Über die titration von silberion und chlorion in gegenwart von schutzkolloiden

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513 - - nber die Titration von Silberion und Chlorion in Gegenwart von Schutzkolloiden von W. I). Treadwell, S. Janett und W. Blumenthal. (11. IV. 23.) Von grobdispersem Silberchlorid lost reines Wasser hei Zimmer- temperatur C = l,l.lO-5 Mole pro Liter, ein Betrag, der klein genug ist, um eine sehr scliarfe elektrometrische Titration des Silbers zu ermoglichen. Die Empfindlichkeit kann z. B. veranschaulicht werden durch Berechnung der Menge Chlorion pro Volumeneinheit, die am theo- retischen Endpunkt der Titration eine Potentialverschiebung von 1 Millivolt hervorrufen wurde. Bei Zimmertemperatur gilt dann : 1 = 58 1gL, woraus (CY) = 10-58. C = 3,7 . lo-* mgr C1’ pro cm3 1) Fur C wurde der oben erwahnte Wert eingesetzt. Wenn indessen das Silberchlorid nicht grobdispers, sondern in kolloidaler Verteilung vor- liegt, kann die Loslichkeit C merklich hohere Betrage annehmen, so dass die Titration des Silbers in Gegenwart von Schutzkolloiden, welche das entstehende Silberchlorid kolloid in Losung halten, weniger scharf ausfallen wird. Der Versuch hat diese Annahme bestatigt. Bei der Titration von 0,72 em3 0,l-n. Silbernitrat mit 0,l-n. Natriumchlorid in 150 em3 Wasser, dem 1 gr reine Gelatine zugesetzt war, entstand keine sichtbare Trubung. Dagegen ergaben die Ausschlage des Milli- voltmeters, das als Indikator diente, die folgende Titrationskurvel). 1 (C1’) cm3 0,l-n. NaCl 0.OOO 0,330 0,530 0,600 0,655 0,690 0,740 Ausschlag 78 66 52 44,5 36 28 12 cm3 0,l-n. NaCl 0,740 0,780 0,845 0,900 1,140 1,600 2,000 l) 8. Jaw& Dies. Zurich, S. 42 (1922). Ausschlag 12 1 -9 - 12,5 - 21 - 25 - 31

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513 - -

nber die Titration von Silberion und Chlorion in Gegenwart von Schutzkolloiden

von W. I). Treadwell, S. Janett und W. Blumenthal.

(11. IV. 23.)

Von grobdispersem Silberchlorid lost reines Wasser hei Zimmer- temperatur C = l,l.lO-5 Mole pro Liter, ein Betrag, der klein genug ist, um eine sehr scliarfe elektrometrische Titration des Silbers zu ermoglichen. Die Empfindlichkeit kann z. B. veranschaulicht werden durch Berechnung der Menge Chlorion pro Volumeneinheit, die am theo- retischen Endpunkt der Titration eine Potentialverschiebung von 1 Millivolt hervorrufen wurde. Bei Zimmertemperatur gilt dann :

1 = 58 1gL, woraus (CY) = 10-58. C = 3,7 . lo-* mgr C1’ pro cm3 1)

Fur C wurde der oben erwahnte Wert eingesetzt. Wenn indessen das Silberchlorid nicht grobdispers, sondern in kolloidaler Verteilung vor- liegt, kann die Loslichkeit C merklich hohere Betrage annehmen, so dass die Titration des Silbers in Gegenwart von Schutzkolloiden, welche das entstehende Silberchlorid kolloid in Losung halten, weniger scharf ausfallen wird. Der Versuch hat diese Annahme bestatigt. Bei der Titration von 0,72 em3 0,l-n. Silbernitrat mit 0,l-n. Natriumchlorid in 150 em3 Wasser, dem 1 gr reine Gelatine zugesetzt war, entstand keine sichtbare Trubung. Dagegen ergaben die Ausschlage des Milli- voltmeters, das als Indikator diente, die folgende Titrationskurvel).

1

(C1’)

cm3 0,l-n. NaCl

0.OOO

0,330

0,530

0,600

0,655

0,690

0,740

Ausschlag

78

66

52

44,5

36

28

12

cm3 0,l-n. NaCl

0,740

0,780

0,845

0,900

1,140

1,600

2,000

l) 8. Jaw& Dies. Zurich, S. 42 (1922).

Ausschlag

12

1

-9

- 12,5 - 21

- 25 - 31

- 514 - Durch graphische Interpolation findet man den Endpunkt als

Stelle des steilsten Abfalls der Kurve bei 0,72 cm3 0,l-n. NaC1. In einer fruheren Mitteilung ist gezeigt worden, wie sich aus dem Abfall der Kurve die Loslichkeit des Bodenkorpers berechnen lasstl). Be- deutet C, die Konzentration des Silberions am Anfang der Titration, C, die Konzentration, nachdem der anfangliche Ausschlag, gemessen Tom Punkt des steilsten Abfalls an, auf die Hiilfte zuruckgegangen ist, so findet man fur die Loslichkeit C, am Endpunkt der Titration die Beziehung :

2) . . . .

Aus der graphischen Darstellung der obigen Kurve findet man fur C,, die Silberkonzentration beim halftigen Ausschlag, 0,l Millimol pro Liter, wahrend C, = 0,48 Millimol pro Liter betragt. Daraiis er- halt man fur die Loslichkeit des kolloiden Silberchlorids 2.10-2 Millimole, also eine doppelt so grosse Liislichkeit, wie sie am grobdispersen Silber- chlorid beobachtet wird. Auf grosse Genauigkeit darf diese Bestimmung freilich keinen Anspruch machen; der Grossenordnung nach durfte der Wert jedoch richtig sein. Das scheint aus der folgenden Ober- schlagsrechnung hervorxugehen.

Nach den thermodynamischen Betrachtungen von W . Thornson muss die Loslichkeit eines Niederschlages mit steigendem Dispersitats- grad zunehmen. Der Einfachheit halber wahlen wir zunachst kugelige Teilchen. Diese denken wir uns mit der Losung im Gleichgewicht, Wenn nun die Menge dm eines solchen kugelformigen Teilchens sich lost und reversibel an einer grossen ebenen Krystallflache wieder aus- fallt, so kann aus dem Konzentrationsunterechied der Losung mit dem kolloiden und dem grobdispersen Niederschlag die osmotische Arbeit

3) RT C' M C

d A = 2 . - l n - - d r n . . . . .

gewonnen werden. M ist hierin das Molekulargewicht des Silber- chlorids. Der Faktor 2 erscheint infolge der Bildung der Chlor- und Silberionen. C' ist die Loslichkeit des kolloiden Silberchlorids, C die- jenige der grobdispersen Form. Durch den beschriebenen ubergang vermindert das Massenelement dm seine Oberflache und leistet eine

l) Helv. 2, 672 (1919).

- 515 - Oberflachenarbeit, die der osmotischen Arbeit von Gleichung 3) ent- sprechen mussl) :

4) 2 . r . s . RT C’

k . B C En- . . , . . . Mit T ist der Radius der kolloiden Silberchloridteilchen, mit s ihr spezifisches Gewicht und mit y ihre Oberflachenspannung bezeichnet.

Eine einfache Dimensionsberechnung zeigt, dass dO/dm = k/s - T

sein muss, wobei k (wie s) einen dimensionslosen Faktor darstellt, der beim Tetraeder wiederum den Wert 2 hat, beim Oktaeder und He- xaeder aber auf 3,46 steigt, sofern man mit r den Radius der um- schrjebenen Kugel bezeicbnet.

Erfolgt dez Massentransport dm von Teilchen zu solchen mit dem grosseren, aber vergleichbaren offenbar

mit dem Radius r Radius r’, so wird

5 ) . . . . . Wenn r’ = 10 * r , so hatte ma.n

0,9 * k dO = - am.

Fur oktaedrische Teilchen wiirde damit der Zahlenfaktor 0,9 - k = 3,l werden.

Setzt man fur das spezifische Gewicht der frisch gebildeten kleinsten Teilchen, die eine merkliche Existenzdauer besitzen, 5,5, einen Wert, der moglicherweise noch etwas zu hoch ist; ferner fur den Durchmesser der Teilchen 10-0 ern und nach der Berechnung weiter oben fiir G’/C = 2, so erhlilt man fiir die Oberflachenspannung aus Gleichung 4) fur kugelige Teilchen den Wert 324 Dyn/cm bei Zimmertemperatur.

Denkt man sich die kolloiden Teilchen mikrokryatallin oktaedrisoh und stellt sich vor, dass auf ihre Kosten im wesentlichen nur die zehn- ma1 grijsseren Teilchen, die schon zur Ausflockung neigen, anwachsen, so wurde der Faktor k den Wert 3,l annehmen und fur y der Wert

l) Die Oberfkhenhderung d o , die dem llfaesenelement drn entepricht, Srhiilt man bei derKugel&nsO=4ltra; d O = 8 q r - d r ; ~ n = ~ , 4 3 ~ r ~ . 8 ; dm=43~r?4.dr

dm wird. 2

womit daM dO = ___ 8 . r

- 516 - 209 I)yn/cm herauskommen. Wesentlich beeinflusst wird das Re- sultat durch diese veranderten Annahmen nicht. Gradenwitz') fand die Oherflachenspannung des geschmolzenen Silberchlorids zu 215 Dyn/cm. Die obigen berechneten Werte durften also der Grossenordnung nach richtig sein.

Die Betrachtungen zeigen jedenfalls, dass die Scharfe der elektro- metrischen Silberchloridtitration nur wenig vermindert werden kann, dadurch dass der Niederschlag kolloidal auftritt. So wird denn auch die Titration des Silberions mit Rhodanion durch die Gegenwart von Gelatine nicht verhindert ; im Gegenteil, das Ausbleiben dner sichtbaren Fallung begunstigt die Beohachtung des Endpunktes. Andererseits er- kennt man aus der raschen Einstellung konstanter Ausschlage am Millivoltmeter, das die Bildung des Silberchlorids durch das Schutz- kolloid nicht merklich gehemmt wird. Fiir die TitratiGri von Chlorion in Gelatine und ahnlichen Schutzlcolloiden und die Bestimmung von Silberion in kolloiden Silberpraparaten sind diese Feststellungen von praktischer Redeu tung. Die olektrometrische Titration durfte gegen- wartig die einzige genaue Methode sein, um Silberion in kolloiden Sjlhersuspensionen direkt zu bestimmen.

TJm zuntichst den Einfluss von Gelatine zu pruEen, wurde 1 gr Gelatine, die Spuren von Chlorion enthielt, in 150 em3 Wasser ge- 18st. Nun wurde ein Feinsilberstreifen ah elektrische Sonde in die Lijsung getaiicht und dns gebildete Halbelement mit einer Silber- chloridelektrode (Silberchlorid suspendiert in schwefelsaurehaltigem Wasser) kombiniert. Hierauf wurde Silbernitrat zugegeben, bis die Kornbination an einem Millivoltmeter die Spannung 0 zeigtc. Dazu waren f i i r 1 gr Gelatine 0,29 cm3 0,l-n. AgNO, erforderlich. 1 om3 zu- gosetzte 0,l-n. NaCl Ibsung verbrauchte jetzt bei der Titration 0,99 cm3 0,l-n. AgNO,. Ebenso liess sich zugesetztes Silberion mit Chlorion titrieren2). Wahrend der Titrationen trat keine sichtbare Fallung auf. Aus der guten obereinstimmung der Resultate konnte geschlossen werden, dass in der stark verdunnten Lijsung das kolloidale Silberchlorid keine merklichen Fehler durch Adsorption von Chlor- oder Silberion vernrsacht,. In Gegensatz dazu wurden bei der Silber- titration mit Sulfidion erhebliche Adsorptionsfehler beobachtet.

Zwei Proben von proteinsaurem Silber von 0,1967 und 0,1880 gr verbrauchten 0,795 und 0,765 em3 0,l-n. NaCl, entsprechend einem

l) Siehe I;andolt-B&wtein, TabeUen. a) Siehe 8. Janet& Dias. S. 41, Zurich (1922).

- 517 - Gehalt an Silberion von 4,38 und 4,40%. Wahrend der Titration blieben die braunen Lijsungen vollkommen klm.

,41s weitere Beispiele wurden einige pharmazeutische Silberpraparate untersucht. Die Ergebnisse der Titration sind in der folgenden Tabelle zusammengestell t ,

1 Protargo1 hellbraun 2 Collargol dunkel braun 3 Elektrargol hellgelb 4 Albargin hell braun

5 Synthargol dunkelbraun

Verhalten bei Prozent der 1 Gesamt-

Titration silber

bleibt klar bleibt klar

schwache Trii- 8,62 bung 1

Prozent Maximale Silber- Abweichung

ion 1 vom Mittel

- 0,w

Der gesamte Silbergehalt wurde nach Oxydation der organischen Substanz elektrometrisch titriert. Gewohnlich erfolgte die Oxydation durch vorsichtiges Schmelzen rnit chlorfreiem Natriurnsuperoxyd im Nickeltiegel. Nach dem Erkalten wurde rnit Wasser aufgenommen, die Liisung erhitzt bis zur Zerstorung des Wasserstoffsuperoxyds, hierauf rnit Schwefelsaure schwach angesauert und rnit einem Millivoltmeter als Indikator und Silberchlorid als Vergleichselektrode titriertl).

Bei einzelnen Proben wurde zur Oxydation auch die Schmelze mi t Soda und Salpeter verwendet. Natriumsuperoxyd erwies sich indessen entschieden als praktischer. Sehr bequem fanden wir auch die Arbeitsweise von J . Herzog2), dei die Substanz rnit 10 em3 kon- zentrierter Schwefelsaure ubergiesst und dann unter stetem Um- schwenken rnit 2 gr feingepulvertem Kaliurnpermanganat oxydiert. Nach 15 bjs 20 Minuten wird rnit 50 em3 Wasser verdunnt, der Ober- schuss des Permanganats mit Ferrosulfat reduziert und hierauf das Silberion titriert.

Zur Bestimmung des ionogenen Silbers wurden Proben von 0,5 bia 0,8 gr abgewogen und in ca. 100 ems Wasser gelost. Durch Zusatz von einigen em* 2-n. Na,SO, (bei Synthargol, das mit Schwefel- saure eine Fallung gab) odor 10 bis 20 ems 2-n. H2S04 (bei den ubrigen Proben) wurde die Leitfahigkeit erhoht und sodann das Silberion rnit

l) Siehe Helv. 2, 680 (1919). 2, Pharm. Ztg. 67, 802 (1922).

518 - - der friiher beschriebenen Anordnung, unter Verwendung oiner Silber- chloridelektrode und eines Millivoltmeters als Indikator mit 0,l-n. NaCl titriert. Der angegebene Prozentgehalt ist das Resultat von je 4 bis 6 gutstimmenden Titrationen.

In den Fallen in welchen zwischen dem Gesamtsilber und dem Gehalt an Silberion ein betriichtlicher Unterschied besteht, also bei Collargol und Synthargol, liesse sich unter Umstanden das vorhandene, schwach komplex gebundene Silber durch elektrometrische Titration mit Sulfidion bestimmen ; denn es ist wenig wahrscheinlich, dass das grosse und einwertige Silberion in verdiinnter Losung organische Kom- plexe zu bilden Termag, in denen das Silber der Fallung durch Sulfid entgeht. In der Tat konnte bei Synthargol durch Titration mit Natrium- sulfid ziemlich genau das gesamte Silber gefunden werden. Eine ge- nauere Untersuchung, bei der die Adsorptionsfehler beriicksichtigt werden, ist im Gange.

Durch Schiitteln mit gereinigter Thierkohle wurde eine Losung von Albargin nahezu entfarbt, ohne dass der Silbergehalt der Losung sich merklich anderte. In dem farblosen Filtrat wurden 14,3% Silber gefunden. Das gebildete Silberchlorid triibte die Losung schon zu Beginn der Titration. Das Verhalten der Praparate gegen Adsorptions- mittel wird weiter untersucht.

Zusammenf assung:

Es wird die Theorie der Silberchloridtitration in Gegenwart von Schutzkolloiden behandelt und eine Methode zur direkten Bcstimmung des ionogenen Silbers in pharmazeutigschen Silberpriiparaten angegeben. Fur einige Beispiele ist der Gehalt an Silberion und an Gesamtsilber zusammenges tellt .

Zurich, ana1yt.-chem. Labor. d. Eidg. Techn. Hochschule.