ueber die constitution und basicität der milchsäure

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des Alanins azis Mlchsaure. 223 Der Versuch, das Chlorpropioxylchlorid unmittelbar durch Behandlung mit wisserigem Ammoniak in Alanin zu verwan- deln, gab nicht das gewunschte Resultat. Wie es schien, bildete sich hierbei nur milchsaures Ammoniak. XI. Ueber die Constitution und Basicitat der Milch- saure ; von Demselben. - Ueber die chemische Constitution der Milchsaure , des Alanins und selbst der Chlorpropionsaure, so wie namentlich aiich iiber die Basicitat der ersteren herrschen gegenwartig verschiedene Ansichlen. In einer kiirzlich erschienetien Ab- handlung iiber die Constitution der Milchsaure hat W urtz seine friihere Annahme, dars die Milchsaure eine zweibasische Saure sei, vertheidigt und zu Gunsten derselben neue Argu- mente beigebracht, welche die zuletzt von Ulr ic h und mir '3 fur die Monobasicitat derselben geltend gemachten Griinde entkraften sollen. Ich sehc mich hierdurch veranlafst, diesen Gegenstand nochmals , und niit besonderer Rucksicht auf jene Arbeit von Wurtz, yon ncutralem Standpunkte aus zu beleuchten. Man hat bei Erorterung der Prage nach der chemischen Constitution obiger Verbindungen in erster Linie zu beriick- sichtigen, d d s die. Propionsaure , Chlorpropionsaure , Amido- propionsaure ( Alanin) und Oxypropionsaure ( Milchsaure 1 unter sich im genauesten Zusammenhange stehen, dafs die Chlorpropionsaure Abkommling der Propionsaure ist, dals wir *) Diem Annalen CIX, 257 ff.

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des Alanins azis Mlchsaure. 223

D e r Versuch, das Chlorpropioxylchlorid unmittelbar durch Behandlung mit wisserigem Ammoniak in Alanin zu verwan- deln, gab nicht das gewunschte Resultat. Wie es schien, bildete sich hierbei nur milchsaures Ammoniak.

XI. Ueber die Constitution und Basicitat der Milch- saure ;

von Demselben. -

Ueber die chemische Constitution der Milchsaure , des Alanins u n d selbst der Chlorpropionsaure, so wie namentlich aiich iiber die Basicitat der ersteren herrschen gegenwartig verschiedene Ansichlen. I n einer kiirzlich erschienetien Ab- handlung iiber die Constitution der Milchsaure hat W u r t z seine friihere Annahme, dars die Milchsaure eine zweibasische Saure sei, vertheidigt und z u Gunsten derselben neue Argu- mente beigebracht, welche die zuletzt von U l r i c h und mir '3 fur die Monobasicitat derselben geltend gemachten Griinde entkraften sollen. Ich sehc mich hierdurch veranlafst, diesen Gegenstand nochmals , und niit besonderer Rucksicht auf j e n e Arbeit von Wurtz, yon ncutralem Standpunkte aus zu beleuchten.

Man hat bei Erorterung der Prage nach der chemischen Constitution obiger Verbindungen in ers ter Linie zu beriick- sichtigen, d d s die. Propionsaure , Chlorpropionsaure , Amido- propionsaure ( Alanin) und Oxypropionsaure ( Milchsaure 1 unter sich im genauesten Zusammenhange s tehen, dafs die Chlorpropionsaure Abkommling der Propionsaure ist, dals wir

*) Diem Annalen CIX, 257 ff.

224 K O Zbe, uber die Constitution

jene durch einfache Substitutionsprocesse in Amidopropion- saure und Oxypropionsaure verwandeln , dafs wir ferner aus der Oxypropionsaure durch nicht minder einfache Processe die Chlorpropionsaure , Amidopropionslure und Propionsiiure selbst, letztere sogar direct, regeneriren.

Als vor 20 Jahren D u m a s die Trichloressigsaure ent- deckte, glaubte man auf Grund falscher Voraussetzungen, dafs dieselbe nicht mehr die Constitution der Essigsaure haben konne.

Als aber bald darauf M e l s e n s die weitere Entdeckung machte, dafs sich in der Trichloressigsaure alles Chlor direct gegcn Wasserstoff austauschen und dafs sie so gradezu wieder in Essigsaure sich verwandeln lasse , zweifelte Nie- inand rnehr daran , d a t die Essigsiiure und Chloressigsaure, wie auch die spater entdeckten Monochloressigsaure und Dibromessigsaure, die analogen naheren Bestandtheile in der- selhen Weise gruppirt enthalten. Mit demselben Rechte, meine ich, darf man behaupten, dafs jene Abkommlinge der Propionsaure, resp. Milchsaure, gleich constituirt sind und dem- selben Typus angehoren, da sie sich durch die einfachsten Substitutionsprocesse vor- und riicltwarts in einander ver- wandeln lassen.

Dieh scheint W u r t z auch bis zu einem gewissen Grade anzuerkennen, da e r ausspricht , d a b die zweibasische Natur der von der Chlorpropionsaure derivirenden Milchsaure nicht wohl mi€ der Vorstellung vereinbar s e i , dafs diese Chlor- proyionsaure noch die Constitution der Propionsiiure selbst hale.

W u r t z sagt in jener Abhandlung, naclidem e r eine in- teressante neue, aus buttersaurem Kali und Chlorpropionsaure- ather erhaltene Verbindung beschrieben hat, deren Zusam-

I (C,H,O,)" inensetzung e r durch die Forinel : (C8H702)' O4 ausdriickt,

Folgendes : C C J 5 1 '

und Basicitat der Milchsiiure. 225

,Der Name : Chlormilchslurelther, den ich gewilllt habe,

und die Formel : driiclcen genau jene Art d e r

Substitution aus. Aber man kann auch das Chlor, wie die neueren Versuclie von U 1 r i c h ergeben haben , durch Was- serstoff substituiren und gelangt dann in die Propionsaure- reihe. D c r von K ol b e fur j e n e Verbindung vorgeschlagene Name : Chlorpropionsaureatlier ist passcnd , um diese letzte Art der Substitution auszudrucken, ihm enlspricht die ratio-

Man kann so dem Product

der Einwidcung des Alkoliols auf ClilorlactyT zwei rationelle Pormeln beiZegen und zwei Namen geben (Chlormilchsaure- ather und Chlorpropionsaureather) , je nach den Reactionen, welche man ausdruclren will.“

Ich bekenne, dafs ich ein so weiles chemisches Gewissen nicht besilze und ein solches Dogma niemals untersohreiben miichte, auch wenn mehr als eine schwache Hypothese auf dem Spicle stande. Ich bin der Ansicht, dafs W u r t z mit jenen Worten seiner Hypothese selbst das Urtheil ge- sprochen hat.

Wenn anders xwei isomere liorper darurn verschiedene Substanzen sind, weil s ie ihre niiheren Bestandtheile verschie- den gruppirt enthalten, wenn ferner die rationelle Zusammen- setzung, der enipirischen Zusammensetzung gegenuber , die- jenige ist., welclie die nltieren Bestandtheile einer Verbin- dung nebst der RolIe, welche diese darin spielen, angiebt, und wenn endlich die rationelle Formel der symbolische Ausdruck is1 von der Vorstellung, die wir uns zur Zeit uber die rationelle Zusammensetzung cines Iiorpers machen , so kann unmiiglich , wie W u r t z vom Chlorpropionsaureather meint, e ine Verbindung zugleich zwei rationelle Formeln haben, d. i. verscliieden constiluirt sein. Niemand wird die Ansicht

Annal. 8. Uhem. ti. Pharm. CXIII. Ud. 2. Heft. 15

226 KO 1 b e , uber die Constitution

theilen , d a t die Chlorpropionslure , welche Milchsaure er- zeugt, rnit der, welche durch Wasserstoff in Propionsaure verwandelt wird, nicht identisch, sondern blofs isomer sei.

Meine so eben ausgesprochene Behauptung , d a t eine Verbindung nicht verschieden constituirt sein , also auch nicht zugleich zwei rationelle Forrneln haben kann, rnochte vielleicht die Entgegnung veranlassen, dafs ich selbst schon einern Korper verschiedene rationelle Formeln gegeben habe. Ich bemerke hierzu Folgendes. Da die rationellen Formeln syrnbolische Ausdrucke der Vorstellungen sind , die wir uns z;ur Zeh iiber die chernische Constitution der chernischen Verbindungen machen, und da diese Vorstellungen rnit deni Fortschreiten der Wissenschaft Modificat.ionen erfahren, sogar sich total andern ktlnnen, so werden selbstverstandlich fur unsere berichtigten Ansichten iiber die naheren Bestandtheile eines Korpers und ihrer Stellung zu einander auch die sym- bolischen Ausdrucke sich andern. Eincr Verbindung gleich- seitig zwei verschiedene rationelle Forrneln vindiciren, d. h. aussagen, dafs sie bald diese , bald jene Korpergruppe als nahere Bestandtheile, vielleicht sogar auch noch auf ver- schiedene Weise mit einander verhunden enthalte, wie W u r t z' beide Formeln fur den Chlorpropionsiureather aus- drucken :

heifst etwas Unrnogliches hehaupten.

Ueber die chernische Constitution und Basicitat der Milch- saure hahe ich, gestutzt auf ihre Bildungsweise und Beziehun- gen zur Propionsarire, so wie auf Grund ihres gesammteri chernischen Verhaltens (diese Annalen CIX, 257), die Ansicht ausgesprochen, dafs sie eine einbasische SIure und ein Ab- kornmling der Propionsaure sei, aus dieser durch Austauscli

rind Basicitat der Milchsaure. 227

eines Wasserstoffatoms gegen ein Atom der einatomigen Ver- bindung HOz entstanden , welche letztere entweder wirklich Wasserstoffsuperoxyd , oder eine isomere Substanx ist.

Ich will hier meine Ansicht noch praciser dahin aus- sprechen, dars ich die Milchsiiure wie die Propionsaure fur Derivate der h'ohlensaure halte , und zwar durch Austausch eines ihrer beiden extraradicalen Sauerstoffatome, bei dieser durch Aethyl, bei jener durch Oxyathyl entstanden :

[C,O,] 0, Kohlensiiure HO . (C4€15)[C20z] 0 Aethylkohlensaure (Propionslure)

KO . (C, f ~ ~ e ) [ C , 0 2 ] , 0 Oxy&thylkohlensiiure (Milchsiiure).

W u r tz betrachtet dagegen die Milchsaure als zweibasische

Saure, nach der Formel : (c6H42)1'104=2H0. (CsH40a)"Oa

zusammengesetzt.

Es scheint mir hier vor Allem eine Verstandigung dar- iiber nothwendig zu sein, welche Siiuren man als zweibasische anzusprechen hat. Ich meine, dafs man allgemein diejenigen Sauerstoffsauren als zweibasisch betrachtet , welche mit den Metalloxyden zwei Reihen yon Salzen , neutrale und saure bilden , nach folgenden allgemeinen Formeln zusammen- gesetzt :

2 HO . @)"Oz oder

. ( ~ ~ 4 0 , oaer

2 MO . (R)"o, oder

welche ferner neutrale u n d saure Aether bilden :

g2']04 zweibasischc SSure

";;}04 mure8 salz

M, 10, neutrales Salz, R"

AeO HO /(Ji)"O, oder Ae R i I 0, saiirer Aether (Aethersiiure)

2 AeO . (R)"O, oder

und welche einbasische Amidslluren und Diamide bilden, deren erstere von den sauren, und letztere von den neu-

R"}O, ncutraler Aether, 4

15 *

228 Ko I b e , iiber die Constitution

tralen Ammoniaksalzen durch den Mindergehalt von zwei, resp. vier Atomen Wasser sich unterscheiden :

HO . (R)"H2NO oder NHzE'}O, einbasische Aminsawe

Diamid.

Aufserdem ist in Bezug auf den vorliegenden Fall noch der Umstand zu beachten, dafs unter rillen AIS zweibasische Sauren mit Sicherheit bekannten Verbindungen keine existirt, die nicht gerade mit den Alkalien, iiberhaupt den starken Basen neutrale Salze giebt. Untersuchen wir n u n , niit wel- chern Rechte die Milchslure als zweibasische Saure betrachtet werden kann, so ergiebt sich Folgendes :

1) Es i s t kein einziges soy. ncutrales, zwei Atome Metalloxyd enthaltendes milchsaures Salz belcannt. Das von E n g e l h a r d t u n d M a d d r e l l * ) UntersuchteKupfersalz, dessen Zusamrnensetzung W u r t z zu Gunsten seiner Ansicht anfuhrt, s t durch Schlammen von anderen gleichzeitig gebildeten unloslichen Kupfersalzen zu trennen gesucht. Wie uberhaupt durch dieses Verfahren eine scharfe Trennung solcher Ver- bindungen nicht wohl zu bewerltstelligen ist, so differirt der gefundcne Kupferoxydgehalt von dcm nach W u r tz' Formel herechneten urn 2,7 pC. und der Kolilenstoff um 1,2 pC. Dieses Kupfersalz ist daher fiir obige Frage vollkomrnen be- deutungslos. Eben so wenig kann das einerseits von E n - g e l h a r d t und M a d d r e l l , andererseits von B r u n i n g * * ) untersuchte Zinnoxydulsalz, welches nach der Formel : 2 SnO, C&O4 zusanimengesetzt sein S O H , fiir die Frage nach der BasicilPt der Milchsiiure e in Argument abyeben. Zinnsalze eignen sich nebst den Wis~nuthsalzen iiberhaupt riicht zur Bestirnmung des Atomgeuvichts oder der Siittigungscapacitiit,

*) Diese Annalen LXIII, 93. **) Dieso Annalen CIV, 192.

und Basicitat der Milchsiiure. 229

w a s auch der vorliegende Fall deutlich zeigt, da das von E n g e l h a r d t und M a d d r e l l dargestellte Salz, und das, welches B r u n i n g nach demselben Verfahren bereitet hat, irn Zinnoxydulgehalt um I , ? pC. differiren. Auch pafst keine der angestellten Analysen besonders gut zu obiger Formel.

Gesetzt aber auch, es fande hier zufallig Uebereinstim- niung s ta t t , wie kommt es, mufs man fragen, dafs kein sog. neutrales milchsaures Salz mit zwei Atomen Alkali oder al- kalischer Erde hat dargestellt werden konnen, dafs fast alle angeblich sauren Salze, selbst das Zinksalz, neutral reagiren, wlhrend doch die sauren S a k e selbst der schwachsten zwei- basischen Sauren, mit Ausnahnie der Kohlensaure, saure Re- action haben ?

Wer unhefangen die Zusammensetzung und Eigenschaften der milchsauren Met.allsalze betrachlet , kann densclben kein Argument f i r die zweibasische Natur der Milchsaure ent- nehrnen.

2) Es ist Jcein sog. neutraler, zwei Atome 6asisches Aet?q$oxyd *) enthaltender Aether der MilcJisZure bekannt. Dieser Satz scheint in geradem Widerspruch zu stehen mit der kurzlich von W u r t z gemaehten Entdeckung d e r s e h r interessanten Verbindung, welche durch Behandlung des Chlorpropionslureathers rnit Aethyloxyd-Natron entsteht, und welche W u r t z fur den neutralen Aether seiner zweibasischen

. (CsHd02)OZ. Milchsaure halt, namlich :

So beredt auch diese Fornieln sprechen rnogen, so ent- scheidet doch hier wie iiberall die Formel, ein Symbol, allein Nichts. Es niufs neben der Entstehungsweise der Verbindung auch das chemisclie Verhalten beriicksichtigt werden.

CC4H5)'a

*) Dns Aethyloxyd ning Iiier wie fernerhin der Kiirze hnlber als Reprasentant der baaischeii Oxyde dcr Actherradioale iiberhaupt gelten.

230 KO 26 e , u6er die Constitution

Die neutralen Aether d e r zweibasischen Sauren stimmen darin uberein, dafs sie beim Kochen rnit Natronlauge ent- weder geradezu in Alkohol und die Natronsalze der prirnlren Sauren zerfallen (Oxalather), oder dafs sie nur die Halfte des Aethyloxyds als Alkohol ausgeben und dann in Aether- sauren ubergehen (schwefelsaures Aethyloxyd), die dann aber , nachdem sie vom Alkali durch eine starkere Saure ge- t rcnnt s ind, beim Kochen rnit Wasser in Alkohol und die ursprungliche zweibasische Saure zerlegt werden.

Man darf demnach auch erwar ten , dafs j e n e r neutrale Aether der vermeintlich zweibasischen Milchsaure durch KO- chen rnit wasseriger Natronlauge sogleicli in Alkohol und milchsaures Natron oder in Alkohol und Aethermilchsaure zerfallt, welche letztere, vom Natron durch Salzsaure getrennt, in wiisseriger Losuny beim Kochen Milchsaure und Alkohol geben murste. Eine Verbindung von der Zusanimensetzring

dieser problematischen Aethermilchsaure : H

C4H50 . (C6H400)Oa ist in der That bekannt; es ist die von H01 S t r e c k e r entdeckte, nls milclisaures Aethyloxyd beschriebene Verbindung : C4H50 . CGH505, welche man durch Destillation von milchsaurem Kalk mit atherschwefelsaurem Kali erhiilt. Da diese schon in Beriihrung rnit Wasser in Alkohol und Milchsaure zerfallt, so mufste im Fall der Identitat j e n e r neutrale Aether von W ur t z mil kochender wasseriger Na- tronlauge sogleich sich in Alkohol und Milchslure zerlegen.

W u r t z hat leider hieriiber keine Mittheilungen gemacht. Ohne den Korper in Handen gehabt zu hitben, und ohne W u r t z vorgreifen zu wollen , glaube ich rnit Bestimmtheit voraussagen zu konnen, dafs das chemische Verhalt.en desselben ein ganz anderes i s t , als es sein miirste, wenn

und Basicitat der Milchsiiure. 23 i

e r tier neutrale Aether einer zweibasischen Milchsaure ware. - Er ist offenbar nichts Anderes, als der Aether der Oxy- athylpropionsaure, einer Propionsaure, welche 1 At. Wasser- stoff durch die Elemente von 1 At. Oxyathyl : C4H502 in derselben Weise substituirt enthalt , wie dasselbe bei der Milchslure durch HOz vertreten ist :

Seine Bildung aus Chlorpropionsaureather und Aethyloxyd- Natron ist der Entstehung von Milchslure aus Chlorpropion- sauro und Natronlauge durchaus entsprechend :

NaO . (C4/~{)[C202],0 +Na0.HO=Na0.(C4/~z)[C202], 0 f NaCl .-- ---A

chlorpropions. Natron oxypropions. Natron

C,H,O. (C4{ %)[CB02], 0 + NaO . C,H,O -- --A

chlorpropions." Aethyloxyd

= C4Hd3 ' (c4~c4~02})rc20zl, 0 + NaCl --- oxyiithylpropions. Aethyloxyd.

Dieses oxyalhylpropionsaure Aethyloxyd wird sich beim Kochen mit wlsseriger Natronlauge in Alkohol und oxyathyl- propionsaures Natron zerlegen (ich wahle in nachstehender Gleichung das Zeichen AeOe fur C4H502) :

C,H,O . ( C 4 { A ~ $ [ C 2 0 1 ] , 0 + NaO . HO ----- oxyiithylpropions. Acthyloxyd

= NaO . (C4/A:$[C202], 0 + C,H,O. HO L- -

o x y 3 t h y l y r o G . Natron.

Durcli fortgesctztes Kochen mit Natronlauge wird es nicht gelingen , dieses Nalronsalz in niilchsaures Salz und Alkohol zu verwandeln, und such die freie Oxyathylpropion-

saure : H O . ( C, 1 Ae02 H4 > [ C p 4 ] , 0 wird i n wasseriger Losung

anhaltendes Kochen vertragen, ohne sich zu zersetzen , wo-

232 Kolb e , Uber die Constitution

durch allein schon sie sich von dem isomeren eigentlichen

Milchsaureather : C4H50, C4 HO [Cs02], 0 unterscheidet. ( iH9 Ich vermuthe , dafs die Oxyathylpropionsaure mit der

Anissaure gleiche Constitution hat, dafs namlich letztere voii

der Benzo6saure in gleicher Weise derivirt, wie jene von der Propionslure, was sich in folgenden Formeln ausspricht :

OxyinethylbenzoesLure (AnissLure) *).

Es bleibt noch durch einen Versuch zu ermitteln, ob erstere S#ure durch Erhitzen mit Baryt eine lihnliche Zer- setzung erfahrt, wic letztere, namlich in kohlensaurem Baryt

und Aether oder die isomere Verbindung : CA C4H502 ( I H4 IH. Ich halle es ubrigens fur wahrscheinlicher, dal's hierbei eine tiefer eingreifende Zersetzung eintritt, da man auch durch Erhitzen von milchsaurem Iialk niit Kalkhydrat oder Natron-

kallr kein Aethyloxydhydrat, noch auch das isomere ( C 4 \ a 2 ) H erhalt.

Jene Versuche iiber das Verhalten des in Rede slchenden Aethers gegen kochende Natronlauge, deren Mittheilung wir von W u r t z erwarlen durfen , werden ergeben, daCs der Aether das eine Atom Aethyl in ganz anderer Verbindungs- weise enthiilt, als das andere, und d a k e r nicht der neutrale Aether einer zweibasischen Saure ist.

*) Icli habe meiae in diesen Annalen CIX, 267 durch dic Formel :

130 .(C,,[ zG2)C,0,, 0 aasgedriickte Ansicht voii dcr Zusammnen-

setzungsweise der AnissLure aufgegcben. Ich vennntho, dafs dio init der Anissllure isomere Mandclsanre jene Toluylsame ist, welchc 1 Atom Wasserstoff dureh HOz substituirt enth&lt.

und Basicitiit der Milchsaure. 233

3) Es ist weder eine Aminsaure noch ein Dimid der Milchsazire iiekannt. - W u r t z giebt an, durch Behandlung des obigen neutralen Aethers seiner verrneintlichen zwei- basischen Milchsaure mit Ammoniak einen Lactaminsaiireather von der Zusammensetzung :

erhalten zu haben, und vergleicht diese krystallinische Ver- bindung mit dem Oxaminsaureather (detn Oxamethan). Der- sellie fuhrt jedoch fur seine Ansicht weiter nichts an, als die durch die Analyse feslgestellte procentische Zu- sarnmensetzung , die allerdings mit der aus jener Formel berechneten iibereinstimmt. Ware die Verbindung wirklich Lactaminsaureather , so niiifste sie , gemafs dem Verlialten aller Aminsaureathcr, durch kocliende verdiinnte Natronlauge in Alkohol, Amrnoniak und Milchsaure zerlegt werden. Wenn W u r t z diesen Versuch anstellt, so wird er, wie ich zuver- sichtlich glaube, finden, dafs die Verhindung in Ammoniak und oxyathylpropionsaures Natron zerfiillt , denn sie ist in Wirklichkeit nicht Lactaminsiiureather , sondern Oxyathyl-

W u r t z fuhrt endlich zu Gunstcn seiner Ansicht uher die zwcihasisclie Natur der Milchslure noch an, dafs es ihm gelungen sei, aus den1 Chlorpropionsiureather durch Erhitzen init buttersaurern Kali in allcoholischer Losung einen neutralen Aether der zweihasischen Milchsaure zu gewinnen , welcher das sauersloflhaltige Radical der Buttersaure enthalte. Er be- trachtet diese gewifs sehr inlcressante Verbindung nach der

mengesetzt. Ueber ihr chemisches Verhalten hat W 11 r t z bis jetzt nur mitgetheilt, dafs sie beim Erhitzen mit kaustischem

234 KO 26 e , uBer die Constitution

Kali in einer hermetisch verschlossenen Riihre Alkohol er- zeugt und dafs sich dahei zugleich auch die von dern Aethyl-

I (cS~r4o2y oxyd getrennte Milchbultersaure : (C8H702)' O4 zu spalten

H scheine.

Wenn die Verhindung diese Zusaminensetzung hattc, so wurde sie bei jener Zerselzung durch Alkalien oder durch Kochen mit Sauren, analog dern Verhalten der BenzoBinilch- saure, in Buttersaure und pllilchslure zerfallen. Ich mine jedoch, dafs sic eine ganz andere Zusamirrensetzung hat und dafs sie andere Zersetzungsproducte liefert. Ich halte sie fur den Aether einer Propionsaure, welche ein Atom Wassersloff durch ein Atom des Butterslureradicals : (C&)C202 substituirt enthalt, in welchem letzteren wiederum ein Atom Wasserstoff durch H 0 2 ersetzt ist. Es ist also, wenn man ihr einen der Zusamniensetzung entsprechenden Namen gehen will, Oxy- butyroxylpropionslurelther :

Durch dicse Znsarnmensctzun~sweise reiht sich die Oxy- bulyroxylpropions~ure, wie auch W u r t z bemerlrt hat, nur i n andererri Sinire, an die Benzomilchsiiure, Benzoglyrolsaure und dic analog constituirte Hippurslure :

OxypropioxylbenzoEs#ure (Benzomilchsiiure).

OxyacetoxylbcnzoiisLure (Benzoglycolslure). HO,

und Basicitat der Nilchsaure. 235

Wie erstere beim Kochen mit verdiinnter Salzslure sich in Benzoesaure und Milchsaure, resp. Aniidoessigsaure (Glyco- coll) und Oxyessigsiiure spalten, so wird auch die Oxybutyryl- propionsaure, welche in jenem von W u r t z entdecklen Aether enlhalten ist, in Propionsaure und Oxybuttersaure zerfallen :

* Oxybutyr oxyl*y ropionsaurc

= HO . (C,H5"2O,l, 0 + HO * (c,(~~z)[c20,1, 0 _- --.- PropionsLure Oxybuttcrshre.

Es ist abzuwarten, in wie weit die Versuchc, mit denen W u r t z eben beschiiftigt ist, diese Vermuthung beslatigen werden.

Ich glaube durch vorstehende Beleuchtung der von W u r t z fur seine Ansicht uber die Constitution und Basicitat dcr Milchsaure beigebrachten Argumente dargethan zu haben, d a t keine Thatsache vorlieyt, welche dieselbe wirlrsam unter- stiitzt oder uberhaupt zu ihren Gunsten spricht. Die neu ent- deckten Verbindungen, welche W u r t z fur seine Meinung geltend macht, sind, mie ich gezeigt habe, auch einer aiideren Aufltssung fahig, und die zu erwartenden weiteren Unter- suchungen von W u r t z werden lehren, ob sie nicht vielmehr, wie ich vermuthe, grade seine Ansictit widerlegen.

Ich lasse zutn Schlusse hier eine Zusamtnenstcllung der Verbindungen folgen, die wir als einfache Abkommlinge der Propionsaure kennen :

HO * (C4H.s",021, 0 Propionsaure.

HO * (GI HC;)[C,O21, 0 Chlorpropionsgure.

Oxypropionsaure (Milchsiiure).

236 K o 16 e, iiber die CotLstitUtion

Diesen schliefsen sich noch an das : (C4H5"2O,l, c1 Proyioxylcblorid.

(c4{ 3)[C*O*l~ c1 Chloryropioxylchlorid.

Ich habe S. 233 dic Meinung ausgcsprochen, dafs alle Aminsluren unter dem Einflufs von kochender Natronlauge in Arnmonialr u n d ein Natronsalz der primiiren Sauren zer- fallen. Damit stirnrnt allerdings das Verhalten des Glycocolls, Alanins, der AmidobenzoWure u. s. w. nicht iiberein, die von einigen Cheniikern als Aminsiiuren betrachtet werden. Ich bin der Meinung, dafs die genannten Verbindungen, abgeselien davon, dafs sie durch ihre Bildungsweise und ihr chemisches Verhalten iiberhaupt sich von den Aniinsaurcii weseirtlich unterscheiden, eben delshalb auch nicht als Aminsluren an- gesprochen werden durfen, weil sie durch kochende wasserige Alkalien nicht verandert werden. Sie sind, was ich fur voll- standig erwiesen erachte, niclit Aminsluren, sondern Amido- sauren, Derivate einbasischer SLuren, welche im Radical ein Atom Wasserstoff durch ein Atom Amid ersetzt enlhalten, und verdanken eben diesem Amid die deutlich basischen Eigenschaftcn, die sie fiihig machen, sich mit starken Sauren zu Salzen zu vereinigen.

Wie beim Anilin belranntlich der basische Character mit jedem Atom Chlor, welches in die Verbitidung eintritt, mehr und mehr abnimmt, zulctzt ganz verschwindet, so sehen wir umgekehrt die Aciditat einer Saiire sich vermindern, und die SIure sogar basische Eigenschaften erlangen , wenn fur Wasserstoff Amid in dieselbe eintritt. Auch indifferente Korper werden auf diese Weisc zu wahren Basen. Wir

ttnd Basicitit dey Milchsiiure. 2 37

sehen diefs deutlich Rn den amidirten Derivaten des sog Sulfobenzids , desjenigen Abkommlings der zweibasisehen Schwefelsaure, welcher die beiden extraradicalen Sauerstoff- atome durch zwei Atome Phenyl suhstituirt enthllt.

Die Schwefelsaure , welche ihre Dibasicitat den beiden extraradicalen Sauerstoll'atonien verdankt , wird zu einer schwacheren einbasischen SBure , wenn das eine Sauerstoff- atom durch ein heterogenes Radical, z. B. Phenyl, sub- slituirt ist :

2 HO . [S,0,], 0, Schwefelskre

Phenylschwefelssurc ; HO . [S,O,] { 'ZH5 sie gelit in einen indifferenlen Korper uber, wenn beide Sauerstoffatome durcli Phenyl ersetzt werden :

[S*041 gg Sulfobenzid.

Die Verbindung erlangt Basicitat und die Eigenschaften eines Monoamins, wenn das eine Atom Phenyl zu Amido- phenyl wird; sie verhalt sich wie ein Diarnin, wenn zwei Atome Amidophcnyl die Stelle der primaren beiden extra- radicalen Sauerstoffatotne einnehmen :

(Cl2Hd [SZO4]{ cc,, {zN)} . HC1 Amidosulfobenzid-Chlorwasserstoff

1 , 2 HC1 Diamidosulfobenxid-Dichlorwasserstof.

Snuerstoff und Amidophcnyl, wie iiberhaupt derartige amidirte Radicale, erzeugen mit einem zweiatomigen Saure- radical Verbindungen yon ganz entgegengesetztem chemischern Character, ersterer Sauren, lelztere Basen, rind zwar je iiach der Zahl der Sauerstoff- resp. Amidophenylatome, jener ein- und zweibasische Siiuren, diese ein- und zweisaurige Basen.

In dem Abkommling der SchwefclsPurc , welcher noch eincs der beiden extraradicalen Sauerstoffatome besitzt , das

238

zweite aber durch Amidopheriyl substituirt enthalt , wie in

Ueher die Zerlegung der Kohlensaure

der Amidophenylschwefelsaure : HO. [ S z 0 4 ] . '('12/&>, uber- 1 0

wiegt noch schwach der saure Character. Bei anderen analog zusarnmengesetzten Verbindungen niit schwacherein Slure- radical, z. B. in der Ainidophenylkohlensaure (Amidobenxog-

saure) : HO . [C20z] ./(clzlI!$N), halten sich die sauren und 0

basischen Eigenschaflen das Gleichgewicht. Lelztere ist den starken Basen gegenuber eine Saure, den Sauren gegenuber eine Basis.

Jenes Arnirlo- und Diainidosulfobenzid lassen sich aller- dings auch noch anders formuliren und zwar aIs Monoamine und Diamine darstellen , nllein ihre Bildungsweise und gerade ihre Aehnlichlteit. mil den Amidosiiuren scheinen mir dieser Auffassung entschieden zu widersprechen.

XII. Vermischte Notizen.

1) Ueber d i e Z e r l e p n g der Kolzlensazwe durch gliihendes metallisches I<upfeer. -

Vor einiger Zeit theilte L i r n p r i c h t die Beobachtung mit , dars die Kohlensiiure von gliihendem metallischem Kupfer zu Kohlenoxyd reducirt werde. Bei der Wichtigkeit der Sache fur die organische Analyse stickstoffhaltiger Verbindungen wieder- h o b L a u t e m a n n jene Versuche und fand "), dars blanke

*) Diesc Aniialen CIX, 301.