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Tanzmedizin – Ausbildung und Arbeitsplatz Tanz Eine Einführung für Ärzte und Therapeuten

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  • Tanzmedizin Ausbildung und Arbeitsplatz TanzEine Einfhrung fr rzte und Therapeuten

  • Impressum

    Herausgeber: Unfallkasse Berlinwww.unfallkasse-berlin.de

    Verantwortlich:Michael Arendt

    Autorin:Dr. med. Liane Simmel

    Unter freundlicher Mitwirkung vonDr. med. Elisabeth Exner-GraveDr. med. Eileen M. Wanke

    Realisation:Schwintowski | Communications, Berlinwww.schwintowski.com

    Bildnachweise:dpa/Annegret Hilse (Titelfoto, S. 8 unten rechts, 9 links, 16 Mitte, 38 unten Mitte, 47), -/Everett Collection (S. 6), -/Gordon Schmidt (S. 8 unten, 2. von links), -/Georg Hochmuth (S. 8 unten, 1. von rechts), -/Britta Pedersen (S. 9 rechts), -/Ingo Wagner (S. 17 rechts), -/Bernd This-sen (S. 20), -/Julian Behal (S. 21 unten Mitte), -/Jens Bttner (S. 22 links), -/Matthias Hiekel (S. 22 rechts, 34 oben, 37), -/Helmut Schaar (S. 23 oben), -/Markus Ulmer (S. 23 unten, 50), -/H.Roggemann (S. 24), -/Vladimir Godnik (S. 28), -/Rolf Kremming (S. 29), -/Klaus Franke (S. 30 oben), -/picture alliance/designpics (S. 30 rechts), -/Larsen Stine (S. 33), -/Elfriede Gllner (S. 34 unten rechts), -/Oliver Killig (S. 35); Dr. Exner-Grave (19, 53); fotolia.com/Guillermo Lobo (S. 49 rechts); fotosearch.de/Fancy Images (S. 11 oben links, 38 unten rechts), -/Rubberball (S. 16 links, 48); Jugend-foto/Katharina Wendlandt (S. 7, 11 rechts, 16 rechts), -/Silvia Gehrke (S. 10); Jrg Mannes (S. 31, 40, 45); H.Mill (S. 34 Mitte); pixelio.de/Thomas Jling (S. 8 unten links), -/Oliver Klas (S. 17 unten links); -/Xenia Kehnen (S. 26); Liane Simmel (S. 11 unten links, 13); Lilian Szokody (S. 21 oben, 38 unten links); Waldhusl/Sigbert Georgi (S. 8 oben), -/Pantha Media San Nel (S. 12, 17 oben, 18, 38 oben), -/IB KFS (S. 17 oben links, 21 un-ten rechts), -/Alexander Wurditsch (S. 21 unten links), -/Ralph Kerpa (S. 22 unten), -/Pantha MediaDesign (S. 34 unten links); Dr. Wanke (S. 14, 15, 30 unten, 42, 43, 49 oben/unten links, 52, 55); Formular S. 54: L. Simmel

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  • Dank

    Ein herzlicher Dank geht an alle aktivenund ehemaligen Tnzer, an Tanzmedizinerund Tanzjournalisten, die das Konzept und die Entwrfe sorgfltig gelesen und mit ihren Anmerkungen und Vorschlgen zur Entstehung dieser Broschre beigetra-gen haben.

    Mein besonderer Dank gilt FrauDr. Elisabeth Exner-Grave fr die Vorlagenzu groen Teilen des Kapitels ueres Umfeld. Auerdem danke ich Frau Dr. Eileen M. Wanke fr die Erstellung der Kapitel Trainingseinflsse,Regenerieren Abtrainieren undBerufsalltag des Tnzers. Dr. Liane Simmel

    Die Unfallkasse Berlin dankt fr die ber-lassung der Fotovorlagen Frau Lilian Szo-kody vom Theater in Bonn, Herrn Jrg Mannes, Ballettdirektor des Staatsthea-ters Hannover, dem Ballett des Staatsthe-aters Hannover, Sabine Roth von der Bal-lettschule Roth, Berlin, Herrn Guido Witte von Training Arts Berlin, Frau H. Mill, Frau Dr. med. Exner-Grave sowie Frau Dr. med Eileen M. Wanke. Ein weiterer herzlicher Dank geht an den Friedrichstadtpalast Berlin, Frau Georgieva,Ballettdirektion sowie Frau Nicola Pattberg, Pressereferentin. Ein groer Dank geht weiterhin an das Ballett des Friedrich-stadtpalastes, das sich fr Fotoproduktio-nen zur Verfgung stellte.

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  • ber die Art und Anzahl meiner Verletzungen mchte ich hier nicht schreiben.Aber viele Tnzer werden wie ich im Laufe ihrer Karriere bei teilweise extremenLeistungsanforderungen mit der Problematik von Verletzungen konfrontiert sein.

    Das Erlernen und Ausben von Bhnentanz auf hohem Niveau kann ein schmerz-voller Prozess sein.

    Doch hierbei knnen Tnzer Untersttzung erhalten. Einerseits durch die professionelle Hilfe von Medizinern, die sich auf tanzbezogene Belastungen und Verletzungen spezialisiert haben. Andererseits, indem wir Tnzer uns die Funktionen unseres Krpers bewusst machen und gezielt vorbeugen.

    Mich hat der langjhrige Kontakt zu meinem Arzt immer wieder krperlich und seelisch gestrkt. Er hat mir Vertrauen in die Tanzmedizin vermittelt. So konnte ichVerletzungstiefs berwinden und immer wieder neu motiviert meinen beruflichenWeg fortsetzen.

    Ich wnsche allen Tanzmedizinern weiterhin Energie und Engagement in ihrem sehr speziellen Fachgebiet, damit sie uns Tnzern mit neuen Erkenntnissen das Tanzleben erleichtern.

    Gregor Seyffert

    Tnzer und Knstlerischer Leiter derStaatlichen Ballettschule BerlinTrger des Deutschen Tanzpreises 2003

    Die Begriffe Arzt und Therapeutumfassen sowohl das mnnliche wieweibliche Geschlecht. Gleiches gilt bei Tnzern, Schlern, Studenten, Tanzpdagogen etc.

    Weitere Informationen zur ThematikTanzmedizin sind in folgendenBroschren zu finden:

    - Bhnentnzer- Schler und Studenten- Tanzpdagogen- Theaterleiter und Ballettdirektoren

    VorwortTanz und Medizin eine wertvolle Verbindung

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  • Inhalt

    Gesundheit im professionellen Tanz, L. Simmel 6

    Tanzstile, L. Simmel 8

    Krperliche Voraussetzungen, L. Simmel 11 Hfte das en dehors 12 Knie das Sbelbein 14 Fu der Spann 15 Wirbelsule die Beweglichkeit 16

    ueres Umfeld 17 Tanzschuhe Arbeitsmittel der Tnzer, E. Exner-Grave 18 Der richtige Tanzboden, E. Exner-Grave, L. Simmel 20

    Tanzphysiologische Aspekte 22 Trainingseinflsse, E.M. Wanke 23 Regenerieren - Abtrainieren, E.M. Wanke 25 Ernhrung, L. Simmel 27

    Psychische Belastung, L. Simmel 30

    Berufsalltag des Tnzers, E.M. Wanke 34

    Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen, L. Simmel 38 Allgemeine Krankheitsbilder 39 Typische Tanzverletzungen 42 Fu 42 Knie 45 Hfte 47 Wirbelsule 48

    Medizinische Betreuung 49 Tnzer als Patient, L. Simmel 50 Tanzmedizinischer Check-up, L. Simmel, E. Exner-Grave 53

    Glossar, L. Simmel 55

    Literatur 56

    Anschriften 59

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  • Tnzer sind in erster Linie Knstler und erst in zweiter Linie Sportler. Tanz im professionellen Bereich ist mitHochleistungssport gleichzusetzen. Der Beruf des Tnzers erfordert Ausdauer, groe Selbstdisziplin undeine hohe Frustrationstoleranz.

    Das Arbeitspensum ist enorm, die Ausbildung lang und die Karriere extrem kurz. Schon als Kind und Jugendlicher sind lange Arbeitstage die Regel. Vor allem dann, wenn gleichzeitig noch eine mittlere oder hhere Schulbildung angestrebt wird. Mit Anfang dreiig gehren Tnzer vielfach bereits zu den Senioren.

    Die Bedingungen fr Tnzer haben sich in den

    letzten 100 Jahren deutlich verndert.Leider

    nahmen mit der verbesserten Tanztechnik

    und der Vielfalt an Tanzstilen auch beruflicher

    Stress und Verletzungen zu.

    Gesundheit im professionellen Tanz

    Gesundheit im professionellen Tanz

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  • Tanzspezifische Erkrankungen zwingen zudem immer wieder zum Abbruch derKarriere. Bereits relativ geringfgige Beschwerden knnen das Tanzen schwerwiegendbeeintrchtigen oder sogar unmglich machen. Oft wird versucht, durch intensiveresTraining die Leistungsfhigkeit und Bewegungsqualitt zu erhalten. Doch dies fhrtnicht selten zur weiteren Verschlechterung der Beschwerden bis hin zu teils irreparab-len gesundheitlichen Schden.

    Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts hat der franzsische Ballettreformer Jean GeorgesNoverre in seinen Briefen ber die Tanzkunst und das Ballett auf die beruflichbedingten Fehlbelastungen der Tnzer hingewiesen. Doch erst seit Anfang derachtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts befassen sich wissenschaftlicheUntersuchungen systematisch mit berufsbedingten Erkrankungen der Tnzer.Als Ergebnis stehen uns Empfehlungen zur Prvention, zu Behandlungsverfahrenund Rehabilitationsmanahmen zur Verfgung. Viele Erkrankungen knnen heutedurch prophylaktische Manahmen vermieden oder bei rechtzeitiger Diagnosestel-lung erfolgreich behandelt werden.

    Detailliertes Wissen ber die Arbeitsbedingungen, Belastungen und Einflussfaktorenim Tanz hilft Ihnen als betreuender Arzt oder Therapeut prventiv wirksam zu werdenund im Verletzungs- und Erkrankungsfall frhzeitig einzugreifen.

    Dieses Heft will Ihnen helfen, die Belastungen des professionellen Tanzes besser zuerkennen und gezielt auf die Bedrfnisse Ihrer Patienten einzugehen. Durch geeigneteprventive und therapeutische Manahmen knnen Sie daran mitwirken, dass Tnzerohne Einschrnkung und mit Freude den Tanz langfristig als Beruf ausben knnen.

    Leistungsfhigkeit ist abhngig von:

    Gesundheitszustand; Trainingszustand; Ausbildung und Erfahrung; Motivation; Alter und Geschlecht; Anlage und Disposition; Erholungs- und Regenerations- phasen; Arbeitsbedingungen.

    Belastung

    Physische Belastung Mentale und psychische Faktoren Boden Klima Beleuchtung Gefahrstoffe Arbeitsbelastung PartnerarbeitUngewohnte Choreographie

    Beanspruchung

    Muskel- und SkelettsystemSinnesorganeNervensystemHautPsycheHerz-Kreislauf-SystemAtmungsorgane

    Physische Hchstleistung

    Gesundheit im professionellen Tanz

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  • Der Bhnentanz umfasst heute eine Vielzahl unterschiedlicher Tanzstile. Neben klassi-schem Ballett haben auch der zeitgenssische Tanz, Jazz- und Tap-Dance (Stepptanz) sowie immer hufiger Elemente aus Hip-Hop und Streetdance auf den Bhnen ihren Platz gefunden. Tnzer mssen daher vielfltig ausgebildet sein. Sie knnen sich nicht mehr nur dem klassischen Tanz verschreiben.Tnzer mssen unterschiedliche Tanzstile beherrschen und in der Lage sein, sich neues Bewegungsvokabular rasch anzueignen.

    Tanzstile

    Tanzstile

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  • Klassischer Tanz

    Bereits im 17. Jahrhundert entwickelte sich aus dem Prototyp des Hofballetts inFrankreich der klassische Tanz. Als Regeln festgelegt wurden die typische auswrtsgedrehte Stellung der Extremitten, die Betonung der vertikalen Krperachse,eine auf die berwindung der Schwerkraft zielende Technik und die Ausrichtungaller Bewegungen nach vorn, zum Publikum hin. Angefangen vom Ballets Russes,ber George Balanchine als Begrnder des amerikanischen Balletts, bis hin zuWilliam Forsythe mit seinem innovativen Bild vom Tanz, wurde die klassischeTanztechnik bis in die Gegenwart immer weiter perfektioniert.

    Das klassische Ballett dient als Grundlage und Trainingsbasis fr zahlreiche Tanzstile.Ohne eine fundierte klassische Ausbildung ist eine Bhnentanzkarriere kaum mglich.Auch moderne Tnzer oder Jazztnzer besuchen regelmig klassische Trainingsstun-den, um ihren Krper fit zu halten.

    Zeitgenssischer Tanz

    Als um 1900 die Vorkmpferinnen des freien Tanzes Ballettschuhe und Korsett abstreif-ten, war das mehr als nur eine Rebellion gegen uerlichkeiten. Fortan bestimmtenicht mehr eine spezifische Technik und ein starres System, was knstlerischer Tanzwar. Stattdessen wurden der individuelle Ausdruck und ein Bewegungsablauf voninnen heraus fr den zeitgenssischen Tanz bestimmend. Elemente aus den unter-schiedlichsten Bewegungsrichtungen flieen in die Tanztechniken ein. Ob Release-Technik, Break Dance, Kontaktimprovisation oder fernstliche Kampf- und Meditations-techniken: zeitgenssischer Tanz ist vielgestaltig. Seine Bandbreite reicht vomTanztheater bis zum akrobatischen Hochleistungstanz. Je nach Stilrichtung werdendabei unterschiedliche Bereiche des Krpers beansprucht und trainiert.

    Tanzstile

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  • Tanzstile

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    Jazz- und Show-Dance

    Der Jazz-Dance hat seine Ursprnge in der traditionellen afroamerikanischen Bewe-gungskultur. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand diese Tanzrichtung ihre eigeneForm. Sie wurde durch vielfltige tnzerische Techniken und Individualitt geprgt.Die oft bizarren Bewegungsmuster mit ihrem hohen Anspruch an die Flexibilitt derTnzer, vielfach kombiniert mit akrobatischen Elementen und schwierigen technischenKombinationen begrnden die Faszination des Jazz-Dance.

    Der Krper des Jazztnzers ist idealerweise sehr elastisch, mit nicht zu hoher Muskel-spannung. So lassen sich die pltzlichen Stopps, Pausen und Gegenbewegungensowie das gleichzeitige Aktivieren verschiedener Bewegungszentren im Krper am besten ausfhren. Die isolierten Bewegungen einzelner Krperzentren stehen im Mittelpunkt der Tanztechnik. Dies erfordert vom Tnzer die Fhigkeit zu einer auer-gewhnlichen Koordination und Flexibilitt seines ganzen Krpers.

    Tap-Dance (Stepptanz)

    Seit 1920 kennt man den Stepptanz als eine Verbindung der zweihundert Jahre altenKlopftnze aus Westafrika, Sudan, England und Irland. In Verbindung mit Sprngenund tnzerischen Elementen formten sie sich zum amerikanischen Tap-Dance.Markenzeichen fr den Stepptanz ist der Steppschuh, den es je nach Stilrichtung in verschiedenen Ausfhrungen gibt. Der typische Steppschuh hnelt in der Formeinem Straenschuh. Zustzlich sind jedoch im Ballen- und Fersenbereich je eineMetallplatte aufgeschraubt. Gesteppt wird auf verhltnismig harten Bden, umden gewnschten Klang zu erzeugen. Die Tanztechnik erfordert eine Entlastung derFerse, sowie ein stndiges Hochziehen der Fuspitze in die Dorsalflexion, um lockere,isolierte Bewegungen aus Fu und Sprunggelenk zu ermglichen.

  • Krperliche Voraussetzungen

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    Krperliche Voraussetzungen

    Zahlreiche Tanztechniken bauen auf den Grundlagen des klassischen Tanzes auf. Das Bewegungsvokabular des klassischen Balletts ist den meisten Tnzern ver-traut. Oft ist unabhngig vom tatschlich getanzten Stil das klassische Tanztraining die Vorbereitung auf Probe und Vorstellung.

    Um die klassische Tanztechnik sauber, funktionell kor-rekt und damit auch gesund ausfhren zu knnen, ms-sen Tnzer verschiedene krperliche Voraussetzungen erfllen. Einige knnen durch frhzeitiges, fundiertes und intensives Training erarbeitet werden, andere un-terliegen der genetischen Veranlagung und sind durch Training kaum beeinflussbar.

  • Hfte - das en dehors

    Als en dehors bezeichnet man dieAuenrotation des Beines im gestrecktenHftgelenk. Sie ist in fast allen Tanzstilenvertreten. Im klassischen Ballett wird eineextreme Ausdrehung beider Beine voninsgesamt 180 Grad angestrebt.

    Die Ausdrehung des gesamten Beines wird durch die maximale Auenrotation im Hftgelenk und die ossren Torsions-verhltnisse von Femur und Tibia be-stimmt. Letztere sind genetisch festgelegt und unterliegen einer groen Variations-breite.

    Die maximale Auenrotation im Hft-gelenk ist von mehreren Faktoren abhngig:

    Knchern Stellung und ffnungswinkel des Acetabulums Kurvatur des Schenkelhalses Antetorsionswinkel

    Der Antetorsionswinkel entscheidet mageblich ber die Gre des en dehors.Er ist genetisch bestimmt und liegt im Durchschnitt bei circa 13 Grad. Je kleinerder Antetorsionswinkel, umso grer die natrliche Ausdrehung im Hftgelenk.

    LigamentrDas lig. iliofemorale (Y-Band) ist das strkste Band des Krpers. Es zieht ber dieventrale Hftgelenkskapsel und begrenzt so die Auenrotation. Durch frhzeitigenTrainingsbeginn kann diese Struktur an Elastizitt gewinnen. Das en dehors kanndadurch leicht vergrert werden. Mit Ende der Pubertt sind Ligamente nur nochsehr eingeschrnkt dehnbar. Eine dauerhafte Verlngerung ist dann nicht mehr zuerwarten.

    MuskulrKorrekter Einsatz der pelvitrochantren Muskulatur unter Relaxation der antagonisti-schen Innenrotatoren hilft, das en dehors bis an die knchern vorgegebenenGrenzen zu ntzen. Bei sptem Trainingsbeginn ist dies der wichtigste Mechanismuszur Verbesserung des en dehors.

    Voraussetzungenfr das en dehors

    Krperliche Voraussetzungen

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    En-dehors-Position

  • Zur Bestimmung der Gesamtausdrehung des Beines muss die Rotation von Hfteund Tibia beurteilt werden.

    Klinisch knnen zur Orientierung die nachfolgend beschriebenen Messungendurchgefhrt werden. Die dabei verwendeten Messgerte werden im KapitelTanzmedizinscher Check-up, S. 53ff, ausfhrlich dargestellt.

    Auenrotation im Hftgelenk

    Der Tnzer befindet sich in Bauchlage,beide Beine gestreckt, Knie parallel. DasKnie der Testseite wird neunzig Grad flek-tiert. Das Pluri-Tor-C-Messgert wird miteiner Hand an der Schienbeinvorderkantefixiert. Nun wird der Unterschenkel passivnach innen in Richtung Boden gedrckt entsprechend einer Auenrotation imHftgelenk. Die andere Hand fixiert dabeidas Becken, um eine Mitbewegung in die-sem Bereich auszuschlieen. Am Messge-rt kann nun der Rotationswinkel abgele-sen werden.

    Tibiatorsion

    Der Tnzer kniet auf dem Untersuchungs-tisch. Seine Knie sind rechtwinklig ge-beugt, die Fe ragen ber den Tischrandhinaus. Das Pluri-Tor-T-Messgert wirdvon hinten auf die Rckseite der Malleoliaufgesetzt. Der Tibiatorsionswinkel kannso einfach ermittelt werden.

    Beurteilung des en dehors

    Messung der Hftauenrotation

    Krperliche Voraussetzungen

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    Optimales en dehorsim klassischen Tanz

    Hftauenrotation ab 60Tibiatorsion ab 20

    Messung der Tibiatorsion

  • Knie - das Sbelbein

    Der Begriff Sbelbein wird im Tanzmissverstndlich gebraucht. Nicht eineangeborene Deformitt der Unter-schenkel, sondern ein genu recurvatumwird hier als Sbelbein bezeichnet.Genua recurvata sind oft Zeichen einerallgemeinen Hypermobilitt. Fr denklassischen Tanz sind sie ein typischesAuswahlkriterium: Denn eine berstre-ckung des Knies ber die gerade Bein-achse hinaus ergibt die bei Tnzern er-wnschte sthetische Linie.

    Als Kompromiss zwischen stabiler Bein-achse und sthetischer Linie ist eine leichte Hyperextension im Standbeinknie von zehn Grad anzustreben. Im Spielbein bei Bewegungsablufen in offener Ket-te kann die volle Hyperextension genutzt werden.

    Eine Hyperextension von mehr als 15 Grad fhrt zu Knieinstabilitt und berlastung.Die Balance der kniestabilisierenden Muskeln geht verloren, die Betroffenen hngenin der Hyperextension.

    Dadurch knnen die klassischen Fupositionen nicht technisch sauber ausgefhrtwerden. Die erste und fnfte Beinposition sind nur mit gebeugten Knien mglich.Stabilitt und Balancefhigkeit sinken.

    Genua recurvata fhren oft zu einer Verlagerung der gesamten Krperachse nachdorsal. berlastungsschmerzen im Beinbereich knnen darin ihre Ursache haben.

    Der Tnzer sollte nicht passiv in der Hyperextension hngen. Einer berstreckung vonmehr als 15 Grad muss im Training prventiv entgegen gearbeitet werden.

    Folgen

    Prventive Manahmen

    Krperliche Voraussetzungen

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    Genu recurvatum

    Genua recurvata sind nichtohne Probleme

    Je strker das genu recurvatum, desto grer die notwendige Beweglichkeit im Fu desto eher die Gefahr der Hyperlordose desto instabiler die Beinachse desto verletzungsanflliger das Knie

    Trainingsschwerpunkte:

    Sensibilittstraining; Propriozeptives Training zur Stabilisation der Beinachse; Balance der Knieextensoren und -flexoren.

  • Fu - der Spann

    Der eleganten Linie des Fues gilt in zahlreichen Tanzstilen besondere Aufmerksam-keit. Als Verlngerung der sthetischen Beinlinie fordert besonders das klassische Ballett eine maximale Beweglichkeit des Fues in all seinen Gelenken: den klassischen Spann.

    Metatarsalia, Talushals und Tibia sollen sich in den tanzspezifischen Positionenhalbe Spitze und ganze Spitze auf einer Linie befinden, der optimalen Schwerkraft-linie. So wirkt das Krpergewicht axial auf die Fuknochen ein, was biomechanischdie grte Stabilitt gewhrleistet.

    Cave: Die fr den Tanz aus sthetischen Grnden hufig selektierten Hohlfuformenmit hohem Rist mssen vom echten Pes cavus mit rigidem Mittelfuabgegrenzt werden.

    Beweglichkeit und Form des Fues sind zum Teil genetisch festgelegt. Sie knnenjedoch durch frhzeitiges und korrektes Training verbessert werden. Dabei sollte dieBeweglichkeit nie ohne ein zustzliches Stabilittstraining gebt werden. Denn nurein flexibler und krftiger Fu ist den Anforderungen des Tanzes gewachsen.

    Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk kann durch ein koordinatives Training in geringem Mae verbessert werden. Die Mobilitt im Fuwurzelbereich kann durch geeignete Mobilisation in Pround Supination verbessert werden. Die Flexibilitt des Grozehengrundgelenks ist durch die kncherne Struktur des Gelenks bestimmt und kann durch Training nicht vergrert werden.

    Die Beweglichkeitsprfung des Fues sollte differenziert in den einzelnen Gelenkenerfolgen (siehe vorstehende Ausfhrungen). Dabei muss zwischen passiver undaktiver Beweglichkeit unterschieden werden.

    Aktiver Test auf halbe Spitze und ggf. auf Spitze: Im Stand sollte der Fu ingerader Verlngerung zur Tibia ohne Deviation zur Seite stabilisiert werden knnen.

    Beurteilung des Spanns

    Voraussetzungen fr den Spann

    Beweglichkeit des Tnzerfues

    Krperliche Voraussetzungen

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    Um die Tanztechnik korrekt ausfhren zu knnen, ist ein groesBewegungsausma in folgenden Gelenken ntig:

    Oberes Sprunggelenk: aktiv 70 Grad in Plantarflexion; Chopart- und Lisfranc-Gelenk: aktiv 15 bis 20 Grad in Plantarflexion; Grozehengrundgelenk: passiv 80 Grad in Dorsalflexion.

  • Wirbelsule - die Beweglichkeit

    Eine gute Beweglichkeit der gesamten Wirbelsule ist die Basis fr eine Vielzahl vonTanzbewegungen. Jede Bewegung des Beckens setzt sich in die Wirbelsule fort.Die dort ankommenden Bewegungen werden vor allem in der Lendenwirbelsulekompensiert. Darum ist die ausreichende Flexibilitt der gesamten Wirbelsule unddie Stabilitt der besonders beanspruchten Bereiche von entscheidender Bedeutung.

    Eine gleichmig bewegliche Wirbelsule ist auch bei Vorliegen einer migenSkoliose fr den Tanz geeignet.

    Krperliche Voraussetzungen

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    Extreme Beweglichkeit der Wirbelsule

    Fr einen gesunden Tnzerrcken sind folgende Voraussetzungen wichtig:

    harmonische Schwingungen von Lordose und Kyphose; ausgeglichene Beckenbalance; gute Mobilitt in allen Abschnitten der Wirbelsule; stabile autochtone Rckenmuskulatur; krftige tiefe Bauchmuskulatur.

  • ueres Umfeld

    ueres Umfeld

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  • Tanzschuhe Arbeitsmittel der Tnzer

    So unterschiedlich die verschiedenen Tanzstile, so unterschiedlich sind auch dieverwendeten Tanzschuhe. Im klassischen Ballett werden Schlppchen und Spitzen-schuhe getragen. Der moderne Tanz findet oft barfu oder in Socken statt. Jazztnzertragen vom bequemen Sneaker (ein spezieller Tanzturnschuh) ber leichteJazzschuhe bis hin zu Pumps alles, was Choreographie und Show verlangen.Den herkmmlichen Straenschuhen noch am hnlichsten sind Charakter- undSteppschuhe.

    Trotz der im Tanz geforderten Extrembewegungen mit auergewhnlicher Belastungdes Fues schtzen Tanzschuhe meist nur sehr wenig. Dies ist eine der Ursachen frdie vielen Verletzungen und berlastungsschden am Fu und oberen Sprunggelenk.

    Immer wieder wurde versucht, Orthesen in den klassischen Ballettschuh zu integrieren,um so vor allem den Vorfu zu entlasten. In der Praxis hat sich dies aus folgendenGrnden nicht bewhrt:

    Orthesen vermindern die Flexibilitt und stren so bei zahlreichen Tanzschritten; Orthesen werden nach einem plantigraden Fuabdruck gefertigt und sind daher beim Tanz auf halber Spitze zu lang; Die Sensibilitt wird durch die Platzhalter in den Ballettschuhen gestrt.

    Der Spitzenschuh

    Anna Pavlova (1881-1931) war die erste Ballerina, die um die Jahrhundertwendemit einem geblockten, d.h., im Zehenbereich verstrkten Spitzenschuh getanzt hat.Dieser geblockte Spitzenschuh ermglicht die gestreckte Formation der Zehen inder en-pointe-Stellung.

    Beide Schuhe eines Paares sind ungeachtet der asymmetrischen Form des Fuesidentisch. Sie sind in unterschiedlichen Weiten und Hrten erhltlich. Die passendeGre ist in der Regel ein bis zwei Nummern kleiner als bei einem Konfektionsschuh.Die Sohle ist verkrzt, so dass die Tnzerin mit dem Rckfu auf dem Stoff desFersenteils zum Stehen kommt. Die Spitzenschuhbnder, die ber dem Sprunggelenk

    ueres Umfeld

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    Der Spitzenschuh

    Zusammensetzung des Spitzenschuhs

    Harte Zehenbox aus fnf- bis siebenfach bereinander geleimten Rupfen- schichten; Stehflche mit einer kleinen Plattform von ca. 2,5 x 3,5 cm, auf der sich Zehen, Mittelfuknochen, Talushals und Schienbein zu einer vertikalen Achse formieren; Gelenk (Brandsohle), das durch die Hrteeigenschaft eines Pappmach-Leder- Gemischs die vertikal gerichtete Fuachse beim Spitzentanz untersttzt.

  • vorn und hinten gekreuzt werden, ben neben dem Halt des Schuhs auch einen propriozeptiven Effekt auf die Sprunggelenkstabilisierung aus. Alle im Schuh verwendeten Materialien sind atmungsaktiv. Der Fersenteil und die Seitenbltter bestehen aus Atlasseide, die Innen- und Auensohle aus Baumwollstoff oder Leder.

    Das Schlppchen

    Schlppchen werden von Tnzern und Tnzerinnen getragen. Entscheidendes Funktionskriterium ist die Flexibilitt von Sohle und Oberstoff. Dafr werden aus-schlielich weiche Materialien verwendet, wie Leinen, Segeltuch oder Leder. Diese geben dem Fu entsprechende Bewegungsfreiheit und vermitteln die ntige Sensibilitt fr den Boden. Durch schmale Gummibnder wird der Schuh am Fu gehalten.

    Unterschiede von Schlppchen und Spitzenschuh im Vergleich zum Sportschuh

    optimales Verhltnis von Eigenschaft und Funktion zur angewandten Ttigkeit Eigenschaft und Funktion sind der angewandten Ttigkeit angemessen Eigenschaft vorhanden, aber nicht optimal Eigenschaft fehlt

    ueres Umfeld

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    Eigenschaften Schlppchen Spitzenschuh Sportschuh

    Dmpfung

    Stabilitt

    Flexibilitt

    Bodenfhlung

    Haltbarkeit

  • Der richtige Tanzboden

    Da Tanzschuhe in der Regel nicht ber ausreichende Dmpfungseigenschaftenverfgen, mssen Tanzbden die notwendige Schockabsorption bernehmen.Denn nur durch eine ausreichende Abminderung der bei einer Landung entstehendenKrfte knnen Muskeln und Gelenke des Tnzers vor Verletzungen geschtzt werden.

    Aufbau des Bodens

    Der ideale Tanzboden besteht aus einem stodmpfenden Unterboden und eineman die Bedrfnisse des Tanzstils angepassten Deckbelag.

    Unterbden sind in ihrer Konstruktion und den mechanischen Eigenschaften unter-schiedlich. Man unterscheidet zwischen punktelastischen und flchenelastischenBden, die herkmmlich als Schwingbden bekannt sind, sowie mischelastischenBden. Die wichtige Schutzfunktion des Bodens, die Schockabsorption, hngtmageblich vom Gewicht des Tnzers ab. Leichte Tnzerinnen bringen im Gegensatzzu ihren mnnlichen Kollegen auch bei der Landung aus hohen Sprngen meist nichtjene Masse auf, die ntig wre, um in den Genuss der optimalen Schockabsorptionherkmmlicher Schwingbden zu kommen. Flchenelastische Bden sind daher nurbedingt geeignet. Mischelastische Bden bieten hier einen guten Kompromiss.Sie sorgen fr eine ausreichende Schockabsorption fr alle Tnzer. Dabei bleibtdie bei den Landungen bliche Verformungsdelle im Boden gering. Die so genanntenKonterschwingungen, die das Bewegungssystem zustzlich belasten, werden dadurchreduziert.

    Der Deckbelag des Tanzbodens muss je nach Tanzstil unterschiedlichen Bedrfnissengengen. Klassischer Tanz und hier besonders der Spitzentanz fordert eine griffige, nicht zu glatte Oberflche. Im zeitgenssischen Tanz sind glatte Belge besser geeig-net, um Brandblasen oder das Kleben bleiben bei Pirouetten zu vermeiden.

    In kleinen Husern sowie auf Tournee und in der freien Tanzszene werden aus Kostengrnden hufig transportable Tanzteppiche verwendet. Sie bestehen aus verschiedenen Kunststoff- und Gummimaterialien. Diese Tanzteppiche haben eine unterschiedliche Oberflchenbeschaffenheit, ihre Dmpfungs-eigenschaft ist im Allgemeinen nur sehr gering.

    ueres Umfeld

    20

    Der Spitzenschuh

  • Besonderheit der Bhnenschrge

    Aus der ra der Renaissance- und Barocktheater sind weltweit und somit auch in eini-gen Theatern Europas schrge Bhnen verblieben. Fr Tnzer bedeutet das Arbeiten auf einer Bhnenschrge stets eine erhhte Unfallgefahr. Im Vergleich zu den horizon-talen Bhnen verndert sich der Krperschwerpunkt. Es kommt zu einer ungewohnten Belastung einzelner Muskelgruppen, insbesondere der Beine. Dies hat eine schnelle-re Ermdung zur Folge. Auf den Vorfu wirken hhere Druckbelastungen ein. Dadurch kommt es hufig zu Spreizfu und Hallux valgus.

    Unzureichende Schockabsorption fhrt zu berlastung des gesamten Bewegungssys-tems. Hufige Erkrankungen sind z. B. Myogelose, Tendinitis oder Stressfraktur.

    Der Wechsel zwischen schrgen Bhnenbden und flachen Ballettslen bzw. Probebh-nen berlastet durch den stndigen Wechsel der Balanceachse das gesamte Muskel-Band-System. Auch die akute Verletzungsgefahr steigt.

    Informationen zu den Themen Klima, Beleuchtung, Lrm, Gefahrstoffe, Kostm und Maske entnehmen Sie bitte der Broschre Arbeitsplatz Tanz. Einfhrung fr Bhnen-tnzerinnen und -tnzer.

    Folgen

    Schrge Bhne

    ueres Umfeld

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  • Tanzphysiologische Aspekte

    Tanzphysiologische Aspekte

    22

    Der Spitzenschuh

  • Trainingseinflsse

    Tanz baut auf den motorischen Grundfertigkeiten Koordination, Kraft, Schnelligkeit,Flexibilitt und je nach Tanzstil auch Ausdauer auf. Dabei wirken gerade die komplexenBewegungsablufe als vielseitige Krperschulung. Sie sind damit die idealeVorbereitung fr Bewegungen aller Art.

    Koordination

    Unter Koordination wird das Zusammenspiel von Bewegungssteuerung des zentralenNervensystems und Umsetzung durch das Bewegungssystem verstanden. Die Entwick-lung koordinativer Fhigkeiten wird durch biologische Reifungsprozesse unddurch qualitativ und quantitativ wertvolle Bewegungsmuster untersttzt. Neben derReaktionsfhigkeit auf visuelle, auditive und taktile Reize werden im Tanz spezifischdas Bewegungsempfinden in Raum und Zeit (kinsthetische Differenzierungsfhigkeit),das statische und dynamische Gleichgewicht sowie ganz allgemein das Rhythmusge-fhl geschult.

    Durch Variation und Reproduktion von Bewegungsablufen festigt der Tanz die krper-lichen Grundfertigkeiten und entwickelt diese wie kaum eine Sportart. Die dadurchtrainierten koordinativen Fhigkeiten bilden eine wertvolle Basis bei eventuell spterauftretenden krperlichen Einschrnkungen.

    Stangentraining

    Akrobatische Elemente

    Tanzphysiologische Aspekte

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  • Kraft und Schnelligkeit

    Tanz trainiert Kraftentwicklung positiv. So wird z.B. durch langsame Kombinationenoder bungen an der Stange die Kraftausdauer trainiert. Auch die Schnellkraft, wiesie etwa bei Sprngen erforderlich ist, wird durch das Tranztraining positiv beeinflusst.Dabei ist der Tanzstil und die individuelle Veranlagung wichtig fr die Art und Auspr-gung der Kraft einzelner Muskelgruppen. Grundstzlich werden Rumpf- und Gesmus-kulatur sowie Oberschenkel und Wade gestrkt. Im Bereich des Schultergrtels und der Arme bestehen abhngig vom Tanzstil erhebliche Unterschiede. Reine Schnelligkeit wird im Tanz kaum bentigt und entwickelt. Im Grunde ist sie nur in einer Mischform als Schnellkraft vorhanden.

    Flexibilitt

    Die Flexibilitt (Dehnbarkeit) des Krpers wird durch ein Tanztraining positiv beein-flusst. Gleichzeitig knnen hyperflexible Krper durch entsprechende Muskelarbeitden fr die Gelenkstabilitt notwendigen Schutz entwickeln.

    Ausdauer

    Studien zeigen, dass Tnzer nach ihrer allgemeinen Ausdauer in die Gruppe derNichtausdauerathleten einzugliedern sind. Das traditionelle Tanztraining kann dieGrundlagenausdauerleistung nicht verbessern. Denn etwa fnfzig Prozent der gesam-ten Trainingszeit vergehen als ungenutzte Pausen. Zur Verletzungsprophylaxe ist daher eine zustzliche Schulung der Ausdauerleistung wichtig.

    Dies kann bei geeigneter Umstrukturierung auch innerhalb des Tanztrainings erfolgen.Bei korrekter Durchfhrung zeigt sich bereits nach vier Wochen ein objektiver undsubjektiver Effekt: Training, Proben und Vorstellung werden als weniger ermdend

    Tanzphysiologische Aspekte

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    Der Spitzenschuh

    Eine gute Grundlagenausdauer

    lsst den Studenten/Tnzer weniger schnell ermden lsst den Studenten/Tnzer lnger konzentriert arbeiten reduziert die Verletzungsanflligkeit verbessert die Regenerations- fhigkeit verbessert die Schnellregeneration z. B. in kurzen Pausen verlngert die aktive Tnzerlaufbahn

  • empfunden. Ziel und Qualitt des Trainings werden durch die Modifizierung kaumbeeintrchtigt. Mehr Informationen ber den Aufbau des tanzspezifischen Ausdauer-trainings finden Sie in der Broschre Tanzmedizin Arbeitsplatz Tanz. Eine Einfhrung fr Bhnentnzerinnen und -tnzer.

    Besprechen Sie mit den Tnzern die Notwendigkeit eines zustzlichen Ausdauertrai-nings. Anfngliche Skepsis oder gar Widerstand wird sich nach ersten Erfolgenschnell in Begeisterung umkehren.

    Bei Tanzstudenten in der professionellen Ausbildung fllt die grte Trainingsintensittmeist in die empfindlichste Phase der krperlichen und seelischenVernderungen. Engmaschige prventiv-medizinische Kontrollen und einepsychologische Fhrung sind hier sinnvoll.

    Regenerieren Abtrainieren

    Regeneration

    Erholung im Sinne von Regeneration ist der Gegensatz zu krperlicher und geistigerBelastung. Nach einer bestimmten Zeit der krperlichen Belastung wird das Gefhlder Ermdung ausgelst. Diese ist charakterisiert durch: reduzierte Leistungsfhigkeit, langsamere und unsichere Bewegungen, Beeintrchtigung der Koordination, Antriebsverlust.

    Krperliche Ermdung ist die Folge von Stoffwechselvorgngen in der Muskulatur.Je besser die Grundlagenausdauer, umso spter tritt die Ermdung ein. Dennoch istErmdung wichtig: Sie schtzt den Krper vor einer berbeanspruchung. Sind dieBelastungsreize dauerhaft zu hoch und reicht die Zeit zur Erholung nicht aus, tretenAnzeichen eines bertrainings auf. Sie lassen sich durch eine normaleErholungspause nicht mehr beseitigen.

    Untersuchungen zeigen, dass Tnzer gerade zum Saisonende gehuft unterbertraining leiden chronische Leistungseinseinbuen, der Zusammenbruch desImmunsystems, hormonelle Vernderungen und depressive Phasen sind typischeSymptome dafr. Vom bertraining klar abzugrenzen ist jedoch eine vorbergehendeErmdung nach einem harten Training, einer anstrengenden Probe oder Vorstellung.

    Prventive Manahmen

    Tanzphysiologische Aspekte

    25

    Warnsignale des bertrainings sind:

    Leistungsstagnation; verzgerte Erholung nach Training, Probe und Vorstellung; gesteigertes Belastungsempfinden; Appetitlosigkeit; Unlust, rger und Depression; schlechter Schlaf; hufige Infekte.

  • Zeit: Fordern Sie Ihre Patienten auf, sich ausreichend Zeit fr Regeneration undEntspannung zu nehmen. Freie Tage sollten auch als solche genutzt werden.

    Schlaf: Informieren Sie ber die Bedeutung von ausreichendem und erholsamenSchlaf. Manahmen der Schlafhygiene knnen hier hilfreich sein.

    Faulenzen: Tnzer bewegen sich den ganzen Tag. Erklren Sie, dass Faulenzen nichtzu einem Verlust der Leistungsfhigkeit fhrt, sondern wichtig fr die Regenerationsein kann.

    Entspannungstechniken: Zahlreiche Krpertherapien und Entspannungs-techniken knnen Tnzern helfen, ihre Regeneration zu verbessern. Das Angebot ist gro: Autogenes Training, Alexander-Technik, Yoga, Qi Gong oder Feldenkrais sind nur einige Beispiele aus einer Vielzahl von Entspannungsverfahren. Die zielgerichtete Anwendung dieser Methoden und deren Integration in das tgliche Training stellen eine ideale Ergn-zung zur Verletzungsprophylaxe dar.

    Abtrainieren (Detraining)

    Beim professionellen Tanz steht die Belastung des Bewegungssystems im Vordergrund.Frher oder spter kann es zu degenerativen Vernderungen kommen. Dank der gleich-mig ausgebildeten gelenkstabilisierenden Muskulatur werden diese Vernderungen whrend der aktiven Karriere oft nicht als wesentlich beeintrchtigend wahrgenommen. Hufig kommt es erst nach einem Karriereende zu Beschwerden. Dann lassen Muskel-kraft und Koordination nach, der Schutz der Gelenke durch die stabilisierende Musku-latur fllt weg. Trotz Abnahme der tnzerischen Belastung nehmen die krperlichen Schmerzen zu.

    Mit Ende der professionellen Tanzkarriere knnen auch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder depressive Verstimmungen auftreten. Zudem kann ein vern-dertes Ernhrungsverhalten zu Vernderungen im Hormon- und Fetthaushalt fhren.Das bei Ausdauersportarten hufige Problem eines Sportlerherzens spielt beiTnzern nur eine untergeordnete Rolle.

    Durch bewusstes und stufenweises Abtrainieren am Ende der aktiven Tanzkarriereknnen zahlreiche Probleme reduziert werden. Dabei sollte das Tanztraining schrittwei-se durch andere Trainingsarten sowie durch ein zunehmendes Ausdauertrainingersetzt werden.

    Prventive Manahmen

    Tanzphysiologische Aspekte

    26

  • Motivieren Sie Ihre Patienten, sich rechtzeitig vor dem Ende ihrer aktiven Tnzerttig-keit eine Bewegungsalternative zu suchen und sich in jedem Fall die Freude an derBewegung zu erhalten.

    Ex-Tnzer knnen leider nur sehr kurz von ihrem ehemals sportlichen Leben zehren.Alle messbaren positiven Auswirkungen des Tanzes auf das Herz-Kreislauf-Systemknnen bereits innerhalb weniger Monate nach einem Karriereende spurlos verschwun-den sein. Darum ist ein anschlieendes Bewegungstraining sehr zu empfehlen.

    Immer wieder zwingen Verletzungen zum pltzlichen Ende der Tanzkarriere. MotivierenSie Ihre Patienten, sich dennoch weiter sportlich zu bettigen. Eine Verletzung, die am professionellen Tanzen hindert, kann dennoch andere Tanz-, Bewegungs- und Sportar-ten offen lassen.

    Informationen zum spezifischen Abtrainieren fr Tnzer finden Sie in der BroschreTanzmedizin Arbeitsplatz Tanz. Eine Einfhrung fr Bhnentnzerinnen und -tnzer.

    Ernhrung

    Das Problem der Essstrung

    I want to see bones. Mit seinem Wunsch, Knochen zu sehen, prgte GeorgeBalanchine, einer der bedeutendsten Choreographen des letzten Jahrhunderts undBegrnder des New York City Ballet, eine ganze Generation klassischer Tnzerinnenund Tnzer. Seither ist das Idealbild der Tnzerin in vielen Compagnien immer nochein extrem schlanker Krper, mit mglichst wenig weiblichen Formen. Da nicht alletalentierten Tnzerinnen von Natur aus diesem Ideal entsprechen, versuchen vieledurch Selbstkasteiung ihrem Wunschbild nher zu kommen. Essstrungen sindoft die Folge.

    Unterschiedlichste Diten bis hin zur Nahrungskarenz werden eingesetzt, um demIdealbild der Tnzerin zu gengen. Sei es der Druck durch Compagnieleitung,Trainingsleiter oder Choreograph, vielleicht auch das eigene Bestreben wie eineTnzerin auszusehen das Resultat ist das gleiche. Um das Zielgewicht zu erreichen,werden oft unphysiologische Methoden angewendet: z.B. Appetitzgler oder Abfhr-mittel eingenommen, Schwitzhosen getragen oder gar Erbrechen herbeigefhrt.Leistungsabfall, Kreislaufprobleme, Schwindel, Konzentrationsschwche aber auchVerletzungen, Osteoporose und Depression sind nicht selten Folgen einer ausgeprg-ten Essstrung.

    Neben dem ueren Druck eines Schlankheitsideals erschweren hohe Trainingsinten-sitten mit oft nur kurzen Pausen whrend des Tages eine ausreichende Nahrungsauf-nahme.

    Prventive Manahmen

    Tanzphysiologische Aspekte

    27

    Die offiziellen Zahlen sinderschreckend

    Auf 15 bis 35 Prozent wird die Inzidenz der manifesten Essstrungen (Ano-rexie und Bulimie) bei klassischen Tnzerinnen geschtzt. Bezieht man Boarderliner mit ein, liegen die Zahlen deutlich hher.

  • Ausgewogene Tnzerernhrung

    Eine ausgewogene Ernhrung fr Tnzer folgt den Grundstzen der sportphysiologi-schen Ernhrungsmedizin: Sechzig Prozent ballaststoffreiche, komplexe Kohlenhydra-te, eine ausreichende Proteinzufuhr und fnfmal am Tag Obst und Gemsewerden empfohlen, um einen ausgeglichenen Vitamin- und Mineralstoffhaushaltzu gewhrleisten.

    Mangelerscheinungen sind bei Tnzern keine Seltenheit. Besonders hufig leidensie unter folgenden Symptomen:Kaliummangel: Schwche der Muskulatur, allgemeine Unlust, SchlfrigkeitMagnesiummangel: Muskelzuckungen und -krmpfe, Zittern der HndeEisenmangel: Mdigkeit, verminderte Leistungsbereitschaft, Anmie

    Geeignete Flssigkeitszufuhr soll die durch Schwei verlorenen Mineralstoffe ersetzenund den Wasserverlust ausgleichen. Bereits bei geringen Wasserverlusten kommt eszu messbaren Leistungseinbuen. Ein Wasserverlust von zwei Prozent vermindert dieLeistungsfhigkeit bereits um zwanzig Prozent. Werden hhere Mineralstoffverlustenicht rasch ersetzt, kann es zu allgemeiner krperlicher und geistiger Ermdung sowiezu Konzentrationsschwche bis hin zu Muskelfunktionsstrungen kommen.

    Eine ausreichende Energiebereitstellung ist fr die krperliche Leistungsfhigkeit vonessenzieller Bedeutung. Mit ca. 300 kcal pro Stunde verbraucht der Tnzer jedochdeutlich weniger Kalorien als meist angenommen.

    Osteoporose

    Die Female Athlet Triad bestehend aus Ess- und Zyklusstrung in Kombinationmit Osteoporose findet man hufig bei Frauen, die ihre sportliche Karriere bereitsvor dem Puberttswachstumsschub begonnen haben. Dies trifft auf die meistenBhnentnzerinnen zu.

    Die hohe Trainingsbelastung geht bei Tnzerinnen oft mit einem sehr niedrigenKrpergewicht einher. Ein Body-Mass-Index unter 18 ist keine Seltenheit. Es kommtzur hormonellen Dysbalance: Oligomenorrhoe und Amenorrhoe sind die Folge.In Kombination mit einer oft einseitigen Ernhrung reduziert sich der Knochenaufbau.In extremen Fllen beginnt bereits in jungen Jahren der Abbau der Knochensubstanz.Studien konnten eine signifikant verringerte Knochendichte im Bereich der Wirbel-sule bei anorektischen Mdchen mit reifem Knochenalter zwischen dem 15. und16. Lebensjahr nachweisen.

    Tanzphysiologische Aspekte

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    Flssigkeitsverlust durch extremes Schwitzen

    Risikofaktoren fr Osteoporoseim Tanz:

    genetische Disposition; BMI kleiner als 18; spte Menarche (im 14. Lebensjahr oder spter); primre oder sekundre Amenorrhoe, Oligomenorrhoe; geringe Kalorien- und Calciumzufuhr; Nikotin- und Koffeinkonsum; zu wenig Tageslicht, z. B. bei hufigem Aufenthalt in Ballettslen und auf Bhnen mit knstlicher Beleuchtung.

  • Ernhrungsberatung:

    Bei Muskel- und Sehnenerkrankungen sowie chronisch rezidivierenden Verletzungensollte differentialdiagnostisch immer ein Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen undSpurenelementen ausgeschlossen werden. Besonders whrend des Wachstums sowiein extremen Belastungsphasen (Prfungen, Audition, Premiere) kann Proteinmangelzu unklaren Verletzungen und berlastungen fhren. Eine tanzgerechte Ernhrungsbe-ratung sollte bei chronischen Verlufen stets Bestandteil der Therapie sein.

    Bei Verdacht einer Essstrung sind Ernhrungsmediziner und Psychologen in dieTherapie mit einzubeziehen. Suchen Sie das Gesprch mit der Ausbildungs- oderCompagnieleitung. Nur ein interdisziplinres Team kann hier langfristige Therapieerfol-ge erzielen.

    Flssigkeit:

    Wichtig ist ein rascher und ausreichender Ersatz der verlorenen Flssigkeit. EmpfehlenSie auch whrend Training, Probe und Vorstellung zu trinken. Iso- oder hypotoneGetrnke sind hier am besten geeignet. Letztere kann der Tnzer leicht selbst herstel-len: Eine Mischung aus drei bis fnf Teilen Wasser auf einen Teil Saft liefert demKrper ausreichend Elektrolyte. Mit den darin enthaltenen Kohlenhydraten werdengleichzeitig die leeren Glykogenspeicher in den Muskeln wieder aufgefllt. Bei Trainingoder Probe von weniger als einer Stunde Dauer reicht als Flssigkeitsersatz auchreines Mineralwasser aus.

    Lebensgewohnheiten:

    Es ist erstaunlich, aber wahr: Zahlreiche Tnzer rauchen. Auch der Kaffee- und Colakon-sum ist oft berdurchschnittlich hoch. Besonders bei rezidivierenden Muskel- und Seh-nenentzndungen sind stets die Lebensgewohnheiten der Tnzer zu erfragen.

    Osteoporoseprophylaxe:

    Empfehlen Sie calciumreiche Ernhrung. Bei Bedarf ist eine orale Substitution sinnvoll.Auch calciumreiche Mineralwsser knnen helfen, trotz geringer Kalorienzahl auf dieerwnschte Tagesdosis zu kommen.

    Schicken Sie die Tnzer an die frische Luft! Schon zwanzig Minuten pro Tag im Freiensind ausreichend, um den Vitamin-D-Gehalt des Organismus zu optimieren.

    Besprechen Sie ggf. auch Mglichkeiten der Hormonsubstitution. Eine individuellangepasste Kontrazeption ist fr die jungen Tnzerinnen oft eine gute Lsung.

    Beim Vorliegen mehrerer Risikofaktoren sollte frhzeitig die Knochendichtebestimmt werden.

    Prventive Manahmen

    Viele Tnzer rauchen

    Tanzphysiologische Aspekte

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  • Psychische Belastung

    Psychische Belastung

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    Der Spitzenschuh

  • Psychische Stabilitt ist eine Grundvoraussetzung fr die Tnzerausbildung undden Beruf. Die extreme krperliche Belastung fordert Disziplin und Selbstmotivation,Eigenverantwortung und Durchsetzungsvermgen. In der knstlerischen Arbeitwerden Offenheit und Sensibilitt angestrebt. Tnzer sind hoch motiviert.Fr anspruchsvolle Choreographien gehen sie bis an die Grenzen ihrer Leistungsfhig-keit und berschreiten diese auch.

    Verhltnisse in Tanzklasse und Compagnie

    Tanz ist mehr als nur ein Beruf. Ein Leben ohne Tanz ist fr Tnzer meist kaumvorstellbar. Durch die oft frhe Trennung vom Elternhaus dienen Tanzklasse undCompagnie nicht selten als Familienersatz. Soziale Kontakte auerhalb der Tanzweltgibt es nur wenige. Eine Trennung von Beruf und Privatleben ist so kaum mglich,Probleme im Tanz wiegen deshalb doppelt schwer. Den Faktoren Disziplin, Konkurrenz-druck, Monotonie und Kontaktarmut kommt eine besondere Bedeutung zu.Einzeln oder zusammen knnen diese Belastungsfaktoren Stress mit all seinenSymptomen auslsen.

    Disziplin im tglichen Trainings- und Probenalltag ist die Grundvoraussetzung freine professionelle Tnzerlaufbahn. Tnzer mssen ausdauernd, zielgerichtet undkonzentriert arbeiten. Sie sind es gewohnt, Kritik und Anweisungen anzunehmenund diese rasch umzusetzen.

    Konkurrenzdruck wird durch kurzfristige Arbeitsvertrge sowie autoritrenUnterrichts- und Fhrungsstil verstrkt.

    Monotonie kann entstehen, wenn der Tnzer whrend langer Probenphasen nicht zumTanzen kommt. Ein geringer Einsatz auf der Bhne sowie willkrlich erscheinendeBesetzungsnderungen fhren zu Motivationsverlust.

    Kontaktarmut wird durch unregelmig ber den ganzen Tag/die ganze Wocheverteilte Trainingsstunden, Proben und Vorstellungen verstrkt. Das Familienlebensowie der Kontakt zu Personen auerhalb der Tanzwelt knnen durch die erzwungeneZeiteinteilung erheblich gestrt werden. Fr einen groen Teil der Tnzer erschwerenauch Sprachprobleme und interkulturelle Unterschiede den Kontakt in die Weltauerhalb der Tanzschule oder Compagnie.

    Psychische Belastung

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    Hohe Konzentration vor dem Auftritt

  • Psychosoziale Belastungsfaktoren kommen zu den objektiven Gegebenheiten hinzu.

    Der frhe Ausbildungsbeginn kann neurotische Fehlentwicklungen und sptere neurotische Erkrankungen begnstigen (Personenfixierung, Isolation in der Gruppe). Das von Vorgesetzten oft geforderte Schlankheitsideal der Tnzerinnen kann zu ungesundem Essverhalten bis hin zu Essstrungen fhren. Nicht selten gehen diese mit extremer krperlicher Leistungsbereitschaft einher. Eine Belastung bis ber die krperlichen Grenzen hinaus ist keine Seltenheit. Zu hohe Leistungsansprche sowohl der Eigen- wie auch der Fremdanspruch durch Eltern, Pdagogen, Choreographen oder Direktoren knnen die Entwicklung berufsrelevanter Erkrankungen mit verursachen. Das gesellschaftliche Umfeld mit der herausgehobenen Stellung als Bhnenknstler, dem besonderen Medieninteresse (positive und negative Kritik) und die Ausbildungs- und Berufskonkurrenz knnen als Belastung empfunden werden. Schlechtes Arbeitsklima, Unzufriedenheit, mangelnde Anerkennung, Ungerechtigkeiten und soziale Unsicherheiten erhhen die Belastung weiter. Die krperliche Leistungsfhigkeit nimmt durch Verletzungen und Alter ab; nicht selten ist damit auch das Ende der aktiven Tanzkarriere verbunden. Sowohl Verletzungen als auch das lterwerden knnen daher oft Trauer, Verlustngste und existenzielle Probleme auslsen.

    Stress ist die natrliche Antwort des Organismus auf eine als Bedrohung empfundene Diskrepanz zwischen Anforderung und Bewltigung (subjektives Phnomen). Dauerhaf-ter Stress kann das subjektive Wohlbefinden beeintrchtigen und Ursache zahlreicherpsychosomatischer Krankheiten und Funktionsstrungen sein.

    Lampenfieber ist eine Stressreaktion auf hohe Leistungsansprche. Der Adrenalinspie-gel im Blut steigt an. Dies ist die Voraussetzung fr Hchstleistungen, kann aberbei berschieender Reaktion auch zur so genannten Bhnenangst mit Tachykardie,arterieller Hypertonie, Black-outs und Fehlreaktionen fhren.

    Somatisierung ist als Aufschrei der Seele zu verstehen. Auch ohne organischenBefund besteht krperliches Unwohlsein, hufig in Form von Schmerz. Nicht seltenliegt der Beginn einer chronischen krperlichen Erkrankung in der Psyche des Tnzers.

    Isolation entsteht, wenn kaum soziale Kontakte auerhalb der Schule oder Compagniebestehen. Erzwungene Trainingspausen fhren durch den Wegfall des einzigenBezugspunktes Compagnie oder Schule zur Vereinsamung bis hin zu Existenzngstenund ernsthaften Lebenskrisen.

    Depressive Verstimmung und Niedergeschlagenheit sind nicht selten Zeichen derUnzufriedenheit und des Rckzugs. Anforderungen oder selbst gesteckte Ziele werdennicht erreicht. Die Folgen knnen Selbstzweifel und massive Selbstkritik sein, die biszur physischen und psychischen Selbstzerstrung reichen.

    Folgen

    Psychische Belastung

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    Der Spitzenschuh

  • Psychische Beratung: Vermitteln Sie im Bedarfsfall professionelle psychologischeHilfe. Es ist keine Schande, wenn Tnzer mit den enormen psychischen Belastungenihres Berufes nicht mehr allein zurechtkommen.

    Prventive Manahmen

    Kurze Pause whrend der Probe auf der Bhne.

    Psychische Belastung

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  • Berufsalltag des Tnzers

    Berufsalltag des Tnzers

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    Der Spitzenschuh

  • Tanzverletzungen lassen sich meist auf ein ganzes Bndel mglicher Ursachen zurck-fhren. Oft sind Kenntnisse ber die jeweilige Rolle des Tnzers, die Choreographieund nicht zuletzt die Proben- und Vorstellungsplanung unentbehrlich, um eine gezielteVerletzungsprophylaxe und eine erfolgreiche Therapie zu gewhrleisten.

    Tanztraining

    Das tgliche Training ist in allen Tanzsparten die Basis fr die krperliche und psychi-sche Leistungsfhigkeit des Tnzers. Je nach anschlieender Probenintensitt dauertein Training zwischen siebzig und neunzig Minuten. Begonnen wird mit einem ca.halbstndigen Stangentraining. Im modernen Tanztraining wird diese Sequenz durchein Warm-up-Training in der Mitte ersetzt. Anschlieend folgt die Arbeit im freienRaum, bestehend aus Schrittsequenzen unterschiedlicher Dynamik, bis hin zu dengroen Sprngen/der Variation am Ende des Trainings.

    Regelmiges Training ist fr eine allgemeine Verletzungsprophylaxe wichtig. AmTheater gehrt es zur tglichen Routine. Selbstndig ttige Tnzer mssen sich hinge-gen selbst um regelmige Trainingsmglichkeiten bemhen. Hier ist nicht selten dieUnregelmigkeit des Trainings prdisponierend fr Verletzungen.

    Wissenswertes zum Berufsalltag

    Berufsalltag des Tnzers

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  • Berufsalltag des Tnzers

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    Der Spitzenschuh

    Proben

    Grundstzlich werden im professionellen Bhnentanz zwei Arten der Tagesplanungunterschieden.

    Durchgehender Probentag

    Beginn gegen 10.00 Uhr, Ende gegen 18.00 Uhr, mit einer Mittagspause von ca. 45 Minuten.

    Vorteile: Die krperliche Beanspruchung ist der tageszeitlichen Rhythmik der Leistungsbereitschaft angepasst. Nur bei Vorstellungen werden krperliche Hchstleistungen auerhalb der tageszeitlichen Leistungskurve gefordert. Eine Mittagspause von bis zu einer Stunde Dauer ermglicht ein ausreichendes Warmhalten des Krpers fr die Fortsetzung der Probenarbeit. Die Regenerationszeit einschlielich Nachtruhe betrgt mehr als zwlf Stunden. Steht keine Vorstellung an, so ist der Abend arbeitsfrei. Es knnen soziale Kontakte und Verpflichtungen auch auerhalb des Theaters wahrgenommen werden.

    Nachteile: Die fehlende Gewhnung an den maximalen Leistungsanspruch whrend der abendlichen Vorstellungen. Die unvorbereitete Verlegung der maximalen Belastung auf ungewohnte Zeiten am Abend kann zu einer Verringerung der Reaktions- und Leistungsfhigkeit fhren. Die kurze Regenerationszeit am Mittag.

    Geteilter Probentag

    Zwei Blcke zu je vier Stunden morgens und abends mit vier bis fnf StundenPause zwischen den Blcken. Arbeitsbeginn morgens gegen 10.00 Uhr, Beginn derAbendprobe um 18.00 oder 19.00 Uhr.

    Vorteile: Lange Regenerationszeit am Nachmittag. Gewhnung an die Beanspruchungen whrend der abendlichen Vorstellungen durch regelmige Proben am Abend.

    Nachteile: Auskhlen des Krpers in der langen Mittagspause. Bei ungengendem Warm up vor der Abendprobe steigt das Verletzungsrisiko. Die Belastungen whrend der abendlichen Proben bercksichtigen nicht die tageszeitliche Leistungskurve. Kurze Nachtruhe und Regenerationszeit zwischen den Probetagen. Doppelter Arbeitsweg.

  • Vorstellung

    Obwohl die krperliche Belastung des Tnzers dem Hochleistungssport gleichzusetzenist, werden Vorstellungsplanung und Spielplan nicht auf die sportphysiologischenBedrfnisse der Tnzer ausgerichtet.

    Vorstellungen finden entweder gleichmig ber die gesamte Spielzeit verteilt oderauch in Blcken statt, mit anschlieend lngerer Zeit fr Regeneration. Auf Tourneewerden hufig Doppelvorstellungen angesetzt, so dass die ntige Regenerationszeitoft ber Tage nicht gewhrleistet ist. In der freien Tanzszene sind unregelmigeVorstellungstermine auch mit groen Abstnden zwischen den einzelnenVorstellungen keine Seltenheit.

    Zum Saisonbeginn sollte der Aufbau der allgemeinen Fitness und die Schulung dertechnischen Fhigkeiten der Tnzer im Vordergrund stehen. Diese Auftrainierungspha-se sollte etwa zwei Wochen dauern.

    Je nach Vorstellungsplanung, sptestens jedoch nach etwa sechs Monaten, ist eineErholungsphase von circa zwei Wochen Dauer zur Regeneration und Verletzungspr-vention erforderlich. Dabei sollten Intensitt und technische Anforderungen im Trainingreduziert, die Probenanzahl minimiert werden.

    Durch eine Periodisierung des Probenplans, d.h. eine langfristige Planung von Be- undEntlastungsphasen sowie der allgemeinen und speziellen Trainings- und Probeninhalte,kann die Belastbarkeit des Krpers auch ber lange Zeitrume verbessert werden.

    Effektive Proben sind eine gute Verletzungsprvention. Denn achtzig Prozent allerUnflle whrend der Proben treten aufgrund von Ermdungen bei der Wiederholungbekannter Choreographien auf.

    Bis vierzehn Tage vor einer Premiere sollte die Belastung kontinuierlich gesteigertwerden. Die so erzielte Belastungsintensitt wird in der zweiten Woche vor der Premie-re beibehalten und an den sieben Tagen vor der Premiere schlielich deutlichreduziert. Die Generalprobe sollte zwei Tage vor der Premiere stattfinden. Dadurchist der Tnzer in der Lage, am Premierentag seine volle krperliche Leistungsfhigkeitzu zeigen.

    Zur Regeneration und Erholung bentigt der Tnzer nach der Premiere einige TageZeit. Er sollte mit einem langsamen, technisch kontrollierten Regenerationstrainingwieder einsteigen.

    Wichtig ist: Auf hohe Belastungsphasen groer Intensitten mssen ausreichendlange Erholungsphasen folgen.

    Prventive Manahmen

    Training

    Berufsalltag des Tnzers

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  • Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

    Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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    Der Spitzenschuh

  • Viele Erkrankungen behindern Tnzer bei ihrer Berufsausbung. Man kann sie unterdem Begriff berufsrelevante Erkrankungen zusammenfassen. Gemeint sind alleErkrankungen, die einen wesentlichen Einfluss auf die tnzerische Leistung haben,unabhngig von ihrer Entstehung.

    Eine bersicht gibt die folgende Tabelle.

    Arbeitsbedingte Krankheiten und Funktionsstrungen, bei denen die beruflicheErkrankungen Ttigkeit Einfluss auf die Entstehung, ihren Verlauf und ihre Prognose hat. Die Arbeit ist dabei ein Risikofaktor unter mehreren, die Voraussetzungen fr eine Berufskrankheit werden jedoch nicht erfllt.

    Berufskrankheiten Krankheiten, bei denen mit berwiegender Wahrscheinlichkeit das Tanzen als besondere Einwirkung die auslsende Ursache ist. Sie werden in der Liste der Berufskrankheiten erfasst, die vom Gesetzgeber beschlossen wird. Zu den tanzrelevanten Berufskrankheiten zhlen Krankheiten der Sehnenscheiden/des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelanstze (BK-Nr. 2101) Meniskusschaden (BK-Nr. 2102) Schleimbeutelerkrankungen (BK-Nr. 2105) Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsule (BK-Nr. 2108)

    Arbeitsunflle Arbeitsunflle sind im Tanz oft schwer von arbeitsbedingten Erkrankungen zu unterscheiden. Bei der Aufnahme des genauen Unfallhergangs bedarf es daher besonderer Sorgfalt, um die unfallbedingte Schdigung als solche umfassend und einleuch- tend darzustellen. Zur Bewertung sollten dringend tanzmediznisch erfahrene Gutachter hinzugezogen werden. Prinzipiell werden Arbeitsunflle entsprechend den Berufskrankheiten behandelt.

    Anlage- und altersbedingte Bei den ttigkeitsrelevanten anlage- und altersbedingtenErkrankungen sowie Erkrankungen sowie bei auerberuflichen Unfllen spielt dasauerberufliche Unflle Tanzen urschlich keine oder nur eine sehr geringfgige Rolle.

    Allgemeine Krankheitsbilder

    So verschieden die Tanzstile und Choreographien, so verschieden sind auch die Hauptbe-lastungszonen fr den Tnzerkrper. Ein hufiger Wechsel zwischen den Tanzstilen ist besondersverletzungstrchtig. Vor allem dann, wenn das tgliche Training nicht ausreichend auf die spezi-fischen Anforderungen der Choreographie eingeht. So ist an zahlreichen Bhnen das morgend-liche Training nach strengen klassischen Kriterien ausgerichtet. Die Proben- und Vorstellungs-arbeit baut jedoch auf zeitgenssischem Bewegungsvokabular auf: Eine Diskrepanz, die immerwieder Ursache von Verletzungen ist.

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    Berufsall Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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  • Sttz- und Bewegungssystem

    Die meisten berufsrelevanten Erkrankungen der Tnzer beziehen sich auf das SttzundBewegungssystem. Abhngig von der Tanztechnik stehen dabei verschiedeneVerletzungen und berlastungen im Vordergrund.

    Klassischer Tanz fhrt besonders zu chronischen Verletzungen und berlastungen imBereich der Fe, Knie, Hfte und des unteren Rckens. Eine detaillierte Beschreibungder Probleme, berlastungen und Erkrankungen finden Sie im Kapitel TypischeTanzverletzungen, S. 42ff.

    Zeitgenssischer Tanz umfasst zahlreiche weiche, lockere Bewegungen, die oft kaummuskulr gefhrt werden. Vor allem im Bereich der Knie und Sprunggelenke fhrt dieszu einer erhhten Verletzungsgefahr, z. B. bei schnellen Richtungswechseln, bei Tanz-schritten auf dem Knie oder Bodenkombinationen. Hufiges barfu Tanzen erhht dieGefahr der traumatischen Knochenbrche im Fubereich. Schwingende, ungefhrteBewegungen des Rumpfes knnen akute Blockaden im Bereich der gesamten Wirbel-sule, besonders von Brustwirbelsule, Rippen und Halswirbelsule zur Folge haben.Hinzu kommen Verletzungen der oberen Extremitt wie berlastungen im Handgelenkoder akute traumatische Schulterluxationen.

    Jazz- und Show-Dance kann durch Tanzen auf hohen Abstzen bei oft ungeeignetenBhnen zu akuten Verletzungen im Bereich der Sprunggelenke fhren. Der direkte Fallauf die Knie oder unkontrollierte Bewegungspassagen knnen Verletzungen im Knie-bereich und akute berlastungen der Beinmuskulatur bedingen. Die hufige berstre-ckung der Lendenwirbelsule kann eine Ursache fr chronisch wiederkehrendeRckenschmerzen sein.

    Tap-Dance kann durch stndiges Arbeiten auf dem Ballen zu berlastungen der Wa-denmuskulatur bis hin zur Achillodynie fhren. Wiederholte Sprnge und Schlge mitdem Vorfu auf harten Bden knnen zur berlastung des Fuquergewlbes fhren.

    Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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    Der Spitzenschuh

    Fu Knie Hfte Wirbelsule Schulter/Arm akut chronisch akut chronisch akut chronisch akut chronisch akut chronisch

    Klassisches Ballett

    Zeitgenssischer Tanz

    Jazz- und Show-Dance

    Tap-Dance (Stepptanz)

    hufig durchschnittlich selten kein erhhtes Risiko

    Einen berblick ber die Verletzungshufigkeiten in Abhngigkeit vom Tanzstil gibt die folgende Tabelle

  • Herz-Kreislauf-System

    Krankheitsbilder: niedriger Blutdruck mit Mdigkeit, Schwindel, Leistungs- und Konzertrationsschwche; arterielle Hypertonie (selten).

    Klassischer Tanz trainiert das Herz-Kreislauf-System nur in geringem Mae. Eine Belas-tung im Sinne eines Grundlagenausdauertrainings findet nicht statt. Auch zeitgenssi-scher Tanz, Jazz- und Show-Dance sowie Tap-Dance trainieren das Herz-Kreislauf-System nur bedingt. Im Training stehen kurze bungen mit hoher Intensitt im Vorder-grund. Eine mehrere Minuten dauernde Choreographie ist von der Belastung her meistzu hoch, um das Herz-Kreislauf-System im Sinne eines Ausdauertrainings zu fordern.

    Beruflicher Stress kann als Belastungsfaktor fr Bluthochdruck angesehen werden.

    Nervensystem

    Krankheitsbilder: Zwangserkrankungen und Psychosen.

    Besonders im klassischen Tanz kann ausgeprgte Disziplin- und Leistungsorientierungvon frher Kindheit an die Ausbildung von Zwangserkrankungen begnstigen.

    Haut

    Krankheitsbilder: Allergien auf Schminke, Kolophonium, Staub sowie Reizstoffe von Bhnentechnik und Bhnenbild; Cholinergische Urtikaria, so genannte Anstrengungsurtikaria als Reaktion auf Schweibildung und Stress.

    Im Bhnentanz sowie im Jazz- und Show-Dance ist der regelmige Kontakt mit denvorstehend genannten Stoffen nicht zu vermeiden. Zudem kann ausgeprgtesSchwitzen allergische Hautreaktionen weiter verstrken.

    Allhemeine Krankheitsbilder

    Berufsall Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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    Sttz- und Bewegungssystem Herz-Kreislauf-System Nervensystem Haut akut chronisch

    Klassisches Ballett

    Zeitgenssischer Tanz

    Jazz- und Show-Dance

    Tap-Dance (Stepptanz)

    hufig durchschnittlich selten kein erhhtes Risiko

  • Typische Tanzverletzungen

    Tanz ist Hochleistungssport. Das trifft nicht nur auf die krperliche Belastung zu,sondern auch auf die Verletzungszahlen. Tnzer ben ihren Beruf durchschnittlich10 bis 15 Jahre aus. Hinzu kommen sechs bis acht Jahre Tanzausbildung. Ein langerZeitraum der krperlichen Hchstleistung. Krperliche Beschwerden und Schmerzengehren dabei oft zum Trainingsalltag.

    Nur ein Drittel dieser Beschwerden fhren zu Trainingspausen. Der Rest wird toleriert,einfach ignoriert. Der Tnzer tanzt weiter.

    Akute Verletzungen sind im Tanz verhltnismig selten. Im Vordergrund stehenchronische Verletzungen Mikrotraumen und berlastungen mit multifaktoriellenUrsachen. Das knnen bermdung, Nervositt und Leistungsstress sein, aber auchunzureichende Kondition und Mangelernhrung sowie Technikfehler oder schlechtesTraining mit fehlender Abstimmung auf die Probenarbeit und die Anforderungen derChoreographie. Diese Faktoren fhren zu einem Missverhltnis zwischen Belastungund Belastbarkeit. Unzureichende Regenerations- und Erholungsphasen begnstigenzudem chronische Beschwerden. Immer fter greifen Tnzer zu entzndungshemmen-den Medikamenten um Dauerschmerzen zu bekmpfen und ihre krperliche Leistungs-fhigkeit trotz einer Verletzung zu erhalten.

    Die meisten Verletzungen betreffen Fe, Knie, Hfte und Lendenwirbelsule. Je akro-batischer die Choreographien, umso mehr kommen auch Hals- und Brustwirbelsule,Schultern und Arme dazu.

    Fu

    In kaum einer anderen Sportart wird der Fu so sehr belastet wie beim Tanz.Die Hlfte aller verletzungsbedingten Ausflle haben ihre Ursache im Fubereich.Maximale Beweglichkeit bis hin zu den kleinsten Fugelenken, kaum Stabilisationund Sttze durch das Schuhwerk und oft harte ungeeignete Bden, sind einigeder zahlreichen Ursachen fr Verletzungen im Fubereich.

    Supinationstrauma: Mit oder ohne Ruptur des fibularen Bandapparates. Hufig beiLandung aus dem Sprung, bei Balanceverlust aus halber oder ganzer Spitze.Die Folge kann ein Sinus-tarsi-Syndrom sein. Distorsion oder Riss des Lig. talocalcane-are interosseum fhrt zu schmerzhaftem fibrosiertem Narbengewebe. LokaleSteroidinjektionen direkt in den Gelenkspalt fingerbreit ventrocaudal des lateralenMalleolus erzielen hier oft Schmerzfreiheit.

    Fraktur des Metatarsale V: Spiralbruch des distalen Metatarsaldrittels ohneGelenkbeteiligung. Tritt gehuft bei Tnzern auf und wird daher auch alsTnzerfraktur bezeichnet.

    Zehenbruch: Direktes Trauma, z. B. durch ein Hngen bleiben der fnften Zehebeim barfu Tanzen oder durch direkte Fremdeinwirkung.

    Akute Verletzung

    Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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    Maximale Beweglichkeit des Fusses

  • Cuboidsubluxation: Symptome sind Schmerzen am ueren Furand, Schwche inder Absprungphase und eine Einschrnkung der vollen Plantarflexion. Chirotherapeuti-sche Manipulation und manuelle Therapie werden empfohlen, ggf. ein Tapeverband.Hohe Rezidivrate.

    Achillessehnenruptur: Verletzung meist bei lteren mnnlichen Tnzern. Myogelosenim M. triceps surae und Arbeiten auf harten ungeeigneten Bden gelten als prdispo-nierende Faktoren.

    1. Vorfu

    Immer wieder steht der Tnzer beim Training auf halber Spitze. Jeder Sprung wirdber den Vorfu abgefedert. berlastungen in diesem Bereich sind daher hufig.

    Fuprobleme werden nicht nur durch entsprechende berlastungen, sondern auchdurch die Fuform begnstigt. Der griechische Fu langer zweiter Zehenstrahl neigt zu Ermdungsbrchen des Metatarsale II. Der gyptische Fu langer ersterZehenstrahl begnstigt Hallux-valgus-Deformitten.

    Hallux valgus: Starke Vorfubelastung frdert die Ausbildung eines Spreizfues,der gemeinsam mit genetischer Disposition die Tendenz zum Hallux valgus verstrkenkann. Pes valgus, schwache Fumuskulatur und zu frher Spitzentanz scheinen beider Ausbildung eines Hallux valgus mitzuwirken. Empfohlen werden Physiotherapieund Optimierung der Tanztechnik zur Verbesserung von Fustatik und -funktion,ggf. ein Tapeverband zur Entlastung. Ein operativer Eingriff whrend der aktivenTanzkarriere ist kontraindiziert.

    Hallux valgus interphalangeus: Abweichung des Grozehenendgliedes, hufig bedingtdurch frhen Spitzentanz, eine inkorrekte Spitzentanztechnik mit Beugung im Interpha-langealgelenk oder zu enges Schuhwerk. An der Medialseite kann eine Weichteilverdi-ckung in Form einer Schwiele, eines Schleimbeutels, eines Ganglions oder berbeinsentstehen.

    Hallux rigidus: Eine Dorsalflexion, kleiner als siebzig Grad, gilt im Tanz bereits alsHallux rigidus. Wiederholte Forcierung ber die knchern limitierte Gelenksbewegunghinaus fhrt zu arthrotischen Vernderungen des Gelenks mit zunehmender Bewe-gungseinschrnkung und Schmerz. Insbesondere fr Tnzerinnen ist zum bergangauf die ganze Spitze eine hohe halbe Spitze mit Dorsalflexion im MTP I von neunzigGrad erforderlich.

    Sesamoiditis: In siebzig Prozent der Flle ist das laterale Sesambein betroffen.Repetitive Traumen z. B. durch harte Bden oder Schuhe mit hohen Abstzen knnen Entzndungen verursachen. Differentialdiagnostisch sind Frakturen, Knorpelir-ritation bei Ossa biparta, Nekrose und Insertionstendopathie der Grozehenflexorenabzugrenzen. Therapieempfehlung: Physiotherapie, Entlastung, in therapieresistentenFllen operative Entfernung.

    Chronische Verletzung

    Berufsall Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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    Hallux valgus interphalangeus

  • Metatarsalgie: berlastung durch harte Bden, hohe Abstze, hufiger Tanz aufhalber Spitze, Sprnge oder bei berlangem zweiten und dritten Mittelfuknochen.Therapieempfehlung: Aufbau der intrinsischen Fumuskulatur, ggf. Tapeverband zurEntlastung der Metatarsalkpfchen. Differentialdiagnostisch muss auch an die asepti-sche Knochennekrose des Metatarsalkpfchens (Khler II) gedacht werden.

    2. Mittelfu

    Als Folge der starken Zug- und Druckbeanspruchung durch die Arbeit auf halbeSpitze verdickt sich im Rahmen der funktionellen Anpassung die Kortikalis der Diaphy-se des zweiten und eventuell auch des dritten Mittelfuknochens. Diese Verdickungist eine zweckmige Reaktion auf die Mehrbelastung im Tanz. Sie geht mit keinerleiBeschwerden einher.

    Stressfrakturen: Hauptlokalisation zweiter und dritter Mittelfuknochen. Urschlichsind berlastungen (z. B. zu rasche Steigerung der Trainingsintensitt), schwacheFumuskeln, tanztechnische Fehler, harte Bden oder Osteoporose. LangwierigeTherapie, nicht selten die Karriere beendend.

    3. Sprunggelenk

    Tendinitis des M. flexor hallucis longus: Typische Tnzer-Tendopathie. Urschlichsind tanztechnische Fehler oder ein Pes valgus mit berlastung der medialenStrukturen. Oft als Tendovaginitis crepitans mit schmerzhaftem Knirschen und Reibenim medialen Malleolusbereich. In chronischen Fllen kommt es zur schnappendenGrozehe oder zum scheinbaren Hallux rigidus. Wichtige Differentialdiagnose sindAchillodynie und Tarsaltunnelsyndrom. Nach Ausschpfung aller konservativenManahmen operative Spaltung der Vagina tendinitis.

    Dorsales Impingement: Bei maximaler Plantarflexion kommt es zum dorsalen Einklem-men von Knochen (Os trigonum, prominenter Processus posterior tali) oderWeichteilen (Bursa) zwischen Tibia und Calcaneus. Therapieempfehlung: Physiothera-pie, lokale Infiltration mit Steroiden, ggf. operative Entfernung.

    Ventrales Impingement: Wird hufig durch Sprnge verursacht. Die Landung auf demVorfu wird durch die Dorsalflexion im oberen Sprunggelenk abgebremst. Bei ungns-tigen anatomischen Bedingungen stt dabei die vordere Tibiakante in die Notch desTalushalses. Es knnen sich Osteophyten bilden, die bei maximaler Dorsalflexion zueinem schmerzhaften Impingement fhren.

    Achillodynie: Harte Bden, fehlendes Absetzen der Ferse bei der Landung, verspannteWadenmuskulatur, Pes valgus oder varus, aber auch mechanisches Scheuern vonBndern oder Schuhrndern sind mgliche Ursachen.

    Tarsaltunnelsyndrom: Einengung des N. tibialis im posteromedialen Kompartmentdes Fues mit Parsthesie und Sensibilittsverlust im Vorfubereich, besonders medi-al. Pes valgus bei Forcierung des en dehors, Senkfu, sowie zu enge Schuhe undSchuhbnder knnen urschlich sein.

    Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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  • 4. Unterschenkel

    Shin splint: Schmerzen an der ventro-medialen Seite der Tibia. Mgliche Ursachensind muskulrer Hartspann im Sinne eines Tibialis posterior Syndroms, Periostitisoder Stressfraktur der Tibia. Hufig bei Wiederaufnahme des Tanztrainings nach lnge-rer Trainingspause oder bei berlastung.

    Propriozeptives Training und Training der peronealen Muskulatur zur Verbesserung der allgemeinen Stabilitt. Aufbau der intrinsischen Fumuskulatur. Unter Belastung wird der Fu grer, daher sollten Tanzschuhe nicht zu eng sein. Schuhrnder, Bnder und Gummis, die zu fest sitzen, behindern die Durchblutung. Druckstellen und Reibung unbedingt vermeiden! Tanzstudenten sollten nicht zu frh mit dem Spitzentanz beginnen! Um der hohen Druckbelastung im Mittelfu Stand zu halten, sollten die Epiphysenfuge des Metatar- sale I bereits weitgehend verknchert sein. Dies ist selten vor dem 12. Lebensjahr der Fall.

    Weitere Informationen zu prventiven Manahmen in der Tanztechnik entnehmenSie bitte der Broschre Tanzmedizin Arbeitsplatz Tanz. Eine Einfhrung fr Bhnen-tnzerinnen und -tnzer.

    Knie

    Die Knie zhlen neben den Fen zu den hufigsten Verletzungsbereichen im Tanz.

    Mit zunehmenden zeitgenssischen und akrobatischen Elementen im Bhnentanznimmt auch die Hufigkeit akuter Knieverletzungen zu.

    Ruptur des vorderen Kreuzbandes: Akute Traumen bei Landungen oder dynamischerBodenarbeit sind ebenso Ursache wie unebene Bden, schlechte Sicht, beengteRaumverhltnisse oder Fremdeinwirkung durch andere Tnzer/Darsteller.

    Akute Meniskulsion: Meist ist das Innenmeniskushinterhorn betroffen, hufig imRahmen einer unhappy triad (antero-mediale Instabilitt). Auch forcierteAusdrehung im gestreckten Knie bei unzureichender Auenrotation der Hfte kannzu Meniskusrissen fhren.

    Patellaluxation: Hufige Ursachen sind Muskeldysbalance, Beinachsenfehlstellungund Fehlrotation, forcierte Auenrotation im flektierten Knie mit funktionellerVergrerung des Q-Winkels. Therapieempfehlung: PhysiotherapeutischeBehandlung.

    Bursitis prae- und infrapatellaris: Meist durch akute Traumen, besonders bei dynami-scher Bodenarbeit. Direkter mechanischer Druck, Prellung und Reibung kann zuEinblutungen in die Bursa fhren. Bei Therapieresistenz ggf. operative Entfernung.

    Prventive Manahmen

    Akute Verletzung

    Berufsall Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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    Extreme Kniebelastung

    Extreme Kniebelastung

  • Mediales Knieschmerzsyndrom: berlastung des medialen Kniekompartments,besonders des Kapsel-Band-Apparates, aber auch der Knorpel und des Innenmeniskus.Hufig durch forcierte Ausdrehung im Kniegelenk bei geringem en dehors,oft in Kombination mit Pes valgus.

    Chondropathia patellae: Beinachsenfehlstellung, Genu recurvatum, muskulreDysbalance oder forcierte maximale Kniebeugung (grand pli) ohne ausreichendemWarm up sind mgliche Ursachen.

    Patellaspitzensyndrom: berlastung durch Genua recurvata, forcierte Knierotationbei kleinem en dehors, Springen auf harten Bden, intensive Trainingszunahmeoder unzureichendes Warm up.

    Prventives Beinachsentraining parallel und in en-dehors-Stellung. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem genu recurvatum und der Stabilitt des Rckfues gelten. Grand pli sollte nur nach ausreichendem Warm up ausgefhrt werden. Eine unvorbereitete Oberschenkelmuskulatur ist eine der Hauptursachen fr Knieverletzungen und retropatellare Schmerzsyndrome. Saubere Tanztechnik ist die wichtigste Prvention. Keine Auenrotation im gestreckten Knie! Die Auenrotation des Beines muss stets muskulr stabilisiert werden, damit unter Belastung keine schdigende Torsion im Kniegelenk erfolgt. Im pli (Kniebeuge mit Bodenkontakt der Ferse) stets die Knie in Verlngerung der Fulngsachse halten.

    Weitere Informationen zu prventiven Manahmen in der Tanztechnik entnehmenSie bitte der Broschre Tanzmedizin Arbeitsplatz Tanz. Eine Einfhrung fr Bhnen-tnzerinnen und -tnzer.

    Chronische Verletzung

    Pventive Manahmen

    Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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  • Hfte

    Schmerzen im Hftbereich sind selten wirkliche Gelenkschmerzen. Meist gehen dieBeschwerden vom Muskel-Sehnen-Band-System aus.

    Akute Verletzungen in der Hfte sind selten. In den meisten Fllen handelt es sich umchronische berlastungen, die bei vermehrter Belastung ohne Therapie exazerbieren.

    Leistenschmerzen: Hufigstes chronisches Beschwerdebild im Hftbereich. Meistberlastung der hftbeugenden Muskulatur, besonders M. iliopsoas und M. rectusfemoris mit Muskelhartspann, Tendinitis oder Bursitis.

    Muskelverletzungen: Hufig sind Muskelzerrungen und -faserrisse sowie Insertions-tendopathien der Adduktoren, des M. iliopsoas, des M. tensor fasciae latae und desM. piriformis.

    Hftschnappen: Weit verbreitetes Phnomen, betrifft den M. iliopsoas und denTractus iliotibialis. Das Schnappen ist meist schmerzlos, wird aber als unangenehmund strend empfunden. Als weitere mgliche Ursache wird ein Unterdruck imGelenkraum diskutiert, der bei groen Bewegungen im Hftgelenk ein lautes Knackenhervorrufen kann.

    Piriformis Syndrom: Muskelhartspann und -hypertonie durch chronische berlastung.Fhrt zu typischer ischialgiformer pseudoradikulrer Ausstrahlung.

    Hftgelenkarthrose: Keine erhhte Inzidenz im Vergleich zu Nichttnzern. Hftdyspla-sie, Dysbalance der Hftmuskulatur und schlechte Schockabsorption (z. B. durchharte Bden) kann jedoch das Risiko erhhen. Bei fortgeschrittener Arthrose ist einebaldige Beendigung der Tanzkarriere anzuraten.

    Regelmige prventive Dehnung und Detonisierung der hftumgreifenden Muskulatur. Beachtung der dreidimensionalen Beckenstabilitt und ausreichenden Funktion der pelvitrochantren Muskulatur.

    Weitere Informationen zu prventiven Manahmen in der Tanztechnik entnehmenSie bitte der Broschre Tanzmedizin Arbeitsplatz Tanz. Eine Einfhrung fr Bhnen-tnzerinnen und -tnzer.

    Chronische Verletzung

    Prventive Manahmen

    Akute Verletzung

    Berufsall Berufsrelevante Erkrankungen und Verletzungen

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  • Wirbelsule

    Hals- und Lendenwirbelsule sind durch ihre groe Beweglichkeit der strkstenBelastung ausgesetzt.

    Akute Gelenkblockierung: Besonders betroffen sind die Iliosacralgelenke, dieIntervertebralgelenke der Lenden- und Halswirbelsule sowie die Costovertebralgelen-ke. Nach chirotherapeutischer Behandlung ist ein muskulres Stabilittstrainingzur Rezidivprophylaxe indiziert.

    Discusprolaps: Hufigste Lokalisation ist die Bandscheibenetage LWK5/ SWK1.

    Chronische Lumbalgie: Besonders unter Tnzern mit hoher allgemeiner Flexibilitt,wahrscheinlich als Folge einer schlechten muskulren Stabilisierungsfhigkeit.Bei mnnlichen Tnzern oft in Form eines Verhebetraumas bei Partnerarbeit undinsuffizienter Hebetechnik.

    Spondylolyse/Spondylolisthesis: Gem Studienlage keine erhhte Inzidenz beiTnzern. Regelmige Kontrolle empfohlen, jedoch keine absolute Kontraindikationfr eine professionelle Tanzkarriere. Wird durch das Nachlassen des Muskelkorsettsoft erst nach Beendigung der Tanzkarriere symptomatisch.

    Uncovertebralarthrose/Spondylarthrose der Halswirbelsule: Bei fehlendermuskulrer Stabilisierung knnen ausgelst durch Mikrotraumen whrend rascher,ruckartiger Bewegungen wie z.B. bei Pirouetten frhzeitig Verschleierscheinungenauftreten. Tnzerinnen sind davon hufig frher betroffen als ihre mnnlichenKollegen. Aufgrund der spten Verkncherung der processi uncinati mit dem Wirbelkr-per sollten bei Kindern unter zehn Jahren forcierte Rotationen und Rckwrtsbewegun-gen der HWS vermieden werden.

    Eine homogene Verteilung der Beweglichkeit auf die gesamte Wirbelsule beugt lokalen berlastungen vor. Besondere Beachtung verdient hier die Brustwirbelsule. Achten Sie auf eine ausgeglichene Balance zwischen Flexibilitt und Stabilitt. Fixierte Bereiche werden mobilisiert, berbewegliche Partien stabilisiert.

    Prventiv wirkt ein ausgeglichenes Muskelkorsett der gesamten Wirbelsule.

    Weiteren Informationen zu prventiven Manahmen in der Tanztechnik entnehmenSie bitte der Broschre Tanzmedizin Arbeitsplatz Tanz. Eine Einfhrung fr Bhnen-tnzerinnen und -tnzer.

    Chronische Verletzung

    Prventive Manahmen

    Akute Verletzung

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  • Medizinische Betreuung

    Medizinische Betreuung

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  • Tnzer als Patient

    Eine umfassende medizinisch-therapeutische Betreuung von Tnzern bedarf nebenfundiertem bewegungsanalytischem Wissen auch einer Begeisterung fr den Tanz.Die meisten Tnzer ben ihren Beruf mit groer Leidenschaft aus. Ein Leben ohne Tanzist fr sie kaum vorstellbar. Deshalb wird alles instinktiv gemieden, was den Tanz alsProfession in Frage stellen knnte. Darunter fllt auch die medizinische Versorgung.Fr Auenstehende ist dies oft schwer nachvollziehbar. Tatsache ist: Tnzer nehmen medizinische Hilfe aus Angst vor schwerwiegenden Diagnosen oft erst spt in An-spruch.

    Ansprche der Tnzer Mglichkeiten des Arztes/Therapeuten

    Kurze Wartezeiten: Im Verletzungsfall sollte dem Tnzer schnelle medizinische Hilfezuteil werden. Rasche Diagnostik und klare Therapieplanung helfen Tnzern,Compagnieleitung und Tanzkollegen etwaige Ausflle zu berbrcken und notwendigenderungen im Besetzungsplan rechtzeitig festzulegen.

    Rasche Heilung: Jede Verletzung stellt den Tnzer vor die existenzielle Frage: Werdeich wieder tanzen knnen?. Erzwungene Trainingspausen machen Angst und fhrenoft zu sozialer Isolation. Fllt ein Tnzer verletzungsbedingt aus, mssen zustzlicheUmbesetzungsproben festgesetzt werden. Das bedeutet eine Mehrbelastung fr diegesamte Compagnie. Tnzern fllt es oft nicht leicht unter diesem Druck Verletzungenin Ruhe ausheilen zu lassen. Nehmen Sie in Ihrer Therapieplanung darauf Rcksicht.So wenig Pause wie mglich, so viel wie ntig. Sprechen Sie mgliche ngste undProbleme offen an. So knnen Sie Vertrauen gewinnen.

    Genaue Diagnose: Tnzer besitzen ein berdurchschnittliches Krpergefhl. Auchohne grundlegendes anatomisches Wissen kommen sie oft bereits mit einer fertigenEigendiagnose zu Ihnen. Hren Sie genau zu, der Tnzer gibt Ihnen oft die entscheiden-den Hinweise. Nehmen sie auch kleine Verletzungen ernst, denn Tanz fordert einemaximale Beweglichkeit in fast allen Gelenken und Muskeln.

    Umfassende Erklrung: Tnzer bentigen ihren Krper als tgliches Arbeitsinstrument.Nehmen Sie sich Zeit, mgliche Zusammenhnge der Verletzung zu erklrenund gemeinsam die Ursachen zu eruieren. Beziehen Sie die Tnzer gezielt in die Verant-wortung um diagnostische und therapeutische Manahmen mit ein.

    Medizinische Betreuung

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    Die Kraft des Tanzes

    Tnzer sind interessante, aber auchanspruchsvolle Patienten. WichtigsteGrundlage fr eine tanzmedizinischeBetreuung ist es, die Compliance derTnzer zu gewinnen.

    Zwei Punkte sind dafrbesonders hilfreich:

    1. Eignen Sie sich die wichtigsten Grundbegriffe aus der Tanzsprache an. Der Tnzer fhlt sich so verstan- den und in seiner Arbeit geschtzt. Im Glossar dieser Broschre finden Sie Erluterungen zu wichtigen Tanzschritten.

    2. Vermeiden Sie es, den Tanz als gesundheitsschdlich darzustellen. Im Mittelpunkt der Beziehung zwischen Arzt/Therapeut und Tnzer steht die gemeinsame prventive Leistungsoptimierung, nicht das Tanzverbot.

  • Besonderheiten im Tanz

    Alte Verletzungen sind nicht selten Ursache von kompensatorischen Fehlbelastungenund Technikfehlern. Auch Jahre nach der ursprnglichen Verletzung knnen sie zuchronischen berlastungen fhren. Schonmuster knnen akute Verletzungen hervorru-fen. Fragen Sie daher stets nach frheren Verletzungen, auch wenn diese bereitsJahre zurckliegen.

    Eine Krankschreibung gestaltet sich fr Tnzer oft schwierig. Hufig knnen verletzteTnzer nicht an Proben und Vorstellungen mitwirken. Ihre Teilnahme am tglichenTanztraining zum Erhalt der allgemeinen Fitness ist jedoch in reduziertem Mae sinn-voll. In diesem Fall ist es aus versicherungsrechtlichen Grnden in Deutschland derzeitnicht mglich, dem Tnzer eine Arbeitsunfhigkeitsbescheinigung auszustellen. Er giltsomit fr die Krankenkasse als voll arbeitsfhig. Bei spteren Gutachten zur Feststel-lung einer Berufsunfhigkeit kann sich dies negativ auf die Beurteilung auswirken.Sinnvoll wre hier das Ausstellen einer begrenzten Arbeitsunfhigkeit, wie es beispiels-weise in der Schweiz mglich ist.

    Die Altersgrenze fr das Ende der professionellen Tnzerlaufbahn sinkt durch zuneh-menden Leistungsanspruch immer tiefer. Der Wechsel in eine zweite Karriere erfolgtoft schon im Alter von Anfang dreiig. Verletzungen und verletzungsbedingte Ausflleverkrzen die ohnehin extrem kurze Berufskarriere weiter.

    Die Vertragssituation an staatlichen und stdtischen Theatern sowie in freienCompagnien ist nicht gnstig. Theater werden geschlossen, zahlreiche Tnzerstellengestrichen, die Konkurrenz aus dem Ausland ist gro. Fr Tnzer wird es immerschwerer, einen langfristigen Vertrag zu erhalten. Verletzungsbedingte Ausflle fhrennicht selten zu frhzeitigen Kndigungen.

    Allgemeine Therapieempfehlungen

    Konservativ vor operativ: Allgemein sind konservative Therapieverfahren den operati-ven vorzuziehen. Zahlreiche Beschwerdebilder knnen durch gezielte Physiotherapie effizient behandelt werden. Dabei steht die funktionelle Therapie im Vordergrund. Das spezifische Anforderungsprofil des Tanzes soll frhzeitig in die Behandlung integriert werden.

    Schonende Operationsverfahren: Ist eine Operation unumgnglich, sollten mglichstminimal invasive Techniken gewhlt werden. Hautschnitte sollten so gesetzt werden,dass Narbenreizungen durch Schuh- oder Trikotrnder vermieden werden.

    Frhfunktionelle Behandlung: Sorgen Sie fr eine frhfunktionelle Behandlung. EinTanztraining im hfthohen Schwimmbecken oder eine so genannte Flat Barre (klassi-sches Stangentraining ohne halbe Spitze und grand pli) sind hilfreiche Methoden,um unter Schonung des verletzen Bereiches den restlichen Krper fit zu halten.

    Alternative Behandlungsmethoden: Alternative Behandlungsmethoden werden vonvielen Tnzern gern angenommen. Frhfunktionelle Therapie und ganzkrperliche

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  • Behandlungsanstze kommen dem Bedrfnis nach einer umfassenden funktionellenRehabilitation am nchsten. Zahlreiche Therapieformen stehen hier zur Auswahl:Gyrotonic, Pilates-Training oder Spiraldynamik sind gute Mglichkeiten, um prventivund rehabilitativ zu arbeiten. Feldenkrais, Yoga oder Alexander-Technik sind nur einigevon zahlreichen Krpertherapiemethoden, die bei der Behandlung von Tnzernhilfreich sind.

    Medikation: Meiden Sie die lngerfristige Verabreichung nichtsteroidaler Antirheumati-ka. Durch Ausschaltung des wichtigen Kontrollmechanismus Schmerz werdenTnzer dazu verleitet, weiter ber ihre Grenzen hinaus zu trainieren. Das kann zuschwerwiegenden Schdigungen des bereits verletzten Gewebes fhren.

    Optimale Betreuung

    Individuelle BetreuungEine individuelle tanzspezifische Betreuung ist fr Tnzer wie fr alle Hochleistungs-sportler zum Erhalt ihrer Gesundheit und Leistungsfhigkeit von immenserBedeutung.

    Behandlung vor OrtBieten Sie regelmige Sprechzeiten in Tanzschulen/Theatern an. Kurze Wege undunkomplizierte Anmeldeformalitten ermutigen die Tnzer, auch bei kleinerenBeschwerden frhzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. berlastungenknnen so rechtzeitig erkannt und Verletzungen kann bereits im Vorfeld entgegengewirkt werden.

    Tanzmedizinisches TeamSchaffen Sie sich einen Einblick in die tgliche Probenarbeit und das aktuelle Reper-toire. Suchen Sie regelmig das Gesprch mit Tnzern, Compagnieleitung und Trai-ningsleitern. Zur idealen Betreuung der tanzenden Hochleistungssportler ist dieZusammenarbeit eines interdisziplinren Teams aus rzten, Therapeuten, Psychologen,Ernhrungsberatern und Tanzpdagogen sinnvoll.

    TechnikanalyseTnzer wiederholen tglich immer wieder die gleichen Tanzschritte. Ist ihre Tanztechnikdabei nicht korrekt und werden Bewegungsablufe ber die krperlichen Fhigkeitenhinaus forciert, kommt es zu berlastungen, die nicht selten zu chronischenVerletzungen fhren. Zu jeder tanzmedizinischen Rehabilitation gehrt daher nachausreichender Ruhepause und Therapie eine genaue Analyse der Tanztechnik. Nurso kann ein erneutes Auftreten der Verletzung und deren Chronifizierung verhindertwerden. Sprechen Sie mit den Tnzern ber die krperlichen Grenzen und Schwachstel-len. Arbeiten Sie gemeinsam mit Tnzern, Pdagogen und Trainingsleitern an einersauberen Tanztechnik, um berlastungen durch eingeschliffene Fehler zu vermeiden.

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    Gyrotonic Trainingsgerte

    Pilates Trainingsgerte

  • Tanzmedizinischer Check-up

    Der tanzmedizinische Check-up ermglicht eine systematische krperliche Beurteilungdes Tnzers. Junge Tanzstudenten knnen vor Aufnahme des Tanztrainingsauf ihre Eignung berprft werden, professionelle Tnzer profitieren von einer regelm-igen Untersuchung zur frhzeitigen Erkennung mglicher berlastungssyndrome.Empfohlen werden hier Untersuchungsabstnde von circa zwlf Monaten.

    Grundlage des tanzmedizinischen Check-up ist eine orthopdisch-funktionelle Befund-erhebung unter besonderer Bercksichtigung wichtiger tanzspezifischer Aspekte.

    Plurimeter System

    Zur exakten Bestimmung der fr den Tanz wichtigen Gelenkwinkel sind speziell entwi-ckelte Messgerte wie das so genannte Plurimeter System hilfreich. Hftrotation,Tibiatorsion und allgemeine Flexibilitt des Tnzers knnen mit diesen Gertenobjektiv bestimmt werden.

    Pluri-Tor CDieses Gert dient zur Messung der Hftrotation bei gestreckter Hfte. Details zumUntersuchungshergang knnen Sie nachlesen im Kapitel Krperliche Voraussetzun-gen: Hfte das en dehors, S. 13.

    Pluri-Tor TEs dient der Messung der Tibiatorsion. Details zum Untersuchungshergang knnen Sienachlesen im Kapitel Krperliche Voraussetzungen: Hfte das en dehors, S. 13.

    Pluri Ligament LDient zur Messung der angeborenen (allgemeinen) Beweglichkeit. Dabei wird die nichtdominante Hand des Tnzers wie aus der Abbildung ersichtlich (hier die linke Hand)im Gert positioniert. Der Wert fr die Flexibilitt des Zeigefingergrundgliedes wird indem Moment abgelesen, in dem sich der Fixationsring der Federwaage vom Hebelarmwegbewegt. Messwerte grer als 105 Grad deuten auf eine (ber-) Beweglichkeit mitder Gefahr eines Stabilittsverlustes hin.

    Diese Broschre gibt Ihnen durch die Auswahl der Themen einen berblick berdie Schwierigkeiten, Probleme und Gefahren des Tnzerberufs. Die Hinweise zu denPrventions- und Therapiemanahmen sollen Sie in der medizinischen Versorgungder Tnzer untersttzen.

    Anmerkungen und Ergnzungen werden dankbar angenommen.

    Medizinische Betreuung

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    Pluri-Tor C und Pluri-Tor T

    Pluri Ligament L

  • Tanzm