verbrauchsbesteuerung und kaufkraftschwund ein beitrag zur deutschen steuerpolitik in der krise

34
Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise Author(s): Herbert Gross Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 1, H. 2 (1932), pp. 241-273 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907291 . Accessed: 15/06/2014 23:58 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Upload: herbert-gross

Post on 15-Jan-2017

212 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in derKriseAuthor(s): Herbert GrossSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 1, H. 2 (1932), pp. 241-273Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907291 .

Accessed: 15/06/2014 23:58

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toFinanzArchiv / Public Finance Analysis.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

von

Herbert Gross (Mit 3 Abbildungen).

1. Die Problemstellung: Preisanpassung und Steuersatz. Die Absatzlage eines verbrauchsbesteuerten Industriezweiges er-

fährt in Zeiten konjunkturellen Kaufkraftrückganges eine besondere Problematik durch die Tatsache, daß die zur Anpassung an den Kauf- kraftschwund erforderliche Preissenkung nicht nur durch die Ge- staltung der Produktionskosten, sondern zugleich durch die Steuer- politik des Fiskus bestimmt ist. Eine eindeutige Aussage über die Höhe des Steuersatzes in der Depression ist allerdings nicht möglich, solange der für den Finanzertrag optimale Steuersatz noch nicht in Geltung ist; solange der Steuersatz noch gesteigert und der Anteil des pro- duktionswirtschaftlichen und des fiskalischen Ertrages am Gesamt- erlöse noch verschoben werden kann, hängt die tatsächliche Bemessung des Steuersatzes von rein finanz politischen Entscheidungen ab. Erst nach Verwirklichung des fiskalisch optimalen Steuersatzes und unter der Annahme, daß der Staat bei jeder neuen Markt situation dieses fiskalische Optimum sich dauernd zu sichern bemüht ist, läßt sich eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem neuen Steuer- satz bei veränderter Marktsituation geben. Denn die Neufindung des optimalen Steuersatzes wäre Voraussetzung dafür, daß der vor der Marktveränderung erreichte Ausgleich zwischen dem produktions- wirtschaftlichen und dem fiskalischen Interesse wiederhergestellt wird. Die nachstehenden Ausführungen stehen also unter der Fragestellung, wie weit durch einen konjunkturell bedingten Kaufkraftausfall die Notwendigkeit zur Korrektur des zuvor optimalen Steuersatzes ent- steht, und in welchem Umfange sich bei verschiedener Marktsituation

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

242 Herbert Gross

und bei verschiedener fiskalischer Belastung das Interesse an der Kor- rektur des Steuersatzes auf Produzenten und Staat verteilt.

Die Formen des Kaufkraftschwundes. Der konjunkturelle Kaufkraftschwund, der die Markt situation

verändert, kann durch zwei Ursachen bedingt sein, die für die Ver- änderung der Nachfrage- und der Kostenkurve wesentlich verschieden sind: durch einen Ausfall von Produktionsfaktoren aus dem Produk- tionsprozeß, d. h. durch eine echte Einkommenschrump- fung, oder durch eine Einkommensdeflation. Beide Formen des Kaufkraftschwundes wirken in der Depression zusammen und lassen sich isoliert in der einfachsten Form, d. h. unter der Vor- aussetzung, daß sich die Schichtung der Einkommenspyramide und der Bedürfnisintensitäten nicht ändert, so darstellen:

Einkommens Schrumpfung ist dann gegeben, wenn durch einen allgemeinen Produktionsrückgang ein gleichmäßiger Ausfall von Produktivkräften aus dem Markt erfolgt. Ein Eückgang der Pro- duktion in Höhe von 10% z. B. müßte sich bei rationaler Einkommens- bildung (die vor allem nicht durch rechtliche Bindungen wie Zinsen, Vertragsgehälter usw. einseitig verschoben wird) so vollziehen, daß die Zahl der Einkommensbezieher in jeder Einkommensstufe um 10% reduziert wird. Damit würde sich die Nachfrage gleichmäßig um 10% verringern, d.h. graphisch: die Nachfragekurve nach den ein- zelnen verbrauchsbesteuerten Produkten würde sich zur Ordinaten- axe hin verschieben, und zwar in jeder Einkommensschicht um 10% des zuvor bestehenden Umfanges. Eine Eeduktion der Kostenkurve ließe sich aus dieser Form der Einkommensschrumpfung nicht dedu- zieren; aber auch der Steuersatz braucht in diesem Falle keine Ver- änderung zu erfahren, da der Ertrag nur absolut zurückgeht, aber keine Verschiebungen in der Bedürfnis- oder Einkommensschichtung eintreten, die den optimalen Steuersatz verändern. Dieser Idealfall der gleichmäßigen Produktions- und Kaufkraftschrumpfung würde also die produktions- und fiskalwirtschaftliche Interessensphäre unbe- rührt lassen. Beide Sphären nehmen am absoluten Eückgang der Er-

träge im Verhältnis ihres früheren Anteils am Gesamtertrage teil. Aktive Verschiebungen beider Sphären infolge der Aufrechterhaltung des alten Steuersatzes treten nicht ein, da dieser nach wie vor optimal bleibt.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 243

Einkommens deflation liegt dann vor, wenn im Gefolge einer allgemeinen Geldwert Steigerung das Preisniveau des Landes sinkt. Bei rationaler Einkommensbildung müßte sich auch hier die Eeduk- tion des Nominaleinkommens gleichmäßig vollziehen, ohne daß die Schichtung von Einkommen und Bedürfnissen geändert wird. Für die Steuerpolitik ergibt sich hier als zusätzlicher Tatbestand, daß neben der Nachfrage auch die Kostenkurve sinken muß, und zwar im Um- fang der Deflation. Zur Herstellung des neuen, den optimalen Steuerertrag sichernden Preises müssen also Produktionskosten und Steuersatz gleichmäßig im Umfange der Geldwertsteigerung sinken. Für die Finanzpolitik entsteht hier also der Zwang, nicht nur den Steuersatz zu ändern; soweit es sich um einen prozentualen Steuersatz, dessen Bemessungsgrundlage z. B. der Kleinverkaufspreis ist, handelt, liegt in der Natur dieses Steuersatzes bereits die Voraussetzung er- füllt, daß der Staat seinen Beitrag zur Anpassung des Verkaufspreises an das verringerte Nominaleinkommen leistet. Ist die Steuer prozentual zum Preise bemessen, so beschränkt sich das praktische Problem der Preissenkungspolitik auf die Kostensenkung, die von den Produzenten zu leisten ist. Dabei wird in der Eegel die Mitwirkung des Staates im Interesse einer beschleunigten Anpassung des Preises an den Kauf- kraftschwund nicht zu umgehen sein. Eine aktive Änderung des Steuersatzes ist dagegen stets dann notwendig, wenn der Steuersatz in einem absoluten Geldbetrag je Verbrauchseinheit ausgedrückt ist. Als Beispiel für derartige der Preissenkung nicht automatisch folgende Steuern kann die Besteuerung des Materialgewichts dienen, wie sie z. B. in der deutschen Tabakwirtschaft verwirklicht ist. In gleicher Eichtung entstehen bei der deutschen Bier- und Branntweinsteuer Probleme einer aktiven Senkung der Steuersätze, da auch hier die Steuersätze in absoluten Geldgrößen ausgedrückt werden. Die Auf- rechterhaltung absoluter Steuersätze unter gleichzeitig wirksamer Einkommensdeflation bedeutet praktisch eine Steuererhöhung und verschiebt infolgedessen den fiskalischen und den produktionswirt- schaftlichen Anteil am Gesamtertrage. Gleichzeitig muß sich diese relative Erhöhung des Steuersatzes für Produzenten und Fiskus un- günstig auswirken, wenn der bislang in Geltung gewesene Steuersatz bereits optimal war.

Die konkrete Einkommenssituation der deutschen Volkswirt- schaft seit 1931 erschöpft sich jedoch noch nicht in den beiden ge- nannten Formen des Kaufkraftschwundes. Mit der Einkommens-

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 5: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

244 Herbert Gross

Schrumpfung und der Einkommensdeflation verbindet sich eine Ein- kommens Verschiebung, die eine Änderung der Nachfrage- struktur zur Folge hat. Eine derartige zusätzliche Verschiebung der Einkommensschichtung geht vor allem von der Notwendigkeit aus, steigende Teile des Volkseinkommens auf die beschäftigungslosen Volksgenossen zu übertragen. Die Wirkung dieser relativ steigenden Einkommensübertragung wird, soweit es sich um eine Besteuerung der arbeitenden Masse handelt, vor allem eine Einschränkung der Nachfrage nach Produkten des Massenluxuskonsums zur Folge haben, und zwar über den Umfang hinaus, der dem Eückgang der Ein- kommen entspricht *).

Damit entstehen für den Staat gegenüber der Verbrauchsbe- steuerung insgesamt drei Krisenprobleme, deren Lösung die Voraus- setzung für die Innehaltung des fiskalischen Optimalertrages darstellt :

1. Die Anpassung der nicht in Wertprozenten ausgedrückten Steuersätze an den durch Geldwertsteigerung bedingten Kaufkraft- schwund.

2. Förderung der zur Anpassung des Preises an den deflatio- nistisch bedingten Kaufkraftschwund notwendigen Kostensenkung.

3. Anpassung des Steuersatzes an die Verringerung der Nachfrage, die durch die steigende Einkommensübertragung zugunsten der Ar- beitslosen bedingt ist.

Das erste Problem ist bedingt durch die gegebene Steuer- technik und ist um so schwerwiegender, je geringer die konjunkturelle Anpassungsfähigkeit eines Steuersystems ist.

Das zweite Problem hängt wesentlich von der Kostenan- passungsfähigkeit der Produktion ab, und besteht für den Staat in der Auslösung eines gewissen Preisdrucks auf die verbrauchsbesteuerte Industrie.

Das dritte Problem ist das eigentlich entscheidende, da es sich hier um eine veränderte Marktsituation handelt. Die Form, in der dieses Problem zu lösen sein wird, ist mit der Lösung des ersten Problems identisch. In beiden Fällen gilt es, einen zu hohen Steuer- satz zu beseitigen; der Unterschied besteht nur darin, daß im Fall 1 die Übersteuerung aus der Technik des Steuersatzes und seiner Be-

x) Eine solche Einschränkung läßt sich unter stark vereinfachenden An- nahmen im graphischen Kurvenbild darstellen durch eine Par allei Verschiebung der Nachfragekurve parallel hin zur Ordinate, ohne daß sich daraus gleichzeitig der Zwang zur Senkung der Kostenkurve ergibt.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 6: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 245

messung resultiert, im zweiten Fall dagegen aus einer Strukturver- änderung der Nachfrage- und Marktsituation. Bei der nachfolgenden Herausarbeitung der Hauptfälle der Steuerpolitik in der Depression sollen beide Probleme gleichzeitig durch die Annahme gelöst werden, daß sich bei gleichbleibender Kostenkurve und bei gleichbleibendem absoluten Steuersatz die Nachfragekurve parallel zur Ordinatenaxe hin verschiebt, und es den neuen optimalen Steuersatz zu rechnen gilt.

Die Problemstellung der nachstehenden Ausführungen sei zu- nächst graphisch in dem Schaubild I wiedergegeben. Ausgangspunkt sei der optimale Steuersatz ED, der bei der Nachfrage JV und der Kostenkurve K und einem Ver- kaufspreise AD den fiskalisch optimalen Ertrag im Umfange >SV/t' des Eechtecks EFCD erziele. Bei ' Jn. Eückgang der Nachfrage in der D f |//' ̂ ^rV Depression, die durch eine Paral- " , ' '£ >v lelverschiebung der Nachfrage- y' ' >^ kurve nach N' gekennzeichnet E ^ ^ >. X sei, würde die Aufrechterhaltung . x des alten Steuersatzes ED einen x^y jr Eückgang des Ertrages zur Folge A ' '„ ' , - ¿ ii -, .. o .. i i • ^ B B B ii haben, der -, großer

.. o ware .. als i i bei •

Senkung des Steuersatzes auf ED' . Denn das Eechteck DEHG ist kleiner als das Eechteck EFC'D' , welches entstehen würde, wenn der Steuersatz auf ED' sinken würde 1). Die Aufrechterhaltung des alten Steuersatzes hätte also für Fiskus und Produzent erhebliche Nachteile : für den Fiskus, weil das Eechteck DU CG kleiner ist als das Eecht- eck HF'C'C" , für den Produzenten, weil der Eückgang seines Absatzes bei dem Steuersatz größer ist, als er bei dem Steuersatze ED' sein würde2).

x) Mathematisch ist der neue optimale Steuersatz bei der Nachfrage N' zu finden durch die Verbindung der Punkte C und E. Bei Parallelverschiebung der Nachfragekurve müssen die optimalen Steuersätze immer auf dem jeweiligen Schnittpunkt dieser Diagonale mit den Parallelen liegen.

2) Im Maße, in dem der Kaufkraftschwund mit einem Einkommensdeflations- prozeß verbunden ist, wird die Kostenlinie mitsinken müssen. Wenn infolge mono- polistischer Preisbildungen dieser Anpassungsprozeß nicht erfolgt, so wird es Auf- gabe einer den Fiskus unterstützenden Wirtschaftspolitik sein, die Reduktion der Kostendeflation durchzusetzen. Der oben behandelte Grundfall geht jedoch von einem Besteuerungszustande aus, in dem es sich um eine Über Steuerung über

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 7: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

246 Herbert Gross

Typische Interessenlagen bei der Senkung einzelner Verbrauchsteuern. An der Senkung des Steuersatzes im obigen Grundfall haben Pro-

duzenten und Fiskus ein gemeinsames Interesse. In der konkreten Verbrauchsbesteuerungspolitik sind jedoch Spezialfälle denkbar, in denen die fiskalische Dringlichkeit der Steuersenkung noch nicht genügt, um die Korrektur des Steuersatzes praktisch durchzusetzen. Dennoch kann aber in diesen Fällen das Interesse an der Steuer- senkung bei den Produzenten beträchtlich sein. Der finanz- politisch bedeutsame Unterschied des Grundfalls von diesem zweiten Typus liegt darin, daß das produktionswirtschaftliche Interesse vor- aussichtlich um so eher gewahrt werden wird, wenn es gleichzeitig er- hebliche fiskalische Vorteile aus der Korrektur des Steuersatzes ab- leiten kann. Für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, mit der die Korrektur des Steuersatzes in der konkreten Verbrauchsbesteuerungs- politik tatsächlich erfolgen wird, erscheint es deshalb notwendig, die Hauptfälle unterschiedlicher Interessenlagerung bei einzelnen Ver- brauchssteuerob j ekten darzustellen .

Das produktionswirtschaftliche Interesse wird durch die Ab- weichung des Steuersatzes vom Optimum in der Depression verschieden stark getroffen.

1. Je stärker der Anteil der Produktions- und Vertriebskosten am Gesamterlöse ist. Der Konflikt zwischen fiskalischem und pro- duktionswirtschaftlichem Interesse wird um so größer sein, je kleiner der Anteil des Fiskus am Ertrage überhaupt ist. Obwohl nun die Steuer letztlich die Höhe des Preises bestimmt, muß das fiskalische Interesse an der Senkung des Steuersatzes um so geringer sein, je ge- ringer die Differenz zwischen dem Ertrag des alten und des theore- tisch neuen Optimalsatzes ist x). die Deflation hinaus handelt, also die Anpassung des Preises ausschließlich von der Veränderung des Steuersatzes, auch des prozentualen, abhängt.

*) Hinzu kommt die verschiedene Stoßkraft des produktionswirtschaftlichen Interesses je nach der betrieblichen Struktur des verbrauchsbesteuerten Industrie- zweiges. Die Stoßkraft eines organisierten kleinbetrieblichen Industriezweiges wie der Zigarrenindustrie ist naturgemäß größer als diejenige der Zigarettenindustrie. Die Zigarrensteuer ist zudem fiskalisch weniger bedeutsam als die Zigarettensteuer, so daß die Notwendigkeit einer Änderung des Steuersatzes auf Zigarren viel weniger fiskalisch beweisbar und durchschlagend dargestellt werden kann. Die Zigaretten- industrie, die im Deutschen Reich zu 50% ihres Gesamterlöses fiskalisch belastet ist, hat in dieser starken Beteiligung des Fiskus einen weit stärkeren Bundes- genossen, obwohl sie gegen einen überhöhten Steuersatz viel weniger betriebs-

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 8: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 247

Je geringer die Quote des Fiskus am Gesamterlöse, desto stärker wird von der Höhe des Steuersatzes der produktionswirtschaftliche Ertrag getroffen und desto stärker wird die nachteilige Wirkung der Übersteuerung auf den produktionswirtschaftlichen Sektor mit Hilfe einer organisierten Vertretung der Produzenteninteressen der Wirt- schaftspolitik bewußt gemacht werden müssen. Damit ist für die Be- urteilung der organisierten Interessenvertretung seitens verbrauchs- besteuerter Industriezweige gegenüber dem Staat ein ökonomischer Ansatzpunkt gegeben. Die politische Interessenvertretung wird um so bedeutungsvoller sein, je größer derjenige Teil des Gesamterlöses ist, der dem produktionswirtschaftlichen, und nicht dem fiskalischen Sektor zufließt. Für die deutsche Verbrauchsbesteuerungspolitik läßt sich ein konkretes Paar von Gegenbeispielen nennen: die Übersteue- rung z. B. des Zigarren- und des Eauchtabak gewerbes kann dem Finanzministerium nur durch „ Vorstellungen

" von Produzenten- delegationen, des Weinkonsums durch den Verweis auf die „Not des Wirtschaftszweiges*

* (Winzer) klargemacht werden. In der Ziga-

rettenindustrie dagegen sind wegen des hohen Anteils des Staats am Gesamtertrage in weit stärkerem Maße die Voraus- setzungen dafür gegeben, daß sich der Vertreter der Industrie mit dem Eeferenten im Finanzministerium zusammensetzt und die Solidarität des produktionswirtschaftlichen und des fiskalischen Interesses mit dem Eechenstift deutlichst nachweist.

2. Der zweite Faktor, der die unterschiedliche Interessenlage an der Korrektur des Steuersatzes in der Depression beeinflußt, ist in der Struktur der Nachfrage selbst begründet. Die fiskalische Minderergiebigkeit des alten Steuersatzes in der Depression wird um so offensichtlicher werden, je stärker die Nachfrage auf die Über- steuerung reagiert, d. h. je flacher die Nachfragekurve verläuft. In diesem Falle wird die Gewähr eher dafür gegeben sein, daß Fiskus und Produktion die Solidarität ihrer Interessen an der Korrektur des Steuersatzes erkennen. Dagegen wird die fiskalische Minderergiebig- keit um so geringer deutlich werden, je weniger umfangreicher die Eeaktion der Nachfrage auf die Übersteuerung ist, d. h. je steiler die Nachfrage kurve verläuft. Dennoch kann der Absatzrückgang für die verbrauchsbesteuerte Industrie von Bedeutung sein; die Vertretung ihres Standpunktes wird jedoch schwieriger sein und erst später Er-

soziologische und arbeitsmarktpolitische Argumente vorbringen kann, als die klein- betrieblich und arbeitsintensiv organisierte Zigarrenindustrie.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 9: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

248 Herbert Gross

folg haben, nachdem nämlich der Ertragsrückgang auch beim Fiskus deutlicher geworden ist. Die beiden Fälle seien in den nebenstehenden Schaubildern dargestellt. Bei einer Marktsituation, wie sie im Schau- bild II dargestellt ist, verbindet sich mit der Aufrechterhaltung des alten Steuersatzes BD nicht nur für den Produzenten, sondern auch für den Fiskus ein erheblicher Ertragsrückgang. Dagegen ist die

^ Differenz zwischen den

jr ̂ ^v. f beiden Erträgen im

"' /!/ pv Schaubild III wesent- M ^ v ^s^ lieh geringer. Allerdings

' N. ist auch der Absatzrück-

ß Z tf G ' ^SSS^ gang des Produzenten

|%p M * in diesem Falle geringer, ¿gP und die Gesamt-

¿gp dringlichkeit der WV/ Korrektur des Steuer-

vuuA 'H E- satzes erscheint über- naupt weniger bedeu-

tungsvoll. Diese Konsequenz braucht jedoch nicht immer gezogen zu werden, da auch mit einem relativ geringen Produktionsrückgang eine Produzentenschicht ausgeschaltet werden kann, deren Erhal-

' tung aus wirtschaftspolitischen D '£ - ^/^ Gründen wichtig ist. c ~m ' ' Ist in dem durch Schaubild

' '/V III repräsentierten Falle die ' ' Solidarität des fiskalischen und

¿_ ¿7 q' ' y des produktionswirt schaftlichen ^

' ' Interesses grundsätzlich vorhan-

^ ^ ' ^en un(^ nur ̂ n ^er konkreten ^ • Steuerpolitik dem Fiskus schwe- ^ rer nachweisbar, so fehlt diese

I i I S Solidarität offensichtlich in A KJ H einem d r j 1 1 e n Falle^ der z B annähernd im deutschen Eeichsbranntweinmonopol gegeben ist. Denk- bar ist der Fall, daß die Ermäßigung des Steuersatzes in der De- pression den gleichen Ertrag abwerfen würde wie der alte Steuer- satz. Ein fiskalisches Interesse an der Ermäßigung des Steuersatzes besteht alsdann offensichtlich nicht. Nur daraus wird es zu erklären sein, daß der Verkaufspreis für Trinkbranntwein durch das Eeichs-

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 10: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 249

branntweinmonopol solange auf der Höhe von 600 EM. gehalten wurde. Denn es läßt sich nachrechnen, daß fiskalisch ein Mehrertrag durch eine Senkung des Satzes auf den im März 1932 neu festgesetz- ten Satz kaum eingetreten wäre. Nur der Ertragsrückgang des Trink- branntweinvertriebs und gegebenenfalls der steigende Druck der un- verwertbaren Vorräte des Monopols, also rein produktionswirtschaft- liche Interessen, haben schließlich die Senkung des Steuersatzes not- wendig gemacht. Und auch diese Senkung konnte nur durch eine scharfe Interessenvertretung seitens der privaten Groß- und Klein- händler durchgesetzt werden.

Die Wirkungen der Steuertechnik.

Die Dringlichkeit der Steuerkorrektur in der Depression wird wesentlich bestimmt durch die jeweils angewendete Technik. Auf die geringere Anpassungsfähigkeit der Gewichtsbesteuerung und der fixen Steuersätze wurde bereits hingewiesen. Für die Anpassungsfähigkeit ist weniger entscheidend die Wahl des Steuerobjekts, d. h. etwa die Verlagerung der Steuerpflicht auf die Endprodukte, als die Be- messungsgrundlage. Gerade in der deutschen Verbrauchsbesteuerung seit 1931 wird die Notwendigkeit deutlich, die Besteuerung des Eoh- stoffs, z. B. des Eohtabaks, nach dem Gewicht umzubauen zugunsten einer solchen nach dem Wert. Andernfalls ergeben sich zwangsläufig Korrekturen, wie sie in der deutschen Zigaretten- und Pfeifentabak- besteuerung durchgeführt werden mußten.

Über die Problematik der Anpassung des Steuersatzes an die Kaufkraftsenkung hinaus wird beim Staat in solchen Perioden rück- gängigen Steuerertrages notwendig der Zwang ausgelöst, seinen An- teil am Gesamterlös nach Möglichkeit zu erhöhen, ohne jedoch damit eine für beide Interessensphären unerwünschte Eeduktion des Gesamt- erlöses zu verbinden. Eine solche anteilsmäßige Verschiebung des Er- trages zugunsten des Fiskus ohne Veränderung des Gesamtoptimal- erlöses ist jedoch nur möglich durch einen zwangsmäßigen Eingriff in die Kostengestaltung. Das Wesen des hier betonten Eingriffs in die Kosten besteht darin, über den Umfang eines etwaigen Deflations- prozesses hinaus eine echte Senkung der realen Kosten durchzusetzen. Aus dieser Überlegung stammen die besonders in Depressionszeiten immer wieder auftauchenden Diskussionen um die Überleitung eines bislang verbrauchsbesteuerten Wirtschaftszweiges in ein Finanz- monopol. Allerdings ist in der deutschen Verbrauchssteuerpolitik diese

Finanzarchiv. N. F. 1. Heft 2. 17

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 11: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

250 Herbert Gross

Diskussion um so mehr zurückgetreten, je deutlicher herausgearbeitet wurde, daß eine solche Umbildung der Verbrauchsbesteuerung erst in langer Sicht zusätzliche Erträge wird bringen können und gerade in den ersten Jahren mit erheblichen Überleitungs kosten verbunden sein wird. Statt dessen hat sich aber der Staat in anderer Form auf dem Wege der Produktionskostenreduktion einen anteilsmäßig steigenden Ertrag sichern können: durch die Kürzung z.B. der Verteilungs- rabatte, wie es in der deutschen Zigarettenindustrie geschehen ist. Die Möglichkeiten dieses fiskalischen Auswegs sind natürlich nur durch konkrete Analyse der Ertrags- und Einkommensverhältnisse einzelner verbrauchsbesteuerter Wirtschaftszweige feststellbar.

Die Verbrauchsbesteuerung als Problem des Steuersystems. Über die technischen Probleme der Tarifgestaltung der Ver-

brauchsbesteuerung im einzelnen hinaus darf der Fiskus die Wand- lungen im Steuersystem, d. h. in der Gesamtbelastung der ein- zelnen Einkommensschichten nicht übersehen. Die Korrektur der Steuerbelastung kann auch dadurch notwendig werden, daß den ein- zelnen Steuergruppen, von denen eine bevorzugte Belastung der oberen bzw. der unteren Einkommenschichten ausgeht, Steuern zu- gefügt, oder fortgenommen werden, um die Relationen der Bela- stung, wie sie vor Eintritt der Krise bestanden, wieder herzustel- len. Ganz deutlich wird diese Problematik des Ausgleichs des Steuersystems hinsichtlich des Belastungsdrucks auf die einzelnen Schichten dann, wenn durch Einkommensdeflation und -Schrumpfung die gesamte Einkommenspyramide erheblich komprimiert wird. Als- dann können die Spannungen zwischen den einzelnen Einkommens- schichten noch bestehen bleiben, jedoch kommen die höchsten Steuer- sätze nicht mehr in Geltung, sofern sich die Einkommensdifferenzen innerhalb geringerer absoluter Grenzen abspielen, als im Einkommen- steuertarif ursprünglich vorgesehen wurde. Dann kann eine Verschie- bung der Belastung zuungunsten der unteren Einkommensschichten eintreten, während die oberen der Progression ausweichen, da die ge- setzliche Steuerprogression von einer bestimmten aber in der De- pression nicht mehr realisierten Vorstellung von den absoluten Ein- kommensdifferenzen und -schichten ausging. Man wird diese Proble- matik auch auf die Verbrauchsbesteuerung übertragen müssen : wenn sich nämlich ergibt, daß infolge der Einkommenschrumpfung der Ab- satz gewisser Produkte des Luxuskonsums stärker zurückgeht als der

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 12: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 251

Absatz von Massenprodukten. Ging z. B. die Steuerpolitik bislang von der Vorstellung aus, daß das Bier Massengetränk, der Wein dagegen Getränk der oberen Einkommensschichten sei, und wird nun infolge einer allgemeinen Eeduktion der oberen und unteren Einkommen der Zustand eintreten, daß die oberen Einkommen gleichfalls künftig nur noch Bier trinken, und setzen wir weiter voraus, daß Bier fiskalisch geringer belastet war als Wein, so wird damit für die oberen Ein- kommen eine Steuererleichterung eintreten, die im Widerspruch zu der Tatsache steht, daß die Einkommensschichtung an sich doch be- stehen bleibt. Ein gutes Beispiel für dieses Problem des Ausgleichs der Konsumentenbelastung nach dem Qualitätscharakter des Verbrauchs- gutes bietet die deutsche Eauchtabakbesteuerung. Der Konsum von steuerbegünstigten, d. h. zur Hälfte aus Inlandstabak bestehenden Feinschnitt ist mehr Objekteines wohlhabenderen Konsums, dagegen der einfache Eauchtabak Objekt des ärmeren Konsums. Bis Ok- tober 1931 wurden beide Verbrauchsgüter gleich hoch besteuert. Der wohlhabendere Eaucher entging nun mit der Abwanderung von der höherbesteuerten Zigarette zum Feinschnitt einer an ihm geübten Höherbesteuerung und begab sich in den geringen Belastungsdruck, der für den Konsumenten von Pfeifentabak vorgesehen war. Obwohl der wohlhabendere Konsument noch immer ein größeres Einkommen bezieht als der ärmere (die Einkommens Schichtung ist ja nicht verschwunden), wird die bislang bestehende Belastungsdifferenzierung zwischen beiden Konsumentengruppen aufgehoben. Natürliche Folge dieser Entwicklung war für die Steuerpolitik, den Entgang an Ertrag aus dem früher umfangreich gewesenen Zigarettenkonsum durch die Differenzierung von Pfeifentabak und Feinschnittbesteuerung, d. h. durch Ermäßigung der Pfeifentabak- und Erhöhung der Feinschnitt- steuer wiedereinzuholen. Die Anpassung der Verbrauchsbesteuerung an die durch die Krise ausgelösten Verbrauchsumschichtungen ist also notwendig, um die früher von ihr ausgehende indirekte Differenzierung in der Belastung einzelner Einkommensschichten wieder herzustellen. Die Wahl der Steuerobjekte unter dem Gesichtspunkte der Aufrecht- erhaltung einer gewissen Belastungsdifferenz zwischen ärmeren und reicheren Eauchern gehört also ebenso notwendig zu den konjunk- turellen Problemen der Verbrauchsbesteuerung wie die Korrektur der Steuersätze im einzelnen.

17*

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 13: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

252 Herbert Gross

2. Die deutsche Verbrauchs besteuerung seit Ausbruch der Krise.

Die deutsche Verbrauchssteuerpolitik hat seit dem sichtbaren Eintritt der Depression zunächst einen Weg eingeschlagen, der gerade entgegengesetzt zu der im vorhergehenden theoretischen Teil heraus- gearbeiteten Eichtung verläuft. In Erfüllung der finanzpolitischen Forderungen, die sich aus der Diskussion über den Umbau des deutschen Steuersystems anläßlich der Annahme des Youngplanes ergaben, hat sie zunächst versucht, den steigenden Finanzbedarf durch den Aus- bau der Verbrauchsbesteuerung zu decken. Diese Politik braucht nun so lange nicht im Widerspruch zu den Konjunkturgesetzen der Steuer- politik zu stehen, als das fiskalische Optimum noch nicht erreicht ist. Im Zeitraum von 1929 bis Anfang 1931 wird man auch den verschie- denen Steuererhöhungen eine, wenn auch geringe, fiskalische Mehr- ergiebigkeit nicht absprechen können 1). Aus der Entwicklung der deutschen Verbrauchsbesteuerung seit 1931 läßt sich jedoch ein- deutig nachweisen, daß die Steuersätze auf Branntwein, Bier und Tabak immer mehr über das fiskalische Optimum hinausgingen. Den Nachweis dieser Entwicklung an Hand der wichtigsten Objekte der deutschen Verbrauchsbesteuerung zu führen und die damit verbun- dene Umschichtung des Steuersystems aufzuweisen, ist die Aufgabe der nachstehenden Ausführungen.

Die deutsche Tabaksteuer in der Depression 2). Seit dem 1. Januar 1931 wurden die Sätze der deutschen Tabak-

steuer in Fortführung der seit Dezember 1929 betriebenen Politik wiederum in absolut beträchtlichem Umfange erhöht. Die Form dieser Steuererhöhung bestand vor allem darin, daß durch Erhöhung des

x) Eine Ausnahme bildet nur die Erhöhung der Hektoliterabgabe auf Brannt- wein im April 1929.

2) Als Quelle diente vor allem die amtliche Tabaksteuerstatistik, verölt ent- licht in Bd. 350 und Bd. 365 der „Statistik des Deutschen Reichs". Neueste Daten in „Wirtschaft und Statistik". Monographien über die deutsche Tabakwirtschaft: F 1 ü g e r , Tabakindustrie und Tabaksteuer, Jena 1931. K. B r ä u e r , Reichs-

tabakmonopol oder Tabak- Verbrauchssteuer ? Jena 1931. H. Gross, Tabak-

monopol und freie Tabakwirtschaft, ein Vergleich der österreichischen Tabakregie und der deutschen Tabakwirtschaft, Jena 1930. - Vgl. ferner meinen Artikel über „Probleme der deutschen Tabakwirtschaft" in Wirtschaftsdienst Jg. 1931, Heft 48, und meinen Aufsatz über „Die Entwicklung der europäischen Finanzmonopole in der Nachkriegszeit". I. Die Entwicklung der Tabakmonopole. Weltwirtschaft- liches Archiv. Bd. 33. H. 1 und 2.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 14: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerimg und Kaufkraftschwund. 253

Tabakzolls von 80 auf 180 EM. die vom Wert des Fabrikats unab- hängige Gewichtsbesteuerung ausgebaut wurde. Die Eigenschaft der Gewichtssteuer, die unteren Preislagen höher zu belasten als die oberen und Preissenkungstendenzen entgegenzuwirken, bestätigte sich 1931 deutlich in der Entwicklung der Zigarettenpreise. Mit der Steigerung der Eohstoffbelastung verband sich eine Erhöhung der Ban- derolensteuer, die bei der Zigarette von 33 auf 38%, der Zigarre von 20 auf 23% und beim Pfeifentabak von 33 auf 35% erfolgte.

Tabelle 1. Anteil der wichtigsten Preislagen am Gesamtkonsum in der deutschen Tabakwirtschaft

1930 und 1931. 1. Zigarren

Insgesamt Davon Preislagen Mld. Stück bis 8 Pfg. 10 Pfg. 15 Pfg. 20 Pfg. über 20 Pfg.

1930 7,146 22,5% 30,6% 23,2% 12% 6,2% 1931 6,156 28,8% 35,3% 19,3% 8% 3,4%

2. Pfeifentabak

Insges. Davon Preislagen Min. kg 3 RM. 4 RM. 5 RM. 6 RM. 7 RM. 8 RM. üb.8 RM.

1930 39,063 8,3% 6,7% 8,3% 13,7% 2,0% 35,1% 25,9% 1931 14,348 9,5% 14,1% 9,6% 10,8% 2,6% 20,4% 33,0%

1. 4.- 12. 10.) 1931 4,272 12,7% 17,1% 23,6% 20,6% 4,3% 9,7% 12,0%

(13. 10.. 31. 3. 32) 3. Zigaretten

Insges. Davon Preislagen (Rpf.) Mld.Stück 2 2,5 3 3,3 4 5 6 8

1930(1.4.-31.12) 25,319 0,4 0,2 2,1 - 24,6 56,2 15,1 1,1 1931(1.1.-31.3.) 4,047 - - 3,4 - 25,9 51,8 17,4 1,2 1931(1.4.-30.6.) 4,454 - - 6,7 - 25,0 51,8 15,4 0,9 1931 23,544 - 4,0 - 45,2 6,7 33,5 10,1 0,4 (1.7.- 31. 3.32)

In Tab. 1 kommen die grundsätzlichen Abwanderungstendenzen des Konsums zu den unteren Preislagen deutlich zum Ausdruck: innerhalb des Zigarrenkonsums gehen die Preislagen über 10 Epf. stark zurück, obwohl die Steigerung des Zolls die Industrie zum Angebot höherer Preislagen hätte drängen sollen. Statt dessen er- fährt die Preislage zu 10 Epf. eine starke Steigerung; das gleiche gilt von den Preislagen unter 10 Epf., obwohl hier die Anfang 1931 durch die Übersteuerung der Zigarette bedingte Abwanderung des Zigarettenrauchers zum Zigarillo mitgewirkt hat. Auffällig ist dagegen

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 15: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

254 Herbert Gross

die starke Abnahme der oberen Konsumpreis- lagen: beträgt die Abnahme bei den Preislagen über 20 Epf. fast 50%, so bei denen zu 20 Epf. nur 33%, bei denen zu 15 Epf. etwa 20%, während die Preislage zu 10 Epf. um etwa 15%, und die zu 8 Epf. um mehr als ein Viertel zunimmt. Die Verlagerung der Kaufkraft auf die unteren Preislagen in der Depression ist also deutlich bemerkbar.

a) Die Zigarrenbesteuerung. Die deutsche Zigarrenbesteuerung seit 1931 ist ein typisches Bei-

spiel für eine Verbrauchssteuerpolitik, die bislang ihr fiskalisches Optimum noch nicht erreicht hatte, und trotz rückgängiger Kaufkraft in der Lage ist, ihren fiskalischen Ertrag zu erhöhen. Ganz deutlich ist diese Ausschöpfung einer bislang noch nicht genügend besteuerten Quelle aus den folgenden Ziffern erkennbar: der gesamte Kleinver- kauf swert der im Eechnungsjahr 1931/32 versteuerten Zigarren sinkt um 215 Min. EM., der fiskalische Ertrag steigt dagegen um 19 Min., oder: der Kleinverkaufspreis je Doppelzentner Zigarrentabak sinkt um 356 EM., der fiskalische Betrag dagegen steigt um 82 EM. Es ist gewiß, daß die Anspannung der Steuerschraube den Preis höher

gehalten hat, als er sich ohne die zusätzliche Belastung entwickelt hätte; dennoch war es der Zigarrenindustrie möglich, den durchschnitt- lichen Kleinverkaufspreis von Monat zu Monat zu senken, d. h. dem Be- dürfnis desEauchers nach niedrigeren Preisklassen entgegenzukommen.

T a b e 1 1 e 2. Entwicklung der deutschen Zigarrenindustrie in der Krise.

Banderolen- Monat Kleinverkaufswert Steuer Min. Stück Rohtabak 1931 Min. RM. je Stück Min. RM.

August 55,67 11,98 12,80 464,9 30 900 September 54,77 12,35 12,59 443,4 29 500 Oktober 58,67 12,34 13,49 475,6 31700 November 63,80 12,50 14,67 510,4 34 000 Dezember 61,42 12,55 14,12 489,4 32 600

1932 Januar 37,26 11,59 8,57 321,4 21400 Februar 44,09 11,32 10,14 389,6 26 000 März 46,90 11,24 10,78 417,2 27 500 April 97,7 11,26 11,4 441,6 29 200 Mai 50,5 11,27 11,6 448,0 29 300 Rechnungsjahr

1931/32 402,98 11,42 161,68 6156,6 410 000 Fiskalischer Gesamtertrag 222 Min. RM.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 16: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 255

Allerdings weist die Zigarrenproduktion einen kontinuierlichen Eückgang auf, der in einer Abnahme des Stückabsatzes wie vor allem der wertmäßigen Umsätze zum Ausdruck kommt. Ebenso deutlich wird die Benachteiligung des produktionswirtschaftlichen Interesses infolge der Anspannung der Steuerschraube, und die gefährdete Po- sition der kleinbetrieblich organisierten Zigarrenindustrie hat sich seit 1931 stark verschlimmert.

Tabelle 3. Entwicklung des Beschäftigungsgrades in der deutschen Zigarrenindustrie nach

Betriebsgrößen, _ . , . Lohn- * je Ar- Zahl der Arbeiter im Betriebe

T , Be- _ Arbei- . , . * 1AAA Jahr T , triebe ter J™"^ Min. RM ̂ RM bis 19 20-99 100-199 200-999 u.

1000. 1AAA mehr Min. RM RM u. mehr

1930 3876 109 927 132,7 1206 8175 19 356 12 316 47 060 23 020 1931 3430 89163 100,4 1126 6110 14 572 10 528 36 612 21345

Abnahme in % -11,4 -18,8 -24,3 -6,6 -25,3 -24,7 -14,7 -22,1 -7,3

Der fiskalische Mehrertrag aus der Erhöhung des Zolls um 100 EM. und der Banderolensteuer um 3% hat, wenn man den tatsächlichen Verbrauch zugrunde legt, dem Fiskus 1931 aus der Zigarre einen Mehr- ertrag von rund 50 Min. EM. erbracht; d. h. ohne die Steuererhöhung wäre der Gesamtertrag nicht 222 Min. EM., sondern ca. 170 Min. EM. ge- wesen. Der Einwand, daß ohne die Steuererhöhung der Verbrauch noch größer gewesen wäre, ist deshalb nicht stichhaltig, weil zur Erzielung eines Ertrages von 222 Min. EM. bei Aufrechterhaltung der Steuer- sätze von 1930 ein zusätzlicher Verbrauch von ca. 48 000 dz not- wendig gewesen wäre. Es hätten also mehr Zigarren als 1929/30, in einem konjunkturell günstiger aussehenden Jahre geraucht werden müssen. Da infolge der allgemeinen Eückgängigkeit der Einkommen eine solche Annahme nicht stichhaltig sein kann, wird die fiskalische Mehrergiebigkeit der Zigarrenbesteuerung von 1931 kaum zu be- streiten sein.

b) Pfeifentabak. Im Gegensatz zur Zigarrenbesteuerung hat sich die Erhöhung

von Zoll und Banderolensteuer von Anfang 1931 an beim Pfeifen- tabakkonsum als eine fiskalische Fehlmaßnahme erwiesen. Während der Gesamtabsatz des Pfeifentabaks im Eechnungsjahr 1930/31 390 000 dz betrug, hatte er am 12. Oktober, d. h. nach Über-

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 17: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

256 Herbert Gross

schreitung des ersten Eechnungshalbjahrs 1931/32, erst 143 000 dz und einschließlich des höherbesteuerten Feinschnitts erst 145 000 dz er- reicht. Der Pfeifentabak ist besonders in seinen gröberen Qualitäten das Konsumgut der ärmeren Massen und dadurch besonders leicht dem Absatzrückgang ausgesetzt, sofern nicht die fiskalische Belastung eine reibungslose Anpassung des Preises an den Kaufkraftschwund er- möglicht. Die Mehrbelastung des Pfeifentabaks seit 1931 hatte in- folgedessen einen tendenziell starken Verbrauchsrückgang zur Folge, trotz einer starken Verschiebung des Kleinverkaufspreises, wie sie in Tab. 2 zum Ausdruck kommt.

T a b e 1 1 e 4.

Entwicklung des Absatzes und des fiskalischen Ertrages von Pfeifentabak. (Die Ziffern in Klammern beziehen sich auf den steuerbegünstigten Feinschnitt.

der ab 13. 10. 31 höher besteuert wurde) Monat Kleinverkaufswert Banderolensteuer

Min. RM. je kg Min. RM. 1000 dz. 1931

April 28,5 8,26 9,9 34,4 Mai 19,9 8,31 6,9 23,9 Juni 17,5 8,00 6,1 21,8 Juli 10,9 7,08 3,7 15,4 August 9,7 6,48 3,3 15,0 September 15,2 5,68 5,3 26,9 Oktober 1.- 12. . 3,8 6,60 1,3 5,7

13.- 31 4,5 (36,2) 6,52 (10,81) 1,4 (13,7) 7,0 (33,5) November 8,1 (11,2) 6,30 (10,71) 2,5 (4,2) 12,8 (10,4) Dezember 6,4 (9,1) 5,88 (10,40) 2,0 (3,4) 11,0 (8,4) Januar 7,7 (12,3) 5,93 (10,38) 2 4 (4,7) 12,9 (11,9) Februar 8,0 (13,4) 5,63 (10,40) 2,5 (5,1) 14,2 (12,9) März 8,1 (13,2) 5,59 (10,36) 2,5 (5,0) 14,5 (12,8) April 8,8 (15,8) 5,60 (10,35) 2,7 (6,0) 15,7 (15,2) Mai 8,2 (13,3) 5,55 (10,34) 2,5 (5,0) 14,8 (12,8)

Die Ursache wird vor allem darin zu suchen sein, daß der eigent- liche Pfeifentabak zu hoch belastet ist, während andererseits der steuerbegünstigte Peinschnitt, der zur Hälfte aus inländischem Eoh- tabak zu bestehen hat, fiskalisch noch nicht genügend ausgeschöpft war. Die Eückgängigkeit des Gesamtertrages aus der Besteuerung des Pfeifentabaks hatte also ihre Ursache darin, daß der Pfeifentabak zu hoch und der steuerbegünstigte Peinschnitt mit den gleichen Sätzen, d. h. zu niedrig besteuert war. Der Eückgang des Ertrages aus dem Pfeifentabak wurde durch die Übersteuerung verschärft, während der

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 18: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 257

Ertrag aus dem steuerbegünstigten Feinschnitt, der nur aus kon- junkturellen Gründen zurückging, durch eine stärkere Ausschöpf ung der Steuerreserve nicht gestützt wurde. Dieser Zusammenhang läßt sich bereits daraus erkennen, daß der Anteil der über 8 EM. je Kilo- gramm liegenden Pfeifentabake in der ersten Hälfte des Eechnungs- jahres 1931 stark stieg, während die niederen Preislagen anteilsmäßig stark zurückgingen, eine den konjunkturellen Preis- und Kaufkraft- gesetzen entgegenverlaufende Entwicklung, die nur aus der Konträr- entwicklung der beiden Konsumarten erklärbar sein wird.

Eine Kevision des Steuersatzes wurde infolgedessen notwendig, um den überhaupt noch vorhandenen Kaufkraftstrom nicht völlig zum Versiegen zu bringen. Die Eevision, die auf Grund der Notver- ordnung vom 6. Oktober 1931 vorgenommen wurde, brachte eine Er- mäßigung der Banderolensteuer auf Pfeifentabak und eine Steigerung der Banderolensteuer auf steuerbegünstigten Peinschnitt. Die tat- sächliche Entwicklung läßt sich etwa wie folgt berechnen :

Fiskalische Belastung je dz Pfeifentabak 1. 4.- 12. 10. 31 256 RM. 13. 10.- 31. 3. 32 172 RM. = - 84 RM.

dto. je dz steuerbegünstigter Feinschnitt 1. 4.- 12. 10. 31 256 RM. 13. 10.- 31. 3. 32 401 RM. = +145 RM.

Die Entlastung des leistungsschwachen und die zusätzliche Be- lastung des leistungsstärkeren Konsums seit Oktober 1931 hat sich unmittelbar in einer Steigerung des fiskalischen Ertrages ausgewirkt, wie aus Tab. 4 ersichtlich ist. In der zweiten Hälfte des Eechnungs- jahrs 1931/32 liegt der Ertrag aus dem Pfeifentabak und aus dem steuerbegünstigten Peinschnitt über dem des ersten Halbjahrs.

Berücksichtigt man die saisonalen Kaufkraftschwankungen, so hat die Übersteuerung des Pfeifentabaks im Zeitraum Januar bis Oktober 1931 dem Fiskus einschließlich des Zolls einen Verlust von 20 Min. EM. verursacht.

c) Zigarette. War der fiskalische Verlust aus der Neuordnung der Pfeifen-

tabakbesteuerung erst nach Ablauf von 9 Monaten so offensichtlich geworden, daß eine Eevision der Steuersätze notwendig erschien, so stellt die Besteuerung der Zigarette seit Anfang 1931 ein besonders krasses Beispiel der Übersteuerung dar. Die Erhöhung der Banderolen- steuer um 5% auf 38% und die Steigerung der Gewichtsbelastung von

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 19: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

258 Herbert Gross

530 EM. auf 610 EM. mußte die natürlichen Tendenzen zur Senkung des Kleinverkaufspreises verhindern. Die Eigenschaft der Gewichts- steuer, die niederen Preisklassen stärker zu belasten, wirkte sich seit Anfang 1931 dahin aus, daß die unteren Preisklassen vom Markte noch stärker verdrängt wurden.

Tabelle 5. Anteil der fiskalischen Belastung an den verschiedenen Preisgruppen der Zigaretten

(Banderolensteuer, Materialsteuer und Zoll) Preislage Bis Ende 1. 1. 30 bis 1. 1. 31 bis ., in Rpf. 1929 *) 31. 12.2) 30. 6. 31 s) '

in % in % in % in % 2 48 56 69 - 2,5 27 55 62 58 3 26 53 58 55 3,3 - - - - 4 44 50 54 48 5 41 47 50 47 6 40 44 49 47 8 39 42 45 46

10 36 40 43 46 15 34 37 41 51

Eine gewaltsame Steigerung des Kleinverkaufspreises setzte ein, so daß sich bei stark abnehmendem Gesamtverbrauch die Preisklasse zu 60 Epf. je 9 Stück mehr und mehr durchsetzte. Hinzu kam der psychologisch abschreckende Zwang, beim Kauf nur geschlossene Packungen mit einem Inhalt von zumindest 9 Stück zu nehmen.

Der fiskalische Ertrag wurde von Monat zu Monat geringer, so daß schließlich nur noch ein Drittel der Erträge einfloß, die vor Änderung der Sätze eingekommen waren. Insgesamt entwickelte sich die fiska- lische Belastung wie folgt : der monatsdurchschnittliche Ertrag sank auf 40 Min. EM., die nachfolgenden 9 Monate vom 1. Juli 1931 bis zum 31. März 1932 erbrachten einen Mehrertrag von 13 Min. EM. monatlich. Legt man diese Differenz von 13 Min. EM. zugrunde, so läßt sich der fiskalische Verlust des Eeichs aus der Übersteuerung im Zeitraum Januar- Juli 1931 auf rund 80 Min. EM. beziffern.

!) Banderolensteuer: 30%, Materialsteuer 400 RM., Zoll 80 RM.

2) „ 33%, „ 500 „ „ 80 „ *) „ 38%, „ 430 „ „ 180 „ *) „ 30-45%, „ 430 „ „ 180 „

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 20: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 259

Die Eeform des Steuersatzes ab 1. Juli 1931 bestand darin, daß die preisauftreibenden Wirkungen der erhöhten Gewichtsbesteuerung durch eine Ermäßigung der Banderolensteuer bei den unteren Preis- klassen und durch eine Erhöhung bei den oberen ausgeglichen wurden. Die Gesamtprogression der Zigarettenbesteuerung mit steigenden

Tabelle 5 a. Entwicklung der deutschen Zigarettenindustrie in der Krise.

Kleinverkaufs- Bande- Eingebrachter ,. Steuer in % des Monat wert rolen- Rohtabak insges. Klein-

Ml RM J#e steuer Material- verk. * Stück dz Steuer

1931 in Min. RM. August 119,281 4,18 38,7 36 437 15,67 6,55 60,93 51,3 September .. 97,459 4,17 31,6 27 044 11,63 4,96 48,19 49,0 Oktober .... 111,775 4,10 36,0 29 612 12,73 5,53 54,33 48,7 November .. 90,752 4,10 29,2 24 758 10,65 4,45 44,38 49,0 Dezember . . . 93,914 4,17 30,4 21 471 9,23 3,86 43,53 48,3

1932 Januar 102,469 4,12 33,0 30 731 13,21 5,53 51,81 50,7 Februar .... 90,210 4,00 28,8 26 352 11,33 4,44 44,87 49,0 März 90,858 4,00 29,1 24 370 10,50 4,38 43,98 48,5 April 116,700 4,01 37,3 33 792 14,5 6,08 57,90 49,7 Mai 114,641 3,91 36,4 33 655 14,47 6,05 56,98 50,0

Preisen wurde also erheblich verflacht, wie aus Tab. 5 zum Ausdruck kommt. Die unmittelbare Folge dieser Maßnahme war die Ermög- lichung einer billigeren Produktion. Man kann die unmittelbaren Folgen der Steuersenkung ab 1. Juli in der nebenstehenden Tabelle zusammenfassen :

Tabelle 6. Wirkung der Steuerrevision bei der Zigarette ab 1. Juli 1931.

Rohtabak- Steuer __. . , , Fiskal. , Kleinverkaufs- __. . , , ~ ,

„ . brauch, monats- und , , . , ~ Ertrag

, °

Zeit „ .

j i t_ .^1 rr ii Wert , J ]e .

UZ ,

. , °

durchschnittl. j i t_ .^1 Zoll rr ii ]e J je . dz ,

dz Min. RM. RM. je dz RM. je dz 1. Halbjahr 1931 .... 17 830 40 76,4 4284 2040 1. 7. 31-31. 3. 32 28 880 53 109,8 3803 1844

Zigarettensteuer und Gewerbe 1931. Die Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Zigaretten-

gewerbe 1931 ist ein treffendes Beispiel für das Bestreben des Staates, seinen fiskalischen Anteil am Gesamterlöse nicht nur durch

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 21: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

260 Herbert Gross

eine Steigerung der Steuersätze, sondern auch durch die Kompri- mierung der Produktionskosten zu erhöhen. Denn die Einspielung der deutschen Zigarettenindustrie auf die veränderte fiskalische Be- lastung hat gleichzeitig eine veränderte Ertragsgestaltung bei den einzelnen Produktionsgliedern zur Folge gehabt. Da mit der Steuer- revision die Preislage des Massenkonsums von der 5 Pfennigzigarette zur 3,3 Pfennigzigarette abgelenkt wurde, sank der Kleinverkaufswert je dz Zigaretten gegenüber demEechnungsjahr 1930/31 um 648 EM. An dieser Senkung war der Fiskus mit 40% beteiligt, weitere 50% mußten vom Handel getragen werden, während die Industrie nur einen geringen Anteil an der Preissenkung zu tragen hatte.

Ein wesentlicher Teil der generellen Preissenkung wurde durch die Senkung der Handelsrabatte ermöglicht. Die Ee- duktion ergibt sich daraus, daß der Eabatt des Kleinhändlers mit der Preislage nicht nur absolut, sondern auch anteilsmäßig am Klein- verkaufspreise sinkt 1).

Tabelle 7. Rabattsätze für den Kleinverkauf von Zigaretten.

Preislage Rabattsatz Anteil am Umsatz

3y2 Pfg. 15,2% 60% 4 „ 19,7% 10% 5 „ 21,8% 25% 6 „ u. höher 22,4% u. höher 5%

Durchschnittlich ca. 17,6-18%.

Im Eechnungsjahr 1930/31 war infolge des höheren Anteils der oberen Preislagen am Gesamtkonsum der durchschnittliche Eabatt erheblich höher und belief sich für den Kleinhändler auf 22 - 23%. Seit Mitte 1931 wurde dem Händler, nachdem ihm der Preisauftrieb im Gefolge der Steuererhöhung vom Januar 1931 zwar anteilsmäßig steigenden, absolut wegen des Konsumrückgangs aber sinkenden Erlös gebracht hatte, der Ertrag von zwei Seiten aus gekürzt : durch den Eückgang des absoluten Verkaufspreises und durch die Eeduktion der Eabatte mit sinkendem Kleinverkaufspreise. Der absolute Ertrags- rückgang des Kleinhändlers betrug etwa 340 EM. je Doppelzentner. Davon sind 197 EM. auf die Senkung des Kleinverkaufspreises zu- rückzuführen, der Eest auf die Eabattdegression bei sinkenden Klein- verkaufspreisen.

*) Den Rabattsätzen sind noch 3°/0 Kassenskonto hinzuzurechnen.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 22: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 261

Die Industrie hat ihre Produktionskosten nur in geringem Umfange zu senken brauchen, zumal auch vom Großhandel ein Teil des Preisrückgangs mitgetragen worden sein dürfte. Man wird den Minder- erlös der Industrie je Doppelzentner auf etwa 50 EM. ansetzen dürfen. Demgegenüber haben sich die Produktionskosten nur geringfügig ge- ändert 1). Die einzige Ersparnisquelle wird in dem Sinken der Eoh- tabakpreise zu suchen sein. Der Einheitswert der 1931 eingeführten bulgarischen Tabake ging gegenüber 1930 um 34 EM. zurück, der- jenige der griechischen um 87 EM. Die Entwicklung der Eohtabak- preise im einzelnen ist aus Tab. 8 ersichtlich.

Tabelle 8. Entwicklung der deutschen Rohtabakeinfuhr 1929-1931.

1929 1930 1931 Land 1000 dz Mln.RM. EW. 1000 dz Mln.RM. EW. 1000 dz Mln.RM. EW.

Bulgarien . . . 78,2 21,4 274 72,0 23,4 325 64,3 18,7 291 Griechenland 175,3 66,4 378 178,5 78,2 439 127,8 45,0 352 Türkei 114,1 31,0 272 118,8 28,9 243 87,2 22,4 257 Rußland.... 16,5 3,3 203 18,9 4,6 246 18,1 3,9 215 Insgesamt .. 384,1 122,1 317 388,2 135,1 348 297,4 90,0 303 Zusammen . . 1028,1 248,8 242 1055,6 259,3 242 697,9 158,8 227 Nichtzigaret-

tentabake. 644,0 126,7 196 667,4 124,2 182 400,5 68,8 172

Nun hat jedoch die deutsche Zigarettenindustrie, vor allem die Großindustrie, in den Jahren des konjunkturellen Konsumauftriebs eine umfangreiche eigne Einkaufsorganisation in den Distrikten der Orienttabakkultur errichtet; hieraus ergab sich auch 1931 der Zwang, unabhängig von den Schwankungen des Bedarfs gewisse Positionen aufzunehmen, zumal sie von den Einkaufsgesellschaften bereits vor der Ernte finanziert worden sein dürften. Nicht zuletzt im Interesse der Errichtung eines gewissen Qualitätsstandards hat die Großindustrie ein umfangreiches Lager an Zigarettenrohtabaken aufzubauen ver- sucht, wie aus dem bis 1930 wachsenden Saldo zwischen Einfuhr und Verbrauch abgelesen werden kann.

(Siehe hierzu Tabelle auf Seite 262.) So günstig sich dieser Aufbau großer eigener Läger und einer

eigenen Einkaufsorganisation für die Großindustrie in den Zeiten des konjunkturellen Auftriebs angelassen haben mag, so ungünstig schlug

*) Der Lohn je Vollarbeiter betrug 1930 2517 RM., 1931 2538 RM. (Jahres- berichte der Tabak- Berufsgenossenschaft 1930 und 1931).

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 23: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

262 Herbert Gross

Tabelle 9. Relation zwischen Verbrauch und Einfuhr. 1. Zigarettentabak.

Jahr Einfuhr Verbrauch Saldo Bestand

1925/26 423,4 ca. 340,0 + 83,4 ca. 100 1926/27 229,4 297,8 -67,4 32,6 1927/28 330,9 283,8 +47,1 79,7 1928/29 396,4 376,4 +20,0 99,7 1929/30 384,2 378,7 + 5,5 105,2 1930/31 388,2 329,4 +58,8 164,0 1931/32 297,4 317,0 -20,4 143,6

natürlich diese Politik in Zeiten starken Konsumrückgangs um. Der Nachteil der großzügigen eigenen Eohtabakbeschaffungspolitik wird vor allem darin zu suchen sein, daß die Großindustrie zunächst ihre Bestände an Qualitätstabaken, die für die oberen Preislagen bestimmt gewesen waren, abarbeiten mußte und nicht in den Genuß der sinken- den Weltmarktpreise kommen konnte. Dagegen war es der kleineren und mittleren Industrie, die stets in ihrer Eohtabakversorgung von der Hand in den Mund gelebt hatte, sofort möglich, die Preissenkungen auf den Welttabakmärkten auszunutzen und die Umstellung auf den qualitativ geringeren Massenkonsum der 3,3 Pf. Preislage vorzu- nehmen. Der Abbau der Einkaufsorganisation seitens der Großindu- striekonzerne scheint auch nur langsam vor sich zu gehen, wie aus den steigenden Beständen an Eohtabak in Holland für deutsche Eechnung gesehen werden kann1).

Tabelle 10. Niederlageverkehr mit Deutschland in griechischem und bulgarischem Tabak.

Jahr Einlagerung Auslagerung dz dz

1927 3 235 25 356 1928 2 607 23 328 1929 1 852 13 540 1930 1 925 23 172 1931 33 910 14 200

Quelle: Saher, Bericht in Sachen Bulgarien auf dem holländischen Tabakmarkt. Maschinenschriftlicher Bericht vom 25. 4. 31.

Die Analyse der deutschen Zigarettenbesteuerung läßt erkennen, daß die ursprüngliche Erhöhung des Steuersatzes den natürlichen An-

*) Erst gegen Mitte 1932 beginnt auch die Großindustrie die Umstellung auf billigere Preislagen. Damit wird sie den zum Teil verlorengegangenen Absatz wieder zurückgewinnen können. Ob ihr damit eine Bereinigung ihres finan- ziellen Status möglich sein wird, scheint zunächst wohl noch fraglich.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 24: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 263

passungstendenzen der Preise an den Kaufkraftschwund entgegen- wirken und den fiskalischen Gesamtertrag stark reduzieren mußte. Die Korrektur der Besteuerung seit Mitte 1931 hat nur eine geringe zusätzliche Belastung gegenüber dem Eechnungsjahr 1930/31 gebracht und ist als die notwendige Anpassung des bereits 1930 optimalen Steuersatzes an die veränderte Kaufkraftsituation anzusehen. Soweit tatsächlich noch Mehrerträge herausgewirtschaftet wurden, handelt es sich mehr um eine Kompression der Verteilungs kosten. Da- gegen dürfte die Eeduktion der industriellen Produktions- kosten mehr als Ausdruck der allgemeinen Produktionskostensenkung überhaupt anzusehen sein. Die Einspielung des Konsums auf die niedrigeren Preislagen scheint mit Mitte 1932 beendet zu sein.

Die deutsche Tabaksteuerpolitik im ganzen hat durch die Stei- gerung des Tabakzolls von 80 auf 180 EM. Anfang 1931 die letzten fiskalischen Eeserven erschlossen, die das geltende System der Tabak- besteuerung überhaupt noch besitzt. Bei der Zigarette und beim Pfeifentabak lag Anfang 1931 offensichtlich eine Übersteuerung vor, die durch einen unnatürlichen Preisauftrieb oder durch zu geringe Preis- senkungen gekennzeichnet war. Durch eine Ermäßigung der Bande- rolensteuer wurden diese Fehler weitgehend kompensiert. Eine zu- sätzliche Erschließung von Steuerreserven liegt eigentlich nur bei der Zigarre vor, deren absoluter Ertrag trotz konjunkturell rückgängigem Konsum stieg. Die fiskalischen Fehler der deutschen Tabakbesteue- rung im ersten Halbjahr 1931 haben dem Fiskus einen Verlust von 100 - 110 Min. erbracht. Berechnet man unter der Voraussetzung, daß diese Fehler nicht gemacht worden sind, diesen Ertrag dem tatsäch- lichen Sollertrag hinzu, so ergäbe sich für 1931/32 ein Gesamtertrag von 1033 Min. EM. und ein Ertragsrückgang gegenüber 1930/31 um nur 110 Min. EM. Ohne Berücksichtigung der tatsächlich erfolgten Steuersatzveränderungen hätte der Fiskus gegenüber 1930/31 einen Mindererlös von 207 Min. gezeitigt. Damit aber dürfte das fiskalische Optimum der Tabakbesteuerung unter den gegebenen Marktverhält- nissen eindeutig erreicht worden sein.

Tabelle 11. Entwicklung des deutschen Tabakkonsums in der Krise.

1929/30 1930/31 1931/32 1. Zigarren

1000 dz 457,6 443,0 410,0 Kleinverkaufswert 951,5 918,2 702,9 Banderolensteuer + Zoll 217,0 203,0 222,0

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 25: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

264 Herbert Gross

1929/39 1930/31 1931/32 Kleinverkaufspreis je dz 2078,0 2072,0 1716,0 Fiskalischer Ertrag je dz 474,0 459,0 541,0

2. Zigaretten 1000 dz 374,8 329,4 317,0 Kleinverkaufswert 1610,4 1460,1 1226,8 Banderolensteuer + Zoll (einschl.

Materialsteuer 681,5 680,4 604,9 Kleinverkaufspreis je dz 3404,0 4451,0 3870,0 Fiskalischer Ertrag je dz 1822,0 2074,0 1908,0

3. Pfeifentabak 1000 dz 388,3 414,0 320,7 Kleinverkaufswert (Min.) 236,3 293,2 264,8 Banderolensteuer u. Zoll (Min. M.) . 81,1 129,4 125,0 Kleinverkaufspreis je dz 609,0 708,0 818,0 Fiskalischer Ertrag je dz 209,0 312,0 395,0

4. Tabakwaren insgesamt 1000 dz 1260,5 1220,8 1070,0 Kleinverkaufswert 2856,5 2725,7 2242,1 Banderolen-, Materialiensteuer, Zoll 998,7 1143,4 933,6 Kleinverkaufspreis je dz 2267,0 2233,0 2093,0 Fiskalischer Ertrag je dz 792,0 936,0 877,0

Tabelle 12. Anteil der fiskalischen Belastung am Kleinverkaufspreis der Tabakfabrikate 1930/31

und 1931/32. 1930/31 1931/32 Steigerung Rückgang

Tabakfabrikat RM. RM. der des je dz % je dz % Belastung Ertrags

Zigarre 459 22,1 541 31,5 + 11,4 - 21,1 Zigarette 2074 46,7 1908 49,7 + 3,0 -16,1 Pfeifentabak 312 44,0 395 48,3 + 4,3 -10,9 Alle Tabakwaren . . 946 41,8 877 42,3 + 0,5 - 17,8

Die Übersteuerung des Bier Verbrauchs seit 1931 1). Der Anteil des Staates am Gesamtaufwand des deutschen Tabak-

konsums beträgt etwa 50%, der Fiskus hat sich also einen relativ breiten Eaum gesichert. Bereits in der Zigarrenindustrie, deren steuer- liche Belastung nur etwa 31% des Gesamterlöses ausmacht, ist das produktionswirtschaftliche Interesse bedeutend stärker. In der Brau-

*) Quelle: neben der amtlichen Statistik vor allem die „Mitteilungen des Deutschen Brauerbundes" und die „Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung". Die neueste Monographie ist von Gustav Schmölders, Die Ertrags- fähigkeit der Getränkesteuern, Jena 1932.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 26: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 265

industrie betrug der durchschnittliche Verkaufspreis je Hektoliter ab Brauerei Anfang 1931 rund 40 - 44 EM. Kechnet man einen durch- schnittlichen Aufschlag seitens der Gastwirte in Höhe von 100% hinzu, so stellt sich der Kleinverkaufspreis je Hektoliter auf 80 - 90 EM. Nach den Berechnungen des Instituts für Konjunkturforschung betrug die steuerliche Belastung aus Eeichsbiersteuer und Gemeindesteuer rund 14 - 15 EM. Der fiskalische Anteil betrug somit etwa 10-- 20%. Daraus ergibt sich ein besonderes produktionswirtschaft- liches Interesse an der Biersteuerpolitik.

Tabelle 13. Verbrauch und fiskalischer Ertrag des Biers.

Rechnungs- & Ver- Reichs- Tats. „ . , , . , Gesamt . , & _ _ . . _, , Gemeindebiersteuer „ . , , . , , , , jähr . , _

brauch _ . biersteuer .

Ertrag _, , ,

belastung , ,

Min. hl Min. RM. je hl Min. RM. je hl je hl 1930 48,486 473,3 9,77 ca. 100 Min. ca. 2 RM. 11,77 1931 37,093 368,3 9,96 ca. 180 Min. ca. 4 RM. 14,96

Detaillierte Ziffern über die tatsächliche Gesamtbelastung des Biers aus Eeichs- und Gemeindesteuer sind nicht erhältlich *).

Mit der steigenden Finanznot der Gemeinden scheint 1931 eine steigende Zahl von Gemeinden den Höchstsatz von 10 EM. je Hekto- liter in Anspruch zu nehmen; seitdem beginnt der Ertrag aus der Eeichsbiersteuer immer stärker zurückzugehen. Seit Mitte 1931 wird die Diskrepanz zwischen Bierpreis und Kaufkraft immer offensicht- licher, so daß die zunehmende Anwendung des Gemeindesteuer- zuschlags von 10 EM. je Hektoliter den preispolitischen Notwendig- keiten immer stärker zu widersprechen beginnt. Der Eückgang der Eeichsbiersteuererträge im Zeitraum Januar- April 1932 beträgt gegen- über dem gleichen Zeitraum 1931 68 Min. und dürfte selbst unter Ein- rechnung der Gemeindebiersteuer nicht unter 50 Min. EM. liegen. Ist also bereits das fiskalische Interesse an der Biersteuersenkung erheblich, so muß das produktionswirtschaftliche noch bedeutend größer sein.

(Siehe hierzu Tabelle auf Seite 266.) Die deutsche Bierbesteuerung gibt jedoch zugleich ein Beispiel

dafür ab, daß wegen des überwiegenden Anteils der Produktion am Ge-

*) Das Institut für Konjunkturforschung (6. Jg. H. 4 Teil A S. 60) hat die durchschnittliche Gesamtbelastung im Rechnungsjahr 1931/32 auf etwa 15 RM. hin ansteigend geschätzt.

Finanzarchiv. N. F. 1. Heft 2. 18

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 27: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

266 Herbert Gross

Tabelle 14. Entwicklung von Biersteuer und Belastung.

_ . Reichsbier- Gemeinde- o, Recnnungs- _ .

,„ . , , , . Steuern o, zus. . ,„ Min. . hl , Steuer , biersteuer , . 3 Min. RM. Min. RM. Min. RM.

1924/25 37,7 196 ca. 200 1925/26 47,2 255 ca. 40 295 1926/27 47,9 240 50 290 1927/28 51,1 360 62 422 1928/29 54,5 396 76 472 1929/30 57,6 411 80 491 1930/31 48,0 473 101 574 1931/32 37,0 368 ca. 150 498

samterlös nicht allein die Steuer gesenkt werden kann, ohne daß die Anpassung an die neue Kaufkraftsituation mit erheblichen fiskalischen Nachteilen verbunden wäre. Vielmehr erscheint hier die Notwendigkeit gegeben, auch auf die Ermäßigung der Produktions- und Vertriebs- kosten einzuwirken. Die preispolitischen Maßnahmen, die im März 1932 getroffen wurden, sehen infolgedessen nicht nur eine Senkung der Eeichsbiersteuer und der Gemeindebiersteuer vor, sondern auch eine Senkung des Brauereipreises sowie des Gastwirtsaufschlags, nachdem der Preis ab Brauerei bereits im Februar 1931 um 2 EM. ge- senkt worden war. Die Senkung der Eeichsbiersteuer beträgt 3 EM., diejenige der Gemeindebiersteuer, sofern der Steuersatz nur 5 EM. betrug, 1 EM., und sofern er 10 EM. betrug, 4 EM. Die durchschnitt- liche Senkung der Gesamtsteuerbelastung wird man auf etwa 5 bis 5,50 EM., d. h. auf etwa 25 - 40% beziffern müssen. Gleichzeitig wur- den die Brauereien und Gastwirte zu einem Preisnachlaß von je 2,25 EM. gezwungen. Die Gesamtsenkung des Bierpreises im Aus- schank beträgt etwa 10-10,50 EM., d. h. etwa 10-14%. Diese Sen- kung entspricht etwa dem Umfang der Preissenkung für Tabak- waren. Die unmittelbare Folge dieser Preissenkung war eine beträcht- liche Steigerung des Bierkonsums, wie aus den Ertragsziffern der ge- senkten Eeichsbiersteuer für April und Mai 1932 bereits zum Ausdruck kommt .

Die Politik der Steuererhöhung, die vom Eeich seit Mai 1930 be- trieben wurde, hat sich also fiskalisch nicht bewährt. Mit der Stei- gerung des Steuersatzes im Mai 1930 kann man noch eine gewisse zusätzliche Ausschöpfung der Steuerreserven verbinden - die Be- lastung je Kopf stieg 1930/31 auf 7,35 EM., sank jedoch 1931/32 auf

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 28: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 267

unter 6 EM. Unter Einrechnung der Gemeindebiersteuer erbrachte die Bierbesteuerung 1930 je Kopf etwa 9,25 EM., 1931/32 7,90 EM.

Tabelle 15. Entwicklung des monatlichen Aufkommens aus der Reichsbier Steuer.

Monat 1930 1931 1932 Januar 30,48 34,42 24,5 Februar 32,74 38,36 23,4 März 30,87 32,82 22,9 April 27,06 28,62 24,4 Mai 32,68 34,73 25,8 Juni 33,59 31,34 Juli 40,29 31,40 August 53,22 46,64 September 49,12 38,38 Oktober 50,24 36,36 November 42,65 26,72 Dezember 38,82 23,27

Branntwein. Entwickelte sich die Übersteuerung des Biers, die sich aus dem

steigenden Übergang der Gemeinden zu den höchsten zulässigen Steuervorschlägen ergab, auch fiskalisch offensichtlich zum Nachteil, so daß eine organisierte Vertretung der Produzenteninteressen, wie sie in den zahlreichen Bierstreiks zum Ausdruck kam, auf einigen Erfolg rechnen konnte, so ist die Besteuerung des Branntweins ein Beispiel für die Besteuerung eines Massenverbrauchsguts, dessen Nachfrage derart strukturiert ist, daß dem Fiskus innerhalb gewisser Grenzen ein höherer und ein niedrigerer Steuersatz etwa den gleichen Ertrag einbringt.

Tabelle 16. Entwicklung des Konsums von Trinkbranntwein 1927/28-1930/31.

Betriebsjahr 1. Quart. 2. Quart. 3. Quart. 4. Quart. (Sept.-Okt.)

1927/28 187,5 146,9 122,9 171,0 1928/29 174,4 223,8 152,5 73,5 1929/30 119,9 86,3 71,5 78,6 1930/31 112,9 87,7 67,3 63,3 1931/32 96,1

Tab. 16 zeigt die Entwicklung des Branntweinkonsums, der bis 1929 einer konjunkturell starken Auftriebstendenz unterliegt. Seit 1929, d. h. genau seit Geltung der von 330 auf 400 EM. erhöhten

18*

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 29: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

268 Herbert Gross

Hektolifcereinnahme für Trinkbranntwein, zeigt sich offensichtlich ein derart starker Eückgang des Konsums, daß dieser nur durch die Er- höhung des Steuersatzes erklärt werden kann. Bemerkenswert ist, wie aus Tab. 16 zu ersehen ist, daß sich der Eückgang unmittelbar nach der Erhöhung der Hektolitereinnahme vollzieht, und zwar, von saisonalen Schwankungen abgesehen, etwa auf die Hälfte des Konsums von 1928/29. Auf diesem Niveau bleibt der Konsum bis in die Mitte des Betriebsjahres 1930/31 etwa stehen. Erst seit Mitte 1931 machen sich auch hier Eückgänge bemerkbar, die mit der Senkung der Massen- kaufkraft in Verbindung gebracht werden müssen. Die Konsument- wicklung im Betriebsjahr 1929/30 läßt nun deutlich erkennen, daß die Steigerung der Hektolitereinnahme von 330 auf 400 EM. mit einer erheblichen Überschreitung des fiskalischen Optimums verbunden war.

Allerdings erscheint die Eeduktion des Steuersatzes von 400 auf 250 EM. im März 1932 als zu weitgehend. Vergleicht man das Krisen- jahr 1931 mit dem Krisenjahr 1926, das gleichfalls unter einem starken Druck der Einkommen und des Beschäftigungsgrades gestanden hat, und nimmt man an, daß bei gleichem Preise der Konsum von 1926 etwa demjenigen von 1931 entsprochen hätte, so hätte der Kopf- konsum 1930/31 statt 0,68 1 1,04 1 betragen. Während der fiskalische Ertrag aus einem Konsum von 0,68 1 bei einem Steuersatz von 4 EM. 2,72 EM. je Liter erbrachte, hätte der Konsum von 1,04 1 bei einem Steuersatz von 2,80 1 2,88 EM. erbracht. Der Unterschied ist also nur relativ gering, vor allem im Verhältnis zu dem starken Umfang der Steuersenkung. Noch zweifelhafter wird der Mehrertrag aus der Steuer- senkung, wenn man einen Steuersatz von 2,50 EM. zugrunde legt, wie er im März 1932 tatsächlich eingeführt wurde. Die Wahrscheinlich- keit spricht also dafür, daß die Steigerung des Steuersatzes 1929 dem Fiskus einen Minderertrag gebracht hat, der durch die konjunkturelle Verschlechterung noch verschärft wurde. Die Tatsache, daß die fis- kalische Ergiebigkeit der Branntweinbelastung unter der Gesetz- mäßigkeit einer Nachfrageelastizität steht, die auf Preissteigerungen derart reagiert, daß die Gesamtausgabe der Konsumenten gleich bleibt, mag durch die Konkurrenz der Südspritimporte miterklärt werden können, wie die Monopolverwaltung betont. Jedenfalls wird das

Branntweingewerbe, vor allem der Trinkspritvertrieb im Staat keinen stark interessierten Partner bei den Bemühungen um die Senkung des

Hektoliterpreises gefunden haben. Und da die Produzenteninteressen der Brenner weitsehend durch das Bemühen des Monopolamts

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 30: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 269

gewahrt wurden, neue und umfangreichere Absatzwege zu erschließen, fand der Trinkspritvertrieb in der Vertretung seiner Interessen an einer Steuersenkung auch bei den Produzenten keine Unterstützung. Der Umstand, daß das Monopolamt die Herabsetzung des Hektoliter- preises erst im März 1932, also fast drei Jahre nach Einführung des hohen Steuersatzes, gesenkt hat, und auch dann nur unter der Vor- aussetzung, daß der Bierpreis entsprechend mit einer Senkung vorauf- gegangen wäre, läßt die fiskalische Uninteressiertheit an der Preis- senkung deutlich erkennen.

Die Steuerreserve: der Kaffeeverbrauch. Der deutsche Kaffeeverbrauch kann als ein treffendes Beispiel

für eine Verbrauchssteuer gelten, bei der die Entwicklung des Preises eine derart vollkommene Anpassung an den Kaufkraftschwund er- möglichte, daß sich der Konsum trotz gleichbleibender fiskalischer Be- lastung in vollem Umfange gegenüber 1930 halten konnte. Im Ver- gleich zu 1929 weist er sogar eine mengenmäßige Steigerung auf. Er- möglicht wurde diese für den Fiskus mit steigenden Erträgen ver- bunden gewesene Entwicklung durch den Zusammenbruch des Kaffee- weltmarktes. Der im März 1930 erhöhte Kaffeezoll ist seitdem unver- ändert geblieben. Als absoluter Gewichtszoll hat er sich allerdings mit der Entwertung des Kaffees anteilsmäßig ständig zu steigern ver- mocht. 1928 betrug der Zoll 50% des Einfuhrwertes, 1931 bereits 113% und im Mai 1932 129%. Der Eückgang des Geldaufwandes des Kon- sumenten gegenüber 1930 betrug 1931 10%. Dieser Eückgang hat ge- nügt, um den alten Konsum aufrechtzuerhalten, obwohl die Gemeinde- getränkesteuer gleichfalls einen gewissen Konsumrückgang zur Folge gehabt haben wird.

Tabelle 17. Entwicklung der deutschen Kaffee-Einfuhr.

Kalenderjahr 1000 dz Min. RM. EW. je dz 1928 1357 309,8 228 1929 1483 367,3 247 1930 1543 296,6 192 1931 1565 222,7 141 1932 Januar 130,2 15,4 118

Februar 142,8 16,3 114 März 81,0 9,3 114 April 134,0 15,3 114 Mai 82,0 9,1 119 Juni 101,9 11,3 119

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 31: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

270 Herbert Gross

1928 war der Konsument gewillt, für 486 Min. EM. 1,8 Min. dz zu verbrauchen. 1931 gibt er für 1,5 Min. dz nur 472 Min. EM. aus und davon 250 Min. für den Zoll. Es ist anzunehmen, daß er sich 1931 mit 1,3 Min. dz, d. h. mit dem Konsum von 1928 begnügt hätte; unter dieser Voraussetzung wäre ein Mehrertrag für den Fiskus in Höhe von 30 Min. EM. erzielbar gewesen. Die fiskalische Eeserve des Kaffee- zolls liegt also darin begründet, daß der Kaffeepreis stärker gesunken ist, als zur Anpassung an den Kaufkraftschwund notwendig gewesen wäre. Da zudem die Möglichkeit besteht, einen Teil des Konsums auf die billigeren Qualitäten umzulenken, erscheint eine Erhöhung des Zolls durchaus erwägenswert. Unter der Annahme, daß ein Zoll von 250 EM. den Konsum auf 1,2 Min. dz zurückgehen ließe, hätte der fiskalische Ertragsrückgang bei einem Verbrauchsrückgang von 365 000 dz, d. h. von 58 Min. EM. einen Mehrertrag von 108 Min. EM. auf den verbleibenden Konsum, d. h. im Saldo einen Mehrertrag von 50 Min. EM. zur Folge gehabt *).

Die Entwicklung der deutschen Verbrauchsbesteuerung im Gesamtsteuer system.

Die Analyse der deutschen Verbrauchssteuerpolitik seit Eintritt der Kaufkraft krise hat den Nachweis bringen können, daß die Anfang 1931 durchgesetzten Steuererhöhungen das fiskalische Optimum über- schritten haben. Dies gilt besonders von der Erhöhung der Zigaretten-, der Pfeifentabak- und der Biersteuer. Geringe Mehrerträge waren aus der Erhöhung der Zigarrenbelastung erzielbar. Im übrigen mußten sämtliche Steuererhöhungen korrigiert werden, und zwar wurde in der

Eegel die Eeduktion auf die Gesamtbelastungshöhe notwendig, die vor 1931 in Geltung gewesen waren. Damit ist zugleich indirekt heraus- gearbeitet, daß die Steuersätze vor 1931 damals zwar das fiskalische Optimum nicht völlig ausgeschöpft hatten, daß aber der Abstand vom

optimalen Steuersatz etwa gerade ausreichte, um bei seiner Aufrecht-

erhaltung 1931 eine Übersteuerung und damit eine Senkung zur An-

passung an den Kaufkraftschwund zu verhindern. Sieht man von den

x) Es soll nicht Aufgabe dieser Ausführungen sein, die möglichen Mehrerträge aus einer Anspannung der Verbrauchsbesteuerung bei bislang verschonten Objekten aufzuzeigen. Zu erwägen wäre sonst z. B. noch eine - technisch leicht zu erhebende - Steuer auf illustrierte Zeitungen und Zeitschriften, die unter Einschaltung von

Verbrauchsrückgängen und unter Zugrundelegung eines Steuersatzes von 25% etwa 25-30 Mill. RM. im Jahre eintragen würde.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 32: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 271

anfänglichen Übersteuerungen des Jahres 1931 ab, so hat sich die deutsche Verbrauchssteuerpolitik in der Bemessung ihrer Steuersätze den Notwendigkeiten der Preissenkung im fiskalischen und im pro- duktionspolitischen Interesse nicht verschließen können. Die Korrek- turen der Steuersätze begannen am ehesten bei Produkten, deren Er- lös zum wesentlichen in die Staatskassen floß. Die Korrektur erfolgte um so später, je mehr sich die Nachteile der Übersteuerung auf der produktionswirtschaftlichen statt auf der fiskalischen Seite zeigten.

Insgesamt ist es der Verbrauchsbesteuerung gelungen, den Kon- sum entbehrlicher Massengüter ohne Einschränkung durch die Schleuse ihres Steuersystems zu leiten. Ausweichungen liegen nur in geringerem Umfange vor. Keinesfalls kann innerhalb der Ge- tränkebesteuerung von einem Ausweichen zu- gunsten ausländischer Weine gesprochen wer- den. Der Konsum ausländischer Weine geht von Jahr zu Jahr zu- rück: von 1,3 Min. dz in 1928 auf 1,1 Min. dz in 1929 und auf schließ- lich 0,8 Min. dz in 1930. 1931 sank die Einfuhr sogar auf 0,68 Min. dz. Die einzige Ausweichmöglichkeit, die das Steuersystem gelassen hat, ist die winzerpolitisch bedingte Steuerfreiheit des Weinkonsums. Statistisch ist der Mehrkonsum allerdings nicht erfaßbar. Bekannt ist nur die, allerdings durch die guten Ernten der letzten Jahre verur- sachte Steigerung der Produktion an Weinmost. 1931 betrug die Ernte 2,83 Min. hl, während sie 1929 noch 2,0 Min. betrug. Die Preise haben 1931 einen scharfen Eückgang erfahren, wodurch der Gesamtertrag der Winzer nicht gestiegen, sondern gleichgeblieben sein dürfte. Die besonders in den Großstädten bemerkbare Abwanderung des Kon- sums zum Wein hätte jedoch zumindest dadurch fiskalisch eingefangen werden können, daß man die qualitativ besseren Sorten mit einer mäßigen Steuer belegte. Nimmt man an, daß nur 500 000 hl, also knapp ein Viertel der Ernte 1931 zu den qualitativ leistungsfähigeren Sorten gehört, wäre ein Steuersatz von 1 EM. je Liter immerhin in der Lage, einen Ertrag von 50 Min. EM. zu

bringen. Es besteht Grund zur Annahme, daß wegen des Qualitäts- charakters der besteuerten Weine diese ausgesprochen als Luxus- steuer anzusehende Belastung weitgehend vom Konsumenten getragen worden wäre. Dem Gros der Winzer ist jedoch vor allem dadurch ge- dient, daß der Konsum der billigen Weine unversteuert bleibt 1).

*) Vgl. die ähnlich gerichteten Ausführungen von Prof. Stucken auf der

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 33: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

272 Herbert Gross

Im Eahmen des Steuersystems haben sich die Verbrauchssteuern und Zölle seit 1929 einen steigenden Anteil an den rückgängigen Ge- samteinnahmen sichern können, wie aus Tab. 18 hervorgeht.

Tabelle 18. Entwicklung des Anteils der Verbrauchsbesteuerung an den Einnahmen des Reichs.

Verbrauchssteuern Gesamte Steuer- nungsja r ^^ Zölle einnahmen

Min. RM. % Min. RM. 1924 1549 21,1 7320 1925 1961 28,5 6855 1926 2460 34,3 7173 1927 2938 34,3 8488 1928 2876 32,2 9022 1929 2900 32,1 9026 1930 3064 34,0 9025 1931 2788 35,1 7790

Absolut haben sich die Erträge 1931/32 nur um 9% verringert, während sich der Gesamtertrag um 13,7% und die Steuern vom Ein- kommen und Vermögen um 20% verringerten. Allerdings konnten die Verbrauchssteuern ihren hohen Anteil nur deshalb aufrechterhalten, weil sie durch eine Eeihe von zusätzlichen Steuern und durch Steuererhöhungen ergänzt wurden. Die Ergänzungen bestanden vor allem in der Erhöhung von Abgaben auf Produkten des Massen- konsums ohne Luxuscharakter, d. h. in der Erhöhung der Ölzölle, der Agrarzölle und - last not least - der Zuckersteuer. Der Druck der Massenbesteuerung hat sich also in der gegenwärtigen Krise außer- ordentlich verschärft. Dagegen ist dieser Druck bei den oberen Ein- kommen verhältnismäßig unverändert geblieben. Vor allem hat die Steuerpolitik die bereits eingangs erwähnte Tatsache nicht berück- sichtigt, daß infolge der allgemeinen Kompression der Einkommens- und Vermögenspyramide die Anwendbarkeit der obersten Sätze der progressiven Einkommen- und Vermögensteuer weitgehend ausfällt. Die Progressionskurve, die innerhalb der komprimierten Einkommens- pyramide wirksam bleibt, wird sich damit erheblich verkürzt haben, so daß sich die Belastungsspannen zwischen der noch bedeutsamen obersten Einkommensschicht und der untersten erheblich verringert haben dürften. An dieser durch die voraussichtliche Kompression der

Eilsener Konferenz der Friedrich List- Gesellschaft „Kapitalbildung und Steuer- system" Bd. 2 S. 28 (Berlin 1930).

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 34: Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund Ein Beitrag zur deutschen Steuerpolitik in der Krise

Verbrauchsbesteuerung und Kaufkraftschwund. 273

Einkommenspyramide entstandenen Verflachung der effektiven Pro- gression in der Belastung der oberen Einkommen hat die zusätzliche, proportional zur geltenden Einkommensbesteuerung erhobene Krisen- zuschlagsbesteuerung nichts ändern können. Eine Korrektur der gegen- wärtig geltenden Einkommensstufen durch die Verkürzung der Pro- gressionsstaffel wäre also notwendig, um die verschärfte Anziehung der Verbrauchsbesteuerung im Gesamtsteuersystem wieder auszu- gleichen. Niemand wird bestreiten, daß angesichts des scharfen Ein- kommensschwundes die Differenz in der steuerlichen Leistungsfähig- keit zwischen einem Einkommen von 4000 EM. und einem solchen von 8000 EM. heute größer ist als 1928 und daß infolgedessen die gegen- wärtig gleich hohe Belastung beider Einkommen mit 10% dem Wan- del der Einkommenschichtung nicht entspricht. Eindeutige Aussagen über die Anpassung des gesamten Steuersystems an die absolute und relative Veränderung der Einkommensschichten lassen sich je- doch erst machen, wenn die neueren Daten vorliegen. Die letzte verfügbare amtliche Einkommensschichtenstatistik bezieht sich leider erst auf das Jahr 1928.

This content downloaded from 194.29.185.25 on Sun, 15 Jun 2014 23:58:12 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions