untersuchungen über die korrosion von abnehmbaren kieferorthopädischen apparaturen durch...

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570 Fortschritte der Kieferorthop~idie 36 (1975) 570--582 Aus der Zahn- und Kieferklinik der Universit~it Innsbruck (Vorstand: Prof. Dr. H. W u n- d e r e r) und dem Institut fiir Allgemeine und Analytische Chemie der Montanistischen Hochschule Leoben (Vorstand: Prof. Dipl.-Ing. Dr. H. Z i t t e r) Untersuchungen fiber die Korrosion von abnehmbaren kieferorthop~idischen Apparaturen durch selbstt~itige Reinigungsmittel Von P. Pitner, Leoben und B. Rossiwall, Innsbruck Mit 9 Abbildungen 1. Einleitung Zur Reinigung im Mund getragener abnehmbarer kieferorthop~idischer Ap- parate bieten sich besonders selbstt~itige chemische Reinigungsl6sungen an. Als L6sungen sind sie nicht abrasiv, dringen auch entsprechend in Retentionsstellen ein, wie sie Dehnelemente, S~gespalten und Klammerans~itze als Schmutz- nischen darstellen, und schliel~en zudem Besch~idigungen aus, wie sie mit me- chanischer Biirstenreinigung einhergehen k~Snnen. FiJr die regelm~it~ige selbstt~itige Prothesenreinigung haben sich oxydierend wirkende Pr~iparate gegeniiber ebenfalls kommerziell angebotenen starken S~iuren und Basen durchgesetzt, da sie keine grob auffallende Korrosion an Pro- thesenkunststoffen und -legierungen zeigten [2]." Weiters sind oxydative Rei- niger gefahrlos fiir Kinder [7], besch~digen keine Kleidung, bel~stigen nicht durch Geruch und sind als Pulver und Tabletten leicht fiir den Patienten hand- zuhaben [5]. Gerade die Forderung nach Ungef/ihrlichkeit fiir das Kind und den jugend- lichen Patienten, gepaart mit optimaler einfach durchftihrbarer S~uberung ,sowie desodorierender und desinfizierender Wirkung, scheinen bei einem neuen kie- ferorthop~idischen Spezialreiniger (Kukis | Kurt KRISP KG, Weinheim) bei regelm~it~iger Anwendung weitgehend erfiillt zu sein. Bisherige klinische Erfah- rungen unterstreichen dies. In der Kieferorthopadie verwendete kaltpolymerisierende Akrylatkunst- stoffe und fiir Dehnelemente verarbeitete Legierungen [8] lassen jedoch irn Vergleich zu Prothesenmaterialien sogar verminderte Korrosionsresistenz er- warten. Ferner zeigen sauerstoffreisetzende selbstt~itige Reiniger verschiedener Rezeptur bei differenzierten Tests unterschiedliches Oberfl~ichenverhalten [1, 9, 10] an Prothesenkunststoffen, was auf kein vollkommen neutrales Verhalten mancher Mittel schlief~en l~if~tund eine Materialbeeintrgchtigung mit sich brin-

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Page 1: Untersuchungen über die Korrosion von abnehmbaren kieferorthopädischen Apparaturen durch selbsttätige Reinigungsmittel

570 Fortschritte der Kieferorthop~idie 36 (1975) 570--582

Aus der Zahn- und Kieferklinik der Universit~it Innsbruck (Vorstand: Prof. Dr. H. W u n- d e r e r) und dem Institut fiir Allgemeine und Analytische Chemie der Montanistischen

Hochschule Leoben (Vorstand: Prof. Dipl.-Ing. Dr. H. Z i t t e r)

Untersuchungen fiber die Korrosion von abnehmbaren kieferorthop~idischen Apparaturen durch selbstt~itige

Reinigungsmittel

Von P. Pitner, Leoben und B. Rossiwall, Innsbruck Mit 9 Abbildungen

1. Einleitung

Zur Reinigung im Mund getragener abnehmbarer kieferorthop~idischer Ap- parate bieten sich besonders selbstt~itige chemische Reinigungsl6sungen an. Als L6sungen sind sie nicht abrasiv, dringen auch entsprechend in Retentionsstellen ein, wie sie Dehnelemente, S~gespalten und Klammerans~itze als Schmutz- nischen darstellen, und schliel~en zudem Besch~idigungen aus, wie sie mit me- chanischer Biirstenreinigung einhergehen k~Snnen.

FiJr die regelm~it~ige selbstt~itige Prothesenreinigung haben sich oxydierend wirkende Pr~iparate gegeniiber ebenfalls kommerziell angebotenen starken S~iuren und Basen durchgesetzt, da sie keine grob auffallende Korrosion an Pro- thesenkunststoffen und -legierungen zeigten [2]." Weiters sind oxydative Rei- niger gefahrlos fiir Kinder [7], besch~digen keine Kleidung, bel~stigen nicht durch Geruch und sind als Pulver und Tabletten leicht fiir den Patienten hand- zuhaben [5].

Gerade die Forderung nach Ungef/ihrlichkeit fiir das Kind und den jugend- lichen Patienten, gepaart mit optimaler einfach durchftihrbarer S~uberung ,sowie desodorierender und desinfizierender Wirkung, scheinen bei einem neuen kie- ferorthop~idischen Spezialreiniger (Kukis | Kurt KRISP KG, Weinheim) bei regelm~it~iger Anwendung weitgehend erfiillt zu sein. Bisherige klinische Erfah- rungen unterstreichen dies.

In der Kieferorthopadie verwendete kaltpolymerisierende Akrylatkunst- stoffe und fiir Dehnelemente verarbeitete Legierungen [8] lassen jedoch irn Vergleich zu Prothesenmaterialien sogar verminderte Korrosionsresistenz er- warten. Ferner zeigen sauerstoffreisetzende selbstt~itige Reiniger verschiedener Rezeptur bei differenzierten Tests unterschiedliches Oberfl~ichenverhalten [1, 9, 10] an Prothesenkunststoffen, was auf kein vollkommen neutrales Verhalten mancher Mittel schlief~en l~if~t und eine Materialbeeintrgchtigung mit sich brin-

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gen kSnnte. Um im speziellen die Frage zu kl~iren, ob und inwieweit dieser neue KFO-Spezialreiniger Kunststoffoberfl~ichen im mikrostrukturellen Bereich be- einflut~t, wurden elektronenmikroskopische Untersuchungen an Kunststoff- oberfl~ichen durchgefiihrt. Der Anlag, den Angriff yon Reinigungsmitteln auf Legierungen fiir Dehnelemente zu untersuchen, war durch das h~iufige Auftre- ten von Korrosionsf~illen gegeben [8], wie an einem kieferorthop~idischen Ap- parat in Abbildung 8 gezeigt wird, wobei vor allem der starke narbige Angriff auff~illt. Analysen von Spindeln, FiJhrungsstiften und Korpus zeigten, daf~ das Grundmaterial aus Neusilber bestand, das Korpus versilbert, die Spindel mit Blei legiert waren. EIber die Tragedauer und die Art der Reinigung konnten keine genauen Angaben erhoben werden. Die Untersuchungen erstreckten sich auf die iiblicherweise bei Dehnelementen verwendeten Legierungen. Zus~itz- lich wurde auch die zeitliche Ver~inderung des Redoxpotential und des pH- Wertes untersucht.

2. Material und Versuchsanordnung

2.1 Legierungen

Laut Angaben der Hersteller werden ffir Dehnschrauben folgende Legierun- gen verwendet: Neusilber, teilweise verchromt und vernickelt; rostfreier Stah| (18/8 CrNi-Stahl, mit S oder Se legiert). Deshalb wurden folgende MetalIe bzw. Legierungen untersucht: Nickel, Silber, Neusilber, 18/8 Stahl. Die Proben wur- den mit einer Stromzufiihrung versehen, in Kunststoff eingegossen und an der Stirnseite angeschliffen.

2.2 Kunststoff

Getestet wurden auf der Basis des Pulver (,Polymer")-Fl~issigkeits ( ,Mono- rner")-Verfahrens nach Firmenangabe verarbeitete heit~- und kaltpolymeri- sierte Akrylate (Paladon 65, Paladur rosa, Fa. Kulzer, Bad Homburg). Poly- merisation der Kunststoffteige zwischen Glasplatten unter Pret~druck lie~ aus- reichend homogene Hochglanzfl~ichen zu (Abb. 1, Abb. 2 (--*)). Bruchfl~ichen wurden nicht herangezogen (Abb. 2 (x)). Dies einerseits wegen der grol~en Va- rianz der Topographie, die durch unkontrollierte Druck-, Zug- und Scherkr~ifte entsteht, und andererseits die Hochglanzflichen den praktisch fiir den Patienten zur Anwendung komrnenden Kunststoffoberfl~ichen eher gleichen als Bruch- flichen. Proben aus jeweils einem Herstellungsgang sorgten fi~r m(Sglichst stan- dardisiertes Testmaterial.

2.3 Zusammensetzung und Wirkungsweise des kieferorthop~dischen Reinigers (nach Firmenangaben)

Der selbstt~itige chemische Schnellreiniger f/ir abnehmbare kieferorthop~idi- sche Apparate (KUKIS | Fa. Kurt Krisp KG, Weinheim) enth~ilt nach Firmen-

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Abb. 1. Luftgelagertes Kontrollpr/iparat eines hei~polymerisierten Akrylats. ( ~) normale Oberfl~ichenvariationen. Orig. Vergr. ca. 1000fach

angabe die Peroxydverbindungen Natriumperborat und Kaliumpersulfat, die in w~t~riger L6sung bei Anwesenheit bestimmter Stoffe zerfallen und Sauer- stoff in statu nascendi freisetzen. Dadurch werden organis&e Verunreinigun- gen oxydiert und dabei die Desinfektion und Desodorierung erreicht. Zus~itz- lich befinden sich noch Enth~rtungsmittel zur komplexen Bindung der Harte- bildner in den Tabletten. Im alkalischen Milieu werden fettige Verunreinigun- gen verseift und emulgiert. Waschaktive Substanzen erhShen die Benetzbarkeit und verringern die Oberfl~chenspannung des Wassers. Die desinfizierende Wirkung der Peroxydverbindungen wird durch p-Hydroxibenzoes~iureester noch erweitert. Geruchskorrigentien, Farbzus~itze und Tablettierungshilfsmit- tel erg~inzen die Zusammensetzung.

2.4 Testbiider

Zur Untersuchung der Legierungen wurde das Reinigungsmittel in einer Konzentration angesetzt, die der praktischen Anwendung entspricht (d. h. 2

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Abb. 2. Hei~polymerisiertes Akrylat. (-----~) homogene Hochglanzoberfl/iche, (x) schollen- artige Kunststoffkonfigurationen auf der Bruchfl~iche. Orig. Vergr. ca. lO00fach

Tabletten wurden in etwa 250 ml Leitungswasser gel6st). Die Messungen er- folgten bei Raumtemperatur (17 bis 23 ~ C), die Zeitdauer betrug pro Messung 20 bis 30 Stunden.

Die Reinigungsb~ider zur Kunsts toff tes tung wur:~.en nach Angaben des Er- zeugers angesetzt. Das aqua fontis hatte ca. 25 ~ C, pH 7 bis 8, Karbonath~irte 4.5, Gesamth~irte 6.8, Calzium 33 mg pro Liter und Magnesium 10 mg pro Liter. Die Kunststofftestplattchen hingen an rostfreiem Edelstahldraht frei in dem Bad. Die Versuchsdauer betrug 42 Tage mit 140 B~iderzyklen. Nach 12 Tagen mit 65 B~iderwechseln wurden Proben einer Kontrolluntersuchung zugef~ihrt. Zwischen dem B~iderwechseln wurden die Kunststoffpl~ittchen unter fliet~endem Leitungswasser abgesp~ilt, ansonsten |agerten sie st~indig im Testbad.

2.5 Elektronenmikroskopische Untersuchungen

Rasterelektronenmikroskopisch wurden Kunststoffpl~ittchen nach 65 und 140 B~iderzyklen, sowie lufttrocken und in aqua fontis-B~idern gelagerte Kon-

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Abb. 3. Kaltpolymerisiertes Akrylat nach 65 B~iderzyklen in Kukis| (x) vorpoly- merisierte .Polymerk/Srper". Orig. Vergr. ca. 1000fach

t ro l lp l / i t t chen un te r such t . U n t e r l i ch top t i scher K o n t r o l l e w u r d e n charak te r i s t i - sche Bez i rke m i t e inem D u r c h m e s s e r von 5 bis 7 m m a u s g e w a h l t und mi t Go ld b e d a m p f t . D iese pr~ipar ier ten P r o b e n k o n n t e n mi t d e m R a s t e r e l e k t r o n e n m i k r o - s k o p 1 un t e r such t we rden . M i k r o p h o t o g r a p h i e n u n t e r ca. 1000facher Vergr6t~e- r u n g d i e n t e n z u r w e i t e r e n A u s w e r t u n g und D o k u m e n t a t i o n .

1 Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen konnten am Jeol-Rasterelektronenmikro- skop inn Fachbereich klinisch-theoretische Medizin der Freien Universitiit Berlin durchge- fi.ihrt werden. Besonders Herrn Prof. Dr. H. N e w e s e I y danken wir fiir seine Unter- stiitzung.

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Abb. 4. Heif~polymerisiertes Akrylat nach 65 B~iderzyklen in Kukis| ( ~) nor- male Oberfliicheninhomogenit~iten. Orig. Vergr. ca. 1000fach

3. Ergebnisse

3.1 Kunststoffe

Heit~polymerisierte Kunststoffe aus den Testb~idern, wie z. B. in Abb. 4 und Abb. 5 zeigen aut~er den auch normal auf t re tenden Oberfl~ichenvariationen keine Ver~inderungen im Sinne von Erosion bzw. Korrosion im Vergleich mit der Morphologie lufttrocken gehaltener Kontrolloberfl~ichen (Abb. 1). Unter- schiede zwischen 65 und 140 Biderzyklen traten weder fiir heit~polymerisierte noch fiir kahpolymerisierte Akrylate auf.

Die fiir dieses Kaltpolymerisat charakteristischen sphiirischen Strukturen ((]) ca. 15 bis 40 ~m), wie mit (x) in Abb. 3 und Abb. 6 gekennzeichnet, t reten an allen Test- und Kontrolloberfl~ichen in Erscheinung. An den Grenzfl~ichen zum ZweitDolymerisat oder an der in terpolymeren Zwischenschicht, also jener

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Abb. 5. Hei~polymerisiertes Akrylat nach 140 B/iderzyklen in Kukis| ( 7) Ober- fl~ichenvariationen. Orig. Vergr. ca. 1000fach

Zone aus Zweitpolymerisat, sind ebenfalls keine topographischen Ver~nderun- gen sichtbar, die f/ir Korrosion sprechen. Geringftigige normale Oberfl~ichen- inhomogenit~iten, wie sie in den Kontrollen auftraten, sind ohne Bedeutung.

Grol]e Auflagerungen und Rtickst~inde sind nach Abspiilen unter Leitungs- wasser nicht vorhanden. Als Nebenbefund sei noch eine geringf~igige Ver~inde- rung des Paladur rosa in einen leichten Orangefarbton bei s~imtlichen getesteten und in Brunnenwasserbad gelagerten Paladur-rosa-P1/ittchen im Vergleich zu den luftgetrockneten Proben vermerkt.

3.2 Legierungen

In einer L6sung von KUKIS | wurde der zeitliche Verlauf des pH-Wertes und des Redoxpotentials verfolgt, um Anhaltspunkte f/Jr eine elektrochemische Kor- rosion zu gewinnen.

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Abb. 6. Kaltpolymerisiertes Akrylat nach 140 Biiderzyklen in Kukis| (x) ,,Poly- merk6rper", (-----+) Schwebeteilchen bzw. normale Oberfl~icheninhomogenit~iten.

Orig. Vergr. ca. 1000fach

Der pH-Wert der L/Ssung betrug zu Beginn des Versuches 8,9; das Redox- potential etwa § 400 mVH; dies entspricht einem rH-Wert von etwa 32.

W~ihrend der Versuchsdauer steigt der pH-Wert leicht an (bis 9,3), das Re- doxpotential f~illt tangsam ab, damit auch der rH-Wert (siehe Abb. 9).

Die Ruhepotentiale der Legierungen liegen relativ hoch. W~ihrend Nickel und der 18/8 Stahl keinen Angriff aufweisen, wird das Neusilber etwas angegriffen und auch das Silber iiberzieht sich mit einem dunklen Belag.

4. Diskussion

4.1 MetalIe und Legierungen

Die Ergebnisse zeigen, daft Dehnschraubenmaterial aus nichtpassivierbaren Legierungen (Neusilber) bei l~ingerer Einwirkung eines alkalis& oxydierenden

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Abb. 7. Zahlreiche plattenartige ( 7) bis kleinkt~rnige (x) Ablagerungen auf Heit~poly- merisatoberfl~iche yon Prothesenreinigungsl~Ssung Steradent nach 130 B~iderzyklen.

Orig. Vergr. ca. 1000fach

Elektrolyten doch angegriffen wird. Dauer der Ruhepotentialmessungen be- tr~igt 30 Stunden, die Einwirkungszeit ~iblicher Reinigungsb~ider nach Angaben des Herstellers 10 bis 15 Minuten.

Wie friihere Untersuchungen zeigten [8], weisen Dehnschrauben aus unzu- reichend best~_ndigen Materialien bereits Korrosion durch Leitungswasserein- flu~ auf.

Allgemein mut~ auch eine Nickel-, Ag- oder Chrom-Schutzschicht auf Neu- silber als ung/.instig angesehen werden, da bei einer Verletzung dieser Schutz- schicht mit verst~irkter lokaler Korrosion des Grundwerkstoffes zu rechnen ist. Eine Kombination von Neusilber mit anderen Legierungen ist abzulehnen.

Bei Verwendung von nicht materialhomogenen Schrauben kam es klinisch zu zahlreichen Schadensf/illen, da diese Werkstiicke den im Mund auftretenden chemischen und elektrochemischen Korrosionsbeanspruchungen nicht geniigen [8]. Ftir die Herstellung yon Dehnschrauben sollten deshalb solche Materialien

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Abb. 8. Korrosionsangriff an einer kieferorthop~idischen Dehnschraube, 15fache VergrSf~erung

500

400

300

"~ "~o "'0h

' 79

Abb. 9. Zeitliche Verschiebung von pH-Wert und Redoxpotential in Kukis| w~ih- rend der Versuchsdauer

wegen ihrer zu geringen Best~indigkeit nicht verwendet werden. Dehnschrau- ben aus passivierbaren Legierungen dagegen werden durch das hohe Redox- potential der ReinigungslSsungen passiviert und korrodieren nicht. Eine 8rt- liche Entpassivierung kSnnte abet ebenfalls gef~ihrlich werden. Es mut~ also Vorsorge getroffen werden, alle Teile der kieferorthop~idischen Dehnschrauben

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aus dem gleichen passivierbaren Material zu fertigen, so dalg weder eine galva- nische Korrosion noch eine ~Srtliche Korrosion auftreten kann. Diese Forderung wird auch bei der Anwendung metallischer Implantate in der Unfallchirurgie ausgesprochen [3].

Bei der Verwendung von Dehnschrauben aus passivierbaren Legierungen, wie sie fiir den Verbleib in der Mundh~Shle durch ihre Korrosionsbest~indigkeit geeignet erscheinen, ist auch durch den Reiniger kein Korrosionsangriff zu er- warten.

4.2 Kunststoffe

Ann~ihernd gleiche Versuchsbedingungen, wie sie bereits zur bewahrten Testung von diversen oxydativen Prothesenreinigern herangezogen wurden [9], erm/Sglichen den Vergleich der Kunststoff-Oberfl~ichentopographie dieser Untersuchung mit den Oberfl~ichen, die diversen anderen oxydativen Prothesen- reinigern ausgesetzt waren.

Die Kunststoffoberfl~ichen aus dem Kurz- (65 B~iderzyklen) und Langzeit- versuch (140 B~iderzyklen) gleichen im wesentlichen den Luft- und aqua fontis- Kontrollkunststoffen. Auf den Ausbildungen herausgestellte Oberfl~ichen- variationen sind durch die Oberfl~ichengestalt der Glasplatten bedingt, gegen die der Kunststoffteig unter Druck polymerisierte. Ferner sind Schwebeteilchen aus dem Wasser und der Luft ohne Bedeutung.

Zur Beurteilung yon korrosiven Ver~inderungen im mikrostrukturellen Be- reich, wie sie mit dem Rasterelektronenmikroskop in einem fast dreidimensio- nal wirkenden Bild mit grol~er Sch~irfentiefe erfat~t werden k/Snnen, bieten sich speziell Kaltpolymerisate an. Sie gelten als geringer polymerisiert, wodurch sich chemisch-physikalische Korrosionen st~irker auswirken als bei Heif~poly- merisaten. Oxydative Prozesse scheinen auch geeignet, bei Abbauvorg~ingen dieser Akrylate eine Rolle zu spielen [4], die sich wie bei korrosiven An~itzun- gen durch Zahnpasten [6] besonders an der intetpolymeren Substanz bzw. an dem l]bergang yon vorpolymeri.siertem Polymer, es imponiert als sph~irische Gebilde (in Abb. 3, 5 u. 6), zum Zweitpolymerisat manifestieren w~irde. Diese Zonen erscheinen jedoch unver~indert. Es treten somit An~itzungen durch diese untersuchte oxydative Selbstreinigungsl6sung weder bei Heif~- noch bei Kalt- polymerisaten in Erscheinung.

Auch zeigt sich, dat~ auf den getesteten Kunststoffen nach Absp/ilen im Ver- gleich z. B. mit dem Prothesenschnellreiniger Steradent (Reckitt Colman, Ldt., Hull) (Abb. 7) Ablagerungen nicht sichtbar sind. Von S c h m i d t [10] wurde ebenfalls auf diese besonderen Ablagerungen aus Steradent-Reinigungsl6sun- gen unter anderen Versuchsbedingungen hingewiesen. Die m/Sgliche klinische Bedeutung scheint noch nicht gekl~irt.

Die beobachtete Oranget/Snung, die bei aqua fontis-Kaltpolymerisat-Kon- trollen (nach Empfehlung des Herstellers bereitet) ebenso wie bei Proben aus dem Reinigungsbad auftrat, kann durch Einlagerung von Wasser oder Luft in die Kunststoffoberfl~iche bedingt sein, ohne dat~ es zu direkten Ver~inderungen des Farbstoffes kommt, der vom Kunststoff umschlossen ist. Die Einlagerungen

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k 6 n n e n d u r c h a u s t r e t e n d e s n i c h t p o l y m e r i s i e r t e s , M o n o m e r " b e g i i n s t i g t w e r -

d e n , w a s w i e d e r u m f i i r so l che g e r i n g f i i g i g e n F a r b t o n v e r s c h i e b u n g e n m i t v e r a n t -

w o r t l i c h s e i n k a n n . Bei h e u t i g e n g u t e n K u n s t s t o f f e n k o m r n e n a u s g e p r ~ i g t e V e r -

f ~ i r b u n g e n u n d E n t f ~ i r b u n g e n u n t e r N o r m a l b e d i n g u n g e n e r f r e u l i c h e r w e i s e

n i c h t v o r .

Zusammenfassung

Werkstoffe fiir abnehmbare kieferorthop~idische Apparate (Legierungen yon Dehnele- menten, heit~- und kaltpolymerisierte Akrylate) wurden hinsichtlich m6glicher korrosiver Beeinflussung durch ein neues kieferorthop~idisches selbstt~itiges chemisches Reinigungs- mittel untersucht.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen weisen auf keine mikromorphologischen Ver- ~inderungen der Kunststoffoberfl/ichen im Sinne von Erosion bzw. Korrosion hin. Bei Ver- wendung passivierbarer Legierungen, wie sie fiir kieferorthop~idische Schrauben zu fordern sind, kann angenommen werden, dag die Legierungen von Kukis | Reinigungsb~idern unter den iiblichen Bedingungen nicht angegriffen werden.

Summary

Materials used in the construction of or thodontic appliances such as the alloys in ex- pansion screws, heat curing acrylics, and self-curing acrylics were invest igated regard- ing any possible corrosion result ing from the use of a new chemical immersion cleanser for removable orthodontic appliances.

Electronmicroscopic findings did not indicate micromorphological al terat ions of resin surfaces which could be interpreted as the effect of corrosion. W h e n passivated alloys are used as requested for orthodontic screws, it can be assumed that Kukis| solutions will not corrode such alloys under the cleansing conditions recommended by the producer.

R6sum~

Des mat6riaux, utilis6s pour des appareils d 'or thodont ie amovibles (alliages pour les vis d'expansion, r6sines acryliques polym6risant ~ chaud ou h froid) ont 6t6 6tudi4s en fonction de l 'influence corrosive 6ventuelle qu 'une nouvelle substance chimique d 'autonet toyage pourrait produire.

Des examens 61ectromicroscopiques ne r6v61ent aucune modification micromorpho- logique des surfaces de r6sine qu 'on pourrai t interpr6ter comme une 6rosion ou une corro- sion. Quand des alliages de type passif sont employ6s ou indiqu6s pour des vis d 'or tho- dontie, on a pu d6montrer que les solutions de net toyage de Kukis | utilis6es selon le mode d'emploi, n 'a t taquaient pas les alliages.

Schrifttum

1. A c k m a n n , U.: Die Einwirkung selbstt~itiger Prothesenreinigungsmit te l auf das Prothesenbasismaterial . Diss. Erlangen-Niirnberg 1970. -- 2. A n t h o n y , D. H., P. G i b - b o n s : The nature and behavior of denture cleansers. J. prosth. Dent. 8 (1958), 796. - - 3. F r a n k , E., H. Z i t t e r : Metallische Implantate in der Knochenchirurgie. J. Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1971. -- 4. J a n k e , G.: fdber Abbauvorg~inge an zahn~irzt-

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5 8 2 For tschr i t te de r Kieferor thop~idie 36 (1975) 570--582

l ichen K u n s t s t o f f e n ( A l t e r u n g durch Kor ros ion) . Dtsch. zahn/ irzt l . Z. 22 (1967), 684. - - 5. L a n g w e 11, W . H . : T h e c l e a n s i n g of art if icial den tu re s . Brit. dent . J. 99 (1955), 337. - 6. M e i n e r s , H. : W i r k u n g e n y o n Z a h n p a s t e n a u f die Oberf l / ichen yon Akry l a t en . Dtsch. zahn/ i rz t l . Z. 27 (1972), 719. - - 7. N e i 1 I , D. J.: A s t udy of ma t e r i a l s and m e t h o d s e m p l o y e d in c l ean ing den t u r e s . Brit. dent . J. 124 (1968), 107. - 8. R o s s i w a 11, B. : fdber U r s a c h e n des V e r s a g e n s y o n K F O - D e h n s c h r a u b e n . Fortschr. Kie fe ro r thop . 34 (1974), 33. - - 9. R o s s i w a l l , B., H. N e w e s e l y : C l eanse r so lu t ion ef fec ts on d e n t u r e base res ins . J. Ora l . Rehabi l . ( im Druck). - - 10. S c h m i d t , St.: Kl in ische u n d exper imen te l l e Un te r - s u c h u n g e n t iber P r o t h e s e n r e i n i g u n g s m i t t e l . Med. Diss . B onn 1971.

Anschr i f t . d. Verf f . : Dr. B e r n t R o s s i w a l l , Z a h n - u n d Kiefer- k l in ik der Universit~it Innsbruck , A-6020 Inns - bruck, Anichstral~e 35/I, Dipl . - Ing. P e t e r P i t - n e r , I n s t i t u t fi.ir A l l g e m e i n e u n d Ana ly t i sche C h e m i e der M o n t a n i s c h e n Hochschule Leoben, A-8700 Leoben.