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Page 1: Taufpredigt über Jesaja 43,1-7 - Von Gott beim Namen ... · nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst,

Predigt über Jesaja 43,1-7I. Von Gott beim Namen gerufen

Liebe Gemeinde, Wie ist es, beim Namen gerufen zu werden? Wenn die Eltern uns am Ende des Spielnachmittags mit Namen riefen, erkannten wir am Tonfall, was die Uhr geschlagen hatte. Wenn am Ende eines an-strengenden Arbeitstages eine Hand sich tröstend an die Schultern legt und jemand liebevoll meinen Namen sagt, werde ich ruhig, dann weiß ich wieder, dass ich geliebt und angenommen bin. In der Geschäftswelt hat sich durchgesetzt, den Kunden beim Namen zu nennen, damit eine Beziehung entsteht und das zu tätigende Geschäft einen verbindlichen Charakter erhält. Mit der Sprache, mit dem Nennen des Namens ist uns ein wichtiges Mittel in die Hand gegeben. Zwischenmenschliche Beziehungen lassen sich dadurch sehr wirkungsvoll gestalten. Wenn jemand sich keine Namen merken kann und sie immer umgeht, dann schafft er eine kühle und distanzierte Atmosphäre. So-bald eine Person mit Namen genannt wird, ist sie viel stärker in die gemeinsame Arbeit hineinge-nommen und ihr Selbstwert wird gestärkt. Und unseren 21 Täuflingen wurde heute bei der Taufe etwas ganz Besonderes zugesprochen, und zwar: Gott, der Herr der Welt und der Geschichte, hat dich bei deinem Namen gerufen! Das finde ich absolut faszinierend. Diesen Zuspruch zur Taufe hö-ren wir noch einmal in der Form, wie sie in der Bibel beim Propheten Jesaja im 43. Kapitel aufge-schrieben ist:

1 So spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. 3 Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt, 4 weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. 5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, 6 ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, 7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Als der Prophet diese Worte vor gut 2500 Jahren verkündete, waren sie an das Volk Israel gerichtet, das damals in der Verbannung im fernen Babylon lebte. Schon seit Jahrzehnten lebten die Israeliten weit weg von der Heimat, und der Tempel Gottes zu Hause in Jerusalem lag in Trümmern. Viele der verbannten Israeliten in Babylon dachten: Gott hat uns vergessen. Und da ruft ihnen der Prophet zu: Nein! Gott hat euch nicht vergessen! Er hat Euch doch geschaf-fen, er hat Euch zu seinem Volk gemacht - und da lässt er Euch auch jetzt in der Verbannung nicht einfach im Stich. Er kümmert sich um Euch. Ihr seid doch von Gott beim Namen gerufen, er hat euch einen Namen gegeben ja, Ihr tragt den Namen Gottes: Der Namensteil „el“ in „Israel“ bedeu-tet „Gott“! Gottes Name ist über Euch genannt - Ihr gehört ihm!Alle Eltern, die heute hier sind, haben ihren Kindern bei der Geburt einen Namen gegeben. Das ist ein besonderes Recht der Eltern, ihren Kindern Namen zu geben. Wer einem Menschen einen Na-men gibt, übt auch Macht über ihn aus, in diesem Fall das elterliche Erziehungsrecht. Und es ist ei-ne Entscheidung von großer Tragweite - denn den Namen, den Eltern ihrem Kind geben, trägt das Kind ein Leben lang. Wenn Eltern dieses Recht ausüben, ihrem Kind einen Namen zu geben, dann

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sagen sie damit auch zu ihm: Du bist mein Kind! Ich habe dich gezeugt, geboren, du gehörst zu mir, und ich habe dich lieb!Und deshalb lässt Gott seinem Volk durch den Propheten ausrichten: „Ihr seid meine Kinder, Ihr seid mein Volk! Ich habe Euch zu meinem Volk gemacht, ich habe Euch einen Namen gegeben, Ihr gehört zu mir! Und so, wie eine Mutter ihr Kind nicht im Stich lässt, so lasse ich auch Euch nicht im Stich!1 Ich komme, um Euch zu erlösen! Ich befreie Euch aus der Gefangenschaft und bringe Euch wieder nach Hause in Euer Heimatland. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“Und jeder, der getauft wurde und wird, wurde bei der Taufe von Gott beim Namen gerufen - auch unsere 21 Täuflinge heute Morgen. Der Name des Täuflings wird bei der Taufe genannt. Jedem Täufling wird es dabei von Gott namentlich zugesprochen: „Ich habe Dich geschaffen und gewollt, Du bist mein Kind! Du gehörst zu mir, und ich lasse Dich nie im Stich. Ich tue alles für Dich: Mein Sohn Jesus hat am Kreuz alle Deine Schuld getragen. Was auch immer Du falsch machen wirst in Deinem Leben - bei mir bekommst Du Vergebung, und bei mir bleibst Du geliebt und angenom-men. Und so, wie ich meinen Sohn Jesus an Ostern von den Toten auferweckt habe, so schenke ich auch Dir ein neues und ewiges Leben, wenn Du hier auf der Erde einmal die Augen zumachst. Dann bist Du bei mir in der ewigen Herrlichkeit geborgen und zu Hause.“ Das finde ich das Faszinierende, dass dieser Zuspruch der Taufe auch über den Tod hinaus gilt: Du bist von Gott beim Namen gerufen! Ich war letzte Woche dreimal zu einer Beerdigung auf dem Friedhof. Wenn man auf dem Konstanzer Hauptfriedhof aus der Trauerhalle herauskommt und mit dem Sarg zum Grab geht, kommt man am Grabstein eines Dr. Sowieso vorbei, der Oberstudiendi-rektor war. Das kommt mir immer etwas seltsam vor. Gut, der Mann lebte zu einer anderen Zeit, in der Titel noch eine höhere Bedeutung hatten. Aber ich habe schon zu meiner Frau gesagt: Auf mei-nem Grabstein möchte ich einmal keinen Doktortitel stehen haben, auch wenn ich ihn jetzt zu Leb-zeiten habe. Denn wenn ich nach meinem Tod in Gottes Ewigkeit ankomme und Gott mich beim Namen ruft, spricht er mich bestimmt nicht mit „Herr Dr. Zimmermann“ an - sondern mit dem Na-men, der auch bei meiner Taufe ausgesprochen wurde. Das ist der höchste Titel und die größte Ehre: von Gott beim Namen gerufen zu werden. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, wurde einmal von der „Fi-nancial Times“ nach der besten Investition seines Lebens gefragt. Er erwiderte ohne Umschweife: „Meine Taufe. Sie öffnet mir das Tor zum ewigen Leben.“2 Das ist etwas ganz Großes: Die Zusage der Taufe, von Gott beim Namen gerufen zu sein, gilt auch über den Tod hinaus. Das Tor zum ewi-gen Leben, das uns die Taufe öffnet, dürfen wir im Glauben durchschreiten. Auf Gottes Zusage in der Taufe dürfen wir mit unserem Ja des Glaubens antworten und zu Gott sagen: „Ja, ich bin gerne Dein Kind.“ Das ist der erste große Zuspruch der Taufe: Von Gott beim Namen gerufen. Und der zweite:

II. Von Gott geliebtDenn in den Worten des Propheten geht Gott noch einen Schritt weiter und sagt zu seinem Volk: „Ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Löse-geld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt“. Die Befreiung seines Volkes aus dem Exil bringt Gott dadurch zustande, dass er eine weltpolitische Umwälzung in die Wege leitet. Das Weltreich der Babylonier wird durch die Herrschaft der Perser abgelöst. Israels Heimatland gehört nun zu deren Einflussgebiet. Die persischen Herrscher lassen die Israeliten dann tatsächlich in ihr Heimatland zurückkehren - und erobern stattdessen einige Zeit später Ägypten und Teile des südlicheren Nubi-

1 Jesaja 49,15.2 Zitiert nach: PETER HENKEL/JOHANNA HENKEL-WAIDHOFER, Winfried Kretschmann. Das Porträt, Freiburg u.a.: Herder, 2011, S. 58f.

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ens im heutigen Sudan. Dieser weltpolitische Tauschhandel bringt Israel die Freiheit - so war es Gottes Plan. In diesen Tagen, in denen die Nachrichten von den umwälzenden Ereignissen in Ägyp-ten um die Welt gehen, wünschen wir natürlich auch diesem Land die Freiheit. Dass Gott Israel die Freiheit schenkt, hat nach den Worten des Propheten einen Grund: „... weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Men-schen an deiner statt und Völker für dein Leben.“ Das ist eine einzigartige Liebeserklärung Gottes an sein Volk. Diese unerklärliche, freie und geschenkte Liebe Gottes ist der Grund, dass er alles für sein Volk tut und es aus der Verbannung erlöst. „Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.“ Wenn man es genau aus dem heb-räischen Originaltext übersetzt, heißt es eigentlich: „Ich gebe einen Menschen an deiner statt.“ Aus der Sicht des Neuen Testaments ist dieser Mensch Jesus Christus, Gottes Sohn, den Gott an unserer Statt hingibt, um uns zu erlösen. Er trägt am Kreuz unsere Sünde und räumt so alles beiseite, was uns daran hindert, zu Gott nach Hause zu kommen. So viel bedeutet jeder Einzelne von uns für Gott, dass er für jeden von uns seinen Sohn hingibt Das ist Gottes einzigartige Liebeserklärung an uns: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“3 Diese Liebeserklärung macht Gott uns in der Taufe. Die Taufe ist der Zuspruch auch an unsere 21 Täuflinge: Ihr seid von Gott geliebt. Das ist der zweite Zuspruch der Taufe. Und der dritte:

III. Von Gott angenommenGott will die verbannten und verstreuten Israeliten aus allen Himmelsrichtungen in ihr Land zu-rückbringen. Dabei nennt er sie in den Worten des Propheten „meine Söhne ... und meine Töchter“. Sie sind von Gott beim Namen gerufen - und damit hat Gott sie als seine Kinder angenommen. Das tut Gott auch heute durch die Taufe. Auch unsere 21 Täuflinge sind von Gott angenommen als seine Kinder. Wir haben es vorhin gehört: Dieses Geschenk, durch die Taufe Gottes Kind zu sein, „will im Glauben ergriffen und festgehalten werden.“ Dazu brauchen unsere Täuflinge die Hilfe ihrer Eltern und Paten - und unsere Hilfe als christliche Gemeinde. Eltern, Paten und Gemeinde sol-len und dürfen den Täuflingen dabei helfen, im Glauben ihr Ja zu Gott zu sagen - nachdem Gott in der Taufe Ja zu ihnen gesagt hat. Unsere Täuflinge brauchen die Hilfe von Eltern, Paten und Gemeinde, um als Kinder Gottes zu le-ben, die von Gott beim Namen gerufen, von Gott geliebt und von Gott angenommen sind. Denn der Prophet hat noch eine besondere Bezeichnung für Gottes Kinder, aus der die Bestimmung für ihr Leben hervorgeht: „alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.“ Daran erkennt man Kinder Gottes: Kinder Gottes, die nach sei-nem Namen genannt sind, sind dafür bestimmt, zur Ehre Gottes zu leben. Wenn unsere Täuflinge - unterstützt von ihren Eltern und Paten - so zu leben lernen, dass sie durch ihr Leben Gott ehren und ihm Freude machen, dann haben Eltern und Paten ihre Aufgabe erfüllt. Dazu begleitet auch die El-tern und Paten der Segen Gottes - und die Unterstützung durch die Gemeinde. Wer getauft ist, ist von Gott beim Namen gerufen, von Gott geliebt und von Gott angenommen. Gott sagt zu ihm: „Du bist mein Kind - ich stehe dir bei, wohin du auch gehst.“ In den Worten des Propheten klingt das so: „Fürchte dich nicht! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.“ Wer getauft ist, hat immer einen starken Gott an seiner Seite, der sagt: „Fürchte dich nicht!“ Das klingt

3 Johannes 3,16.

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so, wie wenn ein Vater oder eine Mutter zärtlich zu ihrem Kind sagt: „Du brauchst keine Angst zu haben!“ Das sagt Gott als unser himmlischer Vater durch die Taufe zu uns. „Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.“ Durch alles hindurch, was uns bedroht und von Gott wegzieht, will er uns retten - zu einem Leben als freie Kinder Gottes. Gott geht mit dir durch Dick und Dünn! Wenn mir durch Gottes Zuspruch in der Taufe so der Rü-cken gestärkt wird, dann kann ich auch meinem Ehepartner namentlich die Treue versprechen und mit ihm durch Dick und Dünn gehen. Denn wir feiern in diesem Gottesdienst ja auch noch eine Trauung. Und das ist auch der Mehrwert und der Nährwert einer kirchlichen Trauung: Unsere Liebe und Treue in der Ehe speist sich nicht nur aus uns selbst heraus. Da sind die Quellen in uns oft schnell erschöpft. Doch wenn wir aus der Wasserquelle der Taufe schöpfen, sieht es anders aus: Weil Gott uns in der Taufe die Treue verspricht, können wir bei einer Trauung einander die Treue versprechen. Weil Gott uns in der Taufe als seine Kinder annimmt, können wir auch in der Ehe ei-nander so annehmen, wie wir sind. Dann leben wir auch in Ehe und Familie als Kinder Gottes: von Gott beim Namen gerufen, von Gott geliebt und von Gott angenommen.

Amen.