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Skript Thermodynamik Prof. Dr. Bucher Hochschule Heilbronn ifg Institut für Grundlagen WS 2015/16 Seite 1 Thermodynamik Motivation: Die Vorlesung Thermodynamik habe ich bei meinem Antritt als angestellter Professor an der damaligen Fachhochschule Heilbrunn im Jahre 1987 übernommen. Meine Idee war, zwei Jah- re lang endgültige Vorlesungsmanuskripte zu erarbeiten. Das Ergebnis war ernüchternd, ich hielt jedes Semester eine nahezu komplett neue Vorlesung. Nun gegen Ende meines aktiven Dienstes hat sich die Vorlesung eingeschwungen. Norma- lerweise halte ich seit dem Untergang vom Studiengang Physikalische Technik eine Vorle- sung Physik II mit dem Schwerpunkt Feldtheorie. Im WS 2015/16 ergab sich nun die Mög- lichkeit, ein Vorlesung mit dem Schwerpunkt Thermodynamik zu halten. Ich habe sie gerne gehalten und meine Erfahrungen sollen in das folgernde Skript einfließen. Den Schwerpunkt legte ich auf Thermodynamik, allerdings auf der Basis der Teilchentheorie des idealen Gases. Erweiterungen in Richtung Kreisprozesse und realem Gas habe ich auf der Basis meines Phy- sikbuchs „Gerthsen, Kneser, Vogel“ und meiner Mathematikbibel „Bronstein“ gewagt. Zu- sätzlich habe ich das Internet und hier insbesondere Wikipedia genutzt. Allerdings, die Wikipediaartikel verschweigen stets die grundlegenden Umformungen. Diese zu durchschauen kostet manchmal einen Nachmittag für eine Gleichung, vielleicht weil ich zu dumm bin, vielleicht auch weil ich jede Umformung verstehen will. Die Aussagen der Wi- kipediaartikel stimmen in der Regel, aber die Verfasser haben den Weg zum Ergebnis nicht kapiert und sich auf das Abschreiben seriöser Artikel verlassen. Diese Art von wissenschaftli- chem Aufplustern geistiger Fliegengewichte, die nur abschreiben aber nicht selbst produzie- ren können, verachte ich zutiefst. Freunde, wenn ihr schon wikipediageil seid, dann versucht wenigstens zu verstehen, was ihr abschreibt, Gruß Dr. rer. nat. G. Bucher. Nach dieser Philippika wider Wikipedia, was ist das nun wieder, römische Geschichte studie- ren und auf Cicero achten, und schon schält sich der Sinn heraus; nun wieder Konstruktives zur Vorlesung. Ich versuche das Verhalten gasförmiger Systeme am Modell des idealen Gases zu erklären. Daraus leiten sich die Beschreibung der Eigenschaften in einem idealen Gas, die Zustandsänderungen und die Energieaustauschmechanismen bei diesen Zustandsänderungen ab. Die nächsthöhere Stufe der Erkenntnis behandelt die thermodynamischen Kreisprozesse. Doch schon das abschließende Kapitel holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück und be- handelt das reale Gas nach van der Waals, wieder genähert aber schon näher an der Realität. Thermodynamische Systeme seien abgeschlossene Volumina einer Vielzahl gleichartiger Teilchen, die identisches Verhalten zeigen. Zum Einstieg werden ideale Gase betrachtet, da- bei handelt es sich um eine Idealisierung realer Teilchensysteme. Weiterhin soll die Teilchen- zahl konstant sein. Variable Teilchenzahlen bringen erstens chemische Reaktionen und zwei- tens die großkanonische Gesamtheit auf den Plan. Darüber breiten wir den Mantel des Schweigens. Damit werden chemische Prozesse weitgehend außen vor gelassen, aber es muss ja noch Neues für das fünfte Semester geben.

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Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite1 

Thermodynamik

Motivation:  

Die Vorlesung Thermodynamik habe ich bei meinem Antritt als angestellter Professor an der damaligen Fachhochschule Heilbrunn im Jahre 1987 übernommen. Meine Idee war, zwei Jah-re lang endgültige Vorlesungsmanuskripte zu erarbeiten. Das Ergebnis war ernüchternd, ich hielt jedes Semester eine nahezu komplett neue Vorlesung. Nun gegen Ende meines aktiven Dienstes hat sich die Vorlesung eingeschwungen. Norma-lerweise halte ich seit dem Untergang vom Studiengang Physikalische Technik eine Vorle-sung Physik II mit dem Schwerpunkt Feldtheorie. Im WS 2015/16 ergab sich nun die Mög-lichkeit, ein Vorlesung mit dem Schwerpunkt Thermodynamik zu halten. Ich habe sie gerne gehalten und meine Erfahrungen sollen in das folgernde Skript einfließen. Den Schwerpunkt legte ich auf Thermodynamik, allerdings auf der Basis der Teilchentheorie des idealen Gases. Erweiterungen in Richtung Kreisprozesse und realem Gas habe ich auf der Basis meines Phy-sikbuchs „Gerthsen, Kneser, Vogel“ und meiner Mathematikbibel „Bronstein“ gewagt. Zu-sätzlich habe ich das Internet und hier insbesondere Wikipedia genutzt. Allerdings, die Wikipediaartikel verschweigen stets die grundlegenden Umformungen. Diese zu durchschauen kostet manchmal einen Nachmittag für eine Gleichung, vielleicht weil ich zu dumm bin, vielleicht auch weil ich jede Umformung verstehen will. Die Aussagen der Wi-kipediaartikel stimmen in der Regel, aber die Verfasser haben den Weg zum Ergebnis nicht kapiert und sich auf das Abschreiben seriöser Artikel verlassen. Diese Art von wissenschaftli-chem Aufplustern geistiger Fliegengewichte, die nur abschreiben aber nicht selbst produzie-ren können, verachte ich zutiefst. Freunde, wenn ihr schon wikipediageil seid, dann versucht wenigstens zu verstehen, was ihr abschreibt, Gruß Dr. rer. nat. G. Bucher. Nach dieser Philippika wider Wikipedia, was ist das nun wieder, römische Geschichte studie-ren und auf Cicero achten, und schon schält sich der Sinn heraus; nun wieder Konstruktives zur Vorlesung. Ich versuche das Verhalten gasförmiger Systeme am Modell des idealen Gases zu erklären. Daraus leiten sich die Beschreibung der Eigenschaften in einem idealen Gas, die Zustandsänderungen und die Energieaustauschmechanismen bei diesen Zustandsänderungen ab. Die nächsthöhere Stufe der Erkenntnis behandelt die thermodynamischen Kreisprozesse. Doch schon das abschließende Kapitel holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück und be-handelt das reale Gas nach van der Waals, wieder genähert aber schon näher an der Realität. Thermodynamische Systeme seien abgeschlossene Volumina einer Vielzahl gleichartiger Teilchen, die identisches Verhalten zeigen. Zum Einstieg werden ideale Gase betrachtet, da-bei handelt es sich um eine Idealisierung realer Teilchensysteme. Weiterhin soll die Teilchen-zahl konstant sein. Variable Teilchenzahlen bringen erstens chemische Reaktionen und zwei-tens die großkanonische Gesamtheit auf den Plan. Darüber breiten wir den Mantel des Schweigens. Damit werden chemische Prozesse weitgehend außen vor gelassen, aber es muss ja noch Neues für das fünfte Semester geben.

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I das ideale Gas Das ideale Gas stellt ein Modell für Vielteilchensysteme dar. Wollte man sämtliche Orte und Impulse eines Gasvolumens von einem Kubikmeter bei Umgebungsdruck von einem Bar auch nur für eine Sekunde dokumentieren, ergäbe das einen Papierstapel von der Erde bis zum Mond, Din A 4 selbstverständlich. Das verdeutlicht eindringlich, dass die Beschreibung sol-cher Systeme auf Parameter zurückgreifen muss, die das ideale Gas als gesamtes Kollektiv beschreiben. Solche Parameter sind in einem ersten Schritt

der Druck die Teilchenzahl, das Volumen und die Temperatur.

Später werden weitere Größen hinzugenommen, die nicht so offensichtliche Eigenschaften eines thermodynamischen Systems beschreiben. Beispiele dafür sind

die Entropie, die Enthalpie die freie Energie oder die Gibbsche Energie, bzw. freie Enthalpie

I.1 Modell des idealen Gases

Folgende, idealisierte Annahmen charakterisieren das ideale Gas:

Ideales Gas besteht aus Massenpunkten, Ideales Gas kennt nur Kontaktwechselwirkung, das bedeutet dass eine Wechselwir-

kung nur stattfindet, wenn sich die Teilchen berühren und die Teilchen eines idealen Gases führen nur elastische Stöße aus.

Das Modell des idealen Gases beschreibt reales Verhalten mit genügender Genauigkeit für verdünnte Gase, also bei

geringer Teilchendichte und hoher Temperatur.

Die geringe Teilchendichte unterdrückt die Auswirkungen des Teilchenvolumens und die hohe Temperatur sorgt dafür, dass sich keine anziehende Wechselwirkung zwischen den Teil-chen bemerkbar macht.

Dieses Modell erlaubt die Beschreibung des Gasdrucks in einem abgeschlossenen, thermo-dynamischen System.

Das Modell versagt bei tiefen Temperaturen und hohen Drücken.

Tiefe Temperaturen lassen den Einfluss anziehender Wechselwirkungen, beispielswei-se der van der Waals Wechselwirkung, an Bedeutung gewinnen.

Hohe Drücke verstärken den Einfluss des Teilchenvolumens.

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Das Modell versagt mithin bei der Beschreibung

von Phasenübergängen wie Kondensation oder Verdampfen sowie bei der Berücksichtigung von Oberflächeneffekten.

Einen ersten Schritt zur Erfassung dieser Phänomene stellt die van der Waals Gleichung des realen Gases dar.

I.2 Phänomenologische Beschreibung des Verhaltens idealer Gase  

Die zu Grunde liegenden Gleichungen wurden bereits vor mehr als zwei Jahrhunderten er-kannt und formuliert. Diese Gleichungen betrachten Gase noch als Kontinuum, die Teilchen-eigenschaft war noch nicht erkannt worden.

I.2.1 Gesetz von Boyle-Mariotte

Das Gesetz von Boyle-Mariotte beschreibt den Zusammenhang zwischen Druck und Volu-men bei konstanter Temperatur und konstanter Stoffmenge.

∙ ∙

, : Druck und Volumen bei der Ausgangstemperatur, beispielsweise 0 °C; , : Druck und Volumen bei einer neuen Temperatur t °C

Andere Formulierungen lauten

Das Gesetz wurde unabhängig von Robert Boyle und Edme Mariotte im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts entdeckt.

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I.2.2 Erstes Gesetz von Gay-Lussac

Das erste Gesetz von Gay-Lussac bzw. das Gesetz von Charles beschreibt die Volumenent-wicklung eines Gases bei konstantem Druck und konstanter Stoffmenge als Funktion der Temperatur. Es wurde ebenfalls unabhängig von den zwei genannten Forschern Ende des 18. Jahrhunderts gefunden  

∙ 1 ∙

: Temperatur in °C : Volumen bei der Temperatur t in °C

: Volumen bei der Bezugstemperatur 0 °C : Ausdehnungskoeffizient als Funktion der Temperatur in 1 °⁄

I.2.3 Gesetz von Amontons  

Das Gesetz von Amontons, auch zweites Gesetz von Gay-Lussac, beschreibt die Druckent-wicklung eines Gases bei konstantem Volumen und gleichbleibender Stoffmenge.

∙ 1 ∙

: Temperatur in °C : Druck bei der Temperatur t in °C

: Druck bei der Bezugstemperatur 0 °C : Spannungskoeffizient als Funktion der Temperatur in 1 °⁄

I.2.4 Gesetz der Homogenität  

Das Gesetz der Homogenität besagt, dass Gase in abgeschlossenen Volumina homogen ver-teilt sind. Gleiche Untervolumina enthalten stets dieselben Stoffmengenverhältnisse. Das Vo-lumen ist mithin proportional zur enthaltenen Stoffmenge.

: Stoffmenge als Anzahl der Teilchen

I.2.5 Gesetz von Avogadro Das Gesetz von Avogadro besagt, dass zwei identische Gasvolumina, die bei gleicher Tempe-ratur unter demselben Druck stehen, gleiche Teilchenzahl aufweisen, auch wenn die Gasvo-lumina unterschiedliche Teilchensorten enthalten.

Messungen ergeben für den Temperaturkoeffizienten und den Spannungskoeffizienten

1273.16

1

Aus diesem Ergebnis kann die absolute Temperaturskala mit 273.16 ° 0 als tiefst möglicher Temperatur definiert werden. Diese absolute Temperaturskala wird im Weiteren verwendet.

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I.2.6 Kombination der Gesetze von Amontons und Gay-Lussac

Die Kombination beschreibt eine zweistufige Zustandsänderung bei konstanter Stoffmenge. Im ersten Schritt wird eine Zustandsänderung bei konstantem Volumen durchgeführt. Dazu muss die Temperatur geändert werden. Mit der absoluten Temperatur ergibt sich der folgende Zusammenhang:

oder umgeformt

Die zweite Zustandsänderung erfolgt bei konstantem Druck entsprechend dem Gesetz von Gay-Lussac.

oder umgeformt

Der Ausdruck für aus der ersten Zustandsänderung kann nun in das Ergebnis der zweiten Zustandsänderung eingesetzt werden.

∙ ∙∙

Berücksichtigt man, dass auf Grund der isochoren Zustandsänderung gilt

und auf Grund der isobaren Zustandsänderung gilt

ergibt die Einarbeitung beider Beziehungen die Zustandsgleichung in einer vertrauten Form:

∙ ∙

Voraussetzung dafür ist, dass die Teilchenzahl, oder im Bild eines homogenen Mediums, die Stoffmenge eines abgeschlossenen Gasvolumens, konstant bleiben.

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I.2.7 Ableitung der allgemeinen Gaskonstanten

Das Ergebnis lässt sich für beliebige, abgeschlossene thermodynamische Systeme in die Glei-chung fassen:  

Der Ausdruck, geformt nach obiger Vorschrift aus Volumen, Druck und absoluter Tempera-tur, stellt für ein abgeschlossenes System eine Konstante dar. Die Jagd auf diese Konstante sei eröffnet. Diese Konstante kann auf Grund ihrer Definition nicht von den Variablen

Volumen, Druck und Temperatur

abhängen. Auf Basis des Gesetzes von Avogadro spielt auch die Teilchenmasse keine Rolle. Somit kann die Konstante nur noch

die Stoffmenge, gemessen als Teilchenzahl oder Anzahl an Kilomolen, und einen messtechnisch zugänglichen Proportionalitätsfaktor enthalten.

Dieser Proportionalitätsfaktor lässt sich messtechnisch ergründen, indem man ein bestimmtes Gasvolumen, beispielsweise ein Kilomol eines Gases abgrenzt, dieses unter einen bestimm-ten Druck, beispielsweise den Luftdruck auf Meereshöhe, 1.034 Bar setzt, und die dazu not-wendige Temperatur ermittelt. Das Ergebnis wird sein:

8.314 ∙ 10³∙

Diese Proportionalitätskonstante R bezeichnet die allgemeine Gaskonstante. Die Zustands-gleichung des idealen Gases lautet mithin

∙ ∙ ∙

: Stoffmenge in Anzahl der Kilomole

Diese Gleichung lässt sich leicht umformulieren in die Anzahl der Teilchen im Gasvolumen indem man mit der Avogadrokonstanten erweitert.

∙ ∙ ∙ ∙

Das Produkt ∙ ergibt die Gesamtzahl N der Teilchen im System,

der Quotient entspricht der Boltzmankonstanten k 1.385 ∙ 10

Damit die Gleichung die folgende, alterative Form an:

∙ ∙ ∙

1.385 ∙ 10

: Boltzmannkonstante

N: Gesamtzahl der Teilchen im System

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I.3 Kinematische Betrachtung des idealen Gases

I.3.1 Ableitung des Gasdruckes in einem System bewegter Teilchen

Bei der kinematischen Behandlung des idealen Gases wird die Wechselwirkung zwischen Gasmolekülen und Wandung als elastische Reflexion behandelt. Der Druck des Gases auf die begrenzende Wandung resultiert aus der Vielzahl der Stöße. Bei der folgenden Modellrech-nung werden als Randbedingungen akzeptiert:

Die Stöße zwischen Gasteilchen und Wandung erfolgen elastisch, die Verteilung der Geschwindigkeitsvektoren ist isotrop und die Beträge der Geschwindigkeitsvektoren sind einheitlich.

Die ersten beiden Annahmen repräsentieren Idealisierungen, die sicher nachvollziehbar sind. Problematischer gestaltet sich die letzte. Allerdings, wenn man die folgende Überlegung für jede Geschwindigkeit durchführt und die Wahrscheinlichkeitsdichte kennt, kann die Berech-nung in voller Allgemeinheit durchgeführt werden. Dazu müssten wir allerdings bereits die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung kennen. Das ist allerdings eine andere Geschwin-digkeit, der wir später nachspüren werden.

Frisch auf ans Werk! Wir definieren ein Flächenelement ΔA auf der Seitenfläche eines abge-schlossenen Volumens. Alle Teilchen, die innerhalb eines Zeitintervalls Δt auf dieses Flä-chenelement treffen wollen, müssen sich in einer dünnen Kugelschale der Dicke ∆ ∙ ∆ in der Entfernung ∙ vom Flächenelement ΔA. Diese Kugelschale wird in dünne Ringe konzentrisch zur Polachse zerlegt. Alle Teilchen, die aus einem solchen Ring auf das Flächenelement ΔA treffen, übertragen denselben Impuls. Also nun Schritt für Schritt.

Die Anzahl der Teilchen, die überhaupt die Chance haben, in einem bestimmten Zeitintervall das projektierte Flächenelement zu treffen, ergibt sich zu

∆ 2 ∙ ∙ ∙ ∆ ∙ 2 ∙ ∙ ∙ ∆ ∙∙

∆ ∙ ∆

∆ : Anzahl der Teilchen, die überhaupt in einem Zeitintervall Δt das Flächenelement ΔA

treffen können : Teilchengeschwindigkeit

: Teilchendichte, die sich aus der Zustandsgleichung des idealen Gases ergibt : Radius der gedachten Kugelschale

∆ : Dicke der gedachten Kugelschale 2 ∙ ∙ ∆ : Volumen der gedachten Kugelschale

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Die Kugelschale wird nun ähnlich den Breitengraden in der Geographie in parallele Ringe zerlegt. Alle Teilchen eines solchen Ringes übertragen denselben Impuls, wenn sie auf das Flächenelement ∆ treffen. Die Mittelpunkte dieser Ringe bilden die Normale auf das Flä-chenelement ∆ . Charakterisiert man die einzelnen Ringe durch ihren Azimuthwinkel be-züglich der Normalen, ergibt sich folgendes Volumen:

∆ 2 ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∆ 2 ∙ ∙ ∙ ∙ ∆  

Mit der Teilchendichte ergibt sich die Anzahl der Teilchen in einem Kreisring zu:

∆ 2 ∙ ∙ ∙ ∙ ∆ ∙∙

 

Jedes Teilchen überträgt den Impuls ∆

∆ 2 ∙ ∙ ∙  

: Teilchenmasse

Die Wahrscheinlichkeit , ∆ , dass ein Teilchen tatsächlich das Flächenelement ∆ trifft, ergibt sich aus der Projektion dieses Flächenelements und der Kugeloberfläche mit Radius .

, ∆∆ ∙4 ∙ ∙

Diese Wahrscheinlichkeit resultiert aus der Tatsache, dass in jedem Volumenelement die Ge-schwindigkeitsvektoren in ihrer Richtung gleichverteilt auftreten. Nimmt man diese Wahr-scheinlichkeit hinzu, überträgt jeder Kreisring folgenden Impuls auf das Flächenelement:

2 ∙ ∙ ∙ ∙ ∆ ∙ , ∆ 2 ∙ ∙ ∙ ∙ ∆ ∙∙

2 ∙ ∙ ∙ ∙ 2 ∙ ∙ ∙ ∙ ∆ ∙∙

∙∆ ∙4 ∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∆ ∙ ∆ ∙ ∙ ∙∙

∙ ∙ ∙ ∆ ∙ ∆ ∙ ∙ ∙∙

∙ ∙ ∆ ∙ ∆ ∙∙

∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∆ ∙ ∆ ∙∙

∙13

∙ ∙ ∆ ∙ ∆ ∙∙

∙13

12

∙ ∙ ∆ ∙ ∆ ∙∙

∙23 ∙

∙∙23∙ ∆ ∙ ∆

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Die aus dem Impulsübertrag resultierende Kraft ergibt sich nach dem dritten Newtonschen Axiom zu Impulsübertrag pro Zeiteinheit:

∆ ∙∙

∙23∙ ∆

Der Druck schließlich ist definiert als Kraft pro Fläche:

∆ ∙∙

∙23

Kürzt man noch den Gasdruck, ergibt sich folgender Zusammenhang zwischen der Teilchen-energie und der Temperatur.

32∙ ∙

I.3.2 Virialsatz Der Virialsatz unterstellt, dass die Gesamtenergie in einem Gasvolumen gleichmäßig auf alle Freiheitsgrade verteilt wird. Im Rahmen der klassischen Physik bedeutet dies, dass jeder Frei-heitsgrad die Energie

12∙ ∙

pro Teilchen besitzt. Aus der Anzahl der Freiheitsgrade f lässt sich damit die mittlere Gesam-tenergie je Teilchen ermitteln.

∙ 12∙ ∙

f: Anzahl der Freiheitsgrade

Prinzipiell besitzt jedes Molekül 3 ∙ Freiheitsgrade wobei N die Anzahl der Atome im Molekül angibt.

Soweit die Theorie, doch in der Praxis grätscht die Quantenphysik dazwischen. Eine kurze Überlegung macht dies plausibel. Der quantenmechanische Impuls ist gegeben durch

∙ ∙2 ∙

: Plancksches Wirkungsquantum : Wellenzahl einer Materiewelle : Wellenlänge der Materiewelle

Der Drehimpuls L ergibt daraus zu:

: Bahnradius

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Aus dem Bohrschen Atommodell kennt man die Vorgabe, dass der Bahnumfang ein ganzzah-liges Vielfaches n der Wellenlänge der Materiewelle sein muss.

∙ ∙2 ∙

∙ ∙2 ∙2 ∙ ∙

∙ ∙ ∙

Damit sind nur Drehimpulse möglich, die ein ganzzahliges Vielfaches des Planckschen Wir-kungsquantums aufweisen.

 

Wendet man dieses Ergebnis beispielsweise auf ein Hantelmolekül wie etwa Wasserstoff an, ergeben sich folgende Mindestenergien für die Rotation um die Hauptträgheitsachsen.

∙2 ∙

∙1.0 ∙ 10

2 ∙ 2 ∙ 1.6 ∙ 10 ∙ 2 ∙ 10∙1.0 ∙ 102.5 ∙ 10

∙ 4 ∙ 10

1.6 ∙ 10 : Masse eines Wasserstoffatoms 2 ∙ 10 : halber Abstand der beiden Wasserstoffatome

Mit Hilfe der Boltzmannkonstanten lässt sich diese Energie in eine äquivalente Temperatur umrechnen

12∙ ∙ ∙ 2 ∙ 10

∙8 ∙ 10

∙8 ∙ 104 ∙ 10

∙ 3 6 ∙ ∙ 10

Führt man eine ähnliche Abschätzung für eine Rotation um die Hantelachse durch, ergibt sich das folgende Bild:

∙2 ∙

∙1.0 ∙ 10

2 ∙ 2 ∙ 1.6 ∙ 10 ∙ 1 ∙ 10

∙1.0 ∙ 106 ∙ 10

∙ 1.6 ∙ 10

1 ∙ 10 : Radius des Atomkerns

∙ 1.6 ∙10

∙ 1.6 ∙104 ∙ 10

∙ 3 1.2 ∙ ∙ 10

Man erkennt mit dem Krückstock, dass diese Rotation um die Hantelachse höchstens kurz nach dem Urknall angeregt werden konnte. Somit weisen Hantelmoleküle nur fünf anregbare Freiheitsgrade auf. Ähnliches gilt auch für andere lineare Moleküle, beispielsweise Kohlendi-oxid.

Bei Raumtemperatur sind in Hantelmolekülen fünf Freiheitsgrade, drei lineare Bewegungen des Schwerpunkts und zwei Rotationen um den Schwerpunkt, angeregt. Kühl man allerdings Hantelmoleküle ab zu sehr tiefen Temperaturen, dann frieren die Rotationsfreiheitsgrade aus und das Molekül benimmt sich wie ein Massenpunkt oder Edelgas.

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In Festkörpern verteilt sich die Anregungsenergiegleichmäßig auf die potentielle und die kine-tische Energie eines Feder-Masse-Schwingers. Das entspricht sechs Freiheitsgraden mit der Energie pro Teilchen

6 ∙ ∙ 3 ∙ ∙

: Energie pro Teilchen

Erstaunlich ist, dass die Teilchenmasse keine Rolle spielt. Somit gilt dieser Zusammenhang für jeden beliebigen Festkörper. Die spezifische Wärme, bezogen auf ein Mol eines Stoffes, ist für alle Festkörper identisch.

I.4 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilungen

Die Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilungen entsprechen Wahrscheinlichkeitsdichten, mit denen Wahrscheinlichkeiten angegeben werden, mit denen eine Geschwindigkeit in einem Intervall zwischen , ∆ liegen wird. Wahrscheinlichkeitsdichten müssen auf eins normiert sein, da ein Teilchen zu einem Zeitpunkt nur eine konkrete Geschwindigkeit anneh-men kann. Zwei wichtige Indizien für die Form der Wahrscheinlichkeitsdichte liefern folgen-de Überlegungen:

Die Wahrscheinlichkeitsdichte muss achsensymmetrisch zur Geschwindigkeit v = 0 gebildet werden, da eine Spiegelung des Koordinatensystems keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeitsdichte haben darf, folglich wird sie nicht von der Geschwindigkeit selbst sondern vom Geschwindigkeitsbetrag abhängen;

Die Wahrscheinlichkeitsdichte muss normierbar sein, damit kommen praktisch nur noch Exponentialfunktionen mit negativem Exponenten in Frage, denn diese streben schneller gegen Null als jedes Polynom mit endlichem Grad divergieren kann.

Die Natur mag keine abrupten Übergänge. Damit stellen sich lineare Exponenten selbst vom Platz. Bei einem linearen Exponenten wäre die Wahrscheinlichkeitsdichte für v = 0 zwar stetig aber nicht differenzierbar.

Der zentrale Grenzwertsatz der Statistik fordert, dass ein Supersystem, bestehend aus einer Vielzahl gleichartiger Subsysteme, sich in seinem Verhalten der Gaußschen Normalverteilung asymtotisch annähert, das Verhalten der einzelnen Subsysteme spielt dabei keine Rolle. Das ideale Gas stellt für diese Forderung den geeigneten Nährboden dar, alle Teilchen verhalten sich identisch und ihre Zahl übersteigt in je-dem endlichen Gasvolumen bereits jegliches menschliche Vorstellungsvermögen.

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I.4.1 Die Geschwindigkeitsverteilung für eine Geschwindigkeitskomponente Gewappnet mit den oben angeführten Indizien wagen wir eine Annahme für die Wahrschein-lichkeitsdichte einer Geschwindigkeitskomponente:

∝ ∙

: Wahrscheinlichkeitsdichte für die Geschwindigkeitsdichte entlang der X-Koordinate

: Quadrat der Geschwindigkeit entlang der X-Koordinate : Varianz der Gaußschen Normalverteilung

Die Normierung lässt sich über das folgende Integral erzwingen.

∙ √2 ∙ ∙

Die Wahrscheinlichkeitsdichte für eine Geschwindigkeitskomponente nimmt damit die end-gültige Form an.

1

√2 ∙ ∙∙ ∙ ∙ 1

Interessanterweise erzielt die Geschwindigkeit 0 die größte Wahrscheinlichkeit. Als anschaulich interpretierbar erweist sich das Produkt aus Wahrscheinlichkeitsdichte und Inter-vall. Konkret verrät ∙ ∆ die Wahrscheinlichkeit, mit der die Geschwindigkeits-komponente im Intervall , ∆ zu finden sein wird. Die Summe aller Wahrschein-lichkeiten muss selbstredend den Wert Eins ergeben. Aber das wurde bereits in der Normie-rung verwurstet.

I.4.2 Wahrscheinlichkeitsdichte für einen Geschwindigkeitsvektor mit drei karthesi-schen Koordinaten

Die Wahrscheinlichkeitsdichte für einen Geschwindigkeitsvektor setzt sich aus dem Produkt der drei Wahrscheinlichkeitsdichten für die einzelnen Komponenten zusammen.  

∙ ∙1

√2 ∙ ∙∙ ∙

1

√2 ∙ ∙∙ ∙

: Quadrat des Geschwindigkeitsbetrages, zusammensetzt nach Pythagoras aus den drei Geschwindigkeitskomponenten

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Die anschauliche Interpretation könnte etwa folgendermaßen von statten gehen. Definiert man im dreidimensionalen Raum der Geschwindigkeitsvektoren ein kleines, quaderförmiges Vo-lumenelement mit den Begrenzungen , ∆ , , ∆ , , ∆ , dann beschreibt der Ausdruck

1

√2 ∙ ∙∙ ∙

∙ ∙ ∆ ∙ ∆ ∙ ∆

1

√2 ∙ ∙∙ ∙

∙ ∙

die Wahrscheinlichkeit, in dem so definierten Volumenelement∆ ∙ ∆ ∙ ∆ einen Ge-schwindigkeitsvektor zu finden. Die Wahrscheinlichkeitsdichte erweist sich, erzwungen durch das Konstruktionsprinzip, selbstredend als normiert.

I.4.3 Radiale Geschwindigkeitsverteilung  

Die radiale Geschwindigkeitsverteilung lässt sich nicht so einfach aus der Wahrscheinlich-keitsdichte für Geschwindigkeitsvektoren herauskitzeln. Zunächst muss das kleine quaderförmige Volumenelement ∆ ∙ ∆ ∙ ∆ durch eine dünnwandige Kugelschale mit Radius v und Dicke ∆ ersetzt werden, da alle relevanten Geschwindigkeitsvektoren in dün-nen konzentrischen Kugelschalen enden müssen. Das Volumenelement nimmt die folgende Gestalt an:

4 ∙ ∙ ∙ ∆

Mathematisch resultiert dieser Ausdruck aus einem Volumenintegral in Kugelkoordinaten. Gedanklich zerlegt man den Raum in konzentrische Kugelschalen, diese werden analog zur Geographie durch Längen- und Breitengrade in infinitesimal kleine Flächenstücke zerlegt. Der Winkel , die Elevation, beschreibt Längengrade und variiert in dem Intervall 0 . Der Winkel , der Azimutwinkel, beschreibt Breitengrade und variiert im Intervall 0 2 . Die Seitenlänge des Flächenelements entlang des Längengrades ergibt sich zu ∆ ∙ , die Seitenlänge entlang des Breitengrades ergibt sich zu ∆ ∙ ∙ . Das Volumenintegral zur Normierung der Wahrscheinlichkeitsdichte, mit Kugelkoordinaten aufgehübscht, nimmt die erwartbare Gestalt an.

∙ ∙ ∙1

√2 ∙ ∙∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

Legt man nach der Integration über die Winkelkoordinaten einen strammen Integralitus inter-ruptus hin, ergibt sich:

∙1

√2 ∙ ∙∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

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∙1

√2 ∙ ∙∙ 4 ∙ ∙ ∙

∙ ∙

Der radialen Wahrscheinlichkeitsdichte wird damit, noch ohne die notwendige Nor-mierung, die folgende Gestalt angedient:

∝1

√2 ∙ ∙∙ 4 ∙ ∙ ∙

∙ ∙

Das Normierungsintegral ist schnell gefunden.

4 ∙1

√2 ∙ ∙∙ ∙ ∙

∙ ∙ 4 ∙1

√2 ∙ ∙∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

Partielle Integration liefert:

4 ∙1

√2 ∙ ∙∙ ∙ ∙

∙ ∙ 4 ∙1

√2 ∙ ∙∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

∙ ∙ ∙∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙∙ ∙

∙ ∙∙ ∙ 0 ∙

12∙ ∙

∙ ∙12∙ √2 ∙

2∙

Hier muss berücksichtigt werden, dass das Integral über den Radialteil der Wahrscheinlich-keitsdichte sich nur von Null bis Unendlich erstreckt.

Der Ausdruck für die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte nimmt die endgültige Form an:

2∙1∙ ∙ ∙

Fischt man nun wieder alle Koeffizienten des Normierungsintegrals zusammen, kann man den folgenden Ausdruck aus dem Hut zaubern:

4 ∙ ∙ ∙ ∙ ∙∙ ∙ 4 ∙ ∙

2∙ √2 ∙

Beide Wahrscheinlichkeitsdichten, die in karthesischen Koordinaten und die in Kugelkoordi-naten, müssen identische Normierungskoeffizienten haben und die haben sie auch.

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I.4.4 Ausgezeichnete Geschwindigkeiten der Maxwellschen Geschwindigkeits-verteilung im idealen Gas

I.4.4.1 Wahrscheinlichste Geschwindigkeit

Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit verrät einem die Nullstelle der ersten Ableitung der Wahrscheinlichkeitsdichte.  

2∙1∙ ∙ ∙

2∙1∙ 2 ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙∙ 0

2 ∙ ∙ ∙∙ ∙ ∙

Mit den Nullstellen

0 √2 ∙

Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit ergibt sich zu

√2 ∙∙

I.4.4.2 Mittlere Geschwindigkeit

Die mittlere Geschwindigkeit resultiert aus folgendem Integral  

∙ ∙2∙1∙ ∙ ∙

∙ ∙

2∙1∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙2∙1

0 ∙ 2 ∙ ∙ ∙∙

2∙1∙ 2 ∙ 2 ∙

2∙

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I.4.4.3 Mittleres Geschwindigkeitsquadrat

Das mittlere Geschwindigkeitsquadrat liefert eine Aussage über die mittlere kinetische Ener-gie der Teilchen. Da diese bereits bekannt ist, lässt sich damit die Varianz enttarnen.  

2∙1∙ ∙ ∙

∙ ∙2∙1∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

2∙1∙ ∙ ∙ ∙

∙ 3 ∙ ∙ ∙∙ ∙

Auch hier hilft die partielle Integration weiter

2∙1∙ 0 ∙ 3 ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

2∙1∙ 3 ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙∙ ∙

2∙1∙ 3 ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙∙ ∙

mit dem schönen Ergebnis

2∙1∙ 3 ∙ ∙ ∙

12∙ ∙ √2 3 ∙

Der Vergleich mit der mittleren kinetischen Energie der Teilchen liefert:

12∙ ∙

32∙ ∙

12∙ ∙ 3 ∙

32∙ ∙

32∙ ∙

32∙ ∙

: Teilchenmasse

Die Varianz der Normalverteilung gibt sich als Funktion der Boltzmannkonstanten, der abso-luten Temperatur und der Teilchenmasse zu erkennen.

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Ihre Dimension entspricht einer Geschwindigkeit.

Die verschiedenen Geschwindigkeiten nehmen die folgenden Formen an. Aus der Geschwin-digkeitsdichte

2∙

∙∙ ∙

∙∙ ∙ ∙

folgen

√2 ∙∙

2 ∙2∙

√3 ∙∙

Eine kleine Abschätzung der mittleren Geschwindigkeit von Wasserstoffmolekülen bei Raumtemperatur liefert interessante Einblicke.

2 ∙2∙4 ∙ 10 ∙ 300 ∙ 6 ∙ 10

3 ∙ 22 ∙

2∙ 1.2 ∙ 10 3 ∙ 10 ⁄

Dieses überraschende Ergebnis wurde von selbsternannten Experten einst ins Lächerliche gezogen und Ludwig Boltzmann damit diffamiert.

Stellt man sich eine aufgeblasene Bäckertüte mit einem Fassungsvermögen von 10 Litern vor, enthält diese ca. 12 Gramm Luft. Jedes Molekül hat eine Geschwindigkeit von im Mittel ca. 750 ⁄ . In der Gasfüllung dieser Tüte steckt mithin die Energie eines Projektils, das in etwa der Försterpatrone in der Jägerei entspricht und den Aufbläser der Tüte, wenn sich denn die Moleküle in ihrer Flugrichtung einig wären, sofort ins Jenseits befördern könnten.

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I.4.4.4 Vergleich der einzelnen Geschwindigkeiten

Interessant ist noch der Vergleich der abgeleiteten Geschwindigkeiten. Zugrunde liegt wieder die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte.  

2∙

∙∙ ∙

∙∙ ∙ ∙

Das Verhältnis aus mittlerer und wahrscheinlichster Geschwindigkeit ergibt  

2 ∙ 2 ∙

√2 ∙

2

Das Verhältnis aus der wahrscheinlichsten Geschwindigkeit und der Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat ergibt sich zu:

√3 ∙

√2 ∙

32

Somit verhalten sich die Geschwindigkeiten wie  

: : 1 ∶2

√∶

32

Interpretation der Wahrscheinlichkeitsdichte für Geschwindigkeiten im idealen Gas

2∙1∙ 2 ∙ ∙

∙∙

∙ 2∙ 2 ∙ ∙ ∙ 2 ∙

2∙1∙

Man realisiert sofort, dass der Wert des Dichtemaximums mit der Temperatur abnimmt und mit der Teilchenmasse anwächst.

Die Geschwindigkeit, bei der dieses Maximum der Wahrscheinlichkeitsdichte auftritt, ist ge-geben durch:

√2 ∙∙

Sie nimmt die Teilchengeschwindigkeit mit der Temperatur zu und mit der Teilchenmasse ab.

Dieses radiale Maximum der Wahrscheinlichkeitsdichte spielt auch in gänzlich anderem Zu-sammenhang eine wichtige Rolle. Der Bohrsche Radius der Elektronenbahn im Wasserstoff-atom entspricht genau der maximalen, radialen Dichte einer Elektronenwolke, deren räumli-che Dichte durch die Normalverteilung beschrieben wird. Die Lösungsfunktion des Hamilto-noperators für ein elektrisches Zentralpotential liefert genau diese Verteilung für den Grund-zustand der Elektronenwolke.

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Die Wahrscheinlichkeitsdichte kann als Funktionenfolge für die Diracsche Deltafunktion in-terpretiert werden. Bei verschwindender Temperatur drängeln sich alle Teilchen bei der Ge-schwindigkeit Null. Dies lässt sich ansatzweise sogar beobachten

in Form der Bosekondensation bei flüssigem Helium, sie führt zur Superfluidität von Helium und

in Form der Kondensation von Elektronen zu Cooperpaaren, dies führt zur elektri-schen Supraleitung.

I.5 Barometrische Höhenformel

I.5.1 Ableitung der barometrischen Höhenformel

Die barometrische Höhenformel beschreibt das Verhalten eines idealen Gases unter dem Ein-fluss einer konstanten Beschleunigung. Was etwas holprig klingt möchte nur das Verhalten der Erdatmosphäre unter dem Einfluss der Schwerebeschleunigung charakterisieren. Als Modell dient eine gedachte Luftsäule mit konstantem Querschnitt A, die parallel zur Schwerebeschleunigung g orientiert ist. Berechnet wird die Druckdifferenz, die durch die Schwerkraft auf das Gasvolumen verursacht wird. Dazu schneidet man aus der Gassäule eine flache Scheibe mit parallelen Schnittflächen, die senkrecht zur Schwerebeschleunigung orien-tiert sind, aus und berechnet die Druckdifferenz zwischen diesen beiden Flächen. In der Höhe h herrsche der Druck p(h), in der geringfügig größeren Höhe (h+Δh) herrsche der Druck P(h+Δh). Die Druckdifferenz selbst lässt sich folgendermaßen berechnen:

∆1∙ ∆ ∙

: Querschnitt der gedachten Luftsäule ∆ : Masse im gedachten, von parallelen Flächen begrenzen Gasvolumen

: Schwerebeschleunigung der Erde

Die Masse ∆ kann mit der Zustandsgleichung weiter berechnet werden.

∆ ∙ ∙ ∙ ∆ ∙

: Teilchendichte ∙ ∆ : gedachtes Volumen, das mittels paralleler Boden und Deckflächen aus der Luftsäule

ausgeschnitten wird

Die Zustandsgleichung setzt die Teilchendichte in Beziehung zu den Zustandsgrößen Druck, Volumen und Temperatur.

Damit lässt sich die Gesamtmasse der Gasteilchen im gedachten Volumen ermitteln.

∆ ∙ ∙ ∙ ∆ ∙∙

∙ ∙ ∆ ∙

Eingesetzt in die ursprüngliche Gleichung, ergibt sich:

∆1∙ ∆ ∙

1∙

∙∙ ∙ ∆ ∙ ∙

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Etwas umgeformt, lugt eine vertraute Gleichung unter dem Bruchstrich hervor.

∆∆ ∙

∙ ∙

Nochmals gekitzelt und schon schält sich eine Differentialgleichung vertrauter Form heraus.

∆∆ ∙

∙ ∙

∙∙ ∙

∙∙

Jetzt lässt sich die Differentialgleichung mittels Trennung der Variablen integrieren.

0∙∙

∙ 0

0∙∙

∙ 0

Die endgültige Form der Gleichung nimmt schließlich eine vertraute Form, die der barometri-schen Höhenformel, an.

0 ∙∙∙ ∙∙ ∙

∙∙ ∙∙

Die Dichte nimmt mit der Höhe ab, das ist noch nicht sonderlich spannend. Schwerere Teil-chen reichern sich unten an, leichtere Teilchen eher oben. Dies zeitigt schon ernstere Konse-quenzen. Im unteren Teil der Athmosphäre reichern sich schwerere Teilchen an, in größeren Höhen überwiegen die leichteren, insbesondere der Wasserstoff. Dies kann im wahrsten Sinn des Wortes tödliche Folgen haben, wenn ein Vulkan große Mengen an Kohlendioxid aus-spuckt und dieses sich in Bodennähe anreichert. Die Athmosphäre ist nach oben nicht be-schränkt, insbesondere Wasserstoff aber auch andere Gase dampfen stetig ins Weltall ab. Kleinere Planeten wie der Merkur oder der Mond können daher nie für geologisch längere Zeitabschnitte eine gasförmige Athmosphäre halten. Die Erde hat wohl den Dusel, dass seit Jahrmilliarden über Sonnenwinde und Kometen das an Gasen nachgeliefert wird, was physi-kalisch unvermeidlich in den Weltraum abdampft.

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I.5.2 Ableitung der barometrischen Höhenformel der Teilchendichte

Man geht natürlich von der barometrischen Höhenformel aus.

0 ∙∙∙ ∙∙ ∙

∙∙ ∙∙

Dazu kann man noch die Zustandsgleichung des idealen Gases heranziehen.

∙ ∙ ∙

Sie kann leicht in eine Zustandsgleichung der Teilchendichte umgeformt werden.

∙ ∙ ∙ ∙

: Teilchendichte in 1/ ³

0∙

Daraus lässt sich die barometrische Höhenformel der Teilchendichte ableiten.

∙∙

∙∙ ∙∙

Das Ergebnis zeitigt folgende Ergebnisse:

Die Teilchendichten am Grund einer Gassäule hängen nicht von der Teilchenmasse ab und

die höhenabhängige Teilchendichte hängen sowohl von der Teilchenmasse als auch von der Gastemperatur ab.

Ein kleines Rechenbeispiel soll dies verdeutlichen. Angenommen, Wasserstoff mit der Mas-senzahl zwei und Stickstoff der Massenzahl achtundzwanzig sollen am Grund einer Gassäule gleiche Teilchendichte besitzen. Dies bedeutet auch, dass sie gleichen Partialdruck aufweisen.

In einer Höhe von 10.000 [m] besitzen sie dann folgendes Teilchenverhältnis

:

∙∙ ∙

∙∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙∙ ∙ ∙ ∙ ∙ 10.000

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Man sieht sofort, dass sich das Dichteverhältnis der beiden Gase schon in 10 Kilometern Hö-he drastisch zu Gunsten des leichteren Wasserstoffs verschoben hat. In größeren Höhen ver-schiebt sich dieses Ungleichgewicht noch weiter zu Gunsten der leichten Gase. Am Rande der Athmosphäre besteht sie aus immer mehr aus Wasserstoff. Dies hat zwei Konsequenzen:

Aus der Athmosphäre der Erde dampft vor allem Wasserstoff in das Weltall ab, wird aber wieder durch Sonnenstürme ersetzt, und

ein Ballon kann nur eine maximale Höhe erreichen, da ab einer bestimmten Höhe die Dichte der Athmosphäre der Dichte des Füllgases von Ballons entspricht.

Festgestellt sei noch, dass das Verhalten verschiedener Gassorten in einem Gemisch separat für jedes Gas behandelt werden kann und die Drücke und Teilchendichten sich einfach durch Addition der einzelnen Größen ergeben.

I.5.3 Druckverlauf in Ultrazentrifugen

Nun können wir den Ayatollahs im Iran noch eine Lehrstunde bezüglich der Uranzentrifugen verabreichen. Ich kann bis heute nicht verstehen, wie persische Kommilitonen die Macht-übernahme durch die Betonbärte in Persien bejubeln konnten. Heute knapp vierzig Jahre spä-ter sind sie wohl etwas klüger, allerdings, keiner ging damals zurück nach Persien und die Kommilitoninnen heirateten wie vom Unaussprechlichen verfolgt, vielleicht um ja nicht reli-giösen Eiferern in die Hände bzw. in die Familien zu fallen.

Als Modell einer Ultrazentrifuge nehmen wir einen Zylinder, indem Gas mit konstanter Kreis-frequenz rotiert. Die Druckdifferenz zwischen zwei dicht benachbarten, konzentrischen Zy-lindermänteln resultiert aus der Fliehkraft, die von einem dünnen, rotierenden Zylindermantel resultiert. Ausgedrückt im radiusabhängigen Druckverlauf, führt das auf die folgende, infini-tesimale Behandlung.

∆ ∙ ∙ 2 ∙ ∙ ∙ ∆ ∙ ∙ ∙1

2 ∙ ∙

: Radiusabhängige Teilchendichte : Teilchenmasse 2 ∙ ∙ ∙ ∆ : Volumen eines dünnen Zylindermantels 2 ∙ ∙ : Oberfläche des Zylindermantels : Kreisfrequenz der rotierenden Ultrazentrifuge : radiale Variable, die den Abstand von der Rotationsachse angibt

Die Ausgangsgleichung des Druckverlaufs lässt sich deutlich vereinfachen.

∆∆

∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙

Die Zustandsgleichung des idealen Gases darf wieder nicht fehlen.

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Zusammengeschmiedet, ergibt sich:

∙∙ ∙ ∙

∙∙

∙∙

Nimmt man eine Anleihe weiter oben beim Integrieren, ergibt sich schließlich:

∙∙∙ ∙

Man sieht, wenig verwunderlich, dass der Gasdruck in der Zentrifuge nach außen zunimmt. Die Gleichung fordert aber auch, dass die schwereren Teilchen nach außen in ihrer Dichte stärker zunehmen als leichtere. Will man also anreichern, muss man zunächst gasförmi-ges Uranhexafluorid herstellen und dann jeweils Gas aus der Nähe der Rotationsachse in die nächste Zentrifuge leiten. Von Stufe zu Stufe nimmt die Konzentration der leichteren Teil-chen zu. Bei Uran benötigt man tausende von Anreicherungsstufen, um Uran 235 für Leicht-wasserreaktoren oder gar waffenfähiges Uran vom Uran 238 abzuspalten. Schwerwasserreak-toren können mit Natururan betrieben werden, da schweres Wasser nur einen sehr geringen Absorptionsquerschnitt für thermische Neutronen aufweisen. Dies ist auch ein gewichtiger Grund, warum Forschungsreaktoren in der Regel mit schwerem Wasser betrieben werden. Einen ähnlich geringen Absorptionsquerschnitt weist auch Graphit, also reiner Kohlenstoff, auf. Dies war und ist der tiefere Grund für den Supergau in Tschernobyl 1986. Übrigens, das abgereicherte Natururan lässt sich auch noch verwerten, als Teil von panzerbrechender Muni-tion, die nebenbei auch noch ziemlich toxisch wirkt. Weniger gefährlich war Uran als Kielbal-last der Yachten russischer Großfürsten.

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I.6 Freie Weglänge im idealen Gas

Die Idee hinter dieser Fragestellung stellt folgendes Szenarium als Modell zu Grunde. Eine dünne Schicht an Gasmolekülen, in etwa so dünn wie ein Moleküldurchmesser wird von ei-nem Molekül mit seinem Querschnitt durchquert. Dabei erleidet es mit einer vorhersehbaren Wahrscheinlichkeit einen Stoßprozess und wird damit aus seiner Bewegungsrichtung abge-lenkt, wird somit aus dem ursprünglichen Ensemble der eindringenden Teilchen eliminiert. Der Wirkungsquerschnitt für einen solchen Abflug aus dem Ensemble der eindringenden Teilchen errechnet sich aus dem Verhältnis des Querschnitts eines eindringenden Atoms und dem Querschnitt eines Atoms bzw. eines Moleküls im Raum, den das Teilchen, möglichst ohne Kollision, durchdringen sollte.

Der Wirkungsquerschnitt errechnet sich aus der Kreisfläche, die beide Teilchen gemeinsam überdecken können.

: Wirkungsquerschnitt , : Radien der beiden am Stoß beteiligten Teilchen

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Teilchen treffen, lässt sich auf ein Verhältnis von Flä-chen zurückführen.

: Anzahl der Teilchen in einem dünnen Volumenelement der Fläche F : Fläche des betrachteten Volumens wobei die Seitenlänge der Fläche sehr viel größer

als die Dicke sein soll : Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen in dem dünnen Probevolumen einen Stoß pro-

duziert

Die Anzahl der Teilchen, die im besagten Volumen einen Stoß provozieren und damit aus dem Ensemble einfallender Teilchen ausscheidet, ergibt sich zu:

∆ ∙∙

 

Die Anzahl z der Teilchen im gedachten Volumen ergibt sich aus dem Volumen selbst und der Teilchendichte, die wiederum mit der Zustandsgleichung des idealen Gases verknüpft ist.

∆∙ ∙ ∆ ∙

∙ ∙ ∆ ∙ ∙

n:  Teilchendichte ∆x: Schichtdicke Vertrauter erscheint eine Darstellung, die auf ein logarithmisches Differential hindeutet.

∆∙ ∆ ∙

∙ ∙ ∆

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Die Integration liefert, business as usually, eine Exponentialfunktion

∙ ∙ ∙

Die Größe ∙ bezeichnet man als Absorptionskonstante. Der Kehrwert dieser Absorp-tionskonstanten beschreibt die mittlere Eindringtiefe eines Teilchenstrahls in einem Gasvolu-men. Die Gleichung beschreibt die Anzahl N der Teilchen, die abhängig von der Eindring-tiefe x, aus dem eindringenden Strahl durch Streuung entfernt werden.

Im Umkehrschluss lässt sich aus der Streuwahrscheinlichkeit der Wirkungsquerschnitt für Streuung und damit der Atomradius der streuenden Atome ermitteln. Als Beispiel soll die Eindringtiefe von Stickstoff in Luft abgeschätzt werden.

1∙

1 ∙ ∙∙ 2 ∙ ∙

4 ∙ 10 ∙ 3003 ∙ 10 ∙ 120 ∙ 10

130

∙ 10

300 : Umgebungstemperatur 10 ⁄ : Luftdruck auf Meereshöhe 3 ∙ 10 : Atomradius

Nimmt man noch die Geschwindigkeit von Molekülen in Luft hinzu, kann man die Stoßfre-quenz abschätzen und kommt auf ca. 8 Gigahertz. Ganz schön aufregend das Leben als Gas-molekül auf der Erde in Bodennähe.

Im Umkehrschluss lässt sich natürlich auch die Teilchendichte ermitteln, wenn eine bestimm-te Eindringtiefe erwartet wird. Diese Fragestellung spielt eine Rolle, wenn die freie Weglänge Stoßionisation in einem Gas zulassen soll.

Spaßeshalber kann man die freie Weglänge im interstellaren Gas abschätzen. Dazu soll eine Teilchendichte von 10 Teilchen je Kubikmeter und eine Temperatur von 3 Kelvin angenom-men werden.

1∙

110 ∙ 2 ∙ ∙

110 ∙ 6 ∙ 10

3 ∙ 10

Das entspricht in etwa einer Strecke von 30 Lichtjahren. Interessant ist noch die Abschätzung der Geschwindigkeit der, hier wohl, Wasserstoffatome.

2∙32∙ ∙

3 ∙ 4 ∙ 10 ∙ 6 ∙ 10 ∙ ∙ 33 ∙

1.1 ∙ 10 ⁄

Die Chance, dass sich zwei Wasserstoffatome im interstellaren Raum treffen, ist also noch kleiner, als in Alaska einem Bären zu begegnen.

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II Der erste Hauptsatz der Thermodynamik II.1 Der erste Hauptsatz und der Energiesatz Der erste Hauptsatz der Thermodynamik entspricht dem Energiesatz. Er befasst sich mit ab-geschlossenen Systemen, die nur über definierte Kanäle mit der Umgebung in Wechselwir-kung treten. Seine Form ist unspektakulär.

: Innere Energie eines abgeschlossenen Systems : von außen zu- oder abgeführte Wärmeenergie : am System verrichtete oder vom System abgegebene Arbeit

Dieser Teil des Skriptums vernachlässigt die teilchenabhängige, chemische Energie in ther-modynamischen Systemen. Die innere Energie eines Systems erfasst alle Energieformen, die in einem abgeschlossenen System gespeichert werden können. Beispiele dafür sind

Wärmeenergie: ∙ ∙

Spannungsenergie einer Feder: ∙

kinetische Energie von bewegten Gasteilchen: ∙

Rotationsenergie ausgedehnter Moleküle: ∙

Schwingungsenergie ausgedehnter Moleküle: ∙ ∙ ,

elektrische Energie: ∙

magnetisch Energie: ∙

Energie der Masse: ∙

Die Unterscheidung zwischen Wärmeenergie und mechanischer Arbeit lässt sich folgender-maßen argumentieren:

Wärmeenergie umfasst alle Formen ungerichteter Bewegung in einem thermodynami-schen System und

Arbeit fasst gerichtete Bewegung zusammen.

Hinter dieser Unterscheidung steckt die Erfahrung, dass gerichtete Bewegung vollständig in ungerichtete Bewegung umgewandelt werden kann, die Umkehrung funktioniert nicht in je-dem Fall, insbesondere nicht bei periodisch ablaufenden, thermodynamischen Kreisprozes-sen. Natürlich behält die Zustandsgleichung des idealen Gases seine Gültigkeit. Arbeit und Wärme erhalten positives Vorzeichen, wenn sie an das System abgegeben werden. Negatives Vorzeichen bezeichnet Wärme bzw. Arbeit, die vom System an die Umgebung abgegeben bzw. verrichtet werden.

Die Zustandsgleichung des idealen Gases belegt, dass die innere Energie

vom Volumen V, vom Druck P und von der Temperatur T

abhängt.

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Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite27 

II.2 Zustandsänderungen im idealen Gas

Die Zustandsgleichung beschreibt den Zusammenhang zwischen diesen drei Variablen. Damit können jeweils zwei unabhängig voneinander gewählt werden, die dritte steuert als abhängige Variable die Zustandsgleichung bei. Drei Paarungen springen ins Auge:

, ä , ä , ä

Folgenden werden Zustandsänderungen mit Materialgrößen in Verbindung gebracht. Rein technisch werden kleine Änderungen der inneren Energie betrachtet. Das führt wieder mal auf die ungeliebte Schmusestunde mit der Mathematik aber es gibt sicher Schlimmeres im Leben, z.B. wenn man seinen Deutschlehrer an der Realschule Wertingen davon überzeugen muss, dass man direkt das Abitur als Realschulabsolvent am Holbeingymnasium in Augsburg schaf-fen kann.

Wollte man die chemische Energie berücksichtigen, ergäbe sich als weitere, unabhängige Va-riable die Teilchenzahl. Diese Einflussgröße wird aber, wie oben angedeutet, vernachlässigt.

Daneben unterscheidet man noch intensive und extensive Größen, wobei ich die Wortwahl irreführend finde. Unterscheidungsmerkmal ist die Skalierbarkeit.

Intensive Größen sind skalierbar, hängen demnach nicht vom Volumen ab

Extensive Größen hingegen ändern sich mit der Größe des Systems.

Als Gedankenstütze diene folgende Überlegung. Wenn zwei identische Systeme zu einem einzigen vereint werden, ändern sich intensive Größen nicht, beispielsweise Druck und Tem-peratur. Extensive Größen ändern sich hingegen, beispielsweise die Teilchenzahl oder die Entropie.

II.2.1 Volumen und Temperatur seien unabhängig  

,

Das totale Differential der inneren Energie wird gebildet wie in der Oberstufe gelernt und im ersten Hauptsatz verwurstet.

∙ ∙

∙ ∙ ∙

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Skript Thermodynamik

 

Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite28 

Da die Variablen V und T frei wählbar sind, kann beispielsweise das Volumen konstant ge-halten werden.

0

∙ ∙ ∙

: spezifische Wärme bei konstantem Volumen

Es könnte aber auch die Temperatur konstant gehalten werden. Das vereinfacht ebenfalls das Differential der inneren Energie erheblich.

∙ ∙

Ein Gedankenexperiment hilft weiter. Angenommen, man überlässt ein Gasvolumen einer spontanen Expansion indem man einen Schieber quer entfernt. Dadurch wird keine Arbeit verrichtet und die Temperatur der Gasfüllung ändert sich nicht, da die Gasmoleküle an einer harten, feststehenden Wand reflektiert werden und sich dadurch ihre Geschwindigkeit nicht ändert.

0 0 0

0

II.2.2 Druck und Temperatur seien unabhängig  

,

Das totale Differential der inneren Energie wird wieder gebildet wie in der Oberstufe gelernt und im ersten Hauptsatz verwurstet.

∙ ∙

Da die Variablen P und T frei wählbar sind, kann beispielsweise die Temperatur konstant ge-halten werden.

0

∙ ∙

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Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite29 

Das oben beschriebene Gedankenexperiment mit spontaner Expansion liefert wieder

0 0 0

Das vereinfacht die Gleichung erheblich.

∙ 0

0

In einem zweiten Durchlauf werden Zustandsänderungen untersucht, die gleichzeitig Tempe-ratur- und Druckänderungen zulassen, dabei aber das Volumen konstant halten. Dies führt auf das folgende Differential:

0 0

∙ ∙ ∙

0 ∙ ∙ ∙ 0

Im dritten Aufwasch sollte noch das Geheimnis der spezifischen Wärme bei konstantem Druck gelöst werden.

0

∙ ∙ ∙

Die differentielle Form der Zustandsgleichung hilft weiter.

∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙

: spezifische Wärme bei konstantem Druck

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Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite30 

II.2.3 Druck und Volumen seien unabhängig  

,

Das liefert wieder eine Gleichung für das totale Differential der inneren Energie ,

∙ ∙ ∙

Wieder kann eine der beiden unabhängigen Variablen konstant gehalten, beispielsweise

0

Das liefert folgende Gleichung für das Differential

∙ ∙ ∙

Eine aufwändige Eins durch Multiplikation, dem reinen Mathematiker kehrt sich der Magen um, hilft.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Etwas umgeschrieben ergibt sich  

Die Zustandsgleichung des idealen Gases liefert wieder in differentieller Form

∙ ∙ ∙

und damit das Ergebnis

Eine ähnliche Vorgehensweise für konstanten Druck P liefert:

0

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Das liefert folgende Gleichung für das Differential  

∙ ∙ ∙

∙ ∙

∙ ∙ ∙

Der Zusammenhang aus spezifischer Wärme bei konstantem Druck und konstantem Volumen lässt sich über die allgemeine Gaskonstante finden, wobei sich die Gleichungen jeweils auf die Stoffmenge eines Kilomols beziehen. Beliebige Stoffmengen müssen in Einheiten von Kilomolen angegeben werden. Abweichend davon kann die Stoffmenge auch in Anzahl von Teilchen angegeben werden, dann muss die allgemeine Gaskonstante R durch die Boltzmann-konstante kB ersetzt werden.

II.2.4 Adiabatische Zustandsänderungen

Adiabatische Zustandsänderungen beschreiben Zustandsänderungen ohne Wärmeaustausch. Das vereinfacht den ersten Hauptsatz erheblich.  

Diesmal seien Druck und Volumen unabhängige Zustandsvariable. Das führt auf folgendes Differential der inneren Energie:

∙ ∙ ∙

∙ ∙ 0

Frühere Erkenntnisse werfen ein ganz neues Licht auf dieses Differential.

∙ ∙ ∙ ∙ 0

∙ ∙ ∙∙

∙ 0

Die Differentialgleichung lässt sich mit logarithmischer Integration lösen.

∙ ∙ ∙ ∙ 0

∙ ∙ ∙ ∙ 0

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Das Ergebnis verknüpft Volumina und Drücke miteinander

∙ 0

∙ 0

Der Exponent erhält eine eigene Bezeichnung, die des Adiabatenexponenten:

Adiabatenexponent

Der Adiabatenexponent hängt mit der Zahl der Freiheitsgrade f in einem Gas zusammen:

2

: Anzahl der Freiheitsgrade

Ähnliche Beziehungen, wie die oben abgeleitete Adiabatengleichung ergeben sich mit Hilfe der Zustandsgleichung. Der komplette Satz wird als Poisson-Gleichungen bezeichnet.

∙P

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II.2.5 Zusammenstellung aller Zustandsänderungen

Nun lassen sich die bisher ermittelten Zustandsänderungen zusammenstellen.

0

0

II.3 Verrichtete Arbeit bei Zustandsänderungen im idealen Gas

Das Differential der verrichteten Arbeit wurde bereits oben eingeführt.  

Wieder sind verschiedene Szenarien denkbar:

Zustandsänderung bei konstantem Volumen, isochore Zustandsänderungen, Zustandsänderung bei konstantem Druck, isobare Zustandsänderungen, Zustandsänderung bei konstanter Temperatur, isotherme Zustandsänderungen und Zustandsänderungen bei konstantem Wärmeinhalt, isentrope System Zustandsände-

rungen.

Die griechisch anmutenden Zustandsänderungen sind natürlich der humanistischen Grund-ausbildung geschuldet. Heutzutage versucht man es dann mit googeln und erhält ca. 200.000 Treffer pro Suchbegriff, die man nie und nimmer einordnen kann. Eine gewisse Vorbildung wäre also auch auf dem Gebiet der Naturwissenschaften von Vorteil. Abseits aller Polemik zurück zu unserer Fragestellung

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II.3.1 Zustandsänderung bei konstantem Volumen, isochore Zustandsänderungen

Verknüpft man diese Vorgabe mit dem Differential der Arbeit, ergibt sich  

∙ 0

Dieses Ergebnis erscheint auf den ersten Blick trivial. Allerdings beim zweiten Blick erkennt man, dass die innere Energie eines Systems nicht bei konstantem Volumen durch verrichtete Arbeit verändert werden kann. Dies überrascht nicht, da eine Änderung der inneren Energie eines thermodynamischen Systems immer mit einer Änderung der Temperatur und der spezi-fischen Wärme bei konstantem Volumen verknüpft ist. Für Neugierige sei auf die Zustands-änderungen im idealen Gas verwiesen.

II.3.2 Zustandsänderung bei konstantem Druck, isobare Zustandsänderungen

Aus dieses Szenarium (ich weiß, sprachlich korrekt wäre Szenario) führt auf ein recht einfa-ches Integral.  

∙ ∙

∙ ∙

Dieses Integral lässt sich nun wirklich ohne große mathematische Vorkenntnisse lösen.

II.3.3 Zustandsänderung bei konstanter Temperatur, isotherme Zustandsänderungen

Wieder können wir das Differential der Arbeit zu Grunde legen  

Den Zusammenhang zwischen Druck und Volumen beschreibt die Zustandsgleichung des idealen Gases.

∙ ∙ ∙

Daraus ergibt sich das Differential der Arbeit zu

∙∙

Die Arbeit selbst lässt sich wieder durch logarithmische Integration ermitteln.

∙∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

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II.3.4 Zustandsänderungen bei konstantem Wärmeinhalt, isentrope Zustandsänderun-gen.

Bei isentropischer Zustandsänderung liefert eine Poisson-Gleichung den Zusammenhang von Druck und Volumen.  

Das Differential der Arbeit nimmt damit die folgende Form an:

∙ ∙

Das Integral lässt sich leicht bilden.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙1

1∙ ∙

11

∙ ∙

11

∙ ∙ ∙ 1 ∙ ∙1

1∙ 1

∙ ∙

Mit dem vorhersehbaren Ergebnis:

11

∙ ∙ ∙ 1 ∙ ∙1

1∙ 1

Eine kurze Überprüfung ergibt, dass zumindest das Vorzeichen des Arbeitstransfers sich als übereinstimmend mit der Definition ergibt.

Die oben abgeleiteten Ausdrücke für die an einem thermodynamischen System verrichtete Arbeit leistet später gute Dienste bei der Betrachtung thermodynamischer Kreisprozesse.

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III Zustandsgrößen und zweiter Hauptsatz

Die folgenden Betrachtungen unterschlagen die Wechselwirkungsenergie, die aus der Zwei- und Mehrteilchenwechselwirkung zwischen Teilchen erstehen. Für Neugierige sei der Ver-weis vor allem auf chemische Prozesse verwiesen.

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik unterscheidet Zustands- und Prozessgrößen.

Zustandsgrößen beschreiben Größen, die mathematisch durch vollständige Differen-tiale beschrieben werden und aus Kombinationen von Prozessgrößen zusammenge-setzt sind.

Prozessgrößen unterliegen dieser Einschränkung nicht, sie können gezielt beeinflusst werden, Beispiele dafür sind Druck, Volumen und Temperatur, die Variablen der Zu-standsgleichung.

Rein mathematisch verhalten sich Funktionen mehrerer Veränderlicher mit vollständigem Differential wie Potentialfunktionen. Sie besitzen zwei herausragende Eigenschaften:

Ein vollständiges Differential beschreibt eine Funktion, deren Funktionszuwachs nur vom Anfangs- und Endpunkt einer Trajektorie abhängt nicht aber vom Verlauf der Trajektorie, und

deren Funktionszuwachs bei einer geschlossenen Trajektorie Null sein wird.

Wenn also eine Serie von aufeinanderfolgenden Zustandsänderungen wieder zum Ausgangs-zustand zurückführt, ist der Gesamtzuwachs der Funktion Null. Diese Eigenschaft charakteri-siert Potentialfunktionen. Solche Funktionen beschreiben Systeme, die, sich selbst überlassen, tendenziell einem Extremum zustreben, ob Minimum oder Maximum ist im Einzelfall nicht ausgemacht.

Das Wesen einer Potentialfunktion lässt sich beim Kraxeln erläutern. Der Weg vom Parkplatz zur Berghütte liefert immer dieselbe Höhendifferenz egal, welchen Weg man auch nimmt. Jeder Rundweg, der bei der Berghütte beginnt und endet, liefert den Höhenzuwachs Null. Ist der Bergwanderer in der Lage, potentielle Energie abzugeben, strebt er, manchmal ziemlich unsanft, tieferen Lagen zu. Manchmal rettet ihn dann nur ein Zwischenminimum der potenti-ellen Energie, beispielsweise in Form eines Baumes, der den Sturz mildert.

Die Zustandsgrößen lassen sich erahnen, wenn man wieder den ersten Hauptsatz bemüht.

∙ ∙

Damit bieten sich drei Möglichkeiten, neue Zustandsgrößen, diesmal nicht als Differential, zu erfinden:

∙ ∙ ∙ ∙

Diese so definierten Zustandsgrößen, offenbaren jeweils ihre eigene Bedeutung für thermo-dynamische Systeme.

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III.1 Die innere Energie

Hier können wir auf frühere Erkenntnisse zurückgreifen. Dazu gehen wir aus von der inneren Energie mit dem Druck und dem Volumen als unabhängige Variable. Das Differential der inneren Energie lautet:

∙ ∙

mit folgenden Ergebnissen für die partiellen Ableitungen

Ein vollständiges Differential gibt sich zu erkennen, wenn die gemischten zweiten Ableitun-gen identische Ergebnisse liefern.

Auf zum Test!

∙ 0

∙ 0

Damit ist belegt, dass die gemischten, zweiten Ableitungen identische Ergebnisse liefern und somit die innere Energie eines thermodynamischen Systems eine Zustandsgröße repräsentiert.

III.2 die Entropie

III.2.1 Ableitung der Entropie als Zustandsgröße

Diesmal seien wieder Druck und Volumen unabhängige Zustandsvariable. Das führt auf fol-gendes Differential der inneren Energie, resultierend aus dem ersten Hauptsatz bei adiabati-scher Zustandsänderung:  

∙ ∙ ∙

Jetzt wollen wir nicht adiabatischer als der Adiabat sein und wieder Wärmeenergietransfer zulassen, also den ersten Hauptsatz der Thermodynamik nicht nur nicht verletzen sondern ihn buchstabengetreu erfüllen.

∙ ∙ ∙

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Leicht umgeformt ergibt sich:

∙ ∙

Aus den oben abgeleiteten Beziehungen für die Zustandsänderungen

leitet sich der folgende Ausdruck für die Änderung der inneren Energie ab.

∙ ∙ ∙ ∙

Der Druck P lässt sich wieder mit der Zustandsgleichung für ideales Gas unter den Teppich kehren.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙

Wer es nicht glauben will, sollte früheren Umformungen besonders zum Zusammenspiel der spezifischen Wärmen bei konstantem Druck und konstantem Volumen nachspüren.

∙ ∙ ∙ ∙

Eine leichte, mathematische Umformung inhaftiert die Temperatur auf der rechten Seite der Gleichung.

∙ ∙

Diese Gleichung lässt sich umschreiben indem man eine neue Größe einführt.

: Differential der Entropie

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Die Entropie S wird somit definiert über

Mit dieser Definition

∙ ∙

lässt sich untersuchen, ob es sich um ein totales Differential handelt, Nachhilfe liefert die Ma-thematik von Funktionen mehrerer Veränderlicher. Der Ausdruck für das Differential dS liefert zwei partielle Ableitungen.

Interessant sind nun wieder die gemischten zweiten Ableitungen.

0

0

Daraus ergibt sich, hoffentlich nicht unerwartet, die interessante Tatsache:

∙ ∙0

Diese Erkenntnis, dass die gemischten zweiten Ableitungen der Funktion S(V, P) identisch sind, zeichnet das Differential dS als vollständiges Differential aus.

Die Entropie strebt im geschlossenen System einem Maximum zu und bestimmt damit die zeitliche Entwicklung eines abgeschlossenen Systems. Eine Verringerung der Entropie in ei-nem Teilsystem kann nur über die Ausweitung des Gesamtsystems erreicht werden. Sinnvoll-erweise wird deshalb die Entropie als thermodynamisches Potential bezeichnet.

Die Entropie entlarvt jede Energiesteuer als unsinnige Abzocke. Die Eigenschaft der Entropie als Potentialfunktion belegt, dass sie im Gesamtsystem nicht verringert werden kann. Sinnvol-le Energiepolitik würde demnach versuchen, den Entropiezuwachs möglichst klein zu halten und einen eventuellen Zuwachs mittels Steuererhebung zu bestrafen. Allerdings, die Weitsicht der Politik endet weit vor dem Begriff der Entropie. Ich habe es versucht und nur mitleidiges Schmunzeln geerntet.

Der Entropiesatz entlarvt auch den weitverbreiteten Unfug vom Hitzetod des Weltalls als eben solchen. Das Weltall strebt einem Zustand zu, bei dem die gesamte, im Weltall vorhan-dene Energie gleichmäßig auf die gesamte Materie verteilt ist. Dann sind keine Änderungen,

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resultierend aus Potentialdifferenzen, mehr möglich und der Begriff der Zeit als Maß für Ver-änderung verliert jeden Sinn. Dies wird aber noch ein paar Jährchen dauern. Immerhin könnte es ca. 1070 Jahre dauern bis ein Schwarzes Loch verdampft, mutmaßt zumindest Steven Hawking.

Meinen Antrittsvortrag als Dozent an der damaligen Fachhochschule Heilbronn hielt ich zum Thema „entropieoptimierte Energieversorgung“. Darunter verstand ich Formen der Energie-versorgung, die die Entropie möglichst wenig erhöhen, erniedrigen können wir sie eh nicht. Auf den mittleren Rängen des D 002 saßen damals die Herren von der ENBW und haben ver-sucht, mich in der Diskussion lächerlich zu machen. Jedoch, das Gehalt und die Betriebsren-tenansprüche der Herren standen in diametralem Verhältnis zu ihrer Kenntnis vom Wesen der Entropie. Hätten sie damals, also im Jahr 1989, wenigstens ein halbes Ohr benützt, dann hät-ten sie vor mehr als zwei Jahrzehnten Ideen entwickelt, wie sich die Energieversorgung ent-wickeln könnte und müssten heute nicht um die Existenz ihrer Unternehmen bangen. Mit List und Tücke versuchen diese Herren heute über Aufspaltung der Geschäftsbereiche die Folgen ihrer verfehlten Zukunftsentwicklung dem Steuerzahler in die Schuhe zu schieben. Die Idee einer entropieoptimierten Energieversorgung wurde keineswegs von mir erfunden, unter Fachleuten ist sie Alltagswissen, aber die Herren Juristen an den Schalthebeln der Macht ha-ben davon eben keine Ahnung. Einer der Wichtigtuer hat sich später als Dozent an der FH beworben. Ich habe gegen seine Berufung gestimmt, weil mir seine inkompetente Arroganz auf die Nerven gegangen war. Er wurde nicht berufen, auch gegen den Willen des einen oder anderen, auf diesem Gebiet ebenso inkompetenten Kollegen. Gott seis gedankt.

III.2.2 Entropie des idealen Gases

Die Entropie eines Systems aus idealem Gas lässt sich wieder aus dem ersten Hauptsatz er-mitteln. Dazu muss man allerdings den ersten Hauptsatz der Thermodynamik nach dem Diffe-rential der Entropie auflösen. Das System soll die Stoffmenge ein Kilomol enthalten.  

∙ ∙

Wieder muss die Zustandsgleichung herhalten.

∙ ∙

Daraus lässt sich der Druck im thermodynamischen System als Funktion des Volumens dar-stellen.

1∙ ∙

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Eingesetzt in den umgeformten Energiesatz ergibt sich für das Differential der Entropie

1∙ R ∙ ∙

R ∙

Aus früheren Ableitungen lugt die Abhängigkeit der inneren Energie von der Temperatur, und zwar unabhängig vom Druck, hervor.

Und schon nimmt das Differential der Entropie eine integrierbare Form an.

∙R ∙ ∙ R ∙

∙ 1 ∙ ∙ 1 ∙

Das Ergebnis beansprucht die Gehirnzelle, den Einzeller aus Fuck You Goethe, nicht über-mächtig aber auch nicht untermächtig. Was war das schon wieder für eine Worterfindung?

Δ ∙ 1 ∙ ∙ 1 ∙

Verwendet man noch die spezifische Wärme für ein Kilomol, ergibt sich schließlich die Ent-ropieänderung zu:

Δ3 ∙2

∙ 1 ∙3 ∙2

∙ ∙

: aktuelle Temperatur : Ausgangstemperatur

: aktuelles Volumen : Ausgangsvolumen

: Adiabatenexponent.

Die Entropie S lässt sich damit sowohl durch Änderung der Temperatur als auch die Ände-rung des Volumens beeinflussen.

Man könnte das auch schreiben als  

, ∙ ∙

Wenn also die Poisson-Gleichung erfüllt ist, bleibt die Entropie konstant.

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III.3 weitere Zustandsgrößen

Die Summe und die Differenz von Zustandsfunktionen ergeben ebenfalls Zustandsfunktionen. Damit lassen sich aus dem Energiesatz weitere Zustandsfunktionen herausquetschen. Drei zusätzliche Möglichkeiten neben innerer Energie und Entropie eröffnen sich aus dem ersten Hauptsatz

∙ ∙ ∙

mit den folgenden Definitionen

∙ ∙ ∙ ∙

: Enthalpie : freie Energie : Gibbs-Energie, freie Enthalpie

Alle drei zusätzlichen Zustandsfunktionen, die Enthalpie, die freie Energie und die freie Ent-halpie, unterscheiden sich von der Entropie dadurch, dass sie die Einheit einer Energie für sich beanspruchen. Das führt mathematisch dazu, dass das Differential der Entropie die Ein-heit der spezifischen Wärme, also die einer Materialkonstanten besitzt. Damit fällt eine Pro-zessgröße weg und das Integral lässt sich zweidimensional also mit Variablen lösen.  

III.3.1 die Enthalpie

III.3.1.1 Ableitung des Enthalpie

Das erste Beispiel für eine weitere Zustandsgröße ist die Enthalpie H.  

Wieder bildet der erste Hauptsatz, also der Energiesatz, die Grundlage.

∙ ∙ ∙

Daraus resultiert die Definition der Enthalpie H

∙ ∙

: Enthalpie eines thermodynamischen Systems

Da die Entropie S eine Zustandsgröße repräsentiert, muss bei konstanter Temperatur T die neu definierte Größe H eine Zustandsgröße sein. Sie wird vor allem bei spontanen Volumen-veränderungen eine Rolle spielen.

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Das Differential der neuen Größe nimmt die folgende Form an:

∙ ∙

Aus den Zustandsänderungen entsprechend dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik kennt man das Differential der inneren Energie.

∙ ∙

Nach obiger Definition der inneren Energie verschwindet das Differential des Volumens aus der Definition der Enthalpie und als natürliche Variable verbleiben die Entropie S und der Druck P. Zusammengeschnürt zu einer Gleichung, ergibt sich also:

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

Die Enthalpie bezeichnet die Energie, die aufgewendet werden muss, um beispielsweise ein Mol eines Stoffes bei konstanter Temperatur und konstantem Druck vom flüssigen in den gasförmigen Zustand überzuführen. Bei Wasser wäre das die Energie, die notwendig ist, um einen Liter Wasser bei 100 °C und Athmosphärendruck von 1 Bar in ca. 1.650 Liter Dampf zu verwandeln. Dazu sind ca. 580 Kilokalorien an zugeführter Wärmeenergie notwendig. Dieser Energieaufwand nimmt ab, wenn die Temperatur höher wird. Bei der kritischen Temperatur, der Temperatur, bei der eine Flüssigkeit nicht mehr kondensieren kann, wird die Enthalpie minimal.

Die Enthalpie spielt auch eine Rolle beim Joule-Thomsoneffekt. Dabei durchströmt Gas unter hohem Druck ein Ventil. Beim Durchtritt durch das Ventil herrschen auf beiden Seiten des Ventils sehr unterschiedliche Drücke und Geschwindigkeiten. Die Enthalpie gibt die Energie an, die notwendig ist, um verdichtetem Gas die höhere Geschwindigkeit bei geringerem Druck aber größerem Volumen zu verpassen. Wenn zwischen den Teilchen im Gasstrom eine anziehende Wechselwirkung existiert, erfordert dies Energieaufwand und kann zu Kühlzwe-cken verwendet werden. Bei abstoßender Wechselwirkung führt der Durchtritt durch ein Ven-til zu Temperaturerhöhung im Gasstrom. Gase können demnach, abhängig vom Temperatur-bereich, entweder kühlen oder heizen wenn sie ein Ventil durchströmen.

III.3.1.2 Zustandsänderungen der Enthalpie

Zustandsänderungen müssen einer Choreographie folgen. Ja, Standardchoreographien sind:

Zustandsänderungen bei konstantem Volumen, Zustandsänderungen bei konstanter Temperatur, Zustandsänderungen bei konstantem Druck und Zustandsänderungen ohne Wärmezu- oder -abfuhr, landläufig adiabatische Zustands-

änderungen bei konstanter Entropie. Adiabatische Zustandsänderung

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Rollt man das Feld von hinten auf, bleibt zunächst die Entropie konstant. Gleichzeitig gilt natürlich die Zustandsgleichung des idealen Gases in all ihren Facetten.

∆ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙1

1 1 ∙

∙ ∙1

1 1 ∙

Isobare Zustandsänderung

Hält man den Druck konstant,

reduziertsichdasDifferentialderEnthalpieauf

∙ ∙ ∙

und sein Integral zu

∆ ∙

Isotherme Zustandsänderung

Jetzt wird es komplizierter, es bleibe nun die Temperatur konstant. Wieder dient das Differen-tial der Enthalpie als Ausgangspunkt.

∙ ∙

mit dem Differential der Zustandsfunktion des idealen Gases

∙ ∙

ergibt sich für das Differential der Enthalpie

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙∙

Da die Temperatur konstant sein soll, vereinfacht sich das Differential bedeutend und lässt die Integration zur Fingerübung degenerieren.

∆ ∙ ∙ ∙ ∙

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Isochore Zustandsänderung

Schließlich soll noch eine Änderung bei konstantem Volumen betrachtet werden. Dazu benö-tigt man wieder die Zustandsgleichung des idealen Gases, auch hier wird wieder die Stoff-menge ein Kilomol zu Grunde gelegt.

∙ ∙

Mit der Definition des Differentials der Enthalpie und der Zustandsgleichung für ideales Gas ergibt sich:

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∆ ∙ ∙

III.3.2 die freie Energie  

III.3.2.1 Definition der freien Energie

Aus dem Energiesatz lässt sich nach obigem Schema eine weitere Zustandsfunktion, die freie Energie, herausquetschen. Wieder bildet der erste Hauptsatz, also der Energiesatz, die Grundlage.

∙ ∙ ∙ .

und die differentielle Form hilft weiter, wobei der Wärmeaustausch bereits mit der oben defi-nierten Größe der Entropie verknüpft wurde.

Aus der Definition der freien Energie F resultiert

Das Differential der freien Energie ergibt sich nach bewährtem Schema.

∙ ∙

Mit dem Differential der inneren Energie wird daraus:

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

und somit das Endergebnis

∙ ∙

Als natürliche Variable enttarnen sich die Temperatur T und das Volumen V.

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Die freie Energie beschreibt die Energie, die aufzuwenden ist, um bei gegebener Temperatur ein System an die Umgebung anzugleichen. Ganz bodenständig handelt es sich also um die Energie, die man benötigt, um eine Ente zu braten. Von dieser Energie kann beispielsweise der Teil, der im Überdruck der vernähten Ente besteht, zurückgewonnen werden, die Energie die in der Wärme steckt, kann in dem Gesamtsystem nicht zurückgewonnen werden, da Tem-peraturausgleich stattgefunden hat.

III.3.2.2 Zustandsänderungen der freien Energie

Zustandsänderungen müssen einer Choreographie folgen. Ja, Standardchoreographien sind:

Zustandsänderungen bei konstantem Volumen, Zustandsänderungen bei konstanter Temperatur, Zustandsänderungen bei konstantem Druck und Zustandsänderungen ohne Wärmezu- oder -abfuhr, landläufig adiabatische Zustands-

änderungen bei konstanter Entropie.

Diesmal bearbeiten wir die Choreoraphie entsprechend der oben vorgegebenen Reihenfolge

Zustandsänderungen bei konstantem Volumen,

∙ ∙

Die Änderung der freien Energie reduziert sich, wie zu erwarten war.

∆ ∙

∙∙

∙ ∙ ∙2∙

:Anzahl der Freiheitsgrade

Nächster Schritt der Choreographie

Zustandsänderungen bei konstanter Temperatur,

∙ ∙

Die Zustandsgleichung des idealen Gases hilft weiter.

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Sie ersetzt den Druck durch das Volumen und lässt somit eine Integration zu

∆ ∙∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Zustandsänderungen bei konstantem Druck Wieder dient das Differential der freien Energie als Ausgangspunkt.

∙ ∙

Um wieder auf ein vernünftiges Integral entlang einer gegebenen Trajektorie zu stoßen, muss man das Differential der Zustandsgleichung hinzuziehen.

∙ ∙ ∙ Das führt auf den folgenden Ausdruck

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Das Integral lässt sich damit leicht bilden, wenn man sich wieder ins Gedächtnis ruft, dass, bezogen auf die Stoffmenge ein Kilomol, gilt:

: spezifische Wärme bei konstantem Druck

: spezifische Wärme bei konstantem Volumen

∆ ∙ ∙

Adiabatische Zustandsänderungen

∙ ∙

Aus dem Zusammenhang zwischen Temperatur und Volumen bei adiabatischen Zustandsän-derungen lässt sich das Differential des Volumens durch das Differential der Temperatur er-setzen.

∙ ∙ ∙ ∙

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∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Aus der adiabatischen Zustandsänderung weiss man, dass gilt:

∙ ∙

Damit nimmt die obige Gleichung die folgende Form an:

∙∙

Die Zustandsgleichung des idealen Gases vereinfacht obige Gleichung erheblich.

Jetzt muss nur noch die Entropie verarztet werden.

Die Entropie ergibt sich, wie vorausgesetzt zur konstanten Größe, wobei die spezifische Wärme auf ein Kilomol Stoffmenge bezogen wird. In diesem Fall kann sie mit der allge-meinen Gaskonstanten zur spezifischen Wärme bei konstantem Druck verwurstet werden.

∙ ∙

Das Integral lässt sich nun kinderleicht ermitteln

∆ ∙

Die Änderung der freien Energie hängt also nur von der Temperaturdifferenz ab, wenn die Zustandsänderung adiabatisch erfolgt, eigentlich logisch, oder?

III.3.3 die freie Enthalpie bzw. Gibbs-Energie  

III.3.3.1 Ableitung der Gibbs-Energie

Aus dem Energiesatz lässt sich nach obigem Schema noch eine weitere Zustandsfunktion, die freie Enthalpie bzw. Gibbs-Energie, herausquetschen.

Wieder bildet der erste Hauptsatz, also der Energiesatz, die Grundlage.  

∙ ∙ ∙ .

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und die differentielle Form hilft weiter, wobei der Wärmeaustausch bereits mit der oben defi-nierten Größe der Entropie verknüpft wurde.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Das Differential der Gibbs-Energie ergibt sich wieder nach bewährter Manier.

∙ ∙ ∙ ∙

mit dem Differential der inneren Energie

ergibt sich folgender Ausdruck für das Differential der Gibbs-Energie.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

Die natürlichen Variablen der Gibbs Energie entpuppen sich als die Temperatur und der Druck.

Die Änderung der Gibbs-Energie lässt sich anschaulich interpretieren.

∙ ∙

Zieht man von der inneren Energie U die Wärmeenergie Q ab, verbleibt noch die Volumen-energie. Erscheint diese kleiner als die bereinigte, innere Energie, muss der Druck erhöht werden, um die Variation der Gibbs-Energie wieder ins Positive zu drehen.

Hält man Druck und Volumen konstant, hängt die Reaktion von der Temperatur ab. Bestimm-te chemische Reaktionen zur Bildung größerer Moleküle können nur bei hohen Temperaturen stattfinden. Andere chemische Reaktionen führen bei hohen Temperaturen zu Dissoziationen. Das Differential zeigt auch, dass bei sehr hohen Temperaturen jedes Molekül in seine Be-standteile zerfällt.

Die Gibbs-Energie spielt also die folgende Rolle bei chemischen Reaktionen.

Wenn die Gibbs-Energie positiv ausfällt, läuft eine chemische Reaktion freiwillig ab. Ein gefährliches Beispiel dafür ist Knallgas.

Bei verschwindender Gibbs-Energie laufen chemische Reaktionen in beide Richtun-gen ab. Beste Beispiele dafür sind Gleichgewichtsreaktionen wie etwa Redoxreaktio-nen, beispielsweise die Spaltung und Wiedervereinigung von Wassermolekülen.

Bei negativer Gibbs-Energie muss nachgeholfen werden. Ein Beispiel stellt das Haber-Bosch-Verfahren zur Erzeugung von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff dar.

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III.3.3.2 Zustandsänderungen der Gibbs-Energie

Das Differential der Gibbs-Energie wurde mit folgendem Ausdruck ermittelt:  

∙ ∙

Wie bei der freien Energie sollen auch für die Gibbs-Energie die Zustandsänderungen abge-leitet und berechnet werden. Vergleicht man die Differentiale der freien Energie und der Gibbs-Energie, springt einem die Verwandtschaft richtiggehend ins Auge und die Ableitung kann etwas kürzer gefasst werden.

Zustandsänderungen bei konstantem Volumen,

∙ ∙

Das Differential der Zustandsgleichung bringt das Differential des Druckes zum Verschwin-den.

∙ ∙ ∙

Die Änderung der Gibbs-Energie reduziert sich, wie zu erwarten war.

∆ ∙∙

∙ ∙

2 ∙2∙

:Anzahl der Freiheitsgrade

Zustandsänderungen bei konstanter Temperatur

∙ ∙

Die Zustandsgleichung des idealen Gases hilft weiter.

Sie ersetzt das Volumen durch den Druck und lässt somit eine Integration zu

∆∙

∙ ∙ ∙ ∙

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Zustandsänderungen bei konstantem Druck Wieder dient das Differential der Gibbs-Energie als Ausgangspunkt.

∙ ∙

Die Integration bei konstantem Druck lässt sich mit der Definition der Entropie leicht bewerk-stelligen

∆ ∙∙

∙ ∙

: spezifische Wärme bei konstantem Volumen

Adiabatische Zustandsänderungen

∙ ∙

Bei adiabatischen Zustandsänderungen bleibt die Entropie konstant. Das Differential des Dru-ckes lässt sich über eine der Poisson-Gleichungen in das Differential der Temperatur umfor-men. Diesmal sind einige Schritte notwendig. Als Integrationsvariable wird die Temperatur gewählt, da die Entropie per Vorgabe konstant sein soll und daher dieser Teil des Integrals kinderleicht zu lösen sein wird. Im ersten Schritt ersetzt man das Differential durch das Differential .

∙ ∙1

∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙

Im nächsten Schritt muss noch das Volumen über eine Poissongleichung verarztet werden.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙ ∙

∙∙

∙1

∙ ∙ ∙

∙∙

∙1

∙ ∙

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Wenn man die Ausdrücke richtig sortiert, vereinfacht sich das Integral ganz erheblich

∆∙

∙1

∙ R ∙1

Die Entropie muss nach Vorgabe eines adiabatischen Prozesses konstant bleiben und daher mit dem Ausgangszustand verknüpft sein. Bezogen auf die Stoffmenge ein Kilomol, lässt sich die Entropie über die spezifische Wärme angeben.

∙2

: Anzahl der Freiheitsgrade

Für ein ideales Gas nimmt daher die Änderung der Gibbs-Energie bei einer adiabatischen Zu-standsänderung eine besonders einfache Form an.

∆ ∙

III.3.4 Zustandsänderungen der inneren Energie Die Zustandsänderungen der inneren Energie füge ich der Vollständigkeit halber noch an. Allerdings, sie hätten an den Anfang dieses Kapitels gehört. Dann hätte ich die Nummerie-rung der Kapitel ändern müssen, das war mir am Nachmittag des ersten Aprils 2016, dem 103. Geburtstag meiner Mutter, zu viel Aufwand, deshalb die inkonsistente Reihenfolge.

Das Differential der inneren Energie kennt man bereits aus dem ersten Hauptsatz der Ther-modynamik.  

∙ ∙

Nach bewährtem Muster wird nun die Choreoraphie der Zustandsänderungen abgearbeitet.

Zustandsänderungen bei konstantem Volumen,

∙ ∙

Das Differential der Zustandsgleichung lässt sich leicht integrieren.

∙ ∙ ∙ ∙2∙

Der Zuwachs an innerer Energie hängt nur von der Temperaturänderung ab. Aber das kennt man schon aus den Zustandsänderungen des idealen Gases.

∆ ∙2∙ ∙

:Anzahl der Freiheitsgrade

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Die innere Energie muss zusätzlich noch die innere Energie beim Ausgangszustand mit be-rücksichtigen.

∙2∙

Zustandsänderungen bei konstanter Temperatur

∙ ∙

Die vorgegebene Choreographie vereinfacht das Differential der inneren Energie.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Die Zustandsgleichung des idealen Gases hilft weiter.

Sie ersetzt den Druck durch das Volumen und lässt somit eine Integration zu

∆∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Die gesamte innere Energie muss noch den Ausgangszustand berücksichtigen.

, ∙ ∙

Zustandsänderungen bei konstantem Druck Wieder dient das Differential der inneren Energie als Ausgangspunkt.

∙ ∙

Die Integration bei konstantem Druck lässt sich mit der Definition der Entropie und der Zu-standsgleichung leicht bewerkstelligen. Im ersten Schritt muss das Differential der inneren Energie mit Hilfe des Differentials der Zustandsgleichung umgeformt werden.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙

Damit lässt sich die Änderung der inneren Energie wieder auf die spezifische Wärme bei kon-stantem Volumen zurückführen.

: spezifische Wärme bei konstantem Volumen

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Das Integral nimmt eine besonders einfache Form an.

∆ ∙ ∙

Die innere Energie ergibt damit absolut:

, ∙

Adiabatische Zustandsänderungen

∙ ∙

Bei adiabatischen Zustandsänderungen bleibt die Entropie konstant.

Das Differential der inneren Energie vereinfacht sich erheblich.

Die Integration kann mit Hilfe der Poisson-Gleichung bewerkstelligt werden.

mit dem Ergebnis

∆ ∙ ∙ ∙ ∙11∙

11∙ ∙ ∙

11∙ ∙ ∙ 1

Mit einer weiteren Poisson-Gleichung lässt sich auch dieser Ausdruck auf eine Temperatur-differenz zurückführen.

∆11∙ ∙ ∙ 1

11∙ ∙ ∙

2∙

Ein anderer Weg besteht darin, das Differential des Volumens über eine der Poisson-Gleichungen in das Differential der Temperatur umformen. Diesmal sind einige Schritte not-wendig. Als Integrationsvariable wird die Temperatur gewählt, da die Entropie per Vorgabe konstant sein soll und daher dieser Teil des Integrals kinderleicht zu lösen sein wird.

Im ersten Schritt ersetzt man das Differential durch das Differential .

∙ ∙ ∙

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Im nächsten Schritt lässt sich das Differential des Druckes durch das Differential der Tempe-ratur ersetzen.

∙ ∙1

∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙

Im nächsten Schritt muss noch das Volumen über eine Poissongleichung verarztet werden.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙1

∙ ∙ ∙

∙∙

∙1

∙ ∙ ∙

∙∙

∙1

∙ ∙

Wenn man die Ausdrücke richtig sortiert, vereinfacht sich das Integral ganz erheblich

∆∙

∙1

∙ R ∙11

Die Entropie muss nach Vorgabe eines adiabatischen Prozesses konstant bleiben und daher mit dem Ausgangszustand verknüpft sein. Bezogen auf die Stoffmenge ein Kilomol, lässt sich die Entropie über die spezifische Wärme angeben.

∙2

: Anzahl der Freiheitsgrade

: allgemeine Gaskonstante

Für ein ideales Gas nimmt daher die Änderung der inneren Energie bei einer adiabatischen Zustandsänderung eine besonders einfache Form an.

∆ R ∙12

1∙ ∙

2∙ ∙

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Die innere Energie ändert sich also bei einer adiabatischer Zustandsänderung proportional zur Temperaturänderung. Dies ist weiter nicht verwunderlich und schon aus früheren Betrachtun-gen bekannt. Die gesamte innere Energie ergibt sich wieder zu:

, ∙

III.4 natürliche Variable und Maxwellbeziehungen

Als natürliche Variable bezeichnet man diejenigen Variablen, mit denen eine Zustands-funktion, geadelt durch ein vollständiges Differential, ein Extremum annimmt. Weitere inte-ressante Einblicke gewährt die Eigenschaft der Zustandsfunktionen. Sie fordert, dass die ge-mischten zweiten Ableitungen identisch ausfallen. Dies setzt verschiedene, thermo-dynamische Größen zueinander in Beziehung und bietet die Möglichkeit, experimentell wenig zugängliche Größen aus weniger verschwiegenen Messgrößen abzuleiten. Als natürliche Variable haben sich folgende Größen eingeschlichen:

Druck Volumen Temperatur und Entropie

III.4.1 Entropie Die Entropie spielt etwas die Rolle des Stiefkindes im Guggenheimschema. Dort sind nur die charakteristischen Funktionen

innere Energie, Enthalpie Freie Energie und Gibbs-Energie

vertreten, die jeweils, im Gegensatz zur Entropie, die die Einheit einer spezifischen Wärme, also Joule pro Kelvin aufweist, die Einheit einer Energie besitzen.

Das Differential der Entropie lässt sich aus dem ersten Hauptsatz herausschnitzen. Die natür-lichen Variablen sind Temperatur und Volumen

∙ ∙

Man muss nur noch etwas umkneten

1∙ ∙

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Noch etwas Beamtenschweiß muss noch sein:

1∙ ∙ ∙ ∙

Daraus lassen sich wieder zwei partielle Ableitungen schnitzen:

1∙

1∙

Raus mit dem Abakus und abgeleitet.

1∙

1∙

1∙

Lasst mal das vollständige Differential ran!

1∙

1∙

01∙

1∙

Richtig abgeleitet, ergibt sich schließlich die erste Maxwellgleichung für die natürlichen Va-riablen Temperatur und Volumen.

Auch hier kann man eine Bedingung suchen, für die die Entropie ein Extremum annimmt oder konstant bleibt.

1∙ ∙ 0

Die zugehörige Gleichung lässt sich leicht lösen, wenn man die Zustandsänderungen und die Zustandsgleichung des idealen Gases zu Rate zieht.

01∙ ∙ ∙ 0

∙ ∙ 0

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Die Lösung kennt man als eine der Poisson-Gleichungen.

∙ ∙

: Adiabatenexponent Das Ergebnis verrät eindeutig, dass Zustandsänderungen entsprechend den Poisson-Gleichungen die Entropie konstant lassen.

III.4.2 innere Energie

Legt man nochmals die Definition der inneren Energie U zu Grunde, erhält man wie bekannt:  

∙ ∙

Daraus resultieren zwei partielle Ableitungen nach den natürlichen Variablen Entropie S und Volumen V.

Die gemischten zweiten Ableitungen führen auf die folgende Beziehung:

mit dem Ergebnis

oder vertrauter als zweite Maxwellbeziehung

Diese Maxwellbeziehung verwendet die natürlichen Variablen Entropie S und Volumen V. Zum Abschluss des Kapitels wird die Verallgemeinerung auf die verbleibenden Möglichen für Kombinationen aus Variablen angedeutet.

Eine konstante innere Energie ergibt sich aus folgender Bedingung:

∙ ∙ 0

∙ ∙

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Mit der Zustandsgleichung des idealen Gases

ergibt sich daraus die Differentialgleichung

∙∙

mit der Lösung

Einen weiteren Zugang zu der Zustandsänderung mit konstanter, innerer Energie liefert ihre Behandlung mit dem Volumen V und dem Druck P als Variable.

Dies führt auf folgende Gleichung

∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ 0

Dies führt auf die Differentialgleichung

0

Mit folgendem Ergebnis

0

∙ ∙

Dies bedeutet, dass das Produkt aus Druck und Volumen konstant bleiben muss, um die inne-re Energie konstant zu halten. Dies überrascht nicht sehr, da die innere Energie nur von der Temperatur abhängt und daher bei konstanter Temperatur konstant bleiben muss. Woher weiß man das? Man erinnert sich an die partiellen Ableitungen der inneren Energie nach dem Druck und dem Volumen.

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III.4.3 Enthalpie

Fasst man die innere Energie und die Entropie als Vater und Mutter der Zustandsgrößen im idealen Gas auf, haben sie drei Kinder, die Enthalpie, die freie Energie und die Gibbssche Freie Energie hervorgebracht. Allerdings, dies sei auch nicht verschwiegen, es gibt noch den Bastard der Planckfunktion, aber darüber sei der Mantel des Vergessens gebreitet.

Die Enthalpie wird definiert als

: Enthalpie

Daraus quetscht man nach altbekannter Manier das Differential der Enthalpie heraus.

∙ ∙

Wieder nach alter Väter Sitte werden zwei partielle Ableitungen der Enthalpie gebildet.

Bildet man wieder die gemischten zweiten Ableitungen schlüpft folgende Beziehung aus dem Ei.

Daraus folgt die Identität

Diese Beziehung ist zwar mathematisch korrekt aber nicht sonderlich spannend. Mehr Auf-schluss verspricht die Definition der Entropie bei konstantem Druck.

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Eingesetzt ergibt das die dritte Maxwell-Gleichung.

´

Die natürlichen Variablen sind hier die Entropie S und der Druck P. Daraus folgt als Bestim-mungsgleichung für ein Extremum.

∙ ∙ 0

Sie lässt sich umformen in

∙ ∙

mit der Lösung

Die allgegenwärtige Zustandsgleichung hat auch hier ihre Finger, respektive Variablen bezo-gen auf ein Teilchen, im Spiel.

∙ ∙ ∙ 0

∙ ∙

III.4.4 die freie Energie

Die freie Energie nützt die Temperatur und das Volumen als natürliche Variable. Die Defini-tion der freien Energie lautet:  

mit dem Differential

∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

Als natürliche Variable geben sich hier die Temperatur und das Volumen zu erkennen.

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Wieder die beiden partiellen Ableitungen bilden wird langsam langweilig aber es muss halt sein.

Aus der Gleichheit der gemischten zweiten Ableitungen folgt:

oder in destillierter Form

Nimmt man wieder die Definition der Entropie zur Hand, schlüpft die vierte Maxwell-Gleichung aus dem Ei.

Konstante freie Energie F erhält man, wenn ihr Differential zu Null gesetzt wird.Auch hier kann man die Spur der Definition der Entropie erahnen.

∙ ∙

Das führt auf die folgende Differentialgleichung, wenn man wieder die Zustandsgleichung zu Rate holt:  

∙ ∙ 0

∙∙

∙ ∙

∙2∙ ∙ ln 0

ln 0

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III.4.5 die freie Enthalpie bzw. Gibbs-Energie

Die Definition der freien Enthalpie bzw. der Gibbs-Energie lautet

∙ ∙

Die natürlichen Variablen sind bei der Gibbs-Energie die Temperatur T und der Druck P. Das Differential nimmt die folgende Form an:

∙ ∙

Daraus lassen sich wieder zwei partielle Ableitungen generieren.

Lutsch, lutsch die Identität der gemischten Ableitungen.

Krallt man sich wieder die Definition der Entropie, schält sich die fünfte Maxwell-Gleichung heraus.

Zum Schluss wieder die Differentialgleichung für konstante Gibbs-Energie

∙R ∙

∙ 0

Mit der Zustandsgleichung des idealen Gases verwandelt sich dieses Differential erheblich.

∙ R ∙

∙ f ∙2∙ R ∙

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III.4.6 allgemeine Ableitung der möglichen Maxwell-Beziehungen

III.4.6.1 Ableitungen der natürlichen Variablen gegeneinander

Zunächst sollen nochmals die Maxwellbeziehungen systematisch als Ableitungen der natürli-chen Variablen gegeneinander referiert werden.

  

Spult man die Maxwell Beziehungen rückwärts ab, kann man die natürlichen Variablen als Ableitun-gen der Zustandsgrößen extrahieren. Dazu hilft das Mittel des Koeffizientenvergleichs. Als Beispiel nimmt man den ersten Hauptsatz mit der Entropie und dem Volumen als Variable.

, ∙ ∙ ∙ ∙

Nachdem es sich um ein vollständiges Differential handelt, müssen Koeffizienten elementweise über-einstimmen. Daraus folgt

∙ ∙ ∙ ∙

Die analoge Vorgehensweise bei den drei verbleibenden Zustandsfunktionen Enthalpie, freie Energie und Gibbs Energie liefern insgesamt acht Beziehungen.

Der erste Hauptsatz mit der Definition der Entropie sowie die ganz zu Beginn abgeleiteten Zustandsänderungen liefern noch zwei weitere Beziehungen.

∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙

0

0

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III.4.6.2 mathematische Begründung zur Ableitungen der natürlichen Variablen gegeneinander

Als theoretische Grundlage kann man die mathematischen Eigenschaften von impliziten, dif-ferenzierbaren Funktionen zweier Variabler unter die Lupe nehmen. Das physikalische Pen-dant dazu verbirgt sich hinter der Zustandsgleichung des idealen Gases. Aber zurück zu Mutti Mathe!

, ∙ ∙

, ∙ ∙

Jetzt lässt sich das totale Differential ersetzen.  

dz∂z∂x

∙ ∂x∂y

∙ dy∂x∂z

∙ dz∂z∂y

∙ dy

Ausmultipliziert, ergibt sich

dz∂z∂x

∙ ∂x∂z

∙ dz∂z∂x

∙∂x∂y

∙ dy∂z∂y

∙ dy

dz dz∂z∂x

∙∂x∂y

∙ dy∂z∂y

∙ dy

∂z∂y

∙ dy∂z∂x

∙∂x∂y

∙ dy

1∂z∂x

∙∂x∂y

Die allgemein bekannte Gestalt dieser Gleichung hüllt sich in folgende Gestalt:

∂x∂y

∙ ∙∂z∂x

1

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IV Kreisprozesse Beim Thema Kreisprozesse lohnt es sich, nochmals den Unterschied zwischen Prozessgrößen und Zustandsgrößen zu vergegenwärtigen. Als Prozessgrößen bezeichnet man:

Das Volumen, den Druck, die Temperatur und die Wärme.

Als Zustandsgrößen bezeichnet man

die innere Energie, die Enthalpie, die frei Energie und die Gibbssche freie Energie, bzw. freie Enthalpie.

Alle vier Größen besitzen die Einheit einer Energie. Der kleine Verwandte dazu ist

die Entropie. Sie besitzt die Einheit der spezifischen Wärme ist aber mathematisch trotzdem eine Zu-standsgröße. Im Folgenden wird die Zustandsgleichung des idealen Gases zu Grunde gelegt. Damit ergibt sich immer eine Größe als Funktion zweier weiterer Größen. Chemische Prozesse, die zusätz-lich die Änderung der Teilchenzahl beinhalten, werden hier außen vor gelassen. Deshalb kommt im Folgenden auch keine großkanonische Gesamtheit vor. Zustandsgrößen können mathematisch charakterisiert werden. Die Differentiale der Zu-standsgrößen stellen mathematisch vollständige Differentiale dar. Die Auswirkungen sind:

Die gemischten zweiten Ableitungen fallen identisch aus, der Funktionszuwachs hängt nur vom Anfangs- und Endpunkt des Linienintegrals ab,

nicht von seinem Verlauf, und wenn Anfangs- und Endzustand übereinstimmen, ergibt sich ein Funktionszuwachs

von Null. Die letzte Eigenschaft vollständiger Differentiale führt direkt auf Kreisprozesse. Wenn eine Folge von Zustandsänderungen bei einer Zustandsfunktion über eine Folge von Zwischenzu-ständen wieder zum Ausgangszustand zurückführt, bezeichnet man diese Folge als Kreispro-zess, da sich die Zustandsgrößen nicht verändert haben. Als Beispiel kann die Wärme und die Temperatur dienen. Beides für sich sind Prozessgrößen, der Quotient aus beiden, die Entropie ist hingegen eine Zustandsgröße. Der Umlaufsinn, also die Reihenfolge der Zwischenzustände entscheidet, ob zugeführte Wärmeenergie in mechanische Arbeit umgewandelt wird, bei-spielsweise in Wärmekraftmaschinen, oder zugeführte Arbeit Wärme freisetzt, beispielsweise in Wärmepumpen oder Kühlanlagen.

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Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite67 

IV.1 Carnot-Prozess Der Carnot-Prozess kann als Großvater/vaterin aller Kreisprozesse gelten. Er liefert den opti-mal möglichen, thermodynamischen Wirkungsgrad, allerdings um den Preis, dass der Kreis-prozess sich als nicht ideal realisierbar erweist. Auf der anderen Seite kann jeder beliebige Kreisprozess in eine Folge serieller Carnot-Prozesse genähert werden. IV.1.1 Prozessschritte des Carnot-Prozesses Der Carnot-Prozess setzt sich aus den folgenden vier Teilprozessen zusammen:

Isotherme Kompression vom Volumen bei der Temperatur auf das Volumen , adiabatische Kompression vom Volumen auf das Volumen dadurch steigt die

Temperatur von auf , isotherme Expansion vom Volumen auf das Volumen , adiabatische Expansion vom Volumen auf das Ausgangsvolumen , dadurch sinkt

die Temperatur wieder auf die Ausgangstemperatur . Die ersten beiden Zustandsänderungen führen dem System Arbeit zu, die beiden verbleiben-den entziehen ihm Energie. Als Beispiel soll ein System dienen mit folgenden Randbedingun-gen:

Stoffmenge 1 Edelgas mit 3 Freiheitsgraden Ausgangstemperatur Ausgangsvolumen ³ Zwischenvolumen 0.1 ∙ ³ Zwischenvolumen 0.02 ∙ ³

Verrichtete Arbeit bei der ersten Zustandsänderung:

∆ ∙ ∙ ∙ ∙ 10

∙ ∙ 10 ∙

Verrichtete Arbeit und Endtemperatur bei der zweiten Zustandsänderung:

∆ ∙ ∙1

1∙ 1

1

1 53

∙ 10 ∙ 0 ∙1

10∙ 0 ∙ 1

0.1 ∙ 0

0.02 ∙ 0

53 1 3

2∙ 0 ∙ 0 ∙ 1 5

23

3

2∙ 0 ∙ 0 ∙ 5

23 1

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Die Temperatur ergibt sich aus der entsprechenden Poisson-Gleichung

∙ ∙ ∙0.1 ∙0.02 ∙

∙ 5

Im nächsten Schritt muss aus der Temperatur und dem Endvolumen das Volumen ermittelt werden, bei dem die adiabatische Expansion einsetzen muss. Aus der Adiabatengleichung

folgt das Volumen, bei dem die letztendliche adiabatische Expansion auf den Ausgangszu-stand erfolgen muss.

∙ ∙∙ 5

15∙

Daraus lässt sich die isotherme Entspannungsarbeit ermitteln.

∆ ∙ ∙ ∙ 0 ∙ 523 ∙

0.02 ∙ 0

0.2 ∙ 0∙ 0 ∙ 5

23 ∙ 10

Der Druck nach der adiabatischen Kompression ergibt sich aus einer der Poisson-Gleichungen.

∙ 10 ∙ ∙ 5

Der Druck nach der darauf folgenden isothermen Expansion beträgt

∙ 10 ∙ 0 ∙ 553 ∙0.02 ∙ 0

0.2 ∙ 00 ∙ 5

53

Im letzten Schritt kann nun die adiabatische Entspannungsarbeit auf das Ausgangsvolumen bestimmt werden.

∆ ∙ ∙1

1∙ 1

0.2 ∙

∙ 5 ∙5∙

32

∙ 1 5

∆ ∙ 5 ∙ 0.2 ∙ ∙32

∙ 1 5

∙ ∙ 5 ∙32∙ 1 5

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Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite69 

Sinnvollerweise fasst man die Arbeiten zunächst paarweise

∆ ∆ ∙ ∙ 10 ∙ 1 523 ∙

∆ ∆ 4 ∙ ∙ ∙ 5 1 ∙ 1 523

und dann insgesamt zusammen.

∆ ∆ ∆ ∆ 4 ∙ ∙ 1 523 ∙ 10

32

523 1

IV.1.2 Prozessschritte des Carnot-Prozesses, allgemeiner formuliert Folgende Ausgangs- und allgemeine Zustandsgrößen seien nun gegeben

Stoffmenge 1 Edelgas mit 3 Freiheitsgraden Ausgangstemperatur Ausgangsvolumen ³ Zwischenvolumen ∙ ³ Zwischenvolumen ∙ , :reelle Konstanten, die bei rechtsläufigen Prozessen beide kleiner Eins sind, bei

linksläufigen Prozessen nehmen sie Werte größer Eins an. 1 Keine Regel ohne Ausnahme. Theoretisch denkbar sind auch Kreisprozesse, bei denen nur ein Koeffizient obige Ungleichung erfüllt. Allerdings, in diesem Fallt, handelt es sich entweder um einen Geniestreich oder um einen der tausende Erfinder in einer Phase der Energieknapp-heit. Linksläufige Prozesse gehorchen häufig aber nicht unbedingt der Ungleichung, Geniestreiche wie oben angeführt einbezogen: 1 Aber nun auf zur Tat, denn, wie steht es in der Bibel, am Anfang stand das Wort. Das habe ich schmerzlich als Oberministrant bei der Pfingstprozession in meinem Heimatort Zusa-maltheim erlebt, wenn ich an jedem der vier Altare eine ziemlich schwere Bibel eine Viertel-stunde über dem Kopf halten musste, damit Pfarrer Romberg die Lesungen zelebrieren konn-te. Tat ist manchmal leichter als Bücherständer.

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Verrichtete Arbeit bei der ersten Zustandsänderung:

∆ ∙ ∙∙

∙ ∙

∙ ∙

∙∙

∙1

Verrichtete Arbeit und Endtemperatur bei der zweiten Zustandsänderung:

∆ ∙ 01

1∙ 1 1

2

1

1 53

∙ 0 ∙ 0 ∙ 11

2

53 1

3

2∙ 0 ∙ 0 ∙ 1

1

2

53 1 3

2∙ 0 ∙ 0 ∙

1

2

23

1

∙ ∙ ∙ 1

2

Im nächsten Schritt muss aus der Temperatur und dem Endvolumen das Volumen ermittelt werden, bei dem die adiabatische Expansion einsetzen muss. Aus der Adiabatengleichung

folgt das Volumen, bei dem die letztendliche adiabatische Expansion auf den Ausgangszu-stand erfolgen muss.

∙ ∙

∙ 1

2

1

2∙

Daraus lässt sich die isotherme Entspannungsarbeit ermitteln.

∆ ∙ ∙ ∙ 0 ∙

23∙

∙ 0

∙ 0∙ 0 ∙

23∙

Der Druck nach der adiabatischen Kompression ergibt sich aus einer der Poisson-Gleichungen.

∙ 1

2∙ ∙ 1

2

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Prof.Dr.BucherHochschuleHeilbronnifgInstitutfürGrundlagenWS2015/16 Seite71 

Der Druck nach der darauf folgenden isothermen Expansion beträg

∙ ∙ 0 ∙

53∙ 0 ∙

53

Im letzten Schritt kann nun die adiabatische Entspannungsarbeit auf das Ausgangsvolumen bestimmt werden.

∆ ∙ ∙1

1∙ 1 1

2

∙ 1

2∙ 2

1∙ ∙

32

∙ 1 1

2

∆ ∙ 1

2∙ 2

1∙ ∙

32

∙ 1 1

2

∙ ∙ 1

2∙32∙ 1 1

2

Sinnvollerweise fasst man die Arbeiten zunächst paarweise

∆ ∆ ∙ ∙1

∙ 1

23

∆ ∆ 432∙ ∙ ∙ 1 ∙ 1

23

und dann insgesamt zusammen.

∆ ∆ ∆ ∆ 4 ∙ ∙ 1

23

∙1 3

2

23

1

Die freigesetzte Arbeit hängt also, wie orauszusehen war, vom Ausgangszustand, definiert durch den Ausgangsdruck und das Ausgangsvolumen, und, wenn man den Spritverbrauch von Motoren über die Jahrzehnte verfolgt, auch von den Kompressionsverhältnissen zwi-schen isothermer und adiabatischer Kompression ab.

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IV.1.3 thermodynamischer Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses Zur Bestimmung des thermodynamischen Wirkungsgrades muss man eine Zustandsgröße bemühen. Die Entropie drängt sich geradezu auf. Im ersten Teilschritt des Carnot-Prozesses wird dem System Arbeit zugeführt und Wärme abgeführt. Arbeit und Wärme müssen iden-tisch ausfallen, da die innere Energie nur von der Temperatur abhängt, dies aber konstant bleibt. Mit umgekehrtem Vorzeichen findet der parallele Vorgang beim dritten Teilschritt des Kreisprozesses statt. Der zweite und der vierte Prozessschritt ändern die Entropie nicht, füh-ren aber Arbeit im zweiten Prozessschritt zu und im vierten Schritt wieder ab. Die gesamte verrichtete Arbeit muss der Differenz zwische ab- und zugeführter Wärmeenergie entspre-chen, da sich nach Vorgabe die innere Energie über den gesamten Zyklus nicht ändert. Für die Entropie gilt mithin:

∆ ∆∆ ∆

0

Daraus lässt jetzt die verrichtete Arbeit ableiten:

∆ ∆ ∆ ∆ ∙ 1 ∆ ∙

Der thermodynamische Wirkungsgrad ergibt sich damit zu:

: thermodynamischer Wirkungsgrad

: Ausgangstemperatur des thermodynamischen Kreisprozesses

: Eingangstemperatur des thermodynamischen Kreisprozesses

Der Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses ergibt sich im Entropie-Temperatur-Diagramm als Nettofläche unter dem Kreisprozess.

Bei rechtsläufigen Prozessen wird Wärme in mechanische Arbeit umgewandelt. Die Ein-gangstemperatur ist höher als die Ausgangstemperatur und der Wirkungsgrad ist prinzipiell kleiner Eins. Anwendungen dafür sind Wärmekraftmaschinen.

Bei linksläufigen Prozessen ist die Ausgangstemperatur höher als die Eingangstemperatur. Wärme wird unter Einsatz von mechanischer Arbeit auf ein höheres Temperaturniveau geho-ben. Der thermodynamische Wirkungsgrad ist prinzipiell größer Eins. Anwendungen dafür sind Wärmepumpen und Kühlanlagen.

Als Perpetuum Mobile zweiter Art, oft patentiert und nie realisiert, bezeichnet man fiktive Maschinen, die einen höheren als den Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses erreichen.

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IV.2 Seiliger-Prozess

Der Seiliger-Prozess unterscheidet sich vom Carnot-Prozess dadurch, dass nach der wohlbe-kannten isothermen Kompression zunächst eine Druckerhöhung bei konstantem Volumen und anschließend eine Volumenvergrößerung bei konstantem Druck, gefolgt von einer Adiabati-schen Expansion, die schließlich auf das Ausgangsvolumen, allerdings bei abweichendem Enddruck, zurückführt. Der Druckausgleich erfolgt durch Gaswechsel mit der Umgebung. Der Seiliger-Prozess beschreibt als idealisierte Spezialfälle den Diesel- und den Otto-Prozess.

Der Wirkungsgrad ergibt sich zu:

11

∙∙ 1

1 ∙ ∙ 1

: Verhältnis aus dem Expansionsvolumen und dem Kompressionsvolumen

: Adiabatenexponent

: Verhältnis aus dem Volumen, in dem Gleichdruck herrscht und dem Gesamtvolumen

: Temperatur- bzw. Druckverhältnis bei der isochoren Temperaturerhöhung von der Temperatur nach

Der maximal mögliche Wirkungsgrad entspricht wieder dem Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses.

Der Seiliger-Prozess beinhaltet als Grenzfälle

sowohl den Diesel-Prozess als auch den Otto-Prozess.

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IV.2.1 Diesel-Prozess

Der Dieselprozess kann als Näherung auf den Spezialfall des Seiligerprozesses mit aus-schließlich isobarer Volumenänderung nach der adiabatischen Kompression aufgefasst wer-den. Die Prozessschritte sind:

Adiabatische Kompression vom Ausgangsvolumen auf das Endvolumen , dies entspricht technisch der Kompression der Gasfüllung im Zylinderraum

isobare Expansion auf das Volumen , diese Expansion wird durch die Verbrennung des eingespritzten Dieselkraftstoffs betrieben, im Gegensatz zu Benzin verbrennt Die-sel an der Oberfläche der eingespritzten Dieseltröpfchen, somit wird die Energie über einen gewissen Zeitraum freigesetzt und führt zu einem näherungsweise konstanten Druck bei der ersten Expansionsphase;

adiabatische Expansion auf das Ausgangsvolumen, wenn die Verbrennung beendet ist;

Entspannung auf den Ausgangsdruck bei konstantem Volumen; dieser Prozessschritt entspricht technisch dem Gaswechsel am Ende eines technischen Kreisprozesses, die-se Entspannung bei konstantem Volumen fehlt beispielsweise dem Carnot-Prozess.

Durch die Verbrennung des eingespritzten Dieselkraftstoffs sind der Wiederholungsfrequenz des Diesel-Prozesses Grenzen gesetzt. Der 40 PS Mercedes-Diesel meines Bruders, Baujahr 1952, erreichte eine maximale Drehzahl von sagenhaften 3.300 Umdrehungen je Minute. Dies führte zur sensationellen Höchstgeschwindigkeit von 98 km/h. Die Grenzdrehzahl wird also nie an diejenige von F1-Rennwagen heranreichen, Vettel rast mit seinem Ferrari immerhin mit bis zu 18.000 Umdrehungen je Minute um die Kurven. Der Wirkungsgrad ergibt sich mit ein paar Idealisierungen, insbesondere

der Annahme eines temperaturunabhängigen Adiabatenexponenten, temperaturunabhängiger, spezifischer Wärmekapazität und exakt konstantem Druck in der isobaren Ausdehnungsphase

zu:

11

∙1

∙ 1

: Verhältnis aus dem Expansionsvolumen und dem Kompressionsvolumen : Adiabatenexponent

: Verhältnis aus dem Volumen , in dem Gleichdruck herrscht und dem Kompressions-

volumen Der Wirkungsgrad hängt vom Kompressionsverhältnis und dem Volldruckverhältnis ab. Das Volldruckverhältnis beschreibt das Verhältnis aus dem Volumen, bis zu dem durch Ener-

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giezufuhr der Kompressionsdruck aufrechterhalten wird, und dem minimalen Kompressions-volumen. Die Temperatur der Gasfüllung muss während dieser isobaren Expansion ansteigen. Je größer dieses Volldruckverhältnis ausfällt, desto mehr schrumpft der Wirkungsgrad.

Für den Fall, dass das Volumen, in dem die isobare Expansion erfolgt, gegen Null geht, gilt folgende Grenzwertüberlegung:

lim→ 1 lim

1∙

1∙ 1

1 lim→

1

∙ ∙ 1

11

∙∙

11

Für den Wirkungsgrad ist demnach das Kompressionsverhältnis von grundlegender Bedeu-tung. Die Realisierung wurde durch Keramikmotoren realisiert, allerdings, der Zuwachs am thermodynamischen Wirkungsgrad hielt sich sehr in Grenzen.

Der entgegengesetzte Grenzfall entspricht der Situation, bei der der Druck durch Wärmezu-fuhr über die gesamte Expansion aufrecht erhalten bleibt. Dieser Grenzfall nimmt die folgen-de Form an:

lim→ 1 lim

1∙

1∙ 1

11

∙1

∙ 1

Bei größeren Werten für das Kompressionsverhältnis ergibt sich folgende Näherung:

lim→ 1

1∙

∙1

1∙ 1

1

In diesem Grenzfall spielt die Gasart über den Adiabatenexponenten die wesentliche Rolle für den maximal möglichen Wirkungsgrad.

Die Bedeutung der Entwicklung der Kompression der Ladeluft lässt sich aus den obigen Überlegungen nur indirekt erschließen. Vielleicht durch die folgende Überlegung, die Aufla-dung der Ladeluft beeinflusst das Kompressionsverhältnis im positiven Sinn. Dieselmotoren ist hier zunächst keine prinzipielle Grenze gesetzt, Ottomotoren sehr wohl über den Effekt des Klopfens. Besucht man das MAN-Museum in Augsburg, kann man die Abmaße eines Schiffsdieselmotors aus den 50er Jahren mit 40.000 Kilowatt Leistung erahnen, Gewicht ca. 1.100 Tonnen.

Moderne Motoren mit Ladeluftaufladung erreichen eine mehr als dreifach höhere Leistung je Kilogramm Motormasse, deshalb gibt es auch heute noch Dieselaggregate auf Schiffen und nicht ausschließlich Dampfturbinen. Natürlich gibt es auch noch einen weiteren Grund. Schiffsschrauben drehen sich in aller Regel bei Hochseeschiffen, mit maximal 100 Umdre-hungen je Minute. Bis heute ist kein Getriebe in der Lage, Leistungen von jenseits der 50.000 Kilowatt auf die Drehzahl der Schiffsschraube zu reduzieren. Dampfturbinen haben demnach als Direktantrieb für Schiffsschrauben geringe Chancen. Die obige Überlegung ist für große Frachtschiffe unumstößliche Doktrin.

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Halligalli-Dampfer, so nennt mein Bruder die Kreuzfahrtschiffe für Wüstenkapitäne, wie die „Queen Elizabeth II“ oder die „Harmony oft he Seas“ beschreiten einen andern Weg. Sie installieren eine ganze Batterie mittelgroßer Dieselmotoren und betreiben sämtliche Aggrega-te an Bord, einschließlich der Schiffsschrauben, über Stromgeneratoren und elektrische Mo-toren. Nun ja, Energie zu sparen genießt hier auch nicht die oberste Priorität.

IV.2.2 Otto-Prozess

Der Otto-Prozess beschreibt die zweite Idealisierung des Seiliger-Prozesses. Dabei folgt auf die adiabatische Kompression eine spontane Druckerhöhung durch Energiezufuhr. Die an-schließende, adiabatische Expansion auf das Ausgangsvolumen und der Gaswechsel mit der Umgebung entsprechen dem Diesel-Prozess. Die isochore Druckerhöhung erfordert eine blitzschnelle Energiefreisetzung, realisiert durch die Explosion eines Benzin-Luft-Gemisches, nicht die vergleichsweise lahme Verbrennung von Dieselkraftstoff in Tröpfchenform. Der Preis dafür ist die Gefahr des sogenannten Klopfens, dabei handelt es sich um eine Frühzün-dung, nun, übereifrige Liebhaber müssten die Folgen nachvollziehen können, die den Wir-kungsgrad senkt und die Kurbelwellenlager ruiniert. Das Klopfen begrenzt das Kompressi-onsverhältnis und damit auch den erzielbaren Wirkungsgrad. Der Wirkungsgrad des idealen Otto-Prozesses ergibt sich zu

11

: Kompressionsverhältnis Wie bereits oben angedeutet, begrenzt das Klopfen den Wirkungsgrad eines Ottomotors. Da lugt die Ignoranz der Amerikaner hervor, anstatt den deutlich höheren Wirkungsgrad des Die-selmotors zu nutzen, versuchen sie Volkswagen zu ruinieren, welche energetischen Ignoran-ten? Übrigens, Schiffsdieselmotoren erzielen inzwischen Wirkungsgrade über 50% bei einer Leistung von mehr als 100.000 Kilowatt. Vielleicht sollte man das einmal den Ölscheichs flüstern.

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IV.3 Joule-Prozess

Der Joule- oder Brayton-Prozess kann als Idealsierung des Gasturbinenprozesses aufgefasst werden, obwohl zu Joules Zeiten noch kein Mensch ein Strahltriebwerk auf dem Radar hatte. Erst ein Engländer und ein deutscher Adeliger entwickelten unabhängig voneinander in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts funktionsfähige Strahlturbinen, später, nach dem zweiten Weltkrieg, wurden sie dicke Freunde. Der Joule-Prozess setzt sich aus folgenden Zustandsänderungen zusammen:

Ein Kompressor saugt Luft an und komprimiert sie, da im Prinzip kein Energieaus-tausch zwischen gasförmigem Medium und der Umgebung stattfindet, erfolgt diese Kompression adiabatisch, die Temperatur erhöht sich von auf ;

in der Brennkammer wird zur komprimierten Luft Treibstoff eingespritzt, durch Ver-brennung wird damit Wärmeenergie zugeführt und somit eine Expansion bei konstan-tem Druck provoziert, die Temperatur steigt von auf ;

das durch Erwärmung expandierte Gas gibt über eine Gasturbine mehr mechanische Arbeit ab als der Kompressor zum Komprimieren der kalten Luft benötigt, dadurch sinkt die Temperatur im Gasstrom ab, der Vorgang erfolgt adiabatisch, die Temperatur sinkt von auf ;

am Ausgang der Gasturbine findet bei konstantem Umgebungsdruck der Gaswechsel statt, er erniedrigt die Gastemperatur von auf die Starttemperatur ; damit ist auch die Abgabe der Restenergie an die Umgebung verknüpft.

Der Kreisprozess kann auch als geschlossenes System betrieben werden, wenn nach der Ex-pansion die verbleibende Wärmeenergie durch einen Wärmetauscher entzogen und das so abgekühlte Gas wieder dem Verdichter zugeführt wird. Diese Spielart des Joule-Prozesses findet allerdings keine technische Anwendung. Einen leichten Nachhall könnte man im Tur-bolader mit Zwischenkühlung vermuten. Eine weitere Anwendung findet man wieder bei großen Schiffsdieselmotoren. Abgasturbinen betreiben Kompressoren, die den Ladedruck in den Zylindern erhöhen und damit das Leis-tungsgewicht deutlich verringern. Installiert man zwei Abgasturbinen, können in der Anlauf-phase beide Turbinen den Frischluftstrom komprimieren. Bei Volllast genügt ein Turbolader, um die Ladeluft zu komprimieren, die zweite Abgasturbine liefert zusätzliche Energie. Bei einem Motor mit 100.000 Kilowatt Leistung des Motors und zusätzlich 3% Wirkungsgrad der zweiten Abgasturbine liefert das durchaus ansehentliche 3 Megawatt Leistung zusätzlich. Mein Bruder reiste mit dieser Idee um die halbe Welt, um sie den Kunden von MAN Augs-burg schmackhaft zu machen. Der thermodynamische Wirkungsgrad eines idealen Joule-Prozesses lässt sich leicht ableiten. Zunächst lässt sich der thermische Wirkungsgrad auf die zu- und abgeführten Wärmemengen zurückführen.

1 1∙∙

Die zu- und abgeführten Wärmemengen gehen zum Teil, beschrieben durch die spezifische Wärme bei konstantem Volumen, in innere Energie und zum Teil in mechanische Arbeit, be-schrieben durch die Differenz zwischen den spezifischen Wärmen bei konstantem Druck und konstantem Volumen, über. Die Temperaturen, die Anfang und Ende, bzw. die Prozesstempe-ratur eines Prozessschritts beschreiben, sind nicht unabhängig.    

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Vielmehr gilt, resultierend aus der Zustandsgleichung des idealen Gases und der Poisson-Gleichung zur adiabatischen Kompression bzw. Expansion:

Die Gleichung resultiert aus der Tatsache, dass sowohl die Kompression als auch die Dekom-pression adiabatisch erfolgen. Setzt man diese Beziehung in die Gleichung für den Wirkungs-grad ein, ergeben sich zwei Erkenntnisse:

1∙∙

1∙

∙1 ∙

1

11

Der ideale Wirkungsgrad einer Gasturbine entspricht demnach dem Carnot-Wirkungsgrad. Die Gleichung, die den Zusammenhang zwischen Temperaturen und Druckverhältnissen be-schreibt, enthüllt auch, dass der ideale Wirkungsgrad

von der Gasart, über den Adiabatenkoeffizienten, und vom Druckverhältnis abhängt.

Moderne Gasturbinen schaffen Druckverhältnisse bis zu 50 : 1. Reale Gasturbinen zeichnen sich vor allem durch Langlebigkeit aus, da sie praktisch nur die gemeinsame, rotierende Ach-se des Kompressors und der Turbine als bewegliches Teil aufweisen. Selbst die Tangential-kräfte auf die Lagerung heben sich auf. Deutliche Verbesserungen des Wirkungsgrades erge-ben sich, wenn theoretisch mehrere Gasturbinen-Prozesse in Serie verschaltet werden. We-sentlich effektiver erscheint jedoch die Kombination aus Gasturbine und Dampfturbine. Diese Kombination setzt bis zu 60% der eingesetzten, thermischen Energie in mechanische Arbeit um.

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IV.4 Clausius-Rankine-Prozess

Der Clausius-Rankine-Prozess geht zurück auf den deutschen Physiker Clausius und den schottischen Ingenieur Rankine zurück. Er beschreibt den idealisierten Dampfturbinenpro-zess, beinhaltet also entgegen der bisherigen Kreisprozesse zwei Phasenübergänge zwischen flüssig und gasförmig. Die einzelnen Prozessschritte lassen sich folgendermaßen charakteri-sieren:

Die Kesselspeisepumpe presst das Wasser, oder auch ein anderes flüssiges Medium, beispielsweise Biphenyl, adiabatisch, also ohne Wärmeübertrag, und bei konstantem Volumen in den Dampfkessel;

im folgenden Prozessschritt erfährt das eingepumpte Medium eine isobare Wärmezu-fuhr, dabei wird das flüssige Medium zunächst verdampft und zusätzlich überhitzt, aber alles bei konstantem Druck;

in der Turbine expandiert der Dampf adiabatisch, idealisiert natürlich, da es unmöglich ist, Dampf expandieren zu lassen, ohne dass ein Wärmeaustausch mit dem Struktur-material stattfindet, dies gilt insbesondere für Sattdampfturbinen, bei denen während der Expansionsphase ein Teil des Dampfes kondensiert, verhindert werden kann diese Kondensation durch eine Zwischenüberhitzung nachdem ein Teil des Ausgangsdru-ckes abgebaut wurde;

im Kondensator wird der Dampf isobar kondensiert und damit Wärme bei konstanter Temperatur abgeführt.

Zur Beurteilung des Wirkungsgrades lohnt es, nochmal die Enthalpie aufzurufen. Das Diffe-rential der Enthalpie wurde oben bestimmt zu:

∙ ∙ Zwei Prozessschritte laufen adiabatisch, also mit 0 und zwei isobar also mit 0 ab. Geht man die einzelnen Prozessschritte durch,

wird im ersten Schritt die adiabatisch ablaufende Druckerhöhung mit der Enthalpie am System verrichtet,

im zweiten Schritt wird isobar die Enthalpie zugeführt. der dritte Schritt liefert adiabatisch die Enthalpie und der vierte Schritt fordert wieder isobar die Enthalpie .

Diese vier Enthalpien lassen sich zum thermodynamischen Wirkungsgrad zusammenschus-tern:

,

: Arbeit, die von der Speisewasserpumpe verrichtet wird

Um höhere Wirkungsgrade zu erzielen, wurden mehrstufige Kreisprozesse erdacht. Der mit Sicherheit abgefahrenste besteht aus einem ersten Kreis mit Kaliumdampf als Arbeitsmedium und einem Schnellen Brüter als Heizquelle. Der zweite Kreis benützt Biphenyl als Arbeitsme-dium und speist seinerseits einen konventionellen Wasserdampfprozess als Wärmequelle. Wurde leider nichts, weil Biphenyl polymerisierte und der Schnelle Brüter nie in Betrieb ging und heute zum Freizeitpark umfunktioniert wurde, eine 10 Milliarden D-Mark Ruine..

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IV.5 Stirling-Prozess

Der Stirling-Kreisprozess besteht im Wesentlichen aus einem warnen Ende, an dem kontinuierlich Wärme zugeführt wird, und einem kalten Ende, an dem kontinuierlich Wärme entzogen wird. Die Arbeit liefert ein Arbeitskolben, den ein Verdrängerkolben unterstützt, der das Arbeitsgas zwischen dem warmen und dem kalten Ende hin und her transportiert. Startet man mit dem Arbeitshub, ist der erste Prozessschritt eine isotherme Expansion. Bei dieser Vo-lumenvergrößerung wird Druckabfall durch Wärmezufuhr egalisiert. Setzt man ein Kilomol an Ar-beitsgas zu Grunde, berechnet man die zugeführte Wärme über die abgegebene Arbeit. Beide sind identisch, da die innere Energie nur von der Temperatur abhängt und die Zustandsänderung bei kon-stanter Temperatur erfolgt.

∆ ∙ ∙

∆ : beim Arbeitstakt abgegebene Arbeit : Temperatur am heißen Ende des Stirlingmotors

Im zweiten Arbeitsschritt wird das Arbeitsgas bei konstantem Volumen abgekühlt auf die Temperatur . Dazu wird Wärmeenergie im Regenerator zwischengespeichert. Diese Wärmemenge hängt nur mit der Temperaturdifferenz zusammen. Der Verdrängerkolben schiebt das entspannte Gas mit seiner hohen Temperatur aus dem Arbeitszylinder bei konstantem Volumen durch den Regenera-tor in den kühlen Bereich des Stirling-Prozesses. Arbeits- und Verdrängerkolben müssen daher um 90 Grad gegeneinander phasenverschoben arbeiten.

∙ ∙

: spezifische Wärme bei konstantem Volumen : Temperatu ram kalten Ende des Stirlingmotors

Im dritten Prozessschritt wird das abgekühlte Arbeitsmedium bei konstanter Temperatur kompri-miert. Den erwarteten Druckanstieg bei Kompression verhindert die Wärmeabfuhr am kalten Ende des Stirling-Prozesses. Diese abgeführte Wärmemenge lässt sich wieder aus der verrichteten Arbeit ermit-teln.

∆ ∙ ∙

∆ : beim Kompressionstakt eingespeiste Arbeit Der vierte Prozessschritt entspricht einer isochoren Erwärmung. Die Energie dazu liefert der Regene-rator, in den sie im zweiten Schritt eingespeichert wurde. Dieses Einspeichern und wieder Zurückfüh-ren erfolgt technisch in einer Art Gegenstromwärmetauscher, man kennt das von Opas Schwarzbren-nerei. Die übertragene Wärmeenergie berechnet sich dazu:

∙ ∙ Der Wirkungsgrad lässt sich daraus errechnen.

∆ ∆ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

∙ ∙

mit

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folgt:

Der Stirling-Prozess geht auf einen schottischen Pfarrer zurück, der allerdings keinen Motor sondern eine Pumpe im ersten Viertel des !9. Jahrhunderts erfinden wollte und sich patentieren ließ. Der Stir-ling-Prozess ist mir besonders ans Herz gewachsen. Warum? Einfach interessiert weiterlesen! Der Stirling-Prozess arbeitet mit näherungsweise kontinuierlicher Wärmezufuhr und ebenso nahezu konti-nuierlicher Wärmeabfuhr. Er kann also mit jeder Wärmequelle arbeiten, beispielsweise einem Brenner einer herkömmlichen Ölfeuerung, einer Wachsfackel, Kohle, Holz, Salatöl oder auch Solarenergie, gesammelt in einem Parabolspiegel. Die abgegebene Wärmeenergie kann zum Heizen verwendet wer-den. Ein Stirlingmotor wäre also die ideale Alternative zum Öl-oder Gasbrenner im Keller? Ja und Nein! Physikalisch auf jeden Fall! Ein Niedertemperaturkessel, wie er von unfähigen Energieberatern stets beschworen wird, ist und bleibt aus physikalischer Sicht ein Unfug hoch drei, da er die größtmögliche Entropiezunahme nach sich zieht und Entropie lässt sich nicht vermindern. Leider, Politiker haben keine Ahnung von Entropie, ich weiss es, ich habe es probiert bei einer Wahlkampfpräsentation in Heilbronn. Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite. Stirlingmotoren leben von Arbeitsgasen, die schnelle Tem-peraturwechsel zulassen, dafür kommen im Wesentlichen Helium oder Wasserstoff in Frage. Beide Gase bringen erhebliche Dichtungsprobleme mit sich. Unglücklicherweise kostet Helium auch noch eine Stange Geld. Billigere Gase lassen nur geringere Drehzahlen zu. Würde man einen Stirlingmotor konstruieren für Stickstoff oder Sauerstoff als günstige Alternative für das Arbeitsmedium und für eine entsprechend geringe Drehzahl, beispielsweise 120 Umdrehungen je Minute, könnte er den ei-gentlich unsinnigen Gas- oder Ölbrenner durch einen Stirlingmotor ersetzen. Der Stirling-Prozess hat auch eine linksseitige Anwendung. Die Umkehrung des Sterling-Prozesses arbeitet, wie vermutet, auch als Kältemaschine. Somit verdanken wir u.a. im Sommer im Biergarten ein kühles, frisches Weißbier dem Stirling-Prozess. Noch in den 30er Jahren wurden im Eisweiher meines Bruders im Winter mit Handsägen Eisblöcke ausgesägt und für den Sommer eingelagert. Bei den heutigen Wintern trübe Aussichten auf ein frisches Weizenbier. Eine boshafte Bemerkung sei mir noch erlaubt. Die Politik, insbesonder die Grünen, sorgte dafür, dass die Photovoltaik am Beginn mit 55 Eurocent je Kilowattstunde subventionierte wurde. Der Großhan-delspreis beträgt weniger als 5 Eurocent je Kilowattstunde an der Strombörse in Leipzig. Welch eine Geldverschwendung? Die sinnvollste Energiegewinnung aus Solarenergie setzt sich immer noch aus einem Sammelspiegel, einem Stirlingmotor und einer Wärmeabfuhr ins Erdreich, beispielsweise im Frühbeet oder unter der Bodenplatte des Hauses, zusammen. Allein der mechanische Wirkungsgrad übertrifft den der Photovoltaik um den Faktor 2.5 und der Stirlingmotor enthält kein extrem giftiges Arsen. Aber die Grünenpolitiker, vor allem die Doppelnamenfraktion, haben eben keine Ahnung von Physik und Entropie, die Wortführer der CDU übrigens auch nicht, und so kostet uns die Energiewen-de 24 Milliarden Euro pro Jahr und wir Techniker und Ingenieure schweigen zu diesem Unfug.

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V Reale Gase

Reale Gase müssen auf liebgewordene Näherungen des idealen Gases verzichten. Reale Gase müssen im Umkehrschluss

das Teilchenvolumen und die Wechselwirkung zwischen Teilchen

berücksichtigen.

Das Teilchenvolumen führt zu einer Verringerung des verfügbaren Volumens der Teilchen. Die Zahl der Zusammenstöße zwischen den Teilchen erhöht sich dabei überproportional bei Volumenverringerung.

Die Wechselwirkung zwischen den Teilchen basiert auf der elektrischen Wechselwirkung geladener Teilchen und kennt zwei Ursachen:

Die Verschiebung der Schwerpunkte positiver und negativer Ladung neutraler Atome unter der Einwirkung benachbarter Atome, beispielsweise Edelgasen, sowie

die strukturbedingte Distanz zwischen beiden Ladungsschwerpunkten in polaren Mo-lekülen, beispielsweise Wassermolekülen.

Beide Effekte führen zu einer Polarisation ansonsten elektrisch neutraler Atome und Molekü-le. Dieses elektrische Dipolmoment führt zu einer anziehenden Wechselwirkung zwischen benachbarten Atomen bzw. Molekülen.

Die erste Ursache elektrischer Polarisation führt beispielsweise zur Kondensation von Edelgasen bei tiefen Temperaturen.

Die zweite Ursache zeichnet verantwortlich für die große Differenz zwischen den Sie-depunkten von Kohlendioxid, als Beispiel für nichtpolare Moleküle, und Wasser, als Beispiel für polare Moleküle.

V.1 die van der Waals-Gleichung Auf den Niederländer van der Waals geht ein Ansatz für eine Zustandsgleichung des realen Gases zurück (1873). Seine Gleichung führt auf eine weitere Unterscheidung

in van der Waals-Gase, die streng der van der Waals-Gleichung gehorchen und in reale Gase, die in erster Näherung der van der Waals-Gleichung genügen.

Grob gesagt, reduziert sich in van der Waals-Gasen die Wechselwirkung zwischen den Teil-chen im thermodynamischen System auf sogenannte Zwei-Teilchen-Stöße.

Van der Waals führt zwei Materialkonstanten ein:

das Kovolumen und den Binnendruck

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V.1.1 das Kovolumen Das Kovolumen beschreibt das Eigenvolumen, das die Teilchen im System beanspruchen. Vereinfachend werden die Teilchen als kugelförmig beschrieben. Ihr Teilchenvolumen wird berechnet nach

43∙

: Teilchenvolumen : Teilchenradius

Bei der Berechnung des Sperrvolumens muss berücksichtigt werden, dass zwei Teilchen je-weils ein Volumen, das dem doppelten Radius der Teilchen entspricht, blockieren. Das Sperr-volumen muss dann natürlich auf beide Teilchen aufgeteilt werden. Alle Überlegungen führen zusammenpackt zu folgendem Ausdruck für das Sperr- bzw. Kovolumen:

∙12∙43∙ 2 ∙ 4 ∙ ∙

43∙

: Anzahl der Teilchen im thermodynamischen System : Koeffizient, der das Sperrvolumen in der Zustandsgleichung des realen Gases be-

schreibt Die van der Waals-Gleichung nimmt die folgende Zwischenform an:

∙ ∙

: Gasvolumen, bezogen auf die Stoffmenge ein Kilomol

V.1.2 der Binnendruck Der Binnendruck berücksichtigt die anziehende Wechselwirkung zwischen benachbarten Teilchen. Im Inneren des thermodynamischen Systems heben sich diese Kräfte auf. Auf die Randschicht wirken die anziehenden Kräfte nur nach innen und bewirken damit eine Erhö-hung des Binnendrucks. Dieser Binnendruck kann Werte erreichen, die ein Entweichen der Teilchen verhindern kann, dadurch kondensiert ein thermodynamisches System. Dieser Druck verhält sich proportional zum Quadrat der Teilchendichte, da sowohl die Anzahl der anzie-henden Teilchen im Inneren als auch die Anzahl der angezogenen Teilchen in der Rand-schicht sich proportional zur Teilchendichte im System verhalten.

: Binnendruck : Masse bezogen auf ein Kilomol des Stoffes im thermodynamischen System : Volumen des thermodynamischen Systems, bezogen auf die Stoffmenge ein Kilomol

: Massendichte im thermodynamischen System

: Konstante zur Beschreibung des Binnendrucks im thermodynamischen System

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Damit nimmt die van der Waals-Gleichung die endgültige Form an.

∙ ∙

Die Einheiten der zusätzlichen Konstanten in der van der Waals-Gleichung nehmen die fol-gende Form an:

:∙

:

: Stoffmenge in Kilomol

V.2 kritische Größen des thermodynamischen Systems

V.2.1 Ableitung der kritischen Größen des thermodynamischen Systems Die Hinzunahme des Kovolumens und des Binnendrucks katapultiert die einfache Zustands-gleichung in die Sphären der hyperbolischen Funktionen mit der Temperatur als Parameter. Damit weist die Funktion tendenziell einen Terrassenpunkt auf, dabei handelt es sich um ei-nen Punkt der Funktion, an dem die erste und die zweite Ableitung gleichzeitig zu Null wer-den. Ob es diesen Punkt tatsächlich gibt, ist noch nicht sicher aber sehr wahrscheinlich, sonst gäbe es wohl diese Kapitel nicht. Frisch auf zu den Ableitungen. Die Basis liefert die Zu-standsgleichung nach van der Waals.

∙ ∙

Betrachtet man die Temperatur als Parameter, beschreibt die obige Gleichung die Isothermen im P-V-Diagramm. Beide Ableitungen nehmen die folgende Form an, wenn man die Zu-standsgleichung zunächst nach dem Druck auflöst:

Die erste Ableitung ergibt:

∙ 2 ∙

Die zweite Ableitung liefert folgenden Ausdruck:

2 ∙ ∙ 6 ∙

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Setzt man beide Ableitungen gleichzeitig zu Null, ergeben sich zwei Gleichungen für die Konstanten a und b, die mathematisch den Terrassenpunkt der Funktion festlegen.

∙ 2 ∙

2 ∙ ∙ 6 ∙

Der Terrassenpunkt beschreibt die Grenze, an der die van-der-Waals-Gleichung des realen Gases einen Wendepunkt und damit ein lokales Maximum und ein lokales Minimum anneh-men.

Dividiert man beide Gleichungen durcheinander, ergibt sich

und damit der Ausdruck für das Kovolumen als Funktion des Molvolumens zu:

3

Das Volumen wird mit bezeichnet, da es beide Ableitungen gleichzeitig zu Null macht. Also gilt

3 ∙

Mit obigem Ergebnis und der ersten Ableitung des Druckes nach dem molbezogenen Volu-men ergibt sich die kritische Temperatur aus:

∙ 2 ∙

durch naheliegende Umformungen zu

1∙2 ∙

∙1∙8 ∙27 ∙

Mit obigen Ergebnissen lässt sich nun ein Ausdruck für den Koeffizienten des kritischen Drucks ableiten .Wieder muss die van der Waals-Gleichung herhalten

und die kritische Temperatur mit verwursten.

1∙8 ∙27 ∙

∙3 ∙ 3 ∙ 27 ∙

Somit lassen sich die kritischen Größen auf die allgemeine Gaskonstante und die Konstanten des realen Gases zurückführen. Das notwendige Zwischenergebnis dazu ist

3 ∙

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mit den Ergebnissen für den kritischen Druck und die kritische Temperatur

27 ∙

1∙8 ∙27 ∙

Die Größen a und b sind, wie bereits angedeutet, Materialkonstanten. Ein paar Messwerte seien angegeben.

Für die Größe a wurden beispielsweise folgende Werte ermittelt:

Helium 3.45 ∙ 10 ∙ ⁄ Wasserstoff 24.5 ∙ 10 ∙ ⁄ Stickstoff 140.8 ∙ 10 ∙ ⁄ Wasserdampf 557.29 ∙ 10 ∙ ⁄ Benzol 52.74 ∙ 10 ∙ ⁄

Man erkennt sofort, dass kleine Werte für die Konstante a korrespondieren mit einer tiefen Siedetemperatur.

Das Kovolumen b, das das Teilchenvolumen berücksichtigt, sagt dagegen nur etwas über die relative Molekülgröße aus. Beispiele dafür sind

Helium 0.0237 ³⁄ Wasserstoff 0.0155 ³⁄ Stickstoff 0.0138 ³⁄ Wasserdampf 0.031 ³⁄ Benzol 0.3041 ³⁄

Man erkennt, dass das Kovolumen nur in engen Grenzen variiert bzw. mit der Anzahl der Atome im Molekül zunimmt.

V.2.2 Gesetz der korrespondierenden Zustände und Boylepunkt

Das Gesetz der korrespondierenden Zustände ersetzt die Materialkonstanten durch kritische Größen. Die Größen der van der Waals-Gleichung seien nochmal rezitiert:

3

3 ∙ ∙ 8 ∙ ∙3 ∙

Dadurch nimmt die Zustandsgleichung

∙ ∙

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die folgende Form an:

3 ∙ ∙∙

38 ∙ ∙3 ∙

Diese Gleichung lässt sich in mehreren Schritten umformen:

3 ∙

∙3

8 ∙3 ∙

3 ∙∙

13

83 ∙

3 ∙∙ 3 ∙ 1 8 ∙

Mit den Ersetzungen

: relativer Druck, bezogen auf den kritischen Druck : relatives Volumen, bezogen auf das Volumen am kritischen Punkt : relative Temperatur, bezogen auf die Temperatur am kritischen Punkt

nimmt die Zustandsgleichung die folgende Form an.

3∙ 3 ∙ 1 8 ∙

Sie enthält nun keinerlei Materialgrößen mehr. Man bezeichnet diese Darstellung als das Ge-setz der korrespondierenden Zustände.

Rückblickend kann nun ein Kriterium gesucht werden, das den Übergang vom idealen zum realen Gas markiert. Dazu nimmt man sich noch einmal die van der Waals-Gleichung vor.

Sie kann in die folgende Darstellung umgeformt werden.

∙∙

1

1 ∙ ∙

Der Bruch lässt sich nach der binomischen Formel näherungsweise entwickeln.

1

11

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Mit dieser Näherung kann die Zustandsgleichung umgeformt werden.

∙∙

11∙

Falls der Klammerausdruck zu Null wird, geht die Zustandsgleichung in die des idealen Gases über. Die Bedingung dafür lautet:

∙0

∙278∙

: Temperatur des Boylepunktes

Oberhalb der so definierten Boyletemperatur kann reales Gas als ideales Gas behandelt wer-den, wobei die kritische Temperatur eine Materialkonstante darstellt.

V.2.3 Diskussion der Isothermen des realen Gases

Die Diskussion lässt sich in drei Temperaturbereiche aufdröseln.

Die Temperatur des thermodynamischen Systems sei größer als die kritische Temperatur

Die kritische Temperatur wurde ziemlich theoretisch aus dem mathematischen Kalkül des Wendepunktes einer Funktion abgeleitet. Wenn ein thermodynamisches System eine Tempe-ratur höher als die kritische Temperatur ihr Eigen nennt, kann es keinen Phasenübergang voll-ziehen. Anschaulich bedeutet dies, dass Gase eine Temperatur als Materialkonstante besitzen, oberhalb der sie nicht mehr kondensieren können. Beispielsweise kann Wasser oberhalb von ca. 370 °C nicht mehr in den flüssigen Aggregatszustand übergehen. In der Tiefsee existieren sogenannte Smoker, das sind Vulkanschlünde, aus denen Flüssigkeit mit mehr als 400 °C bei einem Druck von mehreren hundert Bar strömt. Dieses Medium ist aber physikalisch keine Flüssigkeit mehr sondern höchstens ein Gas mit der Dichte einer Flüssigkeit. Je höher die Temperatur und je größer das Volumen eines thermodynamischen Systems ausfallen, desto idealer beschreiben Druck und Volumen eine Hyperbel.

Die Temperatur des thermodynamischen Systems sei identisch mit der kritischen Temperatur

Mathematisch besitzt in diesem Fall, aber das wurde ja schon oben abgehandelt, die Isotherme als Funktion von Volumen und Druck einen Terrassenpunkt. Auch wenn dieser Fall im Brü-ckenkurs der Hochschule Heilbronn abweichend definiert wird, aber es ist nun einmal ein Terrassenpunkt. Ach ja, Terrassenpunkt bedeutet, dass gleichzeitig die erste und die zweite Ableitung der Zustandsgleichung des realen Gases nach dem Druck verschwinden. Die kriti-sche Temperatur markiert die Grenze zwischen Medien, die nur noch gasförmig existieren können oder bereits einen Phasenübergang aufs Parkett legen können. Sie besitzt eigentlich nur theoretisches Interesse nach dem Motto einmal gemessen und schon vergessen.

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Die Temperatur des thermodynamischen Systems sei kleiner als die kritische Temperatur

Liegt die Temperatur des thermodynamischen Systems unterhalb der kritischen Temperatur, weist die Isotherme im P-V-Diagramm einen Wendpunkt auf. Physikalisch höchst fragwür-dig, da in der Umgebung des Wendepunktes abnehmendes Volumen mit abnehmendem Druck verknüpft wäre, strange, very strange, really. Mit dem Rasenmäher bietet sich eine Lösung an, die schon Maxwell vor ca. 150 Jahren vorgeschlagen hat. Die zu Grunde liegende Idee fordert, dass die Gibbs Energie konstant bleibt. Diese Forderung beschreibt die Koexis-tenz von gasförmiger und flüssiger Phase. In der Geheimsprache der Physik, die Isotherme der van der Waals-Gleichung wird abschnittsweise definiert. Das erledigt die Maxwell Kon-struktion. Maxwell war wohl ziemlich produktiv, leider erreichte er nur ein Alter von 42 Jah-ren. Jedenfalls, Maxwell schlug die folgende Konstruktion vor. Wenn ein thermodynamisches System Zicken mach, respektive kondensiert bei Volumenverringerung, wird die Isotherme aus der van der Waals-Gleichung durch eine Isobare, also eine Funktion konstanten Drucks ersetzt. Die Maxwellkonstruktion ersetzt die van der Waals-Isobare in der Umgebung des, physikalisch unsinnigen, Wendepunkts durch eine Isobare so, dass das Integral ∙ bei konstantem Druck zwischen den äußeren Schnittpunkten der Isobaren mit den Isothermen den Wert Null ergibt. Diese Zustandsänderung erfolgt bei konstanter Enthalpie.

Die Enthalpie war definiert als

∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙

Sucht man ein Extremum der Enthalpie, muss das Differential zu Null werden. Die nachfol-gend wiederholte Ableitung zeigt, dass bei konstantem Druck die Entropie sich nicht ändert.

∙ ∙ ∙ 0

∙ ∙

Eingesetzt in die obige Gleichung, ergibt sich, dass das Differential der Enthalpie zu Null werden muss. Wenn man allerdings etwas Chuzpe an den Tagt legt, lässt sich die Maxwell-konstruktion aushebeln. Nähert man sich dem kritischen Punkt von größeren Volumina, müss-te eigentlich das Gas Kondensieren, macht es aber nicht unbedingt, vor allem wenn keine Kondensationskeime vorhanden sind. Dieser Effekt schreit zum Himmel, im übertragenen Sinn, denn die Kondensstreifen, den Düsenflugzeuge manchmal produzieren, resultiert aus einem übersättigten Gas, das über die Abgase der Turbinen mit Kondensationskeirnen ge-impft wird und dann kondensieren kann.

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Nähert man sich der Maxwellkonstruktion von hohen Drücken aus, ergibt sich der Zustand der überhitzten Flüssigkeit. Dieser Zustand lässt sich realisieren indem ein Volumen blitzar-tig vergrößert wird und die Flüssigkeit im Volumen zunächst nicht realisiert wie ihr geschieht und sie eigentlich mit verdampfen reagieren müsste. Diesen kurzen Moment, Größenordnung Millisekunden, nützen Physiker schamlos aus und benützen solche überhitzte Flüssigkeiten als Blasenkammer zum Nachweis von Teilchenstrahlen.

V.2.4 Ableitung des Joule-Thomson-Effekts als Anwendung realer Gase Der Joule-Thomson-Effekt findet seine Anwendung, wenn Gas über ein Drosselventil ent-spannen kann. Zum Einstieg betrachtet man wieder den ersten Hauptsatz der Thermodynamik in seiner integralen Form

Wenn nun kein Wärmeaustausch stattfindet, gilt:

∙ ∙

In differentieller Form lautet die Aussage mit Hilfe der Definition der Enthalpie 0 Der Prozess erfolgt somit isenthalp. Weitere Einblicke gewährt das schon geübte Jonglieren mit den Differentialen der Zustandsgrößen. Aus ∙ Folgt ∙ ∙ Mit ∙ ∙ ergibt sich schließlich ∙ ∙ Das Differential der Entropie dS ist hier wenig hilfreich, da es messtechnisch schwer zugäng-lich ist. Sinnvollerweise wählt man anstelle der Zustandsgröße S daher die Prozessgrößen Temperatur T und Druck P. Folglich stellt man das Differential der Entropie als Funktion die-ser Prozessgrößen dar.

∙ ∙

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eingesetzt in das Differential der Enthalpie ergibt sich:

∙ ∙ ∙ ∙

Aus den Zustandsänderungen kennt man bereits die Ableitung der Entropie nach der Tempe-ratur bei konstantem Druck.

Die zweite partielle Ableitung lässt sich über eine der Maxwellbeziehungen entschlüsseln.

: thermischer Ausdehnungskoeffizient mit der Einheit 1⁄

Zur Gedächtnisstütze kann man sich folgendes vergegenwärtigen:

∆ ∙ ∆ ∙ Setzt man die Maxwellbeziehung in das Differential der Enthalpie ein, ergibt sich:

∙ ∙ ∙ 1 ∙ Setzt man dieses Differential Null, ergibt sich die folgende Ableitung bei konstanter Enthal-pie. Warum? Weil die Enthalpie zu einer Konstanten verzwergt wurde.

∙ ∙ 1

: Joule-Thomson-Koeffizient

Im idealen Gas flüstert der Temperaturkoeffizient , dass er streng umgekehrt proportional zur Temperatur ist, deshalb ist der Joule-Thomson-Koeffizient auch exakt Null. Also nix war´s mit dem Kühlschrank, betrieben mit idealem Gas. Für reales Gas zeitigt das zwei Auswirkungen:

Wenn es sich um relativ verdünntes Gas handelt, führt eine Kompression zu zusätzli-cher Volumenenergie, da der Druck auf Grund der abstoßenden Wechselwirkung der Gasteilchen schneller anwächst als das Volumen abnimmt. Wenn also das Gas wieder expandiert, wird diese heimlich gespeicherte Energie frei in Form von Bewegungs-energie der Teilchen, folglich steigt die Temperatur des Gases, Toaster oder so.

Im Gegensatz dazu bilden Gasteilchen bei hoher Verdichtung eine anziehende Wech-selwirkung aus. Bei einer Expansion muss diese anziehende Wechselwirkung über-wunden werden, die kinetische Energie der Teilchen und damit seine Temperatur nimmt ab, Kühlschrank oder so.

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Wenn schließlich der Druck zu groß wird, überwiegt wieder die abstoßende Wechsel-wirkung und bei Expansion wird zusätzliche Bewegungsenergie frei.

Die zweite Auswirkung beschreibt den temperatur- und druckabhängigen Übergang zwischen positivem und negativem Joule-Thomson-Koeffizient.

Die Temperatur, bei der dieser Umschlag des Joule-Thomson-Koeffizienten stattfin-det, hängt vom Druck und der Temperatur ab. Dies führt auf die Joule-Thomson-Inversionskurve.

Wie bereits erwähnt, liefert die Beziehung einer verschwindenden Enthalpieänderung eine Kurve, die die Bereiche mit negativem und positivem Joule-Thomson-Effekt trennt. Bei idea-lem Gas als Betriebsmedium würde diese Trennkurve auf einen Punkt zusammenschrumpeln. Also muss die Zustandsgleichung des realen Gases, die van-der-Waals-Gleichung, helfen. Als Bedingungsgleichung muss der Joule-Thomson-Koeffizient zu Null werden.

∙ ∙ 1 0

Dazu muss nun die van-der-Waals-Gleichung herangezogen werden

∙ ∙

sowie die Definition des Ausdehnungskoeffizienten

1∙

eingebaut werden. Der Ausdehnungskoeffizient bei konstantem Druck lugt aus dem Differen-tial der van-der-Waals-Gleichung hervor. Ein paar Umformungen müssen sein. Auf los, geht´s los. Die Zustandsgleichung lautet wie bekannt:

∙ ∙

Aufgelöst nach dem Druck P, liest sich das so:

Das Differential lässt sich nach alter Väter Sitte daraus schnitzen.

∙∙

2 ∙∙

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Beim Wärmeausdehnungskoeffizient bei konstantem Druck muss dieses Differential zu Null werden.

∙∙ 2 ∙

Der Differentialquotient schwillt zu einem veritablen Doppelbruch an.

∙ 2 ∙ ∙∙

∙ ∙ 2 ∙ ∙

Die Realschulmathematik lässt ihn wieder zum einfachen Bruch schrumpfen.

∙ ∙∙ ∙ 2 ∙ ∙

Diesen Bruch muss man nun in die Bestimmungsgleichung für die Inversionskurve einkneten.

∙ 1 ∙∙ ∙

∙ ∙ 2 ∙ ∙1

Die sogenannten trivialen Umformungen vereinfachen den Ausdruck erheblich

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ 2 ∙ ∙

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ 2 ∙ ∙

∙ ∙ ∙ 2 ∙ ∙

und liefern letztendlich die Gleichung

2 ∙∙

∙ 0

, : Koeffizienten des realen Gases : Gasvolumen der Stoffmenge ein Kilomol

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Diese Gleichung lässt sich nach dem Molvolumen auflösen und dann in die van-der Waals-Gleichung einsetzen.

2 ∙ ∙ ∙2 ∙

∙ ∙

∙ 12 ∙

∙ ∙ 2 ∙ ∙ 0

2 ∙ 4 ∙ 4 ∙ ∙ 1 2 ∙ ∙ ∙

2 ∙ 1 2 ∙ ∙ ∙

∙ 2 ∙ ∙ ∙

1 2 ∙ ∙ ∙∙1 2 ∙ ∙ ∙

1 2 ∙ ∙ ∙

∙1

1 2 ∙ ∙ ∙

Um die Inversionsfunktion herauszuklamüsern sollte dies in mehrere Schritte zerlegt werden. Zunächst kramen wir nochmals die van-der-Waals-Gleichung, umgeformt nach dem Druck, hervor.

Der erste Term kann umgeformt werden nach:

∙ ∙

∙1 1 2 ∙ ∙ ∙

1 2 ∙ ∙ ∙

∙ 2 ∙ ∙ ∙

1 2 ∙ ∙ ∙

∙ ∙ 1 2 ∙ ∙ ∙

∙ 2 ∙ ∙ ∙

1∙2 ∙ ∙ ∙ ∙

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Der zweite Term lässt sich ebenfalls umformen.

∙ 1

1 2 ∙ ∙ ∙

∙ 12 ∙

∙ ∙

2 ∙ ∙2 ∙

∙ ∙ ∙2 ∙

∙ ∙

1∙

2 ∙∙ ∙

∙2 ∙

Zusammengeschustert, ergibt sich:

1∙2 ∙ ∙ ∙ ∙ 1

∙2 ∙

∙ ∙∙

2 ∙

2∙2 ∙ ∙ ∙ 3

2∙

Die Inversionskurve für die Joule-Thomson-Gleichung beschreibt also die folgende Glei-chung.

2∙2 ∙ ∙ ∙ 3 ∙ ∙

2 ∙

Hinter der Inversionskurve verbirgt sich das Zwei-Teilchen-Potential, das in einem bestimm-ten Abstandsbereich zur negativen Größe wird. Genau, wenn dieses Potential negativ wird, führt der Joule-Thomson-Effekt zu einer Abkühlung. Diese quadratische Gleichung besitzt zwei Nullstellen und dazwischen ein Extremum. Die Nullstellen münden in eine quadratische Gleichung.

2∙2 ∙ ∙ ∙ 3 ∙ ∙

2 ∙

∙3 ∙2 ∙

∙3 ∙ ∙ 8 ∙ ∙

0

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Diese quadratische Gleichung liefert die folgenden Nullstellen.

,

5 ∙ ∙ 25 ∙ ∙ 9 ∙ ∙

2 ∙ 3 ∙2 ∙

5 ∙ ∙ 4 ∙ ∙

92 ∙

92 ∙

29∙

9 ∙ ∙

92 ∙

2 ∙∙

Zwischen beiden Temperaturen ist ein positiver Joule-Thomson-Effekt möglich.

Sucht man das Extremum, muss die erste Ableitung zu Null gesetzt werden, einige Umfor-mungen inbegriffen:

2∙12∙2 ∙ ∙ ∙

∙2 ∙ ∙ 3 ∙

2 ∙0

2 ∙∙2 ∙ ∙ ∙

32

16 ∙9 ∙

∙2 ∙ ∙ ,

Das Ergebnis kann sich in seiner Einfachheit sehen lassen.

,89∙

Der zugehörige Druck zu dieser Temperatur steht in seiner Einfachheit in nichts nach.

,2∙2 ∙ ∙ ∙ 8 ∙9 ∙ ∙ ∙

3 ∙ ∙ 8 ∙2 ∙ ∙ 9 ∙ ∙

13∙

Dieses Extremum markiert die Temperatur, bei der die größte Druckdifferenz zwischen ge-spanntem und über eine Drossel entspanntem Gas zu einem positiven Joule-Thomson-Koeffizienten, mithin zu einer Abkühlung durch die Entspannung des Gases, führt.

Zum guten Schluss seien noch ein paar Inversionstemperaturen für Gase zitiert. Die Inversi-onstemperatur beschreibt die höchstmögliche Temperatur, bei der der Joule-Thomson-Effekt zur Abkühlung führt.

: 34 : 202

: 202

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V.3 Virialentwicklung der Gleichung des realen Gases

Die van-der-Waals-Gleichung des realen Gases schreibt, hart formuliert, dem realen Gas vor, wie es sich zu verhalten hat. Die Virialentwicklung geht den umgekehrten Weg und beugt sich der Natur.

Ausgangspunkt der Virialentwicklung spielt wieder die Zustandsgleichung des realen Gases

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

6.0 ∙ 10 / : Avogadrokonstante, Anzahl der Teilchen in ei-nem Kilomol Stoffmenge

: Boltzmann-Konstante : Gasvolumen für ein Kilomol Stoffmenge

in der Darstellung auf der Basis der Teilchendichte.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙

∙ ∙

: Teilchendichte

Dieselbe Umschreibung lässt sich natürlich auch für die van-der-Waals-Gleichung anwenden. Dazu muss sie allerdings durch das Molvolumen geteilt werden.

∙ ∙

1

Diese Gleichung lässt sich über die Binominalentwicklung in eine Potenzreihe entwickeln.

1 1 ∙∙ 12

∙ 0

Das führt auf folgende, näherungsweise Darstellung für die van-der-Waals-Gleichung.

∙ ∙ ∙12∙ ∙ ∙

Andererseits kann die Zustandsgleichung ganz handwerklich in eine Potenzreihe der Teil-chendichten entwickelt werden.

∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ⋯

Ein Koeffizientenvergleich zwischen beiden Darstellungen liefert weitere Einblicke.

1

∙ ∙

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12∙

Natürlich kann die Potenzreihe um beliebig viele Glieder erweitert werden. Es macht aber nur Sinn, diese weiteren Glieder an Messergebnisse anzupassen. Dies muss zwangsläufig zu Ab-weichungen zwischen den Koeffizienten der Potenzreihe und den Koeffizienten der Entwick-lung der van-der-Waals-Gleichung führen.

Betrachtet man speziell den Koeffizienten , muss dieser für hohe Temperaturen negativ sein, da bei verdünnten Gasen, also Gasen mit geringem Druck, der Druck des realen Gases immer kleiner ausfällt als der Druck im idealen Gas. Für tiefe Temperaturen bzw. hohe Drü-cke überwiegt eine abstoßende Wechselwirkung zwischen den Teilchen, daher muss der Ko-effizient sein Vorzeichen ins Positive wechseln und seine Ableitung positiv ausfallen.

Um dem Joule-Thomson-Effekt auf die Schliche zu kommen, sollte man die van-der-Waals-Gleichung in ihrer Potenzreihenentwicklung etwas umschreiben.

∙ ∙ ∙ 1 ∙

Bei kleineren Drücken kann die Teilchendichte näherungsweise aus der Zustandsgleichung des idealen Gases ermittelt werden.

Damit ergibt sich die folgende, näherungsweise Darstellung des realen Gases für geringere Dichten.

∙ ∙ ∙ 1∙

∙ ∙ ∙ ∙

Aufgelöst nach dem Volumen V, ergibt sich:

∙∙

Diese Beziehung stellt das Volumen als Funktion der Temperatur dar. Daraus lässt sich der Volumenausdehnungskoeffizient als Funktion der Temperatur bei konstantem Druck herauskitzeln, und schon lugt der Joule-Thomson-Effekt um die Ecke.

Wie war doch noch die Definition des Joule-Thomson-Koeffizienten, ja, genau:

∙ ∙ 1

Mit dem Ausdruck für den Volumenausdehnungskoeffizienten

1∙

1∙

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hüllt sich der Joule-Thomson-Koeffizient in das folgende Gewand:

∙ ∙∙

11∙ ∙

Die Inversionskurve reduziert sich damit auf eine Funktion der Ableitung des zweiten Virial-koeffizienten.

1∙ ∙

Die Inversionskurve resultiert aus folgender Voraussetzung:

∙∙

und folgender Bedingung

∙∙

∙∙

dem Ergebnis:

Damit wird die Inversionskurve des Joule-Thomson-Effekts auf den zweiten Virialkoeffizien-ten der Virialentwicklung und dessen Ableitung nach der Temperatur zurückgeführt.

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Gliederung

Thermodynamik

Motivation:

I das ideale Gas

I.1 Modell des idealen Gases I.2 Phänomenologische Beschreibung des Verhaltens idealer Gase I.2.1 Gesetz von Boyle-Mariotte

I.2.2 Erstes Gesetz von Gay-Lussac I.2.3 Gesetz von Amontons I.2.4 Gesetz der Homogenität I.2.5 Gesetz von Avogadro I.2.6 Kombination der Gesetze von Amontons und Gay-Lussac I.2.7 Ableitung der allgemeinen Gaskonstanten

I.3 Kinematische Betrachtung des idealen Gases I.3.1 Ableitung des Gasdruckes in einem System bewegter Teilchen I.3.2 Virialsatz

I.4 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilungen I.4.1 Die Geschwindigkeitsverteilung für eine Geschwindigkeitskomponente I.4.2 Wahrscheinlichkeitsdichte für einen Geschwindigkeitsvektor mit drei karthesischen

Koordinaten

I.4.3 Radiale Geschwindigkeitsverteilung I.4.4 Ausgezeichnete Geschwindigkeiten der Maxwellschen Geschwindigkeits-verteilung

im idealen Gas I.4.4.1 Wahrscheinlichste Geschwindigkeit I.4.4.2 Mittlere Geschwindigkeit I.4.4.3 Mittleres Geschwindigkeitsquadrat I.4.4.4 Vergleich der einzelnen Geschwindigkeiten

I.5 Barometrische Höhenformel I.5.1 Ableitung der barometrischen Höhenformel I.5.2 Ableitung der barometrischen Höhenformel der Teilchendichte I.5.3 Druckverlauf in Ultrazentrifugen

I.6 Freie Weglänge im idealen Gas

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II Der erste Hauptsatz der Thermodynamik II.1 Der erste Hauptsatz und der Energiesatz II.2 Zustandsänderungen im idealen Gas II.2.1 Volumen und Temperatur seien unabhängig II.2.2 Druck und Temperatur seien unabhängig II.2.3 Druck und Volumen seien unabhängig II.2.4 Adiabatische Zustandsänderungen II.2.5 Zusammenstellung aller Zustandsänderungen II.3 Verrichtete Arbeit bei Zustandsänderungen im idealen Gas II.3.1 Zustandsänderung bei konstantem Volumen, isochore Zustandsänderungen II.3.2 Zustandsänderung bei konstantem Druck, isobare Zustandsänderungen II.3.3 Zustandsänderung bei konstanter Temperatur, isotherme Zustandsänderungen II.3.4 Zustandsänderungen bei konstantem Wärmeinhalt, isentrope Zustandsänderungen. III Zustandsgrößen und zweiter Hauptsatz

III.1 Die innere Energie

III.2 die Entropie III.2.1 Ableitung der Entropie als Zustandsgröße III.2.2 Entropie des idealen Gases III.3 weitere Zustandsgrößen III.3.1 die Enthalpie III.3.1.1 Ableitung des Enthalpie III.3.1.2 Zustandsänderungen der Enthalpie III.3.2 die freie Energie III.3.2.1 Definition der freien Energie III.3.2.2 Zustandsänderungen der freien Energie

III.3.3 die freie Enthalpie bzw. Gibbs-Energie III.3.3.1 Ableitung der Gibbs-Energie III.3.3.2 Zustandsänderungen der Gibbs-Energie III.3.4 Zustandsänderungen der inneren Energie

III.4 natürliche Variable und Maxwellbeziehungen III.4.1 die Entropie III.4.2 innere Energie III.4.3 Enthalpie III.4.4 die freie Energie III.4.5 die freie Enthalpie bzw. Gibbs-Energie

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III.4.6 allgemeine Ableitung der möglichen Maxwell-Beziehungen III.4.6.1 Ableitungen der natürlichen Variablen gegeneinander III.4.6.2 mathematische Begründung zur Ableitungen der natürlichen Variablen gegen-

einander IV Kreisprozesse IV.1 Carnot-Prozess IV.1.1 Prozessschritte des Carnot-Prozesses IV.1.2 Prozessschritte des Carnot-Prozesses, allgemeiner formuliert IV.1.3 thermodynamischer Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses IV.2 Seiliger-Prozess IV.2.1 Diesel-Prozess IV.2.2 Otto-Prozess VI.3 Joule-Prozess

VI.4 Clausius-Rankine-Prozess

VI.5 Stirling-Prozess

V Reale Gase V.1 die van der Waals-Gleichung V.1.1 das Kovolumen V.1.2 der Binnendruck V.2 kritische Größen des thermodynamischen Systems V.2.1 Ableitung der kritischen Größen des thermodynamischen Systems V.2.2 Gesetz der korrespondierenden Zustände und Boylepunkt V.2.3 Diskussion der Isothermen des realen Gases V.2.4 Ableitung des Joule-Thomson-Effekts als Anwendung realer Gase

V.3 Virialentwicklung der Gleichung des realen Gases

Gliederung