verbrechen der wehrmacht – der...

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Ende und Nachwirkungen der Prozesse English Version 41 Die Opfer: Kriegsgefangene, Zivilpersonen, jüdische Bevölkerung und Roma in Polen und der Sowjetunion Der letzte Kriegsverbrecherprozess in Deutschland begann kurz vor den ersten Bundestagswahlen im August 1949 und stand ganz im Zeichen des Kalten Krieges: Das Verfahren gegen Generalfeld- marschall Erich von Manstein sollte dessen Auslie- ferung an Polen oder die Sowjetunion verhindern. Gleichwohl musste das britische Kabinett den Prozess gegen eine starke Opposition im eigenen Land durchsetzen, die eine Strafverfolgung aus Rück- sicht auf Deutschland als Bündnispartner gegen „den Bolschewismus“ aussetzen wollte. Die Anklage warf Manstein Kriegsverbrechen in Polen und in der Sowjetunion in 17 Fällen vor. Als Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Süd hatte er am Überfall auf Polen teilgenommen. Im September 1941 war er zum Oberbefehlshaber der auf der Krim eingesetzten 11. Armee ernannt worden und hatte 1943/44 in der Sowjetunion die Heeresgruppe Süd befehligt. Laut Anklage hatte er dort die Erschießung von Kriegsgefangenen, Geiselerschießungen von Zivilpersonen, Massen- morde an Juden und „Zigeunern“ sowie die Deportation von Zivilisten zur Sklavenarbeit teils angeordnet, teils zugelassen. Manstein wurde in neun der Anklagepunkte schuldig gesprochen. Seine Verurteilung zu 18 Jahren Haft wurde bald auf 12 Jahre herab- gesetzt. 1952 erhielt er Haftverschonung. Verbrechen der Wehrmacht – Der Manstein-Prozess Erich von Manstein (rechts) zu Prozess- beginn in der Box des Angeklagten im Hamburger Curiohaus, umringt von Pres- sefotografen, vorn zwei seiner Verteidiger, 23. August 1949 Foto: Bruggemann (picture Alliance/AP Images, #66592881) Manstein beauftragte vier prominente britische und deutsche Rechtsanwälte mit seiner Verteidigung: den britischen Labour-Abgeordneten Reginald Paget, Samuel Silkin, Jude und Sohn eines Ministers der Labour-Regierung, den langjährigen Verteidiger deutscher Generäle, Hans Laternser (im Foto rechts) und den CDU-Bundestagsab- geordneten Paul Leverkühn (links). Mannstein-Prozess Erich von Manstein 18 Jahre Haft Karikatur des sowjetischen Künstler- kollektivs Kukryniksy: Manstein auf Churchills Armen, 1952 (Nachdruck in: Deutschlands Stimme, 1. Januar 1953; Universitätsbibliothek Leipzig, Z.Fol.119) Angesichts der Spannungen im Kalten Krieg plante die NATO eine Wiederbewaffnung der Bundes republik. In Deutschland wie in Großbritannien warben Kampagnen für ein Ende der „Kriegsverbrecher- frage“. Auch der britische Premier- minister Winston Churchill setzte sich für eine Freilassung verur teilter Wehrmachtsgeneräle ein. Dies deutet die Karikatur mittels des übergroßen Stahlhelms als Auferstehung der deutschen Wehrmacht. Adolf Hitler (links) beglückwünscht Erich von Manstein (Mitte) bei einem Truppen- besuch in der Ukraine zu dessen erfolgreicher Offensive bei Charkow, 10. März 1943 (Bundesarchiv, Bild 146-1995-041-23A) Hitler schätzte Fritz Erich von Lewinski, nach seinen Adoptiveltern von Manstein genannt, lange als guten Strategen. An- fang 1944 kam es jedoch zum Zerwürfnis über das militärische Vorgehen. Manstein wurde aus dem aktiven Dienst in die „Führerreserve“ versetzt. Dennoch blieb er Hitler gegenüber loyal und lehnte Ver- suche des militärischen Widerstandes ab, ihn für einen Staatsstreich zu gewinnen. Festlicher Umzug in Allmendingen bei Ulm anlässlich der Haftentlassung Erich von Mansteins (Bildmitte, rechts neben seiner Ehefrau mit Tulpenstrauß), 7. Mai 1953 (ap/dpa/picture alliance/Süddeutsche Zeitung Photo, ID 00125270) Während der Haft im Kriegsverbrecher - gefängnis Werl genoss Manstein, wie auch andere verurteilte Generäle, zahl- reiche Privilegien. Er arbeitete an seinen Memoiren, deren erster Band „Verlo- rene Siege“ die Legende von der „sau- beren Wehrmacht“ bestärkte. Am Tag seiner offiziellen Haftentlassung rich- tete die Gemeinde Allmendingen, in der Manstein mit seiner Familie lebte, einen großen Festakt aus. Kinder er - hielten schulfrei, der Bürgermeister und die Dorfkapelle geleiteten Manstein zu einem Empfang im Rathaus. Erich von Manstein (rechts) und Bundesverteidigungsminister Franz- Josef Strauß beim Bundestreffen des Verbands deutscher Soldaten, 25. März 1957 (Bundesarchiv, Bild 183-45526-0001) Als Berater der Bundesregierung für den Aufbau der Bundeswehr nahm Manstein in den 1950er Jahren Einfluss auf die Organisation des bundesdeutschen Heeres. Er starb 1973. Manstein wurde mit militärischen Ehren beigesetzt, der Generalinspekteur der Bundeswehr sprach Abschiedsworte.

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Page 1: Verbrechen der Wehrmacht – Der Manstein-Prozessmedia.offenes-archiv.de/Rathausausstellung_2017_Curio_41.pdf · 2017-01-02 · Manstein wurde in neun der Anklagepunkte schuldig gesprochen

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Ende und Nachwirkungen der Prozesse

English Version

41

Die Opfer:

Kriegsgefangene, Zivilpersonen, jüdische Bevölkerung und Roma in Polen und der Sowjetunion

Der letzte Kriegsverbrecherprozess in Deutschland begann kurz vor den ersten Bundestagswahlen im August 1949 und stand ganz im Zeichen des Kalten Krieges: Das Verfahren gegen Generalfeld­marschall Erich von Manstein sollte dessen Auslie­ferung an Polen oder die Sowjetunion verhindern. Gleichwohl musste das britische Kabinett den Prozess gegen eine starke Opposition im eigenen Land durchsetzen, die eine Strafverfolgung aus Rück­sicht auf Deutschland als Bündnispartner gegen „den Bolschewismus“ aussetzen wollte.

Die Anklage warf Manstein Kriegsverbrechen in Polen und in der Sowjetunion in 17 Fällen vor. Als Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Süd hatte er am Überfall auf Polen teilgenommen. Im September 1941 war er zum Oberbefehlshaber der auf der Krim eingesetzten 11. Armee ernannt worden und hatte 1943/44 in der Sowjetunion die Heeresgruppe Süd befehligt. Laut Anklage hatte er dort die Erschießung von Kriegsgefangenen, Geiselerschießungen von Zivilpersonen, Massen­morde an Juden und „Zigeunern“ sowie die Deportation von Zivilisten zur Sklaven arbeit teils angeordnet, teils zugelassen.

Manstein wurde in neun der Anklagepunkte schuldig gesprochen. Seine Verurteilung zu 18 Jahren Haft wurde bald auf 12 Jahre herab­gesetzt. 1952 erhielt er Haftverschonung.

Verbrechen der Wehrmacht – Der Manstein-Prozess

Erich von Manstein (rechts) zu Prozess-beginn in der Box des Angeklagten im Hamburger Curiohaus, umringt von Pres-sefotografen, vorn zwei seiner Verteidiger, 23. August 1949Foto: Bruggemann (picture Alliance/AP Images, #66592881)

Manstein beauftragte vier prominente britische und deutsche Rechtsanwälte mit seiner Verteidigung: den britischen Labour­Abgeordneten Reginald Paget, Samuel Silkin, Jude und Sohn eines Ministers der Labour­Regierung, den langjährigen Verteidiger deutscher Generäle, Hans Laternser (im Foto rechts) und den CDU­Bundestagsab­geordneten Paul Leverkühn (links).

Mannstein-ProzessErich von Manstein 18 Jahre Haft

Karikatur des sowjetischen Künstler-kollektivs Kukryniksy: Manstein auf Churchills Armen, 1952(Nachdruck in: Deutschlands Stimme, 1. Januar 1953; Universitätsbibliothek Leipzig, Z.Fol.119)

Angesichts der Spannungen im Kalten Krieg plante die NATO eine Wiederbewaffnung der Bundes­republik. In Deutschland wie in Groß britannien warben Kampagnen für ein Ende der „Kriegsverbrecher­frage“. Auch der britische Premier­minister Winston Churchill setzte sich für eine Freilassung verur­teilter Wehrmachtsgeneräle ein. Dies deutet die Karikatur mittels des übergroßen Stahlhelms als Auf erstehung der deutschen Wehrmacht.

Adolf Hitler (links) beglückwünscht Erich von Manstein (Mitte) bei einem Truppen-besuch in der Ukraine zu dessen erfolgreicher Offensive bei Charkow, 10. März 1943(Bundesarchiv, Bild 146-1995-041-23A)

Hitler schätzte Fritz Erich von Lewinski, nach seinen Adoptiveltern von Manstein genannt, lange als guten Strategen. An­fang 1944 kam es jedoch zum Zerwürfnis über das militärische Vorgehen. Manstein wurde aus dem aktiven Dienst in die „Führerreserve“ versetzt. Dennoch blieb er Hitler gegenüber loyal und lehnte Ver­suche des militärischen Widerstandes ab, ihn für einen Staatsstreich zu gewinnen.

Festlicher Umzug in Allmendingen bei Ulm anlässlich der Haftentlassung Erich von Mansteins (Bildmitte, rechts neben seiner Ehefrau mit Tulpenstrauß), 7. Mai 1953(ap/dpa/picture alliance/Süddeutsche Zeitung Photo, ID 00125270)

Während der Haft im Kriegsverbrecher­gefängnis Werl genoss Manstein, wie auch andere verurteilte Generäle, zahl­reiche Privilegien. Er arbeitete an seinen Memoiren, deren erster Band „Verlo­rene Siege“ die Legende von der „sau­beren Wehrmacht“ bestärkte. Am Tag seiner offiziellen Haftentlassung rich­tete die Gemeinde Allmendingen, in der Manstein mit seiner Familie lebte, einen großen Festakt aus. Kinder er­hielten schulfrei, der Bürgermeister und die Dorfkapelle geleiteten Manstein zu einem Empfang im Rathaus.

Erich von Manstein (rechts) und Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß beim Bundestreffen des Verbands deutscher Soldaten, 25. März 1957(Bundesarchiv, Bild 183-45526-0001)

Als Berater der Bundesregierung für den Aufbau der Bundeswehr nahm Manstein in den 1950er­Jahren Einfluss auf die Organisation des bundesdeutschen Heeres. Er starb 1973. Manstein wurde mit militärischen Ehren beigesetzt, der Generalinspekteur der Bundes wehr sprach Abschiedsworte.