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250-4003-8886/2016-E-S-022-GTH Seite 1 von 29 Vergabekammer Freistaat Thüringen Beschluss Nachprüfungsverfahren, §§ 155 ff. GWB; aufgrund des Nachprüfungsantrages vom 27./29.12.2016 des Xxx e.K., xxx, ./. die Yyy GmbH, betreffend Beförderungsleistungen ab 01.03.2017 im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb Verfahrensbeteiligte: Xxx e.K. xxx - Antragsteller - (AST) Verfahrensbevollmächtigte: xxxxx gegen Yyy GmbH v.d.d. Geschäftsführer yyy yyy - Vergabestelle - (VST) Verfahrensbevollmächtigte: yyyyy beigeladen:

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Vergabekammer Freistaat Thüringen

Beschluss

Nachprüfungsverfahren, §§ 155 ff. GWB; aufgrund des Nachprüfungsantrages vom 27./29.12.2016 des Xxx e.K., xxx, ./. die Yyy GmbH, betreffend Beförderungsleistungen ab 01.03.2017 im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb Verfahrensbeteiligte: Xxx e.K. xxx

- Antragsteller - (AST)

Verfahrensbevollmächtigte: xxxxx

gegen Yyy GmbH v.d.d. Geschäftsführer yyy yyy

- Vergabestelle - (VST)

Verfahrensbevollmächtigte: yyyyy

beigeladen:

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die Bietergemeinschaft Zzz GbR, bestehend aus: xxx GmbH v.d.d. Geschäftsführerin xxx x xxx GmbH v.d.d. Geschäftsführer xxx x Omnibusbetrieb xxx Inh. xxx x Omnibus- und Güterverkehr xxx Inh. xxx x bevollmächtigter Vertreter der Bietergemeinschaft: xxxx

- Beigeladene - (BEI)

Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx

hat die Vergabekammer Freistaat Thüringen, in der Besetzung mit Herrn Regierungsdirektor Scheid als Vorsitzendem, Herrn Oberregierungsrat Gers als hauptamtlichem Beisitzer und Herrn Fischer als ehrenamtlichem Beisitzer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2017 am 27.03.2017 beschlossen: 1. Es wird festgestellt, dass der AST in dem von der VST durchgeführten Ver-

gabeverfahren in seinem Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften nach § 97 Absatz 6 GWB verletzt worden ist.

2. Das Vergabeverfahren wird aufgehoben. Die VST wird bei Fortbestehen der Vergabeabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

3. Die VST trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich des Gestattungsver-fahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auf-wendungen des AST.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den AST wird für notwendig erklärt.

5. Die BEI trägt ihre im Nachprüfungsverfahren entstandenen Aufwendungen selbst.

6. Die Gebühr für das Nachprüfungsverfahren einschließlich des Gestattungsver-fahrens wird auf xxxxx Euro festgesetzt. Auslagen werden nicht erhoben.

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Gründe

I.

Die VST ist ein in Gotha ansässiges und im Jahre xxx gegründetes Unternehmen, das In-haberin einer Linienkonzession im Verkehrsgebiet des Landkreises xxx ist und für den Landkreis xxx den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Stadt- und Regionalgebiet xxx sicherstellt. Gesellschafter der VST sind ausweislich des der Vergabekammer vor-liegenden Gesellschaftsvertrages

1. die Personenverkehrsgesellschaft des Landkreises xxx mbH (später Landkreis xxx), 2. das Reisebüro und Omnibusbetrieb xxx e.K. (im Folgenden: Herr xxx), 3. die xxx GmbH (später Fuhrbetrieb xxx GmbH), 4. der Omnibusbetrieb xxx (später xxx, Inh. xxx e.K.), 5. der Omnibus- und Güterverkehr xxx, 6. die xxx-Tours xxx -Omnibusbetrieb (später xxx OHG), 7. der Omnibusbetrieb xxx, Inh. xxx, und 8. die xxx und Partner GmbH.

Die VST hat auf der Grundlage von Betriebsleistungsverträgen die sieben an ihr beteiligten lokalen Busunternehmen -die Gesellschafter 2. bis 8. (vgl. oben)- mit der Erbringung der ent-sprechenden Busverkehrsleistungen beauftragt. Diese Gesellschafter sind allesamt Minder-heitsgesellschafter der VST und führen mit jeweils eigenen Bussen die Personenbeförderung durch. Die VST und Herr xxx streiten sich in der Frage der Höhe der Herrn xxx ab 2014 zustehenden Vergütung für die von ihm erbrachten Busverkehrsleistungen. Des Weiteren hat die VST im Jahr 2016 wegen eines Verdachtes des Abrechnungsbetruges/Un-treue zu Gunsten von Herrn xxx und zu Lasten der VST eine strafrechtliche Anzeige erstattet, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft xxx gegen Herrn xxx und den vormaligen Geschäftsführer der VST, Herrn xxx, sowie Durchsuchungen der Räumlichkeiten der VST einschließlich der Beschlagnahme von Unterlagen ausgelöst hat. Das Verhältnis zwischen der VST und Herrn xxx ist aus diesen Gründen stark belastet. Die VST hat alles dies zum Anlass genommen, die Frage der Beendigung der Zusammenarbeit zwischen der VST und Herrn xxx durch die Rechtsanwälte xxx rechtlich begutachten zu lassen. Nach dem von diesen am 24.10.2016 erstellten Gutachten soll es sich bei dem zwischen der VST und Herrn xxx bestehenden Leistungsvertrag vom 27.04.2010 für den Stadtverkehr und dem Leistungsvertrag vom 10.06.2003 für den Regionalverkehr wegen Fehlens einer in § 2 der Leistungsverträge nicht vorhandenen Vergütungsregelung um unverbindliche Rahmenverträge handeln, die die Parteien lediglich verpflichteten, Vertragsverhandlungen mit dem ernsthaften Willen zu einer verbindlichen Einigung aufzunehmen. Gegen diese Verpflichtung habe Herr xxx in schwerwiegender Weise verstoßen. Er lehne den Abschluss der von der VST angebotenen Vergütungsvereinbarung ab, ohne einen eigenen Gegenvorschlag zu unterbreiten, diesen sachlich zu begründen und hierüber in Vertragsverhandlungen einzutreten. Da eine Einigung über die zu vereinbarende Vergütung zwischen der VST und Herrn xxx nicht möglich sei, sei auch eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen der VST und Herrn xxx nicht möglich. Im Übrigen bestehe für die VST die Möglichkeit, die Verträge hilfsweise und vorsorglich aus wichtigem Grund zu kündigen. Die VST hat daraufhin mit Schreiben vom 01.11.2016 gegenüber Herrn xxx angekündigt, dass sie beabsichtige, die von ihm erbrachten Busverkehrsleistungen im Stadt- und Regionalverkehr ab dem 01.01.2017 anderweitig zu vergeben; sie werde die Annahme von Fahrleistungen über den 31.12.2016 hinaus ablehnen und die Zahlungen für danach von ihm erbrachte Leistungen verweigern.

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Die VST hat daraufhin im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbe-werb mit Schreiben vom 24./25.11.2016

die xxx GmbH,

den Fuhrbetrieb xxx GmbH,

den Omnibusbetrieb xxx,

den Omnibus- und Güterverkehr xxx,

die xxx-Tours xxx OHG und

den Omnibusbetrieb xxx zur Abgabe eines ersten Angebots im Hinblick auf die Durchführung von Busverkehrsleis-tungen im Stadt- und Regionalverkehr xxx bis zum 12.12.2016, 12:00 Uhr, aufgefordert. Bei den in sechs Lose aufgeteilten Busverkehrsleistungen handelte es sich um die bislang durch Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen. Die VST führt in Ziffer 1. ihres Schreibens vom 24./25.11.2016 aus, dass sie Sektorenauf-traggeberin gemäß den §§ 100 Absatz 1 Nr. 2 lit. b), 102 Absatz 4 GWB sei. Aufgrund der besonderen Dringlichkeit, die Busverkehrsleistungen bereits ab dem 01.01.2017 zu er-bringen, und der Möglichkeit der Auftragserweiterung für die bereits gebundenen Subunter-nehmer habe sich die VST für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ent-schieden. Die Voraussetzungen des § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO lägen insofern vor. Nach Ziffer I. des Schreibens sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Einziges und maßgebliches Kriterium für den Zuschlag sollte der Preis sein. Nach Ziffer IV. des Schreibens sollten Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden, die ihre Eig-nung gemäß den geforderten Nachweisen nachgewiesen haben. Dem Schreiben waren Ver-gabeunterlagen beigefügt, unter anderem ein Dokument Rahmenbedingungen und Leis-tungsbeschreibung nebst Anlagen sowie ein Entwurf eines Betriebsleistungsvertrages zur Durchführung der Busverkehrsleistungen. Die xxx und Partner GmbH, der Fuhrbetrieb xxxx & xxxx GmbH, der Omnibusbetrieb xxx und der Omnibus- und Güterverkehr xxx haben bereits unter dem 09.11.2016 zwecks Beteiligung an einer möglichen, kurzfristigen Ausschreibung von Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr der VST im Landkreis xxx bis 2019 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts -die BEI- gegründet. Die Gesellschafter haben Herrn xxx zum bevollmächtigten Vertreter der Gesellschaft bestellt. Ausweislich der Vergabeakte, insbesondere des auf den 12.12.2016 datierten Vermerks der VST zum Angebotseingang, hat der Omnibusbetrieb xxx am 09.12.2016 einen ver-schlossenen Umschlag mit Datenträger und die Beigeladene am 12.12.2016 einen ver-schlossenen Umschlag bei der VST eingereicht. Dem auf den 12.12.2016 datierten Vermerk zum Angebotseingang ist auch zu entnehmen, dass Herr xxx am 12.12.2016, 11:00 Uhr, angerufen und mitgeteilt hat, dass die xxx-Tours xxx OHG kein Angebot abgeben werde, da in der verbleibenden kurzen Zeit keine Fahrzeuge und Fahrer organisiert werden könnten. Der auf den 13.12.2016 datierten Angebotsauflistung ist zu dem vom Omnibusbetrieb xxx am 09.12.2016 eingereichten Umschlag unter Bemerkungen zu entnehmen: Kein Angebot, nur Rücksendung der Unterlagen, ohne Anschreiben. Des Weiteren ist der Vergabeakte, unter anderem der auf den 13.12.2016 datierten Ange-botsauflistung zu entnehmen, dass die BEI ein auf den 10.12.2016 datiertes Angebot zu den Losen 1, 3, 4, 5 und 6 abgegeben hat. Nachdem die xxx Regionalbus xxx GmbH aus Branchenkreisen von dem Vergabeverfahren erfahren hatte, hat sie sich mit Schreiben vom 12.12.2016 an die VST gewandt und um die Übersendung der Ausschreibungsunterlagen gebeten. Die VST hat diese Bitte mit Schreiben vom 15.12.2016 unter anderem mit Blick auf die bereits abgelaufene Angebotsfrist zurückgewiesen.

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Auch der AST hat aus Branchenkreisen von dem Vergabeverfahren mit Leistungsbeginn am 01.01.2017 erfahren und daraufhin mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 12.12.2016 mehrere Vergaberechtsverstöße gegenüber der VST gerügt: Die VST unterliege als Sektorenauftraggeberin im Sinne der §§ 100 Absatz 1 Nr. 2, 102 Ab-satz 4 GWB dem Sektorenvergaberecht. Die VST habe gleichwohl entgegen § 35 SektVO ihre Vergabeabsicht nicht in der vorgeschriebenen Form bekannt gemacht. Die Vorausset-zungen für einen Verzicht auf den vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO, insbesondere die besondere Dringlichkeit eines Verzichts auf den vorge-schalteten Teilnahmewettbewerb, lägen nicht vor. Das Verfahren verstoße weiterhin gegen § 6 SektVO, da die Busverkehrsunternehmen, die nach Kenntnis des AST die Aufträge erhalten sollen, zugleich Gesellschafter und Aufsichtsräte der VST seien und hierdurch ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit beeinträchtigt werde. Der AST hat die VST unter An-drohung der Anrufung der Vergabekammer aufgefordert, die bezeichneten Vergaberechts-verstöße bis 15.12.2016, 12:00 Uhr, abzustellen. Die VST hat die Rüge des AST mit Schreiben vom 15.12.2016 zurückgewiesen, ohne dies näher zu begründen. Des Weiteren fanden mehrere Gesellschafterversammlungen der VST statt, bei denen unter anderem Gegenstand die Kündigung der Leistungsverträge mit Herrn xxx und eine Neuvergabe der von ihm bislang erbrachten Beförderungsleistungen an Dritte waren. So wurde der Geschäftsführer der VST in der 8. Gesellschafterversammlung vom 15.12.2016 er-mächtigt, eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Leistungsverträge gegenüber Herrn xxx aus wichtigem Grund auszusprechen. Dem Urteil des LG xxx vom 27.01.2017 (Az.: 1 HK O 136/16) sowie dem an Herrn xxx gerichteten Unter-sagungsbescheid des TLVwA vom 25.01.2017 (Az.: 520.1-3683-021-01/17) ist zu ent-nehmen, dass die VST am 22./27.12.2016 und am 10.01.2017 die Kündigung der Leistungs-verträge mit Herrn xxx aus wichtigem Grund ausgesprochen hat. Allerdings geht das Urteil des LG xxx vom 27.01.2017 davon aus, dass die VST die mit Herrn xxx bestehenden Leistungsverträge jedenfalls am 22./27.12.2017 nicht wirksam gekündigt hat. Dem an Herrn xxx gerichteten Schreiben der VST vom 10.01.2017 ist zu entnehmen, dass sie nach wie vor davon ausgeht, dass die Verträge zwischen ihr und Herr xxx zum 31.12.2016 geendet hätten, ohne dass es einer Kündigung bedurft habe. Des Weiteren hat die VST in diesem Schreiben die Verträge nochmals hilfsweise aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt und zur Begründung eine durch Herrn xxx veranlasste Unterbrechung der Datenverbindung zum RBL-System am 30.12.2016 angeführt. Die VST hat unter dem 15.12.2016 mit der BEI die Vergabe der Busverkehrsleistungen, ins-besondere den abzuschließenden Betriebsleistungsvertrag, das Los 2, die von der VST zu entrichtende Vergütung sowie den Leistungsbeginn am 01.01.2017, verhandelt. Die BEI hat daraufhin am 21.12.2016 ein verbindliches, alle sechs Lose umfassendes Schlussangebot bei der VST eingereicht. Mit Blick auf die Rüge des AST vom 12.12.2016 hat die VST davon Abstand genommen, dem einzigen Bieter -der BEI-, den Zuschlag zu erteilen. Die VST hat mit Blick auf diese Rüge des AST auch davon Abstand genommen, die bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen bereits zum 01.01.2017 dauerhaft zu vergeben. Der geplante Leistungsbeginn sollte nunmehr der 01.03.2017 sein. In der Vergabeakte findet sich daher ein überarbeiteter Entwurf eines Betriebsleistungsvertrages, welcher den Vertragsbeginn mit 01.03.2017 ausweist. Die VST hat daher in der Folgezeit in der An-nahme der Beendigung der Vertragsbeziehungen mit Herrn xxx zum 31.12.2016 die bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen im Rahmen von Interimsvergaben in den Monaten Januar und Februar 2017 jeweils auf wenige Wochen befristet an andere Busverkehrsunternehmen -unter anderem zumindest zeitweise an den AST- vergeben, um den Zeitraum bis zum 01.03.2017 überbrücken zu können. Nach Kenntnis der Vergabekammer hat Herr xxx in der Annahme des Fortbestehens seiner Vertragsbe-ziehungen mit der VST seine Busverkehrsleistungen auch über den 31.12.2016 hinaus im ersten Quartal 2017 erbracht.

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Auch von diesen geplanten Interimsvergaben hat der AST aus Branchenkreisen Kenntnis er-langt und daraufhin mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20.12.2016 inso-fern dieselben Vergaberechtsverstöße wie unter dem 12.12.2016 gerügt. Auch diese Rüge hat die VST mit Schreiben vom 21.12.2016 zurückgewiesen, ohne dies näher zu begründen. Mit Schreiben vom 27.12.2016 hat der AST durch seinen Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer die Nachprüfung des Vergabeverfahrens beantragt. Ausweislich der Be-gründung der Antragsschrift wendet er sich gegen eine Vergabe der Busverkehrsleistungen, die nach seiner Kenntnis für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2019 erfolgen soll, sowie gegen die geplanten Interimsvergaben in den Monaten Januar und Februar 2017. Der AST beantragt,

1. der VST die Vergabe der Beförderungsleistungen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu untersagen,

2. festzustellen, dass die zwischen der VST und den Beizuladenden geschlossenen

Beförderungsvereinbarungen für die Beförderungsleistungen im Monat Januar und Februar 2017 unwirksam sind,

3. dem AST Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

4. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten des AST für notwendig zu er-

klären,

5. der VST die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung des AST aufzuerlegen.

Der AST trägt zur Begründung seiner Anträge im Wesentlichen die sachlichen und recht-lichen Gesichtspunkte aus seinen Rügen vom 12./20.12.2016 vor und vertieft diese. Mit Schreiben vom 29.12.2016 (Gz.: 454/16WA01spD2/1464-16) hat der AST durch seinen Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer ein weiteres Mal die Nachprüfung des Vergabeverfahrens beantragt. Ausweislich der Begründung der Antragsschrift wendet er sich dabei ausschließlich gegen eine Vergabe der Busverkehrsleistungen, die nach seiner Kennt-nis für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2019 erfolgen soll. Der AST beantragt,

1. der VST die Vergabe der Beförderungsleistungen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu untersagen,

2. dem AST Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten des AST für notwendig zu er-

klären,

4. der VST die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung des AST aufzuerlegen.

Der AST trägt auch hier zur Begründung seiner Anträge im Wesentlichen die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aus seinen Rügen vom 12./20.12.2016 vor und vertieft diese. Mit einem weiteren Schreiben vom 29.12.2016 (Gz.: 473/16WA01spD2/1465-16) hat der AST durch seinen Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer ein weiteres Mal die Nachprüfung des Vergabeverfahrens beantragt. Ausweislich der Antragstellung und der Be-gründung der Antragsschrift wendet er sich dabei ausschließlich gegen die geplanten In-terimsvergaben der Busverkehrsleistungen in den Monaten Januar und Februar 2017. Der AST beantragt,

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1. festzustellen, dass die zwischen der VST und den Beizuladenden geschlossenen Beförderungsvereinbarungen für die Beförderungsleistungen im Monat Januar und Februar 2017 unwirksam sind,

2. dem AST Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten des AST für notwendig zu er-

klären,

4. der VST die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung des AST aufzuerlegen.

Der AST trägt auch hier zur Begründung seiner Anträge im Wesentlichen die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aus seinen Rügen vom 12./20.12.2016 vor und vertieft diese. Das die Interimsvergaben der Busverkehrsleistungen für die Monate Januar und Februar 2017 betreffende Verfahren wird von der Vergabekammer als gesondertes Nachprüfungsver-fahren unter dem Aktenzeichen 250-4003-8887/2016-E-S-023-GTH geführt. Die Vergabekammer hat unter dem 02.01.2017 der VST die Nachprüfungsanträge des AST übersendet sowie um die Übersendung der Vergabeakte bis zum 05.01.2017 und Stellung-nahme zu den Nachprüfungsanträgen bis zum 09.01.2017 gebeten. Mit Schreiben vom 09.01.2017 (Gz.: 11-6/2017-L/ke) hat sich die VST durch ihre Verfahrens-bevollmächtigten gegen den Nachprüfungsantrag des AST vom 27./29.12.2016 gewandt, so-fern die zum 01.03.2017 geplante Vergabe der Busverkehrsleistungen im Raum steht, und beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag vom 27.12.2016 als offensichtlich unzulässig zu verwerfen,

2. den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen,

3. vorsorglich den Nachprüfungsantrag als unbegründet abzulehnen,

4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die VST für notwendig zu erklären,

5. dem AST die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die VST erklärte hilfsweise, dass sie sich mit Blick auf die der Vergabekammer nach § 168 Absatz 1 GWB eröffneten Möglichkeiten der Einwirkung auf das Vergabeverfahren zur Be-seitigung der vom AST gerügten Rechtsverletzung nicht dagegen ausspricht, dem AST nach-träglich eine Chance zu eröffnen. Die VST führte zur Begründung aus, dass für sie im Jahre 2016 aufgrund des Verdachtes eines Abrechnungsbetruges/Untreue zu Gunsten von Herrn xxx und zu ihren Lasten die Erstattung einer strafrechtlichen Anzeige notwendig geworden sei. Herr xxx habe sich geweigert, für die Kalenderjahre 2014 und 2015 Vergütungsvereinbarungen mit der VST zu schließen; er fordere im Wege der Leistungsklage Zahlungen über ca. xxx Mio. Euro. Herr xxx habe sich auch 2016 geweigert, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen. Er weigere sich auch, für 2017 in ernsthafte Verhandlungen mit der VST über eine Vergütungs-vereinbarung einzutreten. Die Situation sei dann unzumutbar geworden, als die Staatsanwalt-schaft xxx Ermittlungen gegen Herrn xxx und den vormaligen Geschäftsführer der VST, Herrn xxx, aufgenommen und Durchsuchungen der Räumlichkeiten der VST einschließlich einer Beschlagnahme von Unterlagen veranlasst habe. Die für die VST tätigen Wirtschaftsprüfer hätten in ihren Berichten für die Jahre 2014 und 2015 auf unkalkulierbare Risiken bei der Durchführung der Leistungen durch Herrn xxx hingewiesen, die in die Entscheidung zur Neuvergabe zum Beginn des Jahres 2017 einbezogen worden seien. Zwischen der Entscheidung zur Vergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Leistungen an andere Unternehmen bis zum 01.01.2017 habe der Zeitraum nur zwei Monate betragen. Da

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die §§ 21, 22 PBefG von der VST die ununterbrochene Aufrechterhaltung der Fahrpläne einschließlich der Betriebspflicht forderten, hätten Notmaßnahmen ergriffen werden müssen. Am 24.11.2016 sei die Entscheidung zur Übergabe von Losunterlagen an sechs Busverkehrsunternehmen erfolgt, welche bereits für die VST tätig gewesen seien. Nach Kenntnis der VST habe das unter anderem kontaktierte Busverkehrsunternehmen xxx unter Mitteilung der Unterlagen bei dem AST angefragt, ob er Interesse an der Beteiligung an den sechs Losen habe. Dies müsse am 06.12.2016 gewesen sein. Der AST habe sich nicht beteiligt, auch nicht intern über die angefragten Busverkehrsunternehmen. Es sei einzig die Rüge des AST am 12.12.2016 erfolgt, in der aber wiederum kein Angebot auf Interesse der Beteiligung abgegeben worden sei. Die Angebotsabgabe hätte dem AST freigestanden. Aufgrund der Rüge und des nunmehr eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens habe sich die VST zur ununterbrochenen Aufrechterhaltung des ÖPNV zu dem auf längstens zwei Monate (Januar und Februar 2017) befristeten Notfallfahrplan entschieden. Auch gegen diese nur übergangsweise geplante Vergabe sei die zweite Rüge des AST am 20.12.2016 erfolgt, die mit Schreiben vom 21.12.2016 zurückgewiesen worden sei. Nach derzeitiger Planung sei die endgültige Vergabe zum 01.03.2017 geplant. Nach Auffassung der VST ist der Nachprüfungsantrag des AST unzulässig. Der AST sei nicht antragsbefugt; er habe das notwendige Interesse am Auftrag nicht hin-reichend dargelegt. Der AST sei nicht nur durch das Busverkehrsunternehmen xxx, sondern auch durch Herrn xxx über den Vergabeinhalt bzw. über die Vergabeunterlagen unterrichtet worden. Gleichwohl habe der AST kein Angebot abgegeben. Dies belege, dass er kein eigenes Interesse an dem Auftrag habe. Mit der ersten Rüge vom 12.12.2016 habe der AST auch nicht die Vergabeunterlagen abgefordert, was er gekonnt hätte. Die Rüge habe sich einzig darauf beschränkt, die Vergabe wegen vermeintlicher Vergabeverstöße zu unterbinden. Ein echtes Interesse am Auftrag lasse sich daraus aber nicht erkennen. Dem AST fehle auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Der AST bezwecke mit seinem Nachprüfungsantrag allein die Verhinderung der Neuvergabe der Busverkehrsleistungen an andere Busverkehrsunternehmen, um Herrn xxx als bisherigen Leistungserbringer in seiner Position zu schützen. Im Falle einer Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Ver-gabekammer könnte der bislang von Herrn xxx durchgeführte Stadt- und Regionalverkehr über mehrere Monate nicht mehr anderweitig durchgeführt werden. Die VST müsste dann als Inhaberin der Betriebserlaubnis nach § 42 PBefG entweder den bisherigen Fahrplan monateweise ohne Herrn xxx mit der Gefahr des Widerrufs der Linienkonzession durchführen oder aber notgedrungen mit Herrn xxx aufrechterhalten, um nicht die Konzession nach § 42 PBefG zu verlieren. Die VST werde damit über den Umweg des Nachprüfungsverfahrens faktisch zur Annahme der Busverkehrsleistungen des Herrn xxx gezwungen, obwohl die mit Herrn xxx bestehenden Verträge zwischenzeitlich aus wichtigem Grund mit Kündigungsschreiben vom 22./27.12.2016 gekündigt worden seien. Der AST handele allein im Interesse des Herrn xxx. Dies werde auch belegt durch die Nähe der Verfahrensbevollmächtigten des Herrn xxx -Herr Rechtsanwalt Prof. xxx- und des AST -Herr Rechtsanwalt xxx-, die sich in einer Bürogemeinschaft befänden; die erste Rüge des AST vom 12.12.2016 sei überdies persönlich durch Herrn Rechtsanwalt Prof. xxx bei der VST abgegeben worden. Es bestünden auch enge persönliche Verflechtungen zwischen Herrn xxx und dem AST, die beide im Verband xxx e.V. als Präsident bzw. Kassenprüfer tätig seien. Das Nachprüfungsverfahren sei daher durch die Interessen von Herrn xxx fremdbestimmt. Der AST verfolge außervergaberechtliche Ziele. Das Nachprüfungsverfahren und die Vergabekammern dürften aber nicht dazu missbraucht werden, außerhalb der Vergabe liegende eigennützige wirtschaftliche Interessen der bisherigen Leistungserbringer am Erhalt der bisherigen Position auf dem Umweg des Nachprüfungsverfahrens zu erreichen und aus formalen Gründen über einen vorgeschobenen Interessenten eine Rechtsverletzung zu konstruieren. Herr xxx habe trotz wiederholten Bekundens seiner Bereitschaft zur Leis-tungserbringung und zur Durchführung der vertraglichen Leistungen selber keine Rüge ge-äußert und kein Interesse an der Vergabe bekundet, sondern habe alle Informationen an den AST weitergegeben. Hierdurch werde die Stellvertreterstellung des AST deutlich. Nach Auffassung der VST ist der Nachprüfungsantrag des AST auch unbegründet.

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Die gerügten Vergabeverstöße lägen nicht vor. Materiellrechtlich sei die zum 01.03.2017 ge-plante Vergabe für die Restlaufzeit der Linienkonzession bis zum 30.06.2019 zulässig. Der beabsichtigte Zuschlag an die Biergemeinschaft -die BEI- verletze den AST nicht in seinen subjektiven Rechten auf Chancenwahrung. Der AST sei kein geeigneter Bewerber, denn er erfülle die in der Vergabe geforderten technischen Voraussetzungen nicht. Bereits im Vorfeld seien insgesamt zehn Unternehmen zur Interessenbekundung angefragt und danach sechs Unternehmen angeschrieben worden. Entscheidendes Kriterium für die von der VST für die Vorauswahl in Betracht gezogenen Unternehmen sei der Ortsbezug nebst örtlicher Nähe so-wie die Vertrautheit mit der Kassentechnik gewesen. Nach diesen Kriterien sei die Voraus-wahl der angeschriebenen Unternehmen getroffen worden. Nach Kenntnis der VST verfüge der AST nicht über die bei der VST vorhandene Technik, da sein Unternehmen nicht an das RBL-Südthüringen angegliedert sei. Nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO könne die VST die bis-lang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb neu vergeben, da äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zu-sammenhang mit Ereignissen vorgelegen hätten, die die VST nicht habe voraussehen können und die es nicht zugelassen hätten, die für das Verhandlungsverfahren mit Teil-nahmewettbewerb vorgeschriebenen Mindestfristen einzuhalten. Die Umstände zur Be-gründung der äußersten Dringlichkeit seien allein Herrn xxx und nicht der VST zuzurechnen (vgl. zu alledem im Einzelnen noch später). Im Rahmen der Einwirkungsmöglichkeiten der Vergabekammer verschließe sich die VST nicht etwaigen Vorschlägen der Vergabekammer zur Beseitigung möglicher Rechtsverletzungen des AST. Es sei allerdings seitens des AST nicht mit neutralen bzw. echten Geboten zu rechnen. Der AST erhalte seine Informationen von der xxx-Tours xxx OHG und von Herrn xxx, die in der Gesellschafterversammlung der VST vertreten seien. Es bestehe infolge der persönlichen Verflechtungen des AST mit Herrn xxx über den Verband xxx e.V. bzw. durch die direkten Informationsweitergaben an den AST die Gefahr, dass ein Angebot des AST unter Wert liege, da der AST über die Gesellschafterversammlung von Herrn xxx oder von der xxx-Tours xxx OHG den Wertungspreis erfahren würde. Mit einem weiteren Schreiben vom 09.01.2017 (Gz.: 11-17/2017-L/ke) hat sich die VST durch ihre Verfahrensbevollmächtigten gegen den die Interimsvergaben der Busverkehrsleistung-en im Januar/Februar 2017 betreffenden Nachprüfungsantrag des AST vom 27./29.12.2016 gewandt. Der AST ist dem die Vergabe der Busverkehrsleistungen zum 01.03.2017 betreffenden Schreiben der VST vom 09.01.2017 (Gz.: 11-6/2017-L/ke) mit Schreiben vom 12.01.2017 ausführlich entgegengetreten. Der AST führt in diesem Schreiben aus, dass er den Vergabeinhalt und die Vergabeunter-lagen nicht kenne. Er habe weder durch die xxx-Tours xxx OHG noch durch Herrn xxx die Vergabeunterlagen erhalten. Die xxx-Tours xxx OHG habe beim AST auch nicht unter Mitteilung der Vergabeunterlagen angefragt, ob er Interesse an einer Beteiligung an den sechs Losen habe. Der AST habe sich auch nicht über andere Busverkehrsunternehmen an der geplanten Vergabe beteiligen können. Die geplante Vergabe sei nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Die VST habe dem AST keine Möglichkeit eingeräumt, ein Angebot abzugeben. Die Ablehnung seiner Rüge durch die VST sei ohne Begründung erfolgt. Er habe aus all diesen Gründen kein Angebot abgeben können. Die Behauptung der VST, Herr xxx hätte sich geweigert, auch für 2017 in Verhandlungen über eine Vergütungsvereinbarung einzutreten, sei unzutreffend. Die VST habe Herrn xxx keine Vergütungsvereinbarung für 2017 angeboten. Die Annahme der VST, dass ein Festhalten am Status quo mit Blick auf die eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Herrn xxx und den vormaligen Geschäftsführer der VST, Herrn xxx, unzumutbar sei, sei unzutreffend, da im Strafverfahren bekanntlich die Unschuldsvermutung gelte. Auch sei ein zwingendes Bedürfnis, die Beförderungsleistungen zum 01.01.2017 zu vergeben, nicht ersichtlich. Herr xxx habe seine Beförderungsleistungen in den Jahren 2016 und 2017 ordnungsgemäß erbracht. Die VST habe sich die enge Zeitschiene ohne Not gesetzt. Die VST hätte die Beförderungsleistungen von vornherein -wie jetzt von der VST vorgesehen- zum 01.03.2017 ausschreiben können. Die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit Herrn xxx begründe kein unkalkulierbares Risiko für die VST. Es sei auch durchaus üblich, dass

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Parteien über die Höhe der Vergütung streiten. Der Mehrheitsgesellschafter der VST, der Landkreis xxx, vertreten durch den Landrat, wolle allerdings den Geschäftsbetrieb von Herrn xxx abwürgen. Da keine zeitliche Not bestanden habe, sei ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb anzukündigen und ordnungsgemäß durchzuführen gewesen. Des Weiteren bekräftigt der AST seine Auffassung, dass sein Nachprüfungsantrag zulässig ist. Der AST führt aus, dass es ihm um die Erlangung eines Auftrages gehe. Er sei daher an-tragsbefugt. Zwar hätte er ein Angebot für die gesamten Beförderungsleistungen aufgrund seiner Unternehmensstruktur nicht abgeben können, gleichwohl aber ein Angebot für einzelne Lose. Die VST habe die Veröffentlichung der geplanten Vergabe im Amtsblatt der Europäischen Union unterlassen, um damit jeglichen Wettbewerb um die zu vergebenden Beförderungsleistungen zu vermeiden und die Beförderungsleistungen an die Gesellschafter der VST intern vergeben zu können. Der AST habe auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Die Behauptung der VST, dem AST gehe es allein um eine Ver-hinderung der Neuvergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen, um die Position von Herrn xxx zu schützen, sei unzutreffend. Dem AST gehe es vielmehr darum, im Wettbewerb eine faire Chance auf Erhalt eines Angebots zu bekommen. Nach dem Willen der VST sollten sich deren Gesellschafter die Beförderungsleistungen des Herrn xxx aufteilen, ohne dass ein anderes Unternehmen hiervon etwas erfährt und die Möglichkeit hätte, ein Angebot abzugeben. Die Behauptung der VST, Herr xxx verfolge über den AST das Ziel, die VST über den Umweg des Nachprüfungsverfahrens zur faktischen Annahme seiner Beförderungsleistungen zu zwingen, sei mit Blick auf das mit Herrn xxx über den 31.12.2016 hinaus bestehende Vertragsverhältnis unzutreffend. Der AST handele im eigenen und nicht im Interesse von Herrn xxx. Der AST missbrauche daher auch nicht das Nachprüfungsverfahren zur Verfolgung außervergaberechtlicher Ziele. Das Busverkehrsunternehmen des Herrn xxx solle hingegen nach dem Willen des Landrates xxx ausgemerzt werden. Zudem bekräftigt der AST seine Auffassung, dass sein Nachprüfungsantrag begründet ist. Der AST widerspricht der Annahme der VST, der AST sei kein geeigneter Bewerber. Ins-besondere sei die Vertrautheit mit der vorhandenen Kassentechnik kein Ausschlusskriterium. Dies werde gemäß § 160 GWB gerügt. Auch lägen die Voraussetzungen für ein Verhand-lungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO nicht vor. Es lägen keine für die VST unvorhersehbaren Ereignisse im Sinne dieser Vorschrift vor. Die VST trage sich schon seit Anfang 2016 mit dem Gedanken, die Verträge mit Herrn xxx zu kündigen. Die Staatsanwaltschaft xxx ermittle auch bereits seit Juni 2016 gegen Herrn xxx und Herrn xxx, so dass sich die Situation im Oktober 2016 nicht grundlegend geändert habe. Nach Auffassung des LG xxx lägen keine Kündigungsgründe vor, die zur Aufhebung der Leistungsverträge mit Herrn xxx geführt hätten. Es hätte nichts dagegen gesprochen, wenn im Oktober 2016 beschlossen worden wäre, ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb durchzuführen und dies im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Nicht nachvollziehbar sei der Vortrag der VST, dass eine längere Zeitspanne als bis zum Jahresende 2016 für die VST nicht zumutbar gewesen sei, um die Busverkehrsleistungen des Herrn xxx anzunehmen. Es hätten auch keine äußerst dringlichen, zwingenden Gründe im Sinne des § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO bestanden. Es sei nicht ersichtlich, dass vorliegend ein nicht wieder gutzumachender Schaden eingetreten wäre, wenn ein ordnungsgemäßes Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt worden wäre. Die ÖPNV-Grundversorgung sei nie gefährdet gewesen, zumal Herr xxx, wie aus der Presse ersichtlich sei, ununterbrochen weiterfahre. Es bestünde auch kein kausaler Zusammenhang zwischen den von der VST behaupteten Ereignissen und den von ihr behaupteten dringlichen, zwingenden Gründen. Die VST habe den Konflikt eskalieren lassen. Sie habe Herrn xxx für das Jahr 2016 kein Vergütungsangebot unterbreitet. Sie sei im November 2016 überhaupt nicht mehr verhandlungsbereit gewesen. Der Aufgabenträger habe selbst ein Verhandlungsangebot der Landespolitik abgelehnt. Es sei überhaupt nicht ersichtlich, aus welchem Grund eine kurzfristige Beendigung der Vertragsbeziehung mit Herrn xxx notwendig geworden sein soll. Der Aufsichtsrat der VST habe im Oktober 2016 festgestellt, dass die Beförderungsleistungen durch Herrn xxx, bis auf geringe Mängel,

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ordnungsgemäß erbracht würden. Die Behauptung der VST, dass nicht mit neutralen bzw. echten Angeboten des AST zu rechnen sei, sei eine Zumutung. Der AST ist dem die Interimsvergaben der Busverkehrsleistungen im Januar/Februar 2017 betreffenden Schreiben der VST vom 09.01.2017 (Gz.: 11-17/2017-L/ke) mit Schreiben vom 13.01.2017 ausführlich entgegengetreten und hat hierbei seine Sach- und Rechtsauffassung bekräftigt. Mit Verfügung vom 19.01.2017 hat die Vergabekammer ihre Entscheidungsfrist auf Grund je-weils einer Erkrankung der beiden hauptamtlichen Beisitzer bis zum 11.04.2017 verlängert. Das Thüringer Landesverwaltungsamt hat Herrn xxx mit Bescheid vom 25.01.2017 unter Bezugnahme auf § 54 PBefG mit Wirkung ab 26.01.2017 untersagt, den der VST ge-nehmigten Linienverkehr zu bedienen; insofern hat das Thüringer Landesverwaltungsamt auch den sofortigen Vollzug angeordnet. Herr xxx hat unter dem 30.01.2017 gegen diese Verfügung Widerspruch eingelegt. Das VG xxx hat auf Antrag des Herrn xxx mit Beschluss vom 28.02.2017 (Az.: 2 E 158/17 We) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs von Herrn xxx vom 30.01.2017 gegen den Untersagungsbescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 25.01.2017 wiederhergestellt bzw. angeordnet, da nach Auffassung des Gerichts der angegriffenen Untersagungsverfügung bereits die erforderliche Rechtsgrundlage fehle. Mit Schreiben vom 26.01.2017 hat die VST bei der Vergabekammer beantragt,

1. ihr zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntmachung der Fristverlängerungsentscheidung von zehn Wochen zu erteilen,

2. innerhalb von zwei Wochen über diesen Antrag zu entscheiden. Die VST hat ihren Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung umfänglich begründet. Ferner hat sie in ihrem Schreiben vom 26.01.2017 zum Schreiben des AST vom 12.01.2017 Stel-lung genommen und nochmals dargelegt, dass der AST keine Antragsbefugnis und kein all-gemeines Rechtsschutzbedürfnis habe. Auch sei das Nachprüfungsverfahren gar nicht er-öffnet, da die von der VST geplante Vergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen an die Gesellschafter der BEI eine Vergabe der VST als Sektoren-auftraggeberin an verbundene Unternehmen zum Gegenstand habe und daher nach § 138 Absätze 1 Nr. 1, 2 lit. a), 3 GWB der 4. Teil des GWB vorliegend nicht anwendbar sei. Auch bedürfe es aus folgenden Gründen keiner neuen Ausschreibung: Aus der Betrauungsverein-barung vom 09.09.2009 ergebe sich, dass die VST den Linienverkehr im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführe. In Abschnitt L 6. der Vereinbarung sei geregelt, dass sich die VST anderer Unternehmen bedienen dürfe, um die Leistungen zu erbringen. Es sei im Zeitpunkt des Abschlusses des Betrauungsvertrages klar gewesen, dass die VST über keine Fahrzeuge und kein eigenes Personal verfüge, so dass sie funktionell mit einem General-übernehmer vergleichbar sei. Ferner sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass die VST aus-schließlich ihre privaten Gesellschafter als Nachunternehmer einsetzen würde. Vorliegend habe die VST als Generalübernehmer zusammen mit ihren Gesellschaftern als Nachunter-nehmer gehandelt. Damit bedürfe es keiner weiteren Ausschreibung durch die VST mehr. Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 31.01.2017 die Bietergemeinschaft Zzz GbR zu dem Nachprüfungsverfahren beigeladen. Die VST ist dem die Interimsvergaben der Busverkehrsleistungen im Januar/Februar 2017 betreffenden Schreiben des AST vom 13.01.2017 mit Schreiben vom 31.01.2017 entgegen-getreten und hat hierbei ihre Sach- und Rechtsauffassung bekräftigt. Die Vergabekammer hat dem AST am 01.02.2017 Einsicht in die Vergabeakten gewährt, so-weit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren. Der AST hat mit Schreiben vom 03.02.2017 beantragt, den Antrag der VST vom 26.01.2017 auf vorzeitige Zuschlagsgestattung zurückzuweisen, und hat dies ausführlich begründet. Des

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Weiteren bekräftigt der AST, dass er antragsbefugt sei und über ein ausreichendes allge-meines Rechtsschutzbedürfnis verfüge. Insbesondere liege seinerseits keine unzulässige Rechtsausübung vor. Auch lägen die Voraussetzungen einer Freistellung nach § 138 GWB nicht vor. Die Vergabe an Gesellschafter eines Sektorenauftraggebers unterliege nicht der Freistellung, da die Gesellschafter als selbständige Verkehrsunternehmer nicht dem be-herrschenden Einfluss -weder mittelbar noch unmittelbar- des Sektorenauftraggebers unter-lägen. Die VST trage auch nicht vor, dass eine so genannte Konzernverbundenheit vorliege. Aus dem Gesellschaftsvertrag der VST ergebe sich ein solcher beherrschender Einfluss ebenfalls nicht. § 138 Absatz 3 GWB setze verbundene Unternehmen voraus. Dieses Merk-mal sei nach dem Vortrag der VST nicht erfüllt. Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 08.02.2017 den Antrag der VST vom 26.01.2017 auf vorzeitige Zuschlagsgestattung zurückgewiesen. Die Vergabekammer hat die Verfahrensbeteiligten zunächst unter dem 23.02.2017 zum Ter-min zur mündlichen Verhandlung am 22.03.2017, 09:00 Uhr, im Thüringer Landesverwal-tungsamt Weimar geladen und ihnen Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme bis einschließ-lich 15.03.2017 eingeräumt. Die Vergabekammer hat den anberaumten Termin unter dem 06.03.2017 wegen einer Verhinderung des ehrenamtlichen Beisitzers aus wichtigen Gründen in Abstimmung mit den Verfahrensbeteiligten auf den 23.03.2017,13:00 Uhr, verlegt. Der Verfahrensbevollmächtigte der BEI hat unter dem 27.02.2017 gegenüber der Vergabe-kammer seine Bevollmächtigung angezeigt und zugleich beantragt, der BEI Akteneinsicht in die bei der Vergabekammer geführten Verfahrensakten zu gewähren. Die Vergabekammer hat dem AST mit Anhörungsschreiben vom 01.03.2017 mitgeteilt, dass mit Blick auf den Zeitablauf und seiner zumindest zeitweisen Beteiligung an den Interimsver-gaben sein die Interimsvergaben im Januar/Februar 2017 betreffender Nachprüfungsantrag vom 27./29.12.2016 gegenstandslos geworden sei und sich damit erledigt habe und der An-trag mangels Antragsbefugnis bzw. mangels allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses als un-zulässig abzulehnen wäre. Die Vergabekammer hat den AST insofern um Stellungnahme bis 08.03.2017 gebeten. Der AST hat der Vergabekammer daraufhin mit Schreiben vom 08.03.2017 insofern die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens erklärt. Die Vergabekammer hat der BEI am 15.03.2017 Einsicht in die Vergabeakten gewährt, so-weit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren. Die VST hat in dem die Vergabe der Busverkehrsleistungen zum 01.03.2017 betreffenden Nachprüfungsverfahren mit Schreiben vom 15.03.2017 gegenüber der Vergabekammer nochmals bekräftigt, dass dem AST das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehle und sein Nachprüfungsantrag daher unzulässig sei, da es dem AST lediglich darum gehe, faktisch als Stellvertreter von Herrn xxx und ohne eigenes Interesse die gebotene Neuvergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen an andere Busverkehrs-unternehmen zu verhindern. Dies werde darin deutlich, dass der AST Herrn xxx über den die vorläufige Zuschlagsgestattung ablehnenden Beschluss der Vergabekammer vom 08.02.2017 informiert haben müsse und Herr xxx daraufhin seine Kenntnis vom Be-schlussinhalt gegenüber der Presse und in einem zivilrechtlichen, einstweiligen Verfügungs-verfahren verwendet habe. Der AST hat dem Schreiben der VST vom 15.03.2017 mit seinem Schreiben vom 21.03.2017 widersprochen. Er hat nochmals dargelegt, dass er ausschließlich eigene Interessen ver-folge. Dies werde schon daran deutlich, dass er nach der von ihm veranlassten Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gegen die Interimsvergaben im Januar/Februar 2017 von der VST in den Verteiler zur Abgabe von Angeboten aufgenommen worden sei, er dann erstmals Angebote habe abgeben können und es dann im Rahmen der Interimsvergaben auch zu einem Vertragsschluss mit ihm gekommen sei. Auch mit dem Nachprüfungsverfahren gegen die Vergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen zum 01.03.2017 verfolge er das Ziel, Angebote abgeben und möglicherweise auch den Zuschlag erhalten zu können. Die vergaberechtswidrige Vorgehensweise der VST habe dies dem AST bislang

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verwehrt. Aus Sicht des AST handele es sich um ein sehr lukratives Vergabeverfahren. Herr xxx verfolge vollkommen andere Interessen, da er den Status quo erhalten wolle. Der AST hingegen wolle sich an einer Ausschreibung beteiligen und einen Auftrag erhalten. Der AST sei antragsbefugt. Der AST habe auch keine Unterlagen an Herrn xxx weitergeleitet. Die Behauptung der VST, der AST habe alle Informationen aus dem Nachprüfungsverfahren an Herrn xxx weitergegeben, sei unzutreffend und werde ausdrücklich bestritten. Die Verfahrensbeteiligten hatten in der mündlichen Verhandlung am 23.03.2017 Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern. Der AST hat in der Verhandlung seine Anträge 1., 3. und 4. aus seiner Antragsschrift vom 29.12.2016 (Gz.: 454/16 WA01spD2/1464-16) und die VST ihre Anträge 1., 3., 4. und 5. aus ihrer An-tragsschrift vom 09.01.2017 (Gz.: 11-6/2017-L/ke) gestellt. Die BEI hat keinen Antrag gestellt. Die Vergabekammer verweist im Einzelnen auf die Niederschrift über die mündliche Ver-handlung vom 23.03.2017, die den Verfahrensbeteiligten unter dem 24.03.2017 zugestellt worden ist. Die Vergabekammer nimmt ergänzend Bezug auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Ver-fahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten der VST.

II. 1. Zulässigkeit Der Nachprüfungsantrag des AST vom 27./29.12.2016 ist, sofern er die noch im Raum stehende Vergabe der Busverkehrsleistungen zum 01.03.2017 betrifft, zulässig. a) Die Anwendbarkeit des 4. Teils des GWB, in dem auch das Nachprüfungsverfahren geregelt ist, ist nicht nach den §§ 107 ff. GWB ausgeschlossen. Insbesondere ist die Anwendbarkeit des 4. Teils des GWB nicht nach § 138 Absatz 1 Nr. 1 GWB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist der 4. Teil des GWB nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die ein Sektorenauftraggeber an ein verbunden-es Unternehmen vergibt.

Bei der BEI als Zuschlagsdestinär bzw. bei ihren Gesellschaftern handelt es sich nicht um mit der VST verbundene Unternehmen im Sinne des § 138 Absätze 1 Nr. 1, 2 GWB. Für die Vergabekammer ist nicht feststellbar, dass es sich bei der BEI bzw. ihren Gesell-schaftern gemäß § 138 Absatz 2 Nr. 1 GWB um Unternehmen handelt, deren Jahresab-schlüsse mit dem Jahresabschluss des Auftraggebers in einen Konzernabschluss eines Mutterunternehmens entsprechend § 271 Absatz 2 HGB nach den Vorschriften über die Voll-konsolidierung einzubeziehen sind (vgl. hierzu im Einzelnen Müller-Wrede, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2016, § 138, Rdn. 19 f.). Für die Vergabekammer ist vorliegend die ge-forderte Konzernverbundenheit von VST und BEI bzw. ihrer Gesellschafter nicht feststellbar. Für die Vergabekammer ist auch nicht feststellbar, dass es sich bei der BEI bzw. ihren Ge-sellschaftern gemäß § 138 Absatz 2 Nr. 2 lit. a) GWB um Unternehmen handelt, die mittelbar oder unmittelbar einem beherrschenden Einfluss nach § 100 Absatz 3 GWB des Sektoren-auftraggebers unterliegen können. Nach den §§ 138 Absatz 2 Nr. 2 lit. a), 100 Absatz 3 GWB wird ein solcher beherrschender Einfluss des Sektorenauftraggebers vermutet, wenn er

1. unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unter-nehmens besitzt,

2. über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimm-rechte verfügt oder

3. mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsor-gans des Unternehmens bestellen kann.

Auch dies ist vorliegend im Verhältnis der VST zur BEI bzw. ihren Gesellschaftern nicht fest-stellbar. Vielmehr wird in den §§ 1 Absatz 2 Satz 1, 27 Absatz 1 Satz 2 des zu vergebenden

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Betriebsleistungsvertrages ausdrücklich festgestellt, dass die Vertragsparteien sich darüber einig sind, dass ihre wirtschaftliche Selbständigkeit durch diesen Vertrag unangetastet bleibt. Auch dem GmbH-Vertrag der VST kann nichts zu einer Konzernverbundenheit der VST und der BEI bzw. ihrer Gesellschaftern oder zu einem beherrschenden Einfluss der VST gegen-über der BEI bzw. ihren Gesellschaftern im oben dargelegten Sinne entnommen werden.

Die Anwendbarkeit des 4. Teils des GWB ist auch nicht nach § 108 Absätze 1, 2 und 8 GWB ausgeschlossen. Die VST ist auch nach Mitteilung des AST und der VST ein privater Sektorenauftraggeber im Bereich der Versorgung der Allgemeinheit mit Busverkehrsleistungen im Sinne der §§ 100 Absatz 1 Nr. 2, 102 Absatz 4 GWB und kein öffentlicher Sektorenauftraggeber im Sinne der §§ 108 Absatz 8, 100 Absatz 1 Nr. 1 GWB. Auch steht keine Vergabe eines öffentlichen Auf-trags an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts im Raum. Die geplante Vergabe an die BEI als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht In-House-fähig (Müller-Wrede, a.a.O., § 108, Rdn. 19). Die VST übt auch keine Kontrolle über die BEI im Sinne des § 108 Absätze 1 Nr. 1, 2 GWB aus.

Das Vergaberecht ist auch nicht aus sonstigen Gründen unanwendbar. Die VST trägt in ihrem Schreiben vom 26.01.2017 vor, dass sie funktionell mit einem Generalübernehmer vergleichbar sei und zusammen mit ihren Gesellschaftern als Nach-unternehmer gehandelt habe. Für alle Beteiligten sei klar gewesen, dass die VST als Nach-unternehmer ausschließlich ihren privaten Gesellschafter einsetzen würde. Damit habe es keiner weiteren Ausschreibung durch die VST mehr bedurft. Diese Auffassung der VST ist abzulehnen. Die VST ist Sektorenauftraggeberin nach den §§ 100 Absatz 1 Nr. 2, 102 Absatz 4 GWB im Bereich der Versorgung der Allgemeinheit mit Busverkehrsleistungen und unterliegt damit grundsätzlich dem (Sektoren-) Vergaberecht. Hiervon geht auch die VST in Ziffer 1. ihres Schreibens vom 24./25.11.2016 zur Information und Aufforderung der Teilnehmer des Verhandlungsverfahrens zur Abgabe eines ersten An-gebots sowie in ihren Schreiben vom 09.01.2017 als ganz selbstverständlich und zutreffend aus. b) Die Vergabekammer ist für das Nachprüfungsverfahren gemäß den §§ 155, 156 Absatz 1, 2. HS, 158 Absatz 2 und 159 Absatz 3 Satz 1 GWB i.V.m. § 2 Absatz 1 Satz 1 ThürVkVO sach-lich und örtlich zuständig.

Die VST ist Sektorenauftraggeberin im Bereich der Versorgung der Allgemeinheit mit Busverkehrsleistungen nach den §§ 98, 100 Absatz 1 Nr. 2, 102 Absatz 4 GWB.

Bei dem zu vergebenden Betriebsleistungsvertrag zur Durchführung von Busver-kehrsleistungen auf den bislang von Herrn xxx bedienten Strecken ab 01.03.2017 handelt es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 103 Absätze 1 und 4 GWB.

Der für die zu vergebende Dienstleistung nach § 106 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 2 GWB i.V.m. Artikel 15 lit. a) der Richtlinie 2014/25/EU geltende Schwellenwert in Höhe von € 418.000,00 ist mit Blick auf den geplanten Vertragsbeginn am 01.03.2017 und das geplante Vertragsende am 30.06.2019 unstreitig überschritten.

c) Die AST ist gemäß § 160 Absatz 2 GWB antragsbefugt. Nach dieser Bestimmung ist antragsbefugt jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung von Vergabevor-schriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. aa) Der AST hat ein Interesse an dem zu vergebenden Betriebsleistungsvertrag zur Durch-führung der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen.

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Das Interesse liegt in der Regel vor, wenn der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrages am Vergabeverfahren durch Abgabe eines eigenen Angebots teilgenommen und einen Ver-gabeverstoß ordnungsgemäß gerügt hat. Nach Auffassung der Vergabekammer steht der Umstand, dass der AST kein eigenes An-gebot abgegeben und sich zunächst darauf beschränkt hat, unter dem 12./20.12.2016 Ver-gabeverstöße gegenüber der VST zu rügen, der Annahme eines solchen Interesses nicht entgegen. Die VST hatte ihre Absicht, den Betriebsleistungsvertrag zu vergeben, nicht nach näherer Maßgabe von § 35 SektVO öffentlich bekannt gemacht. Der AST hat schlüssig vorgetragen, dass er aufgrund der unterlassenen öffentlichen Ausschreibung keine Möglichkeit gehabt habe, sich an dem Verhandlungsverfahren zu beteiligen und einen Auftrag zu erhalten. Er habe keine Kenntnis vom Vergabeinhalt und den Vergabeunterlagen gehabt und auch aus diesem Grunde kein Angebot abgeben können. Er sei durch die xxx-Tours xxx OHG auch nicht unter Mitteilung der Vergabeunterlagen angefragt worden, ob er ein Interesse an der Beteiligung an den sechs Losen habe. Er habe sich auch nicht über andere Busverkehrs-unternehmen an dem Verhandlungsverfahren beteiligen können. Hat sich ein Antragsteller nicht mit einem eigenen Angebot am Vergabeverfahren beteiligt, so widerspricht dies nicht zwangsläufig einem Interesse am Auftrag (Müller-Wrede, a.a.O., § 160, Rdn. 20 m.w.N.). Der AST muss dann aber darlegen, dass er gerade durch den gerügten Vergabeverstoß daran gehindert worden ist, ein ernstzunehmendes Angebot abzugeben und er sich bei ordnungs-gemäßer Vergabe um den fraglichen Auftrag beworben haben würde (Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., 2016, § 160, Rdn. 62 ff.; Müller-Wrede, a.a.O., § 160, Rdn. 20). Vorliegend hat der AST ausreichend dargelegt, dass die von ihm später unter anderem ge-rügte Unterlassung der europaweiten Auftragsbekanntmachung seitens der VST ihn daran gehindert habe, ein Angebot abzugeben. Nach Auffassung der Vergabekammer hat der AST daher sein Interesse an dem zu vergebenden Betriebsleistungsvertrag durch seine Rügen vom 12./20.12.2016 und die anschließenden Nachprüfungsanträge hinreichend dokumentiert (vgl. hierzu auch Kulartz/Kus/Portz/Prieß, a.a.O., § 160, Rdn. 65). Dieses Interesse wird auch durch die spätere, zumindest zeitweise Teilnahme des AST an den von der VST durchge-führten Interimsvergaben dokumentiert, wie auch dem Schreiben der VST vom 28.02.2017 sowie dem Schreiben des AST vom 08.03.2017 in dem Verfahren 250-4003-8887/2016-E-S-023-GTH zu entnehmen ist. Zwar hat die VST vorgetragen, der AST habe konkrete Kenntnis von dem Ausschreibungsin-halt durch die xxx-Tours xxx OHG und Herrn xxx erlangt. Die xxx-Tours xxx OHG habe unter Mitteilung der Vergabeunterlagen bei dem AST angefragt, ob er Interesse an der Beteiligung an den sechs Losen habe. Der AST habe sich gleichwohl nicht beteiligt, auch nicht intern über die angefragten Busunternehmen. Es sei einzig die Rüge des AST am 12.12.2016 erfolgt, worin aber wiederum kein Angebot auf Interesse der Beteiligung abgegeben worden und keine Abforderung der Vergabeunterlagen erfolgt sei. Dem AST hätte eine Angebotsabgabe freigestanden. Der AST habe daher das notwendige Interesse am Auftrag nicht hinreichend dargelegt; er sei daher nicht antragsbefugt. Dem ist entgegenzuhalten, dass in einem Vergabeverfahren die Bereitstellung der Vergabe-unterlagen dem Auftraggeber und nicht etwaigen Mitbietern obliegt. In dem von der VST ge-wählten Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfolgt zudem eine unmittelbare Aufforderung zur Abgabe von Erstangeboten an die ausgewählten Unternehmen ebenfalls durch den Auftraggeber und nicht durch etwaige Mitbieter. Auch ist nach Auffassung der Ver-gabekammer der vom AST widersprochene Vortrag der VST nicht erweislich (non liquet). Die Vergabekammer geht jedenfalls davon aus, dass der AST sein Interesse an dem zu ver-gebenden Betriebsleistungsvertrag durch seine Rügen vom 12./20.12.2016 und die an-schließenden Nachprüfungsanträge hinreichend dokumentiert hat. Auch die spätere, zu-mindest zeitweise Teilnahme des AST an den von der VST durchgeführten Interimsvergaben belegt sein Interesse. bb) Der AST hat eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 GWB durch Nichtbe-achtung von Vergabevorschriften geltend gemacht -Verstoß gegen die §§ 35, 13 Absatz 2 Nr. 4, 6 SektVO.

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cc) Der AST hat einen drohenden Schaden dargelegt. Der drohende Schaden ergibt sich daraus, dass der AST darlegt, insbesondere aufgrund der fehlenden Auftragsbekanntmachung keine Möglichkeit der Beteiligung an dem Verhandlungs-verfahren gehabt zu haben, eine Bezuschlagung der BEI bevorstehe und für ihn dann keine Möglichkeit mehr bestehe, den Auftrag, sei es auch nur für einzelne Lose, zu erhalten.

dd) Nach Auffassung der Vergabekammer steht der Antragsbefugnis des AST auch nicht die Auf-fassung der VST entgegen, der AST sei kein geeigneter Bewerber, da er nicht die im Ver-gabeverfahren geforderten technischen Voraussetzungen -Vertrautheit mit der von der VST zu stellenden Kassentechnik- erfülle, und der AST daher bei einer Teilnahme am Vergabe-verfahren ohnehin gleichsam chancenlos gewesen wäre. Der Umstand nämlich, dass der AST zumindest zeitweise an den Interimsvergaben der VST beteiligt gewesen ist, belegt seine grundsätzliche Eignung auch in dieser Hinsicht. Des Weiteren war auch das Busverkehrsunternehmen xxx an zumindest einer Interimsvergabe der VST beteiligt, obwohl es nach Mitteilung der VST ebenfalls nicht mit der Kassentechnik vertraut gewesen sein soll. Nach den §§ 122 Absatz 4 Satz 2, 142 GWB, 46 SektVO sind Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen bzw. müssen allen interessierten Unternehmen zu-gänglich sein. Ziffer IV. des Schreibens der VST vom 24./25.11.2016 zur Information und Aufforderung der Teilnehmer des Verhandlungsverfahrens zur Abgabe eines ersten Ange-bots ist zu entnehmen, dass Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden, die ihre Eignung gemäß den geforderten Nachweisen nachgewiesen haben. Weder diesem Schreiben noch den anderen der Vergabekammer vorliegenden Vergabeunterlagen sind be-stimmte technische Voraussetzungen -Vertrautheit mit der von der VST zu stellenden Kassentechnik- als Eignungskriterien zu entnehmen. Ferner ist einer E-Mail eines Herrn xxx an den Geschäftsführer der VST vom 04.11.2016 zu entnehmen, dass der Ausbau der kompletten RBL-Technik pro Bus durchschnittlich acht Stunden und der Einbau ca. vierund-zwanzig Stunden beansprucht. Nach Auffassung der Vergabekammer ist eine dauerhafte Ausrüstung der Busse des AST mit der entsprechenden Kassentechnik der VST auch kurz-fristig ohne weiteres denkbar. Da der AST vorliegend sinngemäß geltend macht, dass das Vergabeverfahren aufgrund der fehlenden Auftragsbekanntmachung und der Wahl der fal-schen Vergabeart insgesamt nicht wirksam durch einen Zuschlag beendet werden kann, und daher eine vollständige Aufhebung des Vergabeverfahrens im Raum steht, ist es möglich, dass der AST bei einer späteren Ausschreibung durchaus ein chancenreiches Angebot ab-geben kann (vgl. hierzu auch Müller-Wrede, a.a.O., § 160, Rdn. 32 m.w.N.).

d) Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages steht auch kein zwischenzeitlich erteilter Zu-schlag nach § 168 Absatz 2 GWB entgegen.

e) Der AST hat auch nicht gegen eine seiner Rügeobliegenheiten nach § 160 Absatz 3 Satz 1 GWB verstoßen. Der AST hat nach eigenem Bekunden am 06.12.2016 durch Herrn xxx Kenntnis von dem Vergabeverfahren erlangt und daraufhin bereits am 12.12.2016 gegenüber der VST mehrere Vergaberechtsverstöße gerügt. Der AST ist damit insbesondere seiner Rügeobliegenheit nach § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen. Dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass der Antragsteller, soweit er den geltend gemachten Verstoß gegen Ver-gabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrages erkannt hat, den Verstoß gegen-über dem Auftraggeber innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen rügen muss.

f) Der AST hat auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis.

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Ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Rechtsschutzsuchende ein schutzwürdiges Interesse an der beantragten Rechtsschutzform hat. Es ist im Regelfall anzu-nehmen und entfällt ausnahmsweise nur dann, wenn

der Rechtsschutzsuchende kein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt,

der angestrebte Erfolg auf einfachere, schnellere oder billigere Art und Weise erreicht werden kann oder

der Rechtsschutzsuchende rechtsmissbräuchlich handelt.

Der in diesem Zusammenhang ergangene Vortrag der VST,

das Nachprüfungsverfahren verfolge den Zweck, die Neuvergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen zu verhindern und Herrn xxx in seiner bisherigen Position zu schützen, es würden damit außervergaberechtliche Ziele verfolgt,

die VST solle faktisch gezwungen werden, die Busleistungen von Herrn xxx anzunehmen,

der AST nehme faktisch als Stellvertreter die (zivilprozessualen) Interessen des Herrn xxx wahr, ohne eigene Interessen zu verfolgen,

das Nachprüfungsverfahren werde durch Herrn xxx fremdbestimmt, der Nachprüfungsantrag stelle daher eine unzulässige Rechtsausübung dar,

das Nachprüfungsverfahren und die Vergabekammern dürften nicht dazu missbraucht werden, außerhalb der Vergabe liegende eigennützige wirtschaft-liche Interessen der bisherigen Leistungserbringer am Erhalt der bisherigen Position auf dem Umweg des Nachprüfungsverfahrens zu erreichen und aus formalen Gründen über einen vorgeschobenen Interessenten eine Rechtsver-letzung zu konstruieren,

Herr xxx habe selbst keine Rüge und kein Interesse an der Vergabe geäußert, sondern habe alle Informationen an den AST weitergegeben, was die Stellvertreterstellung des AST verdeutliche,

stellt sich für die Vergabekammer unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts und der widersprechenden Einlassung des AST als nicht erweislich (non liquet) dar. Dass der AST nicht dem (Rechtsschutz-) Zweck des Nachprüfungsverfahrens widersprechend und nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des Vortrags der VST gehandelt hat, folgt auch daraus, dass der AST zumindest zeitweise an den von der VST durchgeführten Interimsvergaben beteiligt gewesen ist und damit durchaus ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an den zu ver-gebenden Busverkehrsleistungen hat und sei es auch nur für einzelne Lose. Es bleibt daher auch im vorliegenden Fall des AST bei dem Grundsatz, dass das allgemeine Rechtsschutz-bedürfnis anzunehmen ist.

2. Begründetheit Der Nachprüfungsantrag des AST vom 27./29.12.2016 ist, sofern er die noch im Raum stehende Vergabe der Busverkehrsleistungen zum 01.03.2017 betrifft, auch begründet. Die VST hat die falsche Vergabeart gewählt. Die Voraussetzungen eines Verhandlungsver-fahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO sind nicht erfüllt. Folg-lich war die VST auch zur europaweiten Auftragsbekanntmachung nach näherer Maßgabe von § 35 SektVO verpflichtet. Die VST hat durch das unzulässige Absehen von einem Teil-nahmewettbewerb und von einer Auftragsbekanntmachung gemäß § 97 Absätze 1 und 6 GWB gegen den Wettbewerb verstoßen und den Anspruch des AST darauf, dass die Be-stimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden, verletzt. a) Die Voraussetzungen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO sind vorliegend nicht erfüllt. Die VST hat sich ausweislich Ziffer 1. ihres Schreibens vom 24./25.11.2016 zur Information und Aufforderung der adressierten Teilnehmer eines Verhandlungsverfahrens zur Abgabe

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eines ersten Angebots für ein Verhandlungsverfahren ohne vorgeschalteten Teilnahmewett-bewerb gemäß § 141 Absatz 2 GWB entschieden. Nach § 141 Absatz 2 GWB steht das Ver-handlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist. Die Anwendungsfälle, in denen ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zur Verfügung steht, sind im vorliegenden Fall in § 13 Absatz 2 SektVO abschließend aufgezählt. Nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO kann der Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende Auf-traggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind; die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem Auftraggeber nicht zuzurechnen sein. Ziffer 1. des Schreibens der VST vom 24./25.11.2016 ist zur Begründung der von § 13 Ab-satz 2 Nr. 4 SektVO geforderten besonderen Dringlichkeit lediglich zu entnehmen, dass sich die VST aufgrund der besonderen Dringlichkeit, die Leistungen bereits ab dem 01.01.2017 (später ab dem 01.03.2017, Anm.d.Verf.) zu erbringen, und der vorliegenden Möglichkeit der Auftragserweiterung für die bereits gebundenen Subunternehmer sich für ein Verhandlungs-verfahren ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb entschieden habe. Die Vorausset-zungen des § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO lägen vor. Die VST hat in ihrem Schreiben vom 09.01.2017 (Gz.: 11-6/2017-L/ke) zum Vorliegen der Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 13 Ab-satz 2 Nr. 4 SektVO ausführlich vorgetragen (vgl. hierzu im Einzelnen später). Der AST ist dem mit Schreiben vom 12.01.2017 entgegengetreten. Nach Auffassung der Vergabekammer haben vorliegend keine äußerst dringlichen, zwingen-den Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen vorgelegen, die die VST nicht voraussehen konnte, und die es nicht zugelassen haben, die für das Verhandlungsverfahren mit Teil-nahmewettbewerb vorgeschriebenen Mindestfristen einzuhalten. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Anforderungen an das Vorliegen äußerst dring-licher, zwingender Gründe im Sinne von § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO unterschiedlich definiert werden: aa) Zum Teil wird darauf abgestellt, dass als Gründe im Sinne dieser Vorschrift nur akute Ge-fahrensituationen und höhere Gewalt in Betracht kommen, die zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen aus-schließendes Handeln erfordern. Bloße finanzielle Gründe bzw. wirtschaftliche Erwägungen würden diesen Anforderungen regelmäßig nicht gerecht werden (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 14 Absatz 4 Nr. 3 VgV Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 14, Rdn. 57 m.w.N.). bb) Zum Teil wird darauf abgestellt, dass das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbe-werb nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen soll. Äußerst dringliche, zwingende Gründe seien vor dem Hintergrund der sehr außergewöhnlichen Um-stände zu verstehen und erfassten somit tatsächlich nur ganz extreme und dem Wortlaut nach unvorhersehbare Umstände. Dies finde seine Gründe insbesondere in dem Gefahren-potential für Wettbewerb, Gleichbehandlung der Bieter und Transparenz im Vergabever-fahren (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 14 Absatz 4 Nr. 3 VgV Heiermann/Zeiss/ Summa, jurisPK-VergR, 5. Aufl., 2016, § 14, Rdn. 118 ff.). cc) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat in Ziffer I., zu 2., seines Rund-schreibens vom 09.01.2015 (Az.: IB6-270100/14 u. 270100/15) darauf abgestellt, dass

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äußerste Dringlichkeit regelmäßig nur bei unaufschiebbaren, nicht durch den Auftraggeber verursachten Ereignissen anzunehmen sei, bei denen eine gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabenerfüllung drohe, etwa durch einen schweren, nicht wieder gutzumachenden Schaden. Es sei daher abzuwägen, ob die Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens, zumindest die vorherige Durchführung eines Teil-nahmewettbewerbs, zu gravierenden Beeinträchtigungen führe. Diese Sachlage sei objektiv zu betrachten. Führe die Durchführung des Wettbewerbs zu nur geringen Verzögerungen, könnten in der Regel keine gravierenden Beeinträchtigungen erwartet werden. Wirtschaft-liche Erwägungen und das haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot seien nicht geeignet, einen Verzicht auf die Bekanntmachung und den Teilnahmewettbewerb zu begründen. dd) Nach Auffassung der Vergabekammer kann vorliegend unter Berücksichtigung der oben dar-gelegten Anforderungen nicht davon ausgegangen werden, dass

eine akute Gefahrensituation oder höhere Gewalt bestanden hat, die zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordert haben,

sehr außergewöhnliche, extreme und nicht vorhersehbare Umstände bestanden haben,

gravierende Beeinträchtigungen für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabener-füllung drohten, beispielsweise durch einen schweren, nicht wieder gutzumachenden Schaden.

Dies ist im Einzelnen wie folgt zu begründen: Dem Vermerk der VST vom 01.11.2016 sowie dem an den AST gerichteten Schreiben der VST vom 01.11.2016 ist zu entnehmen, dass die VST sich spätestens zu diesem Zeitpunkt für eine Neuvergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen in Form eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb entschieden hat. Das Ver-handlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist in der Folgezeit auch durchgeführt worden. Nach der hiergegen gerichteten Rüge des AST vom 12.12.2016 hat die VST mit Blick auf die verbleibende wenige Zeit davon abgesehen, die entsprechenden Busverkehrsleistungen bereits zum 01.01.2017 zu vergeben. Vielmehr sollte die Vergabe der Busverkehrsleistungen nunmehr zum 01.03.2017 erfolgen. Nach Auffassung der Vergabekammer hätte die VST von Anfang an ein Verhandlungsver-fahren mit Teilnahmewettbewerb unter Einhaltung der grundsätzlich verkürzbaren Teilnahme- und Angebotsfristen des § 15 Absätze 2 und 3 SektVO initiieren können, um eine Neuver-gabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen vorzubereiten. Mit Blick auf die Notwendigkeit der Vorbereitung der Vergabeunterlagen und der verbleibenden wenigen Zeit bis zum ursprünglich geplanten Leistungsbeginn am 01.01.2017 wäre es ver-mutlich bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb im Verhältnis zur ge-planten Vertragslaufzeit bis 30.06.2019 zu geringeren zeitlichen Verzögerungen gekommen, die aber keine besondere Dringlichkeit im Sinne des § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO zu be-gründen vermögen (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 14 Absatz 4 Nr. 3 VgV Heier-mann/Zeiss/Summa, a.a.O., § 14, Rdn. 130). Dies gilt umso mehr, als sich die VST nach der Rüge des AST vom 12.12.2016 dazu entschlossen hat, die Busverkehrsleistungen erst zum 01.03.2017 zu vergeben. Der AST stellte in seiner Rüge vom 12.12.2016 für den Fall der Nichtabhilfe die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer in Aussicht. Nach abgelehnter Ab-hilfe seitens der VST stellte der AST unter dem 27./29.12.2016 Nachprüfungsanträge bei der Vergabekammer, die nach Maßgabe von § 169 Absatz 1 GWB ein Zuschlagsverbot aus-lösten. Auch die dabei eintretenden zeitlichen Verzögerung rechtfertigen nicht die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und damit ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO. Denn nach der Rüge des AST vom 12.12.2016 hatte sich die VST sehr bald für eine endgültige Vergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen nicht zum 01.01.2017, sondern erst zum 01.03.2017 entschieden, so

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dass ihr dann noch nachträglich ohne weiteres die Durchführung eines Verhandlungsver-fahrens mit Teilnahmewettbewerb unter Einhaltung der geltenden Teilnahme- und Angebots-fristen möglich gewesen wäre. Die VST ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass sie bei Ein-leitung des Vergabeverfahrens bei lebensnaher Betrachtung mit möglichen Verzögerungen durch ein Nachprüfungsverfahren rechnen und diese bei ihrer Zeitplanung einkalkulieren muss. Die gesamte Zeitplanung der VST war sehr knapp bemessen, so dass eine ggf. auf-grund von einem Nachprüfungsverfahren eintretende Dringlichkeit für sie grundsätzlich vor-aussehbar und durch eine großzügigere Zeitplanung für sie auch vermeidbar gewesen wäre und ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb daher nicht gerechtfertigt ist (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.03.2015, Az.: 15 Verg 9/14). Der Annahme einer besonderen Dringlichkeit und einer Rechtfertigung für ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO steht vorliegend auch die von der VST tatsächlich angewendete Möglichkeit der Interimsvergabe entgegen. Die VST geht aufgrund der Feststellungen in dem Rechtsgutachten der Rechtsanwälte xxx & xxx vom 24.10.2016 und ihrer erstmals am 22./27.12.2016 ausgesprochenen Kündigungen davon aus, dass zwischen ihr und Herrn xxx jedenfalls ab 2017 kein Vertragsverhältnis mehr besteht, das die Grundlage für die Erbringung der Busverkehrsleistungen durch Herrn xxx sein könnte. Falls diese Annahme der VST zutreffend sein sollte, hat sie die Möglichkeit gehabt, im Rahmen von Interimsvergaben die dringend benötigten, unaufschiebbaren und bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen ausnahmsweise und eng befristet bis zum frühestmöglichen Abschluss des vergaberechtlich vorgeschriebenen Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb an andere Busverkehrsunternehmen zu vergeben (vgl. auch Burgi, Vergaberecht, 2016, Kapitel 2, § 13, Rdn. 15; Marx/Hölzl, NZBau 2010, 535 ff.). Das heißt, die VST vergibt im Rahmen von Interimsvergaben befristet für einen Übergangszeitraum die dringend benötigten, unaufschiebbaren und bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen an andere Busverkehrsunternehmen und in dem Übergangszeitraum wird das eigentlich gebotene, fristgebundene, europaweite Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Die VST hätte demnach von Anfang an ein fristgebundenes, europaweites Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb initiieren können und den Übergangszeitraum bis zum Abschluss dieses Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb mit Interimsvergaben überbrücken können. Der VST ist auch tatsächlich so im ersten Quartal 2017 vorgegangen. Nach Auffassung des AST bestehen die Leistungsverträge zwischen der VST und Herrn xxx bis zum 30.06.2019 fort und sind auch nicht durch die von der VST ausgesprochenen Kündigungen wirksam beendet worden. Die Vergabekammer verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des LG xxx vom 27.01.2017 (Az.: 1 HK O 136/16), das die Auffassung des AST bislang bestätigt. Nach Auffassung der Vergabekammer bestehen auch Zweifel, ob die Vertragsbeziehungen mit Herrn xxx durch die unter dem 10.01.2017 seitens der VST erklärte Kündigung wirksam beendet worden sind. Die VST führt in dem Schreiben vom 10.01.2017 zunächst aus, dass sie nach wie vor die Auffassung vertrete, dass die Verträge mit Herrn xxx zum 31.12.2016 beendet worden seien, ohne dass es einer Kündigung bedurft habe. Des Weiteren hat die VST vorsorglich und hilfsweise nochmals die außerordentliche Kündigung dieser Verträge aus wichtigem Grund ausgesprochen und zur Begründung eine von Herrn xxx veranlasste Unterbrechung der Datenverbindung zum RBL-System am 30.12.2016 angeführt. Nach Auffassung der Vergabekammer teilt dieses Schreiben keine objektiven Tatsachen mit, die eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen mit Herrn xxx unter Abwägung sämtlicher Aspekte unzumutbar erscheinen lassen und die daher geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zumindest bestehen hieran erhebliche Zweifel. Falls die Annahme des AST zutreffend sein sollte, war Herr xxx weiterhin verpflichtet, seine Leistungsverträge gegenüber der VST zu erfüllen, indem er die von ihm geschuldeten Busverkehrsleistungen über den 31.12.2016 hinaus weiterhin erbringt. Die in diesem Zusammenhang bedeutsame Untersagungsverfügung des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 25.01.2017 ist nicht in Bestandskraft erwachsen und durch Beschluss des VG xxx vom 28.02.2017 (Az.: 2 E 158/17 We) sogar für rechtswidrig erklärt worden. Der VST wäre es bei Fortbestehen der Vertragsbeziehungen mit Herrn xxx grundsätzlich möglich und zumutbar, die Busverkehrsleistungen des Herrn xxx anzunehmen.

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Demnach bestünde grundsätzlich schon gar kein Bedarf an einer Neuvergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen, so dass sich die Frage nach einer Rechtfertigung des Absehens von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO schon gar nicht mehr stellte. Allerdings wäre es für die VST denklogisch möglich, im Falle einer Ablehnung der weiteren Zusammenarbeit mit Herrn xxx die Busverkehrsleistungen fristgebunden und europaweit im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb neu zu vergeben und Herrn xxx dann bei Fortzahlung der ihm vertraglich zustehenden Vergütung von der weiteren Erbringung der Busverkehrsleistungen zu entbinden. Dieses Vorgehen wäre im Hinblick auf die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltswirtschaft für den Landkreis xxx als Mehrheitsgesellschafter der VST problematisch. Jedenfalls bestünde auch bei dieser Vorgehensweise seitens der VST keine besondere Dringlichkeit und damit keine Rechtfertigung für ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO. ee) Der Vortrag der VST zur Begründung einer besonderen Dringlichkeit und für ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO überzeugt nicht. (1) Die VST trägt vor, die Situation habe sich im Oktober 2016 grundlegend geändert. Nach er-folgter Anzeige der VST habe die Staatsanwaltschaft xxx gegen Herrn xxx und den ehemaligen Geschäftsführer der VST, Herrn xxx, wegen des Verdachts des Ab-rechnungsbetruges/Untreue zu Gunsten von Herrn xxx und zu Lasten der VST ermittelt. In diesem Zusammenhang sei es zu Durchsuchungen von Geschäftsräumen der VST einschließlich der Beschlagnahme von Unterlagen gekommen. Der Schaden für die VST be-trage mehrere hunderttausend Euro. Diese Verschärfung des Konflikts mit Herrn xxx im Oktober 2016 sei für die VST nicht voraussehbar gewesen, die VST habe dazu nichts beigetragen. Nach diesen Vorkommnissen habe die VST ein Rechtsgutachten der Rechtsanwälte xxx & xxx eingeholt, in dessen Ergebnis die Auffassung vertreten werde, dass für 2017 jedenfalls kein Vertrag mehr mit Herrn xxx bestehe und Herr xxx keinen Anspruch auf Vertragsabschluss habe. Darüber hinaus würden auch ausreichend Kündigungsgründe vorliegen. Das Gutachten sei dem Aufsichtsrat am 27.10.2016 vorgestellt worden. Im Aufsichtsrat sei die Auffassung vertreten worden, dass aufgrund des hohen Risikos für die VST und der Konfliktsituation mit Herrn xxx die Busverkehrsleistungen anderweitig vergeben werden sollten. Dem ist entgegenzuhalten, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bislang nicht ab-geschlossen worden sind und solange die Unschuldsvermutung zu Gunsten von Herrn xxx gilt. Des Weiteren hat erst die Anzeige der VST die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mühlhausen gegen Herrn xxx und gegen den ehemaligen Geschäftsführer der VST, Herrn xxx, sowie die Durchsuchungen in den Geschäftsräumen der VST einschließlich der Beschlagnahme von Unterlagen ausgelöst. Nach Auffassung der Vergabekammer kann ein solcher Geschehensablauf durchaus als für die VST voraussehbar eingestuft werden (vgl. hierzu später). Die Feststellungen in dem Rechtsgutachten der Rechtsanwälte xxx & xxx vom 24.10.2016 sind mit Blick auf die Feststellungen im Urteil des LG xxx vom 27.01.2017 unzutreffend, zumindest aber zweifelhaft. Die Ausführungen der VST erfüllen nicht die oben dargelegten hohen Anforderungen an eine besondere Dringlichkeit und damit an ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO. (2) Die VST trägt vor, ihre bis in den November 2016 reichenden Versuche einer Einigung mit Herrn xxx in der Frage einer abschließenden Vergütungsvereinbarung für 2017 seien an dessen fehlender Kompromissbereitschaft gescheitert. Eine kurzfristige Beendigung der Vertragsbeziehungen mit Herrn xxx sei daher notwendig geworden. Gleichzeitig seien die Busverkehrsleistungen weiter zu erbringen. Deshalb sei eine kurzfristige Neuvergabe er-forderlich gewesen. Es bestünden gewichtige Belange der Allgemeinheit an einer lücken-losen und möglichst uneingeschränkten Aufrechterhaltung des genehmigten Fahrplanes. Die VST als Inhaberin der Linienkonzession sei zur Erhaltung eines ungestörten ÖPNV ver-

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pflichtet. Gerade die Allgemeinheit habe ein überragendes Interesse daran, dass auch im Jahre 2017 alle Busse planmäßig fahren. Dem ist entgegenzuhalten, dass für die Vergabekammer nicht feststellbar ist, wer die Ver-antwortung dafür trägt, dass bislang keine Einigung in der Frage der Vergütung der Busver-kehrsleistungen von Herrn xxx für die Jahre 2014 bis 2017 zustande gekommen ist. Es ist letztlich Aufgabe der Zivilgerichte, dies verbindlich zu klären. Insbesondere mit Blick auf das Urteil des LG xxx vom 27.01.2017 besteht Grund zu der Annahme, dass die Ver-tragsbeziehungen zwischen der VST und Herrn xxx über den 31.12.2016 hinaus fort-bestehen. Die von der VST unterstellte (kurzfristige) Beendigung der Beziehungen mit Herrn xxx kann daher nicht sicher festgestellt werden. Auch das Interesse der Allgemeinheit an einer lückenlosen und möglichst uneingeschränkten Aufrechterhaltung des Fahrplanes auch im Jahre 2017 hat vorliegend keine besondere Dringlichkeit begründet und damit auch nicht das Absehen von einem Teilnahmewettbewerb gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn man mit der VST von einem Ende der Vertragsbeziehungen zwischen der VST und Herrn xxx zum 31.12.2016 ausgeht, da dann der oben dargelegte Aspekt der vorrangig durchzuführenden Interimsvergaben zur kurzfristigen Deckung eines dringenden, unaufschiebbaren Bedarfs hier im Bereich der Versorgung der Allgemeinheit mit Busverkehrsleistungen der Annahme einer besonderen Dringlichkeit und der Zulässigkeit eines Absehens von einem Teil-nahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO entgegengestanden hat (vgl. hierzu oben). (3) Die VST trägt vor, die für sie tätigen Wirtschaftsprüfer hätten bereits für die Jahre 2014 und 2015 auf unkalkulierbare Risiken im Hinblick auf die weitere Durchführung der Busverkehrs-leistungen durch Herrn xxx hingewiesen. Dieser Gesichtspunkt sei in die Entscheidung für eine Neuvergabe der bisher von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen an andere Busverkehrsunternehmer zum Beginn des Jahres 2017 einbezogen worden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Darlegung der durch die Wirtschaftsprüfer festgestellten unkalkulierbaren Risiken ausweislich des Vermerks der VST vom 23.12.2016 nur wenig sub-stantiiert ist. Der Vortrag der VST rechtfertigt auch insofern nicht die Annahme einer beson-deren Dringlichkeit und ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO. (4) Die VST trägt vor, dass die Rechtfertigung der Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb auch aus den §§ 21, 22 PBefG und der weitestgehenden Sicherstellung des Linienverkehrs folge. Dem ist entgegenzuhalten, dass die gebotene Erfüllung der Betriebs- und Beförderungs-pflichten sowie die Sicherstellung des Linienverkehrs alleine nicht die oben dargelegten hohen Anforderungen an eine besondere Dringlichkeit und damit an ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO erfüllen. Wenn man mit der VST unterstellt, dass die Vertragsbeziehungen zwischen der VST und Herrn xxx am 31.12.2016 beendet waren, war die VST zunächst darauf beschränkt, sich bis zum ordnungsgemäßen Abschluss eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb mit befristeten Interimsvergaben zu behelfen, was sie auch tatsächlich im ersten Quartal 2017 getan hat. Wenn man mit dem AST davon ausgeht, dass die Vertragsbeziehungen zwischen der VST und Herrn xxx über den 31.12.2016 hinaus fortbestehen, kann ohnehin kein Bedarf für eine Neuvergabe der von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen an andere Busunternehmen bestanden haben und die Frage nach der Zulässigkeit eines Verzichts auf den Teilnahmewettbewerb stellte sich nicht mehr (vgl. oben). (5) Die VST trägt vor, die Entscheidung der VST sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Sie habe die Grenzen des ihr zustehenden Leistungsbestimmungsrechts nicht überschritten. Ins-besondere lägen der Entscheidung nachvollziehbare, objektiv technische bzw. verfahrens-bezogene Erwägungen zugrunde, die diskriminierungs- und willkürfrei bestimmt worden seien.

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Dem ist entgegenzuhalten, dass diese sehr pauschalen Annahmen der VST keine besondere Dringlichkeit und damit kein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO rechtfertigen. (6) Die VST trägt vor, mit der Beschaffung der Busverkehrsleistungen bei den bisher für die VST tätigen Busunternehmen mit dem dort vorhandenen technischen RBL-System der VST er-folge ein nahtloser und damit weniger risikobehafteter Übergang zur Nahbereichsversorgung mit den vorhandenen Mitteln. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch diese sehr pauschalen Annahmen der VST keine be-sondere Dringlichkeit und damit kein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO rechtfertigen. Auch für andere Wettbewerber ist eine Neuanschaffung der RBL-Technik grundsätzlich möglich. Ferner ist der E-Mail eines Herrn xxx an den Geschäftsführer der VST vom 04.11.2016 zu entnehmen, dass der Ausbau der kompletten RBL-Technik pro Bus durchschnittlich acht Stunden und der Einbau ca. vierundzwanzig Stunden beansprucht. Nach Auffassung der Vergabekammer ist eine dauerhafte Ausrüstung der Busse des AST mit der entsprechenden Kassentechnik der VST auch kurzfristig ohne weiteres denkbar. Die Annahme einer Notwendigkeit der Beschränkung der Durchführung der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen auf den Kreis der Gesell-schafter der BEI ist daher für die Vergabekammer nicht zwingend. Dies wird auch durch den Umstand dokumentiert, dass sowohl der AST als auch das Busunternehmen xxx im Rahmen der Interimsvergaben zumindest zeitweise an der Durchführung der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen beteiligt waren, obwohl sie nach Mitteilung der VST nicht über die entsprechende Kassen-/RBL-Technik verfügen sollen. (7) Die VST trägt vor, dass Herr xxx sich weigere, die in achtunddreißig Bussen verbaute RBL-Technik herauszugeben, und bei fremden Bussen eine Neubeschaffung der Technik nicht zeitnah möglich sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass Herr xxx nach dem Urteil des LG xxx vom 27.01.2017 nicht verpflichtet ist, die RBL-Technik herauszugeben. Die Vergabekammer geht auch davon aus, dass eine Neubeschaffung der Technik grundsätzlich möglich ist. Die Ausführungen der VST rechtfertigen nicht die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO. (8) Die VST trägt vor, für Drittunternehmer sei es nicht ohne weiteres möglich, die bestehende Abrechnungstechnik/Kassensystem einzuführen und insofern wegen der längerfristigen Nichtbeschaffbarkeit der technischen Mittel eine Ersatzausrüstung sicherzustellen. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach § 9.1, 3., des Entwurfs eines Betriebsleistungsvertra-ges die Beschaffung der RBL-Technik grundsätzlich durch die VST erfolgt. Nach Auffassung der Vergabekammer ist diese Beschaffung auch grundsätzlich möglich. Die Ausführungen der VST tragen den hohen Anforderungen an eine besondere Dringlichkeit und an ein Ab-sehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO nicht Rechnung. (9) Die VST trägt vor, dass ein weiteres Argument für die Vergabe an die bereits für die VST tätigen Busunternehmen die dort vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen verbunden mit weniger Schulungsaufwand als bei Drittunternehmen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch diese Ausführungen der VST den hohen Anforderung-en an eine besondere Dringlichkeit und an ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO nicht Rechnung tragen. (10) Die VST trägt vor, durch die interne Vergabe an die bereits für die VST tätigen Busunter-nehmen könne eine kalkulatorische Einsparung sowohl nach Zeit als auch nach Vorhalte und Leerfahrtkosten erreicht werden.

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Dem ist entgegenzuhalten, dass auch diese Ausführungen der VST den hohen Anforderung-en an eine besondere Dringlichkeit und an ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO nicht Rechnung tragen. (11) Die VST trägt vor, dass eine Möglichkeit, mit Vertragsstrafen zu arbeiten, nicht bestünde. Der Abschluss des gerichtlichen Verfahrens, das zu einer Klärung führen könnte, sei nicht abseh-bar. Herr xxx sei nicht bereit, über die Vergütungshöhe sachgerecht zu verhandeln. Der Aufforderung, die Veröffentlichung von Firmendaten der VST zu unterlassen, sei Herr xxx nicht nachgekommen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der AST bestreitet, dass Herr xxx nicht bereit sei, mit der VST sachgerecht über die Vergütungshöhe zu verhandeln. Dem Urteil des LG xxx vom 27.01.2017 ist zu entnehmen, dass die VST und Herr xxx in der Frage der Unterlassung von Veröffentlichungen von Betriebsgeheimnissen im Internet in dem Verfahren 2 HK O 120/15 vor dem LG xxx eine gütliche Einigung erzielt haben und in der Folge Herr xxx diese Veröffentlichungen unterlassen haben soll. Die vorgenannten Ausführungen der VST tragen auch im Übrigen den hohen Anforderungen an eine besondere Dringlichkeit und an ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO nicht Rechnung. (12) Die VST trägt vor, für sie sei es nicht länger als bis zum Jahresende 2016 zumutbar ge-wesen, die Busverkehrsleistungen von Herrn xxx anzunehmen. Die Einräumung dieser Frist sei allein dem Erfordernis geschuldet, die Busverkehrsleistungen neu vergeben zu müssen und den Verkehr sicherzustellen. Dem ist entgegenzuhalten, dass allein der Unwille der VST zu einer Fortsetzung der Zu-sammenarbeit mit Herrn xxx nicht die Unzumutbarkeit der Fortsetzung dieser Zu-sammenarbeit im Rechtssinne mit Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund begründet. Es besteht durchaus Grund zu der Annahme, dass die Vertragsbeziehungen zwischen der VST und Herrn xxx über den 31.12.2016 hinaus fortbestehen und nicht durch die bisherigen Kündigungen der VST wirksam beendet worden sind. Es bestünde dann auch kein Erfordernis mehr, die bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen neu zu vergeben. Die Ausführungen der VST tragen auch insofern den hohen Anforderungen an eine besondere Dringlichkeit und an ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO nicht Rechnung. (13) Die VST trägt vor, der Busverkehr als öffentliche Aufgabe sei aufrechtzuerhalten, andernfalls drohe ein nicht wieder gutzumachender Schaden. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Wenn man mit der VST davon ausgeht, dass die Ver-tragsbeziehungen zwischen der VST und Herrn xxx am 31.12.2016 beendet waren, war die VST zunächst darauf beschränkt, sich bis zum ordnungsgemäßen Abschluss eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb mit befristeten Interimsvergaben zu be-helfen, was sie auch tatsächlich im ersten Quartal 2017 getan hat. Wenn man mit dem AST davon ausgeht, dass die Vertragsbeziehungen zwischen der VST und Herrn xxx über den 31.12.2016 hinaus fortbestehen, kann ohnehin kein Bedarf für eine Neuvergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen an andere Busunternehmen bestanden haben und die Frage nach der Zulässigkeit eines Verzichts auf den Teilnahmewettbewerb stellte sich nicht mehr (vgl. oben). Die Aufrechterhaltung des Busverkehrs als öffentliche Aufgabe rechtfertigt alleine nicht die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und damit ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO. (14) Die VST trägt vor, ein beschleunigtes Verfahren mit Teilnahmewettbewerb scheide aus, da die Vorbereitung der Vergabeunterlagen mit entsprechender Planung der Losaufteilung vor-aussichtlich bis zum 18.11.2016 gedauert hätte. Das reguläre Verfahren hätte frühestens im ersten Quartal 2017 abgeschlossen werden können. Durch die nie auszuschließenden Rügen und anschließenden Nachprüfungsverfahren wäre der ÖPNV auf unabsehbare Zeit

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auf mindestens zwölf Linien gesperrt gewesen. Die Grundversorgung der Allgemeinheit mit dem ÖPNV wäre auf diesen Linien vollständig aufgehoben worden. Nach Auffassung der Vergabekammer hätte die VST von Anfang an ein Verhandlungsver-fahren mit Teilnahmewettbewerb unter Einhaltung der grundsätzlich verkürzbaren Teilnahme- und Angebotsfristen des § 15 Absätze 2 und 3 SektVO initiieren können, um eine Neuver-gabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen vorzubereiten. Vermutlich wäre es zu geringen zeitlichen Verzögerungen gekommen, die aber keine besondere Dringlichkeit im Sinne des § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO begründen. Dies gilt umso mehr, als sich die VST nach der Rüge des AST vom 12.12.2016 dazu entschlossen hat, die Busver-kehrsleistungen erst zum 01.03.2017 zu vergeben. Die VST konnte die Übergangszeit bis zu einem ordnungsgemäßen Abschluss eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbe-werb durch Interimsvergaben überbrücken, was sie auch tatsächlich im ersten Quartal 2017 getan hat. Sie hätte auch (einstweilig) die Vertragsbeziehungen mit Herrn xxx fortsetzen können, da Grund zu der Annahme besteht, dass diese noch andauern. Die aufgrund von Rügen und Nachprüfungsverfahren eintretende Dringlichkeit war für die VST vorhersehbar und durch eine großzügigere Zeitplanung vermeidbar. Die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO sind daher auch insofern nicht gerechtfertigt (vgl. zu alledem oben). (15) Die VST trägt vor, die Gesellschafterversammlung müsse kraft Gesellschaftsvertrag über die Neuvergabe beschließen. Es seien mindestens zwei Wochen Ladungsfrist einzuhalten. Den Bietern müsse ausreichend Zeit verbleiben, entsprechende Kalkulationen vorzunehmen und Angebote abzugeben. Ein vorgeschalteter Teilnahmewettbewerb scheide daher aus. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch diese Umstände für die VST ohne weiteres vorher-sehbar waren und bei der Planung unter Berücksichtigung der allgemeinen Sorgfaltspflicht berücksichtigt werden mussten. Die VST hat die Möglichkeit gehabt, Interimsvergaben durch-zuführen, was sie auch tatsächlich im ersten Quartal 2017 getan hat. Sie hätte auch (einst-weilig) die Vertragsbeziehungen mit Herrn xxx fortsetzen können, da Grund zu der Annahme besteht, dass diese noch andauern. Die VST hätte dann parallel ein ordnungsgemäßes Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchführen können. Der Vortrag der VST rechtfertigt auch insofern nicht die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und ein Absehen von einem Teilnahmewettbewerb nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO. ff) Wie bereits oben schon angeklungen, stehen die von der VST geltend gemachten Dringlich-keitsgründe auch nicht im Zusammenhang mit Ereignissen, die sie nicht voraussehen konnte. Grundsätzlich sind an die Unvorhersehbarkeit hohe Anforderungen zu stellen. Vorhersehbar sind alle Umstände, die bei einer sorgfältigen Risikoabwägung unter Berücksichtigung der aktuellen Situation und deren möglicher Fortentwicklung nach allgemeiner Lebenserfahrung eintreten können (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 14 Absatz 4 Nr. 3 VgV Kulartz/ Kus/Marx/Portz/Prieß, a.a.O., § 14, Rdn. 58). Nach Ziffer I., zu 1., des Rundschreibens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 09.01.2015 kann ein Ereignis nur dann unvorhersehbar sein, wenn die eingetretenen Umstände nichts mit dem üblichen wirtschaftlichen oder sozialen Leben zu tun haben. Maß-stab für die Existenz eines unvorhersehbaren Ereignisses sei der objektive Maßstab der Sorgfaltspflicht. Nur Umstände, mit denen bei der Planung unter Berücksichtigung der allge-meinen Sorgfaltspflicht nicht gerechnet werden konnte, seien erfasst. Die VST stellte zur Begründung der besonderen Dringlichkeit vor allem darauf ab, dass

die Staatsanwaltschaft xxx im Oktober 2016 gegen Herrn xxx und den ehemaligen Geschäftsführer der VST, Herrn xxx, Ermittlungen aufgenommen habe und die VST daraufhin ein Rechtsgutachten der Rechtsanwälte xxx & xxx in Auftrag gegeben habe, in dessen Ergebnis die Auffassung vertreten werde, dass für 2017 jedenfalls kein Vertrag mehr mit Herrn xxx bestehe und darüber hinaus auch ausreichend Kündigungsgründe vorlägen, der Aufsichtsrat habe danach die Auffassung vertreten,

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aufgrund des hohen Risikos für die VST und der Konfliktsituation mit Herrn xxx sollten die Busverkehrsleistungen anderweitig vergeben werden,

die bis in den November 2016 reichenden Versuche der VST bezüglich einer Einigung mit Herrn xxx in der Vergütungsfrage seien allein an der mangelnden Kompromissbereitschaft von Herrn xxx gescheitert und deshalb sei eine kurzfristige Beendigung der Beziehungen mit Herrn xxx sowie eine kurzfristige Neuvergabe der bislang von ihm erbrachten Busverkehrsleistungen im Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst uneingeschränkten Aufrechterhaltung des ÖPNV notwendig geworden.

Dem Vortrag der VST ist im vorliegenden Zusammenhang entgegenzuhalten, dass die VST die Strafanzeige erstattet hat. Dass die Staatsanwaltschaft xxx daraufhin Ermittlungen aufgenommen hat, stellt sich ohne weiteres als ein vorhersehbarer Geschehensab-lauf/Ereignis dar. Auch hat die VST das Rechtsgutachten der Rechtsanwälte xxx & xxx vom 24.10.2016 in Auftrag gegeben. Die daraufhin erfolgten gutachterlichen Feststellungen der Rechtsanwälte xxx & xxx sowie die daraus gezogene Schlussfolgerung in der Sphäre der VST, dass zum Beginn des Jahres 2017 eine Neuvergabe der bislang von Herrn xxx erbrachten Busverkehrsleistungen an andere Busverkehrsunternehmen erfolgen müsse, stellt sich ebenfalls ohne weiteres als ein vorhersehbarer Geschehensablauf/Ereignis dar. Die mittlerweile vor allem gerichtlichen Verhandlungen der VST mit Herrn xxx in der Vergütungsfrage für die Jahre 2014 bis 2016 haben bislang zu keinem Ergebnis geführt. Die VST musste für 2017 in vorhersehbarer Weise damit rechnen, dass sich die Verhandlungen auch in der Vergütungsfrage für 2017 kompliziert gestalten würden. Insofern kann ebenfalls nicht von einem unvorhersehbaren Geschehensablauf/Ereignis gesprochen werden. Auch die anderen zur Begründung der besonderen Dringlichkeit im Sinne von § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO angeführten Umstände waren der VST allesamt bekannt; insofern kann nicht von Umständen/Ereignissen gesprochen werden, mit denen bei der Planung nach allge-meiner Lebenserfahrung und unter Berücksichtigung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nicht gerechnet werden konnte. Nach alledem geht die Vergabekammer nicht davon aus, dass eine besondere Dringlichkeit bestanden hat, die der VST nach § 13 Absatz 2 Nr. 4 SektVO erlaubt hat, ein Verhandlungs-verfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchzuführen. Die VST war vielmehr verpflichtet, ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb unter Einhaltung der dafür geltenden Teil-nahme- und Angebotsfristen nach § 15 Absätze 2 und 3 SektVO durchzuführen. Folglich hat die VST mit ihrer Entscheidung für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bereits eine falsche Vergabeart gewählt. b) Die VST hat gegen ihre Verpflichtung zur Auftragsbekanntmachung nach § 35 Absätze 1 Satz 1, 2 und 3 SektVO verstoßen. Nach diesen Vorschriften ist der Sektorenauftraggeber grundsätzlich zur europaweiten Auf-tragsbekanntmachung verpflichtet. Nach §§ 35 Absatz 1 Satz 2, 13 Absatz 2 Sekt VO besteht in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb keine Pflicht zur Bekannt-machung, da der Auftraggeber in diesem Fall die ausgewählten Unternehmen direkt an-spricht und zur Angebotsabgabe auffordert. Vorliegend war ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb geboten. Die Voraus-setzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb haben nicht vorge-legen, so dass auch die Auftragsbekanntmachung nicht entbehrlich war. Die VST hat mithin gegen ihre Verpflichtung zur Auftragsbekanntmachung verstoßen.

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c) Der vom AST ausdrücklich gerügte Verstoß gegen § 6 SektVO liegt nicht vor. Zum einen erstreckt sich der persönliche Anwendungsbereich von § 6 SektVO ausschließlich auf natürliche Personen, nicht aber auf juristische Personen wie zum Beispiel GmbH oder OHG (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 6 VgV Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Ver-gaberecht, 5. Aufl., 2016, § 6 VgV, Rdn. 9; zu § 16 VgV a.F. VK Schleswig-Holstein, Be-schluss vom 28.07.2006, Az.: VK-SH 18/06), so dass mit Blick auf die rechtliche Einstufung der einzig bietenden BEI als Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegend der persönliche An-wendungsbereich von § 6 SektVO nicht eröffnet ist. Zum anderen verbietet die Vorschrift als Rechtsfolge lediglich eine Mitwirkung der von den Interessenkonflikten befangenen Personen auf Seiten des Auftraggebers. Vorliegend ist das Verhandlungsverfahren auf Seiten der VST durch deren Geschäftsführung geführt worden. Die Vergabekammer kann eine Mitwirkung der BEI oder auch nur eines ihrer Gesellschafter, die zugleich Gesellschafter und Aufsichts-ratsmitglieder der VST sind, am Verhandlungsverfahren auf Seiten der VST nicht feststellen. Der vom AST intendierte Ausschluss der BEI und ihrer Gesellschafter als Bieter in dem Ver-handlungsverfahren kann zudem nicht auf § 6 VgV, sondern allenfalls auf § 124 Absatz 1 Nr. 5 GWB gestützt werden (vgl. auch zur gleichlautenden Vorschrift des § 6 VgV Kulartz/Kus/ Marx/Portz/Prieß, a.a.O., § 6, Rdn. 10 ff; Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, a.a.O., § 6, Rdn. 4). Die Vergabekammer hat vorliegend mit Blick auf die ihr obliegende Verpflichtung zur bloß eingeschränkten Amtsermittlung nach § 163 Absatz 1 Sätze 2 und 3 GWB und die bereits oben festgestellten Vergaberechtsverstöße insofern von einer weiteren Prüfung abgesehen. d) Die VST hat durch das unzulässige Absehen von einem Teilnahmewettbewerb und von einer Auftragsbekanntmachung gemäß § 97 Absätze 1 und 6 GWB gegen den Wettbewerb ver-stoßen und den Anspruch des AST darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabever-fahren eingehalten werden, verletzt. e) Gemäß § 168 Absatz 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Diese Vorschrift räumt der Vergabekammer einen weiten Entscheidungsspiel-raum ein, der nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Schranken findet. Die Vergabekammer ist gemäß § 168 Absatz 1 Satz 2 GWB an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die gewählte Maßnahme muss sich eignen, die Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Sie soll gleichzeitig das mildeste der geeigneten Mittel hierfür sein. Vorliegend hat die Vergabekammer festgestellt, dass die VST in unzulässiger Weise ein Ver-handlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt und die gebotene europaweite Auftragsbekanntmachung unterlassen hat. Die in Ziffer 2. des Tenors erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens ist daher erforderlich gewesen, um die Verletzung des AST in seinen Rechten auf Beachtung des Wettbewerbsgrundsatzes und der Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren zu beseitigen. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das einzige Mittel, um die gegenüber dem AST eingetretenen Rechtsverletzungen sicher zu be-seitigen. Sie ist damit nicht unverhältnismäßig. Falls die VST an ihrer Vergabeabsicht fest-hält, ist sie zur Wiederholung des Vergabeverfahrens unter Berücksichtigung der Rechtsauf-fassung der Vergabekammer verpflichtet. 3. Kostenentscheidung Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB. Die VST hat gemäß § 182 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 GWB die Kosten des Ver-fahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des AST zu tragen, da sie in dem Verfahren unterlegen ist.

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Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war gemäß § 182 Absatz 4 Satz 4 GWB in Ver-bindung mit § 80 Absätze 2 und 3 Satz 2 ThürVwVfG für notwendig zu erklären. Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es dem AST nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Vorliegend sind vor allem das Verfahrensrecht eines Nachprüfungsverfahrens und die Recht-mäßigkeit der gewählten Vergabeart von Bedeutung gewesen. Aufgrund der komplexen Rechtsmaterie in diesen Bereichen und des enormen Zeitdrucks ist eine gezielte juristische Vertretung des AST erforderlich gewesen. Die BEI trägt ihre Aufwendungen selbst. Die BEI hat weder Anträge gestellt noch hat sie sich auch sonst aktiv am Nachprüfungsver-fahren beteiligt, so dass es gemäß § 182 Absatz 4 Satz 2 GWB nicht der Billigkeit entspricht, etwaige Aufwendungen der BEI der unterlegenen VST aufzuerlegen. Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Absatz 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500,00 Euro und 50.000,00 Euro, der aus Gründen der Billig-keit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag von 100.000,00 Euro erhöht werden kann. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Ver-gabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird ausgehend von der bereits mit Schreiben der VST vom 09.01.2017 (Gz.: 11-6/2017-L/ke) veranschlagten Höhe des Wertes des Vergabegegen-standes von ca. xxx Mio. Euro (Vertragslaufzeit 01.03.2017 bis 30.06.2019) sowie der Ge-bührentabelle der Vergabekammer (Stand: 01.01.2010) in der Hauptsache auf zunächst xxx Euro festgesetzt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die VST mit ihrem Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung vom 26.01.2017 erfolglos gewesen ist. Sie hat folglich auch die im Gestattungsverfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten und die notwendigen Aufwendungen des AST zu tragen. Die Vergabekammer hat über die Kosten des Gestattungsantrages mit der Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden (vgl. auch Ziffer 2. des Tenors des ablehnenden Gestattungsbeschlusses der Vergabekammer vom 08.02.2017). Die Vergabekammer trägt dem ihr in dem Gestattungsverfahren zusätzlich ent-standenen personellen Aufwand dadurch Rechnung, indem sie die für das Hauptsachver-fahren errechnete Gebühr nochmals um xxx Euro erhöht und mithin eine einheitliche Gebühr in Höhe von xxxx Euro festsetzt (vgl. zu alledem auch Kulartz/Kus/Portz/Prieß; Kommentar zum GWB-Vergaberecht, a.a.O., § 169, Rdn. 19, § 182, Rdn. 23; Heiermann/ Zeiss/Summa, jurisPK, a.a.O, § 182 GWB, Rdn. 68). Zu erstattende Auslagen der Vergabe-kammer sind nicht angefallen. Die VST wird aufgefordert, den Betrag von xxxx Euro bis zum 13.04.2017 (Fälligkeit) unter Angabe der Posten-Nr.: xxxx an die nachfolgend genannte Bankverbindung zu überweisen:

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Empfänger X

Kreditinstitut: X

IBAN: X

SWIFT-Adresse (BIC): X Hinweis: Der AST hat für die Durchführung des Verfahrens bereits einen entsprechenden Kosten-vorschuss in Höhe der Mindestgebühr von xxxx Euro gezahlt. Mit Blick auf den Erfolg seines Nachprüfungsantrages ist ihm dieser Betrag nach Eintritt der Bestandskraft dieser Entscheidung zu erstatten. Der AST wird daher um die Mitteilung der Bankverbindung gebeten, auf welche die Erstattung dann erfolgen soll. Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt (§ 128 Abs. 4 Satz 5 GWB).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer beim Thüringer Oberlandesgericht, Rathenaustraße 13, 07745 Jena einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerde-begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung der Vergabekammer beantragt wird, und Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unter-schrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die sofortige Beschwerde hat gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer auf-schiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Be-schwerdefrist.

Scheid Gers Vorsitzender Hauptamtlicher Beisitzer

Siegel