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SÜDAFRIKA einmal Weltmeisterschaft und zurück

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eine reportage über die positiven und negativen auswirkung der fussballwm 2010 auf das land südafrika. semesterarbeit im kurs editorial design

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S Ü D A F R I K Aeinmal Weltmeisterschaft und zurück

Eine jubelnde Menge begrüßte Nel­son Mandela in der Frei heit. Das war 1990 und der Beginn einer ra­dikalen Veränderung. Südafrika ent­wickelte sich von einem Symbol der Unterdrückung zu einem Vorbild für ganz Afrika. Den Südafrikanern gelang der Aufbau einer stabilen Demokratie, mit einer Verfassung, die die Menschenrechte garantiert, und mit einer starken Zivilgesell­schaft, die diese Rechte auch gegen die Regierung durchsetzt.

Als Gastgeber der Fußball­Welt mei­ster schaft 2010 möchte das Land wieder zum Stolz des Kontinents werden. »Stellvertretend für Afrika richten wir diese Weltmeisterschaft aus«, sagt Präsident Jacob Zuma. Ob aber die armen Südafrikaner von dem Großereignis profitieren, ob die Polizei nur die reichen WM­Touris­ten schützt oder auch die Flücht­linge aus den Nachbarstaaten, das muss sich erst noch erweisen.

SÜDAFRIKA

EINMAL WELTMEISTERSCHAFT UND ZURÜCK

MEHRGEWALT

Willkommen in Hillbrow, einem Hoch hausviertel im Zentrum Johan­nes burgs. In der Mitte ragt ein Fern seh turm auf, neuerdings mit einem rie sigen Fußball verziert. Ein hübscher Anblick – aus der Ferne. Denn Hillbrow gilt als Hort urbanen Schreck ens. Mindestens 100.000 Menschen leben hier auf engstem Raum. Etliche Bewohner sind illegal eingewandert. Mit um die einhundert Morden pro Jahr, über 400 regis trierten Sexualver­brechen, über 4.000 Körperverlet­zungen, 2.661 Raub über fällen und unzählbaren Einbrüchen. Hinzu kommen Kidnapping, Drogendelikte und Kindesvernachlässigungen.Einst war Hillbrow ein modernes Weißenviertel. Hier bröckelte die

Apartheid früh. In den achtziger Jahren mutierte der Stadtteil zur »grey area«, zur »grauen zone«. Hillbrow galt nun als coole Party­meile. Bald aber setzten sich die weißen Hausbesitzer in bessere Viertel ab. Flüchtlinge aus Kriegs­ländern, wie dem Kongo, rückten nach. Und viele Arme von weither, die in der Goldstadt Johannesburg eine bessere Zukunft suchten. Hill brow wurde zum Hochhaus­Slum. Zum Synonym für einen Nie­dergang. Ich mache eine kleine Rundfahrt durch das Elend. Zu Fuß wäre es zu gefährlich. Manche der riesigen Apart ment­Blocks sind völ­lig verwahrlost. Dreck liegt herum, zerbrochene Scheiben sind not­dürftig mit Pappe und Lumpen

Polizisten bei einer Übungvor dem »Royal Bafokeng Stadium» nahe Johnnesburg, einem Austragungsort der Weltmeisterschaft

Mit moderner Überwachungstechnik und massiver Polizeipräsenz will Südafrika die Fußball-WM 2010 sichern. Beamte sollen schnell zur Schusswaffe greifen. Menschenrechte gelten als Störfaktor!

6 Mehr Gewalt

verstärkt auf den Straßen präsent. Das entfaltet eine gewisse abschrek­kende Wirkung. In der Nacht aber schwappt das Verbrechen auf die Straßen zurück. Dann herrscht die rohe Gewalt. »Tagsüber ist es etwas besser geworden«, meint Sipho. »Aber sobald es dunkel wird, sollte man besser schnell nach Hause gehn«. Südafrikas Mächtige haben derzeit dringende Probleme: Nur einen Steinwurf von Hillbrow entfernt liegt das Ellis Park Stadium, eine

ausgebessert. Ich sehe Straßenkin­der, Betrunkene, aber auch ganz normales Leben. Seit Jahren ver­suchen Nachbarschaftsorganisati­onen funktionierende Gemeinschaf­ten aufzubauen.Auf krasse Art verdeutlicht die Re­alität dieses abgleitenden Stadtteils, das Wechselspiel von Arbeitslosig­keit, Armut, und Krimi na lität. Und demonstriert, dass polizeiliche Maß­nahmen alleine nicht fruchten. An manchen Ecken sind jetzt Über wach­ungskameras installiert. Polizei ist

Dass Weiße besonders unter der Kriminalität zu leiden hätten, ist falsch. Ein Großteil der Gewalt spielt sich unter armen schwarzen Südafrika-nern ab.

der Arenen, in denen Fußball­Welt­meisterschaft ausgetragen wird. Kriminalität wärend der WM ist ihre größte Sorge.

Den Touristen soll nichts passieren

Seit Jahren ächzt das Land unter einer Kriminalitätsrate, die welt­weit herausragt. Mit etwa 50 Mor­den pro Tag liegt Südafrika nur knapp hinter dem Spitzenreiter Kolumbien. Die Zahlen bei Verge­waltigungen, Raubüberfällen und Einbrüchen sehen nicht besser aus. Untersuchungen unter Opfern zeigten: Ihr Vertrauen in die Poli­zei ist derart gering, dass viele Straf taten gar nicht mehr ange­zeigt werden.Für die WM bietet die Regierung 41.000 zusätzliche Polizisten auf. Den Touristen soll bitte nichts pas ­sieren. Das Image des Reiselandes Südafrika steht auf dem Spiel. »Wir konzentrieren uns auf die Sicher heit der Ereignisse«, sagt

Rich Mkhondo, Sprecher des Orga­nisationskomitees. »Wir sind zuver­sicht lich: Die Weltmeisterschaft wird sicher sein.« Mit moderner Technik und massiven Polizeieinsatz soll die Kriminalität abgedrängt, von Besu­chern und Kameras ferngehalten wer­den. Was aber hat Südafrika davon?Seit November 2009 rüsten die Ver ­antwortlichen rhetorisch nach. Cele, neuer nationaler Polizeichef, hat eine neue Strategie. »Shoot to kill« – Schießen um zu töten. Seine Poli­zisten sollten sich keine Sorgen mehr machen, »was hinterher passiert«, meint der Polizeichef. » Wir ziehen die Schrauben an, wir werden die Kriminellen jagen. Ja, erschießt die Bastarde«. Stimmt sein Vize Mba­lula ein und bläst zum »Krieg ge­gen die Kriminellen«. Wobei der Tod unbeteiligter »Zivilisten« in Kauf genommen werden müsse.

Kriminalität während der WM, ist die größte Sorge des Polizeichefs

Mehr Gewalt 7

Erhöhte Polizeipräsenz in den Townships von Südafrika

Ungleiche Menschenrechte

Neue Gesetze sollen Polizisten den Gebrauch der Schußwaffe erleich­tern, sie »befreien«, so Cele. Para­graphen, die schon zu Zeiten weißer Herrschaft das Abknallen eines Laden diebes durch einen erbosten Kaufmann segneten, sollen – nach zwischzeitlicher Reform – nun wieder verschärft werden. »Wir dürfen«, tönt der Polizeiechef, »die Menschen­rechte der Opfer und der Täter nicht gleichsetzen«. Auch mangelnde Schieß freudigkeit ist nicht zu be­klagen. Über hundert Beamte ver­loren vergangenes Jahr im Dienst ihr Leben. Zugleich aber erschos­sen Polizisten etwa 600 Menschen, Verdächtige wie Unbeteiligte. Wer auf den Schutz der Menschenrechte beharrt, hat in dieser emotional auf­gepeitschten Debatte einen schwe­ren Stand. Der Ton ist rauer gewor­den, die Sprache militant. Gerade Jungspunde der Polizei beteuern bei jeder Gelegenheit ihre Bereit­schaft, zu den Waffen zu greifen und zu töten.

Zweifler aus den eigenen Reihen werden barsch zum Schweigen ge­bracht. Als der ehemalige Minister Kadar Asmal die von Mbalula er­wünschte Militarisierung der Poli­zei als »Verrücktheit« qualifizierte und sagte, er hoffe nicht mehr am Leben zu sein, sollte Mbalula Poli­zeichef werden, verhöhnte der ihn als »rasenden Irren«. Der Verein der Veteranen von Umkhonto we Sizwe, ein früherer militärischer Bund riet Asmal, er möge doch »zum nächsten Fried hof gehen«. In einer solchen politischen Atmosphäre, mahnt As­mal, verliere der »moralische Kom­pass, der auf die Grundwerte meiner Bewegung weist, seine Richtung«.

10 Mehr Gewalt

Gewalt fehlt bei unserer Polizei die Kontrolle. Eine aufgeheizte politi­sche Rhetorik, die die rücksichtslose oder ungesetzliche Anwendung töd­licher Gewalt sogar noch unterstützt, hilft den Polizisten nicht, sie ver­wirrt sie nur«.Laut einem Bericht des »Indepen­dent Complaints Directorate«, das Todesfälle bei Polizeieinsätzen un­tersucht, sind in Südafrika im ver­gangenen Jahr durch Polizeieinwir­kung 612 Menschen gestorben, 25 Prozent mehr als noch 2007. 32 Opfer waren demnach Passanten, die sich zufällig am Tatort eines Verbrechens befunden hatten, 213 Menschen wurden bei einer Verhaftungsaktion getötet, 300 starben in Polizeige­wahrsam. Andere büßten ihr Leben ein, weil die Polizei »fahrlässig mit Schusswaffen umgegangen« war, wie es in dem Bericht heißt.Aber auch die Gangster Südafrikas rüsten auf – und die Polizei muss einen hohen Blutzoll zahlen. Im August wurde Sergeant Charles Komba bei der Routinekontrolle ei­nes Taxis im Kapstädter Township Nyanga von hinten erschossen. Die Täter flüchteten mit der Dienstpis­tole des Polizisten. In Kapstadts Nobelvorort Constantia wurde ein 32­jähriger Constable erschossen. Polizeisprecherin Sally de Beer sagte, landesweit seien im vergangenen

Gerät die Polizei außerKontrolle?

Wenige Monate vor der Fußball­WM in Südafrika liefern sich kriminelle Banden in den Städten offene Kämpfe. Die überforderte Staats­macht versucht, ihr Versagen mit Härte zu kaschieren. In Khayelitsha bei Kapstadt erschlugen acht Poli­zisten einen 18­Jährigen, den sie bereits festgenommen hatten, weil sie vermuteten, dass er einen Poli­zisten ermordet hatte. In Atteridge­ville fiel der 21­jährige Kgothatso Ndobe Polizeikugeln zum Opfer – ebenfalls unschuldig. Die Liste der Opfer von Polizeieinsätzen wird wöchentlich länger.Der Tod des 18­Jährigen hat die Diskussion über die Verhältnismä­ßigkeit der Mittel bei Polizeiein­sätzen allerdings neu angefacht. Johan Burger vom renommierten Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria erklärte: »Man muss sich fast fragen: Was kommt zuerst? Gerät die Kriminalität außer Kontrolle oder die Polizei«? David Bruce, Verbre­chensforscher am Centre for the Study of Violence and Reconcilia­tion, warnt: »Beim Einsatz tödlicher

Über hundert Beamte verloren vergangenes Jahr im Dienst ihr Leben. Zugleich aber erschossen Polizisten etwa 600 Menschen, Verdächtige wie Unbeteiligte.

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Dass Weiße besonders unter der Kriminalität zu leiden hätten, ist falsch. Ein Grßteil der Gewalt spielt sich unter armen schwarzen Südafrikanern ab.

Jahr 107 Polizisten ermordet worden. Die Police and Prison Civil Rights Union beklagt, die Polizisten Süd­afrikas seien mittlerweile zu »Kano­nenfutter« für »bis an die Zähne bewaffnete Kriminelle« geworden.Südafrikas Gangs liefern sich derzeit nationalen Medienberichten zufolge untereinander erbitterte Kämpfe um die Kontrolle von Drogenhandel und Prostitution während der Fuß­ball­WM. Im Oktober wurden laut »Sunday Times« im Westkap 30 Gang­Mitglieder Opfer von Banden­

kämpfen. Die Banden tragen Namen wie »Americans«, »Hard Livings«, »Junky Funky« oder »Clever Kids« und rekrutieren immer jüngere Mit­glieder. »Ich bin besorgt darüber, dass die jüngere Generation sich zunehmend den Gangstern zuwen­det«, sagt Lennit Max, Sicher heits­minister der Provinz Westkap und ehemaliger Polizist. Allein in der Provinz Westkap wurden binnen eines Jahres elf seiner früheren Kollegen getötet.

Johannesburg und Kapstadt gelten als zwei der gefähr- lichsten Städte der Welt.

Mehr Gewalt 11

Kinder posieren mit echten Waffen im Township Alexandra in Johannesburg

OHNE HEIMAT

Bereits 2008 wurden in landesweiten Progromen mehr als 85.000 afrika­nische Migranten aus ihren Häusern vertrieben. Ein gutes Drittel floh damals in provisorische, von der Re­gierung errichtete Flüchtlingsla­ger. 62 Menschen starben. Das Bild des Mosambikaners Ernesto Alfabeto Nhamuave, der im Johnnesburger Township Alexandra bei lebendi­gem Leib verbrannte, ging um die Welt. Als die Welle der Angriffe schließlich abebbte, verschwand das Thema aus den Medien. Doch das Problem, der Hass, die Vorurteile, der erbitterte Kampf um begrenzte Re­sourcen in den Armenvierteln blieb. Und mit ihm blieb die Angst der Ein­wanderer und Flüchtlinge.Agathe Kwisera und ihr Mann Nor­

bert, beide politische Flüchtlinge aus Ruanda, waren unter den Zehntau­senden, die allein in Kapstadt in Lagern unterkamen. Mehr als ein hal­bes Jahr lebten sie mit ihren Kin­dern in Zelten, die kaum den Win­terstürmen stand hielten. Als die Regierung im Januar 2009 das letzte der Lager in Kapstadt schloss und die Essensversorgung einstellte, blie­ben die Kwiseras noch für Wochen in ihrem Zelt. Sie sollten sich wie­der integrieren, forderten die Be­hörden. Doch das könnte lebens­gefährlich sein. »Wir sind einmal an unseren alten Wohnort zurück­gegangen«, erzählt Agathe Kwisera, »und sofort wieder bedroht worden. Wir hatten kein Geld. Wir wussten einfach nicht wohin«. Glaubt man

207.200 Personen haben 2008 in Südafrika Asyl beantragt. Davon kamen 115.800 aus Simbabwe

Der Mythos von der Regenbogen-Nation, die in ihrer Vielfalt und Toleranz als Vorbild galt, ist zerbrochen. Ein Land, das von Rassis-mus geprägt wurde, kann sich nicht davon lösen.

14 Ohne Heimat

Bereits wenige Wochen später gab es weitere Überfälle. In vier Kap­städter Townschips planten Südafri­kanische Ladenbesitzer systematisch die Vertreibung ausländischer Kon­kur renten. Im Dezemeber 2009 wur­den 200 Ausländer in der Limpopo­Provinz aus einem Townschip ver jagt. Immer wieder kam es in den ver­gangen Monaten zu Morden, Ver­folgungen und Plünderungen.

den Kwiseras, dann hat sich die Lage der Ausländer in Südafrika in den letzten Monate weder verbes­sert noch verschlechtert. Die Feind­sehlichkeiten sind über Jahre ge­wachsen und lösen sich nicht in wenigen Monate auf. Allein 2006 waren in und um Kapstadt nach Angaben somalischer Behörden 40 somalische Händler gezielt umge­bracht worden. Die Übergriffe von 2008 mögen ein Tiefpunkt dieser langfristigen Entwicklung gewesen sein, aber längst nicht ihr Ende.

Vertriebene warten in Flüchtlingslager auf ihre Essensration

Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft fehlt

Am Kap ist ein Mythos zerbrochen: das Bild der Regenbogen­Nation, einer multikulturellen Gesellschaft, die in ihrer Vielfalt und Toleranz selbst vielen westlichen Ländern als Vorbild galt. Bezeichnenderweise waren es nie Weiße – die ehemaligen Unterdrücker – die zur Zielscheibe wurden, sondern Simbabwer, Mo­sambikaner, Malawier, Somalis, An­go laner und Kongolesen. Europäi­schen Fussball­Touristen werden von der südafrikanischen Form der Frem­denfeindlichkeit wenig zu spüren bekommen. Ausländerhass am Kap beschränkt sich auf Afrikanische Immigranten, viele von ihnen poli­tische oder Armutsflüchtlinge. Die Einwanderer kommen mit leeren Taschen und versuchen, in Südafri­kas ärmsten Gemeinden Fuss zu fassen – ohne jegliche Unterstüt­zung vom Staat. Wo sie Erfolg ha­ben ziehen sie Neid auf sich. Ihre Südafrikanischen Nachbarn genie­ßen Freiheit, politische Rechte und Demokratie, doch es fehlt an Jobs, guten Schulen und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Südafrikas

Arme sind frustriert und richten ihre wachsende Wut gegen ihre afrika­nischen Nachbarn. Hinzu kommt, dass Politiker und Behörden versu­chen das Problem herunterzuspie­len. Zwar haben sowohl der frühere Präsident Mbeki, als auch sein Nach­folger Zuma die Übergriffe ver ur­teilt, doch genutzt hat es wenig. So erklärte vor kurzem der Bügermeis­ter des kleinen Ortes Riviersonde­rend im Westkap der Wochen zeitung »Mail & Guardian« mit folgen den Worten die Vertreibung von 20 So­malis in seinem Dorf: »Ich möchte nicht, dass Sie in der Zeitung von Ausländerhass sprechen. In ein paar Wochen haben wir hier die Fußball­WM. Das gäbe doch einen Aufstand – dabei geht es nur um 20 Leute! Wissen Sie, ich liebe mein Land und ich liebe das Westkap«.

»Ich möchte nicht, dass Sie in der Zeitung von Ausländer-hass sprechen. In ein paar Wochen haben wir hier die Fußball-WM.

Ohne Heimat 15

Die armen Südafrikaner und Flüchtlinge leben in so genannten »Townships«

Wie ernst ist denn die Lage zur Zeit? Sehen Sie langfristige Trends im Umgang mit Aus-ländern in Südafrika?Die Lage ist stabil, aber stabil auf einem gefähr­lichen Niveau. Es gibt ständig irgendwo neue Übergriffe. Und das ist nicht wirklich überra­schend, wenn man bedenkt, unter welchen Be­dingungen arme Menschen in Südafrika überle­ben. Gleichzeitig leben wir auf einem Kontinent mit Ländern wie Somalia, Kongo und Simbabwe, die so instabil sind, dass die Menschen von dort in Scharen nach Südafrika flüchten. Und das erhöht hier natürlich den Druck.

Sozio-ökonomische Probleme sind sicher eine wichtige Erklärung für Übergriffe gegen Aus-länder. Aber Armut alleine erzeugt ja noch keinen Ausländerhass...In Vierteln in denen die Mehrheit der Menschen arbeitslos ist, wird es immer Spannungen geben. Da können auch wir in unseren Projekten nur an die Menschlichkeit appelieren. Das funktioniert allerdings auch. Oft sind die Südafrikaner hier völlig überrascht, zu hören, was genau in Ruanda los war, oder was derzeit im Kongo passiert. Und wenn sie diese Geschichten hören, dann ent­wickeln sie auch Mitgefühl und Verständnis.

Wie schätzen Sie die Reaktion der südafrika-nischen Regierung auf das Problem ein?Es ist die erste Pflicht der Regierung, dafür zu sorgen, dass die Millionen armer Menschen in Südafrika ein Dach über dem Kopf haben, Zugang zu akzeptablen Schulen und so weiter. Gleich­zeitig ist es ihre Pflicht, die Flüchtlinge hier im Land vor Übergriffen zu schützen. Als die Ver­triebenen in den Zeltlagern mit Essensrationen versorgt wurden, hat das den Ausländerhass der Südafrikaner zum Teil noch weiter angefacht. Es ist fast unmöglich, da eine Balance zu wahren bei so großen – und berechtigten – Bedürfnissen auf beiden Seiten. Die Situa tion ist extrem schwierig, einfache Lösungen gibt es nicht.

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungs-bedarf?Nach den Übergriffen 2008 wurden mehr als tausend mögliche Täter verhaftet. Doch im Fall des in Alexandra verbrannten Mosambikaners zum Beispiel wissen wir immer noch nicht, wer die Mörder waren, obwohl es so viele zeugen gab. Es gibt keine Verurteilungen. Gerade in diesen Fällen, die für so viel öffentliche Aufmerksam­keit gesorgt haben, ist es unglaublich wichtig, eine klare Botschaft zu senden: Wer so etwas tut, wandert ins Gefängnis. So lange das nicht pas­siert, erreicht man das genaue Gegenteil. Gewalt wird akzeptabel. Es ist absolut erschreckend, dass hier nicht konsequent durchgefriffen wird.

Ein Gespräch mit Dean Peacock, einem der Gründer des »Sonke Gender Justice Network«, über Fremdenfeindlichkeit in Südafrika und Projekte zur Integration von Flüchtlingen und Migranten.

Interview 17

NEUER TRAUM

Die Fußball­WM in Südafrika muss vor dem Hintergrund der wachsen­den internationalen politischen und ökonomischen Relevanz von Sport­großveranstaltungen und der Be­ziehung zwischen Sport und Politik in Postapartheid­Südafrika gesehen werden. Das Eliteturnier des Welt­fußballverbandes Fifa ist ein erst­rangiges Mega­Event, wie es im Bu­che steht: Das heißt, es ist ein groß angelegter und prestigeträchtiger Sportwettbewerb mit Spitzensport­lern, der regelmäßig und abwech­selnd an unterschiedlichen Orten der Welt veranstaltet wird. Sport­liche Großereignisse kennzeichnet, dass sie international ein hohes Maß an Interesse hervorrufen, große Publikumsmengen anziehen und

über hohe Unternehmensinvestiti­onen und ­erträge verfügen können. Hinsichtlich der Zuschauerzahlen und Einnahmen ist die Fußball­WM das größte Ereignis seiner Art, dicht gefolgt von den Olympischen Spie­len. Sie unterscheiden sich darin, dass die WM in mehreren Städten ausgetragen wird. Beide sind jedoch globale Medienereignisse mit enor­mer wirtschaftlicher Bedeutung für Interessengruppen innerhalb und außerhalb des Sportsektors. Allgemein ist es für viele Regie­rungen auf der ganzen Welt immer attraktiver geworden, Gastgeber von Sportgroßveranstaltungen zu wer­den. Mehrere Faktoren spielen hier – im Zusammenhang mit der wach­senden Bedeutung von Sport im

Die Fußball-WM ist ein globales Medienereigniss mit enormer wirtschaftlicher Bedeutung

Dass Südafrika die WM austragen wird, geht weit über die Tat sache hinaus, dass dieses Ereignis zum ersten Mal in Afrika ausgetragen wird. Die WM wird positive Aus wirkungen, sowohl auf die wirtschaft-liche, als auch auf die soziale Entwicklung Südafrikas haben.

20 Neuer Traum

Kommerzialisierung groß angeleg­ter Sportveranstaltungen, was wiederum dazu beiträgt, dass die Gastgeberschaft derartiger Veran­staltungen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden wird.

Allgemeinen und Sportgroßereig­nissen im Besonderen – eine Rolle. Zu nennen sind hier etwa die Su­che staatlicher Einrichtungen nach alternativen Entwicklungsmöglich­keiten, in der zunehmend verfloch­tenen und konkurrenzbetonten Welt, sowie neue symbolische und politische Werte, die Freizeit und Konsum zugeschrieben werden. All dies resultiert in der extremen

Fussball war schon während der Apartheit der Sport der schwarzen Bevölkerung

Enge Beziehung zwischen Sport und Politik

Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die Fußball­WM als Höhepunkt einer erweiterten Strategie der süd­afrikanischen Regierung zu betrach­ten, Sportveranstaltungen zu nut­zen, um das Land auf internationaler Bühne prominenter zu positionie­ren. Auf diese Weise sollen auslän­dische Direktinvestitionen angezo­gen und die Attraktivität des Landes als Urlaubsziel gesteigert werden. Tatsächlich hat sich Südafrika seit dem Ende der Apartheid um eine ganze Reihe von bedeutenden Sport­veranstaltungen bemüht. So richtete es 1995 die Rugby­WM aus, und 1996 war das Land Austragungsort der alle zwei Jahre stattfindenden konti­nentalen Fußballmeisterschaft, des Africa Cup of Nations. 1999 fanden die Panafrikanischen Spiele sowie 2003 zwei weitere Weltmeister­schaften in Südafrika statt – die des Cricket­Weltverbandes und die Golf­WM der Damen. Der Zuschlag für die Austragung der Fußball­WM 2010 stellt jedoch einen be­sonderen Triumph dar und eine einzigartige Gelegenheit, das Land

der Weltöffentlichkeit zu präsen­tieren.Das Bestreben südafrikanischer Politiker, große internationale Sport­veranstaltungen ins Land zu holen, hängt zudem mit einer historisch bedingten engen Beziehung zwi­schen Sport und Politik zusammen. Schon vor geraumer Zeit haben Historiker und Soziologen darauf hingewiesen, dass Sport eine wich­tige Rolle bei der Entstehung ge­sellschaftlicher Identitäten und der Aufrechterhaltung der Rassentren­nung spielt.

Sport spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung gesellschaftlicher Identitäten

Neuer Traum 21

Insgesamt gesehen, ist Sport ein Bereich, in dessen Rahmen viele Fragen zu Südafrikas Rassenpolitik debattiert worden sind – und das oft mit großer Tragweite. Da Sport einen derart wichtigen Teil der so­ziokulturellen Vorstellungswelt aus­macht, bedeuteten die internatio­nalen Boykotts, durch die Südafrika während der Apartheid von der Teilnahme an großen Wettkämpfen ausgeschlossen war, sehr konkrete Konsequenzen für die Gesellschaft als Ganzes.

Soccer – Sport der Schwarzen

Rugby wurde während der Apartheid von einigen Angehörigen der Afri­kaner Community mit Werten wie Männlichkeit, Kulturstolz und Über­legenheit verbunden und von ihnen als symbolisches Schlüsselattribut des »Afrikanertums« betrachtet. Im Gegensatz dazu entwickelte sich Fußball (bzw. Soccer in Südafrika) zum Sport vornehmlich der schwar­zen Bevölkerung. Ab den 1950er Jahren und mit zunehmender Be­liebtheit wurde Fußball zu einem Teil der sozialen Protestbewegung gegen die weiße Minderheitsregierung.

24 Neuer Traum

Sport zur Stärkung des Nationalstolz

Bei der Rugby­WM 1995, kurz nach den ersten demokratischen Wahlen, wurde erstmals im Rahmen einer Großveranstaltung die Verbindung von Sport und Nation Building ge­knüpft. Der Turniersieg der größ­tenteils weißen südafrikanischen Rugbymannschaft wurde nach dem letzten Spiel vom damaligen Präsi­denten Nelson Mandela gefeiert, der bei seiner Ankunft am Stadion ein springboks­Trikot trug – und so­mit die Farben der Rugby­National­mannschaft, die in der Zeit des Be­freiungskampfes als ein Symbol des Apartheidrassismus galten. Mandelas offene Übernahme dieses Symbols signalisierte eine neue Ära der Ver­söhnung, an der alle Bevölkerungs­gruppen teilhaben sollten, um ein vereintes und blühendes Südafrika zu zeigen, das bereit ist, seinen Platz in der internationalen Gemein­schaft einzunehmen. Dieselbe Sym­bolik war auch während der 1996 in Südafrika ausgetragenen Fußball­Afrikameisterschaft offen kundig. Die erstmalige Teilnahme an die­sem Turnier sollte die Integration

In der Zeit nach der Apartheid ge­wann Sport neue Bedeutung als ein Mittel zur Überwindung von Rassen­unterschieden und zur Schaffung einer gemeinsamen nationalen Iden­tität. Der ehemalige Sportminister Makhenkesi Stofile zum Beispiel stellte fest, Sport sei »ein sehr wich­tiger Teil der Gesellschaft (...). Auch unser Land trägt eine Verantwor­tung, Sport als Hilfsmittel zu nut­zen, um das Land und unser Volk in eine bestimmte Richtung zu len­ken – die Richtung eines vom Ras­sismus befreiten Südafrikas (...). Also müssen wir den Sport für das Nation Building nutzen. Wir müssen ihn nutzen, um Selbstwertgefühl und Nationalstolz zu stärken. Wir dürfen nicht an Paradigmen fest­halten, die Apartheidstereotype auf­rechterhalten«.

Der ehemalige Sportminister Makhenkesi Stofile stellte fest, Sport sei »ein sehr wichtiger Teil der Gesellschaft.«

Die WM soll als Katalysator für die Einheit des Landes genutzt werden und soll das Land innerhalb von Afrika und darüber hinaus zu einer einflussreicheren Rolle verhelfen

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Dass Weiße besonders unter der Kriminalität zu leiden hätten, ist falsch. Ein Grßteil der Gewalt spielt sich unter armen schwarzen Südafrikanern ab.

des Landes in den afrikanischen Kontinent verdeutlichen.Südafrikas Bewerbungskampagnen für die Austragung großer Sport­ereignisse werden seither von die­sen Aspekten beflügelt. Durchaus bemerkenswert sind dabei zwei Elemente, welche die Bewerbung um die WM 2010 charakterisierten: erstens der Versuch, die Veranstal­tung als Katalysator für die Einheit des Landes zu nutzen, und zweitens die Betonung darauf, wie das Ereig­nis dem Land innerhalb von Afrika und darüber hinaus zu einer ein­flussreicheren Rolle verhelfen könn­te. Im Rahmen der letzten Bewer­bungsrunde im Mai 2004 erklärte

der damalige Präsident Thabo Mbeki gegenüber der Fifa­Führung bei­spiels weise, dies sei »eine afrikani­sche Hoffnung, dass wir in einer Zu­kunft ankommen werden, in der unser Kontinent frei ist von Krieg, Flüchtlingen und Vertriebenen, frei von Gewaltherrschaft, von rassis­tischen, ethnischen und religiö­sen Konflikten, von Hunger und dem Ge wicht unserer jahrhundertelan­gen Leugnung der Menschenwürde. (...) Nichts könnte unserem Volk je­mals mehr Antrieb geben, sich für den eigenen und Afrikas Auf­schwung einzusetzen, als (...) die erfolgreiche Austragung der Fuß­ball­WM 2010«.

»Nichts könnte unserem Volk jemals mehr Antrieb geben, sich für den eigenen und Afrikas Aufschwung einzusetzen, als (...) die erfolgreiche Austragung der Fußball-WM 2010.«

Neuer Traum 25

Südafrikanische Fans jubeln ihre »bafana bafana« zu.(die jungs, die jungs)

Nils Merkel

Editorial DesignProf. Lindauer

SS 2010Hochschule Mannheim

Südafrika – Einmal Weltmeisterschaft und zurück