Über die bedeutung von wirbelsäulenanomalien für die entstehung der lungentuberkulose

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fU'ber die Bedeutung von Wirbelsfiulenanomalien f/Jr die Entstehun der Lungentuberkulose. Yon Dr. Norbert Kiichenhoff, Oberarzt dor Tuberkulinstation der Landesversicherungsanstalt Berlin. Mit 3 Abbildungen im Text und 2 Tafeln. Obwohl man schon seit langer Zeit fiber die gegenseitige Beein- flussung yon Thoraxibrm und Thoraxinhalt bei pathologischen Pro- zessen nachgedacht und geschrieben hat, erfolgte doch das exakte Studium dieser Verh~tltnisse im Gegensatz z. B. zur Beckenforschung relativ sp~t. Das lag wohl daran, dass eine~seits die praktische Geburtshilfe, sobald sie in das chirurgische Fahrwasser geraten war, mit Macht auf die L5sung der mechanischen Geburtshindernisse hin- dr~ngte, andererseits abet auch die VerhKltnisse bei dem starren Beckenringe viel einfacher lagen und zu 15sen waren als bei dem in st, eter Bewegung begriffenen elastischen Thoraxskelette. Der Streit, ob die Krankheiten der Brustorgane mehr auf die knScherne Um- hfillung oder umgekehrt Anomalien des Skelettes als ~tiologische Momente fiir Weichteilerkrankungen in Frage kommen kSnnten, hat lange die Forscher besch/iftigt. Fragen wir uns, wie sich insbesondere die Anschauung fiber diese Verh~ltnisse bei der Lungentuberkulose entwickelt haben, so miissen wir zun~ehst konstatieren, dass schon frfihzeitig Anomalien des Brustkorbes bei Schwindsucht bekannt waren, und zwar ungef~hr dieselben die wit heute als phthisischen Thorax bezeichnen. Bis in die Gegenwart haben sich die hervorragendsten Kliniker und Pathologen und aueh die Bakteriologen darfiber gestritten, ob der Thorax phthisicus die Ursache oder die Folge der chronischen Lungen- schwindsueht sei oder ob er iiberhaupt eine Rolle bei dieser Er-

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fU'ber die Bedeutung von Wirbelsfiulenanomalien f/Jr die Entstehun der Lungentuberkulose.

Y o n

Dr. Norbert Kiichenhoff, Oberarzt dor Tuberkulinstation der Landesversicherungsanstalt Berlin.

Mit 3 Abbildungen im Text und 2 Tafeln.

Obwohl man schon seit langer Zeit fiber die gegenseitige Beein- flussung yon Thoraxibrm und Thoraxinhalt bei pathologischen Pro- zessen nachgedacht und geschrieben hat, erfolgte doch das exakte Studium dieser Verh~tltnisse im Gegensatz z. B. zur Beckenforschung relativ sp~t. Das lag wohl daran, dass eine~seits die praktische Geburtshilfe, sobald sie in das chirurgische Fahrwasser geraten war, mit Macht auf die L5sung der mechanischen Geburtshindernisse hin- dr~ngte, andererseits abet auch die VerhKltnisse bei dem starren Beckenringe viel einfacher lagen und zu 15sen waren als bei dem in st, eter Bewegung begriffenen elastischen Thoraxskelette. Der Streit, ob die Krankheiten der Brustorgane mehr auf die knScherne Um- hfillung oder umgekehrt Anomalien des Skelettes als ~tiologische Momente fiir Weichteilerkrankungen in Frage kommen kSnnten, hat lange die Forscher besch/iftigt.

Fragen wir uns, wie sich insbesondere die Anschauung fiber diese Verh~ltnisse bei der Lungentuberkulose entwickelt haben, so miissen wir zun~ehst konstatieren, dass schon frfihzeitig Anomalien des Brustkorbes bei Schwindsucht bekannt waren, und zwar ungef~hr dieselben die wit heute als phthisischen Thorax bezeichnen. Bis in die Gegenwart haben sich die hervorragendsten Kliniker und Pathologen und aueh die Bakteriologen darfiber gestritten, ob der Thorax phthisicus die Ursache oder die Folge der chronischen Lungen- schwindsueht sei oder ob er iiberhaupt eine Rolle bei dieser Er-

l lS Norbert Ktichonhoff. [2

krankung spiele. Nachdem man kennen gelernt hatte, dass auch bei anderen KSrperhShlen Inhalt dutch Form beeinftusst wird und nach Uberwindung der strengsten bakteriologischen Ara unter dem Ein- flusse neuerer Forschungen dfirfte die Mehrzahl der Arzte nach der ersteren Seite neigen.

Die neueren Bearbeiter suchten besonders den Begriff Thorax phthisicus scharfer zu fassen und auf exaktere anatomische Grund- lage zu stellen. So vor allem F r e u n d und H a r t . F r e u n d hatte schon vor ~30 Jahren auf _~nderungen am ersten Rippenknorpel hin- gewiesen, die zu einer Stenose der oberen Thoraxapertur fiihren sollten. Diese Untersuchungen blieben leider lange Zeit fast unbe- achtet. Nach 50 Jahren yon ihrem Urheber wieder aufgenommen und erweitert und dann yon H a r t in ausserordentlich umfangreicher und exakter Weise fortgefiihrt, erregten sie berechtigtes Aufsehen und lnteresse.

Mir selbst waren sehon seit Jahren bei der Notwendigkeit, den Charakter des Thorax bestimmen zu miissen, Anomalien der Wirbel- s~ule aufgefallen, die m. E. yon den bisherigen Untersuehern zu wenig gewfirdigt wurden; denn es diirfte einleuchtend sein, dass der Grundstock des Brustkorbes, wenn er yon seiner natfirlichen Form abweicht, auf die Konfiguration des ganzen Thorax von grossem Ein- flusse sein muss.

Schwere pathologische Verbiegungen und ihre Bedeutung fi]r die Lungentuberkulose sind schon 5fter zum Gegenstande yon Unter- suchungen gemacht worden. Man hatte die Erfahrung gemacht, dass bei Kyphoskoliosen ausgedehnte zerstSrende Prozesse in den Lungen ziemlich selten seien. Nachdem B i e r seine berfihmten Forschungen fiber die Bedeutung der Stauungshyper~imie verSffentlicht hatte, fielen auch auf diese Zusammenh~inge neue Schlaglichter.

Im folgenden soil hierauf nicht n~iher eingegangen werden, son- dern zwei leichte Anomalien der Wirbels~ule, die den Orthop/iden seit lange bekannt sind, in ihrer Bedeutung fiir die Entstehung der Lungentuberkulose gewfirdigt werden. Das ist erstens der ,hohlrunde Rficken ̀~ und zweitens der ,,runde Rficken" der Orthop~iden.

Beide stellen nut leichte Abweichungen tier Norm dar, man kann sie kaum zu den pathologischen Zust~nden rechnen. Dass sie trotz- dem yon erheblichem Einflusse auf den GesamtkSrper sein kSnnen, ja zum Teil selbst schon Ausdr~icke eines gestSrten KSrpergleich- gewichts sind, glaube ich im folgenden nachweisen zu kSnnen.

Zun~chst soil uns der hohlrunde Rficken besch~.ftigen. Besser als eine lange Beschreibung wirkt ein Blick auf nebenstehende Figuren, die dem bekannten Werke yon H o f f a entnommen sind.

3] Uber die Bedeutung von Wirbelsiiulenanomalien etc. ]19

Figur 1 stellt das iVrofil eines normal gebauten Mannes dar, Figur 2 das eines Menschen, dem obengenannte Anomalie anhaftet. Es f~llt sofort die starke Verschiedenheit der Riickenlinie auf, die dem Verlauf der Wirbels~ule entspricht; ganz allgemein kann man sagen, dass die physiologischen Krtimmungen vergrSssert sind. Die Lendenlordose ist stark ausgesprochen, dem entsprechend der Bauch etwas vorgewSlbt, die Beckenneigung stark ausgepr~igt. Im Gegen-

Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3.

satz dazu ist der dorsale Tell etwas kyphotisch, um im Halsteil aber wieder in eine stiirkere Lordose iiberzugehen. Diesen stark ausge- pr~gten Kriimmungen verdankt die Anomalie eben ihren Namen .hohl- runder Riicken".

Da die oberen Brustwirbel schr~ger verlaufen wie in der Norm in dem Sinne, dass der KSrper nach unten~ der Dorn naeh oben riickt, wie aus der Figur leicht zu ersehen, so resultiert daraus ein steiler Abgang der ersten Rippen und damit ein starker Neigungs-

120 Norbert Kiichenhoff. [4

winkel der oberen Brustapertur zur Horizontalen. Diese Tatsache wird uns weiter unten noch besch~ftigen:

Bei der zweiten Anomalie handelt es sich um den runden Riicken, auch habituelle Kyphose genannt. Die Figur 3 demonstriert am besten die anatomischen Verh~ltnisse. Die Riicken- und Hals- wirbel sind in einem kyphotischen Bogen angeordnet, dem nach vorn der Kopf aufsitzt, desgleichen zeigen die Schultern die Neigung, nach vorn zu fallen. Hieraus ergibt sich wieder eine starke Neigung der Apertura sup. Ausserdem erscheint in diesem Falle der ganze obere Teil des Brustkastens besonders dutch die Neigung des Kopfes und der Schultern nach vorn wie zusammengepresst. Seine Vorderseite bekommt dabei in reinen F~llen, nicht wie ira vorhergehenden, eine yon hinten oben nach vorn unten verlaufende grade starre vordere Linie und Form, sondern eine ganz leicht nach hinten gebogene dem runden Riicken entsprechende. Sie hat eine gewisse iiussere :~hnlichkeit mit einem kahnfSrmig einge- zogenen Abdomen. Menschen mit dieser hnomalie zeigen immer eine schlechte Haltung, sie kommt viel bei jungen Individuen vor, zum Tell angeboren, zum Teil dutch Sch~digungen erworben, worauf noch zurfickzukommen sein wird; zeigt sich a b e r auch noch im spiiteren Alter dutch andauernde schlechte Gewohnheit konsolidiert sowie durch Berufsarbeit erworben.

Einige Photographien mSgen die Verh~ltnisse am lebenden Menschen demonstrieren.

Fragen wir uns nun, inwiefern diese anatomischen Verh~ltnisse krankheitserzeugend auf die Lungenspitzen einwirken kSnnen, so f~llt uns sofort in die Augen, wie denselben beim Atmungsgesch~ft das AusdehnungsvermSgen behindert ist, vor allem nach oben. Bei jeder Inspiration miissen dieselben in ganz anderer Weise wie bei normal geformtem Thorax gegen die wie ein schweres Dach auf ihnen liegende aus Wirbels~ule und obersten Rippenringen gebildete Kuppel angedriingt, in ihrer Ausdehnung behindert, in ihrer Funktion ge- stSrt und schliesslich auch in ihrem Bau gesch~tdigt werden. Auf diese Tatsache kommen wir noch zuriick. Zuni~chst wollen wir noch sehen, dass nicht nur die Lungenspitzen, sondern auch der ganze obere Teil des Thorax in seiner physiologischen Bewegung nach oben behindert ist, denn durch den steilen Verlauf der Apertur, der bei ausgesproehenen F~llen yon hohlrundem Riicken mit dem Brustbein fast eine gerade Linie bilden kann, ist der Widerstand, den die Wirbelsi~ule den sich bei der Atmung anstemmenden oberen Rippen entgegensetzt, natiirlich viel grSsser als in normalen Fi~llen und dementsprechend ihre Exkursionsfi~higkeit nach vorn und oben viel

5] Uber die Bedeutung yon WirbelsRulenanomalien etc. 121

kleiner. Daraus resultiert andererseits auch wieder, dass die sich bl~henden Lungenspitzen an dem relativ starren Rippenringe eine stiirkere Reibungsfl~che haben.

Soviel Forscherarbeit auch fiber die Lungentuberkulose zusammen- getragen ist, so sind doch pathologisch-anatomische Forschungen fiber die beginnende Spitzenerkrankung relativ selten. Um so mehr Be- achtung verdienen die exakten Arbeiten der beiden bekannten s~chsi- schen Pathologen B i r c h - H i r s c h f e l d und Schmor l .

B i r c h - H i r s c h f e l d hatte besonders Lungen von an Unf~llen oder akuten Entziindungen Gestorbenen auf Vorhandensein y o n prim~iren tuberkulSsen Herden untersucht und dabei gefunden, dass solche ganz gewShnlich auf der Schleimhaut des hinteren oberen Spitzenbronchus sitzen. Seine Arbeit, zuerst wenig gewiirdigt, ist allm~hlich so bekannt geworden, dass es sich woht eriibrigt, auf die Details derselben, insbesondere den anatomischen Aufbau des Bronchial- baumes niiher einzugehen. Es mag nur hervorgehoben werden, dass B i r c h - H i r s c h f e l d bei seinen sehr eingehenden Studien h~iufig Veriinderungen im Verlaufe und in der Ausdehnung des hinteren Spitzenbronchus land, bestehend in Unregelm~ssigkeiten des Ver- laufes, Zusammendr~ingung der End~ste und Verkleinerung des Lumens. S c h m o r l hat diese Befunde in umfangreicher Weiss nachgepriift, best~tigt und zugleich sine weitere Entdeckung hinzugefiigt.

Bei seinen Untersuchungen beobachtete er, dass sich relativ h~ufig eine die Lungenspitze umgreifende hinten mehr oben, vorn mehr unten gelegene Furche findet. Diese Furche ist in den ver- schiedenen F~illen verschieden stark ausgebildet~ stets aber in den hinteren Partien am st~irksten. S c h m o r l sagt yon ihr: ,,Sis liegt 1 bis 2 cm unterhalb der hSchsten Erhebung der Lungenspitze, also gerade im Verbreitungsbezirk derjenigen Bronchial~ste, welche naeh B i r c h - H i r s c h f e I d einerseits am h~tufigsten ]rregularit[tten ihres Verlaufes und ihrer Anordnung erkennen lassen, andererseits die Pr~dilektionsstelle fiir die beginnende Tuberku]ose bilden." Er land diese Furche bei Neugeborenen fast konstant, im Verlaufe des Wachstums verschwindet sis meistens, bleibt aber bei einer Anzahl von Individuen bestehen. S c h m o r l selbst fiihrt sis schon darauf zuriick, dass die erste Rippe ins Lungengewebe einschneidet und bringt sie in ~tiologischen Zusammenhang mit den korrespondierenden Ver~inderungen an den Bronehien im Innern der Lunge und den be- ginnenden F~illen yon BroncSialtuberkulose, die yon ihm selbst und B i r c h- H i r s c h f e I d beschrieben sind. Desgleichen erw~ihnt er schon als Ursache des Einschneidens der Rippe, die von F r e u n d gefundene Verkfirzung des ersten Rippenknorpels. Ohne diese Erkl~rung in Zweifel

12_o Norbert Ktichenhoff. [6

ziehen zu wollen, m5chte ich glauben, dass es oft vor allem die Indi- viduen mit starker physiologischer Kyphose der oberen Brustwirbel sind, welche fiber eine persistierende S c h m o r 1 sche Furche verfiigen und dementsprechend fiir deren Folgeerseheinungen disponiert sind. Anatomische Beobachtungen liegen hierfiber nicht vor; es w~re aber sehr zu wiinschen, dass sp~tere Untersucher auch darauf ihr Augen- merk richteten.

Freilich finder man oft einen gewissen Ausgleieh der Aus- dehnungsmSglichkeit der Lungenspitzen in einer starken hinteren Ausbuchtung der Rippen. Jedoch fehlt diese sehr oft, wie man dureh einfache Betrachtung an Lebenden leicht feststellen kann, da solche Individuen eine tiefe Riickenfurche besitzen.

Dass die Haltung der Wirbels~.ule bei der Entstehung der Schmor l s chen Furche eine Rolle spielt, dafiir spricht m. E. vor allem die Betrachtung der Lebensalter, in denen S c h m o r l dieselbe am meisten ausgepr~gt fand. Bei Neugeborenen war sie fast immer vorhanden. Bedenkt man, dass der FStus mit vollstiindig kyphotisch gekrfimmter Wirbels~ule, das Kinn der Brust, gen~thert in der Ge- b~rmutter daliegt, so wird das ohne weiteres verstSmdlich. In den ersten Lebensjahren verschwindet die Furche meistens, was dadureh leicht zu erkli~ren ist, dass im ersten Lebensjahre die Wirbelsi~ule infolge horizontaler Lagerung fiberhaupt keine Krfimmungen aufweist, wi~hrend in den fo]genden unter dem Einflusse des Sitzens und Gehens langsam sich die physiologischen Kriimmungen herausbilden. Erst in den weiteren Entwickelungsjahren treten st~irkere Belastungsanforderungen an die Wirbels~tule heran, vor allem dutch Schule und schwerere kSrperliche Arbeit, unter deren Einflusse sich dann bei schw~chlichen Individuen die Zust~nde herausbilden, die wir zum Ausgange unserer Betrachtung gemacht haben.

Es wi~re sehr zu wiinschen, dass weitere Untersuchungen dariiber angestellt werden, ob die Individuen mit persistierender Furehe nicht eine abnorm starke Wirbels~ulenkriimmung aufweisen. Auch noch die Tatsache wSxe zu erwagen, ob die wieder zunehmende Erkrankungs- ziffer an Tuberkulose im Beginne der senectus nicht Beziehungen hat zu der gleichzeitig einsetzenden Alterskriimmung der Wirbels~ule.

Folgender Hinweis auf einen begleitenden konstitutionellen Faktor sei mir gestattet. Beim hohlrunden Riicken besteht neben der starken Kyphose der Brustwirbels~tule eine entsprechend starke Lordose des Lendenanteils. Bekanntlich hat nun J e h l e in einer sehr fleissigen und lesenswerten Monographie den Versuch gemacht, den altbe- kannten Symptomenkomplex der orthostatisehen Albuminurie durch

7] Uber die Bedeutung von Wirbels~iulenanomalien etc. ]23

eine zu starke Biegung des oberen Teiles der Lendenwirbelsiiule nach vorn zu erkls und so aus einer orthotischen eine lordotische Albuminurie gemacht. Die Albuminurie selbst wird durch Knickung der b[ierengef~sse und dadurch bedingte Stauung in den Nieren hervorgerufen. J e h l e sieht den Hauptgrund dieser Anomalie in einer abnormen Flexibilit~t der Lendenwirbels~ule, w~ihrend des ge- steigerten Wachstums und finder sie am h~tufigsten zwischen dem 11. und 13. Lebensjahre.

Ich mSchte nun glauben, dass es haupts~chlich Kinder mit hohl- rundem Riicken sind, die diese Erkrankung zeigen. Dass man bei Erwachsenen trotz erhaltener Kriimmung kein Albumen mehr findet, wiirde sich wohl leicht durch Ausbildung yon die Stauung aufhebenden Kollateralbahnen erkliiren lassen. Dementspreehend wiirden wit sehen, dass eine Ursch~digung zu verschiedenen krankhaften Fo]geer- scheinungen im KSrper ffihren kann. Als Grund der Sch~digung diirften neben einer vielleicht ererbten SchwSche Schule und allzu friihe Arbeit in Frage kommen und deshalb eine hygienische (~ber- wachung der Jugend um so mehr gefordert werden.

Im vorhergehenden hubert wir versucht, die Bedeutung der Wirbels~ule fiir den Aufbau des Thorax hervorzuheben und insbe- sondere kleinere Abweichungen in ihrem Verlaufe mit ihrem Ein- flusse auf die Stellung der oberen Brustapertur zu wiirdigen. Wir sullen, dass durch abnorme Kyphose der oberen Brustwirbel eine starke Neigung der hpertur zur Horizontalen eintritt, welche wieder eine funktionelle Raumbeeintr~chtigung der Lungenspitzen und wenig- stens zum Tell eine anatomische Sch~digung derselben in Form der Schmorlschen Furche und der B i r c h - H i r s e h f e l d s c h e n Ver- kiimmerung des hinteren oberen Spitzenbronchus zur Folge hat. Dass gerade in solch r~umlichen beeintriichtigten Bronchien tier erste Keim der Tuberkulose zur Entwickelung kommt, hat B i r c h- H i r s c h- f el d tiberzeugend naehgewiesen.

Seit L a e n n e c wissen wit, dass die progressive Lungentuber- kulose ganz gewShnlich in der Spitze ihren Beginn hat und erst yon da an kaudMw~rts voranzuschreiten pflegt; in den letzten 10 Jahren ist viel Arbeit und Geist darauf verwandt worden, um die Griinde dafiir herauszufinden. M. E. h a t s i c h d i e F r a g e s t e l l u n g i n s o f e r n v e r s c h o b e n , als es n i c h t m e h r so s e h r d a r a u f a n k o m m t zu e r g r i i n d e n , w o r a u f d ie V o r l i e b e d e r T u b e r k u l ' o s e fiir d i e S p i t z e n b e r u h t ; a l s d a r a u f , w a r u m e i n e in der Spitze a n g e s i e d e l t e T u b e r k u l o s e v o r a n z u s c h r e i t e n p f l eg t , w ~ h r e n d die p r i m ~ r e de r i i b r i g e n L u n g e n p a r t i e n ge- w S h n l i c h a u s h e i l t .

124 N. Ktichenhoff: ~ber die Bedeutung von Wirbels~ulonanomalien etc. [8

Hier haben die neueren pathologisch-ana~omischen Arbeiten, vor allem diejenigen O h on s sowie die LungenrSntgenographie wunderbare und ganz unerwartete Aufschlfisse gebracht.

An der Bedeutung der Forschungen tiber die mechanische Spitzendisposition wird dadurch nicht gertittelt, im Gegenteil, sie erlangen dadurch eine gesteigerte Wertsch~,tzung und neue Beleuch- tung; denn vielleicht ist es gerade der Fortfall der mechanischen Hindernisse, denen die Spitze in Atmung und Ern~ihrung unterliegt, der in den tibrigen Partien der Lunge seine gtinstige Wirkung auf tuberkulSse Herde geltend macht und sie der Ausheilung zuftihrt.

In dieser Richtung miissen m. E. die weiteren Forschungen sich bewegen.

Zusammenfassung.

1. Bei der Beurteilung der mechanisehen Spitzendisposition muss mehr Wert als bisher auf die Haltung dec Wirbels~ule gelegt werden.

2. Leichte kyphotische Kriimmungen des oberen Teiles der Brustwirbelsaule fiihren zu Raumbeeintr~chtigung der Lungenspitzen und deren Sch~digungen.

~. Die tuberkulSse Infektion der Lungen erfolgt durchaus nicht immer in der Spitze; die Spitzentuberkulose zeigt jedoch sehr oft die Neigung, voranzuschreiten, w~hrend die prim~re Tuberkulose der iibrigen Teile meistens zu Ausheilung neigt. Die Griinde daftir miissen haupts~chlich in mechanischen Verh~ltnissen liegen.

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Fig. 1.

l'ig. ] zeigt cinch ,,hohhund~n R(ickcn". Man sicht deutlich die starke physiologisct~c l.<ndo-,: d,:r l.ondo tills] (lie (:i~t-procilon(le K.vphose de~ obcrcn Dorsum. Aui dcr wiedcr Ioicht

lordoti-~chen Ila]~wirb+ds~iulc s teht dor KOlff" senkrech t . Die s ta rko :Neigtlng dc r oberon lgru-~t

;q~<rtur t r i t t Ktlt hci-vol- tlIl(l :.etzt ~ich deut l ich fort in clio ge rade nach xorn ul/toil v(:r]atllcn<lt"

vordero Brus tkontur .

]4. fi c h c u t l o f f , ( t h o r clio t { c d o u t u n g v o n W i r b o l s t i u t e n a n o m a l i e n fhr d i e 1Zn t s t chu~g

d o t L u n g e n t u b e r k u l o s e .

Curt Knbltzsch, K~I. Lrl,iv-Vcrl:~buchh~indlcr, \V{irzburj.

L'~z/~',k[<,, ~/t1 AYz)///,' ~/~'t" 7>tb,/'/,'z//,,.~,. / , : , / . . V V I . V . "/~/~/ 1II.

F{g. 9.

I'i~. 9 d<mo~/~tr]clt s~hr gu t den k> 'pho t l schen B o g c n , in dein bei r u n d e m R th ' ken d h obe ren

P, rt~-t- und dic ] t a l s w i r b e I angec, r d n c t hind. D e r l<opf sitzt d i c sem n ich t w ie bc im v~ , rhe rgehenden

l ; ikh' s e n k r c c h t auf, s o n d c r n zei~t die .~\norclntln K n a c h vorn . I)ie d a d u r < h b c d i n g t c n l:olgc.-

e r ~ c h e i m m ~ c n ti]r cli~" A p e r t u r sind d i e se lben \vie im a n d e r c n l:all.

l< i ] c h { :n h o f f , [J'ber die I3edeutung yon \Virbels~iuleuanomalicn lhr die F n t s t . e l n l n x

d e r L u n g e n t u b e r k u l o s e .

Cult l{abitzsch, KKI. [ n~. - �89 \\'tirzl.mr~.