ueber die notwendigkeit der freien entwicklung des embryo

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202 Ueber die Nothwendigkeit der freien Ent- wicklung des Embryo. Voll Oskar Sehultze. Hierzu Tafel XIII und 6 Textfi$uren. 1. Einleitung. In einem im Jahre 1897 auf der Anatomenversammlung in Gent gehaltenen Vortrage 1) habe ich auch einige Beobachtungcn mitgetheilt, deren Folgen geeignet sind, eine Reihe zu wichtigen Schltissen verwertheter Angaben versehiedener Autoren als irr- thiimlich nachzuweisen. Hierher geh~irt zuniichst die auf experi- mentelle Arbeit gestiitzte Mittheilung', dass die durch nattirlichc Einriehtungen nicht nur bei dem Frosehei, sondern bei allen Eier~l auf verschiedenstem Wege erreichte Fiihigkeit des Eies, im Laufc der Entwieklung innerhalb seiner Hi|llen frei beweglich zu scin, ein unbedingtes Erforderniss ftir normale Entwicklung bildet. Da eine gauze Reihe fi'tiherer Beobachter des Froscheies yon der Voraussetzung ausgingen, dass diese DrehP,thigkeit, wie man kurz sagen kann, nicht yon .'maassgebender Bedeutung fiir die Entwieklung sei, vielmehr aus Beobachtungen an dieser Fiihig'- keit (angeblieh) beraubten, in sogenannte ,Zwangslage" versetz- ten Eiern weitgehende Schliisse zogen, so sind die Folgen meiner Behauptung, dass jene Fiihigkeit des Eies, ebenso wit eine gc- wisse Temperatur, Sauerstoffaufnahme, normale Gravitationswir- kung u. a., unbedingt ein nothwendiger Faktor fiir die Ent- wieklung ist, yon vorne herein klar, und bedarf es eines um so genaueren Nachweises. Ich war selbst Jahre fang" auf Grund der Angaben yon anderen Forschern der Meinung, die ,,Zwangs- lage" des Eies erm6gliche eine normale Entwieklung. 1) Neue Untersuchungen zur Frage yon der Nothwendigkeit der Schwerkraft fiir die Entwickelung. Verhandlung'en der anatomischen Gesellschaft auf der 11. Versammlun3" in Gent 24.--27. April 1~97. S. 109.

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202

Ueber die Nothwendigkeit der freien Ent- wicklung des Embryo.

Voll

O s k a r S e h u l t z e .

Hierzu Tafel XIII und 6 Textfi$uren.

1. E i n l e i t u n g .

In einem im Jahre 1897 auf der Anatomenversammlung in Gent gehaltenen Vortrage 1) habe ich auch einige Beobachtungcn mitgetheilt, deren Folgen geeignet sind, eine Reihe zu wichtigen Schltissen verwertheter Angaben versehiedener Autoren als irr- thiimlich nachzuweisen. Hierher geh~irt zuniichst die auf experi- mentelle Arbeit gestiitzte Mittheilung', dass die durch nattirlichc Einriehtungen nicht nur bei dem Frosehei, sondern bei allen Eier~l auf verschiedenstem Wege erreichte Fiihigkeit des Eies, im Laufc der Entwieklung innerhalb seiner Hi|llen frei beweglich zu scin, ein unbedingtes Erforderniss ftir normale Entwicklung bildet. Da eine gauze Reihe fi'tiherer Beobachter des Froscheies yon der Voraussetzung ausgingen, dass diese DrehP, thigkeit, wie man kurz sagen kann, nicht yon .'maassgebender Bedeutung fiir die Entwieklung sei, vielmehr aus Beobachtungen an dieser Fiihig'- keit (angeblieh) beraubten, in sogenannte ,Zwangslage" versetz- ten Eiern weitgehende Schliisse zogen, so sind die Folgen meiner Behauptung, dass jene Fiihigkeit des Eies, ebenso wit eine gc- wisse Temperatur, Sauerstoffaufnahme, normale Gravitationswir- kung u. a., unbedingt ein nothwendiger Faktor fiir die Ent- wieklung ist, yon vorne herein klar, und bedarf es eines um so genaueren Nachweises. Ich war selbst Jahre fang" auf Grund der Angaben yon anderen Forschern der Meinung, die ,,Zwangs- lage" des Eies erm6gliche eine normale Entwieklung.

1) Neue Untersuchungen zur Frage yon der Nothwendigkeit der Schwerkraft fiir die Entwickelung. Verhandlung'en der anatomischen Gesellschaft auf der 11. Versammlun3" in Gent 24.--27. April 1~97. S. 109.

Ueber die Nothwendigkeit der freien Entv~icklunff des Embryo. 003

War mir aucb in meinen zahlreichen yon vielen Laich- perioden stammeuden Protokollen, in denen die Prtifungen aller R o u x 'sehen uml P f 1 ti g e r 'schen Angaben, welche die Zwangs- lageneier betreffen, enthalten sind, tier sichere Nachweis der in dem erwahnten Vortrage gemachten Angaben zur Hand, so wollte ich doch nicht eher zur ausftihrlichen VerSffentlichung sehreiten, als bis ieh dureh nochmalige mit Sammlung und Verwerthung geeigneten Schnittmateriales verbundene Besti~tigung dem Ganzen eine abgerundete Form zu geben im Stande war. Dies glaube ich jetzt erreieht zu haben, nachdem ich in diesem Frtihjahr nach zweijiihriger Ruhe dieser Angelegenheit sie yon neuem auf- genommen und eingehend gepriift habe. Hierbei honnte ich alle meine frt|heren Angabeu besti~tigen.

2. M e t h o d e .

Bevor ich dureh Mittheilung der Versuchsresultate die That- sache, dass wahre Zwangslage des Froscheies die Eier abtt~tet, begrtinde, muss ich einige allgemeine Bemerkungen tiber die Zwangslage machen. Es giebt z w e i M e t h o d e n , die soge- nannte Zwangslage herzustellen.

Die e i n e yon P f 1 ii g e r zuerst angewandte Methode be- steht darin, dass dem dem Uterus entnommenen Froschei nur ein Tropfen samenbaltigen Wassers zugesetzt wird. Dadurch quillt die Gallerthtille nur unvollkommen, und das Ei ist in seiner freien Beweglichkeit innerhalb tier Dotterhaut mehr oder weniger be- schrliukt. Der Grund dieser Beschriinkung hiingt ganz yon der zugesetzten Wassermenge ab. Um Entwickelung solcher Eier zu er- zielen, mtissen sich die Eier naturgem~tss, damit das Eintrocknen dutch Verdunstung verhindert werde, in wasserdampfreicher Luft, d. h. in ,feuehter Kammer", befinden. Um gleichzeitig bei vielen Eiern eine mSg'liehst gleichmiissige Zwangslage zu erzeugen, ist die Methode des tropfenweisen Wasserzusatzes zu jedem Ei unbrauch- bar. Man verftihrt deshalb unter Combination yon itlteren Er- fahrungen Born ' s 1) und neueren yon mir in folgender Weise: Man setzt die mit einer trockenen feinen Lanzette oder mit fein zugespitzter Pinzette aus dem Uterus genommenen Eier einzeln

1) Ueber den Einfluss der Schwere auf das Froschei. Archly f. mikr. Anatomie Bd. 24.

204 Oskar Schul tze:

auf troekene Glasplatten in der gewfinsehten Lage auf, legt die Platte mit den Eiern auf einen g'rossen Teller und liisst aus einem Zersti~ubungsapparat so lange einen feinen Wasserregen fiber die Platte gehen, bis nach einigen Sekunden diese mit einer gleieh- miissigen Wassersehieht bedeekt ist. Nun kleben die Eier auf der Platte lest, und wird die Platte jetzt in die bereit stebende Sehale mit Samenwasser 1) hineing'eleg't. Je naehdem die Platte, bevor sie in die feuehte Kammer gebraeht wird, kfirzer oder liinger in dem Samenwasser verweilte, ist der Grad der Quellung natfirlieh versehieden. Um bestimmte Resultate zu erhalten - - wenigstens zu Beginn der Quellung - - kommt es hier, wie sieh ergeben wird. auf genaues Einhalten der Zeit naeh einzelnen Minuten an. Vor dem Uebertragen in die feuehte Kammer lasst man ca. eine Minute lang das Wasser yon der auf Fliesspapier auf die .Kante gestellten Platte ablaufen. Die El'fahlii'ng lehrt, wie sieh zeigen wird, dass ffir a l l e Eier g'filtige Angaben, die immer zu den gleiehen Resaltaten ffihren, auf die Minute genau nieht m6glich sind, da hier abgesehen yon Temperatureinflfissen-~) offenbar individuelle Verschiedenheiten der Eier und deren Hfillen in Betracht kommen. Zur feuchten Kammer verwandte ich grosse Porzellanteller oder rechteckige Schalen yon schwarzer gepresster Pappe, die mit einer ca. 1 cm hohen Wasserschicht geffillt waren. Als Deckel dienten flache Glasglocken oder umgestfirzte Priipa- ratengliiser. Die Seitenwand wurde mit nassem Fliesspapier aus- gelegt. Auf den Boden in das Wasser kamen passende Triiger ffir die Glasplatten. Ich benutzte die Steinkl(itze eines Kinder- baukastens.

Die z w e i t e Methode, Eier in Zwangslage zu entwiekeln, besteht in der Pressung der Eier zwisehen planparallelen mit Gammiringen zusammengesehnfirten Glasplatten. Hierbei liegen die Eier in Wasser and entwickeln sieh zuniichst ohne nennens- werthe St6rung weiter. Ieh nenne diese Methode die ,Platten- zwangslage".

Wir handeln jetzt yon gersuchen, die mit der ersten Me- rhode - - der P f l fig e r 'schen Zwangslage - - angestellt win'den.

1) ~--samenhaltig'es Wasser. 2) Die Temperatur des Zimmers soil nich~ fiber 14OR. betragen,

sonst entwickelt sich z u viel Wasserdampf in der Kammer.

Ueber die Nothwendig'keit der freien Entwicklung" des Embryo. 205

Eine ganze Laiehperiode ging sozusagen verloren, ehe ich zur Einsicht kam, dass mit dem tropfenweisen Zusatz yon Wasser zu den Eiern einheitliehe Versuehsresultate n i e h t zu erhalten sind.

3. V e r s u e h e . Ieh beginne mit der Mittheilung eines ziemlich beliebig

herausg'eg'riffenen frtiheren Versuehes yore Jahre 1897, aus dem der Leser einen ersten Einblick in die Vorg/~nge gewinnen m6ge, die sich als ftir meine Darstellung wichtig'e an den Zwangslageneiern ab- spielen. Am 24. Marz 1897 zwischen 51/2 und 6 Uhr abends wurden 6 rechtwinklige Glasplatten yon 70 : 35 mm Seitenlange mit je 15 dem Uterus entnommenen Eiern, deren helles Feld genau naeh oben g'erichtet wurde, in der beschriebenen Weise beiruehtet und in die feuchte Kammer ffebracht. Platte 1 wurde nut in Samenwasser g'etaucht und kam dann gleich mit hellem Feld nach unten in die Kammer, in der die g'eeigneten Sttitzen den Rand der Platten so trugen, dass die Eier ca. 2 em tiber dem Wasserspiegel der feuchten Kammer sich befanden und diesem zugekehrt uaren. Die Platten 2 his 6 verweilten je 3, 6, 10, 20 und 40 Minuten in dem Samenwasser und kamen dann alle mit hellem Felde nach unten in die Kammer. Der Zweek des Versuches war, die mit so g'rossem Nachdruck yon Ro u x be- hauptete Anlage des Medullarrohres solcher Zwangslageneier auf der hellen Hemisphare zu prfifen. Ich konnte nieht verstehen, dass mir, indem ich eine gegentheilige Ansicht gewann, Tauschun- gen untergelauf'en sein sollten, und doeh konnte die R o u x 'sche Deutung nicht wohl aus der Luft gegriffen sein; hatte doch auch P f 1 ti g e r bereits die Anlage des Medullarrohrs auf der hellen Hemisph~tre behauptet. Bis zum anderen Morgen 6 Uhr 30 Min. wurde eine mehrmalige Inspection des Versuches vorg'enommen. Jetzt bot eiu grosser Theft der Eier ein ftirchterliches Bild, obwohl yon einem Eintrocknen der schwach gequollenen Halle keine Rede war. Die Veranderungen derEier waren um so starker, je geringer die beabsichtigte und eingetretene Quellung der tttillen war. Die Beeintri~ehtigung des normalen Entwicklungsganges bestaud in einer unregelmassig begrenzten weissen VerFarbung des hell'en Feldes der im Endstadium der Morula stehenden Eier, die bei vielen Eiern auf die obere dunkle Flaehe tiberging. Nur die letzte zeigte Zelltheilungen, wiihrend fast tiberall im Bereich

206 Osk ar Schul tze :

der hellen Hemisphare die Zelltheilungen fehlten. Auf Platte 1 war dieser Zustand in verschiedenem Grade bet allen Eiern, auf Platte 2 bet 10, auf 3 bet 6 Eieru, auf 4 bet 2, auf 5 bet 4 Eiern eingetreten. Die Eier auf Platte 6 und alle tibrig'en auf Platte 2 - -5 waren nornlal g'efureht. Flit den Kenner des Baues des Froseheies watch (lie eing'etretenen Veranderungen nicht anders zu deuten, als dass tier weisse, schwere Dotter die fast wsisse piff- mentarme Rinds der unteren Hemisphare des Eies in versehie- denem Maasse durehbroehen hatte. Dem ganzen Befunde naeh unterlag es keinem Zweifel, class dieser Zustand dm'eh die Zwangs- laffe bedingt w a r - - stand er doeh in direektem Verhiiltniss zu dem Quellung'sgrad der Hiillen. Nattirlieh waren diese Eier mit ~Dotterdurchbruch", wie ieh sie km'z nemlen will, fiir die beab- siehte Entscl,eidung tier Frage, ob sich wirklieh das ~[edullar- rohr bet mit der hellen Hemisphare naeh unten fixirten Eiern auf diesel" Hemisphare entwiekelt, nieht zu verwerthen. Es sei- bier eingesehaltet: dass unbefruehtete Zwangslagsn-Eier niemals diese Erscheinungen darbieten. Ieh legte nun die Platte 1--3 mit den daraufklebenden Eiern in Wasser, um den Eiern mSgliehst gtln- stige Bedingungen zur Weiterentwisklung zu g'eben. Naeh tag- lieh mehrmaliger Controlle und sorgPaltig'er Pfleg'e der Eier er- hielt ich sehliesslich folg'ende Resultate. Am 26. III. waren alle Eier der Platte 1 verdorben mit Ansnahme yon zweien, yon denen eins sins g'ute, das andere eine kaum ausgebildete )[e- dullarplatte zeigte. Platte 2 lieferte 8 Gastrnlae, alle anderen Eier waren tot. Von den Eiern der Platte 3 waren 4 abge- storben, die ttbrigen batten gute Medullarwtilste.

Das Resultat war also, c l a s s d e r b e t h o c h g r a d i f f e r Z w a n g s l a g e , t r o t z g u t e r F e u e h t i g k e i t s v e r h a l t - n i s s e e i n t r e t e n d e D o t t e r d u r e h b r u e h dis E n t w i e k - l u n g im a l l g e m e i n e n b a l d a u f h e b t , ( l a s s s i e h j e - d o e h e i n z e l n e E i e r v o n d e r s i e b e t r o f f e n e n S e h a - d i g u n g w i e d e r e r h o l e n k ( i n n e n .

Es lag nun sehr nahe zu behaupten, dass die Zwangslage in den Fallen yon Dotterdurchbrueh zu s t a r k gewesen set, und class far den vorliegenden Zwsck eine etwas geringere Zwangs- lag-e; d. h. etwas starkerer Quellung'sg'rad der Htillen den rich- tigsn Effekt g'eben wtirde. Es wurden darum um 6~/.~ Uhr frtih am 25. III. die Platten 4 und 5 180 o gedreht, so dass das helle

Ueber die Nothwendigkeit der freien Entwicklung~" des Embryo. 207

Feld nach oben g.erichtet war. Aus frilheren Beobaehtung'en wusste ich schon, dass die Eier aueh bci hochg'radig.erPfltig.er- scher Zwang.slag'e noch ihre allerding's beschr~nkte Drehfahig'keit beibehalten, wi t das bis zu einem gewissen Grade aucli schon yon B or n augeg'eben wurde. Auch zwischen Glasplatten platt- g'edrtickte Eier rotiren, aus dcr Normalstellung" g.ebracht, sehr leieht wieder in die flit jedes Stadium typische Stellung" zurtiek 1). W~hrend dig normale Riickdrchung" eines verlag'erten Eies nach Seknnden oder Minuten - - je naeh dem Stadium - - sich voll- zieht, verg.ehen bei einem aus der Normallage ggebrachten Zwang.s- lag'enei oft v i e l e S t u n d e n , bis kS seine normale Lagge wieder gewinnt. Diese Thatsache wurde dann aueh g'leieh an den Platten 4 und 5 bestStig.t. Um S Uhr waren auf Platte 5~ deren Eier (s. o.) st~h'ker ggequollene tttillen als dig auf Platte 4 be- sassen, alle Eier (ausser den 4 Dm'ehbrucheiern-9)in die Normal- stellung, zuriiekgekehrt. Auf Platte 4 dag.egen waren noch aUe hellen Feldcr nach oben gerichtet. Die weitere Beobach- tung. erg.ab, dass erst um 5 Uhr nachmittags bei allen Eiern (ausser zweien) das helle Feld u n t e n lag'. DiG erste Urmund- lag.e war eben aufgetretcn. Hieraus erg'ab sieh also, dass trotz der Anwendung' verschiedenartig'er, in eng.sten Grenzen variirender Quellung.sgrade der Htillen der beabsichtig.te Zweck, die Anlagge des Medullarrohres bei Zwangslag.eneiern auf der unteren Hemis- ph/ire nach P fl tl gg c r und R o u x festzustellen, misslung.en war, indem d i e E i e r m i t s t / ~ r k e r e r Z w a n g s l a g ' e a b s t a r b e n , d i e m i t n u r e t w a s g . e r i n g . e r e r d a g e g - e n e i n e r g.e- n a u e n P r t t f u n g " g e g ' e n t i b e r s i c h n i c h t a l s v o l l k o m - m e n e Z w a n g . s l a g . e n e i e r e r w i e s e n h a t t e n . Das ggleiche Resultat hatte ieh auch friiher bei einzelnen mit einem Tropfen Wasser aufg.esetzten Eiern erhalten. Trotz m0g-lichster Abmes- sung. der Tropfeng.r0sse sind aber dig Rcsultate niemals so fiber- siehtlieh und einheitlieh als bei dem oben beschriebenen syste- matischeren Vorg.ehen.

Natiirlieh musste ich mir sag.en, dass mir tier r i c h t i g. e Quellungsggrad der Ht|llen d o c h n o c h entg'ang.en sein konnte,

1) Die kiinstliche Erzeug'ung" yon Doppelbildung'en etc. Archiv fiir Entwicklung'smechanik Bd. I. p. 273. S. auch welter unten.

2) In seltenen Ausnahmef~llen zeig'en ~uch Durchbrucheier noch RotationsVahig'keit in den Hfillen.

208 O s k a r S c h u l t z e :

obwohl mir dies sehr unwahrscheinlieh sehien. Aueh bezweifelte ich nieht die Thatsache, dass unter Umstanden bei sogenannten Zwangslageneiern die Medullarplatte, die normalerweise oben liegt, unten l i e g e n kUnne.

Jedenfalls hatte dieser, wie zahlreiche frtihere und spS.tere Versuehe, ergeben, dass

1) bei hoehgradiger Zwangslage in Normalstellung ge- haltene Froseheier trotz gut feuehter Halle unter typisehen Er- seheinungen absterben, und

2) selbst tiber einige Stunden ausg'edehnte Prtifung, ob Zwangs]age besteht oder nieht, n i e h t a u s r e i e h t and die Be- wegliehkeit der Eier dureh sogenannte Zwangslage derart be- sehrankt sein kann, dass die Eier, aus ihrer stabilen Gleichge- wichtslage gebraeht, diese e r s t n a e h v i e l e n S t u n d e n wieder gewinnen k5nnen.

Doeh gehen wit weiter und verfahren wit mit Rticksieht auf die yon der gegnerischen Seite vertretene Auffassung noch ge- nauer in der Besehreibung" der Versuehsanordnung" eines der zahl- reiehen zu gleiehem Zweek angestellten Versuehe des Jahres 1~99, um so dem Naehuntersueher die Arbeit zu e r l e i e h t e r n - sie ist nieht sehwer.

Kurz vor Beginn dieses Versuehes wurde eine grosse feuehte Kammer hergeriehtet. Ieh benutzte eine sehwarze viereekige und flaehe Praparatensehale (wie sie aueh als Entwieklungsge- fasse bei Photographie benutzt werden) yon 4 0 : 4 5 c m Seiten- lange, die eine ca. 1 em hohe Wassersehieht enthielt. Auf den Boden der Sehale (in das Wasser) kamen eine Lage yon ca. 2,Sem hohen im Querschnitt quadratisehen Steinen aus einem Ntirnberger Kindersteinbaakasten, die eine mit der Wasserwage geprtifte horizontale Flaehe bildeten. An geeigneten Stellen warden aus der Lage einige Steine heraus genommen, um spS.ter auf Glasplatten sitzende Eier so in die Kammer bringen zu kOnnen, dass nut der Rand der Platte auf tier steinernen Unter-

l a g e auflag. Als Decke verwendete ich ein kreisrundes Glas yon 32era Durchmesser and 15era H~)he, dessert Seitenwand mit nassem Fliesspapier belegt war. Ausserdem wurden zwei grosse Porzellanteller yon ca. 40 em Durehmesser mit frischem Wasser, ein Wasserzerstaubungapparat, 2 kleine Glasschalen, eine m~)gliehst feine Pinzette, Papier, Bleistift und Uhr auf den m6gliehst grossen

Ueber die Nothwendig'keit der freien Entwicklung" des Embryo. 209

Tisch zureeht gelegt. Fiinfzehn Objekttritger (70 : 35 mm) wurden fortlallfend mit dem Diamant nummerirt.

Am 14. Mih'z, 91/.~ Uhr morg'ens wurden dem abget(iteten M~tnnchen Samenblasen und Hoden entuommen, die ersteren in den Porzellanteller 1 entleert und darauf noch die Hoden in einer der kleinen Glasschalen unter Wasserzusatz zersehnitten, mit Pinzetten ausg'edrtickt, worauf die triibe Fltissigkeit g'leiehfalls in den Teller 1 abg'egosseu wurde. Nachdem das zur Befruehtung dienende Samenwasser so zum Gebrauch fertig" war, wurde das Weibchen abg'et0tet, und wurden dem eriiffneten Uterus die mit schSnem hellen Feld versehenen Eier mit der die H i l l l e der Eier fassenden feineu Pinzette dem Uterus entnommen. Um die verschiedensten Grade der Zwangslagen zu bekommen, ver- fuhr ich nun folg'endermassen: Auf Objekttritger 1 wurden 18 Eier mit hellem Feld g'enau naeh oben in reg'elmiissigen Ab- stiinden aufgesetzt, dann nach 2 minutliehem Warren, mit dem Wasserreg'en Objekttritg'er und Eier kurz benetzt, um die Eier zum festen Haften auf dem Glas zu bring'en, der Objekttrii.ger fl|r e i n e Minute in das Samenwasser gelegt und dann, nach kurzem Ablaufen des Wassers und Wegnahme des Uebersehusses mit Fliesspapier, in die feuchte Kammer tibertragen und zwar so, dass die Eier nun das helle Feld naeh unten kehrten, also dem Wasserspieg'el zug'ewendet wal'en. Eier, die ihre Stellung" fie- i~ndert haben sol!ten, wurden entfernt. Ich bemerke hier, dass es ftir das Resultat gleichgtiltig ist, ob die Eier an der unteren oder an der oberen Flaehe der horizontalen Platte barren. In ent- spreehender Weise wurden die Platten 2 - -4 mit je 18 Eiern ver- sehen and in die feuehte Kammer mit hellem Feld nach unten gebracht, nachdem Platte 2 zwei, 3 vier, uud 4 acht Minuten im Samenwasser gelegen. Auch Platten 5- -6 erhielten je 18 Eier, verweilten kurze Zeit im Samenwasser - - und wurden dann in reines Wasser des Tellers 2 tibertragen. Vom Einlegen der Platte 5 in Teller 1 his zur Herausnahme aus Teller 2 und Ein- legen in die feuehte Kammer vergingen sechszehn Minuten; die- selbe Manipulation erstreckte sieh bei Platte 6 tiber zweiund- dreissig Minuten. Jedesmaliges Notiren der betreffenden Zeiten, Herrichten der folgenden Platten mit Eiern und Uebertragung in die feuchte Kammer mtissen passend unter Controlle mit der Uhr mit eiuander abweehseln. Bei den folgenden Platten war

210 O s k a r S c h u l t z e :

es nieht mehr n6thig den Eiern yon vornherein die gewtinschte Stel- lung mit vertikaler Eiaxe zu geben, da bet der beabsiehtigten langcren Dauer des Liegens in Wasser die normale Perivitellin- ausseheidung die Normalstellung des Eies iibernehmen musste. Die Platten 7--10 blieben mit je 15 Eiern versehen 64 Mi- nuten, 2, 4 und 10 Stunden im Wasser und wurden naeh dieser Zeit in die feuehte Kammer tlbertragen. Die Herriehtung und Besamung" der 10 Platten dauerte yon 9 Uhr 34 Min. bis 10 Uhr 10 ~Iin. Die Zimmertemperatur betrug' an diesem Tage nicht tiber 14 o R.

Um 2 Uhr naehmittags war auf allen Platten die erste Fm'ehe in normaler Besehaffenheit aufgetreten. Der Zustand der Httllen war allenthalben gut. Um 4 Uhr 15 ~[in., als tiberall die 1. Aequatorialfurehe ausgebildet war, maehte sieh bet einigen der in starkster Zwangslage stehenden Eier auf Platte 1 und 2 an der weissen l Iemisphi~re in dem Furehenkreuz oder in be- naehbarter Furche das erste Zeiehen des Dotterdurchbruehs als weisse F~rbung bemerkbar. Es waren 3 Eier auf Platte 1 und zwei Eier aufPlatte 2. Neun Uhr 15 Min. abends hat der Dotter- durehbrueh an den genannten Eiern stark zugenommen, neue mit Dnrchbrueh sind mit Ausnahme yon einem auf Platte 4 nieht hinzuge- kommen. Die Furehung stand auf allen Platten in gutem )Iorulasta- dium. Am folgenden 'rage fi'ith 4 Uhr 25 Min. bestand gleieb- falls guter Fortsehritt der Furehung auf allen Platten; die wenigen Eier mit Dotterdm'ehbrueh fallen nun schon dem unbewaffneten Auge durch ihre weisse starke Verfarbung der sonst mehr grauen hellen Hemisphitre auf. Um nun den Grad der Zwangslage zu prtifen wurden die Platten 1, 3, 5, 7 und 10je 180~ gedreht, so dass die helle Hemisphare oben stand. Der Zweek der Drehung war Prtffung tier Zwangslage; da nun der sehwere helle Theil des Eies oben lag, mussten die Eier bet wirklieher Zwangslage sieh nieht in den mangelhaft gequollenen Htillen zuriiekdrehen.

Ich betone besonders, dass der Quellungszustand der Htillen auch jetzt noeh g'enau derselbe war, wie zu Beginn des Yer- suehes, dass also weder Sehrnmpfung" der Htillen nocll Quellung" durch erh5hte Wasseraufnahme ans der feuehten Kammer tinge- treten war. Um dem Naehuntersucher ein Bild yon dem Quellungs-

Ueber die Nothwendig'keit der freien Entwicklung` des Embryo. "211

zustand der Htillen zu geben, verweise ich auf die beiden Bilder I, V I I und X. Das erste g'iebt ein genaues Bild des Grades der Quellung" bei Platte 1, das zweite dasselbe bei Platte 7, das

7

Fig'. I.

Fig'. VII und X. dritte bei Platte 10. In keinem Fall sassen die Eier dem Glase d i r e k t auf, ein Zustand, der stets das Absterben der Eier zur Polg'e hat. Bei den Eiern der Platte eins, die also nur eine Minute im Samenwassel" g elagen waren, war infolg" e der mangelhaften Quellung der Gallerth011e das Ei an der dem Glase zag'ewendeten Flache etwas abgeplattet, wiihrend (lie Eier auf 7 und 10 ihre runde Form sch6n bewahrt hatten. Um 5 Uhr 15 Min. sind auf den Platten 7 und 10 hereits eine ganze Anzahl Eier zuriickrotirt, indem sie das helle Feld oben nicht mehr oder nur zmn Theil erkennen lassen. Um 8 Uhr i0 Minuten, also nach 3:~/t Stunden, Sind auf Platte 7 und 10 a l l e Eier zuriickl'otirt, anf Platte 5 ist gleichfalls Rtiekro- ration bei den meisten Eiern eing'etreten, 5 zeigen noch das helle Feld oben. Auf den Platten 1 und 3 liegt das helle Feld bei allan Eiel'n noeh oben. Urn l0 Uhr 10 Min., also nach 53/4 Stlm- den, kehren auf Platte 5 nut noch 2 Eier das helle Feld naeh oben, doeh ist der hellere Theil des Eies bei der Befruchtung von oben aus zum Theil sichtbar. Bis 10 Uhr 45 Min. konnte nun in Zwischenriiumen durch die Wand der feuchten Kammer hindurch beobachtet werden, wie diese beiden letzten Eier schliess- lieh ganz zurtickrotirten. Die letzten Eier auf Platte 5 hatten somit c r s t nach 6 S t u n d e n 25 Min. ihre Normalstellung wieder er- reicht. Aber auch die Eier auf Platte 3, die naeh 3 Stunden alle noch das helle Feld nach oben kehrten und nur geringe Verlagerungen zeigten, sind jetzt nach 6~/~ Stunden derart yon der Schwere sichtbar beeinflusst, dass 4 Eier das helle Feld be- reits nach abw/trts kehren; die Schwerkraft kam hier abet sehr spat noch zu ihrem Recht. Um 2 Uhr 20 Minuten, also 10 Stun- den nach der Drehung, waren 9 Eier diesel" Platte zurtickrotirt, ein immer wieder g'ewonnener Beweis for die bei dieser ,Zwang's- lag'e" thatsiichlieh, wenn auch ausserordentlich verlangsamt zur

~12 Oskar Schultze:

Geltung k.mmende Sehwerewirkung. Erst um 6 Uhr 35 Min. abends, also nach 14 S t u n d e n , kehren al le 18 Eier auf Platte 3 die dunkle I[cmisphare wiedcr nach oben.

Es stand also fest, dass auf der Platte 5 kcine Zwangslaffe bestand, denn die auf dem schwarzen Pol gedachten Eier waren nile nach 61/~ Stunden zurtickrotirt; dasselbe galt naturgemass yon den in derselben Kammer entwickelten Platten 7--[0, bet dcnen die Quellung im Wasser lang'er bestanden hatte und die schon durch die starker g'equollene Htille und nach dem obigen Versnch bewiesen, dass ihre Zwangslage eine geringere sein musstc, als die der Eier auf Platte 5. Da am Nachmittag der Urmund auftreten musste, kam es mir darauf an, die mir iibrigens schon bckaunten Bewcg'ungen des Urmundes an diesen n i c h t w'illigen Zwanffslageeiern einmal deutlich dem Leser vor Auffen zu [tihren. Doch dartiber wird wetter unten berichtet. Jetzt handelt es sicb zunitchst uoch einmal um die Vcrfolgung dcr Fragc, yon der wit ansgingen: Entwickelt sich bet Eiern, die mit hellem Feld nach ullten in wirklicher Zwangslaffe d. h. olme Rotationsf/tbigkeit in den Hiillen aufg'estcllt sind, das Me- dullarrohr auf der hcllen Hemisphiire?

Nachdem yon allen Platten des vorliegenden Versucbes mit Sicherheit nur noch die Platte 1 fiir diese Frage in Betracht kam, vert'olgen wit" das Schicksal tier auf ihr liegendcn Eier wetter. Die Eier waren also am 14. III. 9t/~ Uhr fi'iih befruchtet, wurden mit dem hellen Pol naeh unten aufgestellt und dann am 15. III., 4 Uhr 25 Min. frith auf den schwal'zen Pol gedreht, um die Zwangslage zu prtifcn. Auf dieser Platte zeigten 2 U. 25 Min. nachmittags, also nach 10 Stunden, in dem noch unverrtickt nach obcn liegcnden hellen Feld 9 Eier die erste Spur des Ur- mundcs. Die Eier wurden nun mit der Platte 180 0 gedreht, sodass nun bet diesen Zwangslageeiern, wenn die Behauptung yon R o u x richtig ware, der Urmund tiber die helle untere lIemisphi~re wandern und das 3[edullarrohr sich unten anlegen mtlsste.

Was trat aber hier, wie in zahlreichen anderen Fallen, con- stant ehl?

Die Stellung des Urmundes wurde, als er eben aufge'treten war, wic g'ew~ihnlich, in vorher angefertigte Schemata immer nach bestimmtca Pausen eingetraffen, nachdem die Kammer ge~ift'uet

Ueber die Nothwendigkei~ der reifen Entwieklung" des Embryo. 213

und tier Objekttritg.er ca. eine Minute lang zur Zeichnung. gedreht war. Die Abbildung. 1 bezeichnet an neun g.tlnstig.en und zur weiteren Ver- folg.ung, g.ewiihlten Eiern die genau nach den Proto- kollen eing'etrag.ene Stel- lung. des Urmundes am 15. III. 2 Uhr 25 Min. naeh- mittags. Da die Zimmer- temperatur jetzt und in den folg.enden 24 Stuuden nur 13 o R. betrug~ g.ing. die Entwieklung" an und fiir sich ziemlich lang.sam welter. Dis Stellung. dcs Urmundes wurde nun im weiteren Verlauf in mehr- sttindlichen Intervallen in die Schemata eing'etrag'en. Von diesen bilde ich noch zwei weitere ab. Ab- bildung. 2 zeig.t den Stand des Urmundes am folg.en- den Morg.en (16. III) 5 Uhr 5 Min. Der g.rosse Dotter- pfropfist g'ebitdet. In Ab- bildung. 3 (16. III. 11 Uhr 45 Min. mittag.s) ist der Dotterpfropf so klein g'e- worden, dass der Urmund als nahezu geschlossen zu betrachten ist. Wo abet ist nun die yon Roux immer wieder behauptete Wanderung. des Unnundes fiber die untere Hemi- sphttre ? Sie existirt ein- fach nicht bei wirkliehen Zwang.slageneiern. EinVer- gleieh der Abbildungen

OOO

O 0 O 0 � 9

Fig'. I.

� 9169169

� 9 �9169 Fig'. 2.

0 � 9 1 6 9 �9169

� 9 Fig'. 3.

OO

214 Oskar Schultze:

1 und 3, welche den genauen protokollarisehen Aufzeiehnungen entsprechen, lehrt sofbrt, d a s s d e r U r m u n d yore e r s t e n A u f t r e t e n an b i s z u m S c h l u s s k e i n e w e s e n t l i c h e V e r s e h i e b u n g e r f ~ t h r t . Eine ganz geringeStellungsitnde- rung der dorsalen Lippe ist allerdings bei einem odcr dem andern Ei zu bemerken, doch lehrt ein genauer Vergleich aller mir vor- liegenden Bilder sowohl in diesem, als in anderen Fitllen, da~s doch noch g e r i n g e Rotationen der Eier in den Htillen statt- finden kOnnen. Ausserdem ist eine geringe Verschiebung der dorsalen Lippe vielleicht auf Rechnung yon eoncentrischer Ver- engerung des Urmundes zu setzen, doch wissen wit nicht, oh el" sieh w i r k I i c h concentrisch verengt.

Hier und in allen anderen entsprecheudeu Fitllcn kommt noch waiter folgendes zur Bcobaehtung. Im Vergleieh mit Probe- eiern derselben Brut und solchen, bei denen (lie Hi|llen (wie auf Plat te 7-u. 10) stiLrker gequollen sind, cntwickeln sieh diese Eier Init hSehster Zwangslag'e langsamel'. Sie entwickelu ferner i i b e r h a u p t ke in M e d u I l a r r o h r . Man kann sic bis zu 12 Stunden und langer auf dcm Stadium des klcinstcn Dotterpfropfes stehen bleiben sehcn. Sic s ind a h e r n i ch t a b g e s t o r b e n , bringt man sic vielmehr in Wasser, so geht (lie Entwieklung weiter, doch eutstehen nehen norumleu Qual)pcn verschiedenartige Missbildungen.

Nachdem wir gesehen, dass in Uehereinstimmung mit meinen frliheren Angabeu yon einer ncnnenswerthen Verschiebung des Urmundes tiber die Eioberfiache keine Rede ist, wollen wir zu- n~tehst noch dasSehicksal der Eier auf der oben genannten Platte 2 veriblgen.

W~thrend fiir Platte 1 mSgliehste Zwangslage erwiesen war, auf Platte 3 jedoch im Laufe yon 14 Stunden eine ganz langsame Rotation dcr:Eier in den Htillen festgestcllt war, fragte es sieh, wie sieh die Eier auf Platte 2 )'erhalten wiirden~ dereu Httllen bczi|glieh ihres Quellungszustandes zwisehcu Platte 1 und Platte 3 standen. Das helle Feld butte bei diesen Eiern yon An- fang an untell gelegen und am 15. III. 2 Uhr 25 Min. war die erste Spur des Urmundes aufgetreten. Von zehn guten Eiern dieser Platte war(lea im Laufe der niichsten 24 Stundeu regehuitssige Aufzeichuungen der Stellung" des Urmundes gemacht. Am Abend desselben Tages sehien auf den ersten Blick der g rosse noch

Ueber die Nothwendigkeit der freien Entwicklung des Embryo. .915

nieht ganz gesehlossene Urmund denselben StaNd behalten zu haben. Es ergab sich jedoeh naeh genauer Untersuehung und Aufzeichnung, (lass der Urmund bei fast allen Eiern eine ganz geringe Verschiebun~ nach abw~trts zei~te. Bis zum folgenden Mor~,en machte der Urmund nun die normale Wanderung nach abwi~rts, die~ wie ich bereits unter Verwerthung nattirlieher in der Eioberfli~che gelegener Localisationsmarken nachwies, die durch typische Verlagerung der Dotterzellen im Innern des Eies be- dingte Folg-e del" unter Einfluss der Schwere stattfindenden To- talrotation des Eies um eine quere horizontale Achse ist. Der kleine Dotterpfropf stand am anderen Morgen genan unten. In diesel" S t e l l u n g b l i e b e r h i s z u m S e h l u s s d e s U r m u n d e s (16. III. abends). D a s in s t a r k e r Z w a n g s l a g e be- f i n d l i c h e Ei k o n n t e a l s o d i e y o n m i r b e s e h r i e b e n e n o r m a l e R t i c k r o t a t i o n d e s E i e s n i c h t a u s f t i h r e n . Der Urmund nahm nicht die normale ursprtigliche Aequatorial- stellung" ein, sondern blieb unten. Ebenso wie die Eier auf Platte 1 blieben diese Eier aber nun in der Entwicklung s tehen , indem dic Behinderung der nothwendigen normalen Schwerewir- kung die Entwicklung' hemmte. Am folg'enden Taffe in Wasser gebr~eht entwickeltcn sie sich gut welter, wurden jedoch zum Theil zu Missbildungen, andere wurden normale Quappen.

Es ergab sich hieraus, wie aus vielen g'leicheu Versuchen, wiederum das reine Resultat:

Z w a n g ' s l a f f e n e i e r ~ b e i d e n e n d i e D r e h f i t h ] g - - k e i t in o b i g ' e m S i n n e n o e h n i c h t v o l l k o m m m e n a u f g e h o b e n ist~ b i l d e n b e i n a c h u n t e n g e r i c h t e t e m h e l l e n F e l d k e i n M e d u l l a r r o h r , s t e r b e n v i e l m e h r ab.

Wie aber sind die voranstehenden Thatsachen mit den An- gaben yon P f l t i g ' e r und R o u x zu vereinigen, dass sich bei Zwangslag'eneiern, deren helles Feld naeh unten geriehtet ist, das ~[eduHarrohr s t a t t oben~ u n t e n b i l d e t ?

Das erfiihrt der Leser soibrt, wenn er ieh noeh die Mtihe nimmt~ mit mir das Schicksal solcher Eier zu verfolgen, bei denen der Quellungszustand der HUllen demjenigen ent- spricht, welchen ich in dem vorliegenden Versuch, bei den Eiern auf Platten 3, 5, 7 und 10 dargestellt hatte. Auf diesen Platten hatten, dem verschiedenen Quellungszustand der Htillen entsprechend, die Eier, nachdem sie zur Prtifung der

Archly f. mikrosk. Anat. Bd. 55, 15

�9 216 Oskar Schul tze :

Zwangslage auf den dunklen Pol gedreht worden waren, naeh folgenden Zeitr~umen sich zurtickgedreht und dadurch gezeigt, dass sie n i e h t in starker Zwangslage sich befanden: Die Eier auf Platte 3 nacli 14 Stunden, die.jenigen auf Platte 5 naeh 6 Stlm- den 25 Min. und die auf den Platten 7 und 10 nach 33/4 Stunden. Der Leser wird gebeten noch einmal den verscbiedenen Quel- lungszustand der ttiillen als Folg'eszustand der verschieden langen Wassereinwirkung zu Beginn des Versuehes auf Seite 209 zu ver- gleiehen. Da sich die Eier also n i c h t in Zwangslage befanden, h'.itte man erwarten sollen, class nun, den normalen Verh/iltnissen entsprechend, die Medullarplatte o ben liegen sollte. Wie abet sah es mit den Eiern auf Platte 3 am Abend des 16. M~rz arts? Bet 15 Eiern (yon 18) war die Medullarplatte erkennbar. Bet vielen lag sie ganz unten , bet den anderen ragt ein ver- schieden grosset Theil in die obere Hemisph~ire hinein, der grSssere Theil lag aber fast tiberall unten, ganz oben lag sie nirgends.

D a s w a r a l s o d i e a n y , e b l i c h a u f d e r h e l l e n H e - m i s p h ~ . r e g e b i l d e t e M e d u l l a r p l a t t e u n d z w a r bet E i e r n , bet d e n e n alas F e h l e n d e r Z w a n g s l a g e s i chc r w a r ! Ich hatte iibrigens schon frtiher diesen Bcfund hitufig ge- habt und bin hier nur zur Vervollst/tndigung tier Mittheilung obigcn Versuehes auf die Platte 3 zurlickgekommen. Einmal erinnere ich reich eines so reinen Resultates bet nicht v611iger Zwangslage, dass alle Eier (ca. 12) das Medullarrohr g'enau nach unten kehrten. Die Beobachtung" dass das 3Iedullarrohr u n t e n l i egen kann , ist also ganz riehtig, f a l s e h ist abet die Voraussetzung, dass das Ei unbeweglieh war. So wird also auch dieser ,,feste Grund- stein" des R o u x 'schen Programmes, tier sehon lange gewankt, gesttirzt, und zwar aus dem denkbar einfachsten Grunde, weil die gewtinsehte Vorbedingung gar nicht erftillt war: d i e E i e r b e w e g t e n s i e h d o c h .

Ich will nun noch hinzuftigen, dass auf Platte 4 der Ur- round bet weitaus den meisten Eiern ent~egen der Norm am unteren Pol lag, die Medullarplatte also v e r t i k a l stand. Bet den Eiern aufPlatte 5--10 lag die Medullarplatte ttberall ganz oder grfisstentheils oben. Die Eier waren also normal drehf~hig. Anf Platte 9 und 10 waren, wie bet den Probeeiern, die Medullar- wtllste schon im Schluss begriffen. Es ergab sich im ganzen

Ueber die Nothwendigkeit der frelen Entwicklung des Embryo. I~17

eine am so st~rkere Beschr~nkung in dem zeitlichen Verlauf der Entwicklung, je geringer der Quellungsgrad der Hfillen waa

Man kann also, indem man alle Grade der Zwangslage nach der yon mir angegebenen Methode zugleich anwendet, sieh yon folgenden Thatsachen fiberzeugen:

1) Bei hochgradiger Zwangslage gehen die Eier schon sehr friih unter ,Durehbruch" des weissen Dotters and abnormen Furchungserscheinungen zu Grunde. Sic erreiehen nicht das Ga'strulationsstadium.

2) Bei etwas geringerer, aber noch als fast total zu be- zeielmender Zwangslage wird die Gastrula gebildet, wobei der Urmund keinerlei nenuenswerthe Versehiebung fiber die helle He- misphere erfahrt. Das Medullarrohr wird nicht gebildet.

3) In einem etwas gtinstigeren Falle dreht sich das Ei unter Ausfiihrung der ersten ,Urmundwanderung" der Regel entspre- chend, sodass der Urmund genau nach abwarts gerichtet ist; die normale Riickdrehung des Eies kann aber nicht erfolgen und das Ei stirbt.

4) Der Urmund ,wandert r fiber die untere Hemisph~ire, in- dem el', unten angelangt, statt, wie das der Norm entspricht, im eutgegengesetzten Sinne sich zurfickzudrehen, in g l e i c h e m Sinne wel ter- -a lso auf dcr entgegengesetzten Seite welter aufw~rts-- bewegt wird. Hierbei kommt es haufig vor, dass die Medullarplatte genau unten liegt. Bleibt sie unten, so sterben die Eier ab, im an- deren Fall gelangt die Medullarplatte bald in Folge einer Dre- hung des Eies um die embryonale Langsaxe wieder naeh oben. In sehr vielen Fallen ist die in jenem gleiehen Sinne weiter gehende Wanderung des Urmundes, die sich ohne weiteres aus der Massenvertheilung im Innern des Eies am Durchschnitt erkl~trt, bereits mit der Beth~ttigung des Bestrebens der Eier, sich mit der Medullarplatte nach oben einzustellen, eombin i r t , und so kommen bei den entspreehenden Zwangslageneiern die ve r - s c h i e d e n s t e n allmi~hlieh zur normalen Stellung des Eies tiber- leitenden SteUungen vor.

Diese Punkte kann jeder bei exakter Naehprfifung meiner Angaben besti~tigen. Er wird sich fiberzeugen, dass die Behaup- tung yon der Anlage des Mednllarrohres auf der hellen Hemi- sphiire, soweit sie sich auf Zwangslagenversuche stfitzt~ einfach

218 Oskar Schul tze:

dadurch hinfiillig wird, dass g a r k e i n e v o l l s t i i n d i g e Z w a n g s l a g e b e s t a n d .

4. S p e e i e l l e B e s e h r e i b u n g de r du rch s t a r k e Z w a n g s - l age an den E ie rn a u f t r e t e n d e n Stiirung'en.

Die Erscheinungen, die sich in immer wiederkehrender und ausserordentlich typischer Weise an m0glichst vollkommenen Zwansglageneiern, welchc mit hellem Feld nach unten aufgcsetzt werden, wiederholen, sind yon mir oben bcreits als Dotterdurch- bruch bezeichnet. Diese Bezeichnung rechtfertigt sich dadurch, dass an solchen Eiern im Bereich der hcllen Hemisphare, ausgehend yon den hier gclegenen Furchen, die normale graue oder fast weissc und gew0hnlich als weiss bezeiehnete Fitrbung dutch eine rein weisse Fi~rbung verdriingt wird. Diese kommt so zustande: Der rein weisse Dotter verdriingt in dem Augenblick der Fixirung der Eirinde an der Innenfliiche der Dotterhaut die fast weisse Rinde und dehnt sich in donner Schicht immer mehr tiber die untcre Hemi- sphiire aus; schliesslich breitet er sich in manchen Fitllen sogar bis auf die obcre Hemisphiire aus. Zugleich gehen die ursprting'- lichen Zellgrenzen allmahlich wieder verloren. Greift der Durch- bruch auf die obere Hemisphiire tiber, so w i r d d a s g" a n z e E i i m V e r l a u f e y o n 6--12 S t u n d e n zu e i n e r s e h m u t z i g " g r a u e n M a s s e , a u f w e l c h e r d a n n y o n d e n anfang 's v o r h a n d e n e n Z e l l t h e i l u n g e n k e i n e S p u r m e h r w a h r z u n e h m e n i s t. Solche Eier erscheinen dann zug'leich etwas vergrSssert, wie g'equollen.

In Abtheilung 1 und 1 a auf Tafel XIII sehen wit ein Ei, an dessen unterer Hiilfte (la) die weisse Verf~trbung kurze Zeit be- standen hat. In der Ansicht yon oben litsst das Ei nut undeut- lich die beiden ersten Furchen erkennen. Sehr stark treten dic hier abnorm verlaufenden 3. and 4. Meridionalfurchen auf, die aber nicht durch den oberen Pol liefen. Dieser Fall kommt t:ci den in P flt iger 'scher Zwangslage entwickelten Eiern gelegent- lieh vor; typisch ist er bekanntlieh ftir die zwischen horizontalen Platten gepressten Eier. In weiterer Entwicklung sehen wir die eigenartige Erscheinung des Dotterdurehbruches in den Eiern der Abbildungen 2a und 3a ausgebildet. Die beiden auf dem Stadium der vorgeschrittenen Morula stehenden Eier zeigen fast auf der ganzen oberen Flache reg'elm~ssige Furchun~ (Abb. 2 u. 3),

Ueber die Nothwendig'keit der freien Entwicklung des Embryo. 219

die untere dagegen lasst nut wenige Zellgrenzen erkennen. Die Erfahrung lehrt, dass solehe Eier die Gastrulation in der Regel nicht erreichen, dass am oberen Pol in vielen Fallen immer mehr bereits vorhanden gewesene Zellgrenzen wieder versehwinden und oft nur kleine Inseln sich weiter theilender Zellen librig bleiben. Schliesslich sterben auch diese ab. Werden abet dig Eier, wie oben erwahnt, r e c h t z e i t i g mit den sie tragenden Platten in Wasser tibertragen, so k(innGn sie haufig langsam den erlittenen Sc]aaden wieder ausg'leiehen. Ist aber der Durehbruch schon welt vorgeschritten, so sterben sie ab oder liefern Missbildungen.

Was sight marl nun an DurehschnittGn dureh solche fie- hartete Eier? In Abbildung- 4 ist der mittlere Durchsehnitt in tier Richtung der Eiaxe dul'ch eine Morula mit Durchbrueh ab- gebildet. Leider ist durch ung'eschickte Einbettung eine Auf- lockerung des Eies eingetreten; doeh sieht man, dass eine H0hle gebildet wurde und dass statt mehrfacher Theilungen an der unteren hcllen Hemisphare nur zwei grosse im Innern abnorm pigmentirte Zellen vorhanden sind. Ein weiter vorgesehrittenes und pr~tgnantes Bild zeigt Abbildung 5. Auch dieser Schnitt geht in der Riehtung der Eiaxe durch die Mitte des Eies, so- dass die g.rasste Ausdehnun~ der abnorm kleinen Furehungsh0hle g'etroffen ist. Das Ei war vor dem Einlegen in die feuchte Kammer zwei Minuten in Wasser gequollen und dann mit dem hGllen Feld nach unten entwickelt. Zwanzig Stunden naeh der Befi'uchtunF~ wurde es sammt der es trag'enden Platte in Chrom- essig'saure eing'elegt. In der Saute quillt die Httlle starker auf, und lasst sich nach Auswassern der Eier die Htille einsehliess- lich der Dotterhaut mit verdtinntem Eau de Javelle nach Bloeh- m a n n leieht entfernen 1). Die Erscheinung', dass die plasma- armere helle Hemisphare die g'r0sste Schiidigung" erfahrt und so- zusaffen zuerst abstirbt, ist aueh bei anderen abnormen ausseren

1) Ich ziehe jetzt die Fixirung" mit heissem Formol (s. die vorig'e Arbeit; dies Archly S. 174) bei weitem vor; sie erhi~lt auch vollkommen die natiirliche Pigmentirung'. Das Eau de Javelle zerstiirt schliesslich das Pigment der Eier. Sehr hfibsche Bilder erh~lt man damit, wenn die Einwirkung" auf das Ei in dem Augenblick, in welchem die sonst yon aussen nicht sichtbaren, yon dichtem Pigment umg'ebenen Kerne und Spindelflg'uren auftreten, unterbricht. Man hat so aueh ein gutes Mittel, um an dem intakten Froschei die Riehtung" der Spindelaxen in dem Rindcng'ebiet des Eies zu priifen.

220 Oska r Schull;ze:

Bedingungeu beobaehtet. R o u x 1) und O. H e r t w i g 2) beobach- teten das Ausbleiben der Tbeilungen in der dotterreichen Hemi- sphRre bei tiberreifen Eiern; ich konnte dies hiiufig bestiitigen. 0. H e r t w i g hat dieselbe, an meroblastische Eier erinnernde Er- scheinung aueh noch in anderen Fiillen gesehen und abgebildet, so nach Einwirkung yon Kochsalzl0sungen bcstimmter Concen- tration ~), sowie nach Beeinflussung des Eies durch abnormc'Tem- peraturen4). Aueh die Einwirkung der Centrifugalkraft fiihrt nach O. H e r t w i g zu entsprechenden BildernS), indem hier die Centrifugalkrai~ stiirkere Sonderung der schweren und leichten Eisubstanzen veranlasst.

In den bisher beschriebenen Fiillen ftihrte die Beschriinkung der freien Bewegung des Eies in seinen Hiillen zu einem nach- traglichen und schnell eintretenden Zerfall der eben erst ent- standenen Zellstruktm'. Dieser Zerfall wird, wie (lie experi: mentelle Prtifung lehrt, einzig und allein durch die ktinstlich er- zeugte hochgradige Reibung bez. Fixirung. der Rindenpartikel des Eies in der Innenfiitchc der Htillcn verursacht. In weiteren Fallen yon erh6hter Zwangslage greift die Zerst0rung eben erst gebildeter Zellstruktur aueh auf die obere Fli~che tiber. In sol- chert Fallen wird in der Regel die Bildung dcr F u r e h u n g s- h i i h l e g a n z u n t e r d r t i c k t . Ein Durchschnitt durch das Centrum einer Morula in der Richtung der Eiaxe ist in Abb. 6 sicht- bar. Das Ei war nach 4 Minuten dauernder Qucllung der Htillen mit dcm hellen Feld nach unten 11 Stunden nach Befruchtung' der feuehten Kammer entnommen und in Chromessigsaui'e conservirt worden. Die obere Fl~tche ist ein wenig abgeplattet. Man sieht, dass sowohl an der hellen als auf der dunklen Hemisphih'e ein Rin- dengebiet sich findet, in welehem die vorher bestandenen Zellgrenzen undeutlieh geworden oder ganz versehwunden sind. Im Bereich der dunklen Hemisphiire setzt sieh der in Folge der Zwang'slag'e

1) Ueber die kiinstliche Hervorbring'ung halber Embryonen etc. Virehow's Archly Bd. 64.

2) Urmund und Spina bifida. Dies Archly Bd. 39. 3) Die Entwieklung des Froscheies unter dem Einfluss schw~tcherer

und st~trkerer KochsalzlSsungen. Dies Archly Bd. 34. 4) Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Entwickhmg" yon

Rana fusca und Rana esculenta. Dies Archly Bd. 51. 5) Beitrag 4 zur experimenteIlen Morphologie und Entwicklung's-

gesehiehte. Dies Arehiv Bd. 53.

Ueber die Nothwendigkeit der freien Entwicklung des Embryo. 221

zerstOrte Zellmantel durch eine unterbrochene Linie yon den inneren Zellen deutlieh ab. Noeh deutlieher wird der Einfluss der aufgehobenen fi'eien Beweg'liehkeit des sieh entwiekelnden Eies aus den in Abb. 7 und 8 wiedergegebenen F/illen. Aueh bier ist die Bildung des Blastoeoels unterblieben, und ein besonders auf der dunklen I-Iemisph/ire hervortretender Mantel zerst6rter Theihngen deekt die im Innern des Eies gelegenen seharf dureh die Grenzlinie g abgegrenzten Zellen. Dass es sieh wirklieh um einen Untergang vorher, bestandener Zellstruktur handelt, ergiebt sieh zweifellos sowohl aus tier Verfolgung" des lebenden Eies, als aueh daraus, dass in vielen F/illen R e s t e v o n Z e 11 g" r e n z e n und die pig- mentfreien K e r n e noeh siehtbar sind. Die beiden Eier (der Abb. 7 und 8) waren naeh 2 Minuten dauernder quellung der Hiillen bis zu dem vorliegenden Stadium mit naeh unten ge- riehtetem hellem Feld in der feuehten Kammer entwiekelt. Die Abbildung 8 zeig't deutlieh die sehmale, yon der hellen auf die dunkle I-Iemisphttre tibergehende, im Bild 1 mm breite und bei itusserlieher Betraehtung des ganzen Eies rein weisse Zone, die ieh als Zone des Dotterdurehbruehs bezeiehne.

Die besehriebenen Durehsehnitte der wirkliehen Zwangs- lageneier lehren uns also: D i e a b n o r m e F i x a t i o n d e s E i e s in s e i n e n I - I t l l len v e r h i n d e r t d i e n o r m a l e Z e l l t h e i l u n g u n d z e r s t 6 r t s i e da, wo s i e b e r e i t s g l t i e k l i e h e r r e i e h t war . Ueber die Ursaehe dieser Er- seheinung m6ehte ieh folgendes hinzuftigen. Das Leben in der Zelle und deren Theilung" ist fortw/ihrende Bewegung in tier Zell- und Kernsubstanz. Sie ist einer bestimmten, mit dem Mikroskop naehweisbaren Gesetzmitssigkeit bis zu einer gewissen Grenze unterworfen und kann nut bei normalem Ablauf der Be- wegung zu normalem Aufbau des Organismus ftthren. Die Be- wegunffsvorg~tnge k6nnen denen in einer yon Mensehenhand er- bauten eomplieirten Masehine vergliehen werden. Wie in dieser dureh Hemmung eines einzelnen R~tdehens oder I-Iebels an irgend einer Stelle alas Ganze ausser Funktion gesetzt wird, so aueh, wenn wir an dem Zellorganismus die freie Bewegung der Par- tikel an einer Stelle st~rend beeinflussen. Hier aber stoekt nieht nut die weitere Bewegung, wie in der gest6rten ~asehine, son- dern aueh bereits dutch die Bewegung Erbautes sttirzt infolge der labilen Struktur des kunstvollen Geb/iudes ftir immer wieder

22~2 Oskar Schultze:

zusammen. Bet nochmaligem Anblick der Abbildung 8 m~ge sich der Leser tiber diese Thatsache l~lar werden. Sie giebt wohl noch manches zu denken.

Die mit Htilfe der Pfl t |g 'er 'schen Zwan~slage erhaltenen Resultate habc ich nun auch withrend mehrerer Laichperioden mit der yon Roux, Pfl i ig 'er , Born, O. Hertwig" und mir ang'e- wandten sogenannten ,,Plattenzwangslag'e", d. h. an Eiern ge- prtift, die zwischen horizontalen oder vertikalen Glasplattcn com- primirt und dadurch, wenn auch in Wasser entwickelt, in ihrGr Beweglichkeit in dem Perivitellin gehemmt werden. War ich doch, als ich vor 5 Jahren die ktinstliche Erzeugung" yon Doppel- bildungen bet Rana beschrieb, davon ausg'effangen, die uns hier besch/iftig'enden Fragen mit der Plattenzwangslag'e prtifen zu wollen. Mit der Ang'abe einzelner, meinen zahlreichen Aufzeich- nungen entnommener Versuehe will ich hier aber den Leser nicht noch einmal behellig'en, da die l~esul ta te , wclchG mi t d i e se r Me thode zu e r h a l t e n stud, g 'enau mit d e n j e n i g ' e n i ibe re ins t immen, die man mit de r P f l i i g e r ' s c h e n Zwangs - l age e rha l t .

Bet tier Plattenzwangslage, bet tier es sich empfiehlt, zwischen 2 Platten immer nur e i n Ei zu comprimiren, ist zu unterscheiden :

1. Geringe Compression, die sich vorwiegGnd auf dig Htillen der Eier erstreckt. Das Ei bleibt dann drehfithig, ent- wickelt sieh gut welter und fiihrt zu einem nol-malen und normal gelagerten Embryo. Die normalen Rotationen des Eies zur Zeit der Gastrulation werden ausgeftihrt.

2. Starkere Compression, sodass das Ei deutlich abge- plattet wird. In diesem Fall ist genau entsprechend dem, was oben bet der Pf l t iger ' schen Zwangslage ausfiihrlicher darge- than wurde, folgendes zu eonstatiren. Wird die Zwanffslage der Eier durch Drehung" der alas Ei einschliessenden Platten, wobei das helle Feld nach oben zu liegen kommt, yon dem Stadium der Mornla an g'eprtift, so ist es nieht sehwer, sigh an genttgend- grossem Material zu ttberzeugen, dass gerade bet denjenigen Eiern, welehe durch sehr langsame Rackrotation ffelehrt haben, d a s s s i e n i e h t in Z w a n g s l a g e s i n d , die, typisebe ~ vonden Vertretern der Anlage des Medullarrohrs auf der hellen tIGmi- sph~,re ftir ihre Auffassung" herangezogene Bewegung" des Urmunds tiber die untere l:Iemisph~re erfolgt. Bet der Plattenzwanffslage

Ueber die Nothwendig'keit tier freien Entwicklun~ des Embryo. 223

erfolgt die ,,Bewegung" des Urmundes, wie sie yon 0. H e r t w i g beschrieben und gegen reich im R o u x ' s c h e n Sinne verwerthet worden ist 1), in noch viel eklatanterer Weise, als bei den tech- nisch schwieriger zu behandelnden P f l t i ge r ' s chen Zwangslagen- eiern. F r e i l i c h liegt das Medullarrohr dann unten, aber n i c h t in Folg'e des ,Hcrabwachsens" d e r seitlichen Urmundriinder, sondern in Folge ciner Totah'otation dcs Eies, wie auch hier wiederum das folg.ende lehrt.

3. Bei dem dritten Compressionsg.rad lieg.t das Ei wirk- lich fest. Diesen Zustand haben alle bisherig'en Beobachter, ebenso wie den entspreehendea bei P f l i ige r ' s ehe r Zwangslag.e, n i c h t g.eprttft bezw. g'ewtirdigt. Man dreht die zwischen ent- sprechenden Platten his zu hochffradigcr Abplattung" comprimirten und anfang's mit der hcllen HcmisphiLre nach unten gerichteten Eier zur Zeit der Morul~ so, dass die helle H~tlfte jetzt oben lieg.t. Hat sich das Ei his zum Auftrcten des Urmundes nicht zurtickg'edreht, so kann man unter entsprechender Controlle und Einzeiehnen des Urnmndstandes in Schemata sich ohne ~[tthe tiberzcug'en, dass der Urmund yore Augenblick seiner Entstehung an bis zur Bildung" des winzigsten 1)otterp[ropfes u n v e r r ii c k t lieg.en bleibt und k e i n e o([er keine nennGnswerthe Verschiebung tiber die EioberflSche crf/thrt, vorausg'esetzt dass man, was b i s h e r n i c h t g" e s c h e h e n, in g.entig'ender Weise sich v e r s i e h e r t hat, dass wirklich feste Zwang.slag.e bcsteht. Hierbei macht man dieselben Beobaehtung.en wie sit oben bei den festen P f l t i g e r - sehen Zwanffslageneiern beschrieben wurden. Die Entwieklung. ist verlangsamt und s toc k t yore Schluss der Gastrulation an oder schon frtiher. Die Eier brauchen abet nicht abg.estorben zu sein, wie die WeiterGntwicklung. lehrt, wenn man nach 24sttindig.er Unterbrechung. dGr Entwieklung. den Plattenzwang. aufhebt.

Ich will noch hinzuftig.en, dass man, um sich yon dem Ge- sag'ten zu tiberzeug.en, am besten folg.endermaassen verf~,thrt:

Man nimmt naeh frtiher yon mir beschriebenen Ang.aben~) ein g'rosse Menge quadratischer Platten, yon denen je zwei mit vorher bestimmtem Plattenabstand yon 1,65--1fi0 mm verwendet

1) Ueber den Werth der ersten Furchungszellen fiir die Organ- bildung" des Embryo. Dies Archly Bd. 42.

2) ,krchiv ffir Entwicklungsmechanik Bd. [, S. "271.

224 O s k a r S c h u l t z e :

wcrden, z. B. 30 Platten yon 1,65 Abstand, 30 yon 1,45, 30 yon 1,35 1), sodass man, da der Durchmesser der Eier variirt, nachher einigcrmaasscn sicher ist, gute Zwangslag'eneier zu haben. Die Eier werden nach Ankleben auf dem Glas und Bcfruchtung 30--45 Minuten in Wasser gclegt, damit sic Normalstellung ge- winnen und dann comprimirt, wobei cine Verschiebung des Eies zu vermeiden ist. Durch derartiges systematisches Vorgehcn mit verschiedcngradig'cm Plattcndruck erh~tlt man also dicselbe Ucber- sicht, wie bei dcm auf die obige Weise erhaltenen verschiedcn- artig gesteigertcn Quellungsgrade der Htillen.

5. Z u s a m m c n f a s s u n g u n d S c h l u s s .

Zum Schluss fasse ich zusammen und ftigc noch einige Be- mcrkungen binzu:

1. Durch bestimmt regulirtcn Quellungsgrad der FAhiillen yon Rana fusca wird nachgewiesen, (lass durch die vollkommenc Aufhebung der Drehfiihigkeit, d. h. der Fahigkcit des. Eies, den normalen Verlauf der durch seinen ,Gestaltungstrieb" bedingten inneren Substanzumlagerungen durcb entsprechende Totalrotationen nach dem Gesetz dcr Schwere zu erm~glichen, - - das Ei frtiher oder spitter unter typiscben Erscbeinungen abs t i rb t . Nicht nur wird die Theilung an dem protoplasmaarmeren untcren Eipol gehemmt, sondern auch bereits vollzogenc Zelltheilungen werden scbnell in der ganzen Pcripberie des Eies wieder zerst(~rt. Jene tief in der ganzen Entwicklung begrilndete ,Drehfahigkeit ~ ist nichts andercs als die Fiihigkeit des wachsenden thierischen Organismus, wenn er aus seiner durch die Wirkung der Schwere beding'ten typischen sta- bilen Gleichgewichtslage gebracht wird, immer wieder in diese zurtickzukehren. So wic es ,die erste Sorge ~ (Ju l ius yon Sachs) der wachsendcn Keimpflanze ist, eine bestimmte Stellung gegen- tiber der Gravitationswirkung einzunehmen, so ist alas Gleiche auch die erste Sorge des befnmhteten Froscheies und vieler an- deren Eier, indem sic sich durch Ausstossung des Perivitellins jene Stellung sichern. Jcnc Sorge wird bei den wachsenden Pflanzcn Geotropismus genannt. Es besteht kcin Grund, dieselbe Fi~higkcit nicht auch bei dem wachsenden thierischcn Ei bez. Embryo als

1) Der Plattenabstand wird mit dem Diamant auf der (lie Glas- leisten trag'enden unteren Platte vermerkt.

Ueber die Nothwendigkeit der freien Entwicklung des Embryo. 225

Geotropismus zu bezeichnen. Der Unterscbied ist nur ein gra- dweller , indem das Ei bez. der Embryo, aus der Normalstellung gebracht, meist viel schneller als die Pflanze jene Lage wieder gewinnt. Da die Aufhebung der stabilen Gleichgewichtslage oder, wie ich es auch genannt babe, die abnorme Schwerewirkung das Ei t0tet, so ist die stabile Gleicbgewichtslage ftir die Ent- wicklung des Froscheies unbedingt n(}thig. Der ,,FUhrer der Entwieklungsmechanik" sollte fiiglieh diesen-wirklich ,entwick- lungslneebanischen" Satz anerkennen; wenn aber auch nicht, so ist dies kein Grund fiir micb, dass ich ihn nicht yon neuem als e r s t e n H a u p t s a t z jener ,,Mechanik r bezeichne.

Ich habe mit Halle des nach meinen Angaben gebauten, mit Wasserkraft zu treibenden grossen Klinostaten nacbgewiesen ~), dass das vor 25 Jahren angestellte Rotationsexperiment yon R o u x , bei welchem dieser Autor die Aufhebung der licbtenden Wirkung der Sebwere auf das Froscbei annah m, ganz ungeeignet war, diese Frage zu entscheiden. Da R o u x aber seinen Versuch retten zu k0nnen glaubt ~), muss ich bier nochmals auf die Frage eingehen. R o u x sag't: ,Wenn die Angabe Scbu l t ze ' s , dass m e i n e F r o s c h e i e r 3) in Folge der Wirkung der Schwerkraft die Drehung des Apparates durch entgegengesetzt gerichtete Drehung" um eine wagreehte Axe ausgeglieben hittten, riehtig ware, dann warden beim Anhalten des Apparats nach einer An- zahl yon Umdrehung'en alle Froscheier bei der Besichtigung ihren schwarzen Pol nach o b e n gewendet dargeboten haben." Ich bedauere, nicht deutlich genng gewesen zu sein. Nirgendwo habe ich behauptet, dass bei dem unzureiehenden Versuell yon R o u x se ine Froscheier sich in obiger Weise verhalten h~itten. Die Wahrheit kann man fi'eilich nut an einem gut construirten Appa- rate und dann sehen, wenn man~ wie ich es gethan habe, die Eier bei fixirter Htille m i t d e m W a s s e r , in d e m s i e s i e h ent - w i e k e l n , r o t i r t u n d d i e E i e r w i i b r e n d d e r R o - t a t i o n f o r t w a h r e n d b e o b a c h t e t . Sobaldmanabere ine Anzahl Eier in nasse Watte stopft~ dann rotiren l~isst und nach einiger Zeit wieder auspaekt, dann kann man freilich keinen

1) Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft in Gent. 1897. 2) Bemerkung'en zu O. Schul tze 's neuen Rotationsversuchen

an Froscheiern. Arch. f. Entwicklungsmechanik V. Bd. 1897. 3) Im Original nicht g'esperrt g'edruckt~.

226 Oskar Se, hultze:

Einbliek in die Beweg'ungen ffewinnen, welehe in e i n e r H a l l s beweffl i ,ehe E i e r mit e x e e n t r i s e h e m S e h w e r p u n k t aus- f l ihren , wenu man die Eier in der fixirten Hallelangsam ohne Cen- trifugalwirkunff um eine horizontale Axe gleichmassig" sich bewegen litsst. Ueber diese Beweg'ungen, die ieh sowohl an den Eiern als an Kug.eln mit exeentrischem Schwerpunkt~ die in einer diehtanlieg.en- dell mit Honig" eing.eschmierten Glashflllerotirbar waren und in der fixirten Halle an dem verticalen Rad rotirten, babe ieh a. a.O. ausfiihrlicher beriebtet. Dass in dem Roux'schen Experiment nach dem Auspacken die Eier alle m0g.lieben Riehtungen zeig.ten, habe icb nie bezweifelt. D i e s e n Effekt hatte ieb nachahmen sollen, rathet mir Roux. Diesen Effekt habe ich sofort erhalten, als ieb nieht systematiseh VOl'g'ing', mid dann babe ich ihn ver - m i c d e n , denn ieh sah, wie die Eier vermiig.e ihrer immer etwas variirenden Drebfabigkeit in ihren Hallen in verschiedener Weise auf die richtende Wirkung' fo rtw/t h ren d reagirten und in den Hfillen derart ung.leichmassig, an dem rotirenden Rad verlag.ert wurden, dass sie naturgemass bei Anhalten des Apparates ihre Eiaxen in vel'- schiedener Riehtung" g.estellt zeig.ten. Indem also R o u x in Be- zug auf sein ,Experiment ~ sag't: ,Fa r die t t a u p t s a e h e dagegen, fiir den E f f e k t , dass die dunklen Hemispharen nach versehiede- nen Seiten geweudet waren, stehe icb ein", stimme ich ihm voll- kommen bei - - aucb ich stehe g'ern dafar ein.

Wenn es nun auch sehr wobl denkbar und ausfahrbar ist, eine kurze Zeit lang. durch geeignete Versuehsanordnung die Ro- tation des Rades so einzuriehten, dass sie die Drehung des Eies in der fixirten Halle compensirt, und dann also z e i t w e i s e yon einer Wirkung der Sehwerkraft in der Richtung" der Eiaxe keine Rede ist, so ist dies scbon wegen der yon Stadium zu Stadium ausserordentlich versehiedenen Drehfabigkeit des Eies in seinen H(illen nicht m(iglich. Denn jedem Grade der Dl'ehfahigkeit masste bei der Rotation an dem Rade sine bestimmt ange- passte Umlaufsgesehwindigkeit des Rades entspreehen. Aber selbst wenn dies m0glicb ware, so ware damit doch nur eine z e i t w ei s e Aussehaltung einseitiger Schwerewirkung als unscbad- lich erwiesen; das besonders zu beweisen wird abet wohl niemand ernstlich verlangen.

Sowohl die Pfianze als aueh das Thief sind wabrend der Entwieklung und im ausg'ebi!deten Zustand - - wenn auch nieht

Ueber die Nothwendig'keit der freien Entwicklung' des Embryo. 227

fortwithrend I) __ an einen typiseh gerichteten ,,normalen" Einfluss der Schwerkraft gebunden, und bei eine g e w i s s e D a u e r rib er- s c h r e i t e n d e r A u fh e b u n g dieser normalen Gra.vitationswirkung. geht der 0rg'anismus zu G r u n d e . - Ich will hier einsehalten, dass es mir gelang', auch an den iln Wasscr sich entwickelnden Eiern yon Rana fusca die normale Gravitationswirkung dutch eine ab- norme zu ersetzen. Es gcling't n/~mlich, (lie Zwang'slag.e an sich furchenden Eiern innerhalb der normalen, im Wasser ]ieg'enden Laich- ballen herzustellen, dadureh dass man die Eier aus der stabilen in die labile Gleiehg'ewichtslag'e bringt. Dreht man zur Zeit der vorg'esehrittenen Farchung- g'eeignet geformte Laichballen, die vorher ruhig gelegen waren, vorsichtig" im Wasser um 180 o urn, so drehen sieh die Eier natt|rlich um so lang'samer zurtick, je wenig'er der Winkel dcr Drehung yon 180 o abwich. Meist be- tr/tgt diese Abweichung yon 180 0 nach Drehung' der Laichballen nur wenige Grade oder vielleicht auch nur Zehntel eines Grades. Manche Eier, meist sehr wenige, drehen sich crst nach Stunden zuriick~ und meist kehrt schliesslich kein Ei mehr das Helle nach oben. Es g'clingt aber bei wiederholten Versuchen und Vcrmei- dung yon Erschtitterung-en, dass einig.e Eier, manchmal auch einc gr6ssere Meng'e, g'leichsam aaf dem Kopf, also in labiler Gleich- g'ewichtslage stehen bleiben. Diese Eier sterben. Die D0ttcr- zellenmasse sinkt yon oben in die Farehung'sh0hle hinein, das Ei sebrumpft, der Urdarm blcibt spaltf~'irmig.; der nat{irlich nach oben gerichtete Dotterpfropf wird "con aufgewulsteten Lippen umfasst (s. Abb. 9 Taf. XII), es entwickeln sich schlechte Medullar- wtilste, die sicb meist nicht schliessen, kein Haftorg-an tritt au/, und der Embryo geht zu Grunde.

Withrend tier Entwieklung" wird die MSg'lichkeit der stetigen normalen Schwerewirkung auf die verschiedenste Weise erreicht. Die Eier und Embryonen sind in Perivitellin, Sehleim, Eiweiss, Li- quor amnii u. dgl. eingeschlossen; sie schweben im Wasser oder schwimmen oben darauf; sie werden durch Flimmernng des sic bergenden Kanales befithigt, die entsprechende Lage zu gewinnen. Bei Eiern, die bei intrauteriner Entwieklung durch Fixation an der Uterinwand ftir ihre Ern/ihrung sorgen, erfolgt die Vet-

1) z. B. nicht bei zeitweise in Wasser kiinstlich in Rotation ver- setzten Eiern.

228 Oskar Schul tze:

wachsung, um die freie Entwicklung des Embryo zu erm(iglichen, in der Umge b u ng der Embryonalanlage. Tritt sie aber ausnahms- weise, wie in dem E i d e r Nager, an der Stelle der Area em- bryonalis selbst ein, so verlangt die Freiheit der Entwicklung 1) nachtriiglich AblSsung" tier Area embryonalis, was hier durch zu Liquor amnii werdende Fltissigkeitsbildung ermSglicht wird.

2. Eier mit hochgradig'er Zwangslage und nach unten ge- richtetem hel!em Pol k~innen das Eude der Gastrulation erreichen, entwiekeln aber niemals Medullarwtilste. Sic lehren, dass die dorsale Urmund|ippe k e i n e Verschiebung" iibcr die Oberfl~iche des Eies erf'~hrt. Das Medullavrohr entwickelt sich in Uebercin- stimmung mit meinen friiber auf Grund der Beobachtungen an Eiern mit natiirlichcn Lokalisationsmarken gemaehten Angaben, n i c h t auf der hellen Hemisphare. Das Keimmaterial fiir alas Centralnervensystem lieg't vielmehr oberhalb der dorsalen Urmund- lippe. Die Angabe, dass mit hellem Feld nach unten in Zwangs- lage aufgestellte Eier beweisen, ([ass das Ccntralnervensystem auf der hellen Hemisphare cntsteht, ist irrthiimlich, denn festc Zwang'slageneier bilden crstens iiberbaupt keine Medullarwiilste, und zueitens beweisen feste Zwangslageneier gerade das Geg'en- theil yon dem, was die Vertreter dcr obigen Angabe beweisen wollten, dass namlich der Urmund sieh n i c h t versehiebt. Ist aber die Zwangslag'e nicht ganz fest, dann kommt es zur Bildung" des Centralnervensystems, das dann allerdings in vielen Fallen unten l iegt , abernichtuntengebi ldet is t . D e r E m b r y o l e g t s i c h in s e i n e m Z w a n g ' e e i n e Z e i t l u n g a u f d e n R f f c k e n , s t a r t a u f d e n B a u e h .

Die angebliche Anlage des Medullarrohrs auf der hellen Hemisphare hat Roux noch dureh Anstechversuehe des Eies zu sttitzen gesucht. Auch ich babe eine grosse Menge solcher Ver- suche gerade mit Bezug auf die vorliegende Frage unter den niithigen Cautelen gemaeht (theils mit heisser, theils mit kalter Nadel). Sobald man sieh dutch Befreiung des operirten Eies aus seincu Hfillen mit der heissen Formolfixirung tiberzeugt, dass tier Dcfckt noeh in der Eioberfiache fixirt ist, kommt man zu Resultaten, die durchaus mit der festen Lage der dorsalen Ur-

1) s. meine Neubearbeitung" des Grundrisses der Entwicklungsge- schichte yon A. Kiilliker. 1897 S. 106.

Ueber die Nothwendigkeit der freien Entwicklung des Embryo. 2'29

mundlippe in Einklang zu bringen sind. Man gewinnt auch hier, wie leider in so vielen anderen Fallen, die Ueberzeu~ng yon der durchaus snb.iektiven Deutung, die R oux seinen experimentel]en Resultaten giebt. Ich werde, da mich mein Beweismaterial noch nicht v011ig befi'iedigt, dcmniichst auf dicse Frage zurtickkommen, Nach meinen Versuchen ist es mir sebr wahrschein]ich, das das Material f~ir das Medullarrohr oberhalb der dorsalen Lippe in der Mittellinie zur Zcit d~r Gastrulation auf einem relativ kleinen Raum zusammengedrangt liegt, doch miichte ich mich hiertiber noch nichtausfiihrlich aussern. R o u x hat noch einen dritten Be- weis ftir die seinen ~ersten festen Grundstein unserer Kenntniss yon den Vorg~Lngen der Entwicklung", dass ~die Gastrulation des Frosches durch bilaterale Epibolie un(l Concrescenz auf der Unter- seite des Eies erfolgt% Das ist die angeblicbe Verhinderung des Herabwachsens der im Aequator des Eics angelegten Me- dullarwiilste bci weit often bleibendem Urmund, die zur Asyntaxia medullaris fEihrt. Die Missbildung ist mir wohl bekannt, cbenso aber auch eine andere, die auch yon O. H e r t w i g 1) beschrieben und abgebildet ist. Bei dieser nach Einwirkun~" yon Kochsalz- 10sungen entstchenden Missbildung wird gleichfalls das belle Fehl nieht tiberwachsen; der Ul'mund bleibt sichelf0rmig, und d o c h liegt das Medullarl'ohr oberhalb der Urmundlippe auf der dunklen Hemisphare, genau so, als ob die Gastrulation abgelaufen ware (s. z. B. die Abbildung5 yon O. H e r t w i g auf Tafel XXI). Doch es ist nach meiner obigen ]angen Begriindung ohne grossen Werth, hierauf nigher einzugehen, um so mehr, als wir es mit Missbil- dungen zu thun haben und bei tier noch geringen Differcnzirung des Zellmaterials die eine Zellgruppe Leistungen einer andern libernehmen kann.

Erkl~trung der Abbi ldungen auf Tafel X I I I .

Die Abbildungen 1--8 sind von Eiern yon Rana fusca gewonnen, die infolge mangelhafter Quellung der Hiillen in fester Pfliig'er'scher Zwangslag'e mit dem hellen Feld nach unten sich entwickelten. Fi~. 1. El, wenig'e Stunden nach der Befruchtung in der Ansicht yon

oben.

1) Archly fiir mikroskopische Anatomie Bd. 44~

230 O s k a r S c h u l t z e :

Fig. l a. Da~selbe Ei in der Ansicht yon unten. Im Bereich des hellen Fe|des ist eine scharf beg'renzte, auf durch die Zwano'slage beding'ten Durchbruch des weissen Dotters zuriickzufiihrende Stelle aufgetreten.

Fig. 2. Ei des Morulastadiums in der Ansicht von oben. Fig. 2a. Dasselbe Ei von unten gesehen. Der ,Dotterdurchbruch" ist

weiter fortgeschritten, und an der hellen Hemisphiire ist nur die Kreuzfurche zu sehen.

Fig. 3 und 3a. Wie 2 und 2a, doch greift der Durchbruch auf die obere Hemisphiire fiber und auf der unteren Hemisphiire (3a) sind fast g'ar keine Zello'renzen vorhanden.

Fig. 4. Durchschnitt durch das Centrum des Eie.~ 3 in der Riehtung," der Eiaxo. (Die Zellen sind unnatiirlich oelockert infolge der Einbettung'). Fehlen der normalen Theilungen an der un~eren Hemisph~tre.

Fig'. 5. Weiter vorgeschrittenes Stadium mit kleiner FurcllungshSlfle und Beschr~inkung" der Thei lung auf die dunkle Eih~tlfte. 20 Stunden nach Bef'ruchtung.

Fio'. 6. Zwangslagenei, das 11 Stunden nach Befruchtuno" conservirt wurde. Die Bildung- der FurchungshShle ist unterblieben. Dim vorher bestandenen Zell~4'renzen sind im Rindeno'ebiet infolg'(~ der Zwangslage wieder grS~stentheils verschwunden.

Fig. 7. In diescm Ei ist infolge der Zwangslage eben/'alls die Bildung des Blastocoels unterblieben. Ein ~Iantel yon nicht mehr iu Zellen g'etheilter Eisubstanz bildet, dureh eine scharfe Linie (g) yon den centralen Zellen abg'egrenzt, die Rindenschieht des Eies, besondcrs im Bereich der dunklen Hemisphiire.

Fig. 8. Aelmlich wie Abb. 7, doch tritt der durch die Zwangslage zer- stiirte Zellmantel noch deutlicher hervor. Auch flndet sich auf der Oberflitche eine yon der hellen Hemisph~ire ausgehende schmale Rindenzone durchgebrochenen weissen Dotters, die bis aut ' die dunkle Hemisphiire heraufreicht; g wie vorher.

Fig. 9. Durchschnitt eines Eies in dem Gastrulastadium, das sich in l a b i l e r Gleichgewichtslage mit hellem Feld nach obeu im Wasser entwiekelte. Der Dotter ist in das Ei eingesunken. Der Urdarm ist eng, und yon der Furchung'shShle ist nichts mehr zu sehen.