Über die primärfestigkeit konventioneller und alternativer nahttechniken der...

8
Der Unfallchirurg 1•2002 | 23 Zusammenfassung Neben den transossären Standardverfahren werden bei Rotatorenmanschettenrupturen vermehrt alternative Fadenankertechniken angewandt. Ziel der vorliegenden Studie war es, 2 konventionelle Nahttechniken bio- mechanisch in ihrer primären Zugbelast- barkeit mit 3 verschiedenen Fadenankern zu vergleichen: Acufex-Wedge-TAG, Acufex- Rod-TAG und Mitek-GII. Hierzu wurde an 50 Leichenpräparaten, bestehend aus M. supraspinatus, Supraspina- tussehne und proximalem Humerus, ein Defekt im Bereich der Supraspinatussehne gesetzt. Anschließend wurde die Sehne in den oben genannten Techniken refixiert. Die Zugfestigkeit wurde bis zum maximalen Versagen geprüft (Gruppengröße n=10, Sterbealter in Durchschnitt 56 Jahre). Die gemessenen Zugfestigkeiten wurden mir der hypothetischen Nativreißfestigkeit der intakten Supraspinatussehne verglichen. Die maximale Zugfestigkeit der klassi- schen transossären Rotatorenmanschetten- naht lag im Median bei 410 N. Eine Modifika- tion dieser Technik erzielte 552 N.Die Faden- ankertechniken erreichten im Median folgende Werte: Wedge-TAG 207 N, Rod-TAG 217 N, Mitek-GII 186 N. Die Unterschiede zwischen Fadenanker- und transossären Techniken waren hochsignifikant (p<0,001). Fadenanker gewinnen zunehmend an Bedeutung bei der Refixation von Seh- nen und Bändern an kortikalen oder spongiösen Knochen. Dies gilt neben der hier abzuhandelnden Versorgung von Rotatorenmanschetten(RM-)defek- ten in gleicher Weise für weite Bereiche der Hand-, Ellenbogen-, Fuß- und Knie- chirurgie. Eingesetzt haben diese Entwicklun- gen bereits Anfang der 90er Jahre als Mo- difikationen der klassischen Bankart- Operation zur Versorgung der vorderen Schulterinstabilität [11, 12, 13, 15, 20]. Die sog. Fadenanker bieten aufgrund ihrer intraossären bzw. subchondralen Lage die Möglichkeit, die ventralen Kap- sel-Band-Strukturen knapp unterhalb der Gelenkoberfläche zu refixieren, ohne diese zusätzlich zu schädigen. Nach ins- gesamt guter Akzeptanz auf dem Gebiet der offenen Schulterstabilisierung wur- den in der Folge mehrere Systeme zur ar- throskopischen Schulterstabilisierung entwickelt.Auch diese finden zunehmend Verbreitung, bedürfen als technisch an- spruchsvolle Verfahren jedoch einer an- Originalien Unfallchirurg 2002 · 105:23–30 © Springer-Verlag 2002 M. Rickert 1 · U. Witzel 2 · R. Kölbel 3 · H. Georgousis 4 1 Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg 2 Forschungsgruppe für Biomechanik, Institut für Konstruktionstechnik, Ruhr-Universität Bochum 3 Hamburg 4 St. Josef Krankenhaus Essen Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der Rotatorenmanschette Eine biomechanische Untersuchung Dr. H. Georgousis St. Josef Krankenhaus Essen-Kupferdreh, Heidbergweg 22–24, 45257 Essen, E-Mail: [email protected] Die Mitek-Anker zeigten deutliche Vor- teile bei der Implantation am Tuberculum majus sowie bezüglich der Luxationsrate. Diese betrug beim Mitek-Anker 3% (n=1), beim Wedge-TAG 27% (n=8) und beim Rod- TAG 43% (n=13). Die Nähte in Fadenanker- technik erreichten ca. 20%, die klassische Naht 34% und die Modifikation dieser 60% der hypothetisch errechneten Nativstärke der Supraspinatussehne. Die Verwendung von Fadenankern an der Rotatorenmanschette (RM) kann die Pri- märfestigkeit der Refixation nicht erhöhen; unter maximaler Zugbelastung besitzen sie eine geringere Festigkeit als die transsossä- ren Techniken.Gemessen an der geringen Luxationsrate im spongiösen Knochenbett des Tuberculum majus ist ein metallisches Implantat mit Widerhaken von Vorteil. Alle untersuchten Nahttechniken, einschließlich der klassischen transossären Sehnenrefixa- tion, erreichten deutlich geringere Zugfestig- keiten als die hypothetische Zugbelastbar- keit der intakten Supaspinatussehne.Vor allem bei der Verwendung von Fadenankern ist daher eine vorsichtige und schonende postoperative Mobilisation indiziert. Schlüsselwörter Rotatorenmanschettennaht · Fadenanker · Biomechanik · Zugfestigkeit

Upload: m-rickert

Post on 15-Jul-2016

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

Der Unfallchirurg 1•2002 | 23

Zusammenfassung

Neben den transossären Standardverfahren

werden bei Rotatorenmanschettenrupturen

vermehrt alternative Fadenankertechniken

angewandt. Ziel der vorliegenden Studie war

es, 2 konventionelle Nahttechniken bio-

mechanisch in ihrer primären Zugbelast-

barkeit mit 3 verschiedenen Fadenankern zu

vergleichen: Acufex-Wedge-TAG, Acufex-

Rod-TAG und Mitek-GII.

Hierzu wurde an 50 Leichenpräparaten,

bestehend aus M. supraspinatus, Supraspina-

tussehne und proximalem Humerus, ein

Defekt im Bereich der Supraspinatussehne

gesetzt. Anschließend wurde die Sehne in

den oben genannten Techniken refixiert. Die

Zugfestigkeit wurde bis zum maximalen

Versagen geprüft (Gruppengröße n=10,

Sterbealter in Durchschnitt 56 Jahre). Die

gemessenen Zugfestigkeiten wurden mir

der hypothetischen Nativreißfestigkeit der

intakten Supraspinatussehne verglichen.

Die maximale Zugfestigkeit der klassi-

schen transossären Rotatorenmanschetten-

naht lag im Median bei 410 N. Eine Modifika-

tion dieser Technik erzielte 552 N. Die Faden-

ankertechniken erreichten im Median

folgende Werte: Wedge-TAG 207 N, Rod-TAG

217 N, Mitek-GII 186 N. Die Unterschiede

zwischen Fadenanker- und transossären

Techniken waren hochsignifikant (p<0,001).

Fadenanker gewinnen zunehmend anBedeutung bei der Refixation von Seh-nen und Bändern an kortikalen oderspongiösen Knochen. Dies gilt nebender hier abzuhandelnden Versorgungvon Rotatorenmanschetten(RM-)defek-ten in gleicher Weise für weite Bereicheder Hand-, Ellenbogen-, Fuß- und Knie-chirurgie.

Eingesetzt haben diese Entwicklun-gen bereits Anfang der 90er Jahre als Mo-difikationen der klassischen Bankart-Operation zur Versorgung der vorderenSchulterinstabilität [11, 12, 13, 15, 20].

Die sog.Fadenanker bieten aufgrundihrer intraossären bzw. subchondralenLage die Möglichkeit, die ventralen Kap-sel-Band-Strukturen knapp unterhalbder Gelenkoberfläche zu refixieren,ohnediese zusätzlich zu schädigen. Nach ins-gesamt guter Akzeptanz auf dem Gebietder offenen Schulterstabilisierung wur-den in der Folge mehrere Systeme zur ar-throskopischen Schulterstabilisierungentwickelt.Auch diese finden zunehmendVerbreitung, bedürfen als technisch an-spruchsvolle Verfahren jedoch einer an-

OriginalienUnfallchirurg2002 · 105:23–30 © Springer-Verlag 2002

M. Rickert1 · U.Witzel2 · R. Kölbel3 · H. Georgousis4

1 Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg2 Forschungsgruppe für Biomechanik, Institut für Konstruktionstechnik, Ruhr-Universität Bochum3 Hamburg4 St. Josef Krankenhaus Essen

Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechnikender RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

Dr. H. GeorgousisSt. Josef Krankenhaus Essen-Kupferdreh,

Heidbergweg 22–24, 45257 Essen,

E-Mail: [email protected]

Die Mitek-Anker zeigten deutliche Vor-

teile bei der Implantation am Tuberculum

majus sowie bezüglich der Luxationsrate.

Diese betrug beim Mitek-Anker 3% (n=1),

beim Wedge-TAG 27% (n=8) und beim Rod-

TAG 43% (n=13). Die Nähte in Fadenanker-

technik erreichten ca. 20%, die klassische

Naht 34% und die Modifikation dieser 60%

der hypothetisch errechneten Nativstärke

der Supraspinatussehne.

Die Verwendung von Fadenankern an

der Rotatorenmanschette (RM) kann die Pri-

märfestigkeit der Refixation nicht erhöhen;

unter maximaler Zugbelastung besitzen sie

eine geringere Festigkeit als die transsossä-

ren Techniken. Gemessen an der geringen

Luxationsrate im spongiösen Knochenbett

des Tuberculum majus ist ein metallisches

Implantat mit Widerhaken von Vorteil. Alle

untersuchten Nahttechniken, einschließlich

der klassischen transossären Sehnenrefixa-

tion, erreichten deutlich geringere Zugfestig-

keiten als die hypothetische Zugbelastbar-

keit der intakten Supaspinatussehne.Vor

allem bei der Verwendung von Fadenankern

ist daher eine vorsichtige und schonende

postoperative Mobilisation indiziert.

Schlüsselwörter

Rotatorenmanschettennaht · Fadenanker ·

Biomechanik · Zugfestigkeit

Page 2: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

Originalien

M. Rickert · U.Witzel · R. KölbelH. Georgousis

A comparison of tendon reinsertion with suture anchors and transosseoussutures in rotator cuff repair.A biomechanical examination

Abstract

The aim of this biomechanical study was to

evaluate rotator cuff repair strength using

different suture anchor techniques com-

pared to conventional repair, taking into

consideration the native strength of the

supraspinatus tendon.

Therefore, a defined defect of the su-

praspinatus was created in 50 freshly frozen

cadaver specimen (group size n=10; median

age at death: 56 years). Five methods were

employed for cuff repair: standard transosse-

ous suture, modified transosseous suture

with patch augmentation and three suture

anchors (Acufex Wedge TAG, Acufex Rod TAG

und Mitek GII).

The maximum tensile load of the five

techniques was: standard transosseous

suture, 410 N; modified transosseous suture,

552 N;Wedge TAG, 207 N; Rod TAG, 217 N;

Mitek GII, 186 N.The differences between the

suture anchor and standard techniques were

highly significant (P<0.001).

In this series, the Mitek GII anchor

showed the lowest anchor dislocation rate at

3% (n=1).The Wedge TAG system had a dis-

location rate of 27% (n=8) and the Rod TAG

system 43% (n=13).

Suture anchor techniques revealed

about 20%, the standard technique 34% and

its modification 60% of the hypothetically

calculated native tendon strength.

Compared to conventional transosse-

ous suture techniques, the use of the suture

anchors tested in this series does not signifi-

cantly increase the primary fixation strength

of rotator cuff repair.The metallic implant

with two barbs (Mitek G II) seems to be

superior to the polyacetal anchors when

inserted into the spongiform bone of the

greater tubercle.

The considerably weaker repair

strength needs to be taken into consider-

ation in postoperative patient rehabilitation,

especially after the use of suture anchors.

Keywords

Rotator cuff repair · Suture anchor ·

Biomechanical tendon testing

gemessenen arthroskopischen Schulungdes Operateurs.

Bei der operativen Versorgung vonRM-Defekten gilt weiterhin die offeneVorgehensweise mit transossärer Seh-nennaht als Standard. Auch in diesemBereich werden mittlerweile Fadenan-ker angeboten, die offen wie arthrosko-pisch eingebracht werden können. Dierein arthroskopische RM-Naht ist mo-mentan den kleinen ansatznahen Defek-ten ohne wesentliche Retraktion vorbe-halten,wird in der weiteren Entwicklungder Implantate und Instrumenatrien je-doch auch größere Läsionen einschlie-ßen [8, 9, 17, 19, 22].

Bei der Fülle an Implantattypen, diesich prinzipiell nach Größe, Design, Ma-terial,Art der Einbringung,Röntgendich-te und Ausreißfestigkeit unterscheidenlassen, fällt es dem einzelnen Operateurschwer, das für ihn geeignete Implantatausfindig zu machen.Leider ist die Litera-tur in dieser Hinsicht lückenhaft und we-nig hilfreich, da sich nur wenige Studienmit der Naht der RM unter Verwendungvon Fadenankern beschäftigen.

Dahingegen existiert eine Vielzahl anUntersuchungen, die sich mit den Festig-keiten dieser Fadenanker im Knochenla-ger beschäftigen, sei es, dass sie maximalbis zum Ausreißen oder submaximal zy-klisch getestet wurden [1, 2, 4, 5, 7, 12, 24].

All diesen Studien ist gemeinsam,dass weniger der Fadenanker selbst, alsvielmehr die Verbindung Nahtmaterial-Sehne/Band das schwächste Glied in derKette Knochen-Fadenanker-Naht-Seh-ne/Band darstellt.

Ziel der vorliegenden Untersuchungwar es, in Design und Material verschie-

dene Fadenanker mit konventionellen,transossären Nahttechniken zur Versor-gung von RM-Defekten in einem anato-mischen Belastungsmodell biomecha-nisch zu testen. Anschließend wurdendiese Daten mit Ergebnissen aus einervorausgegangenen Studie zur Nativreiß-festigkeit der Supraspinatussehne ver-glichen [16].

Material und Methode

Verwendete Präparate

Für die vorliegende Untersuchung wur-den 50 Präparate, bestehend aus proxi-malem Humerus und Supraspinatusseh-ne von 47 Leichen (Sterbealter: 20–85,Mittel: 55,8 Jahre) verwendet. Die Alters-verteilung innerhalb der Versuchsgrup-pen entsprach der zunehmenden Inzi-denz von RM-Läsionen mit dem Lebens-alter.

Die Präparate wurden innerhalbvon 24 h post mortem entnommen undbei –20°C gelagert.Alle Präparate warenmakroskopisch intakt. Sichtbare Dege-nerationen der RM mit Kontinuitätsun-terbrechung der Supraspinatussehnewaren ein Ausschlusskriterium.

Die Präparate wurden 12 h vor dembiomechanischen Test bei –4°C scho-nend aufgetaut und während der Mes-sungen mit physiologischer Kochsalzlö-sung befeuchtet.

Nahtmaterial

Sämtliche Nähte wurden mit einemnichtresorbierbaren, geflochtenen undbeschichteten Polyesterfaden der Stärke

| Der Unfallchirurg 1•200224

Unfallchirurg2002 · 105:23–30 © Springer-Verlag 2002

Abb. 1 � Darstellung der Fadenanker: A Acufex-Wedge-TAG, B Acufex-Rod-TAG,C Mitek-GII

Page 3: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

2 durchgeführt (Ethibond Excel, Fa.Ethicon).

Die lineare Zugfestigkeit beträgtlaut Hersteller 120 N. Die Knotenzugfe-stigkeit liegt bei 70 N bei einer Dehnungbei Knotenriss von 15%.

Fadenanker

Bei den Fadenankern (Abb. 1) wurdezum einen ein metallischer stiftartigerTitananker, der seitlich über 2 Widerha-ken verfügt, ausgewählt: Mitek-GII(Mitek Surgical Products). Des Weiterenwurden 2 nichtmetallische Fadenankeraus Polyacetal getestet. Einmal handeltees sich um ein stabförmiges Design(Acufex-TAG System Rod-Style, Smith&Nephew), zum anderen um einen keilar-tigen Anker (Acufex-TAG System Wed-ge-Style, Smith&Nephew). Bei diesen 3Ankern handelt es sich um nichtresor-bierbare Implantate. Der Mitek-GII-An-ker ist gegenüber den Ankern des TAG-Systems röntgendicht.

Nahttechniken

Sehnennaht mit Fadenankern

Zunächst wurde die Supraspinatussehnescharf vom Tuberculum majus abge-trennt.Anschließend wurde die knöcher-ne Oberfläche angerauht ohne jedoch denspongiösen Knochen zu eröffnen.Drei Fa-denanker wurden in ca. 1 cm messendenAbständen in das Tuberculum majus par-allel zur Längsachse des proximalen Hu-merus eingebracht. Um ein Durchziehender Fäden bei der folgenden Verknotungzu vermeiden, wurde der Faden durch ei-nen Knoten direkt über dem Öhr gesi-chert.Die definitive Naht und Verknotungerfolgte unter Verwendung je eines Fa-dens aus benachbarten Ankern (Abb. 2).

Die Einbringung der Fadenankererfolgte gemäß den Herstellerangaben

sowie unter Benutzung der eigens dafürbestimmten Herstellerinstrumentarien.

Transossäre Sehnennaht

Wir verglichen eine etablierte transos-säre Sehnennaht [14], bei welcher dieSupraspinatussehne im Sinne einersich kreuzenden Flaschenzugnaht ge-fasst wird (s. Abb. 2), mit einer Naht-technik, wie sie Sward et al. [21] 1992unter rein experimentellen Bedingun-gen testeten (s.Abb. 2). Hierbei wurden4 Nähte durch den freien Sehnenranddurch 3 weiter proximal platzierte Ma-tratzennähte ergänzt. Die Fäden wur-den über einer verformbaren Polyethy-lenscheibe von 1 mm Dicke seitlichüber dem Tuberculum majus verkno-tet (UHMWP 8×35 mm, Fa. Hoechst,Frankfurt). Hierdurch wurde ein Ein-schneiden der Fäden in den Knochenwährend der Zugversuche verhindertund gezielt die Verbindung Naht-Seh-ne belastet.

Bei der konventionellen transossä-ren Naht wurde auf dieses Hilfsmittelverzichtet,da ihm in der Praxis keine Be-deutung zukommt.

Biomechanik

Die biomechanische Testung erfolgte aneiner elektromechanischen ZugmaschineTyp 1387 der Fa. Zwick (Einsingen). Zurmechanischen Fixierung der Präparatewurde eine Einspannvorrichtung kon-struiert, die aus einem Spannwerkzeugfür den proximalen Humerus sowie einerKältebacke für den M. supraspinatus be-stand. Hierdurch wurde reproduzierbareine Ausrichtung von 30° Abduktion zwi-schen der Humeruslängsachse und derSupraspinatussehne simuliert. Diese 30°-Stellung entspricht weiterhin der Zug-richtung zwischen Faden und Fadenan-ker, da dieser parallel zur Schaftachse am

oberen Pol des Tuberculum majus einge-bracht wurde. Nach Wallace [23] soll indieser Stellung die Krafteinleitung in denM. supraspinatus maximal sein (Abb. 3).

Die Präparate wurden mit einerZuggeschwindigkeit von 10 mm/min biszum maximalen Versagen getestet. Eswurden folgende quantitative Zielgrö-ßen erfasst:

◗ Kraft und Längung bei maximalemVersagen,

◗ Kraft und Längung in der Frühphase(0–5 mm) der Zugversuche.

Der zuletzt genannte Aspekt, die sog.Spaltbildung (0–5 mm), ist für die post-operative Rehabilitation, die sich an derPrimärfestigkeit der Sehnennähte orien-tiert, von Bedeutung. Zusätzlich wurdendie Versagensmechanismen der Präpara-te und der Fadenanker erfasst (s.Abb.3).

Röntgen

Die Präparate der Mitek-GII-Gruppewurden vor und nach den Zugversuchenzum Nachweis möglicher Ankerdisloka-tionen mikroradiographisch kontrolliert(Faxitron Series,Hewlett Packard,USA).

Statistik

Die statistische Auswertung der Messer-gebnisse erfolgte anhand einer Kruskall-Wallis-One-Way-ANOVA. Die Einzelver-gleiche wurden mittels Mann-Whitney-U-Test, adjustiert nach Bonferroni-Holm, durchgeführt. Die Prüfung wurdeauf 5%-Niveau (p<0,05) bei 2-seitigerFragestellung durchgeführt.

Ergebnisse

Versagensmechanismen und Reißfestigkeit

Mitek-GII-Anker

Versagensmechanismen. In allen Fällen(100%) kam es zu einem Fadenriss untermaximaler Zugbelastung. Dieser geschahfast ausschließlich am Fadenöhr des Ti-tanankers. Ein Fadenanker luxierte parti-ell zu Beginn des Zugversuchs, wurde imweiteren Verlauf der Messung jedochdurch die Widerhaken gehalten. DiesesVerhalten wurde röntgenologisch erfasstund stellte zugleich den einzigen auffälli-gen Befund in dieser Serie dar (Abb. 4).

Der Unfallchirurg 1•2002 | 25

Abb. 2 � Schemazeichung der Nahttechniken: A Fadenankertechnik,B konventionelle transossäre Naht, C mod. Naht nach Sward [21]

Page 4: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

Originalien

Reißfestigkeit. Die mediane Reißfestigkeitdieses Systems betrug 186 N bei einem In-terquartilbereich (IQB) von 167–242 N.

Acufex-TAG: System Rod Style

Versagensmechanismen. In 6 von 10 Fällenkam es zu einem Zerreißen der Fäden untermaximaler Zugbelastung (Fmax). In den

verbliebenen 4 Fällen kam es zu einer kom-pletten Ankerdislokation.Insgesamt luxier-ten in dieser Gruppe 10 Anker komplett und3 Anker partiell, was bei 30 Implantaten ei-ner Versagerquote von 43% entspricht.

Reißfestigkeit. Die Gesamtreißfestigkeitdes Systems betrug im Median 217 N(IQB: 152–260 N).

Acufex-TAG: System Wedge Style

Versagensmechanismen. Dieses Anker-system wies im Vergleich zu den ande-ren Gruppen ein heterogenes Versa-gensmuster auf. Erste Probleme erga-ben sich bereits bei der Einbringungdieser Fadendübel in das Tuberculummajus. Hierbei verkippten und verkan-teten diese Anker wiederholt, was eineentsprechend schlechte Primärfestig-keit nach sich zog. Nachdem sich dieAnker in dieser Stellung zu Beginn derZugversuche gesetzt hatten, brach wie-derholt das Fadenöhr, die Fäden rissenoder wurden über der Knochenkantedes Bohrkanals abgeschert und zer-schnitten (n=7). Bei gutem Fadenan-kersitz mit kortikaler Abstützungschnitten die Fäden massiv in die Seh-ne ein (n=3).

Insgesamt luxierten bzw. verkipp-ten während dieser Messreihe 6 Ankerpartiell und 2 komplett. Dies entsprichteiner Versagerquote von 27%.

Reißfestigkeit. Der Median der maxima-len Zugbelastbarkeit lag in dieser Ver-suchsgruppe bei 207 N (IQB: 190–235 N).

Transossäre Sehnennaht (nach Kölbel)

Versagensmechanismen. In dieser Ver-suchsgruppe schnitt das Nahtmaterialunterschiedlich stark in die Sehne oderin den Knochen ein. Die ventrale Nahtwar hiervon stärker betroffen als diedorsale. Bei Fmax riss 4-mal der dorsa-le Faden und 6-mal der ventrale Faden,4-mal mit knöcherner Beteiligung.

Reißfestigkeit. Die maximale Reißfestig-keit der transossären Naht betrug imMedian 410 N (IQB: 289–538 N).

Transossäre Sehnennaht (nach Sward)

Versagensmechanismen. Durch die Ver-wendung des Polyäthylen(PE-)plättchenskonzentrierten sich die Zugkräfte direktauf die Sehnennähte. Hierdurch kam eszu einem deutlichen Einschneiden derMatratzennähte in die Supraspinatusseh-ne. In 5 Fällen wurde durch diesen Mecha-nismus die maximale Zugbelastbarkeitbestimmt. Alternativ kam es 2-mal zu ei-nem Riss der Einzelnähte bzw. zu einemZerreißen der Knoten direkt vor dem PE-Plättchen. In 1 Fall wurde das Tuberculummajus komplett abgerissen (s. Abb. 3).

| Der Unfallchirurg 1•200226

Abb. 3 � Konstruktionszeichnung zur Haltevorrichtung des proximalen Humerus in 30° Abduktion (A). Darstellung eines Präparats nach Beendigungder Messung mit knöchernem Sehnenausriss am Tuberculum majus (B)

Page 5: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

Reißfestigkeit. Die maximale Zugbelast-barkeit lag in dieser Gruppe im Medianbei 552 N (IQB: 447–664 N).

Statistik

Die maximale Zugbelastbarkeit unter-schied sich in Abhängigkeit von den ver-schiedenen Nahttechniken signifikant(Kruskall-Wallis-One-Way-ANOVA:p=0,001).

Die Einzelvergleiche der Versuchs-gruppen (Mann-Whitney-U-Test) erga-ben eine signifikante Überlegenheit derklassischen Nahttechniken. Die Faden-anker wiesen untereinander ebenso wie die transossären Nahttechnikenkeine signifikanten Unterschiede auf(Tabelle 1).

Frühphase der Zugversuche (0–5 mm Längung)

Um die Anfangsphase der Zugversuchegenauer beurteilen zu können, erfolgteim Bereich von 0–5 mm eine Auswer-tung der Messkurven in 0,5-mm-Schrit-ten (Abb. 5). Hierbei fand sich, dass zwi-schen den Fadenankertechniken sowieder transossären Technik nach Kölbelkein Unterschied in der Kraftaufnahmebestand (Median bei 5 mm Längung:Rod 141 N,Wedge 152 N,GII 159 N,Kölbel183 N).Auffällig war jedoch, dass die Sy-steme zu unterschiedlichen Zeitpunktenversagten.

Die Mitek-GII-Anker hatten die er-sten Ausfälle bereits bei 2,5 mm Län-gung und bei 5 mm hatten 5 von 10 Prä-paraten bereits die maximale Zugbelast-barkeit erreicht.

Die ersten Ausfälle im Rod-TAG-Sy-stem traten bei 3,5 mm und im Wedge-TAG-System bei 5 mm auf. Der Rod-

TAG-Anker verhält sich bei gutem Sitzähnlich wie der GII-Anker, bietet insge-samt jedoch eine höhere Dislokations-rate (3% GII vs. 43% Rod Tag). Das rela-tiv späte Versagen der Wedge-TAG-An-ker liegt in erster Linie darin begründet,dass sie sich zu Beginn der Zugversucheim Knochenbett setzen und verkanten,bevor sie tatsächlich Kraft aufnehmenkönnen.

In der Nahttechnik nach Kölbelfand sich in der Frühphase ein Ein-schneiden der Fäden in die Knochenka-näle sowie in die Sehne ohne dass dieNähte selbst nachgaben.

Die transossäre Nahttechnik nachSward ist den anderen Techniken in derFrühphase der Zugversuche überlegen.Bei deutlich verbesserter Kraftaufnah-me erreicht sie im Median 248 N bei5 mm Längung.

Dieses unterschiedliche Verhaltenin der Kraftaufnahme des Systems, wel-ches auch als Steifigkeit bezeichnet wer-den kann, liegt in der Frühphase derZugversuche in erster Linie in der An-zahl der Nähte, die das Sehnenende mitdem Tuberculum majus verbinden, be-gründet. Sind es in der Fadenankertech-nik 6 Einzelfäden, die diese Verbindung

sichern, so sind es in der Kölbel-Technik8 und in der Sward-Technik 14 Fäden.Hier spielt zusätzlich das PE-Plättchenvor dem Tuberculum majus eine ent-scheidende Rolle.

Weitere Faktoren, die Einfluss aufdie Steifigkeit des Systems haben, sinddie Qualität und Festigkeit von Sehneund Knochen, auf die an dieser Stellenicht näher eingegangen werden kann.

Längung bei maximaler Zugbelastung

Bei der Auswertung der Längung (mm)der Präparate zum Zeitpunkt der maxi-malen Lastaufnahme fanden sich einigeinteressante Auffälligkeiten (Abb. 6).

Im Prinzip lassen sich hier 3 Grup-pen nennen:

◗ Die Mitek-Anker ergaben die nied-rigsten Werte mit durchschnittlich6,0±2,6 mm (AM±SD) Längung beiFmax. Diese Werte sprechen im Hin-blick auf die oben genannten Versa-gensmechanismen zum einen füreinen guten Ankersitz, zum anderenjedoch auch dafür, dass das Nahtma-terial das schwächste Glied in derBelastungskette darstellte.

◗ Die Polyacetalanker unterschiedensich bei der Längung signifikant vomGII-Anker (Wedge vs. GII: p=0,005,Rod vs. GII: p=0,031) wiesen unter-einander jedoch ein gleichartigesVerhalten auf (Wedge vs. Rod:p=0,65). Beim Rod-TAG betrug dieLängung zum Zeitpunkt des maxi-malen Versagens im Durchschnitt9,0±3,2 mm (AM±SD) und beimWedge-TAG 9,5±2,6 mm (AM±SD).Obwohl es in beiden Gruppen beimaximaler Kraftaufnahme und Län-gung wiederum zu einem Riss desNahtmaterials kam (s. oben), so hat-ten sich die meisten Anker bereits im

Der Unfallchirurg 1•2002 | 27

Tabelle 1Einzelvergleiche der Versuchsgruppen mittels Mann-Whitney-U-Test

GII Wedge Rod Klassisch transossär Sward

GII 0,22 0,52 0,002a 0,001a

Wedge 0,97 0,003a 0,001a

Rod 0,002a 0,001a

Klassisch transossär 0,06

a Adjustierte p-Werte.

Abb. 4 � Boxplot-Darstellung der maxi-malen Zugbelastbarkeit der Versuchs-gruppen. Der dicke horizontale Balkengibt den Median wider. Die Unterkantedes Kastens stellt die 25. Perzentileund die Oberkante die 75. Perzentiledar. Die senkrechten Balken stehen für den größten und den kleinstenMesswert der Versuchsgruppe

Page 6: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

Originalien

Knochenbett gesetzt oder waren ver-kippt, was den verlängerten Weg biszum definitiven Versagen erklärt.

◗ Die 3. Gruppe wird von den trans-ossären Techniken gebildet, die sichsignifikant von den Fadenankertech-niken unterschieden (p<0,05). Diedeutlich höheren Werte werdendurch das Einschneiden der Fäden inSehne und Knochen im Fall der Köl-bel-Naht (15,3±5,1 mm (AM±SD)bzw. das alleinige Einschneiden indie Sehne bei der Sward-Technik er-klärt [s. Schutz des Knochens durchdas PE-Plättchen; 14,5±3,9 mm(AM±SD)].

Vergleich mit der Nativstärke der Supraspinatussehne

In einer vorangegangenen Untersu-chung wurde an 25 Präparaten eine si-gnifikante Korrelation zwischen dem Al-ter und der maximalen Zugbelastbarkeitder Supraspinatussehne gefunden [16].

Um Solldaten zur Nativreißfestig-keit der Sehnen dieser Studie errechnenzu können, wurden die Altersdaten derPräparate in die Regressionsgleichungf(x)=–17,58x+2042,5 eingesetzt, die inder oben genannten Voruntersuchungermittelt worden war. Die so errechne-ten Sollwerte wurden anschließend inRelation zu den gemessenen Zugfestig-keiten der Sehnennähte (Istwerte) ge-setzt. Hierbei lagen die Fadenanker ein-heitlich bei ca. 21% der Nativstärke. Dieklassische transossäre Technik ergab34% und die modifizierte Technik nachSward 60% der Nativstärke. Selbst dieklassische Nahttechnik erzielt somit le-diglich ca. 1/3 der errechneten Nativstär-ke der Supraspinatussehne (Abb. 7).

Diskussion

An einen Fadenanker zur Versorgungvon RM-Defekten sind verschiedene An-

sprüche zu stellen. Hierzu gehört nebeneiner verlässlichen Implantierbarkeit,unter offenen wie unter arthroskopi-schen Bedingungen, eine ausreichendePrimärfestigkeit des Ankers. Nur sokann eine frühfunktionelle Nachbe-handlung ohne Gefährdung der Sehnen-naht angestrebt werden.

Vor diesem Hintergrund fiel dieWahl auf 3 Fadenankersysteme, die sichin erster Linie in ihren Materialeigen-schaften sowie in der Art der Veranke-rung unterschieden: Der Mitek-GII-Ti-tananker wurde mit 2 Polyacetal-Kunst-stoffankern, von denen einer eine Stab-form und einer eine Keilform besaß,ver-glichen (Acufex-TAG: System Rod undWedge Style).

Zwei transossäre Nahttechniken,wie sie von einem der Autoren (R.K.)langjährig angewandt bzw. von Sward et.al. [21] beschrieben wurden, dienten alsReferenzmethoden.

Die sog.„Minianker“ und resorbier-bare Fadenanker der neueren Generati-on fanden bei der von uns gewähltenFragestellung keine Berücksichtigung.

Versagensmechanismen und Reißfestigkeit der Fadenanker

Die Ergebnisse und Beobachtungen desexperimentellen Teils dieser Untersu-chung decken sich in weiten Teilen mitden Angaben in der Literatur.

Eine Untersuchung von Carpenteret al. [7] an der proximalen Schafstibiaergab geringere Werte für die maximaleZugbelastbarkeit (GII: 82,5 N; Rod:63,6 N; Wedge: 58,2 N), wobei der Zugsenkrecht zur Knochenoberfläche bzw.in der Längsachse der Fadenanker aus-gerichtet war. Bekanntermaßen werdendurch Zugrichtungen außerhalb derSenkrechten größere Ausrissfestigkeitenerzielt [6, 7, 17]. Die Zugrichtung der vor-liegenden Studie betrug 30° zwischender Längsachse der Fadenanker und der

Supraspinatussehne [23], was die höhe-ren Zugfestigkeiten dieser Untersu-chung erklären mag.

Bei den Versagensmechanismenwurde von den Autoren auf die hohe Ra-te an Fadenrissen am Öhr des GII-An-kers hingewiesen. Bei der Luxationsrateschnitt der GII-Anker gegenüber denanderen Implantaten deutlich besser ab(GII: 19%, Wedge: 44%, Rod: 60%); eineBeobachtung, die sich mit den Ergebnis-se der vorliegenden Studie deckt.

Barber et al. [1] berichten über ei-nen Einheilungsversuch am Schafsfe-mur. Getestet wurden ebenfalls der GII-sowie der Wedge-Anker. Die Hauptver-sagensart des GII-Ankers war wiederumder Fadenriss bei guter Primärfestigkeit.Der Wedge-Anker bereitete in der WeiseProbleme, dass er bei der Überprüfungder Primärfestigkeit durch einfachenZug am Faden bisweilen verkippte undsich anschließend in dieser Stellung ver-kantete. Exakt die gleiche Beobachtungwurde von uns im spongiösen Knochen-lager am Tuberculum majus gemacht.Die maximale Zugbelastbarkeit in derStudie von Barber, ebenfalls senkrechtzur Knochenoberfläche, lag für den GII-Anker im Durchschnitt bei 155 N und fürden Wedge-Anker bei 141 N.

| Der Unfallchirurg 1•200228

Abb. 6 � Darstellung der Längung (mm) der Präparate bei maximaler Zugbelastung

Abb. 7 � Prozentualer Anteil der gemessenenZugbelastbarkeit an der errechneten Nativstärke der Supraspinatussehne

Abb. 5 � Darstellung der Kraft-aufnahme in der Frühphase derZugversuche (0–5 mm Längung).Die Nahttechnik nach Sward zeigtden steilsten Messkurvenanstieg.Alle anderen Techniken verhaltensich gleichartig

Page 7: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

Hecker et al. [12] verglichen erst-mals Fadenankertechniken mit trans-ossären Nahttechniken bei der Versor-gung von Rotatorenmanschettendefek-ten. Die maximale Zugbelastbarkeit derFadenanker lag unverändert im Bereichder Ergebnisse dieser Studie (Wedge:191 N, Rod: 139 N). Im Gegensatz zu un-seren Ergebnissen erbrachte die trans-ossäre Technik nach McLaughlin(Fmax=185 N) keine signifikant besse-ren Ergebnisse als die Fadenankertech-niken.

Auch Gerber et al. [10] konnten kei-nen Unterschied zwischen einer trans-ossären Naht (Fmax=146 N) und dergleichen Naht in Fadenankertechnik(Fmax=142 N) feststellen. Gerber konn-te jedoch in seiner Untersuchung, wiezuvor Sward et al. [21], eine deutlich ver-besserte Kraftaufnahme durch Verwen-dung eines biokompatiblen Plättchensvor dem Tuberculum majus erzielen(Fmax=329 N).

Die hier getestete transossäre Fla-schenzugnaht nach Kölbel, bei welcherdie Sehne 2-mal durchstochen und dieNähte überkreuzend transossär ausge-leitet wurden, lag mit 410 N deutlichüber den Werten ähnlicher Nahttechni-ken, wie z. B. einer Matratzennaht mit269 N [10].

Weitere Untersuchungen auf die-sem Gebiet beschäftigten sich in der Fol-ge mit ähnlichen Fragestellungen beiinsgesamt deutlich zunehmender An-zahl unterschiedlichster Implantattypen[2, 3, 4, 5].

Erweitert wurde diese Art der bio-mechanischen Ausrissversuche durch zy-klische Messungen von Wetzler et al.[24].Sie untersuchten den GII-Anker nach Im-plantation am Glenoid und zeigten nach1000 Zyklen eine hälftige Reduzierungder maximalen Zugbelastbarkeit.

Rossouw et al. [17] testeten eine RM-Naht mit GII-Ankern zyklisch und mo-difizierten lediglich den Fadenankersitz.Bereits nach 20 Zyklen und einer Kraft-aufnahme von 100 N war es zu einer7 mm messenden Spaltbildung gekom-men. Im weiteren Verlauf schnitten dieFäden in den Knochen sowie in die Su-praspinatussehne ein,bevor sie letztend-lich zerrissen. Die Autoren sehen keinenVorteil in der Verwendung von Faden-ankern bei der Rotatorenmanschetten-naht.

Mit der von uns gewählten Ver-suchsanordnung waren wir in der Lage

verschiedene Nahttechniken zur Refixa-tion der Supraspinatussehne am anato-mischen Präparat in Form eines Ausreiß-versuchs zu testen. Wenngleich dieseVorgehensweise „weniger physiologisch“als die oben zitierten zyklischen Versu-che erscheinen mag, so gibt sie dennocheine gute Übersicht über die Belastbar-keit derartiger Systeme und die zu er-wartenden Versagensmechanismen.

Inwiefern zyklische Belastungenunter in vitro Bedingungen tatsächlichin der Lage sind, einen Zustand derfrühfunktionellen Nachbehandlung ei-ner Sehnen- oder Bandnaht angemessenzu simulieren, ist und bleibt vorerst Ge-genstand der Diskussion.

Wichtiger erscheinen uns dahinge-gen Faktoren, die für die primäre Zugfe-stigkeit der Naht von Bedeutung sind,wie z. B. das Einschneiden der Fäden inSehne und Knochen oder der Fadenan-kersitz. Derartige Veränderungen lassensich zuverlässig mit der von uns gewähl-ten Versuchsanordnung überprüfen.

Betrachtet man abschließend die Er-gebnisse dieser Untersuchung,so kommtman zu dem Schluss,dass die konventio-nelle transossäre Naht nach Kölbel zwareiner höheren Zugfestigkeit stand hält,dass sie in der frühen Phase der Kraft-aufnahme jedoch keinen Unterschied zuden Fadenankern aufweist. Gegen eineuneingeschränkte Gleichstellung dieserNahttechniken spricht aus klinischerSicht die Tatsache, dass die transossäreNaht aufgrund der Stichtechnik bedeu-tend besser dazu geeignet ist, einen flä-chigen Kontakt zwischen Sehne und Tu-berculum majus herzustellen.

Entscheidet man sich bei der Ver-sorgung von Rotatorenmanschettenrup-turen für den Gebrauch von Fadenan-kern, so ist der von uns getestete Titan-anker mit seinen Vorteilen bei der Im-plantation sowie der geringeren Luxati-onsrate den Polyacetalankern vorzuzie-hen. Zu bedenken bleibt jedoch die ho-he Rate an Fadenrissen sowie die Tatsa-che, dass diese bereits sehr früh nachdurchschnittlich 2,5 mm Längung auf-traten.

Die Möglichkeit der röntgenologi-schen Kontrolle des Titanankers ist zurErfassung von Ankerdislokationen alspositiv zu bewerten [18, 25].

Der vermeintliche Gewinn an Ope-rationszeit ist gegen die höheren Kostenfür die Fadenanker im Einzelfall abzu-wägen.

Fazit für die Praxis

Die transossäre RM-Rekonstruktion stelltdie Standardtechnik in der Versorgungderartiger Defekte dar. Die Verwendungvon Fadenankern mag Vorteile bei derOperationszeit und -technik bieten; dieFestigkeit der Sehnennaht ist jedoch ge-ringer als die der transossären Technik.Alle Rekonstruktionstechniken liegen mitca. 20% für die getesteten Fadenanker und34% für die klassische transossäre Technikdeutlich unter der errechneten Nativstärkeder Supraspinatussehne.Die Anwendung alternativer Refixations-methoden in Fadenankertechnik sollte inder postoperativen Nachsorge angemes-sen berücksichtigt werden. Hierbei ist be-sonders zu beachten, dass die Refixation inder frühen postoperativen Phase durch dieaktive Anspannung der RM gelockertwerden kann.

Literatur1. Barber FA, Cawley P, Prudich JF (1993) Suture

anchor failure strength-An in vivo study.

Arthroscopy 9: 647–652

2. Barber FA, Herbert MA, Click JN (1995)

The ultimate strength of suture anchors.

Arthroscopy 11: 21–28

3. Barber FA, Herbert MA, Click JN (1996) Suture

anchor strength revisted. Arthroscopy

12: 32–38

4. Barber FA, Herbert MA, Click JN (1997) Internal

fixation strength of suture anchors – update

1997. Arthroscopy 13: 355–362

5. Barber FA, Herbert MA (1999) Suture anchors –

update 1999. Arthroscopy 15: 719–725

6. Burkhart SS (1995) The deadman theory of

suture anchors: Observations along a South

Texas fenceline. Arthroscopy 11: 119–123

7. Carpenter JE, Fish DN, Huston LJ, Goldstein SA

(1993) Pull-out strength of five suture anchors.

Arthroscopy 9: 109–113

8. Georgousis H,Witzel U, Rickert M, Patsalis T

(1995) In vitro study of conventional and

alternative techniques of rotator cuff repair.

J Shoulder Elbow Surg 4: 28

9. Georgousis H,Witzel U, Rickert M, Patsalis T

(1995) In vitro testing of rotator cuff repair

strength. J Bone Joint Surg Br 77 [Suppl 3]: 283

10. Gerber C, Schneeberger AG, Beck M, Schleger U

(1994) Mechanical strength of repairs of the

rotator cuff. J Bone Joint Surg Br 76: 371–380

11. Gohlke F, Schneider P, Siegel K, Balzer C (1993)

Tensile strength of various suture anchor

systems in surgical correction of instability of

the shoulder joint. Unfallchirurg 96: 546–550

12. Hecker AT, Shea M, Hayhurst JO, Myers ER,

Meeks LW, Hayes WC (1993) Pull-out strength

of suture anchors for rotator cuff and Bankart

lesion repair. Am J Sports Med 21: 874–879

Der Unfallchirurg 1•2002 | 29

Page 8: Über die Primärfestigkeit konventioneller und alternativer Nahttechniken der RotatorenmanschetteEine biomechanische Untersuchung

13. Obrist J, Genelin F, Neureiter H (1991) Bankart

operation with the Mitek anchor system.

Unfallchirurgie 17: 208–212

14. Kölbel R (1992) Entstehung von Defekten der

Rotatorenmanschette und die Technik der

Rekonstruktion. Orthop Prax 28: 536–542

15. Richmond JC, Donaldson WR, Fu F, Harner CD

(1991) Modification of the Bankart reconstruc-

tion with a suture anchor. Report of a new

technique. Am J Sports Med 19: 343–346

16. Rickert M, Georgousis H,Witzel U (1998)

Die Native Reißfestigkeit der Sehne des

Musculus Supraspinatus beim Menschen. Eine

Biomechanische Untersuchung. Unfallchirurg

101: 265–270

17. Rossouw DJ, McElroy BJ, Amis AA, Emery RJ

(1997) A biomechanical evaluation of suture

anchors in repair of rotator cuff. J Bone Joint

Surg Br 79: 458–461

18. Silver MD, Daigneault (2000) Symptomatic

intraarticular migration of glenoid suture

anchors. Arthroscopy 16: 102–105

19. Shea KP, Jennings JE (1998) Arthroscopic

rotator cuff repair using a transhumeral

approach to fixation. Arthroscopy 14: 118–122

20. Snyder SJ, Strafford BB (1993) Arthoscopic

management of instability of the shoulder.

Orthopedics 16: 993–1002

21. Sward L, Hughes JS, Amis A,Wallace WA (1992)

The strength of surgical repairs of the rotator

cuff. J Bone Joint Surg Br 74: 585–588

22. Tauro JC (1998) Arthoscopic rotator cuff repair:

Analysis of technique and results at 2- and

3- year follow-up. Arthroscopy 14: 45–51

23. Wallace WA (1984) Evaluation of the forces, the

ICR and the neutral point during abduction of

the shoulder.Trans 30th Meeting of the Ortho-

paedic Research Society, Atlanta, 1984 p 5

24. Wetzler MJ, Bartolozzi AR, Gillespie MJ,

Roth CA, Cicotti MG, Snyder-Mackler L,

Santare MH (1996) Fatigue properties of suture

anchors in anterior shoulder reconstructions:

Mitek GII. Arthroscopy 12: 687–693

25. Zuckerman JD, Matsen FA (1984) Complica-

tions about the glenohumeral joint related to

the use of crews and staples.

J Bone Joint Surg Am 66: 175–180

| Der Unfallchirurg 1•200230

J. Bengel, U. Koch (Hrsg.)Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften

Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2000.581 S., 36 Abb., 32 Tab., (ISBN 3-540-65777-0),brosch., DM 98,–

In dem Buch „Grundlagen der Rehabilitationswis-

senschaften“ stellen J. Bengel und U. Koch ein re-

lativ neues Forschungs- und Lehrgebiet vor. Ob-

wohl Rehabilitation chronisch erkrankter Patien-

ten seit vielen Jahre praktiziert wird, ist eine sys-

tematische Aufarbeitung mit Definitionen der

Grundbegriffe und Positionen, sowie Festlegung

zentraler Forschungsschwerpunkte und eine ein-

heitliche Methodik in der Bearbeitung wissen-

schaftlicher Fragestellung bisher nicht verfügbar

gewesen. Nicht zuletzt unter dem Druck der im-

mer knapper werdenden finanziellen Ressourcen

und der damit gebotenen Rechtfertigung des

ärztlichen Tuns im Bereich der Rehabilitation hat

sich die Disziplin der Rehabilitationswissenschaf-

ten in den letzten Jahren entwickelt. Die Heraus-

geber stellen den gegenwärtigen Stand dankens-

werterweise ausführlich dar.

Im einzelnen werden im vorliegenden Werk

die Grundlagen der Rehabilitationswissenschaft

mit Definitionen, dem aktuellen Stand und den

theoretischen Grundlagen der Rehabilitation vor-

gestellt. Zentrale Forschungsthemen werden in

einem eigenen Schwerpunkt des Buches eben-

falls herausgearbeitet. Dabei werden weniger

krankheitsbezogene Einzelschwerpunkte exem-

plarisch vorgestellt, sondern die Punkte Epide-

miologie, Diagnostik und Asessement sowie In-

terventionsmethoden, die Partizipation von chro-

nisch Kranken und Behinderten am Erwerbsle-

ben, um nur einige zu nennen, sachkundig darge-

stellt.

Breiten Raum nimmt auch die Darstellung

der Forschungsstrategien und Forschungsmetho-

den ein.Das angebotene Spektrum der Themen

reicht von der Studienplanung über grundlegende

Verfahren der Statistik, Prozeßevaluation und Ver-

laufsanalyse, bis zu einer synoptischen Darstellung

der in den Rehabilitationswissenschaften verfüg-

baren Datenbanken und Recherchemethoden.

In einem letzten Abschnitt des Buches un-

ternehmen es die Herausgeber, die Auswirkungen

und Möglichkeiten der Rehabilitationswissen-

schaft in der klinischen Praxis zu beleuchten.

Das vorliegende Werk gibt dem wissen-

schaftlich bereits Erfahrenen die Möglichkeit, die

speziellen Aspekte wissenschaftlicher Problema-

tik in der Rehabilitationswissenschaft schnell und

zusammengefasst nachschlagen zu können. Aber

auch demjenigen, der aus der klinischen Praxis

heraus Hilfe bei der Einrichtung von qualitätsi-

chernden Maßnahmen und dem Nachweis der ei-

genen Rehabilitationsergebnisse sucht, bietet

dieses Buch einen geeigneten Einstieg.

R. Abel (Heidelberg)

Buchbesprechung