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Die Revolution des Bauens TITELTHEMA CARBONBETON UNTERNEHMEN REGION Ausgabe 3|2016

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Die Revolution des Bauens

TITELTHEMA CARBONBETON

UNTERNEHMENREGIONAusgabe 3|2016

RUNDBLICK

06 | Abgetaucht und aufgestiegen___Rostock will bei maritimen Inspektionssystemen an die Spitze.

10 | Viele Köche. Feiner Brei.___In Berlin-Kreuzberg treffen 12 Unternehmer auf 12 Kreative.

EINBLICK

14 | Leichter radeln___Ein Chemnitzer Start-up entwickelt ultraleichte Speichen aus Faserseilen.

18 | Der Lotse___Ein Tag im Leben des Leichtbau-Professors Holger Seidlitz

Seite 18 Ein Tag im Leben

Seite 10 Creative Production Lab

Seite 06 Unterwasser-Technologien

R u n d b l i c k · E i n e n e u e Ä r a

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist eines der größten und ambitionier-testen Forschungsprojekte in unserem Land: Mehr als 140 Partner des Zwanzig20-Konsortiums „C³“ verfolgen gemeinsam das Ziel, mit Carbonbeton das Bauen zu revolu-tionieren. Im Gegensatz zu herkömmlichem Stahlbeton ermöglicht Carbonbeton extrem flexible Formen, kann nicht rosten und hat ein geringes Gewicht.

Mit dieser Fülle an positiven Eigenschaften hat der innovative Verbundwerkstoff auch die Jury des Deutschen Zukunftspreises überzeugt. Anfang Dezember zeichnete sie die „C³“-Initiatoren mit dem wichtigsten deutschen Innovationspreis aus. Herzlichen Glückwunsch an die Preisträger! Es ist das vierte Mal binnen sechs Jahren, dass ein Team mit „Unternehmen Region“-Hintergrund diesen Preis erhält.

Lassen Sie sich inspirieren von der „Unternehmen Region“-Titelgeschichte zum Thema Carbonbeton und von vielen weiteren Erfolgsgeschichten aus Ostdeutschland.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre mit vielen neuen Einblicken.

Prof. Dr. Johanna WankaBundesministerin für Bildung und Forschung

Vorwort

I n h a l t

3

TITELTHEMA

26 | Die Betonrevolution___Wie Kohlenstoff das Bauen mit Beton umkrempelt

34 | „Mit Carbonbeton wäre es denkbar, wunderbare Bauwerke zu errichten.“___ Im Interview: Professor Manfred Curbach, Direktor des Massivbau-Instituts der TU Dresden

36 | Wie hält das denn?___Architekt Gunter Henn baut in Dresden einen filigranen Pavillon.

38 | Bessere Brücken bauen___Carbonbeton gibt bröckelnden Brücken (k)eine Chance.

RUBRIKEN

02 | Vorwort04 | Panorama___Von reisenden Keimen und

belebendem Beton09 | Zahlen bitte!40 | Mein Schreibtisch + ich___Filmproduzent

Benjamin Cölle43 | Impressum

Carbonbeton – Die Revolution des Bauens

Seite 26

R u n d b l i c k · E i n e n e u e Ä r a

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Wachsende Diamanten

Diamant gehört zu den härtesten Materialien der Welt – und zu den teuersten. Deshalb werden Diamanten heute meist synthetisch hergestellt. In diesem Fall wächst auf dem Trägermaterial Silizium eine aktuell 1,5 Mikrometer dünne Diamantschicht. Das Erfurter Innovationsforum „SmartDiamonds“ will solch synthetische Diamanten in modernen Mikrobauteilen einsetzen, die dadurch den rauen Umgebungsbedingungen – etwa in der Automobilindustrie – besser widerstehen können.

Belebender Beton

Bei der Sanierung historischer Betonbauten geht bisher die originale Oberflächenoptik verloren – nicht so beim historischen Wasserlauf im niedersächsischen Örtchen Räbke. Die InnoProfile-Transfer-Nachwuchs-gruppe „nuBau-Transfer“ hat dafür an der Bauhaus-Universität Weimar einen polymermodifizierten selbst-verdichtenden Beton entwickelt. Dieser kann auch detailreiche Oberflächenstrukturen der Gussform – in diesem Fall aus unbehandeltem Holz – nachbilden und dadurch brüchige Betonoberflächen wiederbeleben.

Lebende Sensoren

Ist die Luft rein? Dieser kleine Biosensor misst die Sauberkeit der Raumluft – mit Hilfe von Bakterien. Er stammt von der Sciospec Scientific Instruments GmbH, die im Rahmen des Dresdner Wachstumskerns „BioSAM“ biologische Sensor-Aktor-Systeme entwickelt. Unter dem Leitmotiv „Lebende Zellen auf Oberflächen – hochempfindlich, trotzdem stabil“ sollen zellbasierte Systeme entstehen, die etwa in der Wasser- und Umwelttechnologie zum Einsatz kommen.

E i n e n e u e Ä r a · R u n d b l i c k

5

Reisende Keime

Heute Berlin, morgen Sydney, übermorgen Kapstadt: Die zivile Luftfahrt schafft grenzenlose Mobilität – auch für Krankheitserreger. In einem Forschungsprojekt des Zwanzig20-Konsortiums „InfectControl 2020“ kämpfen nun Architekten, Wissenschaftler, Mediziner und Flughafenbetreiber gemeinsam gegen die reisenden Keime. Dafür analysieren sie die so genannte Infektionskette vom Betreten des Terminals bis zum Sitzplatz im Flugzeug. Auf dieser Basis erarbeiten sie Empfehlungen für Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften.

P A N O R A M A

Glättende Ionen

„Trick 17“ nennen Leipziger Forscher ihre Bearbeitungs-methode für optische Formen. Dafür kombiniert das Team der InnoProfile-Transfer-Stiftungsprofessur „Ultrapräzisionsbearbeitung mit atomaren Teilchen-strahlen“ einen glättenden Ionenstrahl mit einer Plasmabeschichtung. In diesem Fall haben die Wissen-schaftler feinste Formfehler auf einer Germanium-Linse korrigiert, wie sie etwa in Wärmebildkameras verbaut wird.

R u n d b l i c k · F l e x i b l e E l e k t r o n i k

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Der ferngesteuerte Mantarochen – hier gemeinsam mit der Vermessungsplattform Sonobot im Testeinsatz sowie als 3D-Modell (Bild S. 7 oben) – ist in Form und Kinematik dem Bewegungsmodell seines natürlichen Vorbilds nachempfunden. Er ist besonders für größere Tiefen geeignet, ebenso wie der fern gesteuerte Tauchroboter Comanche, der vom Schiff aus navigiert werden kann (Bild S. 7 unten).

U n t e r w a s s e r -Te c h n o l o g i e n · R u n d b l i c k

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•Abgetaucht und aufgestiegen

Noch vor wenigen Jahren waren es Taucher, die im Meer die Kabel und Rohre verlegten und Offshore-Windanlagen installierten oder warteten. Heute über-

nehmen immer mehr ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge und Roboter diesen harten, gefährlichen Job. Sie halten es länger unter Wasser aus und dringen in größere Tiefen vor als ihre menschlichen Kollegen. Diese sollen in Zukunft nur noch vom Bord eines Schiffes aus die Roboter bedienen – im Trockenen, Warmen und ohne Risiko. Der Bedarf nach innovativer, nachhaltiger und umwelt-gerechter Meerestechnik ist so groß wie nie zuvor, vor allem zur Über wachung und Wartung von meeresbaulichen Anlagen, wie z. B. marinen Aquakulturen, dem Tiefseebergbau oder den Grün dungsstrukturen der Offshore-Windenergieanlagen. Diesen wachsenden Markt wollen Unternehmen und Wissen-schaftler aus Rostock nun bedienen. Im Innovationsforum „INMOS – Intelligente maritime Inspektions- und Monitoring-systeme“ haben sich starke Partner von der Küste zusammenge-funden, um die wachsende Nachfrage nach innovativen Unterwasser technologien zu erfüllen. Rostock gilt als Deutsch-lands wichtigster Ostseehafen und führender Standort für Meeres technologien im Nordosten Deutschlands.

Rostock hat sich zu einem Zentrum für Meerestechnik entwickelt. Das Innovationsforum „INMOS“ setzt nun auf intelligente Inspektions- und Monitoringsysteme, die nicht nur Tauchern das Leben erleichtern.

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R u n d b l i c k · U n t e r w a s s e r -Te c h n o l o g i e n

„Wir haben hier alles, was für die Entwicklung der Unter- wasser technologien notwendig ist“, sagt Steve Wendland von der Gesellschaft für Wirtschafts- und Technologieentwicklung Rostock. Damit meint der Kenner der maritimen Infrastruktur die beiden künstlichen Riffe, die die im Rahmen von INMOS versammelten Entwickler für Erprobungen und Langzeitstudien von Unterwassertechnik nutzen wollen. Damit meint Wendland aber auch den wissenschaftlichen Hintergrund, wie den Lehr-stuhl für Meerestechnik an der Rostocker Universität, das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, das Institut für Ostseeforschung IOW und das Subsea Monitoring Network SMN. Das Netzwerk SMN hat rund 20 in Rostock und Umgebung ansässige Unternehmen zusammengebracht, die sich auf Geräte, Systeme und Anwendungen für den Einsatz in der Tiefsee spezialisiert haben. Hierzu gehört auch der Baltic Taucherei- und Bergungsbetrieb aus Rostock, der Innovationen der Unterwassertechnik für Inspektionsaufgaben auch mit anderen Forschungseinrichtungen voranbringt. Eine Entwick-lung konnte gerade zusammen mit dem Dresdner Wachs-tumskern „Sensormanschette“ erfolgreich in der Ostsee vor Rostock getestet werden. Die Sensormanschette kommt bei Offshore-Windanlagen zum Einsatz. Dauerhaft von Tauchern um die geschweißten Unterwasserrohre befestigt, spürt sie Risse in der Konstruktion auf. Eine Wartung durch Taucher kann damit entfallen. In Zukunft soll das gebündelte Know-how aber nicht nur zu einzelnen Komponenten der Unterwasser-fahrtechnologie führen, sondern zu kompletten, marktfähigen Unterwasserfahrzeugen.

„ Wir haben hier alles, was für die Ent wicklung der Unterwasser tech - no logien notwendig ist.“

Der 1,10 Meter lange Sonobot misst unter anderem die

Wassertiefe und macht qualitativ hochwertige Bilder des Grundes,

während ihn ein Autopilot präzise über Binnengewässer steuert.

Künstliche Riffe und ein einzigartiges Zentrum

Dr. Holger Keuer von der ATI Küste, Gesellschaft für Technologie und Innovation, hat das Innovationsforum INMOS als Projekt-leiter initiiert und durchgeführt. Er will die Forschungs ein-richtungen stärker mit der Wirtschaft verbinden und dazu weitere Partner gewinnen: „Wir suchen Lösungsansätze, um den Entwicklungszyklus zu schließen, beginnend mit Simula-tionen und Testläufen, um theoretische Modelle für einzelne Komponenten zu entwickeln“, kündigt Keuer an. Bevor Unter-nehmen ihre Produkte in den Tiefen der Ostsee testen, müssen diese sich in Unterwasserbecken oder Drucktanks bewähren – wie ihn der Lehrstuhl für Meerestechnik der Universität Rostock zur Verfügung stellt. Hier können Tiefen bis zu 6.000 Metern simuliert werden. Um Erprobungen in der Ostsee zu ermögli-chen, nutzen die INMOS-Partner auch die beiden künstlichen Riffe vor der Rostocker Küste. Sie sind 200 mal 200 Meter groß und liegen in sechs bzw. zwölf Metern Tiefe. Das reicht für künf-tige Standards aber nicht mehr aus. Die Rostocker Partner des Innovationsforums wollen genau hier ansetzen und für die Erprobung von Unterwassertechnik industrienahe, optimale und einzigartige Bedingungen schaffen. Dafür planen die Forschungseinrichtungen den Bau eines weltweit einzigartigen Wissenschafts- und Wirtschaftszentrums für Unterwasser-Technologie, das „Ocean Technology Center“ (OTC). Das Zentrum soll die Forschung, Entwicklung und Pro-duk tion zur Unterwassertechnik unter einem Dach vereinen. Einen großen Bereich wird auch die Ausbildung von Personal einnehmen, das die Bedienung der Geräte beherrscht. Hier gibt es noch viel zu verbessern, sind sich die Partner des Innova-tionsforums einig. Das OTC-Konzept, das auch ein Unterwasser-labor beinhaltet, ist bereits fertig; noch in diesem Jahr wollen die Initiatoren eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Das einzigartige Zentrum werde auch Forscher und Entwickler aus anderen Ländern an die Ostseeküste locken, hoffen die Rostocker. Das Ziel ist klar: die Hansestadt zu einem internatio-nal führenden Standort für maritime Inspektions- und Monitoringsysteme zu entwickeln.

E i n e n e u e Ä r a · R u n d b l i c k

25.000

mobile Wasserkraftanlagen könnten allein in Deutschland einen geeigneten Standort finden. Das hat eine Marktanalyse des Magdeburger Wachstumskerns „Fluss-Strom Plus“ ergeben. Das Bündnis aus 19 Unternehmen und sieben Forschungs-einrichtungen hat die Vision, die weltweite Technologie- und Produktführerschaft in der „barrierefreien Wasserkraft“ – bei der Fließgewässer nicht aufgestaut werden – aufzubauen. Die Mikrowasserkraftanlage „River Rider“ wird derzeit auf dem Rhein, auf der Neiße und auf der Bode im Harz getestet.

3.500 Unternehmen und Forschungs-einrichtungen machen den Groß raum Dresden/Frei-berg/Chemnitz zum fünftgrößten Mikro elek tronik-standort der Welt. Die neueste Initia tive, die innovati-ven Kräfte in der Region zu bündeln, stammt vom Leipziger Innovationsforum „BFO“. Das in Dresden ent wickelte Material Bismut-Eisen-Oxid (BFO) ist umweltverträglich, leicht verfügbar und soll ganz neue Möglichkeiten in der Halb leiter technologie eröffnen.

Zahlen bitte!

0,010 cmdünne Siliziumwafer sägt die InnoProfile-Transfer-Initiative „DiaCell“ aus massiven Siliziumblöcken. Herkömmliche Wafer – die etwa als Grundplatten für Computerchips dienen – sind mindestens 20 Prozent dicker. Das Geheimnis der beteiligten Forscher am Fraunhofer-Center CSP sind diamantbesetzte Sägedrähte. Im Gegensatz zu herkömm-lichen Metalldrähten produzieren diese außerdem kaum Späne des wertvollen Siliziummaterials. Im Labor lässt sich die Effizienz auf diese Weise um 50 bis 100 Pro-zent steigern.

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60 hochmoderne Laseranlagen und genauso viele Wissenschaftler und Mitarbeiter haben den im Okto ber 2016 eröffneten Neubau des Laser instituts an der Hochschule Mittweida bezogen. Das 2.900 Qua dratmeter große und 21,3 Millionen Euro teure Gebäude wurde vom Bund im Rahmen der Ex zellenz-initiative gefördert. Schon seit Jahren gehört das „Laser institut Hochschule Mittweida“ zu den führenden deutschen Forschungsein rich tun gen in der Laser-technik, auch dank Unternehmen-Region-Initiativen wie der InnoProfile-Transfer-Stif tungs pro fessur „Rapid Micro“.

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R u n d b l i c k · C r e a t i v e P r o d u c t i o n L a b

VieleKöche.FeinerBrei.Wenn 12 Unternehmer in Berlin-Kreuzberg auf 12 Kreative treffen, keimen unkonventionelle Ideen: Bierdeckel mit organischen Leuchtdioden, ein Lang-laufhocker für Kinder oder auch eine Schrankküche

ohne Schrank.

Es ist die dreifache Kapselung, die Wulf Mohrmann partout nicht verstehen kann. „Wieso habe ich einen Kühlschrank, der in einem Schrank steht, der wiederum in eine Schrank-

küche eingebaut ist?“, wundert sich der Tischler und Industrie-designer aus Magdeburg. Ihm gegenüber sitzt Thomas Töpfer, Diplom-Ingenieur und Geschäftsführer der KEK GmbH aus dem sächsischen Laußnitz. KEK produziert Edelstahlmöbel für Labore, Gastronomiebetriebe und Luxusyachten – und hölzerne Küchen, die sich auf Wunsch diskret im Schrank verstecken. „Das ist ein Überbleibsel der Vergangenheit“, erklärt Töpfer. „Seit 15 Jahren verkaufen wir Schrankküchen in stabilen

Stückzahlen, ohne Aufbau und Design verändert zu haben. Und heute möchte ich herausfinden, was wir anders machen können.“

Club-Mate und 3D-Drucker

Thomas Töpfer und Wulf Mohrmann sind Teil des Sozial-expe ri ments „Creative Production Lab“. Im vergange nen Oktober bittet das Zwanzig20-Forum „Crowd Production“ nach Berlin-Kreuzberg, um seine Vision einer flexiblen, dezentra-len und vernetzten Produktion mit Leben zu füllen. „In einem

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C r e a t i v e P r o d u c t i o n L a b · R u n d b l i c k

ren. Um das Eis zu brechen, hat sich das Organisations team um Christian Zöllner etwas einfallen lassen: Bereits am Vorabend werden die Teilnehmer zum Dinner geladen. In einem stilvoll heruntergerockten Altbau aus den 1890er Jahren beschnuppert man sich bei Rote-Linsen-Buletten und Kokos-Gemüse-Curry, bei Club-Mate und Tannenzäpfle-Pils. Als die letzten Gäste um kurz nach 23 Uhr das Gebäude verlassen, hat das obligatori-sche Duzen nach IKEA-Vorbild seine anfängliche Künstlichkeit völlig verloren – das erste Ziel ist erreicht. Den noch räumt Chris tian Zöllner ein: „Ich habe keine Ahnung, was morgen hier passiert.“

mehrtägigen Workshop werden interdisziplinäre Arbeits-weisen und Innovationsprozesse sowie neue Proto typing-Technologien erprobt“, verspricht das Programmheft. „In viel-fältigen Formaten, experimentellen Speed-Meetups und bei gutem Essen wird interdisziplinärer Austausch kultiviert, erste Kooperationen werden geschmiedet.“ Dazu konfrontieren die Veranstalter zwölf Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Technologiebranche mit zwölf Vertretern der Kreativ-wirtschaft. Eine solche Kollision unterschiedlicher Fachgebiete, Denkweisen und zum Teil auch Weltanschauungen kann schon einmal zu Verständnisproblemen oder gar Sprachlosig keit füh-

„Ich habe keine Ahnung,

was morgen hier passiert.“

Wilde Ideen brechen sich Bahn – auf Skizzenpapier, Haftnotizen und Tablets.

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Am nächsten Morgen stecken Wulf Mohrmann und Thomas Töpfer gedanklich ganz tief in der Schrankküche. Ausgangs-punkt sind die Kunden – Arztpraxen, Kanzleien, Wohnheime. „Was braucht der Nutzer eigentlich?“, wirft Mohr mann nach Lektüre des KEK-Katalogs in den Raum. Transparenz! Mehr Licht! Die Verbindung von außen und innen! Aber keine 30 Farben und mit Sicherheit keine dreifache Kapselung mehr! In den kommenden Stunden feilen der Ingenieur und der Designer gemeinsam an ihrem Rezept für die ultimative Schrank küche, fügen Zutaten hinzu, lassen weg, planen – und verwerfen wieder. Dabei werden die beiden von der Industrie-design-Studentin Jihye Kim unterstützt, die Worte simultan in Zeichnungen übersetzt. Stunden später wird Küchen-Chef Töpfer schwärmen: „Es war für mich genial, wie unserer beider Ideen innerhalb von kürzester Zeit zeichnerisch umgesetzt wurden; darauf konnten wir dann sofort wieder aufbauen!“ Am frühen Nachmittag steht das für eine Schrankküche revo-lutionäre Konzept: „Statt eines Schranks nehmen wir eine Schiebetür. Dahinter können wir die hässlichen Elemente wie Boiler und Mülleimer verstecken“, fasst Töpfer zusammen. „Die schönen Dinge wie Kaffeemaschine und Kühlschrank hingegen

präsentieren wir auf der offenen Seite.“ Ein Stockwerk darüber starten Tristan August und Felix Piela von der Konstruktiv GbR mittlerweile Rechner und Drehbank, um das erste Küchen -modell virtuell sowie physisch entstehen zu lassen. Auch ein 3D-Drucker wartet hier in der Werkstatt auf seinen Einsatz.

Vulkangestein und Langlaufloipen

Nur wenige Meter vom „Team Schrankküche“ entfernt hat sich ein weiteres ungleiches Gespann gefunden. Gosbert Amrhein, Geschäftsführer der ALTERFIL Nähfaden GmbH, hat seine innovative Basaltfaser mitgebracht. Als Gewebe begeistert das bei 1450 Grad Celsius geschmolzene vulkanische Gestein die Designerin Carolin Schulze genauso wie den Videokünstler Codec: „Die Drapierbarkeit, Reflexionskraft und die schar-fe Konturbildung sind wirklich erstaunlich.“ Und so entste-hen im Creative Production Lab erste Ideen für spektakulä-re Lichtinstallationen mit Basaltgeweben. Licht ist auch am Nebentisch ein Thema. Hier reift unter anderem die Idee, die organischen Leuchtdioden des Berliner Start-ups INURU in Bierdeckel einzubauen, um Gläser von unten zu beleuchten,

Industriedesigner Wulf Mohrmann skizziert die Zukunft der Schrank-küche (Bild links); das innovative Basaltgewebe überzeugt mit seinen Lichtreflexen (Bild rechts).

C r e a t i v e P r o d u c t i o n L a b · R u n d b l i c k

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oder gar als Körperschmuck einzusetzen. Währenddessen dreht sich einige Meter weiter alles um die Mittdreißiger Susanne und Stefan sowie um ihren fünfjährigen Sohn. Die fiktive Berliner Familie plant im Januar ein Langlaufwochenende im Thüringer Wald – und ist damit ein potenzieller Kunde des Thüringer Sportgeräte-Herstellers GERMINA. Am Ende skiz-ziert ein GERMINA-Designer-Dreiergespann einen Falthocker, auf dem sich Kinder ausruhen, während ihre Eltern sie auf Langlaufskiern über die Loipe ziehen; außerdem entsteht die Idee eines Bindungssystems, das sich an Straßenschuhe anpas-sen lässt; und flexible Loipenspurgeräte könnten in Zukunft Langlauf im Berliner Stadtgebiet ermöglichen. Am späten Nachmittag hat sich ein Eindruck verfestigt: Es zahlt sich aus, dass Organisator Christian Zöllner fast alle Unternehmen im Vorfeld selbst besucht hat und dabei konkrete Probleme und

Fragen abgeklopft hat; auch zu den meisten der eingeladenen Kreativen pflegt der Diplomdesigner und Dozent gute Kontak-te. Die Unternehmer-Kreativ-Teams funktionieren deshalb in vielen Fällen ausgezeichnet. Doch was bleibt haften, nach eineinhalb Tagen Creative Production Lab? „Im Tagesgeschäft geht es nur um Zahlen – hier hingegen kann man einmal die eingefahrenen Gleise verlassen, Netzwerke bilden und neue Impulse gewinnen“, sagt Thomas Töpfer, der in seiner Firma nun einen Prototyp der neuen Schrankküche bauen will. Und was bleibt noch? Ein spannendes Veranstaltungsformat, das sich deutlich von üblichen Konferenzen und Workshops absetzt – und das mit Sicher heit nicht nur im unkonventionellen Berlin-Kreuzberg funktioniert.

Ein gemeinschaftliches Abendessen schafft die ideale Basis für die konzen-

trierte Projektarbeit am nächsten Tag, hier im „Team Basaltgewebe“ (Bild unten

rechts) und im „Team Schrankküche“ (Bild unten links) mit Wulf Mohrmann, Thomas

Töpfer und Jihye Kim (v.l.n.r.).

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Leichter radelnFahrradspeichen aus Faserseilen herzustellen statt aus Edelstahl oder Aluminium, ist eine gewagte Idee. Vier junge Wissenschaftler aus Chemnitz sind dabei, diese Idee zum Geschäftsmodell zu machen. Einen Protoyp mit den neuen, ultraleichten Speichen gibt es bereits, und die Verkaufsaussichten sind bestens.

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S p e i c h e n a u s F a s e r s e i l e n · E i n b l i c k

Selbst in meinem Urlaub hatte ich Anrufe von Interessenten. Die meisten sind Privatleute, aber wir haben auch mit vielen Firmen Kontakt, die das Rad vertreiben wollen“, sagt Ingo Berbig, einer der Gründer von PI ROPE.

Der Name passt zum Produkt: Pi steht für die mathematische Kreiszahl, passend zum Rad, und rope ist Englisch für das Seil, aus dem die Speichen bestehen. Wenn das Start-up-Unternehmen künftig gut läuft, könnte Berbig zwei sei-ner größten Leidenschaften verbinden: Radfahren und textile Hochleistungsseile. Bis vor wenigen Jahren ist der 37-Jährige Bahn- und Straßenradrennen gefahren, inzwischen trainiert er die Jugendmannschaft des Radsportvereins Chemnitz und fährt ab und zu noch bei Mountainbike-Wettkämpfen mit. Der zweifache Vater ist etwas kürzergetreten, um Familie, Job und Sport unter einen Hut zu bekommen. Seine Kollegin und Mitgründerin Daniela Storch hingegen ist semi-professionelle Mountainbikerin. Sie tritt regelmäßig zu internationalen Wett-kämpfen an: „Manchmal komme ich Sonntagnacht vom Rennen nach Hause und sitze am Montagmorgen schon wieder im Büro an der Uni“, sagt sie lächelnd. Die Ingenieurin arbeitet zusammen mit Ingo Berbig an der Professur für Fördertechnik, die zur Fakultät für Maschinenbau der Technischen Universität Chemnitz gehört. Genauso wie Dirk Fischer, der Dritte im Bunde von PI ROPE. Erst vor kurzem hat er seine Masterarbeit zum Thema „Hochleistungsseilspeichen für Laufräder im Fahrrad“ abgeschlossen. Fischer ist zwar kein Profiradler, aber begeisterter Hobbyfahrer. Damit sich die Idee der drei Ingenieure gut verkauft, komplettiert die Wirtschaftswissenschaftlerin Stephanie Mager, die auch an der TU Chemnitz studiert hat, das Gründerteam. Sie erarbeitete den Businessplan, für den das PI ROPE-Team nun ein EXIST-Gründerstipendium bekommt.

Noch fahren Ingo Berbig, Daniela Storch und Dirk Fischer (Bild links, v.l.n.r.) Räder mit konventionellen Speichen, aber demnächst gibt es ihre handgefertigten Laufräder mit den neuen Faserseilspeichen (Bild oben).

Der Natur abgeschaut

In den neuen Hochleistungsfaserspeichen steckt das Wissen aus zehn Jahren Forschung. Ingo Berbig hat bereits in der InnoProfile-Initiative „InnoZug“ mitge-arbeitet, aus der die Stiftungsprofessur „Technische Textilien – Textile Maschi-nenelemente“ und die InnoProfile-Transfer-Initiative „Lastspitzen kompensation“ hervorgegangen sind, die im Rahmen von Unternehmen Region gefördert wer-den. In den Forschungsprojekten geht es vor allem um die Nutzung synthetischer Faserseile in Maschinen als Ersatz für die schweren, korrosionsanfälligen Stahlseile. Die Ergebnisse der umfangreichen Forschung lassen sich aber auch auf Fahrradspeichen übertragen. „Durch das InnoProfile-Projekt haben wir die

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Speichen sind quasi unkaputtbar“, meint Ingo Berbig. „Was die Haltbarkeit und Belastbarkeit angeht, sind sie um einiges besser als Stahlspeichen.“ Konkret heißt das: Die Seilspeichen halten Krafteinwirkungen von knapp 5.000 Newton stand, Stahlspeichen würden schon bei etwas mehr als 2.000 Newton brechen. Solche Kräfte wirken zum Beispiel, wenn man mit dem Rad auf ein Hindernis fährt – beim Mountainbiking keine Seltenheit.

Minimale Aufhängung – maximale Kraft

Interessant sind jedoch nicht nur die Speichen selbst, sondern auch ihre spezielle Aufhängung. Die Seile brauchen im Rad eine andere Befestigung als Stahl. Auch dafür hat sich das PI ROPE-Team etwas einfallen lassen. Eine Doppelspeiche wird von der Felge über einen kleinen Zylinder an der Nabe zurück zur Felge geführt. Durch dieses System verbleibt sehr viel Kraft in den Speichen. Das bedeutet auch, dass die Nabe sehr leicht gebaut werden kann. „Letztendlich bietet unser Produkt noch viel mehr als nur die Speiche“, sagt Ingo Berbig. „Auch die Endverbindungen sind für Firmen und Anwendungen interessant.“ Schließlich können mit den neuen Verbindungskonstruktionen Gewicht und Platz gespart werden. Das Gesamtkonzept aus Speichen und Aufhängung haben die vier Gründer bereits zum Patent ange-meldet. Ein Konzept, das selbst für die Räder von Rollstühlen interessant wäre. Auch darüber denken die Ingenieure nach.

Maßgeschneiderte Räder

Doch zunächst konzentriert sich das PI ROPE-Team auf Fahr-räder. Die Chemnitzer wollen als Manufaktur von Laufradsätzen für gehobene Ansprüche starten. „Wir können jedem Radfahrer nach seinem Nutzungsprofil in puncto Beschleunigung, Dämp-fungs verhalten, Gewicht und Design einen passenden Lauf rad-satz konfigurieren“, sagt Dirk Fischer. Die Felgen können bei-spielsweise aus Carbon sein und von einer kooperierenden Firma hergestellt werden. Ein wenig Vorbereitungszeit brauchen die vier Gründer noch, gut Ding will schließlich Weile haben. Im nächsten Jahr geht PI ROPE offiziell in die Startlöcher. Dann ist auch die Markteinführung geplant, die von vielen Interessenten schon sehnsüchtig erwartet wird.

Grundlagen geschaffen, um genau zu wissen, welche Konstruk-tionen sich für unsere Speichen eignen und wie wir das am bes-ten umsetzen“, sagt Berbig. Das Ausgangsmaterial für die PI ROPE-Speichen ist Vectran, eine synthetische Hochleistungsfaser, die der natürlichen Spinnen seide ähnlich ist. Sie ist extrem reißfest, nutzt sich wenig ab und wiegt kaum etwas. „Wenn man sich das reine Speichen-gewicht anschaut, ist das fast 75 Prozent geringer als bei Stahl-speichen“, sagt Dirk Fischer. „Zwei unserer Speichen wiegen nur vier statt 14 Gramm.“ Bei 28 bis 32 Speichen pro Laufrad ergibt das eine Gewichtseinsparung von rund 300 Gramm für das gesamte Fahr rad. Für die Mountainbikerin Daniela Storch ist das eine Menge: „Bei Wettkämpfen muss ich mein Rad mitunter über unweg-same Strecken bewegen, da ist selbst eine Gewichtsreduzierung von wenigen 100 Gramm schon sehr willkommen.“ Im Profiradsport wird das derzeit nur mit Speichen aus Carbon erreicht. Die sächsischen Hightech-Seile sind jedoch günstiger und extrem leistungsstark.

Stärker als Stahl

Bei der Herstellung der Speichen kommt den Ingenieuren neben ihrem Know-how auch die Technik zugute, die sie an der TU Chemnitz nutzen können. Dort flechten sie das Vectran-Garn zu Seilen, ähnlich wie sie im Maschinenbau verwendet werden, allerdings mit einem winzigen Querschnitt von weniger als zwei Millimetern. Eine Ummantelung aus Polyurethan soll die Speichen vor Schmutz, UV-Strahlen und Steinschlag schützen. Neben Vectran könnten auch andere Hochleistungsfasern zum Einsatz kommen, selbst Naturfasern wie Hanf oder Basalt. Das prüfen die Ingenieure noch. Erste Tests haben die flexiblen, leichten Speichen bereits mit Bravour bestanden, unter anderem einen Dauerbelastungstest, der einer Fahrt von 10.000 Kilometern entspricht. „Unsere

„Letztendlich bietet unser Produkt

noch viel mehr als nur die Speiche.“

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S p e i c h e n a u s F a s e r s e i l e n · E i n b l i c k

Nach ersten Tests für die Befestigung der neuen

Speichen in Laufrädern (oben links im Bild) haben die

Chemnitzer inzwischen eine besonders schlanke und halt-bare Lösung gefunden (oben

rechts im Bild). Beim Zentrieren wird jede einzelne Speiche ein-

gestellt, damit das Rad rund-läuft (Bild rechts).

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Der Lotse

Meine Frau meint zwar, ich solle mir ein anderes Auto zulegen, aber bei den Studenten kommt

mein Auto gut an“, sagt Holger Seidlitz und steigt in seinen Honda Prelude. 25 Jahre ist der alt und hat ein Depeche Mode-Logo auf der Heck schei be. Eine Weile stand der Oldie abgemeldet in einer Scheune. Für die 35-Minuten-Strecke zwischen Guben und Cottbus hat ihn Holger Seidlitz wiederbelebt. Der hochgewachsene Junior professor ist zehn Jahre älter als sein Sportwagen und gelenkig genug, diesem Gefährt(en) treu zu bleiben. Ebenso unge brochen ist seine Begeisterung für Depeche Mode. Deren Tourdaten 2017 stehen fest. Holger Seidlitz hat Karten für das Berlin-Konzert. Die halbe Stunde Fahrtzeit zwi-schen Wohn- und Arbeitsort sei genau richtig, um einen gesunden Abstand zwi-schen Beruf und Familie zu bekommen, erzählt der Vater von zwei Jungs, sechs

In seiner Freizeit paddelt Holger Seidlitz im Faltboot. Seinen Arbeitsweg nach Cottbus nimmt er mit seinem Honda Prelude unter die Räder. Wir haben den Stiftungs professor für „Leichtbau mit strukturierten Werkstoffen“ einen Tag lang begleitet und erfahren, was den Forscher und Netz werker sonst noch bewegt.

und zwei Jahre alt. Im März 2015 hat Seidlitz an der Branden bur gi schen Tech-nischen Universität Cottbus-Senf ten berg BTU eine Stiftungs professur angetre ten. Ermöglicht wird sie durch Unternehmen aus der Region innerhalb des vom Bun-desforschungs ministerium geförderten InnoProfile-Transfer-Vor ha bens „Leicht-bau mit strukturierten Werk stoffen“. Seidlitz ist gespannt, wie viele Studie-rende heute in seine Vorlesung „Einfüh-rung in die Faserverbund werk stoffe“ kom men. Es ist die erste nach den Semes terferien. Freude: Der Raum ist gut gefüllt. „Der Faserverbund-Konstrukteur baut sich erst einmal seinen Werkstoff selbst“ – Holger Seidlitz sieht einige grin-sen. Vorn an der Tafel steht ein Snow-board. Der Sandwichverbund aus Kohle- und Glasfaser ist das handfeste Ergebnis eines studentischen Workshops im ver-gangenen Wintersemester. „Werkstoffe erhalten durch Strukturierung und im

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Mehrschichtverbund eine wesentlich höhere Festigkeit“, sagt der Professor. „Aber: Man muss die Grundprinzipien von Faserverbundstoffen verstehen, um zu wissen, wie sie reagieren.“

„Ich bin ein Lotse, der die Unternehmen mit den richtigen Leuten an der Uni zusammen-bringt.“

Holger Seidlitz ist ein Mann erfolgreicher Kommunikation – sei es im Industriekreis der Region Brandenburg, im Hörsaal oder im Gespräch mit seinen Kollegen.

Die neue Leichtigkeit

Holger Seidlitz ist Experte auf dem Gebiet der Faserverbund-Metall-Misch-bauweise. In Chemnitz hat er sich – unter anderem bei der InnoProfile-Initiative „PaFaTherm“ – seine ersten beruflichen Sporen verdient. Er benennt gute Wegbegleiter, allen voran seinen als „Mister Leichtbau“ anerkannten Pro fes-sor Lothar Kroll aus Chemnitz. Während man in Sachsen vor allem auf Kunststoffe setzt, sind das Cottbuser Markenzeichen die Bleche mit Wabenstruktur – Stabilität durch Wölbung. Doch die verschiedenen Leichtbauphilosophien schotten sich

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nicht voneinander ab. Junge Wissen-schaftler wie Holger Seidlitz sind die Wegbereiter einer neuen Leichtigkeit auch in der forschenden Zusammenarbeit über das eigene Feld hinaus. Man tauscht sich aus, ergänzt sich und lädt sich gegen seitig zu Veranstaltungen ein Der Flugzeugbau und die Automobil-branche sind die Leichtbau-Treiber – das ist den Studierenden bekannt, dies viel-leicht weniger: „Wissen Sie, dass in Guben die Polyesterfaser produziert wird, die bei der Innenausstattung sämtlicher Pkw verarbeitet wird?“, fragt Seidlitz. Er ist gebürtiger Gubener. Zwei, drei der Studierenden nicken. Sicher: Nicht jedem Gubener ist die Begeisterung für Fasern in die Wiege gelegt. Holger Seidlitz zumin dest befindet sich mit seinem beruflichen Interessengebiet in guter Tradi tion seiner Heimatstadt. Filzhüte aus Hasenhaar, später aus witterungsbe-

ständiger Schafwolle begründeten Gu -bens Entwicklung zum Industrie zen-trum. Das Chemiefaserkombinat Guben war bis zum Ende der DDR der größte Arbeitgeber im Kreis. Heute hat die Trevira GmbH mit Stammsitz im bayeri-schen Bobingen ihren größten Pro duk-tionsstandort in Guben. Seidlitz kennt den Werksleiter: „Das ist einer aus der Region“, erzählt er. „Wir schieben gerade gemeinsame Projekte mit der BTU an.“

in Fahrt – viel zu spät, wie manche sagen. Mittlerweile seien viel zu viele junge Familien aus der Heimat weggezogen. Die Aussicht auf eine Promotion reiche nicht mehr aus, junge Leute an der Uni, in der Region zu halten, meint Seidlitz auf sein berufliches Umfeld bezogen. Bezahlung und Standortfaktoren seien wichtige Kriterien. Seidlitz hat die Einladung für eine Ver anstaltung des Managerkreises der Fried rich-Ebert-Stiftung in seinem elek-tronischen Postfach. „Nur in einer gemein schaftlichen Anstrengung kann die regionale Wirtschaftskraft gestärkt und ein nachhaltiger Wirtschafts- und Innovationsstandort Lausitz gewährleis-tet werden“, heißt es darin. Bei der Dis-kussion um „Wege in die (nahe) Zukunft“ soll Holger Seidlitz auf dem Podium sit-zen. Dass der Juniorprofessor Spaß am Kommunizieren hat und kontaktfreudi-

Strukturwandel made in Brandenburg

Die Lausitz wirbt inzwischen mit „Leicht bau made in Brandenburg“. Seit über 100 Jahren bestimmt die Kohle das Leben hier. Soziale und kulturelle Infra-struktur sind auf den Bergbau abge-stimmt. Gerade kommt die gesellschaft-liche Debatte über einen Strukturwandel

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ger ist als der Lausitzer alten Schlages, hat sich herumgesprochen. „Leichtbau mit Verbundwerkstoffen ist auch ein Kernthema im Cluster Kunst stoffe und Chemie Brandenburg“, erzählt er – der Sprecher dieses Netz-werks. „Ich bin ein Lotse, der die Unter-neh men mit den richtigen Leuten an der Uni zusammenbringt“, beschreibt er seine Aufgabe und lässt dabei durch-blicken: Auch der Einwerbung von Dritt-mitteln nützt diese Funktion. Projekte von insgesamt drei Millionen Euro konnte der Stiftungs pro fessor 2016 akquirieren.

Rückkehr zu den Wurzeln

Seidlitz bezeichnet sich selbst als Rück-kehrer. „Was mich bewogen hat?“ Der junge Mann muss nicht lange überlegen: „Mein Ehrgeiz, der Welt zu zeigen, dass wir diesen Strukturwandel hier hinbe-kommen.“ Natürlich gebe es da auch noch eine große Heimatverbundenheit. Rund um Guben liegen als Relikte der Eiszeit viele natürliche Seen. Als Kind war Seidlitz in einer Zinkwanne oder im Autoreifen auf dem Wasser unterwegs; später in einem der legendären Faltboote aus dem sachsen-anhaltischen Pouch.

Im „Panta Rhei-Forschungszentrum“ an der BTU hat Holger Seidlitz seinen Arbeitsplatz. Die Aufgabe seiner Forschungsgruppe ist es, hier ein Faserverbund-Labor aufzubauen, um innovative Leichtbauwerkstoffe und -techniken zu entwickeln.

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„Leichtbauweise aus Holz“, lacht er. Mit seiner Freundin – jetzt Frau – sei er sofort auf den Grenzflüssen Oder und Neiße unter wegs gewesen, als nach dem Schen-gener Abkommen von 2007 diese Wasser-straßen zwischen Deutschland und Polen problemlos und ohne Kontrolle passiert werden konnten. Zig mal sei er an Kostrzyn – zu Deutsch Küstrin – vorbei-gepaddelt. Heute gilt seine Aufmerk-samkeit mehr dem Industriegebiet von Küstrin mit seinen vielen Großbetrieben. Von einem hat seine Forschungsgruppe sogar einen Auftrag erhalten. Doch Seidlitz’ Interesse an Polen erwächst auch aus den familiären Wurzeln. Viele Verwandte lebten im polnisch verwalte-ten Teil Gubens östlich der Neiße und

wurden nach dem Potsdamer Abkom-men 1945 als Deutsche in die einstige Vorstadt umgesiedelt. Vergnügt erzählt Holger Seidlitz von seiner Hochzeit wie von einem gelungenen Jungenstreich: „Wir haben rechts von der Neiße im pol-nischen Gubin geheiratet; in einer ehe-maligen deutschen Kirche; standesamt-lich getraut von einem polnischen Bürger meister, der ein deutsches Abitur hat.“

E i n Ta g i m L e b e n · E i n b l i c k

Alles fließt

Ein Blick auf die Uhr: Ein aktuelles Gruppenfoto für die Webseite des For-schungsprojektes „Leichtbau mit struk-turierten Werkstoffen“ steht an. Das

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E i n b l i c k · E i n Ta g i m L e b e n

entwickeln anwendungsnahe und be darfs orientierte Lösungen“, stellt Seidlitz klar. Im Frühjahr 2016 gründete sich das landesweite „Netzwerk Leicht-bau Metall Brandenburg“. Es verknüpft Unternehmen und Forschungs einrich-tun gen auf deren Suche nach innovati-ven Lösungen. Ein verlässlicher Knoten im Netz ist die Forschungsgruppe „Leicht- bau mit strukturierten Werk stoffen“. Es ist spät geworden. Aber im Büro wartet noch Yufeng Qi. Der 26-Jährige schreibt unter Betreuung von Holger Seidlitz seine Masterarbeit. Der Student für Maschinen- und Leichtbau hat sich in den Semesterferien zu Hause in China nach einer Stelle umgesehen. Mit dem Wissen um neue Leichtbaumaterialien und -methoden hat er dort gute berufli-che Aussichten. Hochmotiviert befasst sich der junge Mann jetzt mit seiner Abschlussarbeit – und bekommt von sei-nem Betreuer zielführende Fragen in den Schreibblock diktiert. Im Anschluss heißt es: Feierabend! Holger Seidlitz steigt in den Honda Prelude. In seinem Kopf schwirren Gedanken – viele Fragen und Ideen. Auf der 35-Minuten-Fahrt haben sie freie Bahn. Ausgelüftet und gut sortiert wird er sie am nächsten Morgen wieder mit zur Arbeit bringen – und gewiss auch passende Antworten.

Nachwuchsteam hat personell stark zugenommen: auch ein Resultat der erfolgreichen Einwerbung von Pro-jekten. Alles fließt – so kann man treff-lich sagen – panta rhei. Im „Panta Rhei-For schungszentrum an der BTU hat das Team um Holger Seidlitz seinen Arbeits-platz. Hier soll auch das Gruppen foto gemacht werden. Das Gebäude wurde von Architekten der Uni entworfen und in Leichtbauweise errichtet. Drinnen werden innovative Leichtbauwerkstoffe entwickelt, verarbeitet – und auch getes-tet, zum Beispiel von Sebastian Fritzsche. Seidlitz‘ Teamkollege lässt Autos gegen Wände, Bäume oder über Holperstrecken fahren – virtuell: Erschütterungen, Wider-stände oder Krafteinwirkungen wer den am Computer simuliert, um die Stabilität der Materialien und Verbin dungs stellen zu testen. Gerade prüft Fritzsche einen Aufprallträger mit der signifikanten Waben struktur, wie er sich beispielsweise in Autotüren befindet. Fritzsche verweist auf ein generelles Forschungsziel: „Die neuen Werkstoffe sollen leichter und gleichzeitig besser sein.“ Aufgabe der Forschungsgruppe ist es auch, ein Faserverbund-Labor aufzubau-en. Die Versuchshalle des Panta Rhei-Gebäudes füllt sich mit modernsten Prüfgeräten, die auch von den Unterneh-men der Region genutzt werden. „Wir

„Mein Ehrgeiz, der Welt zu zeigen, dass wir diesen

Strukturwandel hier hinbekommen.“

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E i n Ta g i m L e b e n · E i n b l i c k

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Holger Seidlitz ist nicht nur wegen der guten Forschungsbedingungen an der BTU in die Heimat zurückgekehrt. Der gebürtige Gubener liebt Ausflüge

im Paddelboot – und hat die Seen seiner Kindheit vermisst.

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C a r b o n b e t o n · S c h w e r p u n k t

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die betonrevolut ionKohlenstoff – auch Carbon genannt – könnte das Bauen mit Beton in

den nächsten Jahren völlig umkrempeln. Mit Carbon verstärkter Beton ist

filigran, leicht und stabil. Trotz seiner Festigkeit ermöglicht er extrem

flexi ble Formen und rostet nicht. Das Zwanzig20-Konsortium „C3“ arbeitet

mit über 140 Partnern an einem weltweit einzigartigen Projekt.

Dünner, flexibler und fester als Stahlbeton:

Carbonbeton eröffnet völlig neue

Möglichkeiten.

S c h w e r p u n k t · C a r b o n b e t o n

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Beton ist ein fantastischer Baustoff. Aber auf Dauer kann es so nicht weitergehen“, sagt Birgit Zocher. Die kleine, agile Frau ist Geschäftsführerin der Betonbau Oschatz

GmbH, einem 100-Mitarbeiter-Unternehmen in Sachsen, das zum Konsortium „C3 – Carbon Concrete Composite“ gehört. Birgit Zocher zeigt auf die graue Masse aus Kies, Sand, Zement und Wasser, die in ihrer Produktionshalle gerade zu Stahlbetonbauteilen verarbeitet wird. „Wenn wir nur die Hälfte dieser Materialien einsetzen könnten, wäre das ein großer Schritt“, sagt sie. Mit Carbonbeton ließe sich das realisieren. Im Otto-Mohr-Labor der Technischen Universität Dresden werden bereits superschlanke, feste Carbonbetonplatten hergestellt und diversen Tests unterzogen. Zwei Methoden haben die Wissenschaftler dafür favorisiert: das so genannte Laminieren und das Gießen. Beim Laminieren werden abwech-selnd hauchdünne Betonschichten mit flexiblen, leichten Carbongittern übereinandergebracht – fertig ist die super-feste Carbonbetonplatte. Ähnlich beim Gießen: Hier wird die Betonmischung in eine vorgefertigte Form gegossen. Sie enthält mehrere Carbongitter, die durch Abstandshalter voneinander

getrennt sind. Die Abstandshalter sind an der TU Dresden entwickelt und inzwischen patentiert worden. Noch geschieht das alles per Hand, doch in naher Zukunft soll die Produktion von Carbonbeton industriell und in großem Maßstab möglich werden. Die Zeit ist reif zum Umdenken, findet Birgit Zocher: „In Zukunft wird es weniger Ressourcen geben, man muss neue Wege gehen. Wir sehen da dringenden Handlungsbedarf, auch seitens der Wirtschaft“, sagt sie.

Pioniere der 90er Jahre

Das sehen die zahlreichen Unternehmenspartner von C3 genau-so. Selbst traditionelle Stahlproduzenten wie die ThyssenKrupp AG sind mit im Boot. „Toll ist, dass sich Leute unterhalten, die sich sonst nicht unterhalten würden, selbst Konkurrenten sitzen an einem Tisch“, erzählt Dr. Frank Schladitz, Projektleiter von C3. Es gab und gibt diverse Forschungsprojekte zu Carbonbeton, sowohl national als auch international. Doch noch nie haben so viele Partner an einem Strang gezogen, sind die Kräfte derart gebündelt worden. Schladitz arbeitet schon seit seiner

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Professor Peter Offermann experimentiert seit den 90er Jahren mit Carbonverstärkungen in Beton.

C a r b o n b e t o n · S c h w e r p u n k t

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„Beton ist ein fantas tischer

Baustoff.“

Promotion vor neun Jahren an dem Thema. „Als ich damals an der TU Dresden angefangen habe, wurde ich gefragt, ob ich mich mit Stahl- oder Carbonbeton beschäftigen möchte, und da war meine Antwort ganz klar: Carbonbeton, weil das mal was Neues ist“, erinnert er sich. Allerdings: So neu war es eigentlich gar nicht, denn schon in den 80er Jahren wurden an der Bauakademie der DDR erste Versuche unternommen, tex-tile Materialien mit Beton zu verbinden. Nach dem Mauerfall haben Bauingenieure das Thema wieder aufgegriffen, um das wirtschaftliche Potenzial eines solchen neuen Baustoffs zu untersuchen. Kaum jemand glaubte damals an den Erfolg von textilverstärktem Beton. Förderanträge sollten nicht bewilligt werden, doch ein paar überzeugte Wissenschaftler blieben dran und setzten sich durch.

| 1 | Um die Betonmasse zum Laminieren von Carbonbetonplatten herzu-stellen, wird eine sehr feine Mischung aus Zement und Sand ...

| 2 | ... mit Wasser versehen und in der Maschine ordentlich verrührt.| 3 | Die fertige Betonmasse lässt sich millimeterdünn auf die gewünschte

Form auftragen.| 4 | Es folgt die gitterförmige Bewehrung aus beschichteten Carbon garnen. | 5 | Darüber kommt erneut Beton. Die Anzahl der Schichten ist variabel. | 6 | So sieht das fertige Carbonbetonbauteil aus. Diese Methode eignet sich

besonders für die Sanierung und Verstärkung von Bauwerken.

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Zu ihnen zählt auch Professor Peter Offermann, der viele Jahre das Institut für Textil- und Bekleidungstechnik der Technischen Universität Dresden geleitet hat. Noch heute steht der 76-Jährige den C3-Partnern mit Rat und Tat zur Seite. Der promovierte Maschinenbauer ist so etwas wie ein Carbonbeton-Pionier. In den 90er Jahren haben er und seine Kollegen erst-mals mit Carbonverstärkungen in Beton experimentiert. „Wir

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Bis zu 50.000 feine Carbonfasern enthält das Garn, aus dem die beschichteten Carbonbewehrungen hergestellt werden. (Bild oben) Mit Carbonbeton, der fest und flexibel zugleich ist, können sogar historische Gemäuer saniert werden. (Bild links)Da Carbon nicht rostet, ist sehr viel weniger Beton zur Umhüllung nötig. Hier zum Vergleich ein zierlicher T-Träger aus Carbonbeton und sein voluminöses Pendant aus Stahlbeton. (Bild rechts)

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haben damals parallel Carbon- und Glasfasern getestet“, erzählt Offermann. „Carbon war jedoch fester als Glas und hat dem Baustahl sehr ähnliche physikalische Eigenschaften. Außerdem ist er viermal leichter und sechsmal fester als Stahl.“ Damit stand die Entscheidung fest: Kohlenstoff war das Material der Wahl. Davon konnten Offermann und seine Mitstreiter auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft überzeugen, die von 1999 bis 2011 einen Sonderforschungsbereich zu textilen Bewehrungen in Beton finanzierte. Zwölf Jahre arbeiteten hier Ingenieure aus Dresden und Aachen zusammen. Sprecher des umfangreichen Projekts war damals Professor Manfred Curbach, einer der Initiatoren des Konsortiums C3 (siehe Interview Seite 34/35). Die Ergebnisse ihrer umfassenden Grundlagenforschung waren vielversprechend, doch zwischen Labor und Praxis klaff-te eine Lücke, die es zu überwinden galt. Erst mit der Zwanzig20-Förderung konnte diese Lücke geschlossen werden. Jetzt geht es darum, Carbonbeton in die Anwendung zu bringen. Spätestens in zehn Jahren soll der Baustoff zum Massenprodukt werden – so das Ziel des C3-Teams.

Den Fortschritt zulassen

Frank Schladitz weiß, dass es nicht leicht ist, alle Beteiligten davon zu überzeugen. „Wir haben immer noch zwei Welten: Die Forscher wollen bis ins kleinste Detail verstehen, wie es funktio-niert, und die Unternehmer sagen: Ich investiere hier etwas und das will ich nicht erst in zehn Jahren zurückhaben, sondern ich muss damit in drei Jahren Geld verdienen.“ Marktorientiertes Denken auch in den Forschungseinrichtungen zu etablieren, ist sicher keine unüberwindbare Hürde. Viel aufwändiger sind die Genehmigungsverfahren, die für eine flächendeckende Zulassung von Carbonbeton als Baustoff notwendig sind. „Es gibt schon viele Anfragen von potenziellen Auftraggebern, die sich für Carbonbetonteile interessieren“, erzählt Geschäftsführerin Birgit Zocher. „Aber momentan ist es noch schwierig, weil jedes Mal eine Zulassung im Einzelfall erwirkt werden muss.“ Lediglich für die Verstärkung von Stahlbeton gibt es seit 2014 eine erste allgemeine bautechnische Genehmigung. Davon ist bereits häufig Gebrauch gemacht worden, beispielsweise für die Sanierung von Gebäuden oder Brücken. Die flexiblen

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S c h w e r p u n k t · D i e Z u k u n f t d e s A l t e r n s

Die Dresdner Ingenieure haben ein patentiertes Abstandshaltersystem

für die Carbonbewehrung entwickelt. Dazwischen lässt sich die Betonmasse

einfach schütten.

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und gleichzeitig festen Carbongitter, die mit einer speziel-len Betonmixtur an Decken und Wänden verarbeitet werden, sind dafür bestens geeignet. Sie passen sich den vorhandenen Formen an und benötigen nur sehr wenig Betonmasse, um eine haltbare Verstärkung zu bieten. „Wenn wir es schaffen, die Gebäude länger zu erhalten und nicht ständig abreißen zu müssen, dann wäre das ein Riesenerfolg“, sagt Frank Schladitz. Auch Neubauten aus Carbonbeton wären nachhaltiger als konventionelle Stahlbetonkonstruktionen. Sie könnten bis zu 200 Jahre halten, bei einer Materialersparnis von mindestens 50 Prozent. Das wäre ein großer Fortschritt, denn materialin-tensive Stahlbetonbauten beginnen oft schon nach wenigen Jahrzehnten zu korrodieren. Gemeinsam mit Architekten ent-wickeln Ingenieure und Bauunternehmen in C3 auch Konzepte für den Hochbau öffentlicher und privater Gebäude (siehe Seite 36-38). So könnten selbst Häuslebauer in absehbarer Zeit vom größten deutschen Carbonforschungsprojekt profitieren. Zu den neuen Konzepten gehören unter anderem intelligente Fertigteile in Sandwichbauweise. Zwischen zwei äußerst dün-nen Carbonbetonschichten sollen verschiedene Materialien eingebettet werden, die spezielle Funktionen erfüllen. Die Sandwichelemente könnten die Wärme dämmen, heizen und sogar beleuchten. Beispielsweise ließen sich energiesparen-de organische LEDs in den Carbonbetonwänden verbauen. Winzige Sensoren in den Carbonfäden würden jederzeit über den Zustand des Betons Auskunft geben. Selbst Energie ließe sich künftig hinter den Wänden speichern. Dazu eignen sich so genannte Phasenwechselmaterialien, die ihren Aggregatzustand je nach Temperatur ändern und auf diese Weise Energie spei-chern und abgeben können. „Hier gibt es viel Potenzial für kleine und mittlere Unternehmen“, sagt Carbonbetonpionier Offermann. „Die können mit solchen speziellen Entwicklungen an den Markt gehen.“ Geht es nach C3, soll Carbonbeton ab 2020 den Weg in die Praxis finden und alle Genehmigungshürden sollen genom-men sein. „Wir sehen Carbonbeton in den nächsten zehn

Jahren erst mal für 20 Prozent aller Anwendungen als realis-tisch, das kann aber auch deutlich mehr werden“, sagt Projekt-leiter Frank Schladitz. Schon jetzt, lange bevor möglicher-weise eine neue Ära im Bauwesen beginnt, werden die Ideen des C3-Teams mit diversen Preisen bedacht: 2014 der deut-sche „GreenTec Award“ in der Kategorie Bauen und Wohnen, 2015 der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Forschung und der Deutsche Rohstoffeffizienzpreis – und als vorläufiger Höhe-punkt im Dezember 2016: der Deutsche Zukunftspreis des Bundespräsidenten als wichtigster deutscher Innovationspreis. Für Peter Offermann ist das Freude und Genugtuung zugleich: „C3 ist der Erfolg unseres Dranbleibens. Und das Dranbleiben macht nach wie vor Freude“, sagt der 76-Jährige und lächelt. Wenn Bauwerke in Zukunft dank Carbonbeton leichter und ästhetischer, langlebiger und flexibler werden, hat sich seine jahrzehntelange Arbeit gelohnt.

„Wenn wir es schaffen, die Gebäude nicht

ständig abreißen zu müssen, dann wäre das ein Riesenerfolg.“

Stärker als Stahl: Dehn- und Zugfestigkeitstests

haben gezeigt, dass die Carbonbewehrung im Beton 24-mal leistungs-

fähiger ist als die aus Stahl.

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„ Mit Carbonbeton wäre es denkbar, wunderbare Bauwerke zu errichten.“

Professor Manfred Curbach

ist Direktor des Instituts für Massivbau an der TU Dresden und Vorstandsvorsitzender des Zwanzig20-Konsortiums „C3“. Gemeinsam mit Professor Peter Offermann und Professor Chokri Cherif erhielt er für das Projekt „Das faszinierende Material Carbonbeton – sparsam, schonend, schön“ den Deutschen Zukunftspreis 2016.

Im Interview spricht Zukunftspreisträger Manfred Curbach über die Vorteile von Carbonbeton, das Mega-Projekt „C3“ und die Zukunft des Bauens

Was begeistert Sie an Beton? Beton ist ein faszinierendes Material, weil man damit einen künstlichen Stein in fast jeder beliebigen Form herstellen kann.

Momentan wird vor allem mit Stahlbeton gebaut. Weshalb ist es notwendig, neue Materialien zu entwickeln? Wir verbrauchen derzeit acht Milliarden Kubikmeter Beton pro Jahr weltweit. Um sich diese Menge besser vorstellen zu können: Würde man einen Turm von der Größe eines Tennisplatzes mit 30 Zentimeter dicken Wänden bauen, würde dieser bis zum Mond reichen. Sand und Kies, die man dafür braucht, wer-den teilweise schon knapp und der Zement verursacht bei seiner Herstellung nahezu sechseinhalb Prozent des CO2-Ausstoßes der Welt. Das ist ungefähr das Dreifache des-sen, was die gesamte Luftfahrtindustrie verursacht. Es sind also unglaubliche Mengen

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C a r b o n b e t o n · S c h w e r p u n k t

an Rohstoff, die wir verbrauchen, und Luft, die wir verschmut-zen, um Wohnraum oder Brücken zu errichten. Daran müssen wir etwas ändern, damit wir jungen Menschen eine Zukunft bieten können.

Warum ist Carbonbeton eine gute Alternative? Wenn wir Carbonbeton nutzen, können wir 50 bis 80 Prozent der Betonmenge einsparen. Das ist die Menge Beton, die momentan eingesetzt wird, um den Stahl vor Korrosion zu schützen. Das brauchen wir für Carbon nicht.

Ist Carbon nicht viel teurer als Stahl? Das Material schon: Ein Kilo Stahl kostet ungefähr einen Euro, ein Kilo Carbon kostet ungefähr 16 Euro. Aber: Carbon wiegt bei gleichem Volumen nur ein Viertel von Stahl, man bekommt also die vierfache Menge. Außerdem ist seine Festigkeit fünf bis sechsmal höher als die von Stahl und er korrodiert nicht. Wenn man also Leistung und Haltbarkeit betrachtet, ist Carbon sogar etwas günstiger als Stahl.

Aus welchem Rohstoff wird Carbon gewonnen? Im Moment noch aus Erdöl, und wir wissen, dass es eine sehr limitier-te Ressource ist. Deshalb forschen viele Institutionen daran, Carbonfasern aus anderen Kohlenstoffquellen zu gewinnen. Inzwischen gibt es vielsprechende Möglichkeiten, Carbonfasern aus Lignin herzustellen, einem der Hauptinhaltsstoffe von Holz. Damit haben wir einen nachwachsenden Rohstoff und eine sehr gute Alternative zu Erdöl.

Wie können Sie mit der Zwanzig20-Förderung von C3 die Entwicklung von Carbonbeton voranbringen? Wir haben 12 Jahre lang in Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft Grundlagenforschung betrieben. Es gab aber immer noch eine Lücke zwischen der anwendungs-bereiten Technologie und der Praxis. Genau diese Lücke wird durch die BMBF-Förderung geschlossen. Die Chancen, dass Carbonbeton 2020 den Sprung in die Praxis geschafft haben wird, sind jetzt sehr groß. Das hätte es ohne Zwanzig20 nicht gegeben.

Was ist das Besondere am C3-Konsortium mit 140 Partnern? Wir haben es geschafft, Beteiligte unterschiedlichster Bran chen und Disziplinen an einen Tisch zu bekommen. Dazu ge hören das Baugewerbe, aber eben auch Forscher und Unter neh men aus solchen Industrie- und Wissensbereichen wie Chemie, Maschinenbau, Ingenieurwesen, Elektrotechnik, Orga-nisations- und Kommunikationsmanagement. Diese Form von Grenzüberschreitung war nur im Rahmen von Zwanzig20 möglich.

Welche Ziele verfolgen Sie mit C3? Wir entwickeln unter anderem neue Betonrezepturen und Beschichtungen für die Carbongelege sowie multifunktionale Fertigbauteile aus Carbonbeton. Vor allem aber wollen wir die Haupthürde zur flächendeckenden Anwendung von Carbonbeton nehmen. Wir wollen allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen erwirken, die vom Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin erteilt werden und bundesweit gelten.

Was verstehen Sie unter multifunktionalen Bauteilen aus Carbonbeton? Bisher haben dicke Betonwände die Aufgaben von Schallschutz und Wärmedämmung mit übernommen. Jetzt wäre es gut, die Aufgaben zu trennen und jeweils den besten Materialien zuzuordnen, die dafür auf dem Markt sind. Deshalb planen wir Sandwichkonstruktionen. Eine Wand, die jetzt aus 20 Zentimeter dickem Beton besteht, hätte dann nur zwei Zentimeter Carbonbeton an den Außenseiten und dazwischen andere Materialien für Schallschutz und Wärmedämmung, vielleicht sogar für Energiespeicherung und Beleuchtung. Der Zwischenraum ließe sich vielfältig nutzen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Bauens? Ich würde gerne den Ruf von Beton verbessern, der momentan nicht beson-ders gut ist. Mit Carbonbeton wäre es denkbar, wunderba-re Bauwerke zu errichten, die ästhetisch eine ganz andere Qualität haben als das, was es momentan gibt. Die Möglichkeit, mit Beton schön, leicht und umweltschonend zu bauen, soll einen Paradigmenwechsel im Bauwesen bringen. Das wäre mein Wunsch.

Zum Film: „Neues Bauen mit Carbonbeton“bit.ly/Carbonbeton

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16 TU Dresden | Studentenhaus | 31. August 2016

concepTrooF STrUcTUre

ROOF OUTLINE AND SUPPORT BLENDING ROOF AN DWALL MAXIMUM SLENDERNESS FOR THIN PROFILE

Wie hält das denn?

C a r b o n b e t o n · S c h w e r p u n k t

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München-Maxvorstadt, ein lichtdurchflutetes, denk-malgeschütztes Rückgebäude aus dem Jahr 1912. Von hier aus plant und errichtet Gunter Henn architek-

tonische Werke von internationalem Rang – in der Nachfolge seines Vaters Walter, gemeinsam mit seinem Sohn Martin und mit insgesamt 350 Mitarbeitern. Hunderte Gebäude welt-weit tragen Henns Handschrift, darunter die spektakuläre Gläserne Manufaktur in Dresden, das derzeit entstehende, 430 Meter hohe Finanzzentrum im chinesischen Haikou oder auch das jüngst eingeweihte Abbe Center of Photonics in Jena. „Gerade habe ich erfahren, dass wir einen Wettbewerb in China gewonnen haben und in Changchun fünf Hochhäuser mit 500.000 Quadratmetern Fläche bauen dürfen“, erzählt Gunter Henn fast beiläufig. Regelrechte Begeisterung kommt erst auf, als der 69-Jährige über einen ganz neuen Baustoff spricht. „Carbonbeton ist ein ästhetisches und kreatives Material. Damit sind Dinge möglich, die zuvor nicht denkbar waren“, schwärmt Henn. „Mit Carbonbeton kann man scheinbar die Schwerkraft aufheben!“ Der Architekt sieht gar eine neue Ära des Bauens

Bis zum Jahr 2019 wird auf dem Campus der TU Dresden dieser Pavillon aus Carbonbeton

entstehen. Seine filigrane Betonschale soll an den Rändern lediglich fünf Zentimeter dick sein.

16 TU Dresden | Studentenhaus | 31. August 2016

concepTrooF STrUcTUre

ROOF OUTLINE AND SUPPORT BLENDING ROOF AN DWALL MAXIMUM SLENDERNESS FOR THIN PROFILE

Mit spektakulären Bauwerken aus Carbonbeton will Architekt Gunter Henn die Menschen zum Staunen bringen. Auf dem Dresdner Universitätscampus soll ein federleicht anmutender Pavillon einen Vorgeschmack auf die Zukunft des Bauens geben.

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S c h w e r p u n k t · C a r b o n b e t o n

anbrechen, in der Wände, Decken und Dächer nicht mehr als Einzelteile zusammengefügt werden, sondern Gebäude in einem ganzheitlichen, von der Form getriebenen Prozess entstehen. Eine avantgardistische Kostprobe dieses innovativen Materials soll ein etwa 50 Meter langer Pavillon geben, den das Architekturbüro Henn bis zum Jahr 2019 auf dem Campus der TU Dresden errichten wird. Eine Schalenkonstruktion, die in einer freitragenden Ellipse auskragt, soll die ganze Gestaltungsfreiheit des neuen Werkstoffs zeigen. Wir geben dem Gebäude eine Eleganz, die wir mit Stahlbeton nie errei-chen könnten“, sagt Henn. An ihren Enden wird die Betonschale ganze fünf Zentimeter dick sein – so viel wie fünf Scheiben Toast. Das kann nur gelingen, wenn der Architekt auf die schweren, dicken Betonmassen verzichtet, die üblicherweise Stahlträger vor Korrosion schützen, und stattdessen auf rost-freien Carbonbeton setzt. Ein weiterer Vorteil: Die Betonbauer können in Zukunft mit einem feineren Kiesgemisch arbei-ten, was auch für Fassaden und Wände aus Sichtbeton ganz neue Möglichkeiten eröffnet – solange man nicht von rigiden Schallschutz- oder Wärmedämmungsvorschriften eingebremst wird. Auf die Einhaltung sämtlicher Vorschriften werden die Behörden in diesem Einzelfall nicht pochen, ist sich Henn sicher. Zu begeistert zeigt sich die Phalanx der Unterstützer in Dresden, und ein zu spektakuläres Ergebnis verspricht Gunter Henn: „Man wird die Luft anhalten und sich fragen: Wie hält das denn?“

Das erste Carbonbeton-Haus der Welt

Der Standort des Pavillons auf dem TU-Campus ist kein Zufall, denn die jahrzehntelangen Forschungen zum Carbonbeton sind untrennbar mit der Stadt Dresden verbunden. TU-Professor und Carbonbeton-Pionier Manfred Curbach (siehe auch Interview Seite 34/35) koordiniert das 140 Partner starke Zwanzig20-Konsortium „C3 – Carbon Concrete Composite“. Gunter Henn wiederum – selbst gebürtiger Dresdner und, wie auch schon sein Vater Walter, emeritierter TU-Professor für Industriebau – ver-folgt Curbachs Arbeit seit vielen Jahren. Heute leitet er an der Hochschule das Zentrum für Synergie-Entwicklung (ZSE). Das im Rahmen der Exzellenz initiative geschaffene ZSE befördert den Wissensaustausch mit Partnern innerhalb und außerhalb der Universität und wirkt sich auch auf den Carbonbeton-Pavillon aus: Organische Elek tronik aus Dresden soll auf dem Dach diejenige Solarenergie einfangen, mit der großflächige organische LEDs den Innenraum erhellen. Geradezu unscheinbar wird sich hingegen der „C-Cube“ ausnehmen, der auch auf dem Dresdner Universitätsgelände entstehen soll. „Er wird aussehen wie ein ganz normales Wohn-haus, mit geraden Mauern und Satteldach“, kündigt Gunter Henn an. Doch der für 2019 geplante Zweistöcker wäre eine Sensation: das weltweit erste Carbonbeton-Haus. Den

C3-Wissenschaftlern soll das Bauwerk wertvolle Erkenntnisse zu Raumklima, Schallschutz, integrierten Funktionen und vor allem zur Alltagstauglichkeit liefern. Bis sich die ersten Privatkunden Häuser aus Carbonbeton aufs Grundstück setzen lassen, wird es zwar noch etwa zehn Jahre dauern, schätzt Henn. Doch die Zukunft der Architektur hat bereits begonnen.

Bessere Brücken bauenDeutschlands Brücken bröckeln, das ist bekannt. Landesweit sind rund 2.500 in einem bedenklichen Zustand. Carbonbeton bietet auch für die Sanierung und den Neubau von Brücken eine Chance.

Allein die Umleitungen und Staus wegen maroder Brücken verursachen hierzulande einen volkswirt-schaftlichen Schaden von rund zwei Milliarden Euro pro

Jahr. Es besteht also akuter Handlungsbedarf. Mit Carbonbeton könnte nachhaltig saniert werden, denn es braucht nur wenig

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C a r b o n b e t o n · S c h w e r p u n k t

Material, um eine sehr hohe Haltbarkeit zu erreichen. Spezielle Betonmischungen, kombiniert mit Bewehrungen aus flexiblen Carbongittern, haben sich dafür in der Praxis bereits bewährt. Manche Brücken sind allerdings nicht mehr zu retten. Auch für den Neubau wäre Carbonbeton bestens geeignet. „Das ist allerdings die Königsdisziplin“, sagt C3-Projektleiter Dr. Frank Schladitz, „denn man hat neben starken Kräften, die dort wir-ken, auch diverse Witterungseinflüsse.“ Dieser Herausforderung stellt sich ein Team der Technischen Universität Berlin, das ebenfalls zu C3 gehört. Die Bauingenieure arbeiten am Prototyp einer völlig neuen Brücke, die komplett aus Carbonbeton beste-hen soll. „Wir wollen die Voraussetzungen für eine standardmä-ßige Autobahnüberführung mit einer Spannbreite von etwa 50 Metern schaffen“, sagt Projektleiter Arndt Goldack. Die Berliner haben damit Erfahrung. Bereits vor 10 Jahren errichteten sie die erste 15 Meter lange Betonspannbandbrücke – zunächst nur im Labor. Sie besteht aus breiten Carbonbändern, die gerade mal einen Millimeter dick sind und auf denen Betonplatten liegen. Eine gewagte Konstruktion, die dennoch äußerst stabil ist und vor allem nicht rostet. Neue Brückenbauten, an denen

An Stahlbeton-Brücken wie dieser nagt der Zahn der Zeit besonders erfolgreich.

Für C3-Projektleiter Frank Schladitz (Bild S. 38) ist der Neubau von Brücken die Königsdisziplin.

in Berlin getüftelt wird, sollen jedoch nicht nur haltbarer sein als herkömmliche Stahlbetonbrücken. „Wir wollen schlan-kere und elegantere Brücken bauen“, sagt Mike Schlaich. Der Bauingenieur und Professor an der TU Berlin leitet ein interna-tionales Planungsbüro mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Konstruktion filigraner und flexibler Bauten. Das Berliner C3-Team plant, neue Brücken mit Bändern oder Stäben aus Carbon zu verstärken. Vorspannung nennt sich diese Methode. „Man drückt den Beton zusammen, dann verformt er sich nicht mehr“, erläutert Schlaich. „Das macht man bisher nur mit Stahl, wir wollen dafür Carbon nutzen.“ Dabei werden sie von Firmenpartnern wie der Augsburger SGL-Carbon Group unterstützt, die im Auto- und Flugzeugbau tätig ist. Im Rahmen von C3 entwickelt das Unternehmen neuartige Stäbe aus Carbon für den Bau von Brücken. Wie diese Stäbe dann im Beton verankert werden, ist eine weitere Frage, die es zu lösen gilt. „Bei der Betonvorspannung mit Stahl werden dafür Stahlkeile genutzt, aber für Carbon müssen wir eine völlig neue Verankerung finden“, sagt Mike Schlaich. Auch die Mischung und Menge des Betons sind für die Haltbarkeit des Bauwerks wichtig. Autobahnbrücken haben schließlich extrem hohe Lasten über einen langen Zeitraum zu tragen. Die Berliner Wissenschaftler berechnen deshalb genau, wie dick der Beton sein muss, um alle Sicherheitsstandards zu erfüllen. „Am Ende sollte es machbar sein, dass wir eine tragfähige und filigrane Brücke mit Carbonbewehrung realisieren können“, so Arndt Goldack. .

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M e i n S c h r e i b t i s c h + i c h · B e n j a m i n C ö l l e

Grünpflanze Die Filmuni liegt im Grünen, im schicken Babelsberg. Das Gebäude hat auch viele Pflanzen im Innenraum, da gehen Innen und Außen ineinander über. Somit passt die kleine Palme schön in mein Büro.

Das Laptop ist neben dem Telefon mein Hauptarbeitsgerät, denn Kommunikation ist meine wichtigste Tätigkeit: Menschen begeistern, Kollegen bei Laune halten, Neugier stillen. Einen festen PC brauche ich dazu nicht.

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Mein Schreibtisch + ich

Benjamin CölleBenjamin Cölle (36) ist Producer von Spiel- und Dokumentarfilmen sowie cross-medialen Projekten. Er arbeitet als wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Studiengang Film- und Fernsehproduktion an der Filmuniversität „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Zurzeit koordiniert er das Inno-vationsforum Mittelstand „Virtual Reality“. Künstler, Wissen schaftler und Unternehmer erkunden damit zusammen, wohin die VR-Reise geht.

Analog ist nicht out! Ein Zettel mit knackiger Botschaft an der richtigen Stelle ist auch heute noch beste Kommunikation. Und spart Strom.

Virtual-Reality-Brillen wie diese sind für das Innovationsforum Mittelstand unerlässlich. Ist das nur ein neues Gadget oder das neue Symbol für unsere digitale Zeit? Antworten versuchen wir im Rahmen des Forums in Anwendungsworkshops (Laboren) zu finden.

Fachbücher Unerlässlich für modernes Crossmedia. Zum Kinofilm gehört heute ein spannendes Strategiespiel und eine Webdoku – na klar! Ich muss wissen, wie es geht.

Wenn ich nicht das Innovationsforum Mittelstand koordiniere, produziere ich crossmediale Projekte. Mein neuestes Projekt zum Dokumentarfilm ‚Democracy – Im Rausch der Daten‘ habe ich dank des Plakates immer vor Augen.

Unternehmen Region – die BMBF-Innovationsinitiative Neue Länder

Der Ansatz von Unternehmen Region beruht auf einer einfachen Erkenntnis: Innovationen entstehen dort, wo sich Part-ner aus Wirt schaft und Wissenschaft, Bildung, Verwaltung und Politik in Innova tionsbünd nissen zusammenschließen, um die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Regionen zu erhöhen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt regionale Kooperationsbündnisse dabei, ein eigenes zukunftsfähiges technologisches Profil zu entwickeln und konsequent die Stärken und Potenziale ihrer Region zu nutzen und auszubauen. Kernstück jeder regionalen Initiative ist eine klare Inno vations strategie, die von Anfang an auf die Umsetzung der neu entwickelten Produkte, Verfahren und Dienstleistungen im Wettbewerb ausgerichtet ist.Unternehmen Region umfasst die folgenden Programme:• InnoRegio (1999 bis 2006)• Innovative regionale Wachstumskerne mit Modul WK Potenzial• Innovationsforen (2001 bis 2016)*• Zentren für Innovationskompetenz• InnoProfile mit InnoProfile-Transfer• ForMaT (2007 bis 2013)• Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation

Für die Förderung von Unternehmen Region stellt das BMBF in diesem Jahr rund 159 Mio. Euro zur Verfügung.

* Aufgrund der Erfahrungen und Erfolge mit dem Programm „Innovationsforen“ hat das BMBF im Juli 2016 für ganzDeutschland die Förderinitiative „Innovationsforen Mittelstand“ aufgelegt.

Weiterführende Informationen

Weiterführende Informationen zurBMBF-Innovations initia tive Neue Länder imInternet unter www.unternehmen-region.de

• Porträts und Profileder regionalen Initiativen

• Aktuelle Nachrichten rund um „Unternehmen Region“

• Publikationen zum Downloaden und Bestellen

Ansprechpartner

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) | Referat Regionale Innovationsinitiativen; Neue Länder11055 Berlin | Tel.: 030 1857-5273 | Fax: 030 1857-85273 | [email protected]äger Jülich – PtJ | Zimmerstraße 26–27 | 10969 BerlinTel.: 030 20199-482 | Fax: 030 20199-400DLR Projektträger, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.Rosa-Luxemburg-Straße 2 | 10178 Berlin | Tel.: 030 67055-481 | Fax: 030 67055-499

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Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung unentgeltlich abge geben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerberinnen/Wahlwerbern oder Wahlhelferinnen/Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kom mu nal wahlen sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament.

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ImpressumHerausgeberBundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)Referat Regionale Innovations initiativen; Neue Länder11055 Berlin

Bestellungenschriftlich anPublikationsversand der BundesregierungPostfach 48 10 0918132 RostockE-Mail: [email protected]: http://www.bmbf.deoder perTel.: 030 18 272 272 1Fax: 030 18 10 272 272 1

StandDezember 2016

DruckGrafisches Centrum Cuno GmbH und Co. KG, Calbe

GestaltungPRpetuum GmbH, Mü[email protected]

BildnachweisPresse- und Informationsamt der Bundesregierung, Steffen Kugler (S. 2), William Veder (S. 2, 10-13), EvoLogics GmbH (S. 2, 6-8), Bauhaus-Universität Weimar, Tom Lehmphul (S. 4), Sciospec (S. 4), Universität Ulm und CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik GmbH (S. 4), ugurhan – iStock (S. 5), Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung – IOM Leipzig (S. 5), BALTIC Taucherei- und Bergungsbetrieb Rostock GmbH (S. 7), Vasily Smirnov – Fotolia (S. 9), pingebat – Fotolia (S. 9), martialred – Fotolia (S. 9), Deutscher Zukunftspreis / Ansgar Pudenz (S. 34), HENN (S. 36-37), Siegfried Schnepf – Fotolia (S. 39), PRpetuum GmbH (S. 40)alle anderen Fotos: BMBF/Unternehmen Region – Thilo Schoch, Berlin

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„Unternehmen Region“ erscheint 3-mal im Jahr und wird unentgeltlich abgegeben.

Titelbild: Geschwungenes Bauteil aus Carbonbeton

www.bmbf.de