untersuchungen zur defektchemie von oxidnitriden im system...

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Motivation Neben der heutzutage gängigen Methode der Dotierung im Kationenteilgitter können Anionenleerstellen in Zirconiumdioxid (ZrO 2 ) auch durch teilweisen Ersatz des Sauerstoffs durch Stickstoff erzeugt werden. Hier werden Untersuchungen zu Transport- eigenschaften in quaternären Oxidnitriden des Zirconiums vorgestellt und erste Modelle zur Defektchemie präsentiert. Untersuchungen zur Defektchemie von Oxidnitriden im System Y-Zr-O-N T.C. Rödel, M. Lerch, TU Berlin [1] A. Börger, K.D. Becker, TU Braunschweig [4] M. Kilo, G. Borchardt, TU Clausthal [2] I. Kaiser-Bischoff, H. Boysen, LMU München [5] I. Valov, J. Janek, JLU Gießen [3] M. Taylor, CONICET/Argentina [6] Y - Zr - O 1500°C / 2h 1600°C / 2h 1800°C / 2h 1700°C / 2h 1900°C / 2h Untersuchungen zur Kinetik des elektrochemischen Stickstoffeinbaus Mittels Linear Sweep Voltam- metrie (LSV) und Cyclovoltam- metrie (CVA) werden die elek- trochemischen Prozesse auf der Oberfläche der dünnen Schich- ten mit Mikroelektroden unter- sucht. Eine Analyse der entstan- denen Graphen erlaubt die Ermittlung der kinetischen Para- meter der Reaktion(-en) und die elementaren Schritte des Stick- stoffeinbaus. -4,0 -3,5 -3,0 -2,5 -2,0 -1,5 -1,0 -0,5 0,0 -2,0x10 -6 -1,5x10 -6 -1,0x10 -6 -5,0x10 -7 0,0 Gegen- und Referenzelektrode Zr/ZrO 2 Arbeitselektrode - Ag T = 700 o C v = 200 mV.s -1 I [A] E [V] vs. Zr/ZrO 2 N2 N 3- Die Ergebnisse zeigen, dass es sich um einen komplexen Pro- zess handelt, der über drei oder vier Einzelschritte mit verschie- denen Aktivierungsenergien ver- läuft. SIMS Analyse Die seltenen stabilen Isotope 15 N und 18 O erlauben in Kombination mit der SIMS-Profilanalyse die Ermittlung der Beweglichkeiten dieser Konstituenten als Funktion der Zusammensetzung und der Temperatur. 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 0.1 0.2 0.3 Probe: Y-Zr-O-N mit 1,32 gew.-% N 3 x 10 16 cm -2 15 N, R P = 50 nm implantiert 15 N/( 14 N+ 15 N) Tiefe [μm] Nach Implantation 500 °C , 465 min., Vakuum 8 9 10 11 12 13 14 15 1E-17 1E-15 1E-13 1E-11 1E-9 Deghenghi: O in YSZ, 1200-1400 °C (J. Am. Ceram. Soc. 86 (2003) 169) Y-Zr-O-N mit 1,32 gew.-% N Y-Zr-O-N mit 1,55 gew.-% N D [cm 2 /s] 10000/T [1/K] 900 800 700 600 500 400 ΔH = (2,10 ± 0,1) eV ΔH = (1,76 ± 0,1) eV T [°C ] Die Diffusionskoeffizienten von 15 N in N-dotiertem Y-Zr-O-N und von 14 N in reinem YSZ sind ähnlich. Die Aktivierungsenergie (2 eV) liegt zwischen den Werten für Kationen bzw. Sauerstoff in YSZ (4 bis 5 bzw. 0,8 bis 1,3 eV). N-dotierte YSZ Schichten hergestellt durch Pulsed Laser Deposition Die gepulste Laserablation in Stickstoffatmosphäre erlaubt es, dünne N-YSZ Schichten (1-5 m) herzustellen. Der Stickstoffgehalt ist vom Abstand zwischen Target und Substrat, vom Stick- stoffpartialdruck, dem Yttriumge- halt und der Temperatur ab- hängig. SIMS-Analyse von N-dotiertem 9,5 Mol% YSZ (AG Martin-RWTH Aachen) Die so präparierten Schichten zeigen eine dunkelviolette Farbe und enthalten zwischen 2 und 8 at.% Stickstoff. Raman-spektroskopische Untersuchungen an nitridiertem Zirkoniumdioxid Im Gegensatz zur optischen oder zur ESR-Spektroskopie, die nur die zeitliche und strukturelle Ver- änderung elektronischer Defekte dokumentieren, kann man mit Hil- fe der Raman-Spektroskopie stick- stoffspezifische Schwingungsmo- den in nitridiertem ZrO 2 direkt verfolgen, also im Prinzip Ein- und Ausbaureaktion untersuchen. Aufgrund der starken Absorption des Materials im sichtbaren Be- reich sind dazu jedoch spezielle Messbedingungen (NIR-Laser) er- forderlich. Ziel weiterer Untersuchungen wird sein, den Stickstoffausbau unter insitu-Bedingungen mit Raman- Messungen zu verfolgen. 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 FT-Raman-Spektren λ exc. = 785 nm λ exc. = 1064 nm Intensität [willk.Einh.] Raman-Verschiebung [cm -1 ] Raumtemperatur-Raman-Spektren bei zwei verschiedenen Anre- gungswellenlängen. Bei der Anregung mit 785 nm sieht man ausschließlich Lumineszenzeffekte. Der Bereich lokaler Stickstoffmoden ist mit einem Pfeil gekenn- zeichnet. [1] TU Berlin, Institut für Chemie, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin [4] TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Hans-Sommer-Str. 10, D-38106 Braunschweig [2] TU Clausthal, Institut für Metallurgie, Robert-Koch-Str. 42, D-38678 Clausthal-Zellerfeld [5] LMU München, Dep. für Geo- und Umweltwissenschaften, Sekt. Kristallographie, Außenstelle für Neutronenstreuung, Am Coulombwall 1, 85748 Garching [3] JLU Giessen, Physikalisch-Chemisches Institut, Heinrich-Buff-Ring 58, D-35392 Giessen [6] CONICET-IFLP, Universidad Nacional de La Plata, CC 67, Calles 49 y 115, 1900 La Plata, Argentinien Synthese, chem. Charakterisierung: AK Lerch, TU Berlin Beugungsuntersuchungen: AK Boysen, LMU München SIMS Analyse: AK Borchardt, TU Clausthal Raman-Spektroskopie: AK Becker, TU Braunschweig LSV / CVA & Laser Deposition: AK Janek, JLU Giessen Die Untersuchungen wurden von der DFG im Rahmen des Schwerpunkt- programms ‚Substitutionseffekte in Ionenkristallen‘ gefördert. Charakterisierung Es konnten die radialen Verschiebungen der Atome um eine Leerstelle bestimmt werden. Es zeigen sich diffuse Maxima eingegliedert in die diffusen Bänder senkrecht 111. Auch eine statistische Verteilung der Leerstellen ist festzustellen. Um die Defektstrukturen (in Abhängigkeit von der Stickstoffdotierung) von Zr-Y-O-N Materialen zu bestimmen, wurden Einkristalle sowohl mit Neutronen- als auch mit Röntgenstrahlung untersucht und die diffuse Streuung analysiert. Das sich daraus ergebende Modell für die Defektcluster konnte durch die Analyse der gemittelten Struktur, die aus den (Neutronen-) Bragg-Intensitäten gewonnen wurde, bestätigt werden. Letztere erlauben außerdem bei hohen Temperaturen die Bestimmung der Diffusionswege des Sauerstoffs sowie der Aktivierungsenergien für die Migration der Anionen. vacancy ! ! ! ! ! ! "# $% &! "! $% ! "! ’ $% &! "! ’ $% ! "! $% &! "! ’ ! ! $% 0. Schicht der [1-10]-Zone Diffuse Streuung (Neutronen) PDF-Karte der (1-10)-Ebene Projektion der Verschiebungen entsprechend dem Cluster-Modell aus Neutronenmessungen Bragg-Streuung (Neutronen) = Zr = O Experimente Die Synthese von oxidnitridischen Einkristallen im System Y-Zr-O-N ist durch Eindiffusion von Stickstoff (N 2 ) in rein oxidische Kristalle möglich. Zur Nitridierung wurden kommerziell gefertigte Yttriumoxid (Y 2 O 3 , 9,5 mol%) -dotierte ZrO 2 Einkristalle mit zwei verschiedenen Orientierungen ((100), (111)) genutzt. Die Nitridierung erfolgte unter 1,06 bar Stickstoffatmosphäre in einer Graphit-beheizten Vakuumsinteranlage. Es wurde stets das gleiche Nitridierungsprogramm verwendet, einzig die Temperatur (1500 - 1900°C) und Zeit (2 - 10 h) wurden variiert.

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Page 1: Untersuchungen zur Defektchemie von Oxidnitriden im System ...ge1125/SPP_Substitution/Graphik-Dateien/lerch.pdf · Motivat ion Neben der heutzutage gängigen Methode der Dotierung

MotivationNeben der heutzutage gängigen Methode der Dotierung im Kationenteilgitter können Anionenleerstellen in Zirconiumdioxid (ZrO2) auch durch teilweisen Ersatz des Sauerstoffs durch Stickstoff erzeugt werden. Hier werden Untersuchungen zu Transport-eigenschaften in quaternären Oxidnitriden des Zirconiums vorgestellt und erste Modelle zur Defektchemie präsentiert.

Untersuchungen zur Defektchemie von Oxidnitriden im System Y-Zr-O-N

T.C. Rödel, M. Lerch, TU Berlin [1] A. Börger, K.D. Becker, TU Braunschweig [4]

M. Kilo, G. Borchardt, TU Clausthal [2] I. Kaiser-Bischoff, H. Boysen, LMU München [5]

I. Valov, J. Janek, JLU Gießen [3] M. Taylor, CONICET/Argentina [6]

Y - Zr - O 1500°C / 2h 1600°C / 2h

1800°C / 2h1700°C / 2h 1900°C / 2h

Untersuchungen zur Kinetik des elektrochemischen

Stickstoffeinbaus

Mittels Linear Sweep Voltam-metrie (LSV) und Cyclovoltam-metrie (CVA) werden die elek-trochemischen Prozesse auf der Oberfläche der dünnen Schich-ten mit Mikroelektroden unter-sucht. Eine Analyse der entstan-denen Graphen erlaubt die Ermittlung der kinetischen Para-meter der Reaktion(-en) und die elementaren Schritte des Stick-stoffeinbaus.

-4,0 -3,5 -3,0 -2,5 -2,0 -1,5 -1,0 -0,5 0,0

-2,0x10 -6

-1,5x10 -6

-1,0x10 -6

-5,0x10 -7

0,0Gegen- und Referenzelektrode Zr/ZrO 2

Arbeitselektrode - Ag

T = 700oC

v = 200 m V.s -1

I [A

]

E [V] vs. Zr/ZrO2

N2

N3-

Die Ergebnisse zeigen, dass es sich um einen komplexen Pro-zess handelt, der über drei oder vier Einzelschritte mit verschie-denen Aktivierungsenergien ver-läuft.

SIMS Analyse

Die seltenen stabilen Isotope 15N und 18O erlauben in Kombination mit der SIMS-Profilanalyse die Ermittlung der Beweglichkeiten dieser Konstituenten als Funktion der Zusammensetzung und der Temperatur.

0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0

0.1

0.2

0.3Probe: Y-Zr-O-N m it 1,32 gew.-% N

3 x 1016 cm -2 15N, RP = 50 nm implantiert

15 N

/(1

4 N+

15 N

)

Tiefe [µm]

Nach Im plantation 500 °C , 465 m in., Vakuum

8 9 10 11 12 13 14 151E-17

1E-15

1E-13

1E-11

1E-9

Deghenghi: O in YSZ, 1200-1400 °C

(J. Am. Ceram. Soc. 86 (2003) 169)

Y -Zr-O -N m it 1,32 gew .-% N

Y -Zr-O -N m it 1,55 gew .-% N

D [

cm2/s

]

10000/T [1/K]

900 800 700 600 500 400

∆H = (2 ,10 ± 0 ,1) eV

∆H = (1 ,76 ± 0 ,1) eV

T[°C ]

Die Diffusionskoeffizienten von 15N in N-dotiertem Y-Zr-O-N und von 14N in reinem YSZ sind ähnlich.Die Aktivierungsenergie (2 eV) liegt zwischen den Werten für Kationen bzw. Sauerstoff in YSZ (4 bis 5 bzw. 0,8 bis 1,3 eV).

N-dotierte YSZ Schichten hergestellt durch Pulsed Laser

Deposition

Die gepulste Laserablation in Stickstoffatmosphäre erlaubt es, dünne N-YSZ Schichten (1-5 �m) herzustellen. Der Stickstoffgehalt ist vom Abstand zwischen Targetund Substrat, vom Stick-stoffpartialdruck, dem Yttriumge-halt und der Temperatur ab-hängig.

SIMS-Analyse von N-dotiertem 9,5 Mol% YSZ(AG Martin-RWTH Aachen)

Die so präparierten Schichten zeigen eine dunkelviolette Farbe und enthalten zwischen 2 und 8 at.% Stickstoff.

Raman-spektroskopische Untersuchungen an nitridiertem

Zirkoniumdioxid

Im Gegensatz zur optischen oder zur ESR-Spektroskopie, die nur die zeitliche und strukturelle Ver-änderung elektronischer Defekte dokumentieren, kann man mit Hil-fe der Raman-Spektroskopie stick-stoffspezifische Schwingungsmo-den in nitridiertem ZrO2 direkt verfolgen, also im Prinzip Ein- und Ausbaureaktion untersuchen.

Aufgrund der starken Absorption des Materials im sichtbaren Be-reich sind dazu jedoch spezielle Messbedingungen (NIR-Laser) er-forderlich.

Ziel weiterer Untersuchungen wird sein, den Stickstoffausbau unter insitu-Bedingungen mit Raman-Messungen zu verfolgen.

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 40000.00

0.05

0.10

0.15

0.20

0.25

0.30 FT-Raman-Spektren

λλλλexc. = 785 nm λλλλexc. = 1064 nm

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h.]

Raman-Verschiebung [cm-1]

Raumtemperatur-Raman-Spektren bei zwei verschiedenen Anre-gungswellenlängen. Bei der Anregung mit 785 nm sieht man ausschließlich Lumineszenzeffekte.Der Bereich lokaler Stickstoffmoden ist mit einem Pfeil gekenn-zeichnet.

[1] TU Berlin, Institut für Chemie, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin [4] TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Hans-Sommer-Str. 10, D-38106 Braunschweig

[2] TU Clausthal, Institut für Metallurgie, Robert-Koch-Str. 42, D-38678 Clausthal-Zellerfeld [5] LMU München, Dep. für Geo- und Umweltwissenschaften, Sekt. Kristallographie, Außenstelle für Neutronenstreuung, Am Coulombwall 1, 85748 Garching

[3] JLU Giessen, Physikalisch-Chemisches Institut, Heinrich-Buff-Ring 58, D-35392 Giessen [6] CONICET-IFLP, Universidad Nacional de La Plata, CC 67, Calles 49 y 115, 1900 La Plata, Argentinien

Synthese, chem. Charakterisierung: AK Lerch, TU Berlin

Beugungsuntersuchungen: AK Boysen, LMU München

SIMS Analyse: AK Borchardt, TU Clausthal

Raman-Spektroskopie: AK Becker, TU Braunschweig

LSV / CVA & Laser Deposition: AK Janek, JLU Giessen

Die Untersuchungen wurden von der DFG im Rahmen des Schwerpunkt-programms ‚Substitutionseffekte in Ionenkristallen‘ gefördert.

Charakterisierung

Es konnten die radialen Verschiebungen der Atome um eine Leerstelle bestimmt werden. Es zeigen sich diffuse Maxima eingegliedert in die diffusen Bänder senkrecht �111�. Auch eine statistische Verteilung der Leerstellen ist festzustellen.

Um die Defektstrukturen (in Abhängigkeit von der Stickstoffdotierung) von Zr-Y-O-N Materialen zu bestimmen, wurden Einkristalle sowohl mit Neutronen- als auch mit Röntgenstrahlung untersucht und die diffuse Streuung analysiert. Das sich daraus ergebende Modell für die Defektcluster konnte durch die Analyse der gemittelten Struktur,die aus den (Neutronen-) Bragg-Intensitäten gewonnen wurde, bestätigt werden. Letztere erlauben außerdem bei hohen Temperaturen die Bestimmung der Diffusionswege des Sauerstoffs sowie der Aktivierungsenergien für die Migration der Anionen.

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0. Schicht der [1-10]-Zone

Diffuse Streuung (Neutronen)PDF-Karte der (1-10)-Ebene

Projektion der Verschiebungen entsprechend dem Cluster-Modell aus Neutronenmessungen

Bragg-Streuung (Neutronen)

= Zr = O

ExperimenteDie Synthese von oxidnitridischen Einkristallen im System Y-Zr-O-N ist durch Eindiffusion von Stickstoff (N2) in rein oxidische Kristalle möglich. Zur Nitridierung wurden kommerziell gefertigte Yttriumoxid (Y2O3, 9,5 mol%) -dotierte ZrO2 Einkristalle mit zwei verschiedenen Orientierungen ((100), (111)) genutzt. Die Nitridierung erfolgte unter 1,06 bar Stickstoffatmosphäre in einer Graphit-beheizten Vakuumsinteranlage. Es wurde stets das gleiche Nitridierungsprogramm verwendet, einzig die Temperatur (1500 - 1900°C) und Zeit (2 - 10 h) wurden variiert.