tag der arbeit

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Mittwoch, 25. April 2012 Seite 1 TAG DER ARBEIT www.igmetall.de Tarif 2012: Mehr und fair. IG Metall Löhne rauf, Reiche besteuern Im normalen Leben gilt es als besonders verabscheuens- wert, wenn bei einer Ausein- andersetzung auf einen am Boden Liegenden weiter ein- geschlagen wird. Zwischen Staaten ist ein solches Vorge- hen offenbar etwas Normales – denn die EU-Partner schla- gen immer heftiger auf Grie- chenland ein. „Die Griechen“ hätten jah- relang über ihre Verhältnisse gelebt, heißt es. Darum ver- langt die Europäische Union immer neue soziale Grausam- keiten, obwohl schon die bis- herige Kürzungspolitik die Wirtschaft des Landes abge- würgt hat. Die griechische Regierung gibt den Druck weiter, indem sie vor allem Rentner, einfache Staatsange- stellte und Besitzer kleiner Ei- gentumswohnungen bluten lässt. Das Ausmaß der Sparbe- schlüsse ist kaum vorstellbar. Unterernährte Kinder kom- men morgens in die Schule. Ihre arbeitslos gewordenen Eltern kämpfen ums nackte Überleben, und Kranke erhal- ten Medikamente in der Apo- theke nur noch gegen Bares. Sie alle haben die Krise in Griechenland am allerwenigs- ten zu verantworten. Die Ver- mögenden des Landes haben unterdessen ihr Geld längst in dicken Koffern ins Ausland geschafft. Auch andere südeu- ropäische Länder ächzen un- ter den Sparauflagen. Thorsten Gröger: Deutsche Dumpinglöhne sind eine zentrale Ursache für die europäische Schuldenkrise Vernebelte Krisenursachen Große Teile der Politik – angeführt von Bundeskanzlerin Angela Merkel – blasen ins gleiche Horn und vernebeln in der Öffentlichkeit die wahren Krisenursachen. Sie wollen uns weismachen, wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt. Aber haben wir tatsächlich ein rauschendes Fest gefeiert? Während wenige Milliardäre ihr Vermögen auch im vergan- genen Jahr deutlich erhöhen konnten, hat ein großer Teil von uns immer mehr Proble- me, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie aufzu- bringen. Jeder Fünfte rackert heute für einen Billiglohn. Und wer länger keine Arbeit hat, stürzt in den Hartz-IV-Ar- mutskeller. Das war und ist eine „Party“ ohne Musik, Bier und Wein! Wir haben genauso wenig über unsere Verhältnisse gelebt wie die Beschäftigten in Griechen- land, Portugal oder Italien. Der „kleine Mann“ muss über- all die Zeche zahlen. Die bisherige Kürzungspoli- tik führt in eine Sackgasse aus Rezession, Armut und damit weiterer Verschuldung. Wir alle sind Opfer eines entfessel- ten Finanzkapitalismus, den Politiker mit ihren Entschei- dungen gefördert haben. Zu- nächst ließen sie die Banken mit Unsummen Steuergeldern retten. Nun spekulieren die Banken gegen die staatlichen Retter und bereiten so die nächste Krise vor. Wir dürfen uns deshalb nicht spalten lassen. Wir müs- sen gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den anderen europäischen Staaten weiter für ein soziales Europa kämpfen: mit Arbeit und Wohlstand für alle. Umverteilung nach oben stoppen Die deutschen Dumpinglöh- ne sind eine zentrale Ursache für die europäische Schulden- krise. Deutschland gehört we- gen der niedrigen Löhne zu den größten Exporteuren der Welt. Die Kehrseite der Medaille: Die deutschen Gewinne sind immer die Schulden der ande- ren. Erst wenn hierzulande die Löhne kräftig steigen, haben die griechischen, italienischen und spanischen Exporteure die Chance, wieder mehr Waren abzusetzen. Erfolgreiche Ta- rifabschlüsse sind deshalb auch ein Ausdruck europäischer So- lidarität mit den Krisenlän- dern. Besonders hart betroffen auch ist der gesamte öffentli- che Sektor in Deutschland. Trotz sprudelnder Steuerquel- len lastet ein Schuldenberg auf Bund, Ländern und Kommu- nen. Die hohen Staatsschulden sind das Ergebnis üppiger Steuergeschenke an Vermö- gende und der großen Finanz- marktkrise. Die Schuldenfrage ist also eine Verteilungsfrage. Darum muss Lohndumping durch ausufernde Leiharbeit und Werkverträge eine Grenze gesetzt werden. Gleiche Arbeit muss auch gleich bezahlt wer- den. Das sorgt für mehr Ge- rechtigkeit und nützt auch der deutschen Wirtschaft durch Stärkung der Inlandsnachfrage. Vermögende müssen wieder vernünftig besteuert werden – und die Verursacher der Krise müssen endlich zahlen. Thorsten Gröger 1. Bevollmächtigter der IG Metall Nienburg-Stadthagen Auch in Deutschland kämpfen die Gewerkschaf- ten und viele Menschen für ein soziales Europa und gegen die Umverteilung von unten nach oben. Foto: Holz „Gerechte Löhne, soziale Sicherheit“. Unter die- sem Motto steht die dies- jährige Mai-Kundgebung des DGB in Stadthagen. Der 1. Mai – in diesem Jahr ein Dienstag – wird auf dem Gewerkschafts- gelände (Probsthäger Straße 4) erneut als Fest für die ganze Familie mit Live-Musik und vielen Aktionen für Kinder or- ganisiert. Hier das Pro- gramm im Überblick: 11 Uhr • Begrüßung: Thorsten Gröger (IG Metall) • Mairede: Florian Moritz (DGB-Bundesvor- stand – Abteilung Wirtschaftspolitik) 11.30 Uhr • Talkrunde mit Betriebs- und Perso- nalräten aus Schaum- burger Unternehmen Anschließend • Musikalisches Fami- lienfest mit der Irish- Folk-Band „Fragile Matt“ sowie Kinder- spielen, Kinderschmin- ken, Hüpfburg, kultu- rellen Beiträgen und einem internationalen Angebot an Speisen und Getränken. Großes Fest am 1. Mai in Stadthagen

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Sonderbeilage der Schaumburger Nachrichten zum Tag der Arbeit.

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Page 1: Tag der Arbeit

Mittwoch, 25. April 2012 Seite 1

TAG DER ARBEIT

www.igmetall.de

Tarif 2012: Mehr und fair. IG Metall

Löhne rauf, Reiche besteuernIm normalen Leben gilt es alsbesonders verabscheuens-wert, wenn bei einer Ausein-andersetzung auf einen amBoden Liegenden weiter ein-geschlagen wird. ZwischenStaaten ist ein solches Vorge-hen offenbar etwas Normales– denn die EU-Partner schla-gen immer heftiger auf Grie-chenland ein.

„Die Griechen“ hätten jah-relang über ihre Verhältnissegelebt, heißt es. Darum ver-langt die Europäische Unionimmer neue soziale Grausam-keiten, obwohl schon die bis-herige Kürzungspolitik dieWirtschaft des Landes abge-würgt hat. Die griechischeRegierung gibt den Druckweiter, indem sie vor allemRentner, einfache Staatsange-stellte und Besitzer kleiner Ei-gentumswohnungen blutenlässt.

Das Ausmaß der Sparbe-schlüsse ist kaum vorstellbar.Unterernährte Kinder kom-men morgens in die Schule.Ihre arbeitslos gewordenenEltern kämpfen ums nackteÜberleben, und Kranke erhal-ten Medikamente in der Apo-theke nur noch gegen Bares.

Sie alle haben die Krise inGriechenland am allerwenigs-ten zu verantworten. Die Ver-mögenden des Landes habenunterdessen ihr Geld längst indicken Koffern ins Auslandgeschafft. Auch andere südeu-ropäische Länder ächzen un-ter den Sparauflagen.

Thorsten Gröger: Deutsche Dumpinglöhne sind eine zentrale Ursache für die europäische Schuldenkrise

VernebelteKrisenursachen

Große Teile der Politik –angeführt von BundeskanzlerinAngela Merkel – blasen insgleiche Horn und vernebeln inder Öffentlichkeit die wahrenKrisenursachen. Sie wollen unsweismachen, wir hätten überunsere Verhältnisse gelebt.

Aber haben wir tatsächlichein rauschendes Fest gefeiert?Während wenige Milliardäreihr Vermögen auch im vergan-genen Jahr deutlich erhöhenkonnten, hat ein großer Teilvon uns immer mehr Proble-me, den Lebensunterhalt fürsich und seine Familie aufzu-bringen. Jeder Fünfte rackert

heute für einen Billiglohn.Und wer länger keine Arbeithat, stürzt in den Hartz-IV-Ar-mutskeller.

Das war und ist eine „Party“ohne Musik, Bier und Wein!Wir haben genauso wenig überunsere Verhältnisse gelebt wiedie Beschäftigten in Griechen-land, Portugal oder Italien.Der „kleine Mann“ muss über-all die Zeche zahlen.

Die bisherige Kürzungspoli-tik führt in eine Sackgasse ausRezession, Armut und damitweiterer Verschuldung. Wiralle sind Opfer eines entfessel-ten Finanzkapitalismus, denPolitiker mit ihren Entschei-dungen gefördert haben. Zu-nächst ließen sie die Banken

mit Unsummen Steuergeldernretten. Nun spekulieren dieBanken gegen die staatlichenRetter und bereiten so dienächste Krise vor.

Wir dürfen uns deshalbnicht spalten lassen. Wir müs-sen gemeinsam mit unserenKolleginnen und Kollegen inden anderen europäischenStaaten weiter für ein sozialesEuropa kämpfen: mit Arbeitund Wohlstand für alle.

Umverteilungnach oben stoppen

Die deutschen Dumpinglöh-ne sind eine zentrale Ursachefür die europäische Schulden-krise. Deutschland gehört we-

gen der niedrigen Löhne zuden größten Exporteuren derWelt.

Die Kehrseite der Medaille:Die deutschen Gewinne sindimmer die Schulden der ande-ren. Erst wenn hierzulande dieLöhne kräftig steigen, habendie griechischen, italienischenund spanischen Exporteure dieChance, wieder mehr Warenabzusetzen. Erfolgreiche Ta-rifabschlüsse sind deshalb auchein Ausdruck europäischer So-lidarität mit den Krisenlän-dern.

Besonders hart betroffenauch ist der gesamte öffentli-che Sektor in Deutschland.Trotz sprudelnder Steuerquel-len lastet ein Schuldenberg aufBund, Ländern und Kommu-nen. Die hohen Staatsschuldensind das Ergebnis üppigerSteuergeschenke an Vermö-gende und der großen Finanz-marktkrise. Die Schuldenfrageist also eine Verteilungsfrage.

Darum muss Lohndumpingdurch ausufernde Leiharbeitund Werkverträge eine Grenzegesetzt werden. Gleiche Arbeitmuss auch gleich bezahlt wer-den. Das sorgt für mehr Ge-rechtigkeit und nützt auch derdeutschen Wirtschaft durchStärkung der Inlandsnachfrage.Vermögende müssen wiedervernünftig besteuert werden –und die Verursacher der Krisemüssen endlich zahlen.

Thorsten Gröger1. Bevollmächtigter der

IG Metall Nienburg-Stadthagen

Auch inDeutschlandkämpfen dieGewerkschaf-ten und vieleMenschen fürein sozialesEuropa undgegen dieUmverteilungvon untennach oben.Foto: Holz

„Gerechte Löhne, sozialeSicherheit“. Unter die-sem Motto steht die dies-jährige Mai-Kundgebungdes DGB in Stadthagen. Der 1. Mai – in diesemJahr ein Dienstag – wirdauf dem Gewerkschafts-gelände (ProbsthägerStraße 4) erneut als Festfür die ganze Familie mitLive-Musik und vielenAktionen für Kinder or-ganisiert. Hier das Pro-gramm im Überblick:

11 Uhr• Begrüßung: Thorsten Gröger (IG Metall)• Mairede: Florian Moritz (DGB-Bundesvor- stand – Abteilung Wirtschaftspolitik)

11.30 Uhr• Talkrunde mit Betriebs- und Perso- nalräten aus Schaum- burger Unternehmen

Anschließend• Musikalisches Fami- lienfest mit der Irish- Folk-Band „Fragile Matt“ sowie Kinder- spielen, Kinderschmin- ken, Hüpfburg, kultu- rellen Beiträgen und einem internationalen Angebot an Speisen und Getränken.

Großes Festam 1. Mai inStadthagen

Page 2: Tag der Arbeit

Seite 2 Mittwoch, 25. April 2012TAG DER ARBEIT

GewerkschaftErziehungundWissenschaft

Kreisverband Schaumburg- mehr als nur eine Gewerkschaft

Die Bildungsgewerkschaft in Schaumburg:- demokratisch- engagiert- kompetent

Impressum

Tag der Arbeit

Ein Verlagsbeilage der Schaumburger Nachrichten Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG(Am Markt 12-14 / 31655 Stadthagen) in Zusammenarbeit mit dem

DGB Niedersachsen-Mitte (Otto-Brenner-Straße 1 / 30159 Hannover)

Redaktion: Uwe Graells (verantwortlich) | Produktion/Layout: Holger Buhre

Anzeigen: Arne Frank (verantwortlich) | Druck: Dewezet Hameln

In ganz Europa herrscht dieSparwut: Regierungen betrei-ben Sozialabbau, vernichtenArbeitsplätze im öffentlichenDienst und sparen sich Investi-tionen in die Zukunft. DochKürzung öffentlicher Ausga-ben ist nicht das einzige Zielder Anti-Krisenpolitik: Stillund heimlich werden in Brüs-sel und Berlin auch direkte An-griffe auf Arbeitnehmerrechteund Löhne in Gesetzesformgegossen.

„Stärkung der Wettbe-werbsfähigkeit“ nennt sich ne-ben „Haushaltskonsolidie-rung“ das zweite Ziel, das diePolitik in Europa vorantreibt.Gemeint ist: „Kostensenkungfür Arbeitgeber“.

Die Produktionskosten inden Krisenländern seien zuhoch, die Wirtschaft nichtwettbewerbsfähig – so dieTheorie. Deshalb sollen flä-chendeckend Löhne sinken.Dazu müssen die Länder einenMaßnahmenplan unterschrei-ben, wenn sie Hilfsgelder ausden sogenannten Rettungs-fonds erhalten wollten.

Griechenland musste sichbeispielsweise verpflichten, denMindestlohn um 22 Prozent zusenken – für junge Menschensogar um 32 Prozent. Das re-duziert den Mindestlohn auf585 beziehungsweise 490 Eurobrutto im Monat.

Und: Das ist ein direkterEingriff in Gewerkschaftsrech-

Sinkende Löhne helfen keinem LandFlorian Moritz: EU�Politik beschneidet ganz massiv grundlegende Arbeitnehmerrechte

te, denn der Mindestlohn wardurch einen Tarifvertrag fest-gelegt, in den die Regierungeigentlich gar nicht eingreifendarf.

Auch in zahlreichen anderenFällen werden Arbeitnehmer-rechte durch Gesetze ausgehe-belt. Zum Teil wird dabei ge-gen die grundlegenden, globa-len Kernarbeitsnormen der In-ternationalen Arbeitsorganisa-

tion (ILO) verstoßen. Zoe La-nara vom griechischen Ge-werkschaftsbund GSEE siehtGriechenland deshalb als„Versuchslabor zur Ausrottungarbeitsrechtlicher Institutio-nen“.

Aber nicht nur in den Kri-senländern geraten die Arbeit-nehmerinnen und Arbeitneh-mer unter Druck. Weitge-hend unbemerkt wurde in Eu-

ropa per Gesetz ein neues„Verfahren zur Vermeidungund Korrektur makroökono-mischer Ungleichgewichte“eingeführt. Das gilt für alleEU-Länder und ist so kompli-ziert, wie sein Name vermu-ten lässt.

Unter anderem sieht es vor,dass die EU-Kommission re-gelmäßig die Entwicklung derLohnstückkosten in den ein-

zelnen Mitgliedsstaaten über-wacht. Steigen die Löhne nachAnsicht der Brüsseler Bürokra-tie zu schnell, wird die jeweili-ge Regierung unter Andro-hung von finanziellen Sanktio-nen gezwungen, dagegen vor-zugehen.

Sinkende Löhne helfen kei-nem Krisenland aus der Pat-sche. Im Gegenteil: Kaufkraftund Binnennachfrage werdenabgewürgt, Rezession und Ar-beitslosigkeit verschlimmernsich. Die offiziellen Gründefür die Anti-Krisenpolitik sindalso nur ein Vorwand, ummühsam erkämpfte Arbeitneh-merrechte zu schleifen, Ge-werkschaften zu schwächenund zugunsten der Arbeitge-berseite umzuverteilen.

Zunächst werden die Be-schäftigten in den erpressbarenKrisenländern geschröpft.Aber es ist nur eine Frage derZeit, bis auch den Kolleginnenund Kollegen in Deutschlandwieder empfohlen wird, denGürtel im Namen der Wettbe-werbsfähigkeit enger zuschnallen. Deshalb muss ge-meinsam gegen die Lohndrü-ckerei vorgegangen werden.Jetzt und in ganz Europa!

Florian MoritzReferatsleiter für

Europäische und InternationaleWirtschaftspolitik beim

DGB-Bundesvorstand(Haupredner der diesjährigen

Mai-Kundgebung in Stadthagen)

Die EU-Kommission will per Gesetz die Entwicklung der Lohnstückkosten in den einzelnen Mitgliedsstaatenüberwachen – auch in Deutschland. Foto: pr.

In Hamburg garantiert die Stadt allen Jugendliche eine qualifizierte Ausbildung

Viele junge Menschen be-kommen Jahr für Jahr keinenbetrieblichen Ausbildungs-platz, weil die Unternehmennicht genügend Lehrstellenbereitstellen. Die Jugendli-chen verbringen dann vielfachbis zu drei Jahre in diversenBerufsvorbereitungskursenund stehen danach ohne qua-lifizierenden Berufsabschlussauf der Straße. Um diesenWeg in die Arbeitslosigkeitzu durchbrechen, garantiertdie Hansestadt Hamburg al-len Jugendlichen eine qualifi-zierte Ausbildung.

Staatlich geförderteBerufsausbildung

Diejenigen, die nach Lesartder Behörden als „ausbil-dungsreif“ gelten, aber keinenbetrieblichen Ausbildungs-platz ergattern konnten, ab-solvieren ein Berufsqualifizie-rungsjahr. Dazu gehören derBesuch der Berufsschule undvor allem die praktische Aus-bildung in den Betrieben.

Die Azubis erhalten zwarkeine Ausbildungsvergütung,können aber andere Förde-rungen wie zum Beispiel dasSchüler-Bafög beantragen.Erklärtes Ziel ist es, den Ju-gendlichen möglichst schnellden Weg in die duale Berufs-ausbildung zu bahnen.

Diejenigen, die nach demersten Ausbildungsjahr weiterohne betrieblichen Ausbil-dungsplatz dastehen, setzenihre Berufsausbildung trotz-

Ein Projekt mit Modellcharakter

dem in einem Betrieb fort.Den Ausbildungsvertragschließen die Jugendlichenaber nicht mit dem Betrieb,sondern mit einem freienTräger der Erwachsenenbil-dung ab. Dieser betreut dieAzubis und zahlt ihnen eineVergütung.

Ziel ist auch im zweitenund dritten Ausbildungsjahr,den Jugendlichen einenWechsel in die duale Berufs-ausbildung zu ermöglichen.Auch wenn das nicht klappt,schließen die Azubis ihre Aus-bildung trotzdem mit der re-gulären Kammerprüfungnach drei Jahren ab und ha-ben danach ihr Abschluss-zeugnis in der Tasche.

SystematischeBerufsberatung

Das Hamburger Über-gangssystem von der Schulein Ausbildung beginnt mit ei-ner systematischen Berufsbe-ratung ab der 7., spätestensaber ab der 8. Klasse. Dazuarbeiten die allgemeinbilden-den Schulen mit der Berufs-beratung der Arbeitsagentur,Sozialarbeitern und den be-rufsbildenden Schulen zusam-men.

Die Palette reicht von Be-triebsbesuchen der Schulklas-sen bis zu Projekten, in denendie Schüler die Arbeitsweltund die Betriebe kennenler-nen. Die Schüler erhalten ei-ne individuelle Begleitungdurch Mentoring und Coa-

ching, auch das Erstellen ei-nes Berufswegeplans gehörtdazu.

Die Jugendlichen, die nachder Schule noch keine hinrei-chende „Ausbildungsreife“haben, erhalten eine am indi-viduellen Bedarf orientierteAusbildungsvorbereitung inberufsbildenden Schulen. DieBerufsschulen kooperierendafür mit Jugendwerkstättenund Betrieben.

Ziel ist immer der Über-gang in die duale Berufsaus-bildung. Wenn das nicht ge-lingt, steht den Jugendlichendanach das Berufsqualifizie-rungsjahr offen.

Vorbild fürNiedersachsen

„Die Hamburger Reformdes Übergangs von der Schu-le in den Beruf ist wegwei-send“, sagt Andreas Streubel,

Mitglied des GEW-ReferatsBerufliche Bildung und Wei-terbildung. Er fordert auchvon der niedersächsischenLandespolitik, allen Jugendli-chen eine qualifizierte Beruf-ausbildung zu ermöglichen.

„Jugendliche, die nur we-gen fehlender Angebote kei-nen betrieblichen Ausbil-dungsplatz bekommen haben,brauchen keine berufsvorbe-reitenden Maßnahmen. Dasniedersächsische Übergangs-system ist gescheitert.“

Einwänden, das Hambur-ger Modell sei in einem Flä-chenland wie Niedersachsennicht umsetzbar, entgegnet ermit einem Verweis auf Nord-rhein-Westfalen. Der Land-tag hat dort Anfang des Jahreseine ähnliche Reform desÜbergangssystems von Schulein Ausbildung beschlossen.

Michael FleischmannFreier Journalist

Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz: DiesesSzenario gehört in Hamburg dank eines Modellprojekts der Vergan-genheit an. Foto: pr.

Bildergalerien! www.sn-online.de

Das 4. Sozialforum Schaum-burg beschäftigt sich mit einerbrandaktuellen Frage: „PrekäreBeschäftigung als Normalzu-stand – Gibt es Alternativen?“

Am Dienstag, 8. Mai, wirdder Arbeitsmarktexperte desDGB, Lars Niggemeier, dasThema ab 19 Uhr im Kommu-nikationszentrum Alte Polizei(Stadthagen) aus unterschiedli-chen Blickwinkeln betrachtenund anschließend mit den Zu-hörern diskutieren.

„Selbst bei Vollzeitbeschäfti-gung reichen prekäre Jobs oftnicht aus, um davon wenigs-tens das Existenzminimum be-streiten zu können“, weist Nig-gemeier auf die Brisanz hin.„Die Folge ist, dass viele derBetroffenen als sogenannte,Aufstocker‘ staatliche Zu-schüsse erhalten müssen, umüberhaupt auf Hartz-IV-Ni-veau zu kommen.“

Gemeinsame Veranstalterdes Sozialforums Schaumburgsind die DGB-Region Nieder-sachsen-Mitte, die Arbeiter-wohlfahrt (KreisverbandSchaumburg), der Sozialver-band Deutschland (Ortsver-band Stadthagen), die Katholi-sche Kirchengemeinde „St. Jo-seph“ Stadthagen, die Schaum-burger Initiative gegen Ar-beitslosigkeit (SIGA) und dasKommunikationszentrum AltePolizei.

Weitere Informationen gibtes bei der Awo, Telefon(0 57 21) 93 98 30. hb

Sozialforum am8. Mai in derAlten Polizei

Page 3: Tag der Arbeit

Mittwoch, 25. April 2012 Seite 3TAG DER ARBEIT

Steffen Holz: Neo�Nazis bauen ihr Netzwerk in Schaumburg und Umgebung immer stärker aus

Bad Nenndorf ist seit 2006jährlicher Wallfahrtsort fürNeonazis. Sie gedenken dortihrer „Helden“ und „Märty-rer“ wie dem KZ-VerwalterOswald Pohl, auch genannt„Himmlers Graue Eminenz“.

Doch für die Rechten sinddiese symbolischen Heldenge-denktage in Bad Nenndorf fastschon zur Nebensache gewor-den. Sie entwickeln die Ge-gend zwischen Bückeburg undHannover zu einer ideolo-gisch-organisatorischen Auf-marschzone.

Hannover: Nazis wollenbraunes Jugendzentrum

In Hannover treibt die Na-zi-Bande „Besseres Hanno-ver“ ihr Unwesen. Mit Fa-ckeln in der Hand marschiertesie im vergangenen Jahrnachts und maskiert im Stadt-teil Kleefeld. Seit einiger Zeitkonzentrieren sich die Neona-zis darauf, antifaschistischeVeranstaltungen zu störenund die Teilnehmer einzu-schüchtern.

Vor Schulen verteilt dieNazigruppe das rassistischeHeftchen „Der Bock“. Ob-wohl sie sich hoffentlich inder Jugendkultur noch nicht

Die Polizei verharmlost die Situation

fest verankern konnte, will siein der Innenstadt ein braunesJugendzentrum einrichten.

Bückeburg: Nazisterrorisieren Schulen

Fest eingenistet haben sichdie Nazis in Bückeburg. Anallen drei Schulen der Stadtsind sie vertreten. Seit mehre-

ren Jahren haben Nazikaderein Netzwerk von rund 40ideologisch gefestigten Ju-gendlichen aufgebaut, die ander Herderschule den Tonangeben.

An dieser Realschulebraucht kein Glatzkopf mehrden Schülern Nazi-CDs und-Heftchen aufdrängen. DieNS-Führer parken ihre Autosgleich neben der Bushaltestel-le. Dort holen die schulinter-nen Unterführer das Propa-gandamaterial in Plastiktütenab, um es zu verteilen.

Herderschule: Nazisstören Gedenkminuten

Die Nazis an der Herder-schule blieben während derSchweigeminuten für die Op-fer der Terrorgruppe „Natio-nalsozialistischer Unter-grund“ (NSU) nicht nur sit-zen. Sie störten auch mit ge-

hässigen Redebeiträgen undZwischenrufen. An dieserSchule haben die Nazis dieideologische Führung über-nommen.

Jagd auf Gegnermit Stahlkugeln

Aber die Nazis wollen nichtnur in der Schule das Regi-ment übernehmen. Sie laufennachts und auch tagsüber Pat-rouille gegen politische Geg-ner. Die Nazis schlagen sienicht nur auf offener Straßekrankenhausreif, sondernüberfallen auch ihre Wohnun-gen. Schlafzimmerfensterwerden mit Pflastersteinenund Stahlkugeln aus Jagdzwil-len zerstört.

Die örtliche Polizei – ge-deckt durch das zuständigePolizeipräsidium in Göttingen– spielt dies als Gewalt zwi-schen politischen Gegnern

herunter. Nazis und ihre Geg-ner seien „Extremisten“, diewürden eben so miteinanderumgehen, sagt die Polizei.

„Die Linken“ bräuchtennach dieser Logik nur zu ver-schwinden, dann wären auto-matisch auch die Nazis weg.Mit ähnlicher „Logik“ ver-harmlosten die Staatsorganeauch die Mordserie des NSUals ausländertypische Gewalt-taten und nannte sie „Döner-morde“.

Schluss mitpolitischem Versagen!

Schulleitungen, Kommu-nalverwaltung und Polizeifüh-rung haben in Bückeburg po-litisch versagt. Auf diesemFundament dehnen dieSchaumburger Nazi-Kaderihre Aktionen jetzt auch aufSchulen in Stadthagen undRinteln aus.

In beiden Orten sind ehe-malige Herderschüler an denBerufsschulen aktiv und wer-ben dort erfolgreich Gleich-gesinnte. Mindestens an zweiallgemeinbildenden Schulenin Stadthagen geschieht diesauch. Währenddessen suchtdie Göttinger Polizeiführungauf Schulhöfen und in Rau-cherecken nach Anarchisten.

Wenn jetzt nicht die über-geordneten Stellen in Politikund Verwaltung mit allerMacht gegen die Nazis vorge-hen, herrschen die Bückebur-ger Zustände bald nicht nurim Landkreis Schaumburg.Denn die Schaumburger Na-zis haben gute Kontakte zuanderen Nazigruppen – zumBeispiel zu „Besseres Hanno-ver“.

Steffen Holz

DGB-Gewerkschaftssekretär(Region Niedersachsen-Mitte)

„Trauermarschierende“ vor dem Wincklerbad in Bad Nenndorf. Von Bückeburg aus wollen die Rechtsex-tremen das gesamte Schaumburger Land erobern. Fotos: pr.

Jahr für Jahr marschieren Nationalsozialisten zum Heldengedenkennach Bad Nenndorf.

Der niedersächsische Innenmi-nister Uwe Schünemannkommt nach Bad Nenndorf.Am Montag, 7. Mai, wird ersich ab 19 Uhr in der Wandel-halle unter dem Titel „Nazi-Aufmärsche und kein Ende“den Fragen der Bürger stellen.

Im sechsten Jahr des Nazi-aufmarsches in der Kurstadtwollen sich Bürger und Ge-schäftsleute „nicht mehr vombraunen Mob aus ganz Europatyrannisieren lassen“, betontJürgen Uebel. Der Vorsitzendedes Bündnisses „Bad Nenndorfist bunt“ fordert: „Schünemannmuss uns eine schlüssige Erklä-rung liefern, warum wir das bis2030 erdulden müssen.“

In einer Podiumsdiskussiondiskutiert Schünemann außermit Uebel auch mit Sigrid Badevon „Bad Nenndorf ist bunt“,mit dem PolitikwissenschaftlerProfessor Joachim Perels, demJournalisten Andreas Speit so-wie Samtgemeindebürgermeis-ter Bernd Reese und der BadNenndorfer BürgermeisterinGudrun Olk. Die Moderationübernimmt die TV-JournalistinAngelika Henkel. Mitgliederrechtsradikaler Organisationenhaben keinen Zutritt.

Nach Angaben von DGB-Gewerkschaftssekretär SteffenHolz hat Schünemann mit sei-ner Zusage, sich bei dieser Po-diumsdiskussion in Bad Nenn-dorf öffentlich zu stellen, Lern-fähigkeit bewiesen. „Auchscheint er inzwischen die uner-trägliche Situation der Nenn-dorfer verstanden zu haben,wegen der Nazis Jahr für Jahreinen Ausnahmezustand vorge-

Schünemann und

die Nazi�AufmärscheInnenminister stellt sich am 7. Mai Podiumsdiskussion in Bad Nenndorf

setzt zu bekommen.“ Die glei-che Beweglichkeit erwarten derDGB und das Bündnis „BadNenndorf ist bunt“ jetzt auchim Hinblick auf Anstrengun-gen, die Nazi-Aufmärsche nichtmehr zu genehmigen.

8 Fragen an InnenministerUwe SchünemannNach der Aufdeckung der

Zwickauer Terrorzelle und de-ren Kontakten nach Schaum-burg hat „Bad Nennorf istbunt“ im Vorfeld der Podiums-diskussion mit Uwe Schüne-mann am 7. Mai acht Fragen anden niedersächsischen Innen-minister formuliert:

1. Sind im Zusammenhangder Verhaftung von Holger G.in Lauenau alle Kontaktstellenzu den Organisatoren undTeilnehmern der „Trauermär-sche“ überprüft worden? Wielauten die Ergebnisse?

2. Es gibt Hinweise, dassHolger G. mit Manuel B. ausLauenau in Verbindung stand.Dieser wurde 2006 beim ersten„Trauermarsch“ in Bad Nenn-dorf gesehen. Holger G. hatteKontakte zur HannoveranerNazi-Szene und zu ThorstenHeise (ehemaliger NPD-Bun-desvorstand). Gibt es weitereInformationen über Kontaktezwischen der Gruppe „Natio-nalsozialistischer Untergrund“(NSU) und dem lokalen Neo-nazi-Netzwerk (Schaumburg-Westfalen-Hannover) sowieden Organisatoren und Teil-nehmern des „Trauermar-sches“? Haben NSU-Mitglie-der oder -Unterstützer an„Trauermärschen“ teilgenom-men?

3. Gibt es einen Zusammen-hang zwischen NPD-Funktio-nären, die in die Organisationund Durchführung der „Trau-ermärsche“ seit 2006 eingebun-den waren, und dem NSU?

4. Bei den Versammlungender Nazi-„Trauermärsche“wurden wiederholt etliche„Ordner“ wegen verschiedenerGewaltverbrechen und andererDelikte nicht zugelassen. Werwaren diese „Ordner“? Gibt eszwischen diesen und den Ge-walt- und Terrornetzwerkender Nationalsozialisten Verbin-dungen?

5. Inwieweit ist der Verfas-sungsschutz in Nazi-Netzwerkebezüglich Propagierung der„Trauermärsche“ oder sogarAktivitäten zu deren Durchfüh-rung involviert?

6. Sind in Niedersachsen –ähnlich wie in Thüringen –auch unmittelbar öffentlicheMittel in den Aufbau national-sozialistischer Strukturen ge-flossen?

7. Ist in den nationalsozialis-tischen Gewaltzusammenhän-gen in Bückeburg, Wunstorf,Barsinghausen und Umgebungder Verfassungsschutz durchV-Leute präsent?

8. Aufgrund welcher konkre-ten Erkenntnisse wurde am 14.August 2010 der friedliche Pro-testmarsch der Bürgerinnenund Bürger gegen den „Trau-ermarsch“ der Nationalsozialis-ten verboten? Nationalsozialis-ten konnten unter Polizeischutzsechs Stunden lang marschie-ren, während Demokraten nureine zeitlich eng begrenzteKundgebung erlaubt wurde. r

Der Termin für dendiesjährigen „Trauer-marsch“ durch BadNenndorf steht bereitsfest: Am 4. August wol-len Neonazis aus ganzDeutschland und Europazum inzwischen siebtenMal in der Kurstadt ihrePropagandafeier abhal-ten.

Aus diesem Anlass ru-fen das Bündnis „BadNenndorf ist bunt“ undder DGB für den erstenAugust-Sonnabend zufriedlichen Protesten inder Kurstadt auf. Diebeiden Initiatoren derfarbenfrohen Gegende-monstration fordern das„Ende der Nazi-Heu-chelei und NS-Verherr-lichung“. Auch der Na-zi-Propaganda an Schu-len treten beide Organi-sationen entschiedenentgegen.

„Unserer Auffassungnach ist Faschismus kei-ne Meinung, sondern einVerbrechen“, sagt derBündnis-VorsitzendeJürgen Uebel. „Darumfordern wir ein Verbotder sogenannten ,Trau-ermärsche‘, bei denenantisemitische Reden ge-halten und verbotene na-tionalsozialistische Lie-der gesungen werden.“

4Die Gegendemons-tration unter dem Motto„Wir treten den Nazisentgegen – entschlossenund friedlich“ beginntam Sonnabend, 4. Au-gust, um 10.30 Uhr ander Bornstraße in BadNenndorf. r

Gegen�Demobei Aufmarschder Nazis am4. August

Page 4: Tag der Arbeit

Seite 4 Mittwoch, 25. April 2012TAG DER ARBEIT

Die Geschäftsführung derFränkischen Rohrwerke inBückeburg sowie der übrigenStandorte im Bundesgebiethaben überwiegend schlechteErfahrungen mit Leiharbei-tern gemacht und das Auslei-hen von Arbeitskräften des-halb eingestellt.

„Unsere Betriebsräte leh-nen Leiharbeit aus politi-schen Gründen ab“, sagt RalfMeier, Betriebsratsvorsitzen-der der Fränkischen Rohr-werke in Bückeburg. EinGrund hierfür sei die unter-schiedliche Bezahlung.„Leiharbeiter bekommen fürdieselbe Arbeit immer weni-ger Geld als fest angestellteMitarbeiter“, so Meier.

Diese Tatsache beeinträch-tigt seiner Meinung nach dasBetriebsklima in negativerWeise. Deshalb gebe es keineausgeliehenen Arbeiter unterden 55 Mitarbeitern im Bü-ckeburger Werk. Argumente,dass die Leiharbeit einSprungbrett in eine feste Be-schäftigung sei, kann Meiernicht nachvollziehen. Gele-gentlich sei dies vielleicht derFall, aber sicher nicht die Re-gel.

Bei Krankheitsvertretun-gen zum Beispiel stellt dieGeschäftsführung in Bücke-burg Arbeiter für einen be-fristeten Zeitraum ein. Diesewerden dann nach den Richt-linien des Teilzeitbefristungs-gesetzes nach Tarif bezahlt,

Lieber befristetals ausgeliehenDie Fränkischen Rohrwerke in Bückeburg beschäftigenkeine Leiharbeiter / Von 55 Arbeitern lediglich zwei befristet

so der Betriebsratsvorsitzen-de. Meier versteht nicht, war-um Betriebsräte in anderenUnternehmen Leiharbeit ak-zeptieren.

Anfragen, ob Leiharbeiterim Bückeburger Werk benö-tigt werden, lehnt der Be-triebsrat strikt ab. Meierweiß, dass in anderen deut-schen Werken des Unterneh-mens Leiharbeit ausprobiertwurde, diese aber aus man-gelnder Qualität der erbrach-ten Arbeit aber eingestelltwurde.

Günther Korn, Personal-leiter aller deutschen Stand-orte der Fränkischen Rohr-werke, bestätigt diese Aussa-ge: „Die Motivation von

Leiharbeitern ist nicht so wiedie der fest Angestellten.“Die Abteilungsleiter im Kö-nigsberger Werk hätten bei-spielsweise schnell eine ab-lehnende Haltung gegenüberder Leiharbeit angenommen.Aus diesem Grund habe mansie vor zwei Jahren in sämtli-chen Werken eingestellt.

Nur in absoluten Notfällengreift Korn auf Leiharbeiterzurück. Im KönigsbergerWerk der Fränkischen Rohr-werke sind rund 1300 Arbei-ter und Angestellte beschäf-tigt. Darunter seien derzeitlediglich drei Leiharbeiter,was Korn auf den gesamtenStandort bezogen mit Nullgleichsetzt. svb

Am Bückeburger Standort der Fränkischen Rohrwerke werden kei-ne Leiharbeiter beschäftigt. Foto: svb

Wenn Markus Berkefeldan seine Zeit nach derAusbildung zum Fluggerä-temechaniker bei MTU(Langenhagen) zurück-denkt, gerät er noch heutein Rage. Er gehörte zu je-nem Drittel der Ausgebil-deten, die nicht unbefristetübernommen wurden.

Nachdem Berkefeld alsFacharbeiter zwei Jahrelang weiterbeschäftigtwurde, musste er das Un-ternehmen vor drei Jahrenverlassen. Nur kurze Zeitspäter kam dann ein bein-hartes Angebot von derArbeitsagentur: Der heute25-Jährige solle doch wie-der beim Triebwerksher-steller anfangen, aber dies-mal als Leiharbeiter derFirma Randstad.

„Das hat mir den Ma-gen umgedreht“, sagt er.Es sei sogar behauptetworden, es werde nachTarif bezahlt. Tatsächlichkommen Leiharbeiternach eigenen Angaben beiMTU auf ungefähr 1000Euro netto im Monat,wenn sie viel arbeiten.

„Als Leiharbeiter hätteich rund ein Drittel weni-ger gehabt, und du bist derletzte Louis“, schimpftBerkefeld. Er spielt damitauf die Hierarchie im Be-trieb an, in der die Leihar-beiter ganz unten stehen.„Denen wird nichts beige-bracht, weil sie nach dreiMonaten wieder weg sind,und sie kriegen die Scheiß-arbeit.“

Das seien meist einfacheund stumpfe Tätigkeiten,bei denen man nicht vielfalsch machen könne. „Sollich mir mit zwei Jahren

Leiharbeit drehteinem den Magen umIG Metall und Betriebsräte: Unbefristete Übernahme muss in Unternehmen die Regel sein

Berufserfahrung von ei-nem Auszubildenden sagenlassen, wie und in welcherZeit man ein Triebwerkzusammenbaut?“, fragt er.Er entschloss sich deshalb,die Immaturen-Prüfung zumachen und Maschinen-bau zu studieren.

So ähnlich wie MarkusBerkefeld geht es vielenjungen Fachkräften nachder Ausbildung, weil sienicht unbefristet übernom-men werden. „Wie sollenwir unser Leben planenoder gar eine Familiegründen, wenn wir nichtwissen, ob uns morgen derBoden unter den Füßenweggerissen wird“, kriti-siert Annabell Buchholz,

Jugendvertreterin beiKraussMaffei Berstorff(Hannover). Sie berichtetvon einem Kollegen, dernach der Ausbildung zu-nächst für drei Monateweiterbeschäftigt wurde.Ein halbes Jahr später seier dann als Leiharbeiterwiedergekommen.

Dieses Jahr sind zwar al-le Ausgebildeten unbefris-tet übernommen worden,der Regelung gingen abermehrjährig harte Ausein-andersetzungen mit demArbeitgeber voraus.Gleichzeitig bekam dasUnternehmen einen neuenPersonalleiter, der sich ge-sprächsbereiter zeigt.

Annabell Buchholz be-

tont, wie wichtig die For-derung der IG Metall sei,die unbefristete Übernah-me im Tarifvertrag fest-zuschreiben. Davon wol-len aber manche Perso-nalleiter überhaupt nichtswissen und überlegen,dann weniger junge Men-schen auszubilden.

Die Personaler fürchtenein „Beamtentum“ undAzubis, die sie in wirt-schaftlich schlechten Zei-ten nicht mehr loswerden.Das sei kein Argument,weil es immer eine Rege-lung für den Fall gebe,wenn es im Betrieb nichtso gut läuft, kontert Sabri-na Wirth von der IG Me-tall Nienburg-Stadthagen.

„Auch die Angst vor dem‚Beamtentum‘ ist meinerMeinung nach totalerQuatsch, weil die Leis-tung trotzdem von denAzubis kommen muss“,unterstreicht OliverEckelt, Betriebsratsmit-glied beim Pumpenher-steller Bornemann inObernkirchen.

Die Überlegung, weni-ger auszubilden, sei nichtnachvollziehbar. Schließ-lich gebe es eine mittel-fristige Personalplanung.„Wenn man weiß, wieviele Azubis man in wel-chen Bereichen braucht,dann kann man sie aucheinstellen“, betontEckelt. r

Vor dem MTU-Werkstor demonstrieren Gewerkschaftsmitglieder gegen Leiharbeit. Foto: pr.

Oh, eineEinigung!Aktuell kommentiert

„3,5 Prozent ab 1.3.2012, jeweils 1,4 Pro-zent ab 1.3. und 1.8.2013 bis 28.2.2014. Lei-der kein Mindestbetrag.“

In der Nacht vom 30. auf den 31. März hatdie Bundestarifkommission (BTK) von ver.dinach achtstündiger Diskussion die Annahmeempfohlen.

Die Mitglieder der BTK haben sich dieNacht um die Ohren geschlagen, um diesesAngebot zu diskutieren. Viele Mitgliederstörten die fehlende soziale Komponente, dieLänge der Laufzeit und die Urlaubsregelun-gen. Andererseits wollten bestimmte Berei-che beim erreichten Verhandlungsstandnicht mehr auf Erzwingungsstreik setzen.

Wir mussten abschätzen, ob wir bei Ab-lehnung etwas Besseres durch einen unbefris-teten Streik erreichen können, oder ob dasErgebnis eher schlechter werden würde. Wirhaben es uns nicht leicht gemacht.

Hatten die Arbeitgeber Angst vor den Be-schäftigten? Warum sollten Sie? Wenn dieGewerkschaften zu Warnstreiks aufrufen,beteiligen sich ja nicht alle Beschäftigten imöffentlichen Dienst. Es kommen zwar viele,aber die tun den Arbeitgebern noch nichtweh. Weil sie in Kauf nehmen, dass Patien-ten, Kinder, Fahrgäste und viele andere ge-troffen werden.

Zwar waren so viele Beschäftigte wie nochnie bei Warnstreiks unterwegs. Im Bundes-gebiet waren es rund 250 000, die daran teil-nahmen. Allerdings: In den Bereichen, diesofort wirtschaftliche Schäden für die Arbeit-geber verursachen, müssen wir noch mehrwerden.

Wenn das so ist, warum wird dann über-haupt gestreikt? Ohne unsere Warnstreikshätten wir dieses Verhandlungsergebnis nieerreicht! Hätten noch mehr Beschäftigte fürihre Forderungen gekämpft, wäre ein besse-res Ergebnis möglich gewesen. Davon binich überzeugt.

Jetzt stimmen die Mitglieder über das Ver-handlungsergebnis ab.

2014 haben wir die nächste Tarifauseinan-dersetzung. Ich arbeite dafür, dass sich dannnoch mehr Beschäftigte im öffentlichenDienst für ihre Interessen zusammentun. Da-mit wir noch mehr erreichen – gerade bei dersozialen Komponente!

Thomas Schmidt

Mitglied der ver.di-Bundestarifkommission