Über die beziehungen zwischen funktion und verbrennungsvorgängen in der nervenzelle

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Aus dem Pharmakologisehen Institut 4er Universitfit Pges. [Jber die Beziehungen zwisehen Funktion und Verbrennungsvorg~ingen in der Nervenzelle. Von G. Mans~eld, Irene Seheff-]'feifer and Fr. v. Tyukody. Nit 7 Textabbildungen. (E~ingegange~ am 1. August 1988.) I. Einleitung. Es ist in einer Reihe yon Arbeiten 1 gezeigt worden, dal~ nervSse Funktionen beztiglieh ihrer Narkose eine Sonderstellung einnehmen, indem sie bei der geringsten iiberhaupt wirksamen Narkosekonzentration ihre Funlcbion v611ig einstellen oder was. dasselbe besagt, dal~ es dutch Narkose keine I-Ierabsetztmg, sondern nur ein vollstiindiges ErlSschen yon nerv6sen Fumktionen gibt (Alles-oder-Niehts-Gesetz der Narkose). Der Erklarungs- versuch Winters~eins ~, dag es sieh in unseren Yersuehen immer nut um die Lghmung yon Erregungsleitung handelte, welehe bekanntlieh dem Alles-oder-Niehts-Gesetz der Erregung folgt, kormte dutch den Naeh- weis widerlegt werden, dal~ unser Narkosegesetz aueh dann giiltig ist, wenn die Erregung nieht eine narkotisierte Streeke hinterlegen mug, sondern in den narkotisierten Zellen selbst entsteht, wie es z.B. bei der Narkose der Atemzentren der Fall ist. Die Tatsaehe, dag aueh die A~emfunktion durch die geringste wirk- same Narkotieumkonzentration v611ig gel~ihmt wird und wenn fiir Konstanz der NarkotieumkonzeIltration gesorgt ist es keine tterabsetzung, sondern nut eine v611igeLghmung der Atembewegungen m6glieh ist, wurde fiir den )~ther nieht nut beziiglieh der Atemzahl, sonderI~ aueh des Atemvolumens yon Kgrber und Lendle a gezeigt. Das Bemerkenswerte in dieser Arbeit ist, dal~ die Autoren nieht nut ein konstantes Narkosegemiseh einatmen liegen, sondern dies solange fortsegzten, his die Atherkonzentration im arteriellen und ven6sen Blur die gleiehe geworden, der Konzentrations- ausgleieh zwischen Blur und Gewebe also tats~ichlieh beendet war. Diese Versuehe waren also tags~chlieh geeignet ztt entseheiden, ob bei konstanter Konzentration im Gewebe eine Teilnarkose m6glieh sei oder abet jede Konzentration, die eine Iterabsetzung der Funktion bewirkt, zugleieh die vollst~indig liihmende ist. Das Ergebltis war, dag yon 45 Versuehen 24real Atemlghmung eintrat und in ienen 21 Versuchen, in denen kein 1 Naunyn-SehmiedebergsArch. 101, 259--296 (1924); 113, 305--337 (1926); 131, 268~304 (1928); 144, 142--163 (1929); 176, 78--95 (1934).- 2 Die Narkose, 2 Aufl., S. 98ff., Berlin, Julius Springer. 1926; Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 152, 34 (1930).- 3 Ebenda 160, 440 (1931).

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Page 1: Über die Beziehungen zwischen Funktion und Verbrennungsvorgängen in der Nervenzelle

Aus dem Pharmakologisehen Institut 4er Universitfit Pges.

[Jber die Beziehungen zwisehen Funktion und Verbrennungsvorg~ingen in der Nervenzelle.

Von G. Mans~eld, Irene Seheff-]'feifer and Fr. v. Tyukody.

Nit 7 Textabbildungen.

(E~ingegange~ am 1. August 1988.)

I. Einleitung.

Es ist in einer Reihe yon Arbeiten 1 gezeigt worden, dal~ nervSse Funktionen beztiglieh ihrer Narkose eine Sonderstellung einnehmen, indem sie bei der geringsten iiberhaupt wirksamen Narkosekonzentration ihre Funlcbion v611ig einstellen oder was. dasselbe besagt, dal~ es dutch Narkose keine I-Ierabsetztmg, sondern nur ein vollstiindiges ErlSschen yon nerv6sen Fumktionen gibt (Alles-oder-Niehts-Gesetz der Narkose). Der Erklarungs- versuch Winters~e ins ~, dag es sieh in unseren Yersuehen immer nut um die Lghmung yon E r r e g u n g s l e i t u n g handelte, welehe bekanntlieh dem Alles-oder-Niehts-Gesetz der Erregung folgt, kormte dutch den Naeh- weis widerlegt werden, dal~ unser Narkosegesetz aueh dann giiltig ist, wenn die Erregung nieht eine narkotisierte Streeke hinterlegen mug, sondern in den narkotisierten Zellen selbst entsteht, wie es z.B. bei der Narkose der Atemzentren der Fall ist.

Die Tatsaehe, dag aueh die A~emfunktion durch die geringste wirk- same Narkotieumkonzentration v611ig gel~ihmt wird und wenn fiir Konstanz der NarkotieumkonzeIltration gesorgt ist es keine tterabsetzung, sondern nut eine v611ige Lghmung der Atembewegungen m6glieh ist, wurde fiir den )~ther nieht nut beziiglieh der Atemzahl, sonderI~ aueh des Atemvolumens yon Kgrbe r und Lendle a gezeigt. Das Bemerkenswerte in dieser Arbeit ist, dal~ die Autoren nieht nut ein konstantes Narkosegemiseh einatmen liegen, sondern dies solange fortsegzten, his die Atherkonzentration im arteriellen und ven6sen Blur die gleiehe geworden, der Konzentrations- ausgleieh zwischen Blur und Gewebe also tats~ichlieh beendet war. Diese Versuehe waren also tags~chlieh geeignet ztt entseheiden, ob bei konstanter Konzentration im Gewebe eine Teilnarkose m6glieh sei oder abet jede Konzentration, die eine Iterabsetzung der Funktion bewirkt, zugleieh die vollst~indig liihmende ist. Das Ergebltis war, dag yon 45 Versuehen 24real Atemlghmung eintrat und in ienen 21 Versuchen, in denen kein

1 Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 101, 259--296 (1924); 113, 305--337 (1926); 131, 268~304 (1928); 144, 142--163 (1929); 176, 78--95 (1934).- 2 Die Narkose, 2 Aufl., S. 98ff., Berlin, Julius Springer. 1926; Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 152, 34 (1930).- 3 Ebenda 160, 440 (1931).

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Beziehungen zwiscben Funktion und Verbrennungsvorggngen in der Ner~'enzelle. 573

Atemstillstand erfolgte, weder die Frequenz noch das Atemvolumen eine Herabsetzung erfuhr. Die Autoren fassen ihre Ergebnisse mit den Worten zusammen: ,,Aus unseren Befunden geht hervor, dal3 wir keine ~ther- konzentration aufgefunden haben, die das Atemvolumen auf ein konstantes Niveau herabzusetzen vermag. Alle Atherkonzentrationen, die das Atem- volumen senkten, fiihrten zum Atemstillstand."

Der Einwand, daB bei Anwendung yon Barbiturs~urederivaten die Atemzah] unter die Norm sinken kann4, ohne dab Ateml~hmung eintreten wiirde und daJ3 auch die C O~-Enlpfindlichkeit lange vermindert sein kann, was unserem Narkosegesetz widerspricht, lieB sich dadurch entkr~ften, dab der Nachweis yon uns gefiihrt wurde 5, dal] es sich dabei um die T~tig- keit eines Hemmungszentrums handelt, welches nach Aussehaltung hSherer Regulierzentren, z.B. dutch Barbiturs~urederivate, in Aktion tritt.

In wei~eren Versuehen lie J3 es sieh zeigen, dab die nervSsen Funktionen nieht nur narkotische Mittel, sondern alle l~hmenden Eingriffe wie Curare, W~rme, O2-Mangel in ~hnlicher Weise dutch vSlliges Einstellen der T~tig- keit beantworten, so dab wit sehlieften mul3ten, dal3 es sich nicht nut mn eine besondere Reaktion zwischen Narkoticum und Nervenzelle handelt, sondern daB wires mit einer Eigenschaft der Nervenzelle zu tun haben, naeh welcher sic im Oegensatz zu anderen Zellarten auf alle l~hmenden Sch/~dlichkeiten mit dem Einstellen ihrer T~tigkeit antwortet.

Versuche, dutch welche wir 5 die zentrale Regulation der Atmung n~Lher kennen lernen wollten, fiihrten aber zu einem Ergebnis, welches uns zu einer Revision dieser Anschauung zwang. Wie schon friiher an- gedeutet wurde, fiihrten diese Versuche zu dem Ergebnis, dab oberhalb des medull~ren Atemzentrums Bin ttemmnngszentrum sieh befindet, dutch welches die Atembewegungen entweder v6l]ig stillgelegt, oder sehr verlangsamt werden. Diese Verlangsamung der Atmung kann nun nach unserer Erfahrung beliebig lange anhalten, ohne dab die Atembewegungen zum Stillstand k~men. Wird das Hemmungszentrum entfern~, so findet sofort eine Beschleunigung der Atembewegungen statt. In Abb. 1 zeigen wit das Auftreten dieser Hero,hung naeh Ents von Kleinhirn und oberer Bri[ekenh~lfte nnd ihr Schwinden nacn Abtragen der oberen Medulla durch einen Schnitt zwischen der Austrittsstelle des achten nnd neunten Hirnnerven.

Die Tatsache, dab dutch Funktion eines Hemmungsapparats die T~tigkeit eines nervSsen Zentrums dauernd herabgesetzt sein kann, ohne stillgelegt zu werden, sprach dafar, da_f] Hemmung und Narkose wesens- verschiedene Vorg~nge sind, die vielieicht mit verschiedenen Mechanismen die T~Ltigkeit der Nervenzelle herabsetzen. Da wir seit den Untersuchungen yon Hess s wissen, dab Hemmungsapparate beim Zustandekommen des

Issekutz, B. v.: Naunyn-Schmiedebergs Arr 180, 498 (1936). - - Mansfeld, G., u. Fr. v. Tyukody: Arch. internat, de Pharm. et de Therapie

54, 219 (1936).- 6 Hess, W.R.: Kiln. Wschr. 12, 129 (1933). Archly f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 190. 38

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574 G. ~ANSFELD, I. SC~I~-PFglI,'ER. und F~. v. TYUKODu :

Schlafes eine grol3e RoUe spielen und dieser mit Restitutionsvorg~ngen, also wahrscheinlich aueh mit Stoffwechselprozessen, innig verkntipft ist, wurde an die M6gliehkeit gedaeht, dab w~hrend die Hemmung unmittelbar die Oxydationsvorg~nge der Zelle herabsetzt, die N a r k o t i c a auf ein ganz ande res S u b s t r a t der Zelle e i nwi rkend die spez i f i sche Ze l l f unk t i on au fheben , ohne die Oxyda~ionsvorgi~nge zu bee in t r / i ch t igen .

Urn diese Hypothese zu priifen und dadureh besseren Einbliek in die Vorg~nge bei der Narkose und der Hemmung zu bekommen, mugte einer- seits untersueht werden, ob die p r imare H e r a b s e t z u n g der Oxy- d a t i o n s v o r g ~ n g e die nervSse Funktion i~hnlieh der Hemmung zu ver- m i n d e r n vermag, ohne sie stiilzustellen, andererseits, ob Narkotiea in

Abb. 1. A. Atmung eines Kleinhirnhundes. B. Atmung m~ch Entfernen yon Kleinhirn und oberer Brttckenh~ift,e. C. Atmung nach Entfernen der oberen Medulla. Zeitmavi~e: 5 Sek.

j ener K o n z e n t r a t i o n , welehe die Funktion der Nervenzelle reversibel abet voltstgndig aufheben, dies ohne Anderung der Yerbrennungsprozesse tun. LTber das Ergebnis dieser Untersuchung wird im folgenden beriehtet.

II. Wirkung einer prim~ren _~nderung yon Verbrennungsvorg//ngen auf die T~tigkeit tier Nervenzelle.

Es ist beka, nnt, d a~ die l~. G.T.-Regel yon v a t ~ ' t H o f f auch ftir Lebewesen giiltig ist und dab die biologischen Oxydationen eine Funktion der Temperatur sind, ist seitdem wit im Besitze tier Warburgschen Methode den O~-u yon iiberlebenden Organen und Organzellen mit Leichtigkeit messen kSnnen, eine tausendfache Erfahrungstatsaehe geworden. Will man Temperatureinfliisse a~f die Funktion nervSser

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Beziehungen z w i s c h e n F u n k t i o n u n d V e r b r e n n u n g s v o r g ~ n g e n i n derNervenzel le . 575

Zentrea priifen, so mug man zentripetale Wirku~gen sowie sekund~re Einfliisse der Erw~rmung, z.B. auf den Stoffwechsel, anssehalten. Datum gentigt es nieht, z.B. die Anderung der Atemtiitigkeit bei versehiedener KSrpertemperatur zu bestimmen, wie es h~iufig sehon gesehah, weil dabei sowohl reflektorisehe W~rmewirkungen als aueh die Anderung der C_O 2- Produktion zu irrigen Ergebnissen fiihren kSnnen. Sehr gut Igl]t sieh aber die Wirkung einer Oxydationssteigerung dutch W~rme auf die Funk- tion der Nervenze]le am isoliert t~tigen rnedullaren Atemzentrum yon Hunden feststellen, welches, wie wir zeigen konnten s, ein nnunterbroehen automatiseh t~tiges Zentrum darstellt, dessen Tgtigkeit reflektoriseh vom Carotissinus aus gar nieht und yon der Bfutkohlensgure in sehr geringem Grade ver~ndert wird.

Wird einem Hund unter Vermeidung yon Blutungen, wie wit es bereits besehrieben haben 5, Grog- und Kleinhirn sowie der Hirnstamm bis 2--g mm

Abb. 2. T~tlgkei~ des medulli~ren Atemze~trums eines Hmades bei 400 nnd 360 C. Obe~a Atemzahl je :~Iinute. Zeitmarke: 5 8ek.

oberhalb der Austrittsstel[e vom neunten Hirnnerven entfernt, so finder eine sehr regelmal3ige Atmung start, deren Zahl eine sehr konsgante ist und geeignet ist, Temperatureinfltisse auf dieselbe zu untersuehen.

In Abb. 2 zeigen wir einen Versuch auf, in welchem die Temperatur des Tieres yon 400 C im L~ufe ~,on 50 Minuten m n @ C vennindert und dann wieder erhSht wurde, so dab naeh 11/~ Stunden die Anfangstemperatur wieder erreieht war. Der Versueh zeigt einmal die groge Konstanz der Atemzahl bei gleieher Temperatur und weiterhin die dauernd herabgesetzte Tgtigkeit bei verminderter Temperatur, welehe mit Qlo = 2,5 der van ,t Hoffsehen gegel entsprieht.

Aus diesem und allen anderen in gleicher Weise ausgefiihrten Ver- suehen -zeigte sieh also, dab die Verlangsamung der Verbrennungsvorgange in der Nervenzelle, ahnlieh wie die Hemmung, eine IIerabsetzung der :Funktion auf ein konstantes Niveau herbeifiihrt, ohne die Zellfunktion vollst~ndig zu lghmen, wie nach unseren sowie den Versuchen yon K g r b e r und Lend le s die Narkotiea es tun.

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576 (3. MANSFELD, I. SCIIEFF-PFEIFEE und FR. v. TYUKODY:

III. Uber die Beziehungen zwischen Liihmung der Funktion und Hemmung der Verbrennungen in der Nervenzelle.

Seitdem yon verschiedenen Autoren (M. Verworn 7 G. Mansfe id s, O. Warbu rg 9) die Annahme gemacht worden ist, dab die Narkose letzten Endes die Folge verlangsamter Zelloxydationen ist, wurde oft die Wirkung yon Narkotica auf die Verbrennungen untersucht i~ Am besten bekalmt sind die Untersuchungen von W a r b u r g (1. c.), weft sie als Grundlage fiir die Lehre der Oberfl~ehenkatalyse der Zelloxydationen groge Wichtig- keit erlangten. Dag Narkotiea dureh Substratverdr~ngung yon der Ober- flaehe Fermentreaktionen, also aueh u hemmen k6nnen, steht auger Zweifel. Die Verwertbarkeit dieser Tatsaehe fiir eine Theorie der Narkose seheiterte daran, dag die zur Oxydationshemmung not- wendigen Konzentrationen sehr yon jenen versehieden sind, welehe die Funktion l~hmen. In den Versuehen Loebels n (unter Meyerhof) , z. ]3. welehe fiir die narkotisehe Oxydationshemmung ira Zentralnervensystem oft angefiihrt werden, wurden Konzentrationen angewendet, welche 50--100real so hoeh waren, als fib die Lahmung der Nervenzellen not- wendig sin& Ebensowenig lassen sieh quantitative Sehliisse aus den an Warmbliitern ausgefiihrten Versuehen ziehen, in welehen die dureh Narkose bewirkten Anderungen der BlutdurehstrSmung sowie des Blutdrueks nieht genttgend beriieksiehtigt wurden 12.

Um in die quantitativen Beziehungen zwisehen Liihmung der Funktion and Hemmung der Verbrennungen Einbliek zu gewinnen, mugte einerseits jene Konzentration des Narkotieums festgestellt werden, welche die vol]- st~indige Lghrnung einer nerv6sen Funktion bewirkt mad dann festgestellt werden, ob mad inwieweit diese lghmende Konzentration den 02-Verbraueh desselben Organs herabsetzt.

Zu unseren Versuehen verwendeten wit das naeh Bagl ion i ia isolierte und mit den Hinterbeinen nerv6s verbundene Frosehriiekenmark, welches in einer O~-durehstrgmten RingerlSsung suspendiert seine Reflexerregbar- keit viele Stunden beh~ilt. Gspriift wurde dureh elektrisehe Reizung einer hinteren Wurzel der heterolaterale Streekreflex. Als Narkotieum wurde i thylurethan verwendet. Nachdem die gate Erregbarkeit des Riiekenmarks in einem Vorversueh yon 1--1i/2 Stmaden festgestellt war, wurde die Ringerlgsung mit der Narkotieuml6sung vertauseht und das Verhalten der Reflexerregbarkeit geprfift.

Es zeigte sich, dag wghrend 0,05 % Urethan nieht in alien Fillen die Lihmung der Reflexerregbarkeit herbeifiihrte, war 0,06 % ausnahmslos

7 Verworn: Die Biogenhypothese, Jena 1903. - - a Mansfeld, G.: Pflttgers Arch. 129, 69 (1909). -- 9 Warburg, O.: Biochem. Z. 119, 134 (1921). -- 19 Sehriftturn siehe bei H. Winterstein: In Bethes Handb. d. Physiol IX. S. 515, sowie Die Narkose II. Aufl., S. 181ff., Berlin, Julius Springer, 1926. -- ll Loebel, O. R.: Bioehem. Z. 161, 219 (1925). -- 12 Siehe die kritisehe Bespre- ehung dieser Versuehe bei Winterstein, 1. e. io _ ia Z. allg. Physiol. ~, 384 (190~).

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Beziehungen zwisehen Funktion und Verbrennungsvorgkngen in der Nervenzelle. 577

wirksam und fiihrte i n n e r h a l b 30 Minu ten zur vollst~ndigen L~hmung des Riiekenmarks. Naeh Entfernen des Narkotieums trat in kurzer Zeit Erhohmg ein.

Die das F r o s e h r i i c k e n m a r k r e v e r s i b e l l ghmende U r e t h a n - k o n z e n t r a t i o n begr~gt also 0,06%.

Es wurden nun ebenfal]s am Frosehriiekenmark jene Konzentrationen des Narkotieums ermittelt, welehe im Warburg-Apparat eine Hemmung des Oe-Verbrauehs bewirken. Es wurde fiir jede Bestimmung des Oe- Verbrauehs 0,30 g Frosehriiekenmark verwendeL in reiner bzw. mit Urethan versetzter RingerlSsung suspendiert. Das Ergebnis ist aus der Abb. 3 zu ersehen.

Die Versuehe ze;gten nieht nur, dab jene Konzentration, weIehe eine vollstgndige Lghmung des Riiekenmarks herbeifiihrt, die Oxydationen

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Abb. 3. 0 2 - V e r b r a u c h des F r o s c h r i i c k e n m a r k s j e g und Stunde . K = K o n t r o l l e in R i n g e r l S s u n g . Die Z a h l e n bedeu t en die E n d k o n z e n t r a t i o n des z a g e s e t z t e n ~_thylare thans .

unberiihrt lgJ3t, sondern dal~ eine fast zehnfache Konzentration notwendig ist far die Herabsetzung der Verbrennungen um etwa 30 % und die 20faehe, um sie auf die H~tlfte zu mindern. Die nervSse F u n k t i o n l~hmenden und die V e r b r e n n u n g h e m m e n d e n K o n z e n t r a t i o n e n l iegen also n i eh t e inmal in der g le iehen GrS13enordnung.

Die weiteren Untersuehungen zur Klarung der Verhgltnisse wurden am Warmbliiterhirn ausgefiihrt. Es wurde einem Kaninehen das Sehiidel- dach entfernt und die eine GroBhirnhemisphiire herausgenommen, um seinen 02-Verbrauch im Warburg-Apparat zu bestimmen. Sofort naeh Herausnahme der Hemisphgre wurde dem Tier intravenSs so lange Narko- tieum eingespritzt, his tiefe Bet~ubung mit ErlSsehen der Corneal- und Patellarreflexe eintrat, was etwa 10--15 Minuten in Ansprueh nahm. Dann wurde die zweite Groghirnhemisphgre entfernt und in gleieher Weise gepriift wie die erste.

Die Bestimmung des 02-Verbrauehs geschah in 2-Stunden-Versuehen entweder an Gehirnsehnitten naehWarburg , suspendiert in RingerlSsung (ohne Dextrosezusatz) (Tabelle 1, Versueh 1--6), oder naeh dem yon

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578 G. IV[ANSFELD, I. SCttEFF-PFEIFEI% u n d F~ . v. TYUKODY:

uns beschriebenen Verfahren 1~ in reinem Sauerstoff (Versueh 7--11), wo ein Herausdiffundieren des Narkoticums aus der Nervenzelle nieht mSglich ist. Beide Verfahren ergaben die gleichen Ergebnisse.

Wir berichten in Tabel]e 1 und 2 fiber unsere mit Urethan und Morphin ausgefiihrten Versuche.

Tabelle 1. Qo2-Werte des K a n i n e h e n h i r n s v o r u n d w ~ i h r e n d d e r N a r k o s e mit _~thylurethan.

Versuch Dosis g Yersuch Dosis g Nr. pro kg Qo~ Nr. pro kg Q02

- - 6,8 2,9 6,7 - - 4,3 2,1 4,3 - 5,6 1,8 5,6 - - 3,0 1,8 3,1 - - 3,7 2,9 i 4,3 - - I 5,5 1,7 i 5,6

7

8

9

10

ii

2,2

1,2

1,9

1 ,2

I - 3,5

4,5 5,0 3,6 3,7 3,6 4,0 3,0 2,9 3,8 4,0

Tabelle 2. O02-Werte des Kan inchenh i rns vor und wghrend der ~[orphinwirkung.

Versuch Dosis nag Versuch Dosis mg i Nr. pro kg 402 Nr. pro kg 402

1 /L 20 0 .I

2 i 20,0

4,1 4,4 4,3 4,2

2 0 , 0

20,0

4,5 4,6 5,0

Es z e i g t e s ich , da$ t i e f s t e N a r k o s e m i t E r 1 5 s e h e n s i imt- l i e h e r R e f l e x e d e n O ~ - V e r b r a u c h de r H i r n z e l l e n u n v e r a n d e r t l gg t* .

I V . B e z i e h u n g e n z w i s e h e n E r r e g u n g u n d ~ T e r b r e n n u n g s v o r g ~ i n g e n

im Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m .

Die eben mitgeteilten Versuche sprachen dafiir, dal~ im Zentralnerven- system Funktion und Verbrennungsvorgiinge voneinander weitgehend unabh~ngige Vorg~nge sin& Um dies weiterzupriifen, wurde im folgenden

* Dieses Ergebnis erinnert an jenes yon Warburg, nach welchem der O.2-Ver- brauch des befruchteten Echinideneles bei v611ig aufgehobener Furehung unver- :s war [Z. f. physiol. Chem. 66, 305 (1910)].

x4 Mansfeld, G., u. I rene Seheff -Pfe i fer : Siehe die nachfolgende !V[it- teilung.

5,0

Page 8: Über die Beziehungen zwischen Funktion und Verbrennungsvorgängen in der Nervenzelle

Beziehungen zwischen Funktion und Verbrennungsvorg~ngen in der NervenzeIte. 579

die Wirkung zentralerregender Gifte auf die Verbrennungsvorggnge im Hirn un~ersuchg.

In der ersten Versuehsreihe hatten wit die Wirkung yon Strychnin, Coffein und Cardiazol auf den O~-Verbraueh des Grol~hirns yon weigen Ratten im Warburg-Apparat gepriift.

Das Ergebnis dieser Versuche ist aus den Abb. 1--6 zu ersehen. Die gel?riiften Konzentrationen waren ftir Strychnin 0,0001--0,02 %,

ftir Coffein 0,06--0,50 % und ftir Cardiazol 0,003--0,3 %, aber keine einzige

soo F 8go

700 ~ G08~

~ 800 ~00: 308 gO0

100

K ~,111 = ~ I1,01

00~ " �9 c~r~ ~ /( ,,1C

i

;r 208

0,Si ~v

Abb. 4. S t r y c h n i n v e r - s u c h e . 02-Verbraueh des Rat tenhi rns je g und Stunde. K = Kon~roIle in Ringer- igsung. Die Zahlen bedeuten den S t rychn inzusa tz in Olo.

Abb. 5, C o f f e i n v e r - s u c h e . 0a-Verbraueh des Rat fenhi rns je g und Stunde, K = KontrolIe in Ringer- 10sung. Die Zahlen bedeu- ten den Coffeinzusatz in O/o,

o'00 I - c~r~ / K ( 7,1'0

esuk ~

aL

Abb. 6. Cardiazolver- suche. 02-Verbraueh des Rattenhirns je g and Stunde. It '= Kontxolle in Ringer- 10sung. DieZahlen bedeuten den Cardiazolzusatz in o/o.

dieser K o n z e n t r a t i o n e n ve rmoch te den 02-Verbrauch der Hirnze l len zu s te igern.

Das gleiehe Ergebnis zei tJgten unsere an K a n i n c h e n in gleieher Weise wie m i t U r e t h a n und Morlohin a,usgefiihrten Versuche, in welchen vor und nach Verabre ichung der e r regenden Gif te je eine Grol3hirnhemisph~re en t fe rn t wurde, u m den 02-Verbraueh der t t i rnze l l en im W a r b u r g - A p p a r a t zu bes t immen .

Das Ergebn i s dieser Versuche is t in Tabel le 3 zusammenges te l l t .

Tabelle3. Q o 2 - W e r t e d e s K a n i n c h e n h i r n s vo r und w g h r e n d d e r E i n w i r - k u n g zentra , l e r r e g e n d e r Gif te .

Strychnin Coffein

Versuch Dosis mg Versuch Dosis g Nr. pro kg Qo 2 Nr. pro kg (~02

0,2

0,2

2,8 2,9

2,9 3,1

I 0,21

I~ 0,Ii

5,3 5,2

4,4 4,3

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580 G. MAI~ISFELD, I. SCIIEFF-I~ u n d Fa . V. TYUKODu

Diese Versuehe stehen im Einklang mit jenen von J. Frh. v. L e debur is sowie yon H. W i n t e r s t e i n 16, welche die Unabh~ngigkeit des Erregungs- stoffweehsels yore 02-Verbrauch im Froschriiekenmark zeigten.

V. Beziehung zwisehen L~ihmung der Funktion und Hemmung des 02-Verbrauchs im Muskel.

Die Sonders~ellung der ~Nervensubstanz beziiglich ihrer Narkose, welche sich in nnserern Narkosegesetz ~ui~ert, machte es notwendig, an einem nicht-nervSsen Organ die qu&ntitativen Beziehungen zwischen Narkose der Funktion und der Verbrennnngsvorg~inge zu untersuehen.

Zu diesem Zweck verwendeten wit den Kaltbliitermuskel, an welchem wir die L~hmung der Funktion durch Bestimmung der KontraktionshShe und jene der Verbrennungen festzustellen batten:

Es wttrden die beiden Gastrocnemien eines Frosches in je einem Be- hglter in Ou-durchperl~er RingerlSsung an einen belasteten Muskelhebel

% Ft/(ont~k#oz

20

7O

[] 45 ~TS 1,0 1,o 1,85 ~gs%

/e/~j//upe/~x7

Abb. 7. Prozentuelle Abn~hme der KontraktionshiJhe und des 02-Verbranehs vol~ Froschgastrocnemien durch Athylnrethan.

aufgeh~ingt und rnit Elektroden fiir direkte Reizung armiert. Naehdem in einem Vorversuch die maximale Kon~raktionsh6he yon beiden Muskeln festgestellt und w~ihrend 1 Stunde konstant befunden wurde, batten wir die eine Ringerl6sung mit einer UrethanlSsung bekannter Konzentration vertauscht. Gereizt wurde alle 1/4 Stunde nnd gewartet, bis die Kon- t raktionshShe des narkotisierten Muskels auf ein konstantes l~iveau sank, was meistens nach 2--21/2 Stunden der Fall war. Dann wurden beide Gastrocnemien in den Warburg-Apparat eingehiingt und in unversehrtem Zustand auf O~-Verbrauch gepriift. In Abb. 7 ist die prozentuelle Abnahme der Kontraktionsh6he sowie des O2-u graphisch dargestellt.

Die Versuohe ze ig ten , dal~ mi t der F u n k t i o n s v e r m i n d e r ~ t n g pa ra l l e l auch die u eine Abnahme er le iden ,

15 Ledebur, J., Frh. v.: Pflfigers Arch. 217, 235 (1927). -- 1~ Winter- stein, H.: Ebenda 22~, 749 (1930).

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Beziehungen zwischen Funktion un d Verbrennungsvorggngen in der Nervenzel!e. 581

der Muskel also in der Na rkose ein g r u n d v e r s c h i e d e n e s Ver- h a l t e n zeigt als die Nervenze l le .

VI. ~-ber Aeethylcholinbildung in der narkotisierten Nervenzelle.

Es ergab sich aus obigen Versuchen, dab wghrend am nicllt nervSsen Organ so hohe Narkotieumkonzentrationen notwendig sind, um die Funktion herabzusetzen, welche auch sehon die Verbrennungsvorgiinge hemmen, an Nervenze]len so geringe Konzentrationen die Lghmung der Funktion bewirken, welche fiir die Verbrennungsvorgiinge vSllig unwirksam sin& Daraus folgt einerseits, da~ in der Nervenzelle die gerbrenmmgshemmung nicht die Ursache der Funktionslghmung sein kann, andererseits, dal~ die Narkotiea in der Nervenzelle einen Vorgang lghmen, welcher eine viel gr6~ere Narkoseempfindlichkeit besitzt als der VerbrennungsprozeB. Auf der Suche nach diesem war in erster Reihe an die yon Quaste117 und Mitarbeitern nachgewiesene Acetylcholinbildung in der I-tirnzelle zu denken. Die genannten Autoren zeigten, dal3 Hirnschnitte in der Warburgschen Anordnung betrgchtliche Mengen yon Aeetylcholin bilden, welche bei physostygmingelghmter Cholinesterase gut mel~bar sind.

Um zu priifen, ob die narkotische L~hmung der nervSsen Funktion mit einer gemmung der Acetyleholinbildung einhergeht, gingen wit in ghnlicher Weise vor, wie zur Bestimmung des 02-Verbrauchs yon Him- schnitten vor und nach gerabreichung eines Narkoticums welter oben beschrieben wurde. Verwendet batten wit auch zu diesen Versuchen Kaninchen und als Narkoticum J(thylurethan.

Nach 0ffnung des Schgdeldaches und Entnahme der einen Grol~hirn- hemisphgre wurde das Tier mit Urethan bis zum Erl6schen der Reflexe betgubt, worauf auch die zweite Hirnhemisphttre entfernt wurde. Die Hirnschnitte, welche wit aus der Hirnrinde anfertigten, wurde dann genau nach der Vorschrift yon Quas te l in einer mit Physostygmin versetzten Ringerl6sung im Warburg-Apparat in einer 8auerstoffatmosphSre 2 S~unden geschiittelt und dann ihr Trockengewicht bestimmt. Die quantitative Bestimmung der Acetylcholinkonzentration in der Ringerl6sung geschah am Blutegel, einigemal auch noch am M. rectus yon Fr6schen.

Das Ergebnis dieser Yersuche war ein v61iig negatives. In keinem einzigen yon 12 in dieser Weise ausgeftihrten u lieB sich eine verminderte Bildung yon Aeetylcholin im narkotisierten Him nachweisen.

VII. Besprechung tier Yersuche.

Seit fast zwei Jahrzehnten wird yon uns die Anschauung verfochten, dab die Narkose der Nervenzelle wesensverschieden yon der Narkose nicht nervSser Organe ist, denn w~hrend in allen nicht nerv6sen Zellen die Funktion gleichsinnig mit der Narkoticumkonzentration a b nimInt ,

17 Quastel, Tennebaum und Wheatley: ]3ioehem. J. 30, 1668 (193J).

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582 G. I-~A~ISFELD, I. SCgEFF-:PFEIFEXZ und FlZ. v. TYUKODY:

die Funktion der Nervenzelle dutch Narkotica entweder vollstiindig ge- lghmt wird, oder bei Anwendung untersehwelliger Konzentrationen voll- kolnmen intakt bleibt. Eine Erk]~irung fttr diese Sonderstellung der Nervenzelle konnte bisher nicht gegeben werden. Die hier Initgeteilten Versuche zur Aufkl~rung dieser Verhiiltnisse fiihrten zu dem bemerkens- werten Ergebnis, dab die eigentiirnliehe Art und Weise der lXTarkose yon nervSsen Funktionen dutch die eigentiimlichen Stoffweehselverh~ltnisse der Nervenzelle bedingt ist.

Wghrend n~imlich bei nieht nervSsen Organen die L~hmung der Funktion mit der Hemmung yon Verbrennungsvorgangen parallel geht, sind diese beiden Vorgi~nge bei der 1Narkose der iNervenzelle voneinander vSllig unabh~ingig. Die nahere Ursaehe dieser Erscheinung liegt nieht darin, als ob die Verbrennung in der I~ervenzelle dureh Narkotiea nieht gel~ihlnt werden kSnnte. Unsere Versuehe zeigen sogar, dab die Hemlnung der Oxydationen in der Nervenzelle ungefahr dutch dieselben IqarkotiGum- konzentrationen erfolgt wie inl nicht nervSsen Organ. Die Sonderstellung der Nervenzalle gubert sieh vielmehr darin, dab wiihrend die nicht nervSse Funktion erst dutch so hohe Narkotieulnkonzentrationen verlnindert wird, welehe aueh schon die Verbrennungen hemlnen, die nervSse Funktion durch eine vial geringere, und zwar etwa urn eine GrSbenordnung niedrigere Konzentration ge]~hmt wird, so dab die l~arkose der Nervenzelle ohne Hemmung yon Oxydationsvorggngen einhergeht.

W~ihrend also die Auffassung Warburgs , naeh weleher die Substrat- verdrangung yon der Zelloberfl~Ghe durch lqarkotiea zu einer Verminderung der Verbrennungsvorgange und diese zur L~ihmung der Funktion fiihrt, fiir die nicht nervSsen Organe zu Reeht bestehen kann, ist sie fiir die Er- klarung der Nervennarkose unzureiehend, denn die Narkose der nervSsen Funktion tritt ein ohne die geringste Hemlmmg der Verbrennungen. Daraus geht als Erstes hervor, dab man in Zukunft nieht mehr wie bisher von 2qarkose im al]gelneinen spreehen kann, weil die Prozesse, welehe in der Nervenzelle sich wahrend der I~arkose abspielen, ganz andere sind als jene, welche bei derNarkose night nervSser Zellen sieh vollziehen. Es Innb in Zukunft eine Narkose untersehieden warden, bei weleher die tOunktion parallel mit dan Verbrennungsvorgangen eine der Narkoticulnkonzentration gleiehsinnige Herabsetzung erf~ihrt. Das ist die a l lgemeine Zell- narkose . Dann gibt as abet eine l~ervennarkose* , bei weleher Init Erreichen der wirksalnen Konzentration die kolnplette L~hlnung der Funktion eintritt, ohne tlemmung der Verbrennungsvorg~nge.

Aus dieser Tatsaehe folgt, dab es in der I~ervenzelle einen bisher night n~her bekannten Vorgang gibt, welcher dutch sehr geringe lXlarkotieum- konzentrationen reversibel ausgeschaltet wird, wodureh die L~Lhmung der Funkiion zustande kornmt. ~ber diesen narkoseenapfind]ichen, yon

* Vgl. hierzu fiber ,,Hirnnarkose" Winterstein: Die Narkose, 2. Aufl., S. 176, Berlin 1926.

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B eziehungen zwisehen Funktion und Verbrennungsvorg~ingen in der Nervenzelle. 583

den u weitgehend unabh~ingigen Prozeg, weleher naeh den yon H. H. Meyer is und E. O v e r t o n 19 sowie neuerdings yon K u r t lt. Meyer 2~ festgestellten quantitativen Beziehungen otme Zweifel in der lipoiden Phase der Nervenzelle sieh abspielen diirfte, liel~ sieh vorli~ufig nur soviel feststellen, dal3 er nieht mit der Bildung yon Aeetyleholin einhergeht. Die Yersllehe zur weiteren Aufkl~rung dieses Prozesses werden fortgesetzt.

Die Tatsache, dal~ die Funktionsl~ihmung der narkotisierten Nerven- zelle ohne Hemmung der Verbrennungsvorg~inge sich vollzieht, ist im Einklang mit unseren weiteren Versuehsergebnissen, welehe zeigten, dab in Ubereinstimmung mit v. L e d e b u r 15 sowie It. W i n t e r s t e i n 1~ zwischen Funktion und Verbrennung in der Nervenzelle ein nut sehr loser Zusammen- hang besteht. Es konnte namlieh dutch Yerabreichen der stiirksten zentral- erregenden Gifte wie Stryehnin, "Coffein, Cardiazol keine Steigerung der Verbrennungen in der Hirnzelle nachgewiesen werden.

Dagegen liel3 sich zeigen, dab in der Nervenzelle die spezifische Zell- funktion nieht nut vollstiindig gelghmt werden kann wie es dutch Narko- tiea gesehieht, sondern daft dureh die T~tigkeit von H e m m u n g s z e n - t r en aueh eine tIerabsetzung nerv6ser Funktionen mSglieh ist, olme daft die Tiitigkeit vSllig erlSsehen wt~rde. In gleieher Weise l~l~t sieh eine dauernde tIerabsetzung der Nervent~tigkeit erzielen dureh Verlang- samung der Verbrennungsvorggnge. Aus diesen Feststellungen ergibt sieh mit Wahrseheinliehkeit, dab der Untersehied zwisehen Narkose und Hem- mung in einer Versehiedenheit der den beiden Erseheinungen zugrunde liegenden Stoffweehselprozessen liegt. W~hrend n~mlieh die Narkose der Nervenze l l e , wie wir sahen, ohne Beteiligung der Zelloxydati0nen dutch unmittelbare Liihmung der spezifisehen Zellfunktion sieh vollzieht, diirfte bei der H e m m u n g ne rvgse r F u n k t i o n e n das Primiire die Verlangsamung der Verbrennungsvorggnge sein, welehe zur Verminde- rung der Funktion ftihrt, wie es bei der narkotisehen Beeinflussung nieht- nervSser Funktionen der Fall ist. Fiir den Naehweis dieser Wesensversehie- denheit yon Hemmung und Narkose, was aueh far die Physiologie des Sehlafes yon Bedeutung w~re, mtissen aber noeh weitere Versuehe an- gestellt werden.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Um die Sonderstellung der nervSsen Funktion bei der Narkose auf- zuklgren, wurden die Beziehungen zwisehen Liihmung der Funktion und der u an nervSsen und nieht nervSsen 0rganen gepriift. Es zeigt sieh dabei folgendes:

is Meyer, Hans: Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 42, 109 (1900). -- 19 Over- ton, E.: Studien tiber die Narkose, Jena 1901. -- 2o Meyer, K. H.. u. Gott- lieb Billro~h: Z. physiol. Chem. 112, 55 (1920); 126, 281 (1923); K.H. Meyer, u. H. Hemmi: Bioehem. Z. 277, 39 (1935).

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584 G. MANSFELD, I. SCHEFF-PFEIFEI~ und FR. v. TYUKODu

l. Jene Narkoticumkonzentration, welche eine komplette Lghmung des nach Bag]ioni isolierten Froschriickenmarks herbeifiihrt, I~IR die Verbrennungsvorggnge in ihm unberiihrt. Fiir die Hemmung der Oxy- dationsvorg~nge mull die ]0.--20fache Konzentration angewendet werden. Konzentrationen, welche die nervSse Funktion ]ghmen -- und jene welche die Zelloxydationen hemmen --, liegen also nicht einmal in der gleichen GrSItenordnung.

2. Wird einem Kaninchen vor und w~hrend tiefster Narkose je eine Gro~hirnhemisph~re entnomnlen, so ist im 02-Verbrauch kein Unter- schied nachzuweisen. Die Narkose der Nervenfunktion erfolgt also ohne Hemmung der Verbrennungsvorg~nge, offenbar durch AusschaRung eines bisher unbekannten narkoseempfindlichen Prozesses, welcher yon den Zelloxydationen weitgehend unabh~ngig ist.

3. Von diesem bisher unbekannten Prozel~ liel] sich festste]len, daI~ er nicht mit der Bildung von Acetylcholin einhergeht. Vor und w~hrend tiefster Narkose entnommene Hirnschnitte produzieren die gleichen Mengen Acetylcholin.

~. Ebens0wenig wie dttrch ~Tarkotica liefi sich durch die zentral- erregenden GiRe Strychnin, Coffein, Cardiazol der O~-u der Hirnze]len andern, was auf einen sehr losen Zusammenhang zwischen nervSser Funktion und Verbrennungsvorg~ngen hindeutet.

5. Bei der Narkose eines nicht-nervSsen Organs, dem Muskel, zeigte sich, dal] die Abnahme der Funktion und die Hemmung der Verbrennungs7 vorggnge mReinander parallel gehen, so dal] die Narkose yon nicht-nervSsen Org~nen und i ene yon Nervenzellen auf wesensverschiedenen Zellvorg~ngen beruhen und in ZukunR streng unterschieden werden mitssen.