Über den stoffwechsel von tumoren im körper

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Page 1: Über den Stoffwechsel von Tumoren im Körper

7. MAI 1926 K L I N ! S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr . 19 829 of physiol. 47, 290. -- 15) GERHARDT, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 82, 122. 1917. -- 1~) KRAUS, Dtsch. reed. Wochen- schr. 19o5, Nr. 1, 2, 3. -- x~) DE LA CAMP, Zeitschr. f. klin. Med. 5 I ; und Verhandl. d. Kongr. f. inn. Med. 19o 4, S. 208. -- ~s) v. CRIEGERN, Mfinch. reed. Wochenschr. 1899, S. 1754 . -- ~) CURSCH~ANN und SCI~LAYER, Dtsch. reed. Wochenschr. 19o5, S. 1996 und 2054. -- ~0) ]3RIJCK, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 91. 19o7. _ 21) D~]~TImN, Dtsch. Arch. f. Min. Med. 97. 19o9. -- 22) Mi~LLER,

Med. Klinik 1915, Nr. 5 o. Sept.-Abdruck. - - 23) COBET, Biochem. Zeitschr. 137 , H: 1/3. 1923. -- ~) Mosso, I)ber den Kreislauf des Blutes, S. 200. Leipzig 1881. -- 25) Zeitschr. f. d. ges. exp. Ned. 1926. -- 26) B~]'RGER, Med. Ges. Kiel, 28. v n . 192i. Ref. Med. Klinik 17, 1568. 1921. -- 2~) MOSLER und BALSAMOI~F, Klin. \Vochenschr. 3, 491. -- 28) ~RATTER, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin. 2. Aufl. Bd. I, S. 563 . Stuttgart 1921. - - 29) COEIqEN, Mfinch. reed. W'ochenschr. 73. Jahrg., Nr. I, S. I. 1926,

ORIGINALIEN. LIBER DEN STOFFWECHSEL VON TUMOREN

IM KORPER. Von

OTTO ~VARBURG, FRANZ W I N D und ERWlN NEGELEIN. Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut ffir Biologie, Berlin-Dahlem.

Wir beschMtigen uns in dieser Mit te i lung m i t der Frage, ob Tumorze l len im lebenden Tier du tch Energ iemangel ab- ge tS te t werden k6nnen, und der dami t zusammenh~ngenden Frage, in welcher Weise die Tumoren im K6rper mi t Sauerstoff nnd Glucose versorg t werden.

Wir setzen als bekann t vorausl) , dab Tumorze l len ihre zum Leben no twendige Energie auf zweierlei Ar t gewinnen: du tch A t m u n g und du tch G~rung. In der A t m u n g verbrennen sie organische Stoffe zn Kohlens~ure und Wasser, in der G~rung spal ten sie Glucose zu Milchs~ure. Alle bisher ge- prt i f ten mal ignen Tumoren ve rha l t en sich im Pr inz ip gleich, es bes teh t kein wesent l icher Unterschied zwischeli den Krebs- zellen der t r ansp lan t ie r ten R a t t e n t u m o r e n und der mensch- l ichen Spontan tumoren , der Sarkome und Carcinome, der Teer- carc inome und der du tch F i l t r a te erzeugten Rous-Sarkome.

Die G~rung der Tumoren ist zuerst an Tumorschn i t t en in v i t ro gefunden worden. C. und F. CoRI 2) haben gezeigt, dab Tumoren auch im lebenden Tier Glucose zu Milchs~ure spalten. S i e b e s t i m m t e n Glucose und Milchs~ure in den Axi l la rvenen yon Hfihnern, deren einer Flfigel ein Rous- Sarkom trug, und Ianden in i oo ccm Blu t auf der Tumorse i t e im Mit te l 23 mg Glucose weniger und I6 mg Milchs~ure mehr als auf der Normalsei te . E in entsprechender Versuch mi t e inem menschl ichen U n t e r a r m - S a r k o m ergab auf der Tumorse i t e 12 mg Glucose weniger und 9 mg Milchs~ure mehr.

Bei den Versuchen fiber die Versorgung der Tumoren durch den B lu t s t rom bes t immten wit, wie CORI, die Glucose lind die IViilchs~ure in Tumorvenen . Abweichend von Corn vergl ichen wir n icht T u m o r v e n e n und ~Lhnlich l iegende Normal- venen, sondern T u m o r v e n e n und Arter ien. Unsere Aus- schlS.ge waren gr613er als die CoI~IS, well wir n~her an den Tumor heral ig ingen und so T i imorb lu t erhielten, d a s weniger mi t Blur normale r Venen ve rmisch t war.

Als Versuchsmater ia l benu tz t en wir t ransp lan t ie r te Tu- moren, d a s F lexner - Job l ingsche Ra t t enca rc inom und das Jensensche Ra t t en sa rkom. Der .bessere der beiden Tumoren ist das Jensen-Sarkom, weil es sel tner nekrot isch wird.

1. AbtStung yon Tumorzellen in vitro. Wie Y. OKANOTO a) in Dah lem land, sind Schni t te des Flex-

ner-Carc inoms nach 24sti indigem Sauerstoffmangel , Schni t te des Jensen-Sarkoms nach 72stfindigem Sauers toffmangel m i t normale r Impfausbeu te t ransplantabel , falls w~hrend des Sauers toffmangels Glucose zur Verffigung steht . Tumorzel len k6nnen also eine Zei t lang ausschlieBlich auf Kosten der G~trung existieren.

U m g e k e h r t genfigt auch Atmul ig ohne G~rung, um das Leben der Tumorze l le zu erhaltei1. Wir d ia lys ier ten Ra t t en - serum gegen Ringerl6sung, bis es glucosefrei war, und hie l ten Tumorschn i t t e in diesem Serum un te r Durchl i i f tung mi t Sauerstoff. . Wurden die Schnit te , nach l~ngerem Aufen tha l t in dem glucosefreien Serum, in glucosehalt iges Serum fiber- tragen, so tanden wir bei der Stoffwechselmessung normale A t m u n g und G~rung, ein Beweis, dab die H a u p t m e n g e der Tumorze l l en n ich t gesch~digt war.

U m Tumorze l l en du tch Mangel an Energie abzutSten, genfigt es nach dem Gesagteli nicht, eine der beiden energie-

l iefernden Reak t ionen zu unterbrechen, sondern es ist not- wendig, sowohl die G~rung als auch die A t m u n g zu verhindern . W i t t a t en dies, indem wi t Tumorschn i t t e in glucose- und sauerstofffreies Serum brachten und bei K6rpe r t empera tu r verschieden lange Zei ten ohne A t m u n g und G~rung hiei ten. Nach In te rva l len yon S tunden wurden die normalen Lebens- bedingungen du tch Zusatz yon Satierstoff und Glucose wieder , hergeste l l t und die StoffwechselgrSBen gemessen. Es zeigte sich, dab nach 4 st t indiger Un te rb rechung der A t m u n g nnd Garung ein Stoffwechsel n icht mehr vo rhanden war, ein ]3e- weis, dab die H a u p t m e n g e der Tumorze l len abgetSt~t war. J~hnlich verl iefen Versuche, bei denen wir Energ iemangel dadurch erzeugten, dab wir Tumof t i e re t6 te ten und die Tumoren verschieden lunge Zei ten bei 37 ~ in den Tieren liel3en. Auch hierbei wurde die H a u p t m e n g e der Tumor- zellen du tch e twa 4stfindigen Energ iemange l abget6te t .

2. Dber Energiemangel im lebenden Tier. Fragen wi t uns, ob das Prinzip, Tumorzel len durch Energie-

mangel zu t6ien, auf lebende Tumor t ie re anwendbar ist, so scheinen die Aussichten zun~chst gering zu sein. Denn n ich t nur die Tumorzelle, sondern jede Zelle b ranch t Energie. Es k o m m t hinzu, dab die Tumorze l l e in bezug auI die Beschaf- lung der Energie vielsei t iger ist als die normale Zelle. Sie ha t die Wah l zwischen A t m u n g und G~rung, die normale Zelle ist ausschlieBlich auf die Sat lers toffa tmung angewiesen. Schon eine der beiden MaBnahmen, die zur Ab t6 tung der Tumorze l len erforderl ich ist, die En tz i ehung des Sauerstoffs, wiirde normale Zellen vernichten.

So wahr dies ist, so fibersieht man dabei doch einen U m - s tand yon entscheidender Bedeu tung : die Versorgung der Gewebe mi t Glucose nnd Sauers tofI durch den BlutstrQm. Is t die Versorgung der Tumoren schlechter als die der nor- malen Gewebe, so werden solche Sel ikungen des arteriel len SauerstofI- und Glucosegehalts den Tumor sch~digen, die ohne EinfluB auf die besser versorg ten normalen Organe sind. Nich t d i e Resis tenz einzelner Tumorzet len und einzelner normaler Zellen ist zu vergleichen, sondern der Tumor als Gauzes mi t den normalen Organen. Eine i iberv61kerte S t ad t ist empfindl icher gegen Stockungen der Nahrungszufuhr Ms eine normal bev61kerte Stadt , auch welin die einzelnen Bewohner Hunge r gleichm~Big ver t ragen.

3. Versorgung der Gewebe mit Glucose. Die Versorgung eines Gewebes h~tngt ab yon dem Bedarf

des Gewebes, yon der Dichte der Gef~13capiltaren, die es durch- ziehen, und yon der St r6mungsgeschwindigkei t des Bluts in den Capillaren. U m die Versorgung mi t einer Su10stanz, ben spielsweise mi t Glucose, zu messen, bes t immen wir die Glu- cosekonzentrat iol i in dell zu- und abff ihrenden Blutgef~Ben. Die prozent ische Abnahme der Glucosekonzentra t ion ist dann ein MaB Itir die Versorgung rnit Glucose; ist sie klein, so ist die Versorgulig gut nnd u m g e k e h r t

W i t haben die Glucoseversorgung yon Tumoren und yon normalen Organen bes t immt . Die Versuchst iere wurden m i t A thy lu re than narkot is ie r t (je I ccm 2oproz. Ure than l6sung pro Ioo g Tier, subcutan) , die Gef~13e in der Narkose freige- legt. Waren die Venen grog genug, wie die Venae jugu- laris, iliaca, renalis und portae, so wurde i ccm Blu t mi t der Spri tze entliorrfmen. Tumorvenen wurden mi t der Schere angeschni t ten. Das ausflieBende Blu t wurde mi~c Fi l t r ier- pap ie r al ifgesaugt und im geschlossenen Wggegl~schen ge- wogen. Auf die E n t n a h m e des Venenblu ts folgte die E n t -

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n a h m e des a r te r ie l len B lu t s d u r c h P u n k t i o n de r freige- l eg t en A o r t a abdomina l i s . Die B e s t i m m u n g de r Glucose gesch~h n a c h I ' IAaEDOaX-J~SE~ .

Bei den T u m o ~ v e r s d c h e n war au f folgende P u n k t e zu a c h t e n : I. Die Tumoren sollen Bauchtumoren und nicht zu klein, im

Mittel etwa io g schwer sein. Jedesmal nach beendigter Blut- en tnahme ist auf Nekrose zu p r f i f en . Nut Blut yon nichtnekro- t ischen Tumoren wird analysiert.

2. Die Venen, aus denen man das Blut entnimmt, sollen fest

K L I N I S C t t E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . N r . 19 7. M A I 1926

s p r a c h e n die Mi lchs~ureversuche in jeder H i n s i c h t den Gtu- coseversuchen . A u c h h ie r w u r d e n die 5 im vor igen A b s c h n i t t au fgez~h l t en Arbe i t s rege ln b e a c h t e t .

Den T u m o r v e r s u c h e n seien einige Ver suche fiber den Milch- s~ures tof fwechsel n o r m a l e r Organe vo ranges t e l l t . Tabel le 3 e n t h ~ i t die E rgebn i s se ffir 5 n o r m a l e Gewebesys t eme n o r m a l e r (n ich t t u m o r t r a g e n d e r ) Tiere.

Tabelle 3.

o ~ - e

co - c 00 %

3 i ,3

~6 i ~8

Jensen2Sarkom . . Jensen-Sarkom . . Jensen-Sarkom . . Jensen-Sarkom . . Jensen-Sarkom . . Jensen-Sarkom . .

Mittel:

m g ~ u c o s e i n IOOCCm B l u t

A r t e r i e co V en e e

92 44 144 77 lO3 31 144 69 120 60

136 4 I 124 54

e o - - o

O 0 --0 to %

48 67 72 75 60 95 7 ~

5 2

47 7 ~ 52 5 ~ 7 ~

57

Milchs~ure aussche ide t . Es bes t~ t ig t e sich so die schon yon LIEBIG ver~re tene Auf-

fassung, d a b n o r m a l e Gewebe u n t e r i h r en n o r m a l e n Lebens- b e d i n g u n g e n ke ine Milchs~ure a n das B lu r abgeben , sonde rn um- g e k e h r t Milchs~ture aus d e m B l u r a u f n e h m e n . N o r m a l e K6rper - zellen scheiden im a l lgemeinen n u t d a n n Milchsgure aus, wenn i h n e n de r Sauers to f f en tzogen oder wenn ih r e A t m u n g ge- h e m m t wird [LI~mG~), ARAKI~), Z l L L E S E N T ) ] , eine E r f a h r u n g , die in j f ings ter Zei t yon HILL, LO~'O u n d Lupro.xS) sowie yon BRUno MENDEL s) b e s t ~ t i g t u n d e rwe i t e r t worden ist. Hi l l u n d seine M i t a r b e i t e r fanden , d a b bei forc ier ter k6 rpe r l i che r A r b e i t de r Mi lchs~uregeha l t des B lu t e s s te igt . I n d iesem Fa l l geniig~ die Dif fus ion des Sauers tof fs in die Muskelze l len n ich t , u m den Saue r s to f fbeda r f des Muskels zu decken . MENDEL er- zeug te S a u e r s t o f f m a n g e l d u t c h V e n e n s t a u u n g u n d sah schon bei S t a u u n g s z e i t e n yon wenigen M i n u t e n e inen Ans t i eg der Milchs~ture in dem g e s t a u t e n GeffiBgebiet.

D a die gepr i i f ten Gewebe u n t e r i h r e n n o r m a l e n Lebens- b e d i n g u n g e n ke ine Milchs~ture an das B lu r abgeben , sonde rn zum Tell Mi lchs~ure aus d e m B l u r v e r b r a u c h e n , muB m a n sich fragen, woher die Milchskure fin B l u t n o r m a l e r Tiere

Die Tabe l l en zeigen, dab die ve r sch iedenen Gewebe ver sch ieden g u t m i t Glucose ve r so rg t werden, a m b e s t e n das Geb ie t de r V e n a jugular is , a m sch l ech t e s t en yon den nor- m a l e n Geweben das Geb ie t de r V e n a por tae . N o c h d r e ima l s ch l ech t e r Ms das P o r t a e g e b i e t wi rd der T u m o r versorg t , Bei de r S t r 6 m u n g des B lu r s d u r c h den T u m o r s ink t die Glu- c o s e k o n z e n t r a t i o n im Mi t t e l u m 57Yo de r a r t e r i e l l en K o n - zen t r a t ion . Aus I0o ccm B lu r e n t n i m m t der T u m o r im Mi t te l 70 m g Glucose, das n o r m a l e Gewehe 2 m g bis 16 mg. In bezug auf die V e r s o r g u n g m i t Glucose s ind also n o r m a l e Gewebe ~ im r u h e n d e n Tier ~ d e m T u m o r f iberlegen.

g. Milchsd~urebildung i m KSrper . Die Glucose, die be im S t r S m e n des B lu t s d u r c h den T u m o r

v e r s c h w i n d e t , w i rd z u m Teil in Milchs~ure ve rwande l t , z u m Tefl zn Koh lens~ u r e u n d W a s s e r v e r b r a n n t . U m zu e r fahren , in welcher ~ e i s e s i c h der G l ucos eve r b r auch auf die A t m u n g u n d G ~ r u n g ver te i l t , h a b e n wi t die Milchs~ure in Ar t e r i en u n d T u m o r v e n e n b e s t i m m t u n d die Z u n a h m e der Milchs~ture m i t de r A b n a h m e der Glucose ve rg l i ehen . Bei der Bes t im- m u n g de r Milchs~ure b e d i e n t e n wir uns e iner yon CLAUSEN ~) e m p f o h l e n e n A n o r d n u n g . W i t e n t f e r n t e n das EiweiB n a c h FOLIN-Wtr, die Glucose n a c h VAN SLYKE, o x y d i e r t e n die Milchs~ure zu A l d e h y d n a c h der Vorsch r i f t yon FORTtt- Cg~RNASS u n d EMBDE~ u n d t i t r i e r t e n den A l d e h y d im Des t i l l a t n a c h C L A V S ~ in b i c a r b o n a t h a l t i g e r L 6 s u n g m i t n / I o o Jod.

cem no rma le s B lu r u n d o,5 cem T u m o r b l u t g a b e n h i e r b e i h i n r e i c h e n d grol3e T i t r a t ionsaussch l~ge . I m f ibr igen en t -

s t a m m t . Vie l le icht i s t die , , no rma le" Quel le der B l u t m i l c h - s~ure ausschl ieBlich das B lu r selbst , dessen ro te Zellen, auch w e n n sie m i t S a u e r s t o f f ges~t t ig t sind, i m m e r Meine Mengen Milchs~ure en twicke ln . I m R a t t e n b l u t wfirde diese Glykolyse de r E r y t h r o c y t e n genfigen, u m milehs~iurefreies B l u r im Lau f yon 2 S t u n d e n auf de n m i t t l e r e n n o r m a l e n Milchs~ure- g e h a l t zu b r ingen .

5. Mild~s~urebi ldung i m r~umor. Das E r g e b n i s unse re r T u m o r v e n e n v e r s u c h e i s t in Tabel le 4

zusammenges t e l l t . In j edem Fal l e n t h i e l t die Vene m e h r Milehs~ure, als die Arter ie , in j edem Fa l l b i l de t e sich also bei de r D u r c h s t r 6 m u n g des T u m o r s Milchs/iure. Die Milchs~ure- b i l d u n g wa r in Ve r such i e x t r e m klein, i n Ve r such 9 e x t r e m groB. Lassen wir diese Versuche bei d e r M i t t e l w e r t s b i l d u n g beisei te , so e rg ib t sich, d a b de r T u m o r a n Ioo ccm B l u t im Mi t t e l 46 rngr Milchs~ure abgab .

Noch m i t e iner a n d e r n V e r s u c h s a n o r d n u n g h a b e n wi t die Milchs~turebi ldung im T u m o r nachgewiesen . W a r das Ab- d o m e n des T u m o r t i e r s er6ffnet , so b o h r t e n wir in den T u m o r ein Loch, in d e m in wenigen M i n u t e n eine zu r Milchs~ure- b e s t i m m u n g aus re i chende F l f i ss igke i t smenge zusammenf log , die m i t P a p i e r a b g e s a u g t wurde u n d aus Gewebeflf iss igkei t u n d B l u r in wechse lnden Verh~il tnissen b e s t a n d . I n j e d e m Fal l f a n d e n wir in der a b g e s a u g t e n Flf iss igkei t m e h r Milch- s~ture, a l s in de r A o r t a abdomina l i s , i m Mit• wie Tabel le 5 zeigt, in 1co cem Flf issigkei t 69 mgr Milchs~ture mehr , Ms in i oo ccm A o r t a b l u t .

m g Glucose in i o o c c m B l u r

A r t e r i e Co V e n e o

99 97 i x i lO8 143 125 9t 75

Tabelle 2.

Jugularis . . . . . Renalis . . . . . . Iliaca . . . . . . . Portae (niichtern) .

Tabelle 1.

mit dem Tumor verwachsen sein. Die gef~Breiche, auf dem Tumor mg Milchs~iure liegende Kapsel, in der oft vom Darm kommende Venen iiber de n . . . . i~ iooccm Blur c-co Tumor hinwegziehen, wird zur Seite geklappt. . Arterie co Veue o

3' Das Tumorvenenblu t ist fief dunkel. Fliel3t das Blur nach dem Arfschneiden der Vene hell, oder pulsiert es sogar beim Aus- ' Jugularis. I I6 17 q- t flieBen; so ha t man mit der Vene eine der feinen Arterien ange- RenMis . . . . . . . . . . 28 15 -- I3 schnitten, die oft, kaum sichtbar, neben den Venen oder unterhalb Iliaca . . . . . . . . . . . 44 39 -- 5 der Venen laufen. Portae . . . . . . . . . . . 22 2~ --

4. Nur solche Tumoren sind brauchbar , auf denen man in ihrer Placenta (mt~tterliche Pla- nati ir l ichen Lage eine geeignete Vene findet und deren Wurzeln centa-Vene, Embryogewicht man einigermagen flbersieht. Absnchen des Tumors nach Venen 3,7 g) . . . . . . . . . . I7 13 -- 4 unter .~nderung seiner natflrlichen Lage ist zu vermeiden, da man dabei Gef~Be torquiert . Die Tabel ie zeigt, daft wir in k e i n e m Fa l l in den V e n e n

5- Von der ErSffnung des Abdomens bis zur Beendigung der m e h r Milchs~ture fanden , als in den Ar te r i en . E n t w e d e r war Blu ten tnahme sollen nu t wenige Minuten vergehen. Bei zu langer der Mi lchs~uregeha l t des venSsen u n d a r te r ie l l en B lu tes .Dauer kiihlt sieh der Tumor ab (ein kleiner schneller als ein groBer), i n n e r h a l b de r F e h l e r g r e n z e n gleich, oder er war , wie im Fal l was bedingen wgrde, dab man einen zu niedrigen Stoffwechsel der Niere, in de r Vene kleiner , als in de r Arter ie . Keines de r finder. Denn die G~rung derTumorzellen ist schon bei 20 ~ fast Null. geprf i f ten O r g a n s y s t e m e b i lde te also Milchs~ure, auch n i c h t

Die Ergebn i s se uns re r Messungen h a b e n wir in den Tabe l l en I die P lacen ta , die in v i t ro - - in g tucoseha l t iger R inge r l6 sung (Normalve r suche ) u n d 2 (Tumorversuche) zusammenges t e l l t , - - n a c h e iner B e o b a c h t u n g yon MURPHY u n d I-MWKINS

Page 3: Über den Stoffwechsel von Tumoren im Körper

7. MA] x926 K L I N I S C H E ~ V O C t - I E N S C t t R I F T . 5. ] A t t R G A N G . Nr. 19 831

Tabe~e 4.

Jensen-Sarkom Versuch i Jensen-Sarkom 2 Jensen-Sarkom ,, 3 Jensen-Sarkom 4 Jensen-Sarkom 5 Jensen-Sarkom 6 Jensen-Sarkom ,, 7 Jensen-Sarkom 8 Jensen-Sarkom 9 Jensen-Sarkom io

rag gilchs~iure in Iooccm Blut

Arterie co Vene e

29 4 ~ 46 8o 2I 79 27 56 29 96 29 82 39 87 28 62 21 23o 44 78

C - C O

(II) 34 68 29 67 53 48 34

(~o9) 34

3iittel 46

: Tabelle 5.

6 - - C 0

Jensen-Sarkom Versuch i Jensen,Sarkom ,, . 2 Jensen-Sarkom 3 Jensen-Sarkom ,, 4 Jensen-Sarkom 5 Jensen-Sarkom 6 Jensen-Sarkom ,, 7 �9 J.ensen-Sarkom ,, 8 . Jensen-Sarkom ,, 9 �9

mg Mil~saure in zoo ccm Flffssigkeit Arterie co Bohrloch c

34 i24 2o 89

9 63 3! Io6

33 94 26 75 32 io2 4 ~ 118 34 113

9 ~ 69 54 75 6I 49 7 ~ 78 79

Mittel 69 6, Atraung des Tumors ira K6rper.

Auf Grund der Glucose- ulld Milchs~urebestimmungen in TumorgefABen k6nnen wir numnehr, allerdings nur ganz roh, schAtzen, wie sich der Glucoseverbrauch des Tumors zwischen GArung und Atmullg verteilt. Aus IOO ccm Blut n immt der Tumor im Mittel 7 ~ mgr Glucose heraus und gibt an die gteiche ]31utmenge im Mittel 4 6 mgr !KilchsAure ab. Voll der insgesamt yerbrauchten Glucose werden als o 46/7 ~ = 66% in der G/irung, der Rest in der Atmullg verbraucht.

Eine zweite Konsequenz betrifft den Sauerstoffgehalt der Tumorvenen. Aus ioo cem Blur entnimmt der Tumor 7 o - - 4 6 = 24 mgr Glucose zur Atmung. Sind die VerhAlt- nisse stationAr, so muB er aus der gleichen Blutmenge den zur Verbrennung von 24 mgr Glucose notwendigen Sauerstoff entnehmen, das sind 18 ccm oder gerade soviel, als IOO ccm Rat tenblut enthalten. Auf seinenl Weg durch dell Tumor

g i b t also das Blnt die Hauptmenge seines Sauerstoffs ab. Die Versorgung des Tumors mit Glucose ist schlecht, die Ver- sorgung mit Sauerstoff noch schlechter.

7. Gdrung des Tumors ira KSrper.

Durch den Abfall der Sauerstoffkonzelltration in den Tumorkapillareu wird die Atmuug des Tumors kaum beein- flul3t, da die Atmung weitgehend unabhAngig yon der Sauer- stoffkonzentration ist. Deshalb wi~rd die Atmung in Mien Teilen des Tumors ungefAhr gleicb groB seth.

Anders die GArung. N a c h Versuchen an Tumorschnitteu betrAgt die aerobe GArung des Jensen-Sarkoms pro Stunde:

bet 0,2% Glukose in dem umspalenden Serum: 7% des Tumortrockengewiehts ;

bet o,1% Glucose in dem umspfilenden Serum: 5% des Tumortrockengewichts;

bet o,o5% Glucose in dem umspiilenden Serum: 2% des Tumortrockengewichts.

Die GSrung Alldert sich also erheblich in dem zwischell o,o 5 und o,2% liegenden Kouzentrationsbereich. Das 5Iaxi- mum der GArullg liegt bet etwa o,2% Glucose.

Nach Tabelle 2 betr~igt d i e mitt lere arterielle Glucose- konzentration der Tumortiere o, I2%, die mitt lere Glucose- konzentration in den Tumorvenen 0,054 %. Es folgt daraus, dab die GArung der Tumorzellen in den verschiedeuen Teilen des Tumors verschieden groB ist. Tumorzellen, die llm die Eintrittsstelle ether Capi l lare liegen, verg~ireu pro Stunde etwa 5% ihres Gewichts all Glucose, Tumorzellen ir~ der NXhe des ven6sen Elldes ether Capillare in der gleichen Zeit nut

2 ~ Die G~rung im Tumor nimmt in der Richtung des capil- laren Blutstroms ab und betr~gt im Mittel 3,5% des Tumor- gewichts pro Stunde.

Da dies die Hglfte der maximal m6glichen aeroben GArung der Tumorzellen ist, so lnul3 es gelingen, die G~rung des Tu- mors dutch Erh6hung der arteriellen Gtucosekonzentration zu verdoppeln. Und zwar gentigt es nicer, um die maximale Tumorg~rung hervorzurufen, dab wir die after@lie Glucose- konzentration auf o,2% bringen, sondern es ist notwendig, dab der Glucosegehalt in den Tumorvenen o,2~/o betrAgt. Wir erreichtell dies durch Injektion yon 2 ccm ether 25proz. Glucosel6sung in die Schwanzvelle einer Tumor ra t t e . Nach 20 Minuten war dann der Glucosegehalt des Aortabluts o,342%, der Gtucosegehalt des Tumorvenenbluts 0,2o79/0, also der Olucoseverbrauch in ioo ccm Blut 135 mgr. Dies ist, in guter l]bereinstimmung mit unsern Uberlegungen, fast doppelt so viM, als der Tumor bet normaler Blutzucker- Konzentration verbraucht.

8. Wirkung des Glucoseraangels. S I L B E R S T E I N 1 0 ) , V, W I T Z L E B E N 11) u n d R O N D O N 1 1 2 ) h a b e n

Versuche mitgeteilt, die es wahrscheinlich machen, dab zwischen der GArung des Tumors und dem Wachstum des Tumors Beziehungen bestehen. Insulin hemmte das Wachs- turn, Glucosezufuhr beschleunigte das Wachstum. Wit ver- stehen diese Wirkungen, wenn wir bedenken, daB wegen der schlechten Versorgung mit Glucose selbst geringftigige Anderungen des Blutzuckergehalts die G~rung des Tumors erheblich beeinflussen. Die in vitro Versuche geben in dieser Hinsicht ein falsches Bild yon der Beeiuflul3barkeit der GSrung im lebenden Tier. Senkell wir beispielsweise den Glucosegehalt eines Serums, das Tumorschnitte umspt i l t , voll o , I% auf o,o5%, so sinkt die aerobe GArung des Tumors auf ~/~. Variieren wir aber den arteriellen Glucosegehalt in den gleichen Grenzen, so sinkt, wegen der schlechten Versorgung des Tumors, die Tu.morgArung im lebenden Tier nicht auf ~/~, sondern, wie man leicht berechnen kann, auf I/~.

Verschieden yon der Aufgabe, das Wachstum des Tumors zu hemmen, ist das Problem, Tumorzellen im lebenden Tier abzut6ten. Alle Tumorzellen, die an den lireislauf ange- schlossen sind, erhalten, wie wir erfahren haben, den zur Atlnung n6tigen Sauerstoff und k6nnen deshalb ohne Glucose existierell. Selbst wenn es geliillge, den Blutzucker im leben- den Tier ganz zum Verschwinden zu bringen, ware die Exi- stenz der Tumorzellen nicer bedroht.

Zum Beleg des Gesagten erw~hnen wir, dab wir Tumortiere stundenlang bM seer niedrigem Blutzuckergehalt in Insulin- krAmpfen gehalten und dann den Stoffwechsel so vorbehan- delter Tumoren in Schllitten gemessen haben. Wir fanden die Atmung mid GArung nur wenig verminder~, ein Beweis, dab die Hauptmellge der Tumorzellen intakt war.

9. Wirlcung des Sauerato//raangels.

Um Tumorzellen im lebenden Tier dutch Energiemangel zu t6ten, ist es, wie bet den Versuchen in vitro, notwendig, aul3er der GArung auch die Atmung zu hemmen. Das erste besorgt die Natur selbst. Denken wir uns ein Tumorstiick, das von einer Schar paralleler Capillaren durchzogen isL senkrecht zur Riehtung der Capillaren ill tier Mitre durch- schuittell, so erhalten wir zwei TumorhAlften, yon denen wit die eine als die ,,arterielle", die andere als die ,,venSse" H~ilfte bezeichnen wollen. Wegen der schlechten Versorgung mit Glucose ist die GArung in der ven6sen HAlfte klein, und nicht ausreichend, um bet Abschtu8 yon Sauerstoff die Zellen am Leben zu hatten. GeIingt es, die Atmung in der ven6sen HAlite zu hemmen, so muB die ven6se Tumorh~ilfte absterben.

Wit haben Versuche in dieser Richtung ausgeftihrt und Tumorrat ten in Gasgemische gebracht, die 5 Vol% Sauerstoff enthielten. Eine ikleine Menge Ammoniak war dem Gas- gemisch hinzugeffigt, ini t der Absidht, die Acidose zu ver- minderu. Die S~ittigung des H~tmoglobins mit Sauerstoff in diesen Mischungell war so herabgesetzt, dab sch~itzungsweise nur noch die HAlf~e des Tumors mit Sauerstoif versorgt wurde.

Nach 4osttindiger Behalldlung wurden die Tumort iere get6tet, die Tumoren herausgenommen und ihr Stoffwechsel

Page 4: Über den Stoffwechsel von Tumoren im Körper

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in Schnitten in vitro gemessen. Es zeigte sich, dab die Haupt- menge der Tumorzellen abget6tet war. Atmullg und G~rung des Hauptteils des Tumors waren fast Null, nur ein dfinner ~uBerer Rand besal3 r/och den normalen Stoffwechsel.

Die erwartete Wirkung war also vorhanden, aber viel gr613er als vorausberechnet. Offenbar bewirkte die Er- stickung der ven6sen Hitlfte des Tumors, dab auch der gr613te Tell der arteriellen HXlfte abstarb.

Wir erkl~ren dies durch die Annahme, dab der Sauerstoff- mallgel in dem venSsen Teil des Tumors nicht nu t die Tumor- zellen, sondern auch die Zellen, aus denen die Capillaren be- stehei1, t6tet. Die Folge muB sein, dab die Tumorcapillaren unwegsam werden, wodurch auch die arterielle Tumorh~lfte gesch~digt werden muB.

10. Sauersto//mangel und He/e. Zun/iehst erscheillt es paradox, dab eine Tumorzelle, bei.

deren Entstehung nach unsrer Auffassung Sauerstoffmangel mitwirkt, dutch Mange1 an Sauerstoff get6tet werden kann. In W'irkliehkeit liegt hier ejn Widerspruch nicht vor. Auch bei der Entstehung der Kulturhefe aus der wilden Here spielt wahrscheinlieh der Sauerstoffmallgel i n den G~rgef~tBen eine Rolle, ulld doch kann man aueh Here dutch Sauerstoffmangel abtSten: Hefe ebenso wie Tumorzellen, wenn der zur G~rung notwendig e Zucker fehlt.

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DURSTSCHADEN IM KINDESALTER*). V o n

Prof. HANS ARON, Breslau.

Die Krankheitserscheinungen, yon denen die Rede sein soll, sind im allgemeinen noch wenig bekannt. Vergeblieh wird man selbst in den gr613eren Lehr- und Handbtichern der Kinderheilkullde das Wort , ,Durstschaden" suchen, und doch handelt es sich um iKrankheitsbilder, deren Kenntnis yon groger praktischer Bedeutung ist.

,,Durstsch~den"**) sind StOrungen der Gesundheit, welche durch unzureichende Zu]uhr yon Wasser, also dutch ,,Durst" hervorgeru/en werden und dutch geeignete Wasserzu]uhr zu be- heben, zu heilen sin& Diese Heilbarkeit dutch eine geeignete Wasserzufuhr k6nnen wir geradezu als das wesentliche Cha- rakteristicum aller Durstsch~Lden bezeiehnen.

l~:ber eine bestimmte Form des Durstschadens, das ,,Durstfieber", bes teh t schon eine ziemlich umfangreiche Literatur, dagegen fehlt bisher n'och eine zusammenfassende Betrachtung und Darstellung, vor allem der sehweren Krank- heitserscheinungen, welche durch Wassermangel entstehen k6nnen. Es ist ja iiberhaupt noch nicht lange her, dal3 man auf die Bedeutung des NXhrstoffmangels als Krankheitsursache aufmerksam wurde. Der Gedanke, dab aueh ein so allgemein verbreiteter N~hrstoff, wie das Wasser, in unzureichender Menge zugeftihrt werden kSnnte, lag wohl so fern, dab man ihn kaum systematisch verfolgt hat. Wo der Durstsehaden au/tritt, wird deshalb der Durstzustand , dis ungeni~gende Wasserzu/uhr, oft" nicht erkannt oder nicht richtig bewertet. Die Krankheits- erscheinungen werden au/ andere Ursaehen bezogen. Bei der groBen praktischen Bedeutung, welehe die Kenntnis der Durstzust~nde fraglos hat, m6chte ich versuchen, heute dar- zulegen, unter welchen t3edingungen es bei jungen Kjn dern zu ungeniigender Wasserzufuhr kommen kann, welche StSrun- gen auf diese Weise entstehen, an welchen Symptomen wir

*) Nach einem Vortrag, gehalten am 15. Januar I926 in der Medizinischen Sektion der Schlesischen Gesellschaft ffir vaterl~ndische Kultur in Breslau. **) Ergeblt. d. ges. Medizin, 3, S. 167 If.

sie erkennen und auf welche Weise wir sie wirksam behebea k611nen.

Wenn auch die DurstschXden in erster Linie vom klinischen oder yore praktisch ~rztlichen Gesiehtspunkte betrachtet werden sollen, so Mud doch einige pathologisch-physiologische Vorbemerkungen nicht ganz zu umgehen. Das Wasser ist der- jenige N~thrstoff, den der Organismus ll~chst dem Sauerstoif am wenigsten zu entbehren vermag. Der Dursttod t r i t t bekanntlich lange vor dem Hungertode ein. Eigentlich mul3 das sehr auffMlig erscheinen, da doeh der K6rper yon keinem N~hrstoff so vim 5eherbergt wie vom Wasser. Mindestens zweiDrittel des K5rpergewichtes sind Wasser. Aber der gr6Bte Teil des Wassers i s t fest gebunden, nur t in kleiner Teil ist disponibel. Die "vVasserreserven, welche der t425rper abgeben kani1, sind vornehmlich im Unterhautzellgewebe und in der Muskulatur enthalten. Sie diirften 6 bis h6chstens 8% des K6rpergewichtes betragen. Der ganze tibrige Rest des Wassers ist in den Zellen fest verankert.

Der WasserbedarI des Erwachsenen ist in der Norm mit etwa 11/2 1 pro Tag gedeckt, der des Kindes ist gar nicht viel geringer. Wir wissen, dab der S~ugling etwa 1/7 bis 1/10 seines K6rpergewichtes an Wasser beansprucht. Wiihrend also der Erwachsene pro Kilo K6rperge~icht nut 20--30 g an Wasser benStigt, hat das ]unge Kind einen Bedar/ yon etwa 100--150"g pro Kilo KSrpergewicht. Wozu sind diese Wassermengen er- forderlich und woher kommen die Unterschiede in der GrSBe des Bedarfes beim S~ugling und beim Erwachsenen?

Das Wasser ist einmal erforderlich zur Entfernung der Stoffwechselprodukte durch Urin und Faeces; diese Wasser- menge ist aber gering, zumal beim Kinde, und kann ganz wesentlich eingeschr~llkt werden. Die Hauptmenge des Wassers dient zur W~rmeregulation. Auf die Beziehungen des Wassers zur Wdirmeregulation sei etwas laaher eingegangen.

Die K6rperw~rme wird bekanntlich aufrecht erhalten dutch ein Wechselspiel zwischen Warmezufuhr und W~rmeabgabe in einer best immten Gleichgewichtslage. Die W~rmeabgabe erfolgt durch S~rahlung, Leitung und durch Wasserverdun- stung. Je geringer die MSglichkeit ist, durch Strahlung und Leitung W~rme abzngeben, desto lnehr t r i t t die Wasser- verdunstung in den Vordergrund. t3eim S~tugllng, der gegen W~rmeverluste geschtitzt gehalten wird, erfolgt die WXrme- abgabe fast nur dutch Wasserverdunstung, und zwar, da eine Wasserverdunstung yon der Hau t nu t an wenigen K6rper- partien, meist nur am Kopfe m6glich ist, dutch die A t e m l u f t . Die Bedeutung der W~rmeabgabe auf diesem Wege kellnen wir besonders yon Tieren, die keine SchweiBdrtisen haben und nicht schwitzen, wie z. t3. Hund, Affe, Meerschweinehen, Kaninchen, Rind usw. Diese Tiere verdunsten tiberhaupt llur Wasser auf dem Wege der Respiration. Zur Vermehrung der W~rmeabgabe dient eine besehleunigte Atmung und ein. keuchendes HervorstoBen der Luft fiber die Zunge, eine Er- scheinung, welche wir mit RICHET als ,,Wf~rmehyperpn6e'" bezeichnen k6nnen.

Diese Form der Wasserverdunstung und W~rmeabgabe interessiert uns besonders, weil sie ja beinahe den einzigen Weg darstellt, auf dem der S~ugling sich fiberhaupt gr613erer W~r- memengen elltledigen kann. Dazu ist er abet st~ndig ge- zwungen, denn bezogen au] das KSrpergewicht ist beim Sdugling der Sto]fumsatz und damit die WdrmebiIdung 3--4real so grofl als beim Erwachsenen unter den gleichen Bedingungen. Jetzk verstehen wit, warum der S~ugling relativ so vim mehr an Wasser ben6tigt als der Erwachsene. Er hat eine gr6Bere WS.rmebildung und muB erheblich gr613ere W~rmemengert dureh Wasserverdunstung abgeben.

Wen~der Organismus zur Anfreehterhaltllng seiner K6rper- temperatur auf die Witrmeabgabe durch Wasserverdunstung angewiesell ist, dann muB ]ede Beschrdinkung in der MSglich- keit, Wasser zu verdunsten, zur ,,Wdrmestauung" Ifih~en. Be- kannt ist die Erscheinullg der W~rmestauung beim Sonllen- stich oder Hitzschlag. Wie ich bei meinen Untersuchungen fiber die Wirkungen der Tropensonne experimentell gezeigt habe, muB ~ede W(z'rmestauung letzten Endes immer au~ ein Versagen der Wasserverdunstung zwr~clcgeJ4~hrt werden. Dutch gesteigerte Wasserverdunstung kSnnen selbst iibermS.Bige