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UMGANG MIT MON810 Rechtliche Anforderungen und Möglichkeiten für Anordnungen im Umgang mit ausgebrachtem genetisch verändertem Mais der Linie MON810 durch die Behörden Erstellt durch Rechtsanwaltskanzlei Wolfram Günther (Leipzig) unter Mitarbeit von Holger Seidemann (Büro für Umwelt und Planung Leipzig) für BUND Sachsen (BUND für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Landesverband Sachsen e.V.) Leipzig, Juli 2007

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UMGANG MIT MON810

Rechtliche Anforderungen und Möglichkeiten für Anordnungen imUmgang mit ausgebrachtem genetisch verändertem Mais der

Linie MON810 durch die Behörden

Erstellt durch

Rechtsanwaltskanzlei Wolfram Günther(Leipzig)

unter Mitarbeit von

Holger Seidemann(Büro für Umwelt und Planung Leipzig)

für

BUND Sachsen(BUND für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Landesverband Sachsen e.V.)

Leipzig, Juli 2007

Inhalt

Einleitung und Zusammenfassung

1. Wirkung von MON8101.1. Eigenschaften des genetisch veränderten Maises MON8101.2 Gesundheitsrisiken

1.2.1 Übertragbarkeit von gentechnisch verändertem Erbgut1.2.2 Spezifische Gesundheitsrisiken der Verwendung von GVO als Lebensmittel1.2.3 Spezifische Risiken von GVO-Pollen in Honig1.2.4 Spezifische Risiken von GVO-Pollen auf Speisemais

1.3 Mögliche Beeinträchtigungen des Naturhaushalts durch MON810(Austrag des Bt-Toxins in den Naturhaushalt)

1.3.1 Ausbreitung des BT-Toxins1.3.2 Wirkung des BT-Toxins auf Boden u. Gewässer1.3.3 Wirkungen des Anbaus von MON810 bzw. des Bt-Toxins auf Nichtzielarten

(Beeinträchtigungen)1.3.3.1 Auswirkungen auf Tierarten allg.1.3.3.2 Auswirkungen auf Schmetterlingsarten1.3.3.3 Auswirkung des Bt-Toxin enthaltenden Pollens auf geschützte

Schmetterlingsarten bei Anbau von MON8101.3.3.4 Auswirkungen auf Hautflügler: Bienen und Wespen1.3.3.5 Auswirkungen auf Trauermückenlarven und ihre Pradatoren (Käferlarven)

1.3.4 Mögliche Wirkungen des Anbaus von MON810 bzw. des Bt-Toxins aufSchutzgebiete allg. (FFH, NSG)

1.3.4.1 Relevanzhöhe möglicher Beeinträchtigungen1.3.4.2 Fachkonvention über die Größe von Abstandsflächen zwischen Bt-

Maisanbau und Schutzgebieten mit seltener Lepidopterenfauna1.3.5 Potentiell durch den Anbau von MON810 geschädigte Schmetterlings- und

Käferarten die unter dem Schutzstatus der FFH-RL stehen1.3.5.1 Arten die unter dem Schutz nach Anhang IV der FFH-RL stehen1.3.5.2 Arten die unter dem Schutz nach Anhang II der FFH-RL stehen1.3.5.3 Charakteristische Arten der Lebensräume des Anhanges I der FFH-RL

a) Lebensraumtypenb) Tabelle: Beeinträchtigungsabschätzung für charakteristische Arten der FFH-

Lebensraumtypen2. Anordnungsbefugnisse für die Behörden

2.1 Rechtliche Grundstruktur der behördlichen Kontrolle von GVO2.2 Rechtliche Maßstäbe zum Umgang mit GVO

2.2.1 Grundprinzipien (Vorsorge, Koexistenz)2.2.2 Vorsorgeprinzip bei GVO (Handlungsmaßstab Risiko, nicht Nachweis von

Schädlichkeit)a) EG-Richtlinie 2001/18 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter

Organismen in die Umwelt (…)b) GenTG

2.2.3 Berücksichtigung direkter als auch indirekte Auswirkungen von GVO2.2.4 Gesonderte Betrachtung der jeweils unterschiedlichen Arten und Lebensräume 2.2.5 Ausschluß schädlicher Auswirkungen von Lebensmitteln

EG-Verordnung 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel undFuttermittel

2.3 Umgang mit ausgebrachten GVO (Nachmarktliche Maßnahmen)2.3.1 Grundsätze des Umgangs mit in Verkehr gebrachten GVO2.3.2 Kontrollmechanismen beim Umgang mit in Verkehr gebrachten GVO

a) Überwachung der Einhaltung von Auflagen der IVG-Genehmigungb) Überprüfung konkreter Standortbedingungen / Naturschutzrecht

aa) Artenschutzbb) Gebietsschutz

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2.3.3 Behördliche Anordnungen bei neuen Erkenntnissen zu in Verkehr gebrachten GVOa) Gentechnikrechtlicher Umfang der Anordnungsbefugnisse allgemeinb) Zuständige Behörden nach Gentechnikrecht und Naturschutzrecht

3. Rechtlicher Status von MON8103.1 Frage des Vorliegens einer wirksamen gentechnikrechtlichen Zulassung für MON810

insgesamt3.2 Fehlen einer wirksamen gentechnikrechtlichen Zulassung für MON810 als

Lebensmittel / GVO-Pollen der Linie MON810 in Lebensmitteln (Honig, Speisemais)a) Frage der Anwendbarkeit der EG-VO 1829/2003b) Frage der Beachtlichkeit hinsichtlich eines Schwellenwertes

3.3 Teilweises Ruhen der bisherigen behördlich anerkannten Zustimmung zumInverkehrbringen seit dem 27.04.2007

3.3.1 Anordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit(BVL)

3.3.2 Folgen der Anordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit für die Landesbehörden und Landratsämter

a) Landesbehörden (SMUL)b) Landratsämter (UNB)c) Anordnung zum Umpflügen bzw. zum Schneiden der Pollenfahnen

4. Aktuelle behördliche, gerichtliche und politische Reaktionen4.1 Verbote von MON810 im EU-Ausland4.2 Gerichtliche Entscheidungen, insbes. Anordnung zur Kappung durch das VG

Augsburg / aufgehoben durch den BayVGHa) Verwaltungsgericht Augsburgb) Bayerischer Verwaltungsgerichtshofc) OVG Berlin-Brandenburg

4.3 Anordnung zum Umpflügen im Land Brandenburg (Landkreis Märkisch-Oderland)

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Einleitung und Zusammenfassung

In ganz Deutschland, wie auch der EU findet derzeit eine Diskussion über den Umgang mit aufden Feldern stehenden genetisch veränderten Maispflanzen der Linie MON810 statt. Allein inSachsen finden sich weit über 500 Hektar Anbaufläche mit MON810.

Für Lebensmittel aus MON810, die selbst genveränderte Organismen enthalten, wurde bislangnoch keine Zulassung gem. EG-Verordnung 1829/2003 beantragt und erteilt. Obwohl nicht alsLebensmittel zugelassen, können Teile von MON810 vor allem als Pollen in Honig bzw. überAuskreuzungen in Speisemais in Lebensmittel geraten. Dabei sind die spezifischenGesundheitsrisiken für MON810 in Lebensmitteln derzeit aufgrund des fehlendenlebensmittelrechtlichen Zulassungsverfahrens weder geprüft, noch abschätzbar. Grundsätzlichbestehen diese Risiken im Hinblick auf Allergenität (d.h. ein erhöhtes Risiko fürLebensmittelallergien), Toxizität (d.h. unmittelbare Gesundheitsbeschädigung), Nährstoffe (d.h.die Beeinträchtigung des Nährstoffhaushalts).

Durch den Anbau der Maissorte MON810 sind verschiedenen Beeinträchtigungen aufnaturschutzrechtlich geschützte Nichtzielorganismen zu erwarten. Nach dem derzeitigen Standder Erkenntnisse ist vor allem über den Wirkpfad des Pollenaustrages mit einer großflächigenVerbreitung des enthaltenen Bt-Toxins zu rechnen. Besonders betroffene Tierarten und derenLebensräume sind dabei Schmetterlinge, Hautflügler, Bienen und Laufkäfer (als Fresser vonTrauermücken).

Derzeit sind deutschlandweit mehrere gerichtliche Verfahren anhängig, in denen es um denAnbau von MON810 geht. Rechtskräftig abgeschlossen wurden bis jetzt nur Eilverfahren, indenen es um den Eintrag von Pollen in Honig ging. Juristisch umstritten ist dabei bereits dieFrage des Bestehens einer gentechnikrechtlichen Zulassung für den Anbau von MON810. Insämtlichen Gerichtsbeschlüssen, die in bisherigen Eilverfahren ergingen wurde dieseschwierige Frage ausgeklammert. Eine dezidierte gerichtliche Aussage in einemHauptverfahren liegt somit dazu noch nicht vor. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß in denaktuellen Entscheidungen insbesondere vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und denOberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg grundsätzlich anerkannt wurde, daß ein Verbotvon Honig mit GVO-Pollen ab dem Schwellenwert von 0,9 % zu erwägen und ggf. sogargeboten ist und weiter der Anbau von MON810 nicht schon generell als von der „gutenfachlichen Praxis“ umfaßt gilt, sondern dafür gem. § 16b Abs. 2 u. 3 GenTG u.a. dieEinhaltung bestimmter Abstandsflächen einzuhalten ist. Ist dies nicht gegeben, bleibt es beider Möglichkeit von Abwehransprüchen von betroffenen Imkern und Landwirten.Erforderlichenfalls könnte dann auch ein Einschreiten der Behörden von Amts wegen gebotensein.

Mit Bescheid vom Bescheid vom 27.04.2007 hat nun das Bundesamt für Verbraucherschutzund Lebensmittelsicherheit (BVL) als zuständige Bundesoberbehörde mit sofortiger Wirkungdas Ruhen der umstrittenen Genehmigung für das Inverkehrbringen von MON810-Saatgutangeordnet, bis die Bedingung - Vorlage eines Beobachtungsplans - erfüllt ist. Das Bundesamtfür Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) führt in seinem Bescheid aus, daß imSinne von § 20 Abs. 2 GenTG: „ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass dergentechnisch veränderte Organismus eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder dieUmwelt darstellt. (…) Erst mit jüngeren Untersuchungen wurde deutlich, dass und in welchemAusmaß das Bt-Toxin über die Pflanze in höhere Nahrungsketten gelangt (Harwood et al.2005, Molecular Ecology, 14, 2815-2823; Zwahlen & Andow 2005, Environmental BiosafetyResearch, 4, 113-117; Obrist et al. 2006, Ecological Entomology, 31, 143-154). Die Expositionvon Nichtzielorganismen höherer Nahrungskettenglieder wie z.B. Prädatoren oderParasistioiden mit dem Bt-Toxin ist damit belegt. In ihrer Übersicht zu für Bt-Pflanzenrelevanten Tests kommen Lövei & Arpaia (2005, Entomologia Experimentalis et Applicata,114, 1-14) zu dem Schluss, dass bei Laborversuchen bei 41 % der bei räuberischen Insektenuntersuchten Parameter negative Einflüsse u.a. auf das Überleben, die Entwicklungszeit, dieLebensdauer und die Reproduktion gemessen wurden (davon 30 % signifikant negativ).Ähnliche Zahlen ergeben sich für Parasistiode (Lövei & Arpaia 2005, a.a.O.). Andere wichtigeOrganismengruppen wie z.B. räuberische Fliegen, Wespen, Ameisen, Kurzflügelkäfer oder

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Spinnen, die im Feld eine große Rolle bei der natürlichen Schädlingsbekämpfung spielen,wurden bisher im Labor kaum bzw. nur schlecht untersucht.“

Unmittelbare Folge des vom BVL angeordneten Ruhens der Genehmigung ist, daß dasInverkehrbringen von MON810-Saatgut solange verboten ist, bis die Bedingung erfüllt ist. DieFrage ist nun, welche Auswirkungen der Bescheid auf bereits ausgebrachtes Saatgut und diesich daraus mittlerweile entwickelten Pflanzen hat und wie mit diesen umzugehen ist.Unmittelbare Wirkung erzeugt das Verbot (durch die im Hinblick auf die Aussaattermineverspätete Bekanntmachung zum 27.04.2007) damit erst vor der nächsten Anbausaison, dadas MON810-Saatgut für die Anbausaison 2007 schon weitestgehend verkauft und ausgesätwar. Die befürchteten Gefahren entstehen nun allerdings beim Anbau.

Ein Anbauverbot, Beschränkungen des Anbaus oder Schutzvorkehrungen konnte das BVLnicht anordnen, weil seine Entscheidungsbefugnisse auf das Ruhen derInverkehrbringungsgenehmigung beschränkt sind. Weitergehende Anordnungen, wie etwa einAnbauverbot, ein Verpflichtung zur Entfernung des Saatgutes und von Pflanzen aus demBoden, deren Unterpflügen oder der wirksamen Unterbindung des Pollenaustrags, können nurdie zuständigen Behörden der Länder treffen. Auf Grundlage des § 4 Abs. 2EGGenTGDurchfG und nach § 26 Abs. 1 Satz GenTG die zuständige Landesbehörde (inSachsen das SMUL) bzw. im Rahmen der Anwendung von Normen des BNatSchG sowie derLandesnaturschutzgesetzte (etwa SächsNatSchG) die zuständigen Naturschutzbehörden. Hiergrundsätzlich die untere Naturschutzbehörde, also bei Anbauvorhaben i.d.R. die örtlichzuständigen Landratsämter. Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens sind diese Behördenbei Vorliegen konkreter Risiken für geschützte Arten und Schutzgebiete sogar zum Handelnverpflichtet.

Eine Verpflichtung der Landesbehörden, den laufenden Anbau zu unterbinden, kommtgentechnikrechtlich unter zwei Gesichtspunkten in Betracht: Zum einen setzt der Umgang mitin Verkehr gebrachten Produkten nach § 16b GenTG grundlegend voraus, daß es sich umzugelassene Produkte handelt. Nachdem nun die Zulassung durch das BVL (vorläufig) nichtmehr wirksam ist, wird dem Anbau die rechtliche Grundlage entzogen. Zum anderen könntevon Vorsorge, die das GenTG verlangt, nicht mehr ernsthaft die Rede sein, wennLandesbehörden selbst bei von der zuständigen Bundesbehörde erkannten, greifbarenAnhaltspunkten für Gefahren keine Schutzmaßnahmen ergreifen.

Für die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Bestimmungen sind dagegen im Regelfall dieunteren Naturschutzbehörden zuständig. Diese haben nach pflichtgemäßem Ermessen für dieEinhaltung und Durchsetzung der naturschutzrechtlichen Normen zu sorgen. Nicht mehr vomRahmen des pflichtgemäßen Ermessens umfaßt sein dürfte, wenn die untereNaturschutzbehörde angesichts der von der zuständigen Bundesbehörde erkannten,greifbaren Anhaltspunkte für Gefahren für die Umwelt im Rahmen des Einschreitermessensnicht tätig wird (Ermessensreduzierung auf Null) und im Rahmen des Auswahlermessens nichtfür einen wirksamen Schutz betroffener Arten und Schutzgebiete sorgt. Dies zumindestinsoweit, wie das Anbauvorhaben im konkreten Fall entweder aufgrund der naturräumlichenAusstattung der Anbaufläche bzw. angrenzender Naturräume (Artenschutz) bzw. seiner Lagein oder in der Nähe von Schutzgebieten zu Risiken führen kann.

In diesem Sinne untersagte im Mai 2007 der Landkreis Märkisch-Oderland den Anbau vongentechnisch verändertem Mais der Sorte MON 810 innerhalb des Naturschutzgebietes"Ruhlsdorfer Bruch", bereits bestellte Flächen sind dabei umzubrechen. Damit reagiert derKreis auf eine Weisung des Brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums im Nachgang derAnordnung des BVL.

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Ein behördliches Einschreiten ist danach insbesondere geboten:

I. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit

• Wenn Bienen, die Honig als Lebensmittel produzieren im Umkreis von 2 bis 6 km um dieAnbauflächen mit Maispflanzen der Linie MON810 vorkommen und dort Pollen sammelnund ein Eintrag von GVO-Pollen ab dem Schwellenwert von 0,9 % zu erwarten ist.

• Wenn in der Nähe der Anbauflächen mit Maispflanzen der Linie MON810 Speisemaisangebaut wird und mit einem Polleneintrag auf den Anbauflächen von Speisemaisgerechnet werden muß (Mindestabstand von 150 bis 400 Meter in Diskussion)

II. Zum Schutz der Natur

• Wenn Schutzgebiete gem. BNatSchG bzw. Landesnaturschutzgesetz unmittelbar in ihrenSchutzgebietszielen beeinträchtigt werden:- Bei Verstößen gegen Schutzgebietsziele. Insbesondere sofern in Naturschutzgebieten

ein spezielles Verbot von Biozid-Einsatz besteht, muß die Anpflanzung von MON810generell als Verstoß gegen die Schutzgebietsziele bzw. Schutzgebietsverordnunggewertet werden.

- Das gleiche gilt, wenn in Schutzgebieten das Ausbringen gentechnisch veränderterPflanzen untersagt ist.

• Wenn geschützte Arten bzw. deren geschützte Lebensräume betroffen sind:- In FFH-Gebieten (Mindestabstand von 1.000 Metern in Diskussion) sind die Arten der

Anhänge II sowie - der Schutz der Lebensräume nach Anhang I der FFH-RL zu beachten.- Unabhängig von einem bestehenden Gebietsschutz sind überall die Arten des Anhanges

IV der FFH-RL geschützt.

Charakteristische Artengruppen und deren Lebensräume sind hierbei vor allem - Schmetterlinge- Hautflügler- Bienen- Laufkäfer (als Fresser von Trauermücken)

Da Maissorten in der Zeit von Juli/August bis September/Oktober blühen und innerhalb dieserZeit ihren Pollen aus tragen, ist ein Vorgehen der zuständigen Behörden spätestens AnfangJuli erforderlich, da sonst durch den erfolgten Pollenaustrag erledigt und nicht mehrbeseitigbare vollendete Tatsachen geschaffen würden.

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1. Wirkung von MON810

1.1. Eigenschaften des genetisch veränderten Maises MON810

Die gentechnisch veränderten Maislinie MON810 der Firma Monsanto, ist zwecksInsektenresistenz ein Gen des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) übertragen worden.Hier wird der Giftstoff (Biozid/ Insektizid) des Bakteriums produziert, allgemein als Bt-Toxinbezeichnet.

(Siehe zu MON810 insbesondere:• Menzel, Gentechnisch veränderte Pflanzen und Schutzgebiete – Wirksamkeit von

Abstandsregelungen. Naturschutz und Biologische Vielfalt. 2005 [Schriftenreihe desBundesamtes für Naturschutz Nr. 10], S. 46.

• Mertens, Gutachten zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich ökologischerund gesundheitlicher Risiken seit der EU-rechtlichen Zulassung der gentechnischveränderten Maislinie MON810 im Jahr 1998; Institut für Biodiversität Netzwerk e.V.;August 2006, S. 15).

Gen-Mais MON810 ist ein technisch erzeugtes Produkt, das zwar die wesentlichen Merkmaleeiner Pflanze hat, in der Natur durch Evolution aber nie hätte entstehen können. Gen-Maisenthält ein Gen eines Bakteriums und produziert daher ein Gift (Bt-Toxin). Daswirkungsrelevante Bt-Toxin wird in den Geweben von Blättern, Pollen, Quaste, Seide undKörnern konstitutiv gebildet. Das Gift ist in allen Pflanzenteilen in unterschiedlichenKonzentrationen vorhanden und überdauert in der Natur mehr als 200 Tage, auch im Winter.

Die Konzentrationen Bt-Toxins innerhalb der bisher betrachteten MON810 Maispflanzenschwanken beträchtlich. Dabei wurden regelmäßig die höchsten Werte (4,5 – 13,53 µg pro gFrischgewicht) im Blattgewebe festgestellt. Die gemessenen Bt-Toxin-Konzentration im Pollenschwankten zwischen 0.09 und 6,6 µg/g (Mertens a.a.O., S. 15).

Die beabsichtigte Insektenresistenz des Mais MON810 sollte sich vor allem gegen die ZielartMaiszünsler richten, der als hauptsächliches Fraßinsekt negativ auf die Ernterträge beimMaisanbau wirken kann. Allerdings blieben die Wirkungen des Bt-Toxins nicht auf die ZielartMaiszünsler beschränkt. Durch die integrierte bakterielle DNA-Sequenz wird nun in jeder Zelledirekt das Bt-Toxin gebildet. Das Toxin verliert insgesamt seine Wirkspezifität und kann einbreites Spektrum von Insektenarten schädigen.

Bisher wird der das Bt-Toxin als Biozid (Insektizid) durch Sprühen auf Mais- Anbauflächeneingetragen. Dabei erfolgt aber nur eine kurze Einwirkung. Im Gegensatz dazu wirken die Bt-Toxine des MON810 kontinuierlich im Ökosystem fort (Mertens a.a.O, S. 6f).Daneben existieren alternative Methoden der Schädlingsbekämpfung.

Die Ausbringung von Gen-Mais läßt sich nicht auf die jeweilige Ackerfläche beschränken.Weiträumige Transporte von Gen-Mais-Teilen erfolgen über Pollenflug, Wild- und Hausbienen,sonstige Insekten, Avifauna, Wildschweine, Kleinsäuger, Oberflächengewässer, Grundwasser,Verkehr mit Ackerbearbeitungs- und Transportfahrzeugen sowie Auskreuzungen.

1.2 Gesundheitsrisiken

1.2.1 Übertragbarkeit von gentechnisch verändertem Erbgut

Inwieweit gentechnisch verändertes (transgenes) Erbgut (DANN) in den Organismus gelangenkann, wird wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Die Risiken der Übertragbarkeit vongentechnisch verändertem Erbgut (DANN) bestehen dabei vor allem über den Weg derNahrungsaufnahme über die Darmschleimhaut in den Organismus. Es ist mittlerweilewissenschaftlich erwiesen, daß zumindest natürliche DANN aus der Nahrung in denOrganismus des aufnehmenden Lebewesens gelangt (Vgl. Doerfler, Walter; Schubbert,Rainer: Fremde DANN im Säugersystem: DANN aus der Nahrung gelangt über die

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Darmschleimhaut in den Organismus. In. Deutsches Ärzteblatt 1997, S. A 3465/B-2921-C-2717, und die dort zitierten Quellen, im Internet unterhttp://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=8940.).

Nach einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2005 ist nun auch nachgewiesen, daß auchFragmente transgener DNA in den Organismus zumindest von Tieren gelangen können. Siewurden in Tieren gefunden, die mit MON810-Mais gefüttert wurden (Raffaele Mazza u.a.,Assessing the transfer of genetically modified DANN from feed to animal tissues, TransgenicResearch (2005) 14, S. 775ff.

1.2.2 Spezifische Gesundheitsrisiken der Verwendung von GVO als Lebensmittel

Zu den spezifischen Gesundheitsrisiken der Verwendung von GVO als Lebensmittel wurde2005 durch das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle im Auftrag des SächsischenStaatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) ein Bericht erstellt: „Auswirkungendes Anbaus gentechnisch veränderte Pflanzen auf Umwelt und Gesundheit: PotentielleSchäden und Monitoring“ (im Internet unter: http://www.keine-gentechnik.de/bibliothek/naturschutz/studien/ufz_leipzig_schaeden_monitoring_051201.pdf,hier speziell Kap. 6.8, S. 115ff).

Danach bestehen Risiken (die für MON810 derzeit aufgrund des fehlendenlebensmittelrechtlichen Zulassungsverfahrens weder geprüft, noch abschätzbar sind) imHinblick auf:

- Allergenität, d.h. ein erhöhtes Risiko für Lebensmittelallergien (vgl. a.a.O. Kap. 6.8.2),

- Toxizität, d.h. unmittelbare Gesundheitsbeschädigung (vgl. a.a.O. Kap. 6.8.3);

- Nährstoffe, d.h. die Beeinträchtigung des Nährstoffhaushalts (vgl. a.a.O. Kap. 6.8.4).

In Kapitel „6.8.5 Fallbeispiele zu Gesundheitsrisiken“ der Studie desUmweltforschungszentrums Leipzig-Halle heißt es (a.a.O., S. 120ff):

„In vielen transgenen Maispflanzen werden Bt-Toxine exprimiert, um ihre Resistenzgegen Insekten zu erhöhen. Das Bt-Toxin (Cry9C) des transgenen Starlink Mais weisteine Verweildauer im Magen-Darmtrakt von bis zu 30 min auf. Deshalb verweigerte dieU.S. Environmental Protection Agency die Zulassung von Starlink Mais als Lebensmittel(s. Box 8). (…)

Berstein et. al. (1999) führte Gesundheitsuntersuchungen bei Farmarbeitern durch, bevorund nachdem diese über die Haut und Atemwege in Kontakt mit herkömmlichen Bt-Pestiziden kamen. Dabei konnten eindeutige Haut- und Immunreaktionen derFarmarbeiter festgestellt werden.

Von der Firma Hi-Breed International wurden transgene Sojabohnen mit erhöhtemMethioningehalt hergestellt, um den ernährungsphysiologischen Wert der Sojabohne zuerhöhen. Diese transgenen Sojabohnen exprimierten das methioninreiche 2S-Albuminder Paranuss. In einer von der Firma Hi-Spreed International in Auftrag gegebenenUntersuchung wurde das allergene Potential der transgenen methionninreichenSojabohnen mittels Seren von neun Personen, die sensibel auf Paranüsse reagierten,und neun Kontrollpersonen, die offensichtlich nicht auf Paranüsse reagierten, getestet(Nordlee et. al. 1996). Bei acht der neun Personen, die allergisch auf Paranüssereagierten, konnte eine Bindung des IgE an das gereinigte 2S Albumin festgestelltwerden. Das IgE von sieben der neun Allergiker band auch an ein transgenes Soja-

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Protein, das zusammen mit dem 2S-Albumin, jedoch nicht bei der gentechnischveränderten Sojabohne, vorkam. Hi-Breed International hatte nach Firmenaussagenbereits 1993 nach den ersten Untersuchungen, die auf das allergene Potential der neuenSojabohne hindeutete, alle Feldtests abgebrochen und sämtliches Pflanzenmaterialzerstört.

Fallbeispiel Starlink Bt-MaisDie traqnsgene Maisvariante Starlink exprimiert das insektizide Protein Cry9C. DiesesProtein ist nicht strukturell homolog mit bekannten Lebensmittelallergenen, jedochstärker resistent gegen Verdauungssäfte, als andere Bt-Toxine (Taylor & Hefle 2001).Die in vitro durchgeführten Untersuchungen zeigten eine Stabilität von vier Stundengegenüber dem Verdauungsenzym Pepsin bei pH 2,0 (US EPA 1997). Es zeigte sichjedoch keine Sequenzhomologie mit bekannten Allergenen. Da jedochVerdauungsresistenz auch für einige Lebensmittelallergene bekannt und ein Kriteriumdes Entscheidungsbaumes der WHO ist, verweigerte die US Environmental ProtectionAgency (US EPA) die Zulassung von Starlink Mais als Lebensmittel. Die Registrierung fürden US-amerikanischen Markt im Jahre 1988 durch die US EPA war somit aufVerwendung des Starlink-Mais als Tierfutter beschränkt. (…) Die US EPA berief einWissenschaftliches Beratergremium (SAP) um die bisher durchgeführten Studien zumallergischen Potential des Cry9C Endotoxins erneut zu beurteilen. Dieses kam zumSchluss, dass, obwohl die Allerginität nicht nachgewiesen werden konnte, weiterhinkeine lebensmittelsicherheit für Cry9C besteht (SAP 2000). Somit ist die Zulassung desStarlink Mais bis heute als Tierfutter in den USA beschränkt.

Eine Analyse der Isoflavone in glyphosatreststenten GTS 40-3-2 Sojabohnen zeigte,dass die Konzentration an Phytoöstrogenen signifikant geringer war, als inherkömmlichen Sojabohnen (Lappe et. al. 1999). Es wird angenommen, dassPhytoöstrogene vor Herzinfarkt und Krebs schützen und somit könnte der Rückschlussgezogen werden, dass die getesteten transgenen Sojabohnen einen geringerenNährwert aufweisen als die herkömmlichen Pflanzen (Bakshi 20039:

Ein weiteres prominentes Beispiel evtl. toxischer Wirkungen transgener Lebensmittelbetrifft gentechnisch veränderte Kartoffeln (Ewen & Pusztai 1999a)(…)Im April 1998 erklärte der Wissenschaftler A. Pusztai vom Rowettt Research Institut inAberdeen, UK, dass bei Versuchen mit Ratten, die eine Diät mit gentechnischveränderten Kartoffeln aßen, eine Veränderung des Dünndarms festgestellt wurde (…).“

1.2.3 Spezifische Risiken von GVO-Pollen in Honig

Der Flugkreis von Bienen beträgt ca. 2 bis 6 km. Mais wird von Bienen regelmäßig besucht.Zwar bilden Maisblüten keinen Nektar. Weil die männlichen Blüten an der Spitze derMaispflanzen aber reichlich Pollen bilden, dient Mais als Pollenlieferant für Bienen, zumalMaispollen wegen ihres hohen Eiweißgehalts (17 %) zu den für Bienen besonders wertvollenPollensorten gehören. Da Mais erst im Zeitraum zwischen Juli und September blüht, kommenzu diesem späten Blütezeitpunkt häufig keine anderen Blüten für die Bienen als Pollenspenderin Frage, weil die meisten Alternativen zu diesem Zeitpunkt bereits verblüht oder die Wiesenmehrmals gemäht sind (vgl. VG Augsburg Au 7 E 07.259, Beschl. v. 04.05.07; im Internet:http://mellifera.weitblick.de/fix/docs/files/BeschlussVGAugsburg07.05.07.pdf, hier S. 12 - unterVerweis u.a. auf ‚Machbarkeitsstudie zur Auslobung „gentechnikfrei“ und zur Vermeidung vonGVO bei Lebensmittel aus tierischer Erzeugung’ der Österreichischen Agentur für Gesundheitund Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Kap. 11.3.5; www.AGES.at, Leseversion).

Damit spricht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür, daß Bienen imUmkreis von 2 bis 6 km um Anbauflächen mit Maispflanzen der Linie MON810, dort GVO-Pollen sammeln und damit GVO-Pollen in den Honig gelangt.

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Für die Gesundheitsrisiken speziell von GVO-Pollen in Honig heißt es in einer britischen Studie(Williams, Ingrid: The EU regulatory framwork for GM crops in relation to bees. In: Bee World83 (2002), S. 79ff, hier S. 81, 83; Übersetzung zitiert nachhttp://www.ggsc.de/service/downloads/newsletter/09052007__SchriftsatzGGSC.pdf - hier S.32):

„In Bezug auf die Anwesenheit von GV-Pollen in Honig wurden zwei Besorgnispotentialeidentifiziert: Erstens die Besorgnis, dass der Einbau von Genen mit dem genetischen Codefür toxische Proteine - wie beispielsweise diejenigen, die den Pflanzen Insektenresistenzverleihen sollen - und ihre Exprimierung in Pollen, in Staubgefäßen oder im Nektar derKulturpflanzen zur Anreicherung des toxischen Proteins im Honig führen könnte. daskönnte nicht nur für Menschen, die den Honig als Lebensmittel konsumieren, sondern auchfür Bienenvölker, die auf den Pollen als Hauptquelle für Proteine angewiesen sind, einpotenzielles Risiko bedeuten (…). Zweitens gibt es die Besorgnis, dass Transgene aus imHonig eingeschlossenen GV-Pollen in die Darmflora oder den menschlichen Darmtrakttransferiert werden könnten.(…) Studien mit Pollen, die ein Transgen exprimieren, haben gezeigt, dass Pollenproteinenach dem Einschluss in Honig mehrere Wochen intakt und/oder in Funktion bleiben.“

1.2.4 Spezifische Risiken von GVO-Pollen auf Speisemais

Befinden sich in der Nähe von Ausbringungsorten von genetisch veränderten Maissortenkonventionelle Maisanbauflächen ist mit Auskreuzungen zu rechnen. In den Fällen, in denender ausgekreuzte Mais als Saatgut verwendet wird (Anbau zur Saatgutgewinnung bzw. Anbauvon konventionellem Mais auf denselben Anbauflächen im Folgejahr) besteht das Risiko, daßGVO in die menschliche Nahrungskette gelangt.

Die Ausbringung von Gen-Mais läßt sich nicht auf die jeweilige Ackerfläche beschränken.Auskreuzungen auf konventionellen Maisanbauflächen erfolgen durch Polleneintrag. DerPollenaustrag von Maisfeldern mit gentechnisch veränderten Maissorten erfolgt sehrweiträumig über Pollenflug (Wind), Wild- und Hausbienen, sonstige Insekten, Avifauna,Wildschweine, Kleinsäuger, Oberflächengewässer, Grundwasser sowie Verkehr mitAckerbearbeitungs- und Transportfahrzeugen. Anhand von einschlägigen Studien wurden dieMengeneinträge des Maispollenfluges quantifiziert. Bis in eine Entfernung von 2.400 m von derFeldquelle (Maisfeld) wurden in der Hauptwindrichtung noch 247.000 Maispollen proQuadratmeter gemessen. Bei diesen Messungen ging es allerdings um den Austrag sehrkleiner Versuchsfelder von einem Hektar Größe. Es wird aber, verursacht durch die in derlandwirtschaftlichen Praxis wesentlich größeren Maisfelder, mit noch erheblich höherenPolleneintragsmengen gerechnet (Vgl. Menzel, Gertrud, Gentechnisch veränderte Pflanzenund Schutzgebiete – Wirksamkeit von Abstandsregelungen. Naturschutz und BiologischeVielfalt. Bonn 2005 [Schriftenreihe des Bundesamtes für Naturschutz Nr.10], S. 51). Über dieAuskreuzung und Ausbreitung können auch in konventionellen Maisanbauflächen Maissamenmit Transgene reifen. Beim Anbau des transgen kontaminierten Maises kommt es zu einerErhöhung von Bt-Pollenfracht. Auch alle weiteren Effekte werden verstärkt (Menzel a.a.O., S.47f).

Ungeachtet des möglichen Austrags von Pollen über mehrere tausend Meter, wird in denaktuellen Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren ein Mindestabstand von Gen-Mais-Feldern zu solchen mit Speisemais zwischen 150 und 400 Meter diskutiert.

Gelangt dieser unfreiwillig genetisch veränderte Mais der Speisemaisanbauflächen in diemenschliche Nahrungskette bestehen grundsätzlich die weiter oben beschriebenenGesundheitsrisiken.

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1.3 Mögliche Beeinträchtigungen des Naturhaushalts durch MON810(Austrag des Bt-Toxins in den Naturhaushalt)

1.3.1 Ausbreitung des BT-Toxins

Bezüglich der Verbreitung des Bt-Toxins aus dem genveränderten Mais sind verschiedeneWirkpfade möglich. In einer Studie des Institutes für Biodiversität e. V. werden die möglichenVerbreitungsmöglichkeiten folgendermaßen zusammengefaßt:

„Bt-Toxin wird durch Pollen, absterbendes Pflanzenmaterial und Erntereste sowie über dieWurzeln in den Boden eingetragen und von den Wurzeln transgener Maispflanzenausgeschieden. Dadurch werden, verglichen mit dem Einsatz bakterieller Bt-Präparate,wesentlich mehr Bodenorganismen, insbesondere Organismen im Wurzelbereich, mit Bt-Toxin konfrontiert, und dies auch noch über längere Zeit.“(Mertens, Martha; Gutachten zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlichökologischer und gesundheitlicher Risiken seit der EU-rechtlichen Zulassung der

gentechnisch veränderten Maislinie MON810 im Jahr 1998; Institut für Biodiversität Netzwerk e.V.; August2006, S. 24)

Als sehr intensiv wirkendes Verbreitungsmedium des Bt-Toxins wird allgemein derPollenaustrag aus den Maisfeldern mit gentechnisch veränderten Maissorten festgestellt.Anhand von einschlägigen Studien wurden die Mengeneinträge des Maispollenflugesquantifiziert.Bis in eine Entfernung von 2.400 m von der Feldquelle (Maisfeld) wurden in derHauptwindrichtung noch 247.000 Maispollen pro Quadratmeter gemessen. Bei diesenMessungen ging es allerdings um den Austrag sehr kleiner Versuchsfelder von einem HektarGröße. Es wird aber, verursacht durch die in der landwirtschaftlichen Praxis wesentlichgrößeren Maisfelder, mit noch erheblich höheren Polleneintragsmengen gerechnet. Auf diesensehr relevanten Wirkpfad des Bt-Toxins auf Schmetterlinge wird in der Folge noch intensivereingegangen.(Menzel, Gertrud, Gentechnisch veränderte Pflanzen und Schutzgebiete – Wirksamkeit vonAbstandsregelungen. Naturschutz und Biologische Vielfalt , Bonn: 2005, S. 51, Schriftenreihedes Bundesamtes für Naturschutz Nr.10)

In der Fachliteratur werden noch weitere Wirkpfade des Bt-Toxins in den Naturhaushaltaufgezeigt. Über die Auskreuzung und Ausbreitung können auch in konventionellenMaisanbauflächen Maissamen mit Transgene reifen. Beim Anbau des transgen kontaminiertenMaises kommt es zu einer Erhöhung von Bt-Pollenfracht. Auch alle weiteren Effekte werdenverstärkt (Menzel a.a.O., S. 47f, Tab. 4.1).

Hierdurch können die Wirkungen des Bt-Toxins nicht auf die Zieltierart Maiszünsler beschränktwerden.

1.3.2 Wirkung des BT-Toxins auf Boden u. Gewässer

Bt-Toxine werden über verschiedene Wege - durch Pollen, absterbendes Pflanzenmaterial undErntereste der Pflanze über Würzelausscheidungen und Tierkot - in den Boden eingetragen(Mertens, a.a.O., S. 4).

• Das Bt-Toxin kann über lange Zeiträume im Boden persistieren, akkumulieren undbiologisch wirksam bleiben und somit schädigend auf die Bodenorganismen wirken sowiezu Veränderungen in der Bodenzoenose führen.

• Bei einem großflächigen Anbau von Bt-Mais kann zum Eintrag und zur Anreicherung vonBt-Toxinen in Gewässern kommen, die sich schädigend auf aquatische Organismenauswirken.

(Menzel a.a.O., S. 47f Tab. 4.1)- 11 -

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1.3.3 Wirkungen des Anbaus von MON810 bzw. des Bt-Toxins auf Nichtzielarten(Beeinträchtigungen)

1.3.3.1 Auswirkungen auf Tierarten allg.

Bei allen derzeit in der Forschung bestehenden Unsicherheiten über die genauen Abläufe derAuswirkungen von MON 810 auf Tierarten, insbesondere geschützte Schmetterlingsarten,steht jedoch fest, daß von erheblichen Beeinträchtigungen auszugehen ist. Das zuständigeBundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gelangt in einemBescheid an den Hersteller von MON 810 (Monsanto Europe S.A.) vom 27.04.07 (in dem esdie weitere Abgabe von MON 810 vorläufig untersagt) zu der Einschätzung, daß im Sinne von§ 20 Abs. 2 Gentechnikgesetz:

„ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass der gentechnisch veränderteOrganismus eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt.(…)Erst mit jüngeren Untersuchungen wurde deutlich, dass und in welchem Ausmaß das Bt-Toxin über die Pflanze in höhere Nahrungsketten (Harwood et al. 2005, Molecular Ecology,14, 2815-2823; Zwahlen & Andow 2005, Environmental Biosafety Research, 4, 113-117;Obrist et al. 2006, Ecological Entomology, 31, 143-154). Die Exposition vonNichtzielorganismen höherer Nahrungskettenglieder wie z.B. Prädatoren oderParasistioiden mit dem Bt-Toxin ist damit belegt. In ihrer Übersicht zu für Bt-Pflanzenrelevanten Tests kommen Lövei & Arpaia (2005, Entomologia Experimentalis et Applicata,114, 1-14) zu dem Schluss, dass bei Laborversuchen bei 41 % der bei räuberischenInsekten untersuchten Parameter negative Einflüsse u.a. auf das Überleben, dieEntwicklungszeit, die Lebensdauer und die Reproduktion gemessen wurden (davon 30 %signifikant negativ). Ähnliche Zahlen ergeben sich für Parasistiode (Lövei & Arpaia 2005,a.a.O.). Andere wichtige Organismengruppen wie z.B. räuberische Fliegen, Wespen,Ameisen, Kurzflügelkäfer oder Spinnen, die im Feld eine große Rolle bei der natürlichenSchädlingsbekämpfung spielen, wurden bisher im Labor kaum bzw. nur schlechtuntersucht.“

(Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) anMonsanto Europe S.A. vom 27.04.07; im Internet:http://mellifera.weitblick.de/fix/docs/files/070427bvl_bescheid_MON810.pdf)

Beachtlich für die Wirkung des BT-Toxins ist, daß die Pollen bzw. anderen Blütenteile nicht nurdurch direkten Fraß sondern auch der abgelagerten Pollen über die jeweils spezifischenFraßpflanzen aufgenommen werden (Mertens a.a.O., S. 16).

Insgesamt bestehen folgende Risiken (vgl. dazu auch Menzel a.a.O., S. 47f Tab. 4.1):

• An Mais fressenden Nichtzielorganismen werden durch die direkte Aufnahme des Bt-toxins sowie deren Antagonisten durch die direkte Aufnahme des Bt-Toxins über dieNahrungskette geschädigt.

• Eine Veränderung oder Reduzierung der Artenzusammensetzung und Abundanz herbivorerWirbelloser und ihrer Antagonisten im Agrarraum kann Auswirkungen auf das weitereGefüge des Nahrungsnetzes auch in angrenzenden Schutzgebieten haben.

1.3.3.2 Auswirkungen auf Schmetterlingsarten

In der Literatur werden zahlreiche Schmetterlingsarten als empfindlich für den Eintrag desPollens aus dem blühenden, gentechnisch veränderten Mais MON810 festgestellt (Mertensa.a.O., S. 4 Abs. 2)

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Das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gelangt inseinem Bescheid vom 27.04.07 zu der Einschätzung:

„Effekte von Cry1-Proteinen, wie sie in MON 810 gebildet werden, zeigen bei einerExposition eindeutig schädliche Wirkungen auf Schmetterlingslarven (vgl. Hansen-Jesse &Obrycki 2000, Oecologica, 125, 241-248; Hellmich et al. 2001, PNAS 98: 11925-11930;Zangerl et. al. 2005, Entomologia Experimentalis et Applicata, 116, 31-41; Romeis et al.2006, Nature Biotechnology, 24, 63-71). Obwohl MON 819-Mais im Vergleich zu anderenBt-Mais-Events relativ wenig Toxin im Pollen bildet, wurden auch für MON 810 negativeEffekte auf Nichtziel-Schmetterlinge nachgewiesen (Dively et. al. 2004, EnvironmentalEntomology 33, 1116-1125).“

(Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) anMonsanto Europe S.A. vom 27.04.07; im Internet:http://mellifera.weitblick.de/fix/docs/files/070427bvl_bescheid_MON810.pdf)

Besonders toxisch (bis zu 100 mal toxischer als Pollen) wirken die Staubgefäßbruchstücke desMON810 auf Schmetterlingslarven. Bei Fütterungsversuchen kam es schon bei sehr geringenKonzentrationen zu einem signifikanten Ansteigen der Sterberaten (Mertens a.a.O., S. 4).

Auch die Akkumulation des Bt-Toxins im Boden mit entsprechenden Folgewirkungen auf denNaturhaushalt gilt als wahrscheinlich (Mertens a.a.O., S. 6f):

„Lebensraum und Lebensweise verschiedener Schmetterlingsarten legen nahe, daß beieinem Anbau von MON810 tatsächlich mit signifikanter Toxin-Exposition und einerGefährdung der entsprechenden Populationen zu rechnen ist. (…) Erschwerend kommthinzu, daß das Toxin beim kommerziellen Anbau von Bt-Mais über Monate, wenn nichtJahre vorhanden ist und eine Akkumulation im Boden wahrscheinlich ist. NegativeWirkungen können über die reinen Agrarflächen hinaus reichen, da beispielsweise derPollen des Windblütlers Mais durch den Wind über größere Entfernungen verbreitet und aufFlora und Böden nicht-agrarischer Flächen abgelagert werden kann.“

Als Ergebnis verschiedener Studien kristallisierte sich vor allem die Empfindlichkeit derSchmetterlings-Larvenstadien heraus. Nach Untersuchungen wurden bei 26 tag- und 53nachtaktiven Schmetterlingsarten aufgrund von Phänologie und Habitatpräferenzen eine hoheExpositionswahrscheinlichkeit für Maispollen angenommen (Mertens a.a.O., S. 19).

Gem. einer aktuellen Studie von Felke und Langenbruch (2005), die sich führend mit derWirkung von Bt-Mais auf Schmetterlinge (Schmetterlingsraupen) befaßt, wird auf zahlreicheletale und subletale Einflüsse auf Schmetterlinge durch Bt-Mais-Pollen und andere Blütenteilehingewiesen. Im Schlußsatz der Studie raten die Autoren daher:

“Solange keine gesicherten Erkenntnisse über Langzeitwirkungen von Bt-Mais aufSchmetterlingspopulationen vorliegen, wird geraten, den Anbau von insektenresistentemBt-Mais in der unmittelbaren Nähe von Gebieten mit seltener Lepidoterenfauna zuuntersagen.“(Bundesamt für Naturschutz (Hrg.) BfN-Skript. Felke, M., Langenbruch, G.-A., (2005)Wirkungen des Pollens von trangsgenem Mais auf ausgewählte Schmetterlingslarven,2005, S.140 ff)

1.3.3.3 Auswirkung des Bt-Toxin enthaltenden Pollens auf geschützteSchmetterlingsarten bei Anbau von MON810

Wenn sich die Aktivitätszeiten der Raupenstadien der Schmetterlingsarten mit der Blütezeitbzw. der Pollenaustragszeit der Maispflanzen decken, besteht ein unmittelbares Risiko einerSchädigung der Arten. Da die Arten den ausgetragenen Maispollen direkt bzw. indirekt (über Nahrungspflanzen)aufnehmen können, ist eine Schädigung der auftretenden Schmetterlingspopulationen – inAbhängigkeit von der Nähe der geplanten Anbauflächen für MON 810 - möglich.

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Die Maissorten blühen in der Zeit von Juli/August bis September/Oktober und tragen innerhalbdieser Zeit ihren Pollen aus (Menzel a.a.O., S. 44f). In diesem Zeitraum liegt damit auch dasgrößte Gefährdungspotential für Schmetterlinge.

1.3.3.4 Auswirkungen auf Hautflügler: Bienen und Wespen

Die meisten Wildbienenarten und Wespenarten ernähren sich von Pollen. Sie nehmen beientsprechender Nachbarschaft von Maisfeldern auch Maispollen auf. Bei der Untersuchungder Wirkung von Bt.Maispollen auf Bienen, die bei der Nahrungssuche Trachtpflanzen ineinem Umkreis von bis zu sechs Kilometern aufsuchen, wurden Untersuchungsergebnisseerzielt, die eine Auswirkungen auf das Immunsystem der Tiere nahe legen.Bei einer Versuchsreihe der Universität Jena über die Wirkung des Maispollens von MON810auf Bienen kam es zu einer zufälligen Infizierung der Bienenvölker mit Parasiten. Dabei trat beiden mit Bt-Maispollen gefütterten Völkern eine signifikant höhere Sterblichkeitsrate auf, als beiden mit unbelastetem Pollen gefütterten Völkern.

Auch bei parasitär – von anderen Insektenarten - lebenden Wespen, wurden subletale Effektefestgestellt, wenn ihre Wirtslarven auf MON810 gehalten worden waren. So verringerten sichdie Überlebensfähigkeit, verlängerte sich die Entwicklungsdauer und verringerten sich dieKokongewichte der untersuchten Art der Brackwespe Cotesia marginiventris.Weiter war eine geringere Parasitierung zu verzeichnen. Als Folge der der geringerenWirtsqualität könnten sich sogar die Geschlechterverhältnisse von Hautflüglern verändern, dakleine Wirtslarven zu einer vermehrten Ablage von männlichen Eiern führen.

(Vgl. Mertens a.a.O., S. 23).

1.3.3.5 Auswirkungen auf Trauermückenlarven und ihre Pradatoren (Käferlarven)

Bei der Untersuchung von Trauermückenlarven (Art: Lycoriella castanescens), die im Bodenleben und als Zersetzer von abgestorbenen Pflanzenteilen fungieren, konnte bei der Fütterungmit MON810 eine längere Zeitspanne bis zur Verpuppung – also ein subletaler Effekt –beobachtet werden. Als man die mit Bt-Mais gefütterten Trauermückenlarven wiederum an ihre Prädatoren -Larven räuberischer Käferarten (hier Laufkäfer und Kurzflügelkäfer relevant) - verfütterte, kames auch bei diesen zu Entwicklungsverzögerungen.

Aufgrund dieser Untersuchungen kann von einer negativen Auswirkung des Anbaues der SorteMON810 auf pflanzenzersetzende Trauermückenlarven ausgegangen werden. In denVersuchsreihen wurde bei mehrjährigem Anbau von MON810 außerdem ein Trend zugeringeren Zersetzungsleistungen durch die Larven festgestellt. Besondere Aufmerksamkeitverlangt der Fakt, daß die negativen Effekte durch den Genuß von MON810 in derNahrungskette weiterwirken.

Durch die festgestellten Entwicklungsverzögerungen innerhalb der Nahrungsmittelkettenkönnten bedeutende negative Effekte im Naturhaushalt eintreten, deren tatsächliche Tragweitebisher nicht abschätzbar ist. Besonders erheblich muß dabei gewichtet werden, daß die in denVersuchsreihen besonders beeinträchtigte Trauermückenart, die mit 20-30 Prozent derGesamtindividuenanzahl in der Regel die vorherrschenden Trauermückenart auf Ackerflächenist, als besonders betroffen klassifiziert wurde. Zusätzlich müssen bis zur genauerenUntersuchung aller trauermückenlarvenfressenden Käferlarven bei diesen verzögerteLarvenentwicklungen unterstellt werden.

(Büchs, Auswirkungen von Bt-Mais auf terricole, saprophage Dipterenlarven. Braunschweig:2004; im Internet: http://www.gmo-safety.eu/pdf/statusseminar2004/poster14.pdf

Als Folge dieser Erkenntnisse müssen generell auch Beeinträchtigungen des SchutzgutesTiere die nach der nationalen und europäischen Gesetzgebung geschützt sind - speziell zurdie Kategorie der räuberisch lebenden Käfer (Käferlarven), die sich vonTrauermückenlarven ernähren - als wahrscheinlich angenommen werden.

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1.3.4 Mögliche Wirkungen des Anbaus von MON810 bzw. des Bt-Toxins aufSchutzgebiete allg. (FFH, NSG)

1.3.4.1 Relevanzhöhe möglicher Beeinträchtigungen

Die Auswirkungen des Anbaus von Bt-Mais auf Schutzgebiete, wie FFH-Gebiete,Naturschutzgebiete, etc. ergibt sich bereits aus dem vorgenannten durch die Beeinträchtigungmögliche Schutzzielarten der Gebiete.

Insgesamt werden nach den spezifischen Wirkungshypothesen für Bt-Mais durch einschlägigeStudien für die Pollenausbreitung durch Wind oder Insekten über die Abbaufläche hinausWirkungen bis hinein in Schutzgebiete erwartet. Dabei sind folgende Schutzziele potentiellgefährdet:

- Schutz der Biodiversität, - Artenschutz, - Bodenschutz u.- Gewässerschutz.

Unter dem Aspekt der Relevanz für Schutzgebiete stuft man die möglichen Auswirkungenals „sehr relevant“ - also der höchsten Qualifizierungsstufe - ein.

(Menzel a.a.O., S. 47, Tab. 4.1)

1.3.4.2 Fachkonvention über die Größe von Abstandsflächen zwischen Bt-Maisanbauund Schutzgebieten mit seltener Lepidopterenfauna

Nach dem anerkannten Stand der Wissenschaft wird allgemein ein Mindestabstand von 1.000Metern zwischen Bt-Maisanbauflächen und Schutzgebieten vorgeschlagen:

„So kann selbst in Schutzgebieten, die ob der Seltenheit und Schutzwürdigkeit der dortvorkommenden Arten von negativen Einwirkungen frei zu halten sind, Bt-Toxin-haltigesMaterial eingetragen werden. Mobile Insekten können zudem sehr wohl aus Schutzgebietenin Agrarflächen einwandern und dort mit Bt-Toxinen konfrontiert werden. Felke &Langenbruch (2005) schlagen daher vor, zwischen Schutzgebieten mit seltenerLepidopterenfauna und Bt-Maisflächen einen Abstand von einem Kilometer einzuhalten (…)“.(Mertens a.a.O., S. 6f)

Diese Ansicht wird auch vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft(SMUL) geteilt. In einem Erlaß wird die fachlich begründete Beachtung des Mindestabstandesvon 1.000 m zu seltenen Lepidopteren in Schutzgebieten grundsätzlich anerkannt (Erlaß desSMUL vom 09.03.07 an die RP Chemnitz, Dresden, Leipzig; S. 2 letzter Abs.).

1.3.5 Potentiell durch den Anbau von MON810 geschädigte Schmetterlings- undKäferarten die unter dem Schutzstatus der FFH-RL stehen

Bei der nachfolgenden wirkungsbezogenen Betrachtung wurden nur Arten berücksichtigt, beidenen aufgrund der Habitatansprüche und Lebensweise eine Schädigung durch den Anbauvon MON810 möglich ist.

Bei Schmetterlingen wurden deshalb über den Wirkpfad Bt-Toxineintrag durch Pollenflug nurdie Schmetterlingsarten betrachtet, deren Raupenstadium zur Maisblütenzeit tatsächlich auftrittund damit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit besteht, daß sie denMaispollen und andere Blütenteile durch Fressen ihrer Nahrungspflanzen aufnehmen können.

Käfer bzw. Käferlarven wurden hier nur betrachtet, soweit nach der FachliteraturTrauermückenlarven bzw. Zweiflügler als Nahrung in Betracht kommen. In Deutschland selbstals ausgestorben geltende Käferarten werden ebenfalls nicht berücksichtigt.

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Quellen der nachfolgenden Aufstellung:• Amann, Gottfried, Kerfe des Waldes. Melsungen: 2003• Chinery, Michael, Pareys Buch der Insekten. Kosmos Naturführer, Stuttgart: 2004• Harde / Severa, Der Kosmos-Käferführer. Wien: 1988• Klausnitzer, Bernhard, Käfer. Nikol-Verlag, Hamburg: 2005• Petersen, Barbara, das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Bundesamt

für Naturschutz, Bonn: 2003, Bd. 1, Pflanzen und Wirbellose• Reichholf-Riehm, Helgard, Schmetterlinge. München: 1996• Settele, Joseph, Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. Ulmer – Verlag,

Stuttgart: 2005, Text und Entwicklungsdiagramme• Ssysmank, Axel, Das Europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. BfN Handbuch

zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43 EWG)und derVogelschutzrichtlinie (79/409 EWG), Bundesamt für Naturschutz, Bonn 1998

• Wachmann, Ekkehard, Laufkäfer – Beobachtung, Lebensweise. Naturbuchverlag,Augsburg: 1995

1.3.5.1 Arten die unter dem Schutz nach Anhang IV der FFH-RL stehen

(nur Schmetterlinge betrachtet:)

Wald-Wiesenvögelchen (Coenonympha hero)Raupe: ab Anfang Juni und auch während der Maisblüte, Falterphase: Ende Mai bis Anfang AugustRaupenfraßpflanzen: polyphage Raupe frisst an Gräsern, z. B. an Rasen-Schmiele,Winkel-Segge, Reitgras, Schwingel Habitat: Waldlichtungen, waldnahe Feuchtwiesen mit verstreut stehendenAnfluggehölzen (z. B. Erlen, Faulbaum, Weiden) in Feucht-, Bruch- und Auwäldern

Moor-Wiesenvögelchen (Coenonympha oedippus)In Deutschland gilt die Art seit 1921 als verschollen. Sie ist auch in Anhang II der FFH-RL gelistet.

Heckenwollafter (Eriogaster catax)Art auch in Anhang II der FFH-RL gelistetRaupe: Ende April bis Anfang MaiFalterphase: Mitte September bis Mitte OktoberRaupenfraßpflanze: Jungraupe lebt meist auf Schlehe, ältere Raupe frisst nebenSchlehe auch auf Weißdorn, Traubeneiche, Salweide, Birken, Zitterpappel, Birnen,Rosenarten, Berberitze und UlmenHabitat: sonnenexponierte und windgeschützte Schlehen-Weißdorngebüsche anWaldrändern, lichte strukturreiche Laubmischwälder, Mittel- und Niederwälder, auch inGebüsch und Heckenlandschaften; bevorzugt warm-feuchte Böden

Eschen –Scheckenfalter (Euphydryas maturna), auch in Anhang II der FFH-RL gelistetRaupe: fast ganzjährig ab Anfang Juli – Überwinterung – bis Ende Mai Falterphase:Ende Mai bis Anfang JuliRaupenfraßpflanzen: nach Eiablage an Eschen, nach Überwinterung zunächstpolyphage Ernährung an: Zitterpappel, Wald-Geißblatt, Grau- und Salweide, Liguster,Veilchen, Rote Heckenkirsche, verschiedene Ehrenpreisarten, Schlehe, verschiedeneWegerichartenHabitat: warmfeuchte, sehr lichte Laubmischwälder (Eichen-Eschenwälder) und zwarHartholzauenwälder, Eschen-Erlen-Sumpfwälder, Eichen-Hainbuchenwälder undMittelwälder mit sehr hohem Grundwasserstand;wichtige Habitatelemente sind besonnte Jungeschen mit reicher Kraut- undStrauchschicht

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Quendel-Ameisenbläuling (Glaucopsyche arion)Raupe: Anfang Juli – Überwinterung – Ende MaiRaupenfraßpflanze: Art fast ausschließlich an Blüten des Feldthymians, selterner anBlüten des Gewöhnlichen DostsFalterphase: Mitte Juni bis Mitte AugustHabitat: sonnige und Halbtrockene bis trockene, offene oder buschreiche Kalk- undSilikatmagerrasen und deren Versaumungsstadien, außerdem Heideflächen,thymianreichen Ruderalflächen in Niedermooren, lichte Kiefernwälder, subalpineSchuttfluren; an Vorhandensein der Ameisenart Myrmica sabuleti als Wirtsameise

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Glaukopsyche nausithous), auch in Anhang II der FFH-RL gelistetRaupe: Anfang Juli – Überwinterung – Ende JuniFalterphase: Ende Juni bis Ende AugustRaupenfraßpflanze: Art fast ausschließlich an den Großen Wiesenknopf gebundenHabitat: wechselfeuchtes Grünland., dort vor allem etwas trocknere Saumstrukturen, andas Vorhandensein der Ameisenart Myrmica rubra gebunden

Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Glaucopsyche teleius),auch in Anhang II der FFH-RL gelistetRaupe: Anfang Juli – Überwinterung – Ende JuniFalterphase: Ende Juni bis Mitte AugustRaupenfraßpflanze: Großer WiesenknopfHabitat: extensiv bewirtschaftete Feucht- und Nasswiesen, an das Vorhandensein derAmeisenart Myrmica scabrinodis gebunden, manchmal an Myrmica rubra gebunden

Gelbringfalter (Lopinga achine), Raupe: Anfang August – Überwinterung – Mitte MaiFalterphase: Ende Mai bis Ende JuniRaupenfraßpflanzen: Walgräser wie Weiße Segge, Berg-Segge, Winkel-Segge, Fieder-Zwenke, Wald-Zwenke, Rasen-SchmieleHabitat: ausgesprochene Waldart, teilschattige Laubmischwälder mit üppigerKrautschicht,

Großer Feuerfalter (Lycaena dispar),Art ist auch In Anhang II der FFH-RL gelistetRaupe: Anfang Juli bis Ende September, in zwei GenerationenFalterphase: Mitte Juni bis Mitte September, in zwei Generationen Raupenfraßpflanzen:verschiedene AmpferartenHabitat: ampferreiche Feuchtwiesen, Niedermoore, Gebüsch- und Wegränder,ungemähte Grabenränder, See- und Flußufer mit Röhrichtbeständen

Apollofalter (Parnassius apollo)Raupe: Mitte März bis Ende Mai, damit keine Überlappung mit der Maisblütenzeit

Schwarzer Apollofalter ( Parnassius mnemosyne)Raupe: Anfang März bis Ende Mai, damit keine Überlappung mit der Maisblütenzeit

Nachtkerzenschwärmer (Proserpinus proserpina)Raupe: Anfang Juli bis Ende AugustFalterphase: Ende April bis Ende JuliRaupenfraßpflanzen: Nachtkerzengewächse (Onagraceae)Habitate: nasse Staudenfluren, weidenröschenreiche Wiesengräben, Bach- undFlußufer, niedrigwüchsige Röhrichtfluren, Flußkies- und Feuchtschuttfluren

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1.3.5.2 Arten die unter dem Schutz nach Anhang II der FFH-RL stehen

Schmetterlinge:

Großer Feuerfalter (Lycaena dispar) - darüber hinaus nach Anhang IV der FFH-RLgeschützt; siehe auch vorheriges Kapitel

Goldener Scheckenfalter (Euphydryas aurinia)Raupe: außer von Mitte Mai bis Mitte Juni ganzjährig;Falterphase: Anfang Juni – Überwinterung – Anfang MaiRaupenfraßpflanzen: sehr verschieden, wichtig u. a. gewöhnlicher Teufelsabbiß,KurzstengelenzianeHabitate: unterschiedliche Offenlandtypen (Magerrasen, Feuchtgrünland)

Borstgrasrasen, teilverbrachende Feuchtwiesen

Heckenwollafter (Eriogaster catax)Art auch in Anhang IV der FFH-RL gelistet, siehe auch Text vorheriges Kapitel

Eschen –Scheckenfalter (Euphydryas maturna) auch in Anhang IV der FFH-RLgelistet, siehe auch vorheriges KapitelRaupen: Anfang Juli – Überwinterung – Ende MaiFalterphase: Ende Mai bis Anfang JuliRaupenfraßpflanzen: Gewöhnlicher Teufelsabbiss, Tauben-Skabiose, Wiesen-Knautie),verschiedene Enzianpflanzen, HufeisenkleeHabitat: Offenland – Skabiosenreiche Magerrasen (Kalktrockenrasen undHalbtrockenrasen), teilverbrachende Feuchtwiesen (Flachmoorwiesen, wechselfeuchtePfeifengraswiesen mit extensiver Streuwiesennutzung) mit vitalen Beständen desTeufelsabbiss

Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria)Prioritäre Art der FFH-RLRaupe: ab Ende August – Überwinterung – bis Ende MaiFalterphase: Mitte Juli bis Ende AugustRaupenfraßpflanzen: Hain-Geiskraut, Himbeere, Brombeere, Wasserdost, Wald-Weidenröschen, Große Brennessel, Rote Heckenkirsche, Wald-Geißblatt, Haselnuß,Weiße Taubnessel, Blauroter Steinsamen, Kleiner Wiesenknopf, verschiedeneKleearten, Gewöhnlicher Hornklee, Futteresparette, Natterkopf, Wiesensalbei,Huflattich, Salweide, Traubeneiche;Hochstauden und Kräuter bilden vermutlich die HauptnahrungHabitat: Vielzahl von Biotopen, sucht im Sommer bei großer Hitze halbschattige,feuchte und kühle Habitate auf; Art aber auch an warmen Standorten zu finden,besiedelt gern Randstrukturen, Vorhandensein von Wasserdost oder Gemeinem Dostscheint wichtige Rolle zu spielen

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Glaukopsyche nausithous), auch in Anhang IV gelistet, Text siehe Kapitel oben

Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Glaucopsyche teleius),auch in Anhang IV gelistet, Text siehe Kapitel oben

Großer Feuerfalter (Lycaena dispar),auch in Anhang IV gelistet, Text siehe Kapitel oben

Käfer:

Hochmoor-Großlaufkäfer (Carabus menetriesi) Art lebt in Hoch- undZwischenmooren die öfter in montanen Waldgebieten liegen sowie in Vorwaldstadienund besonnten Randbereichen von Sphagnum-Mooren und Flusstalmooren - dringt von

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dort in Erlen-/Birkenbruchwälder und Verlandungsstadien von Pfeifengraswiesen ein(ernährt sich u. a. von Trauermücken)

1.3.5.3 Charakteristische Arten der Lebensräume des Anhanges I der FFH-RL

Aus den rechtlichen Festlegungen der FFH-RL ergibt sich auch für die charakteristischenTierarten der Lebensräume des Anhanges I der Richtlinie ein hoher Schutzstatus. Es wirddavon ausgegangen, daß bei einer erheblichen Beeinträchtigung der einzelnen Populationenauch eine erhebliche Beeinträchtigung der Qualität des geschützten FFH-Lebensraumtypsangenommen werden muß.

Im Nachfolgenden erfolgte hinsichtlich der charakteristischen Tierarten der FFH-Lebensraumtypen zunächst keine genaue Prüfung bezüglich der Artenbetroffenheit. Lediglichfür die LRT 3150, LRT 6430, LRT 9160, LRT *91E0, LRT 91F0 wurde dieBeeinträchtigungswahrscheinlichkeit für Laufkäfer- und Schmetterlingsarten überschlagen.Gleichwohl muß darauf hingewiesen werden, daß natürlich grundsätzlich auch in anderenFFH- Lebensraumtypen Beeinträchtigungen der charakteristischen Arten möglich sind und ggf.anzunehmen sind.

Kernüberlegung der nachfolgenden Aufstellung war, daß die hier aufgeführtenLebensraumtypen nach unserer Einschätzung die Agrar-Landschaft relativ häufig berührenbzw. in ihr liegen und dadurch eine erhöhte Beeinträchtigungswahrscheinlichkeit dervorkommenden charakteristischen Arten und damit der Lebensraumtypen durch dieAnpflanzung von Bt-Mais anzunehmen ist.

a) Lebensraumtypen

• Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation vom Typ Magnopotamion oderHydrochariton LRT 3150

- Schmetterlinge: siehe Tabelle unten- Käfer: Agonum thoreyi (aus Gattung Glanzflachläufer) – kommt in Röhrichten

vor

• Feuchte Hochstaudensäume der planaren und alpinen Höhenstufe inkl. WaldsäumeLRT 6430

- Schmetterlinge: siehe Tabelle unten- Käfer sind in diesem Lebensraumtyp nicht als charakteristisch gelistet.

• Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald LRT 9160

- Schmetterlinge: siehe Tabelle unten- Käfer: charakteristische Käferarten ernähren sich nicht räuberisch

• Erlen-Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern – (Weichholzaue)LRT *91E0

- Schmetterlinge:Erleneule, Großer Schillerfalter, Blaues Ordensband, Schwarzes Ordensband,Erlensichelflügler, Weidenbohrer, Eschenscheckenfalter, Rotes Ordensband,Zickzackspinner, Gabelschwanz, Großer Feuerfalter, Trauermantel, Großer Fuchs,Pappelschwärmer, Abendpfauenauge, Erlenglasflügler- Käfer:Narbenkäfer (Blethisa mulitipunctata), Kupferfarbener Uferläufer ( Elaphruscupreus), Schwarzbrauner Grubenhalskäfer (Patrobus atrorufus), Platynuslongiventris

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• Eichen-Ulmen-Eschen-Auenwälder (Hartholzaue) – LRT 91F0

- Schmetterlinge:Kleiner Schillerfalter, Eschenscheckenfalter, Kleiner Eisvogel, Gelbringfalter,Großer Feuerfalter, Rosenmotte, Trauermantel, Weißes C, Ulmenzipfelfalter- Käfer:Großer Breitkäfer (Abax parallelepipedus), Paralleler Breitkäfer (Abax parallelus),Körniger Schaufelläufer (Cychrus caraboides).

• Extensive Mähwiesen der planaren bis submontanen Stufe - LRT 6510

Anzumerken ist, daß zusätzlich zu den vorgehend detaillierter aufgeführtenLebensraumtypen auch der Lebensraumtyp, Extensive Mähwiesen der planaren bissubmontanen Stufe (LRT 6510), aufgrund seiner häufigen Angrenzung anlandwirtschaftliche Nutzflächen einer besonderen Gefährdung zu unterliegen scheint.

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b) Tabelle: Beeinträchtigungsabschätzung für charakteristische Arten der FFH-Lebensraumtypen:

Die in der Tabelle mit Fragezeichen versehenen Arten können von uns bisher aufgrund derteilweise schwierigen Datenlagen nicht beurteilt werden. Hier besteht weitererUntersuchungsbedarf.

Schmetterlingsart Vorkommenszeitder Raupe

ZeitlicheÜberschneidungmitMaispollenblüte

Beeinträchtigungmöglich biswahrscheinlich

LRT 3150 ?Acentria ephemerella ?Cataclysta lemnata ?Elophilia nymphaeata ?Parapoynx stratiotata ?Mythimna obsoleta ?Mythimna pudorina ?Mythimna straminea August bis Mai eher nein sehr geringArchanara algae ?Archanara geminipucta ?Archanara neurica ?Nonagria typhae ?

LRT 6430Storchschnabel-Bläuling (Aricia) Polyommatuseumedon

außer Juni immervorhanden

ja ja

Gilbweiderich-Spanner (Anticollix sparsata)Mädesüß-Perlmutterfalter(Brenthis ino)

Mitte März bis EndeMai

nein nein

Großer Feuerfalter(Lycaena dispar)

Ende August bisMai und Juli

ja ja

SchmalflügeligerFleckleibbär(Spilosoma urticae)

?

LRT 9160Eschenscheckenfalter(Euphydryas maturna)

ganzjährig - außerJuni

ja ja

DunkelgrauerZahnspinner (Drymoniaruficornis)

Mai und Juni nein nein

Moosgrüner Eulenspinner(Polyploca ridens)

?

Eichenprozessionsspinner(Thaumetopoeaprocessionea)

Mai bis August ja ja

Eichenwickler (Tortrix viridana)

April bis AnfangJuni

eher nein gering

LRT *91E0Erleneule(Acronicta alni)

während derVegetationsperiode

ja ja

Großer Schillerfalter(Apatura iris)

alle außer Juni undJuli

ja ja

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Blaues Ordensband(Catocala fraxini)

Mai und Juni nein nein

Rotes Ordensband(Catocala nupta)

Mai und Juni nein nein

Gabelschwanz(Cerura vinula)

Juli bis September ja ja

Weidenbohrer(Cossus cossus)

August bis Mai ja ja

Erlensichelflügler(Drepana curvulata)

?

Eschenscheckenfalter(Euphydryas maturna)

ganzjährig - außerJuni

ja ja

Pappelschwärmer(Laothoe populi)

Juni bis September ja ja

Großer Feuerfalter(Lycaena dispar)

Ende August bisMitte Mai und Juli

ja ja

Schwarzes Ordensband(Mormo maura)

September bis Juni eher nein gering

Zickzackspinner(Notodonta ziczac)

Juni bis September ja ja

Trauermantel(Nymphalis antiopa)

Juni und Juli ja ja

Großer Fuchs(Nymphalis Polycloros)

nur Mai und Juni eher nein gering

Phyllonorycter salicicolella ?Abendpfauenauge(Smerinthus ocellata)

zwei Generationen unklar unklar, eventuellmöglich

Erlenglasflügler(Synanthedonspheciformis)

überwintert möglich möglich

LRT 91F0Kleiner Schillerfalter(Apatura ilia)

alle außer Juni undJuli

ja ja

(Cosmia affinis)?

Kleiner Eisvogel(Limentis camilla)

alle außer Juni ja ja

(Lithophanesemibrunnea)Gelbringfalter(Lopinga achine)

Vorkommenunwahrscheinlich

unwahrscheinlich unwahrscheinlich

Großer Feuerfalter(Lycaena dispar)

Ende August bisMaiund Juli

ja ja

Blauer Eichenzipfelfalter(Neozephyrus quercus)

April bis Mitte Juni

Rosenmotte, (Miltochrista miniata)

ab August -überwintern

ja ja

Trauermantel(Nymphalis antiopa)

Juni und Juli ja ja

Weißes C,(Polygonia c-album)

Mai bis August ja ja

Ulmenzipfelfalter(Satyrium w-album)

April und Mai nein nein

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2. Anordnungsbefugnisse für die Behörden

2.1 Rechtliche Grundstruktur der behördlichen Kontrolle von GVO

Grundsätzlich werden die mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen(GVO) auf Ackerflächen in Gestalt von gentechnisch verändertem Saatgut verbundenenRisiken für Mensch und Umwelt mittels der Freisetzungsgenehmigung gem. § 16 Abs. 1GenTG und der Genehmigung des Inverkehrbringens (IVB) gem. § 16 Abs. 2 GenTGkontrolliert. Nach Erteilung der IVB-Genehmigung finden zusätzliche Kontrollen beimAusbringen des GVO statt.

Da die Genehmigung des Inverkehrbringens für alle Standorte in der EU gilt, möglicherweisejedoch nicht alle Risiken der konkreten Ausbringung erfassen kann, sind im Nachgang derIVB-Genehmigung weitere nachgeschaltete Maßnahmen erforderlich (sog. nachmarktlicheMaßnahmen). Diese können bspw. in einer Anbauuntersagung aufgrund einer negativen FFH-Verträglichkeitsprüfung bei Ausbringung innerhalb oder nahe eines FFH-Gebiets bestehen.

Als Rechtsquellen für den Schutz ggf. betroffener bzw. bedrohter Rechtsgüter ist in erster Liniedas Gentechnikrecht selbst heranzuziehen. Daneben kommen das Naturschutzrecht undgegebenenfalls das allgemeine Polizei- bzw. Ordnungsrecht in Frage.

2.2 Rechtliche Maßstäbe zum Umgang mit GVO

2.2.1 Grundprinzipien (Vorsorge, Koexistenz)

Der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wird rechtlich vor allem vonzwei Grundprinzipien bestimmt, die in der Zweckbestimmung des Gesetzes zur Regelung derGentechnik (GenTG) in § 1 GenTG festgehalten werden:

1.) Vorsorgeprinzip d.h., „unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, dieUmwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichenAuswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegendas Entstehen solcher Gefahren zu treffen,“ (§ 1 Abs. 1 GenTG)

2.) Koexistenzprinzip d.h., „die Möglichkeit zu gewährleisten, daß Produkte, insbesondere Lebens- undFuttermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderterOrganismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können“ (§ 1 Abs. 2 GenTG)

2.2.2 Vorsorgeprinzip bei GVO (Handlungsmaßstab Risiko, nicht Nachweis vonSchädlichkeit)

Im Gentechnikrecht gilt als Maßstab das Vorsorgeprinzip.

Das Gentechnikrecht erlaubt insbesondere Genehmigungen zu verweigern, auch wenn keinewissenschaftliche Gewißheit schädlicher Auswirkungen besteht (EuGH Rs C-180/96 [BSE] Slg.1998, I-2265, Rn. 99; EuG Rs T-13/99 [Pfitzer], Rn. 139). Dabei ist jedoch erforderlich, daßAnhaltspunkte für Risiken vorliegen, „bloß hypothetische Betrachtungen des Risikos“ genügennicht (EuG Rs T-13/99 [Pfitzer], Rn. 143). Das Risiko muß „auf der Grundlage der (…)verfügbaren wissenschaftlichen Daten gleichwohl hinreichend dokumentiert erschein[en].“ (EuG Rs T-13/99 [Pfitzer], Rn. 144). Es müssen also Anhaltspunkte für Risiken bestehen.Liegen solche Anhaltspunkte vor, besteht nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 EG-RL 2001/18nicht nur die Befugnis, sondern sogar die Pflicht zur Versagung der Genehmigung.

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a) EG-Richtlinie 2001/18 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderterOrganismen in die Umwelt (…)

Art. 4 EG-RL 2001/18

„(1) Die Mitgliedstaaten tragen im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip dafür Sorge, dassalle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, damit die absichtliche Freisetzung unddas Inverkehrbringen von GVO keine schädlichen Auswirkungen auf (…) die Umwelt hat.

(2) Die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Kommission stellen sicher, dass möglicheschädliche Auswirkungen auf (…) die Umwelt, die unmittelbar oder mittelbar durch denGentransfer von GVO auf andere Organismen auftreten können, Fall für Fall sorgfältiggeprüft werden. Diese Prüfung ist gemäß Anhang III unter Berücksichtigung derAuswirkungen auf die Umwelt je nach Art des eingeführten Organismus und der denOrganismus aufnehmenden Umwelt durchzuführen.“

b) GenTG

§ 16 Genehmigung bei Freisetzung und Inverkehrbringen

„(…)

(2) Die Genehmigung für ein Inverkehrbringen ist zu erteilen oder zu verlängern, wennnach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck des Inverkehrbringensunvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüternicht zu erwarten sind. (…).“

Danach sind die Behörden zum Verweigern einer Genehmigung bzw. zum Einschreitenbefugt und verpflichtet, sofern wissenschaftlich belegbare Anhaltspunkte für Risikenbestehen. Eine Gewißheit über schädliche Auswirkungen ist ausdrücklich nicht erforderlich.

2.2.3 Berücksichtigung direkter als auch indirekte Auswirkungen von GVO

Im Gentechnikrecht werden sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen von GVOberücksichtigt, also auch solche schädliche Auswirkungen, die über dazwischentretendeFaktoren ausgelöst werden. Anhang II EG-RL 2001/18 definiert die indirekten Auswirkungenwie folgt:

„’Indirekte Auswirkungen’ sind die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder dieUmwelt, die durch eine Kausalkette von Ereignissen, z.B. durch Wechselwirkungen mitanderen Organismen, Übertragung von genetischem Material oder Änderungen derVerwendung oder der Handhabung ausgelöst werden.“

Dabei können die Auswirkungen sofort oder später auftreten. Als Beispiele spätererAuswirkungen nenn die Leitlinien der Kommission zu Anhang II EG-RL 2001/18 (Entscheidung2002/623/EG der Kommission über Leitlinien betreffend Ziel, Faktoren, Grundprinzipien undMethodik der UVP gemäß Anhang II der RL 2001/18 vom 24. Juli 2002, Abl. L 200 S. 22, unterKap. 2):

„- die Verkleinerung der Zielpopulation von Insekten wirkt sich auf die Population andererInsekten aus, oder

- ein invasiveres Verhalten eines GVO entwickelt sich erst mehrere Generationen nachder absichtlichen Freisetzung.“

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2.2.4 Gesonderte Betrachtung der jeweils unterschiedlichen Arten und Lebensräume

Die Risikoabschätzung möglicher Auswirkungen von GVO gemäß dem Vorsorgeprinzip mußjeweils gesondert für die jeweiligen unterschiedlichen Arten und Lebensräume erfolgen.

Für die IVB-Genehmigung gilt ein umfassendes Prüfungsprinzip.

Die nach Art. 4 Abs. 2 EG-RL 2001/18 erforderliche spezifisch gentechnikrechtlicheUmweltverträglichkeitsprüfung ist nach Art. 2 Nr. 8 EG-RL 2001/18 eine

„Bewertung der direkten oder indirekten, sofortigen oder späteren Risiken für diemenschliche Gesundheit und die Umwelt, die mit der absichtlichen Freisetzung oder demInverkehrbringen von GVO verbunden sein können, und die gemäß Anhang II durchgeführtwird.“

Weiter zwingen Art. 4 Abs. 3 u. Art. 13 Abs. 2a EG-RL 2001/18 dazu, die möglichenAuswirkungen bezogen auf die jeweiligen unterschiedlichen Arten und Lebensräume jeweilsgesondert zu betrachten:

„Für jede festgestellte schädliche Auswirkung sind die Folgen für andere Organismen,Populationen, Arten oder Ökosysteme zu bewerten, die mit dem GVO in Berührungkommen.“(Entscheidung 2002/623/EG der Kommission über Leitlinien betreffend Ziel, Faktoren,Grundprinzipien und Methodik der UVP gemäß Anhang II der RL 2001/18 vom 24. Juli2002, Abschn. 4.2.2, Abs. 3).

Nach Art. 13 Abs. 2a EG-RL 2001/18 müssen die mit der Anmeldung vorzulegendenInformationen

„der Verschiedenartigkeit der Orte der Anwendung der GVO als Produkte oder in ProduktenRechnung tragen.“

„Darüber hinaus kann auch ein breiteres Spektrum von (standortspezifischen odergebietsspezifischen) Umweltmerkmalen zu berücksichtigen sein. Für dieEinzelfallbewertung kann es von Nutzen sein, gebietsspezifische Informationen nachHabitatgruppen zu ordnen, um die für die jeweiligen GVO relevanten Aspekte desAufnahmemilieus erfassen zu können (beispielsweise pflanzenkundliche Informationen überdas Vorkommen kreuzbarer wilder verwandter Pflanzen von GVO-Pflanzen inverschiedenen landwirtschaftlichen oder natürlichen Lebensräumen in Europa.“(Entscheidung 2002/623/EG der Kommission über Leitlinien betreffend Ziel, Faktoren,Grundprinzipien und Methodik der UVP gemäß Anhang II der RL 2001/18 vom 24. Juli2002, Kap. 3, Spiegelstrich 3, Abs. 4)

2.2.5 Ausschluß schädlicher Auswirkungen von Lebensmitteln

Bezogen auf Lebensmittel gilt im Gentechnikrecht das absolute Vermeidungsgebot vonnachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt. GVOdürfen ausschließlich nur dann als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, wenn eineentsprechende Zulassung erfolgt ist und diese wird nur erteilt, wenn umfassend nachgewiesenist, daß nachteilige Auswirkungen auszuschließen sind.

EG-Verordnung 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel

Art. 4 (Anforderungen) EG-VO 1829/2003

(1) Lebensmittel gemäß Artikel 3 Absatz 1 dürfen

a) keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder dieUmwelt haben (…)

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(2) Niemand darf einen zur Verwendung als Lebensmittel/in Lebensmitteln bestimmtenGVO oder ein in Artikel 3 Absatz 1 genanntes Lebensmittel in Verkehr bringen, wenn derOrganismus oder das Lebensmittel nicht über eine gemäß diesem Abschnitt erteilteZulassung verfügt und die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen erfüllt.

(3) Kein zur Verwendung als Lebensmittel/in Lebensmitteln bestimmter GVO und kein inArtikel 3 Absatz 1 genanntes Lebensmittel darf zugelassen werden, wenn derAntragsteller nicht in geeigneter und ausreichender Weise nachgewiesen hat, dass derOrganismus oder das Lebensmittel die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genanntenAnforderungen erfüllt.“

2.3 Umgang mit ausgebrachten GVO (Nachmarktliche Maßnahmen)

2.3.1 Grundsätze des Umgangs mit in Verkehr gebrachten GVO

Die rechtlichen Grundsätze, die im Umgang mit in Verkehr gebrachten GVO gelten, ergebensich aus § 16b GenTG. Danach liegt es im Rahmen des Koexistenzprinzips imAufgabenbereich dessen, der GVO nutzt, Vorsorge zu treffen, Beeinträchtigungen vonSchutzgütern zu verhindern.

§ 16b GenTG (Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten)

„(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderteOrganismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich umTiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarerWeise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften einesOrganismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durchsonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigtwerden. Die in Satz 1 genannten Handlungen sind unzulässig, soweit auf Grund der Umständedes Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 genannten Belange nicht gewährleistet ist.

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung vonTieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxiserfüllt.

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nachAbsatz 1 erforderlich ist, insbesondere

1. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung undAusbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten,Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke bei Aussaat und Ernte zu verhindernsowie Auskreuzungen in andere Kulturen und in Wildpflanzen benachbarter Flächen zuvermeiden, insbesondere durch Mindestabstände, Sortenwahl, Durchwuchsbekämpfungoder Nutzung von natürlichen Pollenbarrieren; dabei sind Aufzeichnungen zu führen überdie Sorte des gentechnisch veränderten Saat- oder Pflanzguts, die Schläge desBetriebes, die Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismenenthalten und die pflanzenbaulichen Maßnahmen, die auch nach Beendigung desAnbaus solange fortzuführen sind, wie mit dem Auftreten von Durchwuchs zu rechnenist;

(…)“

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2.3.2 Kontrollmechanismen beim Umgang mit in Verkehr gebrachten GVO

a) Überwachung der Einhaltung von Auflagen der IVG-Genehmigung

Das deutsche Recht sieht in Umsetzung der EG-RL 2001/18 für GVO ein differenziertesnachmarktliches Überwachungssystem vor, welches sich zunächst weitgehend an Inhalt undAuflagen der Inverkehrbringungs-Genehmigung gem. § 16 GenTG anlehnt (vgl. § 16d Abs. 1GenTG). Zuständig für diese IVB-Genehmigung und der Überwachung deren Einhaltung istdas Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

Die Regelungswirkung des Regimes der IVB ist damit letztlich davon abhängig, inwieweit imeinzelnen Fall im Genehmigungsverfahren bestimmte mögliche Auswirkungen etwanaturschutzfachlich auf konkrete Habitattypen und Arten untersucht worden sind, ergänzt umRücksichtnahmepflichten im lokalen Zusammenhang.

b) Überprüfung konkreter Standortbedingungen / Naturschutzrecht

Wie weiter oben ausgeführt, ist das Verfahren für IVB-Genehmigungen potentiell umfassendauf alle Standorte der Ausbringung von GVO bezogen. Daher gilt die Genehmigung imRegelfall auch grundsätzlich für alle Standorte innerhalb der EU. Tatsächlich erstreckt sich dieUmweltverträglichkeitsprüfung jedoch nur auf eine begrenzte Zahl. Das ist rechtlich grundsätzlich auch vertretbar, da tatsächlich nicht verlangt werden kann, daßsämtliche europäische Lebensräume und Arten in Betracht gezogen und bewertet werden.Damit würden die Kapazität der Verwaltungsbehörden sowie die Beibringungslast der Betreiberüberfordert. Zudem wäre es auch überflüssig, da GVO nicht überall ausgebracht werden.

Hinsichtlich der behördlichen Handlungsmöglichkeiten ergibt sich so unmittelbar aus demGenTG selbst zunächst eine erhebliche Einschränkung im Vergleich zu den Befugnissen undPflichten gem. EG-RL 2001/18 zur wirksamen Vermeidung möglicher Risiken. Ist derPrüfungsumfang demnach tatsächlich bei der IVB-Genehmigung begrenzt, müssenzwangsläufig nachmarktliche Maßnahmen des Naturschutzes rechtlich zulässig bleiben, umdie gentechnikechtlichen Anforderungen auf wirksame Risikovorsorge realisieren zu können.Dies gilt, soweit die Genehmigung betroffene Lebensräume und Arten nicht abgeprüft hat.

Die vorgenannten, grundsätzlich auf der Ebene der IVB-Genehmigung bestehenden, gebiets-und artenspezifischen Anforderungen verlagern sich damit weitgehend auf die nachfolgendeEbene der konkreten Ausbringungsvorhaben (nachmarktliche Maßnahmen). Bei diesen giltsomit, daß trotz bestehender grundsätzlich umfassender Genehmigung für alle Standorte, dieVerträglichkeit für die konkretisierten Einzelstandorte nun konkret zu überprüfen ist.

Bei diesen nachmarktlichen Maßnahmen liegt auch das hauptsächliche Anwendungsfeldnaturschutzrechtlicher Instrumente.

Dabei ist jedoch stets im Sinne der Gesetzeskonkurrenz zu prüfen, ob nicht spezifischeresRecht, insbesondere gemeinschaftsrechtliche Regelungen der Nachmarktkontrolle vorgehen.Naturschutzrechtlich sind für die Ausbringung von GVO diejenigen Normen relevant, dieLebensräume und Arten schützen.

aa) Artenschutz

Die Festlegungen zu dem schutzgebietsunabhängigen Artenschutz finden sich imWesentlichen in § 42 BNatSchG, der insbesondere auch Art. 12 FFH-RL (Verbot derabsichtlichen Störung der durch Anhang IVa geschützten Tierarten bzw. der Beschädigungihrer Fortpflanzungs- und Lebensstätten) und Art. 13 Abs. 1a FFH-RL (Verbot absichtlichenVernichtens von Exemplaren der durch Anhang IVb geschützten Pflanzenarten) umsetzt.

Aus EG-rechtlichen Gründen sieht § 42 BNatSchG einen abgestuften Schutz für „besondersgeschützte“ und „streng geschützte“ Arten vor. Die Definitionen des § 10 Abs. 2 Nr. 10 u. 11

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BNatSchG nehmen hinsichtlich der Zuordnung der Tier- und Pflanzenarten Bezug auf dieinternationalen und europarechtlichen Regelungen.

Von besonderem Interesse sind dabei die streng geschützten Arten, die gegenüber den nurbesonders geschützten Arten ein wesentlich höheres Gewicht bei der behördlichenAbwägungsentscheidung genießen. Unabhängig von einer Befreiungsmöglichkeit nach § 62BNatSchG ist die Eingriffsentscheidung nach § 19 Abs. 3 BNatSchG bzw. entsprechendemLandesrecht zu treffen. Gemäß § 19 Abs. 3 BNatSchG ist ein Eingriff unzulässig, wenn durchdas geplante Vorhaben Biotope zerstört werden, die für die dort wild lebenden Tiere und wildwachsenden Pflanzen der streng geschützten Arten nicht ersetzbar sind. Ausnahmen könnennur für Eingriffe, die aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interessesgerechtfertigt sind, zugelassen werden.

Die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfschritte (§ 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG) können in die dreiPhasen Vorprüfung, Konfliktanalyse und Abweichungsverfahren unterschieden werden:- In der Vorprüfung müssen die relevanten Arten im Wirkungsraum des Vorhabens

ausgewählt, deren Vorkommen ermittelt und eine Erheblichkeitsabschätzung vorgenommenwerden.

- Falls erhebliche Störungen der Arten oder Schädigungen ihrer Lebensstätten nichtausgeschlossen werden können, muß in der Konfliktanalyse für jedes einzelneArtvorkommen ermittelt werden, ob die spezifischen Verbotstatbestände des § 42BNatSchG voraussichtlich eintreten. Hierbei können auch Vermeidungsmaßnahmeneinbezogen werden.

- Im Abweichungsverfahren wird geprüft, ob trotz Vorliegen erheblicher (individueller)Störungen der Arten oder Schädigungen der Lebensstätten oder Standorte eineausnahmsweise Vorhabenszulassung möglich ist.

Bezogen auf „streng geschützte“ Arten im Sinne von Arten nach Anhang IV der FFH-RL geltenin Deutschland derzeit Art. 12 u. 16 FFH-RL direkt (vgl. Günther, Die Auswirkungen des EuGH-Urteils C-98/03 zur mangelhaften Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, in EurUP(2006), ohne daß die Möglichkeit einer weitergehenden Ausnahmemöglichkeit im Sinne des §43 Abs. 4 BNatSchG besteht. Eine Abweichung vom umfassenden Störungsverbot der „strenggeschützten“ Arten im Sinne von Art 12 Id FFH-RL ist unabhängig von denBefreiungsmöglichkeiten in § 43 Abs. 4 BNatSchG nur zulässig, wenn einer derAusnahmetatbestände des Art. 16 FFH-RL eingreift, was für jede einzelne eventuell von einerPlanung betroffene Art jeweils getrennt zu prüfen ist. Erforderlich ist die ausdrücklicheErteilung einer Ausnahmegenehmigung. Eine Abweichung vom umfassenden Störungsverbotdes Art 12 Abs. 1d FFH-RL setzt nach Art 16 FFH-RL voraus, daß es keine zufriedenstellendeAlternative zu der beeinträchtigenden Maßnahme geben darf und die Population derbetroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einemgünstigen Erhaltungszustand verbleiben muß. Die Ausnahme darf auch dann nur erteiltwerden, wenn sie im Interesse der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sicherheit liegt oderaus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlichsozialer oder wirtschaftlicher Art geboten ist. Es handelt sich wie in Art. 6 Abs. 4 FFH-RL umstriktes keiner Abwägung unterliegendes Recht. Ist entweder eine zumutbare Alternativevorhanden, die die Beeinträchtigung der Art vermeidet, oder ist der Erhaltungszustand der Artbereits schlecht oder greift keiner der Ausnahmetatbestände muß die Beeinträchtigungunterbleiben.

bb) Gebietsschutz

Festlegungen zum Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft finden sich in denLandesgesetzen in Umsetzung von §§ 22 ff BNatSchG. Sie betreffen Naturschutzgebiete,Nationalparks, Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete, Naturparks, Naturdenkmaleoder geschützte Landschaftsbestandteile (§ 22 Abs. 1 BNatSchG) sowie gem. §§ 33 ffBNatSchG europäische Schutzgebiete von Natura 2000 (FFH-Gebiete u. Vogelschutzgebiete).

Das Ausbringen von GVO muß jeweils mit den (entsprechend Landesrecht bzw.) gem. § 22Abs. 2 BNatSchG festgelegten Schutzgebietszielen vereinbar sein.

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Insbesondere für Gebiete von Natura 2000 gilt in Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL gem. §34a BNatSchG eine Verträglichkeitsprüfung für

„die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung von rechtmäßig in Verkehr gebrachtenProdukten, die GVO enthalten oder aus ihnen bestehen, (…) soweit sie (…) geeignet sind,ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutzgebieterheblich zu beeinträchtigen“.

Das Ausbringen von GVO, deren Inverkehrbringen genehmigt worden ist, wird damit alsProjekt i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 11 BNatSchG angesehen. Daß ein Ausbringen von GVO einerFFH-Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, ergibt sich auch aus Art. 6 Abs. 3 FFH-RL. Derhier verwendete Begriff des Projekts wird weit verstanden und umfaßt auch das Ausbringenzugelassener GVO.

Gemeinschaftsrechtswidrig ist allerdings der Umstand, daß § 34a Nr. 2 BNatSchG seinemWortlaut nach eine FFH-Verträglichkeitskeitsprüfung nur für solche Ausbringungen verlangt,die innerhalb von Schutzgebieten stattfinden. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL stellt allein auf diemöglichen Auswirkungen auf das FFH-Gebiet ab, nicht dagegen auf die örtliche Platzierungdes Projekts (vgl. Gellermann, Natura 2000. Europäisches Habitatrecht und seineDurchführung in der BRD, 2.Aufl. 2001, S. 71; so auch implizit EuGH, Urt. v. 10.01.2006 - RsC-98/03, Rn. 43). Bis zur Anpassung des deutschen Naturschutzrechts gilt Art. 6 Abs. 3 FFH-RL daher diesbezüglich direkt (vgl. dazu etwa Günther, Die Auswirkungen des EuGH-Urteils C-98/03 zur mangelhaften Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, in EurUP (2006), S.94ff). Somit sind auch Wirkungen relevant, die von außen in ein FFH-Gebiet hineinwirken.

Gleiches gilt grundsätzlich auch zumindest für Naturschutzgebiete, der naturschutzrechtlichhöchsten Schutzgebietskategorie auf nationaler Ebene. Sie sind nach dem Willen desGesetzgebers (Bund und Land) grundsätzlich durch ein absolutes Veränderungsverbotgekennzeichnet.

Nach der Rahmenvorschrift in § 23 Abs. 2 BNatSchG sind„alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung desSchutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können,(…) nach Maßgabe näherer Bestimmungen (…) verboten.“

„Nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift gilt das Verbot nicht nur innerhalb desSchutzgebiets, sondern auch für Handlungen, die von außerhalb in das Schutzgebiethineinwirken und es nachhaltig stören, verändern, beschädigen oder zerstören.“(Kloepfer,Umweltrecht. 3.Aufl., 2004, § 11 Rn. 127 - unter Verweis u.a. auf VGH München, NVwZ-RR1995, 648; gleiche Auffassung: Soell, NuR 1980, S. 1, 7; Hoeppe/Beckmann/Kauch,Umweltrecht, 2. Aufl., 2000, § 15 Rn. 114).

So auch Maaß zum Schutz natürlicher Lebensräume und Böden vor stofflichen Immissionen(Maaß, ZUR 2000, 308, 317f):„Der Sinn und Zweck der [naturschutzrechtlichen] Eingriffsregelung widerspricht derAuskoppelung von Immissionen aus der Anwendung: Der Gesetzgeber hat durch dieVerwendung des Begriffs der ‚Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts’ deutlich gemacht,dass eine umfassende Gesamtbewertung aller zurechenbaren Eingriffsfolgen gewollt ist.Dieser mehrmediale Charakter des Naturschutzrechts wird auch in § 2 Abs. 1 Nr. 4BNatSchG deutlich, in welchem der Schutz der Böden als ökologischer Wert geboten wird.Durch die Ausklammerung des Immissions-Belastungspfades wäre das legislatorischeLeitmotiv der ‚Erhaltung des ökologischen status quo’ nicht erreichbar; dies wird deutlich,wenn man sich z. B. den Verkehrswegebau und die dadurch entstehenden breitenLärmkorridore vor Augen führt, welche weitaus mehr Lebensraum beeinträchtigen als dieunmittelbare Verkehrsfläche.“

§ 34 BNatSchG bzw. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL schreiben für Pläne oder Projekte, die in einemGebiet gemeinschaftlicher Bedeutung oder einem Europäischen Vogelschutzgebiet

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durchgeführt werden sollen, eine Verträglichkeitsprüfung mit den für dieses Gebietfestgelegten Erhaltungszielen vor.

Für die Anforderungen an die erforderliche FFH-Verträglichkeitsprüfung und ggf.nachfolgende Abweisungsentscheidung sowohl in verfahrensmäßiger, als auch inmaterieller Hinsicht sei auf die dazu vom BVerwG in einem Urteil zur Bundesautobahn A143 (BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05) kürzlich aufgestellten Grundlinienverwiesen, deren schon verfahrensmäßige Verletzung die Rechtswidrigkeit desBehördenhandelns zur Folge hat.

An die Durchführung einer FFH-Veträglichkeitsprüfung werden hohe Ansprüche gestellt.

Untersuchungsrahmen Schutzgut Arten und Biotope• Untersuchungsbedarf

- Grundsätzlich ist eine Biotoptypenkartierung durchzuführen.- Soweit eine ausreichende Beschreibung des Ist-Zustandes nicht auf der Grundlage

vorhandener Daten möglich ist, bedarf es regelmäßig der konkreten Erfassung undBeschreibung der Tier- und Pflanzenwelt im Rahmen einer fachgutachterlichenBestandsbeurteilung. Dies kann geboten sein, wenn das Vorhandensein von gefährdetenund gegenüber den Wirkungen des Vorhabens (besonders) empfindlicher Tier- undPflanzenarten in Betracht zu ziehen ist.

• Erfassungskriterien- Biotoptypen und Biotopkomplexe- Lebensstätten streng geschützter Arten- Vegetationsgesellschaften- Fauna (bedeutende) Vorkommen von (Leit- bzw. Indikator-) Arten und deren

Lebensgemeinschaften- Lebensraumbedingungen der Arten und Lebensgemeinschaften- faunistische Funktions- und (Inter-)Aktionsräume- Realnutzung: Nutzungsart/ -intensität, Pflegezustand- Alter und Entwicklungszustand; Strukturmerkmale

(nach Köppel/Peters/Wende: Eingriffsregelung, Umweltverträglichkeitsprüfung, FFH-Veträglichkeitsprüfung. 2004, S. 43)

Untersuchungsrahmen Tierarten (Beispiele)• Amphibien

- flächendeckende Laich- und Laichgewässerkartierung- anschließend systematische Suche am Laichplatz; je nach Gewässertyp mindestens 3

Begehungen, ja nach Laichtyp tags oder nachts- Verhören am Laichplatz; Abkeschern (Stichproben); Sichtbeobachtung- Spezifizierung - bei Fließgewässern 2 Begehungen zwischen März und Juli- bei Stillgewässern 3 Begehungen zwischen März und Juli

• Reptilien- Systematische ruhige Suche in den Morgenstunden besonders im Frühjahr auffestgelegten Probeflächen- Überprüfung Reproduktionserfolg im Herbst

• Avifauna (Vögel)- Flächendeckende Kartierung des Artenbestandes durch 3 bis 4 Begehungen (Linien-und/oder Punkt- und Rasterkartierung)- Rastplatzanalyse / Wintervolgelzählung

• Libellen- Nachweis über Linientaxierung, Kescherfänge am Gewässer, Imagines, Kescherfang

von Larven, Absammeln von Exuvien in der Zeit von April bis September- Fließgewässer 6-8 Begehungen- Stillgewässer 4-6 Begehungen

• Heuschrecken- Linientaxierung und Punkttaxierung

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- Begehung von Probeflächen einmal im Zeitraum April/Mai bis Juni; 3 Begehungen imZeitraum Juli bis September, evtl. Nachtbegehung

• Tagfalter, Widderchen- Linientaxierung auf ausgewählter Probefläche von ca. 1 ha- mindestens 5 Begehungen zwischen April und September; bei Mager- und

Trockenrasen, wärmeliebenden Gebüschen, Waldrändern, extensiven Wiesen, feuchtenHochstaudenfluren, Naßwiesen, Saumgesellschaften 6 Begehungen

(nach Köppel/Peters/Wende: Eingriffsregelung, Umweltverträglichkeitsprüfung, FFH-Veträglichkeitsprüfung. 2004, S. 47)

Fällt die Verträglichkeitsprüfung negativ aus, wobei bereits die Möglichkeit einer erheblichenBeeinträchtigung genügt, ist das Projekt bzw. der Plan grundsätzlich unzulässig (§ 34 Abs. 2BNatSchG). Dabei spielen etwaige Ausgleichsmaßnahmen zumindest für die Frage, ob dieVoraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung gegeben sind, keine Rolle. Mit dieserstrengen Bindungswirkung der Verträglichkeitsprüfung geht diese über die in § 12 UVPG fürdie UVP vorgesehene reine Berücksichtigungspflicht deutlich hinaus.

Allerdings ist auch bei negativem Ergebnis einer Verträglichkeitsprüfung gleichwohl eineZulassung möglich, wenn der Ausnahmetatbestand des den Art. 6 Abs. 4 FFH-RLumsetzenden § 34 Abs. 3 BNatSchG erfüllt ist:- Danach können nach vorgeschalteter negativer Alternativenprüfung „zwingende Gründe des

überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicherArt“ eine Durchführung des Projekts rechtfertigen. Voraussetzung ist jedoch, daß keine„zumutbare Alternative“ gegeben ist, also wenn der mit dem Projekt bzw. Plan verfolgteZweck an anderer Stelle oder in anderer Ausgestaltung im Großen und Ganzen invergleichbarem Maße ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen für das Schutzgebiet zuerreichen ist. Dabei dürfen die Kosten und Nachteile, die mit der Verwirklichung desAlternativlösung verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zum Nutzen für dasSchutzgebiet stehen.

- Soweit sich in dem von dem Projekt oder Plan betroffenen Gebiet prioritäre Biotope oderprioritäre Arten befinden, erschwert dies die Zulassung einer Ausnahme erheblich. OhneStellungnahme der Europäischen Kommission können als Ausnahmegründe nur nochsolche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheitgeltend gemacht werden. Sonstige Gründe i.S.d. § 34 III Nr. 1 BNatSchG, also solchesozialer, wirtschaftlicher oder politischer Art, können von der Zulassungsbehörde bei einerGenehmigungsentscheidung hingegen nur nach vorheriger Stellungnahme der Kommissionberücksichtigt werden (§ 34 IV S.2 BNatSchG).

2.3.3 Behördliche Anordnungen bei neuen Erkenntnissen zu in Verkehr gebrachten GVO

a) Gentechnikrechtlicher Umfang der Anordnungsbefugnisse allgemein

Die gentechnikrechtlichen Möglichkeiten für behördliche Anordnungen ergeben sich aus § 26GenTG. Sie werden ergänzt durch § 20 GenTG.

§ 26 GenTG (Behördliche Anordnungen)

„(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zurBeseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz, gegendie auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen unmittelbargeltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften im Anwendungsbereich diesesGesetzes notwendig sind. Sie kann insbesondere den Betrieb einer gentechnischen Anlageoder gentechnische Arbeiten ganz oder teilweise untersagen, wenn

1. die erforderliche Anmeldung unterblieben ist, eine erforderliche Genehmigung oder eineZustimmung nicht vorliegt,

2. ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf einer Genehmigung nach denVerwaltungsverfahrensgesetzen gegeben ist,

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3. gegen Nebenbestimmungen oder nachträgliche Auflagen nach § 19 verstoßen wird,4. die vorhandenen sicherheitsrelevanten Einrichtungen und Vorkehrungen nicht oder nicht

mehr ausreichen.

(2) Kommt der Betreiber einer gentechnischen Anlage einer Auflage, einer vollziehbarennachträglichen Anordnung oder einer Pflicht auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 30nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oderden Betrieb der gentechnischen Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganzoder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflicht aus einerRechtsverordnung nach § 30 untersagen.

(3) Die zuständige Behörde kann anordnen, daß eine gentechnische Anlage, die ohne dieerforderliche Anmeldung oder Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändertwird, ganz oder teilweise stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die vollständige oderteilweise Beseitigung anzuordnen, wenn die in § 1 Nr. 1 genannten Rechtsgüter auf andereWeise nicht ausreichend geschützt werden können.

(4) Die zuständige Behörde hat eine Freisetzung zu untersagen, soweit die Voraussetzungenvon Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 vorliegen. Sie kann eine Freisetzung untersagen, soweit dieVoraussetzungen von Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 vorliegen.

(5) Die zuständige Behörde hat ein Inverkehrbringen zu untersagen, wenn die erforderlicheGenehmigung nicht vorliegt. Sie hat ein Inverkehrbringen bis zur Entscheidung des Rates oderder Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 23 in Verbindung mit Artikel30 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18/EG vorläufig zu untersagen, soweit das Ruhen derGenehmigung angeordnet worden ist. Sie kann das Inverkehrbringen bis zu dieserEntscheidung vorläufig ganz oder teilweise untersagen, wenn der hinreichende Verdachtbesteht, dass die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen nicht vorliegen.“

§ 20 GenTG (Einstweilige Einstellung)

„(1) Sind die Voraussetzungen für die Fortführung des Betriebs der gentechnischen Anlage,der gentechnischen Arbeit oder der Freisetzung nachträglich entfallen, so kann anstelle einerRücknahme oder eines Widerrufs der Genehmigung nach den Vorschriften derVerwaltungsverfahrensgesetze die einstweilige Einstellung der Tätigkeit angeordnet werden,bis der Betreiber nachweist, daß die Voraussetzungen wieder vorliegen.

(2) Besteht nach Erteilung einer Genehmigung des Inverkehrbringens, auch einer nach § 14Abs. 5 gleichgestellten, auf Grund neuer oder zusätzlicher Informationen, die Auswirkungenauf die Risikobewertung haben, oder auf Grund einer Neubewertung der vorliegendenInformationen auf der Grundlage neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse einberechtigter Grund zu der Annahme, dass der gentechnisch veränderte Organismus eineGefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt, so kann die zuständigeBundesoberbehörde bis zur Entscheidung der Kommission oder des Rates der EuropäischenGemeinschaften nach Artikel 23 in Verbindung mit Artikel 30 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18/EGdas Ruhen der Genehmigung ganz oder teilweise anordnen.“

Das Gentechnikrecht eröffnet danach für die Behörden im Zusammenhang mit dernachmarktlichen Kontrolle grundsätzlich folgende mögliche Handlungsfelder zum ggf.erforderlichen Einschreiten:

- Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung der Genehmigungsinhalte und -auflagen;- bei neuen Erkenntnissen die Möglichkeit, die Kommission zu einer Änderung der

Genehmigung zu veranlassen und in diesem Zusammenhang ggf. das- Anordnen des Ruhens der IVB-Genehmigung;- Eingriffsmöglichkeiten bei Notfallsituationen.

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b) Zuständige Behörden nach Gentechnikrecht und Naturschutzrecht

Die Zuständigkeit für die Ausführung des Gentechnikrechts gem. GenTG ergibt sich aus § 31GenTG i.V.m. §§ 1 bis 5 EGGenTGDurchfG).

Danach sind grundsätzliche gem. § 4 Abs. 1 EGGenTGDurchfG die jeweils festgelegtenLandesbehörden zuständig.

(zuständige Landesbehörden für den Vollzug des GenTG; Übersicht im Internet:http://www.bvl.bund.de/cln_007/DE/06__Gentechnik/00__doks__downloads/Landesbeh_C3_B6rden,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Landesbehörden.pdf).Im Freistaates Sachsen ist zuständige Behörde für den Vollzug des GenTG gem. § 1GenTZuV das Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (Referat 56Gentechnik/Chemikalien, Wilhelm-Buck-Straße 2, 01097 Dresden; Tel. 0351/564-0).

In bestimmten gesetzlich festgelegten Fällen (§ 1 EGGenTGDurchfG) ist das Bundesamt fürVerbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zuständig als Bundesoberbehörde.

Handelt es sich um eine Anlagengenehmigung, also ein Anmeldeverfahren gem. § 12 GenTGeiner Anlage im Sinne von § 3 Abs. 4 GenTG gilt gem. § 22 GenTG, daß diegentechnikrechtliche Genehmigungen alle anderen die Anlage betreffenden behördlichenEntscheidungen auch anderer Rechtsgebiete mit einschließt. Damit kommt bei einerAnlagengenehmigung der Zuständigkeit der Landesbehörde gem. § 31 GenTG einekonzentrierende Wirkung zu.

Im Umkehrschluß gilt, daß für alle die Fälle, in denen es nicht im Sinne von § 22 GenTG umeine Anlagengenehmigung geht, eine solche Konzentrationswirkung nicht besteht. In diesenFällen bleibt es bei der Zuständigkeit entsprechend der jeweils berührten Rechtsgebiete. Etwafür die Anwendung des Naturschutzrechts ist dies im Regelfall die untereNaturschutzbehörde (in Sachsen gem. § 48 Abs. 1 SächsNatSchG). Diese haben

„in ihrem Aufgabenbereich die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Anordnungenund Maßnahmen zu treffen, um Natur und Landschaft zu schützen, zu pflegen und zuentwickeln sowie dafür zu sorgen, daß die Rechtsvorschriften eingehalten und durchgesetztwerden“.(so für Sachsen § 41 Abs. 1 SächsNatSchG).

Von dieser Zuständigkeit geht im Übrigen bspw. auch der Freistaat Sachsen ganzselbstverständlich aus. So heißt es in einem Schreiben des SächsischenStaatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (zuständigen Landesbehörde für GenTG)an den BUND, Landesverband Sachsen e.V. vom 02.04.2007 wegen „Geplanter Gen-Mais-Anbau im Raum Bad Düben“: „Zuständig für die Prüfung, ob der beabsichtigte Anbau vongentechnisch veränderten Pflanzen innerhalb oder in der Nähe von NATURA 2000-Gebieten deren Erhaltungsziele erheblich beeinträchtigen kann, ist nach § 48 Abs. 1SächsNatSchG die untere Naturbehörde.“

Erscheint ein rechtzeitiges Tätigwerden der eigentlich zuständigen Behörde bei Gefahr imVerzug nicht erreichbar, besteht daneben in allen Fällen eine Zuständigkeit nach allgemeinemPolizeirecht für die allgemeine Polizeibehörde. Im Freistaat Sachsen gilt dies gem. § 2 Abs. 1SächsPolG. Allgemein sachlich zuständig ist gem. § 68 Abs. 2 SächsPolG dieOrtspolizeibehörde. Wird diese nicht tätig, kann jede gem. § 66 SächsPolG zur Fachaufsichtzuständige Behörde gem. § 67 Abs. 2 SächsPolG die erforderlichen Maßnahmen treffen; dieskönnen insbesondere gem. § 67 Nr. 3b SächsPolG auch die Landratsämter sein.

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Wenn nach Erteilung der Genehmigung des Inverkehrbringens aufgrund neuer oderzusätzlicher Informationen, die Auswirkungen auf die Risikobewertung haben, oder aufgrundeiner Neubewertung der vorliegenden Informationen auf Grundlage neuer oder zusätzlicherwissenschaftlicher Erkenntnisse ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, daß dergentechnisch veränderte Organismus eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder dieUmwelt darstellt ist nach § 20 Abs. 2 GenTG

das BVL als zuständige Bundesoberbehörde befugt, bis zur Entscheidung derKommission oder des Rates nach Art. 23 i.V.m. Art. 30 Abs. 2 EG-RL 2001/18 das Ruhender Genehmigung ganz oder teilweise anzuordnen.

Weitergehende Maßnahme, wie etwa das Umpflügen bereits ausgebrachter GVO-Organismen, kann das BVL jedoch selbst nicht anordnen. Hierfür liegt die Zuständigkeitallein bei den zuständigen Behörden in den Ländern.

Wenn nach Erteilung der Genehmigung des Inverkehrbringens aufgrund neuer oderzusätzlicher Informationen, die Auswirkungen auf die Risikobewertung haben, oder aufgrundeiner Neubewertung der vorliegenden Informationen auf Grundlage neuer oder zusätzlicherwissenschaftlicher Erkenntnisse ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, daß dergentechnisch veränderte Organismus eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder dieUmwelt darstellt

und insofern die vorhandenen sicherheitsrelevanten Einrichtungen und Vorkehrungennicht oder nicht mehr ausreichen ist nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 GenTG die zuständigeLandesbehörde befugt, im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigungfestgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das GenTG, gegen dieaufgrund das GenTG erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen unmittelbar geltendeRechtsakte der Europäischen Gemeinschaften im Anwendungsbereich das GenTGnotwendig sind. Sie kann insbesondere den Betrieb einer gentechnischen Anlage odergentechnische Arbeiten ganz oder teilweise untersagen.

Erscheint ein rechtzeitiges Tätigwerden nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 GenTG der zuständigenLandesbehörde bei Gefahr im Verzug nicht erreichbar, besteht eine Zuständigkeit nachallgemeinem Polizeirecht für die allgemeine Polizeibehörde (im Freistaat Sachsen gem. §2 Abs. 1 SächsPolG).

Sind insofern gesondert geschützte Rechtsgüter betroffen, ist die jeweils zuständigeBehörde befugt, nach dem jeweiligen Recht die erforderlichen Abwehrmaßnahmen zuergreifen; bei Risiken für naturschutzrechtlich geschützte Arten und Schutzgebiete(SächsNatSchG, BNatSchG, FFH-RL, VogelschRL) ist dies im Regelfall die untereNaturschutzbehörde (im Freistaat Sachsen gem. § 41 Abs. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1SächsNatSchG).

3. Rechtlicher Status von MON810

3.1 Frage des Vorliegens einer wirksamen gentechnikrechtlichen Zulassung fürMON810 insgesamt

Die einzige in Deutschland in größerem Maßstab kommerziell angebaute GV-Pflanze ist MaisMON810. Das Bundessortenamt hat fünf Sorten dieser Maislinie saatgutrechtlich zugelassen.

Ob Saatgut der Maislinie MON810 über die erforderliche gentechnikrechtliche Zulassungverfügt, ist seit längerem im Streit.

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Ein hierzu vorliegende Rechtsgutachten (Willand/Buchholz, Gutachten zurgentechnikrechtlichen Zulässigkeit des Inverkehrbringens gentechnisch veränderterMaissorten der Linie MON810 vom 09.05.2006) kommt zu dem Schluß, daß eine wirksameZulassung derzeit nicht besteht (vgl. dazu auch Verwaltungsstreitsache Au 7 E 07.259 vor demVG Augsburg:http://www.ggsc.de/service/downloads/newsletter/09052007__SchriftsatzGGSC.pdf - hier S.11ff)

Die Abgabe gentechnisch veränderten Saatguts an Landwirte (Inverkehrbringen) ist inDeutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten einheitlich geregelt und bedarf einerGenehmigung. Wird kein zentralisiertes Verfahren durch die EU-Kommission beschritten, soerteilen nationale Behörden die EU-weit gültige Genehmigung. Die gentechnisch veränderteMaislinie MON810 der Firma Monsanto erhielt 1998 die Zulassung für Import, Verarbeitungund Anbau aufgrund der EG- Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG. Die französischeGenehmigung vom 03.08.1998 wäre ursprünglich nach Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie90/220/EWG 10 Jahre gültig gewesen. Die RL 90/220/EWG wurde jedoch durch Art 36 Abs. 1der EG-RL 2001/18 zum 17.01.2002 aufgehoben. Genehmigungen, die wie diejenigen fürMON810 nach der RL 90/220/EWG erteilt wurden, gelten nur dann fort, wenn gemäß Art. 17der EG-RL 2001/18 vor dem 17.10.2006 beim französischen Landwirtschaftsminister dieErneuerung der Zustimmung beantragt wurde. Die bestehenden französischenGenehmigungen vom 03.08.1998 für MON810 sind inzwischen aufgrund von Art. 17 der EG-RL 2001/18 erloschen, da eine entsprechende Erneuerung der Genehmigung offenbar nichtbeantragt wurde. Damit ist mangels rechtzeitigen Antrags auf Erneuerung der Genehmigung nach Art. 17

EG-RL 2001/18 das weitere Inverkehrbringen von MON810 generell unzulässig.

Zudem ist das Europäische Zulassungsrecht für GVO seit der MON810-Zulassung verschärftworden. Nach der EG-VO 1829/2003 dürfen GVO, die prinzipiell als Lebensmittel verwendbarsind, nur nach einer umfassenden Lebensmittelsicherheitsprüfung zugelassen werden.MON810 ist bisher nicht in einem Verfahren anhand der aktuellen Vorschriften geprüft worden.Nach altem Recht genehmigte Erzeugnisse sind nur für eine Übergangszeit und auch nur dannzugelassen, wenn eine ordnungsgemäße Meldung in Brüssel erfolgt ist. Die von Monsantoabgegebene Meldung erstreckte sich nicht auf Saatgut, sodaß dieses folgerichtig auch nichtmehr vertrieben und angebaut werden darf. Rechtsfolge der unterbliebenen Meldung ist, daß Saatgut des Maises MON810 gem. Art. 4

Abs. 2, Art. 8 Abs. 1 S. 1, Art. 16 Abs. 2 u. Art. 20 Abs. 1 EG-VO 1829/2003 nicht in denVerkehr gebracht werden darf.

Abweichend davon geht das BVL als zuständige Bundesoberbehörde offenbar dennoch vomBestehen der Zulassung aus. Davon ging auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nochjüngst in einer Entscheidung in einem Eilverfahren aus, ohne diese Frage jedoch weiter zuproblematisieren (vgl. BayVGH, Beschl. v. 21.6.2007 - Az. 22 CE 07.1294; im Internet:http://www.vgh.bayern.de/BayVGH/presse/07a01294b.pdf).

Festzuhalten bleibt, daß die Frage des Bestehens der Zulassung derzeit rechtlich weiteroffen ist; insbesondere eine dezidierte gerichtliche Aussage in einem Hauptverfahren liegtnoch nicht vor.

3.2 Fehlen einer wirksamen gentechnikrechtlichen Zulassung für MON810 alsLebensmittel / GVO-Pollen der Linie MON810 in Lebensmitteln (Honig, Speisemais)

Selbst wenn man der Auffassung folgt, daß MON810 noch über die erforderliche Zulassungverfügt, so ist jedoch völlig unstreitig, daß diese Zulassung keine Lebensmittel umfassenwürde, die GVO des Maises MON810 enthalten. Zugelassen sind vielmehr nur Lebensmittel,die aus GVO des Maises MON810 hergestellt sind - also selbst keine GVO mehr enthalten.

Für GVO-haltige Lebensmittel aus MON810 wurde dagegen nie eine Zulassung erteilt.Sie sind daher auch nicht als existierende Erzeugnisse gemeldet.

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Für die Zulassung von GVO als Lebensmittel ist die EG-VO 1829/2003 einschlägig. Zweck desLebens- und Futtermittelgentechnikrechts ist es, spezifische Risiken der Verwendung von GVOals Lebens- oder Futtermittel zu prüfen. Andernfalls wäre eine gesonderte Prüfung undZulassung nach der EG-VO 258/97 (a.F.) bzw. nach der EG-VO 1829/2003 neben derallgemeinen Genehmigung nach der Freisetzungsrichtlinie auch nicht erforderlich.

Bezogen auf GVO der Maislinie MON810 in Lebensmitteln sind derzeit einige Punkte rechtlichstrittig (vgl. dazu insbesondere Verwaltungsstreitsache Au 7 E 07.259 vor dem VG Augsburg:http://www.ggsc.de/service/downloads/newsletter/09052007__SchriftsatzGGSC.pdf.).

a) Frage der Anwendbarkeit der EG-VO 1829/2003

Zunächst ist umstritten, ob Honig als tierisches Produkt aus dem Anwendungsbereich der EG-VO 1829/2003 ausgeklammert werden kann. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dieseFrage im besagten Eilverfahren ausdrücklich offen gelassen. Rechtlich scheint diese Positionjedoch nur schwer haltbar, da es bei Lebensmitteln, die GVO enthalten, letztlich nicht daraufankommen kann, ob es pflanzliche, tierische oder sonstige Produkte sind.

Honig ist nach Art. 2 Nr. 1 der EG-VO 1829/2003, der auf der Definition des Art. 2 der EG-VONr. 178/2002 verweist ein Lebensmittel. Nach Sinn und Zweck der EG-VO 1829/2003 übergenetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel, welche in den Erwägungsgründen 1 bis 3dieser VO zum Ausdruck gebracht werden, ist Honig, der GVO-Pollen enthält, dann als„genetisch verändertes Lebensmittel“ gemäß Art. 2 Nr. 6 EG-VO 1829/2003 anzusehen und imSinne von Art. 3 Abs. 1b EG-VO 1829/2003 als „Lebensmittel, das GVO enthält oder aussolchen besteht“ einzustufen. Honig mit GVO-Pollen stellt somit gem. Art. 4 Abs. 2 EG-VO1829/2003 ein nicht verkehrs- und verbrauchsfähiges Lebensmittel dar. Zum Inverkehrbringenin der EU zugelassen sind derzeit ausschließlich Lebensmittel, die aus Mais MON810hergestellt sind. Für Lebensmittel, die den GVO MON810 enthalten oder daraus bestehen(Lebensmittel nach Art. 3b EG-VO 1829/2003) ist bisher keine Zulassung zumInverkehrbringen erfolgt, noch wurde sie überhaupt beantragt.

Sowohl die EG-VO 1829/2003, als auch das GenTG vermitteln Drittschutz im Hinblick auf denSchutz der Gesundheit (siehe Erwägungsgrund 3, Art. 1a EG-VO 1829/2003, §§ 1 Nr. 1; 16bGenTG) sowie den Schutz gentechnikfreier Wirtschaftsweise, Koexistenz (siehe Art. 43 Nr. 2EG-VO 1829/2003; Art. 26a EG-RL 2001/18; §§ 1 Nr. 2; 16b GenTG. Die Schutzrichtung derEG-VO 1829/2003, als auch des GenTG richtet sich insoweit sowohl auf den Schutz vorGefahren als auch auf Risikovorsorge. Die EG-VO 1829/2003 hat es den Mitgliedsstaatenauferlegt, Maßnahmen zu ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO inanderen Produkten zu verhindern (vgl. Art. 43 Nr. 2 EG-VO 1829/2003, Art. 26a EG-RL2001/18) Diese Pflicht zu Vorsorgemaßnahmen setzt das GenTG (teilweise) um. Nach derKonzeption des GenTG sind der Schutz der Gesundheit und die hierauf bezogeneRisikovorsorge sowie die Gewährleistung der Koexistenz, als „Zweck des Gesetzes“ in § 1 Nrn.1 u. 2 GenTG festgeschrieben worden. § 16b GenTG konkretisiert die Vorsorgepflichtdahingehend zum Schutz der Gesundheit und Gewährleistung der Koexistenz, daß (u.a.) derAnbauer von gentechnisch veränderten Produkten dafür Vorsorge zu treffen hat, daß die in § 1Nrn. 1 u. 2 GenTG genannten Rechtsgüter durch Einträge von GVO nicht wesentlichbeeinträchtigt werden. Ist auf Grund der Umstände des Einzelfalls die Erreichung der in Nrn. 1u. 2 genannten Belange nicht gewährleistet, ist (u.a.) der Anbau unzulässig.

Der Ausbringer von GVO ist verpflichtet, durch geeignete Vorsorgemaßnahmen einewesentliche Beeinträchtigung anderer Landwirte bzw. der von Imkern abzuwenden. Im Hinblickauf die rechtliche Gemengelage zwischen dem im Aussaatzeitpunkt bestandenen Recht desAusbringers, gentechnisch veränderten Mais der Linie MON 810 anzubauen, und dem RechtDritter auf Schutz ihrer Gesundheit und ihres Rechts auf gentechnikfreie Wirtschaftsweise,spricht der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt der staatlichen Schutzpflicht für die BelangeGesundheit und Koexistenz dafür, den Dritten effektiven Schutz zu gewährleisten.

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b) Frage der Beachtlichkeit hinsichtlich eines Schwellenwertes

Weiter ist derzeit strittig, ob jeglicher Eintrag des GVO - selbst in geringsten Spuren - inLebensmittel (Imkereiprodukte, Speisemais) sicher ausgeschlossen werden muß, oder ob dieserst ab den Kennzeichnungsschwellen für Lebensmittel gilt. Nach Ansicht des BayVGH istnach den einschlägigen EU-Vorschriften das Inverkehrbringen des Honigs - mitunbeabsichtigten und technisch unvermeidbaren Spuren von Pollen gentechnisch veränderteraber gentechnikrechtlich zum Ausbringen in die Umwelt zugelassener Maispflanzen - wederverboten, noch unterliegt es einer Kennzeichnungspflicht, sofern der hierfür festgesetzteSchwellenwert von 0,9 % nicht erreicht wird. Unterhalb des Schwellenwertes sei dann aucheine "wesentliche Beeinträchtigung" der durch das Gentechnikgesetz geschützten Rechtsgüternicht gegeben (vgl. BayVGH, Beschl. v. 21.6.2007 - Az. 22 CE 07.1294; im Internet:http://www.vgh.bayern.de/BayVGH/presse/07a01294b.pdf, hier S. 8f)

Nach einer anderen Ansicht ist der Einwand, die Verunreinigungen unterhalb derKennzeichnungsschwellen für Lebensmittel seien akzeptabel, verfehlt. Begründung findetdiese Ansicht darin, daß die Kennzeichnungsschwellen nur für das Vorhandenseinzugelassener GV-Lebensmittel gelten. Nicht zugelassene GVO dürfen danach inLebensmitteln gar nicht, auch nicht in Spuren vorhanden sein. Dies wurde im Übrigen auchzuletzt im Fall des nicht zugelassenen Reises LL601 konsequent umgesetzt.

Ungeachtet des bestehenden Rechtsstreits über die Anwendbarkeit EG-VO 1829/2003 istderzeit umstritten, ob ein Eintrag von GVO der Maislinie MON810 in Lebensmittel absolutverboten ist oder nur ab einem Schwellenwert von 0,9 % an.

3.3 Teilweises Ruhen der bisherigen behördlich anerkannten Zustimmung zumInverkehrbringen seit dem 27.04.2007

3.3.1 Anordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit(BVL)

Ungeachtet der streitigen Frage der fehlenden gentechnikrechtlichen Zulassung hat daszuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit Bescheidvom 27.04.07 das teilweise Ruhen der bislang von ihm auch für Deutschland anerkanntenGenehmigung zur Inverkehrbringung von MON810 in Frankreich angeordnet. Der Bescheidwurde für sofort vollziehbar erklärt.

(Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) anMonsanto Europe S.A. vom 27.04.07; im Internet:http://mellifera.weitblick.de/fix/docs/files/070427bvl_bescheid_MON810.pdf;Bekanntmachung eines Bescheides zur Beschränkung des Inverkehrbringens gentechnischveränderter Organismen nach dem Gentechnikgesetz (BVL 47/2007/4) vom 3. Mai 2007; imInternet:http://www.bvl.bund.de/cln_027/DE/08__PresseInfothek/00__doks__downloads/Bescheid__MON810,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Bescheid_MON810.pdf;http://www.bundesanzeiger.de/old/banz/banzinha/BAnz_59_087.htm).

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Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geht danachdavon aus, daß im Sinne von § 20 Abs. 2 GenTG (Bescheid vom 27.04.07, a.a.O.;Hervorhebungen durch den Autor): „ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass der gentechnisch veränderteOrganismus eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt.(…)Erst mit jüngeren Untersuchungen wurde deutlich, dass und in welchem Ausmaß das Bt-Toxin über die Pflanze in höhere Nahrungsketten gelangt (Harwood et al. 2005, MolecularEcology, 14, 2815-2823; Zwahlen & Andow 2005, Environmental Biosafety Research, 4, 113-117; Obrist et al. 2006, Ecological Entomology, 31, 143-154). Die Exposition vonNichtzielorganismen höherer Nahrungskettenglieder wie z.B. Prädatoren oder Parasistioidenmit dem Bt-Toxin ist damit belegt. In ihrer Übersicht zu für Bt-Pflanzen relevanten Testskommen Lövei & Arpaia (2005, Entomologia Experimentalis et Applicata, 114, 1-14) zu demSchluss, dass bei Laborversuchen bei 41 % der bei räuberischen Insekten untersuchtenParameter negative Einflüsse u.a. auf das Überleben, die Entwicklungszeit, die Lebensdauerund die Reproduktion gemessen wurden (davon 30 % signifikant negativ). Ähnliche Zahlenergeben sich für Parasistiode (Lövei & Arpaia 2005, a.a.O.). Andere wichtigeOrganismengruppen wie z.B. räuberische Fliegen, Wespen, Ameisen, Kurzflügelkäfer oderSpinnen, die im Feld eine große Rolle bei der natürlichen Schädlingsbekämpfung spielen,wurden bisher im Labor kaum bzw. nur schlecht untersucht.“

Die weitere Abgabe von MON810 darf nunmehr erst dann wieder erfolgen, wenn ein Plan zurBeobachtung der Umweltauswirkungen im Sinne des Anhangs VII der Richtlinie 2001/18/EGvorgelegt wurde. Dieser Plan muß insbesondere folgende Punkte enthalten, die damit zugleichdie bestehenden Risikobereiche benennen:

„a)Exposition keimfähiger Maikörner in der Umwelt (Verlust bei Ernte, Transport undVerarbeitung),

b) Exposition des Bt-Toxins in der Umwelt (z.B. über Pollen, Silage, Pflanzenreste imBoden),

c) Verbleib des Bt-Toxins im Boden auf den Anbauflächen; Auswirkungen aufBodenorganismen und Bodenfunktionen,

d) Auswirkungen auf Nichtzielorganismen auf den Anbauflächen und in betroffenenLebensräumen in der Umgebung der Anbauflächen,

e) langfristige und großflächige Wirkungen auf die Biodiversität,f) Verbleib von Transgenen (Persistenz und Akkumulation) in Organismen und

Umweltmedien,g) Entwicklung von Sekundärschädlingen,h) Änderung von Pestizidapplikationen (Art des Pestizids, Volumen, Frequenz und

Zeitpunkt),i) Auswirkungen auf Nahrungsnetze.“

Folge des Ruhens der Genehmigung ist, daß das Inverkehrbringen von MON810-Saatgut solange verboten ist, bis die Bedingung - Vorlage des Beobachtungsplans - erfülltist.

3.3.2 Folgen der Anordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit für die Landesbehörden und Landratsämter

Unmittelbare Wirkung erzeugt das Verbot (durch die im Hinblick auf die Aussaattermineverspätete Bekanntmachung zum 27.04.2007) erst vor der nächsten Anbausaison, da dasMON810-Saatgut für die Anbausaison 2007 schon weitestgehend verkauft und ausgesät war.Die befürchteten Gefahren entstehen nun allerdings beim Anbau. Deshalb stellt sich die Frage,wie die neue Gefahrenbeurteilung und das Ruhen der Inverkehrbringungsgenehmigung sichauf die Anbausaison 2007 auswirken.

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a) Landesbehörden (SMUL)

Ein Anbauverbot, Beschränkungen des Anbaus oder Schutzvorkehrungen konnte das BVLnicht anordnen, weil seine Entscheidungsbefugnisse auf das Ruhen derInverkehrbringungsgenehmigung beschränkt sind. Weitergehende gentechnikrechtlicheAnordnungen können nur die zuständigen Behörden der Länder auf Grundlage des § 4 Abs. 2EGGenTGDurchfG und nach § 26 Abs. 1 Satz GenTG treffen. Eine Verpflichtung derLandesbehörden, den laufenden Anbau zu unterbinden, kommt gentechnikrechtlich unter zweiGesichtspunkten in Betracht:

- Zum einen setzt der Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten nach § 16b GenTGgrundlegend voraus, daß es sich um zugelassene Produkte handelt. Nachdem nun dieZulassung durch das BVL (vorläufig) nicht mehr wirksam ist, wird dem Anbau die rechtlicheGrundlage entzogen.

- Zum anderen könnte von Vorsorge, die das Gesetz verlangt, nicht mehr ernsthaft die Redesein, wenn Landesbehörden selbst bei von der zuständigen Bundesbehörde erkannten,greifbaren Anhaltspunkten für Gefahren keine Schutzmaßnahmen ergreifen. Ggf. könntenaus einem Unterlassen dieser Schutzmaßnahmen sogar Amtshaftungsansprüche vonImkern und Genmaisanbauern gegenüber dem Staat entstehen bzw. im Fallenachgewiesener Schädigungen von Eigentum (etwa Landwirtschaft) oder Gesundheit vonjedem Betroffenen erhoben werden. (Eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 16bGenTG kann in Anlehnung an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGBbereits dann vorliegen, wenn eine Verunreinigung von Lebensmitteln nicht nachgewiesenwerden kann, aber der Betroffenen einen wirtschaftlichen Schaden erleidet und der GVO-Verwender nicht nachweisen kann, daß er die erforderliche Vorsorge getroffen hat.)

b) Landratsämter (UNB)

Für die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Bestimmungen sind dagegen wie weiter obenausgeführt im Regelfall die unteren Naturschutzbehörden zuständig. Diese haben nachpflichtgemäßem Ermessen für die Einhaltung und Durchsetzung der naturschutzrechtlichenNormen zusorgen (in Sachsen vgl. § 41 Abs. 1 SächsNatSchG). Der Begriff despflichtgemäßen Ermessens (§ 40 VwVfG) umfaßt das sag. Einschreitermessen (die Frage, obdie Behörde überhaupt tätig wird) und das Auswahlermessen (die Frage in welcher Weise dieBehörde tätig wird). Dabei hat die Behörde gem. § 40 VwVfG ihr Ermessen „entsprechenddem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessenseinzuhalten.“

Nicht mehr vom Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens dürfte nun umfaßt sein, wenn dieuntere Naturschutzbehörde angesichts der von der zuständigen Bundesbehörde erkannten,greifbaren Anhaltspunkte für Gefahren für die Umwelt im Rahmen des Einschreitermessensnicht tätig wird (Ermessensreduzierung auf Null) und im Rahmen des Auswahlermessensnicht für einen wirksamen Schutz betroffener Arten und Schutzgebiete sorgt. Dieszumindest insoweit, wie das Anbauvorhaben im konkreten Fall entweder aufgrund dernaturräumlichen Ausstattung der Anbaufläche bzw. angrenzender Naturräume(Artenschutz) bzw. seiner Lage in oder in der Nähe von Schutzgebieten zu Risiken führenkann.

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Ansatzpunkte, die für ein behördliches Einschreiten sprechen, ergeben sich aus denweiter oben dargelegten möglichen Betroffenheiten von geschützten Arten bzw. von inbestimmten Schutzgebieten geschützten Arten. Anhaltspunkte für eine Pflicht zumEinschreiten bestehen danach insbesondere in nachfolgend aufgeführten Fällen:

- Bei Verstößen gegen Schutzgebietsziele. Insbesondere sofern in Naturschutzgebieten einspezielles Verbot von Biozid-Einsatz besteht, muß die Anpflanzung von MON810generell als Verstoß gegen die Schutzgebietsziele bzw. Schutzgebietsverordnunggewertet werden.

- Das gleiche gilt, wenn in Schutzgebieten das Ausbringen gentechnisch veränderterPflanzen untersagt ist.

- In FFH-Gebieten sind die Arten der Anhänge II sowie

- der Schutz der Lebensräume nach Anhang I der FFH-RL zu beachten.

- Unabhängig von einem bestehenden Gebietsschutz sind überall die Arten des AnhangesIV der FFH-RL geschützt.

Charakteristische Artengruppen und deren Lebensräume sind hierbei vor allem - Schmetterlinge- Hautflügler- Bienen- Laufkäfer (als Fresser von Trauermücken)

Bei Schutzgebieten sind Beeinträchtigungen relevant die unmittelbar innerhalb desSchutzgebietes erfolgen, aber auch solche, die von außen hineinwirken.

Im Zusammenhang mit dem Anbau von MON810 ist die Beeinträchtigung der genannten Artenin jedem Falle beachtlich. Ggf. ist dann eine Befreiungsmöglichkeit gem. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL zu prüfen. Diese dürfte jedoch regelmäßig nicht möglich sein, da es anderweitigezufriedenstellende Möglichkeiten des Pflanzenschutzes gegen den Maiszünsler gibt.Insbesondere das häufig auf Seiten des Ausbringers vorgebrachte Argument, es gäbe einenpermanenten Dauerbefall durch den Maiszünsler, entspricht nicht den Tatsachen. Tatsächlichsind regelmäßig oft deutlich unter 5% der gesamten Anbaufläche in Deutschland vonwirtschaftlich erheblichen Beeinträchtigungen durch den Maiszünsler betroffen. Der mit demAnbau von MON810 stattfindende, prophylaktische Dauereintrag des Bt-Toxins ist beiBeeinträchtigungen der nach der FFH-RL geschützten Tierarten nicht zu rechtfertigen.

Ergebnis:Ein Anbauverbot, Beschränkungen des Anbaus oder Schutzvorkehrungen konnte das BVLnicht anordnen, weil seine Entscheidungsbefugnisse auf das Ruhen derInverkehrbringungsgenehmigung beschränkt sind.

Weitergehende Anordnungen, wie etwa ein Anbauverbot, ein Verpflichtung zurEntfernung des Saatgutes und von Pflanzen aus dem Boden, deren Unterpflügen oderder wirksamen Unterbindung des Pollenaustrags, können nur die zuständigen Behördender Länder treffen; auf Grundlage des § 4 Abs. 2 EGGenTGDurchfG und nach § 26 Abs. 1Satz GenTG die zuständige Landesbehörde (in Sachsen das SMUL) bzw. im Rahmen derAnwendung von Normen des BNatSchG sowie der Landesnaturschutzgesetzte (etwaSächsNatSchG) die zuständigen Naturschutzbehörden, hier grundsätzlich die untereNaturschutzbehörde, also bei Anbauvorhaben i.d.R. die örtlich zuständigen Landratsämter.

Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens sind sie bei Vorliegen konkreter Risikenfür geschützte Arten und Schutzgebiete zum Handeln sogar verpflichtet.

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c) Anordnung zum Umpflügen bzw. zum Schneiden der Pollenfahnen

Die Maissorten blühen in der Zeit von Juli/August bis September/Oktober und trageninnerhalb dieser Zeit ihren Pollen aus. (Menzel, Gertrud, Gentechnisch veränderte Pflanzenund Schutzgebiete – Wirksamkeit von Abstandsregelungen. Naturschutz und BiologischeVielfalt. 2005 [Schriftenreihe des Bundesamtes für Naturschutz Nr. 10], S. 44f, Stichwort:Blühphase)

Daher ist ein Vorgehen der zuständigen Behörden spätestens Anfang Juli erforderlich,da sonst durch den erfolgten Pollenaustrag erledigt und nicht mehr beseitigbare vollendeteTatsachen geschaffen würden.

Die weiter oben beschriebenen Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit gehengrundsätzlich von allen Pflanzenteilen von Maispflanzen der Linie MON810 aus. Die möglichenund wahrscheinlichen Beeinträchtigungen verdichten sich dabei zu mit Sicherheitanzunehmenden Beeinträchtigungen mit der Blüte und dem damit einhergehendenPollenaustrag.

Wirksame Mittel im Sinne des Auswahlermessens wären daher das Umpflügen der Felderbzw. das Abernten vor der Blüte und anschließende Entsorgen der Pflanzen. Ggf. kann aberauch lediglich das Unterbinden des Pollenaustrags erwogen werden.

Das mehrfache Abschneiden der Pollenfahnen der GV-Maispflanzen während der Maisblüte,um den Eintrag von GVO-Pollen in Imkereiprodukte und benachbarte Felder zu verhindern, istdabei mehrfach praktiziertes und anerkanntes Mittel. Etwa die LandwirtschaftskammernSchleswig-Holstein und Niedersachsen, die im Auftrag des BundessortenamtesSortenversuche durchführen, aber auch andere Anbauer in Hessen und Bayern praktizierendieses Vorgehen (Vgl. Beitrag „Bio-Honig kontra Hi-Tech-Getreide“, FAZ vom 13.03.2007;bzw. amtliche Auskünfte bei Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Dr. Edgar Techow,Am Kamp 9, 24783 Osterrönfeld, Tel. 04331/8414-11 und LandwirtschaftskammerNiedersachsen, der Präsident, Dr. Fritz Stegen, Mars-la-Tour-Str. 1-13, 26121 Oldenburg, Tel.0441801-0). Auch der inzwischen vorliegende Referentenentwurf einer Verordnung derBundesregierung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderterPflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV), Stand 05.04.07(http://www.keine-gentechnik.de/fileadmin/files/Infodienst/07_04_05_bmelv_gutefachlichepraxis_entwurf.pdf)bestätigt, daß das „Entfernen oder Eintüten der männlichen Blütenstände (Fahnen) vor derBlüte“ eingeeignetes Mittel zur Sicherstellung der Koexistenz ist (Nr. 3 der Anlage desEntwurfs der GenTPflEV). Ein solches Vorgehen hat auch das VG Augsburg in dem obengenannten Verfahren angeordnet.

4. Aktuelle behördliche, gerichtliche und politische Reaktionen

4.1 Verbote von MON810 im EU-Ausland

In den EU-Ländern Österreich, Ungarn, Griechenland und Polen ist Monsanto-Genmais MON810 verboten (http://www.bio-berlin-brandenburg.de/presse/detailansicht/meldungen/genmais-die-bauern-duerfen-ernten-aber-nicht-saeen-frankfurter-rundschau//105/?tx_ttnews%5BpS%5D=1183216795&cHash=14b0abfa88). Frankreich prüft derzeit ein entsprechendes Verbot(http://www.aerzteblatt-studieren.de/doc.asp?docId=105620).

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4.2 Gerichtliche Entscheidungen, insbes. Anordnung zur Kappung durch das VGAugsburg / aufgehoben durch den BayVGH

a) Verwaltungsgericht Augsburg

Das Verwaltungsgericht Augsburg hat auf den Antrag eines Imkers zum behördlichenEinschreiten den Freistaat Bayern in einem gerichtlichen Eilverfahren verpflichtet, daß der Maisder Linie MON810 vor der Blüte geerntet wird oder die Pollenfahnen dieser Maispflanzenwährend der Blütezeit mehrfach so abgeschnitten werden, daß kein Maispollen in dieNahrungsketten von Tieren (hier Bienen) gelangen kann.

(VG Augsburg Au 7 E 07.259, Beschl. v. 04.05.07; im Internet:http://mellifera.weitblick.de/fix/docs/files/BeschlussVGAugsburg07.05.07.pdf).

Das Gericht führt aus: „Der Antragsteller hat berechtigt vorgetragen, dass er miterheblichen Nachteilen zu rechnen hätte, falls der Antragsgegner auf den zum staatlichenVersuchsgut Neuhof gehörenden Anbauflächen genetisch veränderten Mais der Linie MON810 anbaut. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, würde der Anbau von genetisch verändertemMais im Flugkreis der Bienen des Antragstellers für diesen zur Folge haben, dass durch denEintrag von Pollen dieses Maises (nachfolgenden: GVO-Pollen) in ‚seinen’ Honig ein nichtverkehrs- und verbrauchsfähiges Lebensmittel entstünde, welches allein auf Grundfehlender gentechnikrechtlicher bzw. lebensmittelrechtlicher Zulassung als potentielleGesundheitsgefährdung anzusehen wäre. Darüber hinaus würde das Recht desAntragstellers als Imker auf gentechnikfreie Wirtschaftsweise (Koexistenzrecht) verletzt.Die besondere Eilbedürftigkeit liegt vor, da nur durch eine Entscheidung im einstweiligenRechtsschutzverfahren erreicht werden kann, dass der Antragsgegner zum Zeitpunkt derBlüte des Maises (im Zeitraum zwischen Juli und September 2007) die erforderlichenMaßnahmen ergreift, um die Aufnahme von Maispollen durch die Bienen des Antragstellerszu vermeiden.“(VG Augsburg Au 7 E 07.259, Beschl. v. 04.05.07; im Internet:http://mellifera.weitblick.de/fix/docs/files/BeschlussVGAugsburg07.05.07.pdf, hier S. 10f).

Begründet hat das VG Augsburg seine Entscheidung mit der fehlenden Zulassung vonMON810 als Lebensmittel. Der Antragsteller ist ein Imker, der in einer Entfernung von ca.1.500 bis 2.200 m zu einer MON810-Anbaufläche ein Bienenhaus mit 12 Völkern hat. DasGericht stellte zunächst klar, daß nach seiner Auffassung Honig, in den GVO-Pollen gelangtist, als Lebensmittel im Sinne der EG-Verordnung 1829/2003 einzustufen ist. Ferner hat esfestgestellt, daß Honig mit MON810-Pollen ein nicht verkehrs- und verbrauchsfähigesLebensmittel darstelle. Für solche Lebensmittel gelte nach seiner Auffassung nach demSchwellenwertregime dieser Verordnung die Null-Prozent-Schwelle. Der Grund für die fehlendeVerkehrsfähigkeit liege darin, daß solche Lebensmittel nicht auf spezifischeGesundheitsrisiken untersucht wurden.

Das VG Augsburg billigte dem Antragsteller Anspruch auf Schutz seiner Gesundheit undseiner gentechnikfreien Wirtschaftsweise zu. Danach könne er die nach § 16 b Abs. 1 GentTGerforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der Vorsorgepflicht verlangen. Das Gericht hobhervor, daß den Imkern das Recht auf gentechnikfreie Wirtschaftsweise ebenso zustehe wieLandwirten.

Weiter führte das VG Augsburg aus, daß es im Verantwortungsbereich des Inverkehrbringersund des Verwenders liege, daß für den GVO MON810 kein Zulassungsverfahren und damitkeine spezifische Sicherheitsprüfung im Hinblick auf die Verwendung als Lebensmittel imSinne von Art. 3 Abs. 1b der EG-Verordnung 1829/2003 erfolgt sei. Eine solche Prüfung wäreaber erforderlich gewesen, weil der GVO auf verschiedenen Wegen in die Lebensmittelkettegelangen kann. Diese Lücke dürfe nun aber nicht zu Lasten der Lebensmittelerzeuger gehen,deren Produkte gegen ihren Willen mit GVO verunreinigt werden. Es läge danach nicht anihnen, Maßnahmen zur sicheren Verhinderung des GVO-Eintrags zu treffen oder gar dieerforderliche wissenschaftliche Risikoprüfung bzw. ein gentechnikrechtliches

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Genehmigungsverfahren für das ungewollt GVO enthaltende Lebensmittel (z.B. Honig)durchzuführen.

Zusammenfassend stellte das VG Augsburg fest, daß bei einem uneingeschränkten Einbauvon MON810 (ungehinderte Blüte) die maßgeblichen Schutzgüter des § 1 Nrn. 1 und 2 GenTGverletzt würden. Der Antragsteller hätte daher Anspruch, daß entsprechendeSchutzmaßnahmen getroffen würden.

Zum streitigen Zulassungsstatus von MON810 hat das VG Augsburg keine Stellunggenommen.

Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg wären die Anbauer von MON810verpflichtet, durch Schutzvorkehrungen wirksam zu verhindern, daß Bienen den MON810-Pollen sammeln können. Imker, die damit rechnen müßten, daß auch nur geringste Spurenvon MON810 in ihre Erzeugnisse gelangen, könnten von der zuständigen Behörde dieDurchsetzung wirksamer Schutzmaßnahmen verlangen bzw. die Behörden wären damit imRahmen ihres Ermessens von Amts wegen zum Einschreiten verpflichtet.Ebenfalls hätten Speisemaisanbauer in der Umgebung von MON810-Anbauflächen dieseAnsprüche auf Schutzmaßnahmen, mit denen jegliche Einträge bzw. Einkreuzungenausgeschlossen werden.

Der Beschluß des VG Augsburg wurde am 21.06.07 durch einen Beschluß imBeschwerdeverfahren durch den BayVGH wieder aufgehoben.

b) Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Nach der Beschwerdeentscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren des BayerischenVerwaltungsgerichtshofs (BayVGH) hat der betroffene Imker aus dem Landkreis Donau-Rieskeinen Anspruch darauf, den Anbau von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810auf einer von seinem Bienenhaus ca. 1,5 bis 2 km entfernt gelegenen staatlichenVersuchsfläche zu untersagen bzw. darauf, daß die Anbaufläche vor der Blüte abgeerntet wird.

(BayVGH, Beschl. v. 21.6.2007 - Az. 22 CE 07.1294; im Internet:http://www.vgh.bayern.de/BayVGH/presse/07a01294b.pdf)

In seiner Begründung weist der BayVGH darauf hin, daß im Eilverfahren nicht geklärt werdenkönne, ob im Honig eingeschlossener Pollen überhaupt noch unter den Begriff desgentechnisch veränderten Organismus (GVO) fallen könnte. Zudem führt der BayVGH aus,daß nach den einschlägigen EU-Vorschriften das Inverkehrbringen des Honigs - mitunbeabsichtigten und technisch unvermeidbaren Spuren von Pollen gentechnisch veränderteraber gentechnikrechtlich zum Ausbringen in die Umwelt zugelassener Maispflanzen - wederverboten sei, noch einer Kennzeichnungspflicht unterliege, da der hierfür festgesetzteSchwellenwert von 0,9 % nicht erreicht werde. Daher sei eine "wesentliche Beeinträchtigung"der durch das Gentechnikgesetz geschützten Rechtsgüter nicht gegeben. Auch habe der"Anbauer" die Pflicht der "guten fachlichen Praxis" beachtet, da zu dem Imkereibetrieb einausreichender Mindestabstand (hier von ca. 1,5 bis 2 km) eingehalten werde und sich zudemzwischen der Anbaufläche und dem Betrieb eine Ortschaft als eine Art Barriere befinde. Den"Anbauer" treffe auch nicht deshalb eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, weil Mais der Linie MON810 selbst nicht als Lebensmittel zugelassen sei. Denn insofern werde aufgrund dergentechnikrechtlichen Zulassung der Freisetzung von Mais der Linie MON 810 in die Umwelt inKauf genommen, daß gentechnisch veränderte Pollen in geringen Spuren in die Nahrung desMenschen gelangen könnten.

Nach Ansicht des VGH handelt es sich um kein neuartiges Lebensmittel, sondern um eineunvermeidbare Verunreinigung in sehr geringer Größenordnung eines zugelassenenLebensmittels, die im konkreten Fall auch aus Sicherheitsgründen nicht rechtfertige, solchenHonig vom Markt zu nehmen. Der Eintrag von GVO-Pollen erfolgt nicht zielgerichtet, ist wegendes nicht kontrollierbaren Flugs der Bienen praktisch unvermeidbar, dabei jedoch äußerst

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gering (i.d.R. knapp über der Nachweisgrenze). Angesichts dessen, daß Mais der LinieMON810 im Rahmen der Erteilung der Inverkehrbringungsgenehmigung einerSicherheitsprüfung unterzogen wurde, die jedenfalls die Ausbringung des Maises (und damitdes Pollens) in die Umwelt erlaubt, und da für Produkte, die aus MON810 hergestellt werdenoder Zutaten enthalten, die aus MON810 hergestellt werden, besteht eine Zulassung alsLebensmittel gem. Art. 3 Abs. 1c EG-VO 1829/2003. Soweit man Abschnitt 2 der EG-VO1829/2003, der die Kennzeichnung betrifft, für anwendbar hielte, wäre eine Kennzeichnungdes Honigs gem. Art. 12 Abs. 2 EG-VO 1829/2003 nicht erforderlich, da der Anteil der Pollender Maislinie MON810 im konkreten Fall nicht den festgelegten Schwellenwert für eineKennzeichnungspflicht von 0,9 % überschreitet.(BayVGH, Beschl. v. 21.6.2007 - Az. 22 CE 07.1294; im Internet:http://www.vgh.bayern.de/BayVGH/presse/07a01294b.pdf; hier S. 8f)

Im Ergebnis bliebt festzuhalten, daß

- derzeit weiter die rechtliche Frage offen bleibt, ob im Honig eingeschlossener Pollenunter den Begriff des gentechnisch veränderten Organismus (GVO) fällt, und dieserHonig damit ein Lebensmittel im Sinne der EG-VO 1829/2003 ist, für das dann jedochunstreitig eine Zulassung fehlt;

- seitens des BayVGH eine Zulassungspflicht und bei deren Fehlen ein Verbot von Honigmit GVO-Pollen nur unterhalb eines Schwellenwertes von 0,9 % verneint wird(ungeachtet der Frage im vorgenannten Spiegelstrich);

- ein Verstoß gegen die "gute fachliche Praxis" durch den "Anbauer" im konkreten Fall nurverneint wurde, da hier zu dem Imkereibetrieb des Antragstellers ein ausreichenderMindestabstand (hier von ca. 1,5 bis 2 km) eingehalten wurde und sich zudem zwischender Anbaufläche und dem Betrieb eine Ortschaft als eine Art Barriere befindet.

Damit bleibt festzuhalten, daß auch nach Ansicht des BayVGH ein Verbot von Honig mitGVO-Pollen ab dem Schwellenwert von 0,9 % zu erwägen und ggf. sogar geboten ist undweiter der Anbau von MON810 nicht schon generell als von der „guten fachlichen Praxis“umfaßt gilt, sondern dafür gem. § 16b Abs. 2 u. 3 GenTG u.a. die Einhaltung bestimmterAbstandsflächen einzuhalten ist.

Ist dies alles nicht gegeben, bleibt es bei Abwehransprüchen von betroffenen Imkernund Landwirten und erforderlichenfalls ist ein Einschreiten der Behörden von Amts wegengeboten.

c) OVG Berlin-Brandenburg

Eine der Entscheidung des BayVGH vergleichbaren Beschluß hat am 27.06.2007 auch dasOberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg erlassen. Nachdem bereits dasVerwaltungsgericht Frankfurt (Oder) den Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte,scheiterte ein Imker auch mit seiner Beschwerde vor dem OVG Berlin Brandenburg. In seinemBeschluß vom führte das OVG aus, daß nach der im Eilverfahren nur möglichernüberschlägigen Prüfung ein Anspruch des Imkers auf ordnungsbehördliches Einschreiten nichtmit der erforderlichen Verläßlichkeit festgestellt werden könnte. Es sei schon fraglich, ob dieAuffassung des Imkers zutreffe, daß sein Honig durch den vermutlich minimalen Eintrag vonPollen der gentechnisch veränderten Maispflanzen seine Verkehrsfähigkeit verliere. Jedenfallsdürften die aus dem Grundsatz der Koexistenz zwischen die Gentechnik nutzender,herkömmlicher und ökologischer Wirtschaftsweise folgenden Vorsorgepflichten der Landwirtenicht so weit gehen, daß sie auf die Befruchtung der Maispflanzen und damit auf die Ernteverzichten müßten. Vielmehr sei es dem Imker zuzumuten, seine Bienen für die relativ kurzeZeit der Maisblüte an einen Standort zu versetzen, von dem aus die Bienen die Gen-Maisfeldernicht erreichen.(OVG Berlin Brandenburg, Beschl. v. 27. Juni 2007 - OVG 11 S 54.07; siehe im Internet:http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/ovg/presse/archiv/20070628.0945.80913.html).

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4.3 Anordnung zum Umpflügen im Land Brandenburg (Landkreis Märkisch-Oderland)

Nachdem das BVL mit Bescheid vom 27.04.2007 den Handel mit gentechnisch verändertemMais der Sorte MON 810 gestoppt hat, untersagte im Landkreis Märkisch-Oderland derLandrat den Anbau von gentechnisch verändertem Mais der Sorte MON 810 innerhalb desNaturschutzgebietes "Ruhlsdorfer Bruch". Sollten bereits Flächen bestellt sein, seien dieseFlächen umzubrechen. Damit reagiert der Kreis auf eine Weisung desLandwirtschaftsministeriums. Betroffen sind weitgehend in der Gemarkung der StadtStrausberg und teilweise auf dem Gebiet des Naturparks Märkische Schweiz liegendeAnbauflächen, direkt an und im Naturschutzgebiet "Ruhlsdorfer Bruch" (Märkische Oderzeitungvom 23.05.07; im Internet: http://www.moz.de/index.php/Moz/Article/id/186153).

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