ursache und ablauf des tannensterbens—versuch einer zwischenbilanz

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286 P. 5ch~itt M.~RcEr, E., 1971: Versuche zur Dtirreresistenz inneralpiner ,,Trockentannen" (Abies alba Mill.). Schweiz. Z. Forstwesen, 122, 117-- 135. ScHi3"rr, P., 1977: Das Tannensterben. Forstw. Cbl. 96, 177-186. WACJ~TER, A., 1978: Deutschsprachige Literatur zum xg*{eilq~tannensterben [1830- 1978). Z. Pf]. Krank. Pfl. Schutz. 8.5, 361-381. ~0kCHTER,A., 1979: Untersuchungen zum "~'ieit~tannensterben in Baden-Wtirttemberg.Allg. Forsr- u. Jagdztg. 150, 196-203. Anschrift des l/~rfassers: Dr. J. Bo L~use,~,Das forstliche Versuchswesen in D~.nemark, Springforbivej4, DK-2938, Klampenborg Ursache und Ablauf des Tannensterbens - Versuch einer Zwischenbilanz P. Scllcrr Gut ein Jahr nach Beginn eines interdiszipli'n~iren Forschungsprogrammes t~ber die Ursache des -ISnnensterbens zeichnen slch bereits erste Ans~itze zu einer mit experimentelten Daten belegten Hypothese tiber den Ablauf der Krankheit ab. Auch ernstzunehmende Mutma- gungen tiber die Entstehung des Tannensterbens werden diskutiert. Die streckenweise noch hypothetischen Vorstetlungen werden getragen van Standortskundlern, Holzbiologen, Im- missionsforschern, Mikrobiologen, Entomotogen, Pathologen und Physiologen. Viele van ihnen schlossen sich im Verlauf der Kelbelmer Tagung im grot~en ut~d ganzen der im fol- genden skJzzierten Leirlinie an. Zwolf Monate zuvor war das noch keineswegs so. Zu jener Zelt gab es nut zwei Be- funde, die van der Mehrzahl der Fachleute als krankheitsrelevant akzeptiert wurden: - der offenkundige Zusammenhang mit Dtirreperioden, -das Zt, sammenwirken mehrerer, gleichzeitig oder nacheinander angreifender Schadens- ursachen (Komplexkrankhei~). Schon damals war jedoch abzusehen, dal~ es elne Reihe van schadigeuden Einfltissen gebea mtisse, die sehr wahl eine Rolle spieten, die jedoch als prim~ire, die Krankheit auslosende Faktoren auger Betracht bleiben k{3nnen. Dieses Konzept - es entspricht dem Wesen einer Komplexkrankheit - ist auch nach dem heutlgen Wissensstand im Tannensterben verwirklicht. Neben prim~iren, das S.vndrom auslosenden oder seinen Fortgang entscheidend gestattenden Schadensfaktoren kennen wir sekundare, rein akzessorische Parameter, die den Ablauf beschleunigen oder intensivieren. Letztere nehmen im Krankheitsvertauf keine vorbestimmte, unverriickbare Position eln - sie slnd eher austausehbar, vornehmlich vitalit~itsreduzierend und gelegentlich auch van zeitlich oder/3rtlich wechselnder Zusammensetzung. Das ~iuflere Krankheitsbild des Tannensterbens hat ohne Zweifel viel ]~hnlichkeit mit den Symptomen einer gravierenden St{srung der Wasserversorgung. Diese Paralleiitst bleibt auch nach sorgfsltigem Studium der zunachst verborgenen unterirdischen oder innerge- weblichen Symptome erhalten. Es besteht lD+bereinstimmung: Vain Tannensterben befaltene B~iume leiden an einer krankhaften St~Srung der Wasserversorgung. Selbst auf optimal wasserversorgten BiSden gelangt nicht gentigend Wasser in ihre Krone. Die Ursachen daftir scheinen unter anderem in krankhaften Ver/inderungen des Fein- wurzelsystems zu tiegen. Kranke Tannen haben einen stark erh6hten Totwurzelanteit, sie U.S. Copyright Clearance Center Code Starement: 0015 -- 8003/8 1/ 10003 -- 0286 $ 02.30/0 Forst. CbJ. 100 (1981), 286-287 1981 Vertag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0015- 8003 / InterCode: FWSCAZ

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286 P. 5ch~itt

M.~RcEr, E., 1971: Versuche zur Dtirreresistenz inneralpiner ,,Trockentannen" (Abies alba Mill.). Schweiz. Z. Forstwesen, 122, 117-- 135.

ScHi3"rr, P., 1977: Das Tannensterben. Forstw. Cbl. 96, 177-186. WACJ~TER, A., 1978: Deutschsprachige Literatur zum xg*{eilq~tannensterben [1830- 1978). Z. Pf]. Krank.

Pfl. Schutz. 8.5, 361-381. ~0kCHTER, A., 1979: Untersuchungen zum "~'ieit~tannensterben in Baden-Wtirttemberg. Allg. Forsr- u.

Jagdztg. 150, 196-203.

Anschrift des l/~rfassers: Dr. J. Bo L~use,~, Das forstliche Versuchswesen in D~.nemark, Springforbivej 4, DK-2938, Klampenborg

Ursache und Ablauf des Tannensterbens -

Versuch einer Zwischenbilanz

P. Scllcrr

Gut ein Jahr nach Beginn eines interdiszipli'n~iren Forschungsprogrammes t~ber die Ursache des -ISnnensterbens zeichnen slch bereits erste Ans~itze zu einer mit experimentelten Daten belegten Hypothese tiber den Ablauf der Krankheit ab. Auch ernstzunehmende Mutma- gungen tiber die Entstehung des Tannensterbens werden diskutiert. Die streckenweise noch hypothetischen Vorstetlungen werden getragen van Standortskundlern, Holzbiologen, Im- missionsforschern, Mikrobiologen, Entomotogen, Pathologen und Physiologen. Viele van ihnen schlossen sich im Verlauf der Kelbelmer Tagung im grot~en ut~d ganzen der im fol- genden skJzzierten Leirlinie an.

Zwolf Monate zuvor war das noch keineswegs so. Zu jener Zelt gab es nut zwei Be- funde, die van der Mehrzahl der Fachleute als krankheitsrelevant akzeptiert wurden:

- der offenkundige Zusammenhang mit Dtirreperioden, - d a s Zt, sammenwirken mehrerer, gleichzeitig oder nacheinander angreifender Schadens-

ursachen (Komplexkrankhei~). Schon damals war jedoch abzusehen, dal~ es elne Reihe van schadigeuden Einfltissen gebea mtisse, die sehr wahl eine Rolle spieten, die jedoch als prim~ire, die Krankheit auslosende Faktoren auger Betracht bleiben k{3nnen.

Dieses Konzept - es entspricht dem Wesen einer Komplexkrankheit - ist auch nach dem heutlgen Wissensstand im Tannensterben verwirklicht. Neben prim~iren, das S.vndrom auslosenden oder seinen Fortgang entscheidend gestattenden Schadensfaktoren kennen wir sekundare, rein akzessorische Parameter, die den Ablauf beschleunigen oder intensivieren. Letztere nehmen im Krankheitsvertauf keine vorbestimmte, unverriickbare Position eln - sie slnd eher austausehbar, vornehmlich vitalit~itsreduzierend und gelegentlich auch van zeitlich oder/3rtlich wechselnder Zusammensetzung.

Das ~iuflere Krankheitsbild des Tannensterbens hat ohne Zweifel viel ]~hnlichkeit mit den Symptomen einer gravierenden St{srung der Wasserversorgung. Diese Paralleiitst bleibt auch nach sorgfsltigem Studium der zunachst verborgenen unterirdischen oder innerge- weblichen Symptome erhalten.

Es besteht lD+bereinstimmung: Vain Tannensterben befaltene B~iume leiden an einer krankhaften St~Srung der Wasserversorgung. Selbst auf optimal wasserversorgten BiSden gelangt nicht gentigend Wasser in ihre Krone.

Die Ursachen daftir scheinen unter anderem in krankhaften Ver/inderungen des Fein- wurzelsystems zu tiegen. Kranke Tannen haben einen stark erh6hten Totwurzelanteit, sie

U.S. Copyright Clearance Center Code Starement: 0015 -- 8003/8 1 / 10003 -- 0286 $ 02.30/0 Forst. CbJ. 100 (1981), 286-287 �9 1981 Vertag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0015- 8003 / InterCode: FWSCAZ

Ursache und Ablau f des Tannensterbens - - I/ersuch einer Z.wischenbilanz 287

besitzen ein reduziertes ReproduktionsvermOgen des Feinwurzelsystems und sie leiden an Disharmonien der Mykorrhiza.

Allein diese Sch~iden fiihren schon zu einer ftihlbaren Verminderung der wasserauf- nehmenden Oberflache. Gleichzeitig stellen sie aber auch Wunden dar und das wiederum bedet, tet zumindest partiell eine Durchbrechung des nattirlichen, in der Rhizosphlire [oka- lisierten Abwehrsystems eines Baumes. Das Eindringen pathogener wie saprophytischer Mikroorganismen wird wesendlch erleichtert.

Vieles spricht daftir, dat] die den pathotogischen Naf~kern begleitenden oder gar auslO- senden, meist anaeroben Bakterienarten dutch unterirdische Wunden in den Baum gelan- gen. Pathologische Nat~kerne sind in den Wurzetsystemen kranker "Fannen weir verbreitet. Sie reichen in den unteren Stammbereich hinein und konnen - in Wurzel und Stature - bis zum Kambium ausufern. \Veil aber gerade im peripheren Bereich dieser Nagkerne - speziell in der sogenannten Trockenzone - die Wasserleitung drastisch reduziert wird, stellen pathologische Nai~;kerne immer dann eine Belastung ftir den ~hssertransport dar, wenn sie in den ~iul~eren Splint ausufern und damit jenen Bereich erfassen, in dem bei der Tanne das Wasser geteitet wird.

Zustitzlich zu den beschriebenen Sch~den im Feinwurzelsystem wirken demnach auch stark ausufernde pathologische Nat~kerne hemmend auf die "~hsserversorgung erkrankter "l-hnnen.

Folgten wit der Vorstellung, dag der pathologische Nai]kern yon Bakterien ausgelost wlrd, die unterirdisch - tiber Wunden - in das Wasserteitungssystem eindringen, dann handelte es sich beim Tannensterben zu Teilen um eine Bakteriose, welche gemeinsam mit anderen Ereignlssen - die Wasserversorgung der Krone gef~ihrdet. Einige der zus~itzlich angreifenden sekund~ren Schadfaktoren erschweren ebenfalls die Wasseraufnahme oder erhOhen die Transpiration und werden demnach in gteicher Richtung wirksam. Dazu geh6-- ten Immissionen yon SO 2 oder HF, wetche - unter anderem - zur Biockierung des SchlieL~mechanismus der SpaltOffnungen ftihren, dazu gehOren aber auch der Hallimasch, die Windexposltlon oder die Frosttrocknis. Standortsverhhltnisse und Mangelerscheinun- gen kOnnen ebenfalls nicht als Prim~irursache des Tannensterbens getten.

Unberiihrt yon diesem Bild des Krankheitsablaufes bleibt die Frage nach dem ausl0sen- den Ereignis, welches die am Anfang der Schadenskette stehenden Wurzelsch~.den hervor- tuft. Gerade hier fehlt es uns abet an Fakten. Die viel diskutierte, yon Ulrich aufgestellte Hypothese der Anreicherung toxisch wirkender, freier AI- und Mn-Ionen im Wurzetbe- reich, ausgelOst durch saute Niederschl~.ge, bedarf in bezug auf das Tannensterben noch der experimente]len Best:itigung. Sie h~tte den Vorteil, auch die wlederholt belegten Zu- sammenh~nge zwischen Tannensterben und Di~rreperloden erkt.~ren zu kOnnen, denn Bo- dentrocknis f0hrt nach Auffassung der Bode,lchemiker ebenfalls zu Austauschvorg:ingen und zu einem Freisetzen yon A1 und Mn_ Nach der Dtir,eperiode f~inde dann unter nor- malen Niederschtagsverhfiltnisseneine allm~ihliche Auswaschung des Aluminiums start, womit wir tiber eine zwanglose Erklarung ftir das periodische Auftreten des Tannenster- bens verf~gten.

Auch andere Erkl~rungsans~itze sind denkbar - so die durch Wa_rme ausgeksste sprunghafte Vermehrung wurzelpathogener Pilze oder die (zusatzliche) Giftwirkung hOchst toxischer Schwermetalle auf die Rhizosph~re. Eine definitive Erkl~irung ist abet nut /iber fficherumspannende experimentelle Untersuchungen zu erwarten. Daftir gibt es An- satze, abet leider noch kein umfassendes Konzept. So bleibt die Frage nach der ausRssen- den Ursache des Tannensterbens vorerst unbeantwortet. Nicht well sie sich dem wissen- schafttichen Ansatz entzOge, sondern weiles derzeit an ideelten und materiellen Vorausset- zungen zu ihrer LOsung zu fehlen scheint.

Anschrij't &s Verfassers: Prof. Dr. P~:r/:R SCHt~, Lehrstuhl f(ir Forstbotanik dec Universit~i~ Miinchen, Amalienstrai]e 52, D-8000 ,.M/~nchen 40