischen der BEI und Herrn aaaa in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2017 nicht mehr aufrechterhalten. d) Die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 sind auch nicht wegen einer fehlenden Eignung eines Nachunternehmers -Herrn aaaa- auszuschließen. Die AST hat in ihrer Rüge vom 11.09.2017 mehrere subventions- und zivilrechtliche Ver-stöße Herrn aaaa dargelegt, die die Annahme eines Verstoßes nach § 124 Absatz 1 Nr. 7 GWB rechtfertigen sollen. Nach dieser Bestimmung können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadenersatz oder zu

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einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Die von Herrn aaaa begangenen Verstöße begründen nach Auffassung der AST Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit und Eignung von Herrn aaaa als Nachunternehmer der BEI, so dass die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 auszuschließen seien. Die AST hat in ihrer Antragsschrift vom 13.09.2017 ausgeführt, dass sich derzeit Darlegungen zu diesem Sachverhalt erübrigten, da die BEI in ihrem Angebot keinen Nachunternehmer gegenüber der VST benannt habe. Mit Rücksicht auf die nicht feststellbare Absicht der BEI im Hinblick auf einen Nachunternehmereinsatz insbesondere von Herrn aaaa kann ein Ausschluss der Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 aus den von der AST dargelegten Erwägungen nicht in Betracht kommen. Die AST hat aufgrund dieser Sachlage die Rüge der fehlenden Eignung des Herrn aaaa als Nachunternehmer der BEI in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2017 nicht mehr aufrechterhalten. e) Dem vorgesehenen Zuschlag auf die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 steht auch kein Wettbewerbsverbot nach Artikel 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 entgegen. Nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 kann jede zuständige örtliche Behörde im Sinne von Artikel 2 lit. b) und c) der VO (EG) Nr. 1370/2007, die integrierte öffentliche Personenverkehrsdienste anbietet, unter anderem beschließen, öffentliche Per-sonenverkehrsdienstleistungsaufträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit zu ver-geben, über die die zuständige örtliche Behörde eine Kontrolle ausübt, die der Kontrolle über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Dieser interne Betreiber darf nach Artikel 5 Ab-satz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 seine öffentlichen Personenverkehrsdienste dann innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde ausführen -unge-achtet der abgehenden Linien oder sonstiger Teildienste, die in das Zuständigkeitsgebiet benachbarter zuständiger örtlicher Behörden führen- und nicht an außerhalb des Zu-ständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde organisierten wettbewerblichen Ver-gabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten teilnehmen. Zwar kann im Nachprüfungsverfahren das wettbewerbliche Tätigkeitsverbot des Artikels 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 grundsätzlich geprüft werden (Müller-Wrede, a.a.O., § 160, Rdn. 25; Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 22.12.2014, Az.: Z3-3-3194-1-51-11/14, vgl. auch § 156 Absatz 2 GWB). Jedoch ist vorliegend Artikel 5 Absatz 2 ff. der VO (EG) Nr. 1370/2007 und damit auch das Wettbewerbsverbot des Artikel 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/ 2007 auf die BEI nicht anzuwenden. Vorliegend hat der ppp-Kreis ausweislich seiner Stellungnahme vom 19.10.2017 die BEI bereits am 01.04.2009 mit der Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste im nörd-lichen ppp-Kreis betraut. Die BEI hat mit Telefax/Schreiben vom 25.10.2017 unter anderem bestätigt, dass sie diese Betrauung am 24.04.2009 angenommen habe und diese daher wirksam zustande gekommen sei. Damit steht fest, dass die Betrauung der BEI mit der Er-bringung öffentlicher Personenverkehrsdienste im nördlichen ppp-Kreis noch vor dem in Artikel 12 der VO (EG) Nr. 1370/2007 geregelten Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1370/2007 am 03.12.2009 erfolgt ist. Auf einen solchen Fall ist das Wettbewerbsverbot des Artikels 5 Absatz 2 lit. b) der VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht anzuwenden (vgl. hierzu ausführlich Ver-gabekammer Südbayern, a.a.O.; auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2012, Az.: VII-Verg 11/12). f) Die Angebote der BEI für die Lose 3 bis 6 sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die §§ 71 Absatz 5 Sätze 1 und 3, 114 ThürKO auszuschließen. Nach § 71 Absatz 5 Satz 1 ThürKO darf die Gemeinde mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets nur tätig werden, wenn dafür die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebiets-körperschaften gewahrt sind. Nach § 71 Absatz 5 Satz 3 ThürKO sind Tätigkeiten außer-halb des Gemeindegebiets von der Rechtsaufsichtsbehörde zu genehmigen, soweit es die Versorgung mit Strom und Gas betrifft, sind sie der Rechtsaufsichtsbehörde anzuzeigen. Nach § 114 ThürKO gelten unter anderem diese Bestimmung auch für die Landkreise ent-sprechend.

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Nach ganz herrschender Meinung können im Nachprüfungsverfahren über den in § 97 Ab-satz 1 Satz 1 GWB enthaltenen Wettbewerbsgrundsatz auch Verstöße gegen die kommunalrechtlichen Grenzen der Wirtschaftstätigkeit kommunaler Unternehmen inzident geltend gemacht werden (Burgi/Dreher, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, Band 1, 3. Aufl., 2017, § 97 Absatz 6, Rdn. 27). Nach § 97 Absatz 1 Satz 1 GWB werden öffentliche Aufträge im Wettbewerb vergeben. Ein Auftraggeber verletzt das Wettbewerbsprinzip im Sinne des § 97 Absatz 1 Satz 1 GWB, wenn er ein kommunales Unternehmen als Bieter oder Bewerber zu einem Vergabever-fahren zulässt, obwohl es die ausgeschriebene Leistung nur unter Verstoß gegen die ge-setzlichen Bestimmungen des Kommunalwirtschaftsrechts erbringen kann. Dies stellt näm-lich eine Wettbewerbsverfälschung und Störung des Bieterwettbewerbs dar, die vom öffent-lichen Auftraggeber grundsätzlich zu unterbinden ist (Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, 2. Aufl., 2010, H, Rdn. 190 m.w.N.; kritisch Burgi, Vergabe-recht, 2016, § 6, Rdn. 21). Die Vergabekammer kann allerdings keinen Verstoß gegen §§ 71 Absatz 5 Sätze 1 und 3, 114 ThürKO feststellen. Es handelt sich bei der BEI um kein kommunales Unternehmen im Sinne von § 71 ThürKO. Zwar ist der ppp-Kreis ausweislich § 3 Absatz 2 des die BEI be-treffenden Gesellschaftsvertrages über seine hundertprozentige Tochtergesellschaft -die pppp- mit 34 % mittelbar an der BEI beteiligt. Jedoch gehören kommunale Unternehmen zu der Gruppe der öffentlichen Unternehmen. Nach Artikel 2 lit. b) der Richtlinie 2006/111/EG ist unter einem öffentlichen Unternehmen jedes Unternehmen zu verstehen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Be-stimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Nach Satz 2 der genannten Bestimmung wird ein beherrschender Einfluss vermutet, wenn die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt oder über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann (vgl. auch Artikel 4 Absatz 2 der RL 2014/25/EU; Wurzel/Schraml/Becker, a.a.O., B, Rdn. 7; Benecke/Spiecker gen. Döhmann, JZ 2015, 1018, 1019; Katz, Kommunale Wirtschaft, 2. Aufl., 2017, Teil 1, Rdn. 48; Uckel/Dressel/Noll, Kommunalrecht in Thüringen, Loseblatt, Stand: Juli 2017, zu § 71, Rdn. 4.3). Dies ist ausweislich des die BEI betreffenden Gesellschaftsvertrages beim ppp-Kreis nicht der Fall. Die Vergabekammer verkennt nicht, dass dem ppp-Kreis über die pppp aufgrund der in Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen 3/4-Mehrheit für die dort genannten wesentlichen Entscheidungen der Gesellschafterversammlung eine erhebliche Mitbestimmung zu-kommt. Von einer maßgeblichen Leitung, Lenkung und Führung der BEI durch den ppp-Kreis/pppp und in diesem Sinne von einem beherrschenden Einfluss des ppp-Kreises/pppp über die BEI kann aber mit Blick auf die Minderheitsbeteiligung des ppp-Kreises/pppp nicht die Rede sein. Die Vergabekammer macht auch darauf aufmerksam, dass die pppp am 21./22.12.2016 den die BEI betreffenden Gesellschaftsvertrag bzw. ihre Gesellschafterstellung nach § 13 Absatz 2 des Gesellschaftsvertrages mit Wirkung zum 31.12.2017, 24:00 Uhr, gekündigt hat. Diese Kündigung hat nach § 13 Absatz 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages das Aus-scheiden des kündigenden Gesellschafters aus der Gesellschaft zur Folge. Nach § 13 Ab-satz 3 des Gesellschaftsvertrages hat das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht das Ende der Gesellschaft zu Folge. Vielmehr führen die verbleibenden Gesellschafter das Unternehmen fort. Der Geschäftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters unterliegt regelmäßig der Einziehung. Dies bedeutet im Ergebnis, dass Herr zzzz ab dem 01.01.2018 voraussichtlich Alleingesellschafter der BEI sein wird und diese private Ein-Mann-GmbH im Hinblick auf die ab dem 01.02.2018 beginnende Durchführung der Busverkehrsleistungen in xxx und Umgebung ohnehin nicht mehr den einschränkenden Bestimmungen des § 71 ThürKO unterliegt und die Rüge der AST sich insofern ab diesem Zeitpunkt erledigt hat.

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g) Die Vergabekammer macht auch darauf aufmerksam, dass die VST Sektorenauftrag-geberin im Bereich der Versorgung der Allgemeinheit mit Busverkehrsleistungen nach den §§ 98, 100 Absatz 1 Nr. 2, 102 Absatz 4 GWB ist. Die BEI hingegen ist kein öffentliche Auf-traggeberin nach den §§ 98 ff. GWB, insbesondere keine Sektorenauftraggeberin nach § 100 Absatz 1 Nr. 2 lit. a) GWB, da sie im Falle einer Zuschlagserteilung ihre Tätigkeit lediglich auf der Grundlage entsprechender Betriebsleistungsverträge zur Durchführung des Busverkehrs mit der VST, nicht jedoch auf der Grundlage besonderer oder ausschließ-licher Rechte im Sinne von § 100 Absatz 1 Nr. 2 lit. a) GWB (vgl. auch § 100 Absatz 2 GWB) ausüben würde, so dass die BEI insbesondere im Rahmen der notwendigen Be-schaffung von Bussen nicht dem Vergaberecht unterliegt. Die Vergabekammer hegt auch nicht die Befürchtung, die BEI könne im Falle einer Zu-schlagserteilung ihre bis zum 30.06.2019 zu erbringenden Busverkehrsleistungen im ppp-Kreis nicht mehr ordnungsgemäß erbringen, zumal die BEI für die Erfüllung dieser Leistungspflichten nach den allgemeinen Regeln zu haften hat. Die Vergabekammer macht auch darauf aufmerksam, dass sich die Vergabe der Betriebs-leistungsverträge zur Durchführung des Busverkehrs hinsichtlich der Lose 3 bis 6 nach der Richtlinie 2014/25/EU in Verbindung mit den §§ 97 ff. GWB, 1 ff. SektVO richtet, so dass die in den Artikeln 4 Absatz 3 und 7 Absatz 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 1379/2007 ent-haltenen Bestimmungen über die Befristung und Laufzeit der öffentlichen Dienstleistungs-aufträge und die Veröffentlichung des geplanten Vergabeverfahrens nicht zur Anwendung gelangen (vgl. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 der VO EG) Nr. 1370/2007; Wagner-Cardenal/ Dierkes, NZBau 2014, 738). Die BEI ist auch kein interner Betreiber der VST im Sinne der VO (EG) Nr. 1370/2007. 3. Kostenentscheidung Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB. Die AST hat gemäß § 182 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Sätze 1 und 2 GWB die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auf-wendungen der VST und der BEI zu tragen, da sie in dem Verfahren unterlegen ist. Die Vergabekammer hatte die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die VST und die BEI gemäß § 182 Absatz 4 Satz 4 GWB in Verbindung mit § 80 Absätze 2 und 3 Satz 2 ThürVwVfG für notwendig zu erklären. Es handelt sich um einen in tatsächlicher und recht-licher Hinsicht schwierigen Fall, so dass es der VST und der BEI nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Vorliegend sind das Verfahrensrecht eines Nachprüfungsverfahrens und die Zulässigkeit der von der VST vorgesehenen Bezu-schlagung des Angebots der BEI vom 31.07.2017 von Bedeutung gewesen. Aufgrund der komplexen Rechtsmaterie in diesen Bereichen und des enormen Zeitdrucks im Nach-prüfungsverfahren ist eine gezielte juristische Vorbereitung der VST und der BEI mit Hilfe eines Anwaltes erforderlich gewesen. Dies gilt insbesondere auch für die derzeit bereits durch Herrn Rechtsanwalt YYY als Insolvenzverwalter vertretene VST. Herr Rechtsanwalt YYY ist ausweislich seines Webauftritts auf Insolvenzverfahren und Unternehmensübernahmen spezialisiert. Er durfte trotz seiner bestehenden Rechtskunde bei der gegebenen schwierigen Sach- und Rechtslage eine mit Vergaberecht befasste An-waltssozietät mit der Wahrung der rechtlichen Interessen der VST beauftragen. Die Vergabekammer macht allerdings auf Folgendes aufmerksam: Die BEI hatte zunächst ausschließlich die Rechtsanwälte zzz Partnerschaftsgesellschaft mbB aus zzz mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen im vorliegenden Nachprüfungsverfahren beauftragt. In diese Anwaltssozietät ist ausweislich ihres Webauftritts der für Baurecht zuständige Sozius unter anderem auf Vergaberecht spezialisiert, so dass nach Auffassung der Vergabekammer die zusätzliche Beauftragung der unter anderem auf Vergaberecht spezialisierten Rechtsanwälte QQQ aus qqq nicht mehr notwendig gewesen ist. Die Aufwendungen der BEI aus der Beauftragung mehrerer Anwälte als Bevollmächtigte sind daher -wie im Regelfall- nur bis zur Höhe der Aufwendungen eines Bevollmächtigten

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erstattungsfähig (Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Aufl., 2016, § 80, Rdn. 62; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., 2017, § 80, Rdn. 46; Sodann/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., 2005, § 162, Rdn. 60). Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Absatz 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500,00 Euro und 50.000,00 Euro, der aus Gründen der Billig-keit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag von 100.000,00 Euro erhöht werden kann. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Ver-gabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird ausgehend von der Nettosollkostenberechnung der VST vom 31.07.2017 hinsichtlich der Lose 3 bis 6 zuzüglich der nach § 12 Absatz 2 Nr. 10 UStG geltenden siebenprozentigen Umsatzsteuer und einem daraus folgenden Brutto-auftragswert von xxxx Euro für die Lose 3 bis 6 sowie der Gebührentabelle der Vergabekammer (Stand: 01.01.2010) auf xxxx Euro festgesetzt. Zu erstattende Auslagen der Vergabekammer sind nicht angefallen. Da die AST bereits einen Kostenvorschuss in Höhe der Mindestgebühr von xxxx Euro gezahlt hat, ist dieser Betrag mit der festgesetzten Gebühr in Höhe von xxxx Euro zu verrechnen. Die AST wird daher aufgefordert, den geleisteten Kostenvorschuss überschießenden Be-trag von xxxx Euro bis zum xxxx (Fälligkeit) unter Angabe der Posten-Nr.: xxxx an die nachfolgend genannte Bankverbindung zu überweisen:

Empfänger X

Kreditinstitut: X

IBAN: X

SWIFT-Adresse (BIC): X Hinweis: Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt (§ 182 Absatz 4 Satz 5 GWB).

Rechtsbehelfsbelehrung Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer beim Thüringer Oberlandesgericht, Rathenaustraße 13, 07745 Jena einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerde-begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung der Vergabekammer beantragt wird, und Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unter-schrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

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Die sofortige Beschwerde hat gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer auf-schiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Be-schwerdefrist.

Scheid Gers Vorsitzender VK Hauptamtlicher Beisitzer

Siegel