suchmaschinen: googlerisierung der gesellschaft
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Suchmaschinen: Googlerisierung der Gesellschaft
Prof. Dr. Dirk Lewandowski Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg [email protected] @Dirk_Lew Universität Hildesheim, 3. Dezember 2013
Agenda
1. Die Bedeutung der Suchmaschinen / Marktverhältnisse 2. Beispiele für den Einfluss Googles
– „Bestmögliche Ergebnisse“ / objektive Ergebnisreihung
– Bevorzugung eigener Angebote
3. Ergebnispräsentation und Nutzerverhalten 4. Probleme und (vermeintliche) Lösungen 5. Vision: Ein freier Web-Index 6. Fazit
Die Bedeutung der Suchmaschinen / Marktverhältnisse
Suchmaschinen
Masse
• In Deutschland in einem Monat 5,6 Milliarden Suchanfragen („Kern-Suche“).
• Pro Tag: >180 Millionen
• Pro Stunde: 7,5 Millionen
• Pro Minute: 125.448
• Pro Sekunde: 2.091
ComScore. (2010). comScore Reports Global Search Market Growth of 46 Percent in 2009. http://comscore.com/Press_Events/Press_Releases/2010/1/Global_Search_Market_Grows_46_Percent_in_2009
Der Suchmaschinenmarkt (Deutschland)
ComScore-Zahlen März 2012; http://www.focus.de/digital/internet/netzoekonomie-blog/suchmaschinen-googles-marktanteil-steigt- auf-96-prozent-in-deutschland_aid_723240.html
95,9
1,1
0,9
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Bing
Yahoo
Der Suchmaschinenmarkt: Wo stehen wir heute?
• Suchmaschinen sind der Zugang zum Wissen im Web • (Quasi-)Monopol in der Web-Suche, Vielfalt in anderen Bereichen
• Suche bleibt ein weitgehend unterschätzter Bereich
Ergebnispräsentation und Nutzerverhalten
Ergebnisseite als Ganzes
• Suchergebnisseite – Search Engine Results Page (SERP)
• Drei Bereiche: – Organische Ergebnisse – Navigationselemente
– Werbung
• Wahrnehmung der SERP: Der Knick („fold“) – Above the fold
– Below the fold
Organische Ergebnisse
• „Organisch“ = aus dem Index der Suchmaschine erzeugt
– Alle Dokumente aus dem Index haben potentiell die gleiche Chance, zu einer Suchanfrage gezeigt zu werden.
• Sonderfall: Universal-Search-Ergebnisse – Universal-Search-Ergebnisse kommen aus speziellen
Indices („Kollektionen“) und werden in die Liste der organischen Ergebnisse eingespeist.
– „Neutralität“ der Ergebnisse ist stark von der Kollektion abhängig.
• Bsp. Bing Shopping (Ciao)
• Grenzfall: Videos bei Google
Werbung
• Textanzeigen – Kontextbasiert (in Relation zur Suchanfrage)
– Oberhalb, unterhalb oder neben den organischen Ergebnissen
„Knowledge Graph“
• Strukturierte Informationen (bei Google in der rechten Spalte dargestellt)
– „Wichtigste“ Informationen werden zusammengefasst (v.a. aus Wikipedia)
– Wichtigste „Werke“ werden mit Bildern angezeigt
– Verwandte Suchanfragen (inkl. Bildern)
Das typische Verhalten der Suchmaschinennutzer
• Trefferselektion beeinflusst durch – Suchmaschinenmarke (Jansen et al. 2007)
– Position des Treffers (Keane, O'Brien, & Smyth, 2008)
– Treffer steht im sichtbaren Bereich (Granka et al. 2005; Cutrell 2007)
– Aussagekräftige Beschreibungen, hervorgehobene Keywords (Lewandowski 2008)
– Treffer ist besonders hervorgehoben – Universal Search
Wandel der Trefferpräsentation: Mehr Macht für die Suchmaschine, weniger Entscheidungsfreiheit für den Nutzer? 1. Trefferliste
– Lesen von oben nach unten; Positionseffekte
2. Universal-Search-Ergebnisseite – Grundsätzliche Beibehaltung der Listendarstellung – Lenkung der Aufmerksamkeit durch grafische Elemente, Hervorhebungen
3. Direkte Antworten / extrahierte Informationen – Aufbrechen der Listendarstellung – Ergebnisseiten bestehen nicht mehr notwendigerweise aus Verweisen auf
Dokumente
xxxx
• xxxx
xxxx
• xxxx
(Granka et al. 2004)
Suchmaschinenoptimierung
• SEO = Alle Maßnahmen, um die Sichtbarkeit von Dokumenten in Suchmaschinen zu erhöhen
• Einfluss auf die Suchergebnisse v.a. im kommerziellen Bereich evident – SEO für journalistische Inhalte – SEO für NGOs, PR, staatliche Institutionen
– Academic SEO
• SEO hat für Suchmaschinen sowohl positive wie negative Effekte
Beispiele für den Einfluss Googles
„Bestmögliche Ergebnisse“ / objektive Ergebnisreihung
Bias der Suchmaschinen
• Drei Ebenen von Suchmaschinen-Bias (Weber, 2011) – Implementierung der Suchmaschine
– Verhalten der Anbieter von Inhalten
– Nutzung von Suchmaschinen
à Eine „verzerrungsfreie“ Suchmaschine kann es nicht geben
• Verzerrungen werden zum Problem durch die Kombination von • Dominanz des Modells „algorithmische Web-Suchmaschine“
• Dominanz von Google in diesem Bereich
• Nutzerverhalten
Über was haben Suchmaschinen eigentlich Macht?
• Über das, was überhaupt in den Index aufgenommen wird – Technisch bedingte Probleme der Web-Indexierung
– Demokratisch legitimierter Ausschluss von Inhalten
– Willkürlicher Ausschluss von Inhalten
• Über das, was wir als Nutzer zu sehen bekommen – Reihung der Dokumente
– Anordnung der Suchergebnisseiten
– Direkte Antworten
These von der Entscheidungsfreiheit der Nutzer
• „Nutzer können aus der riesigen Anzahl von Ergebnissen wählen, die die Suchmaschine ihnen anzeigt.“ – Das ist nicht möglich (Suchmaschinen zeigen max. 1.000 Treffer pro Anfrage an)
– Das ist nicht realistisch (zu viele Dokumente)
– Das ist nicht effizient (Annahme, dass Ranking zumindest irgendwie funktioniert)
• Selbstverschuldete Unmündigkeit vs. Steuerung durch Suchmaschinen
Bevorzugung eigener Angebote
Information icon with hover text
Organic results
Desktop layout
News results
Organic results
Knowledge Graph
News result
Clickable areas
Lewandowski, D.; Sünkler, S.: Representative online study to evaluate the commitments proposed by Google as part of EU competition investigation AT.39740-Google - Report for Germany http://www.bui.haw-hamburg.de/fileadmin/user_upload/lewandowski/google-reports/Google_Online_Survey_DE.pdf
Desktop layout
Logged clicks (desktop layout)
3 clicks (0.3%)
478 clicks (47.7%)
13 clicks (1.3%)
Total number of clicks: 1000
Most of the clicks were on organic results and News results.
509 clicks (50.9%)
Organic Result Position Clicks
1 214
2 146
3 66
4 69
5 10
6 4 Lewandowski, D.; Sünkler, S.: Representative online study to evaluate the commitments proposed by Google as part of EU competition investigation AT.39740-Google - Report for Germany http://www.bui.haw-hamburg.de/fileadmin/user_upload/lewandowski/google-reports/Google_Online_Survey_DE.pdf
Task 3: obama(desktop layout)
5
Germany France Spain Italy
Distribution of clicks (n = 1000 for each country)
Google News Results
478 (47.8%) 127 (12.7%) 377 (37.7%) 445 (44.5%)
Organic Results 509 (50.9%) 741 (74.1%) 544 (54.4%) 486 (48.6%)
Google Knowledge Graph
13 (1.3%) 132 (13.2%) 79 (7.9%) 59 (5.9%)
Lewandowski, D.; Sünkler, S.: Representative online study to evaluate the commitments proposed by Google as part of EU competition investigation AT.39740-Google - Report for Germany http://www.bui.haw-hamburg.de/fileadmin/user_upload/lewandowski/google-reports/Google_Online_Survey_DE.pdf
Total number of clicks on results: 2000
Most of the clicks were on organic results and News results.
Organic result position
Number of clicks
% of all clicks (2000)
% of clicks on organic results (941)
1 288 14.4% 30.6%
2 344 17.2% 36.6%
3 140 7% 14.9%
4 144 7.2% 15.3%
5 17 0.8% 1.8%
6 8 0.4% 0.8%
941 clicks (47.1%)
854 clicks (42.7%)
205 clicks (10.3%)
Total number of clicks on Info-Icon: 1 click (0.05% of 2001 clicks)
Logged clicks (news search): Results of the second study (11-25-2013) to evaluate the revised commitments proposed by Google
Lewandowski, D.; Sünkler, S.: Representative online study to evaluate the commitments proposed by Google as part of EU competition investigation AT.39740-Google – Unreleased study, November, 2013
Desktop layout
Total number of clicks: 1000 Number of clicks on shopping results and links to rival offerings: 642
Most of the clicks were on organic results and Google Shopping results (93%).
593 clicks (59.3%)
0 clicks (0%)
358 clicks (35.8%)
49 clicks (4.9%)
Logged clicks (desktop layout)
23
Lewandowski, D.; Sünkler, S.: Representative online study to evaluate the commitments proposed by Google as part of EU competition investigation AT.39740-Google - Report for Germany http://www.bui.haw-hamburg.de/fileadmin/user_upload/lewandowski/google-reports/Google_Online_Survey_DE.pdf
Task 1: DSLR camera (desktop layout)
1
Germany France Spain Italy
Distribution of clicks (n = 1000 for each country)
Google Shopping Results
593 (59.3%) 667 (66.7%) 587 (58.7%) 632 (63.2%)
Organic Results 358 (35.8%) 279 (27.9%) 410 (41%) 289 (28.9%)
Rival Links 49 (4.9%) 54 (5.4%) 3 (0.3%) 79 (7.9%)
Google Shopping results
Information icon with hover text
Organic results
Clickable areas
Rival links
19
Hide alternative search sites (rival links)
Total number of clicks: 1000 Number of clicks on shopping results and links to rival offerings: 620
Most of the clicks were on organic results and Google Shopping results (79.8%).
Logged clicks (layout without distinction)
418 clicks (41.8%)
380 clicks (38%)
202 clicks (20.2%)
0 clicks (0%)
Lewandowski, D.; Sünkler, S.: Representative online study to evaluate the commitments proposed by Google as part of EU competition investigation AT.39740-Google – Unreleased study, November, 2013
Probleme und (vermeintliche) Lösungen
Zusammenspiel zwischen Suchenden und Suchmaschinen
• Diskrepanz zwischen der Bedeutung der Suche und dem Verständnis der Nutzer
– Kenntnis der Suchmöglichkeiten
– Kenntnis der Funktionsweise von Suchmaschinen
– Kenntnis der Geschäftsmodelle der Suchmaschinen
• Wesentliche Probleme entstehen erst aus der Marktsituation heraus – Einfluss der Ergebnisdarstellung
– Einfluss der Suchmaschinenoptimierung
– Sammlung von Nutzerdaten
à Nur die Schulung der Nutzer und eine Vielfalt auf dem Suchmaschinen-markt kann zu einer gesellschaftlich befriedigenden Lösung führen.
Warum brauchen wir mehr als eine Suchmaschine?
• Meinungsvielfalt • Wahl zwischen verschiedenen (algorithmischen) Sichten auf die Welt • Ideologiefreie Suchmaschinen sind nicht möglich
Hatten wir das alles nicht schon mal?
• Idee: Dem Marktführer Google eine Alternative gegenüberstellen • Quaero/Theseus: Finanzierung eines „Google Killers“?
– Quaero: Technologien für die Multimedia-Suche
– Theseus: Semantische Technologien im Business-to-Business-Kontext (ohne expliziten Fokus auf Suche)
• Bereits in der Vergangenheit heftige Kritik an der Idee, Suchmaschinen(technologie) staatlich zu fördern
• Problem: Eine einzige Alternative. • Scheitern aus verschiedenen Gründen möglich, u.a.
– Schlechtes Marketing – Gestaltung der Benutzeroberfläche – ...
Die wirtschaftliche Perspektive
• Nur die größten Internet-Unternehmen können es sich leisten, eigene Web-Indexe aufzubauen
• Microsoft ist neben Google das einzige Unternehmen, das über einen umfassenden Web-Index verfügt
• Yahoo hat seinen eigenen Index bereits vor einigen Jahren aufgegeben
• Momentan scheint der Aufbau eines eigenen Web-Index für keinen Anbieter attraktiv zu sein – auch wenn der Zugriff auf die Daten für eine Vielzahl von Unternehmen wertvoll wäre
Vision: Ein freier Web-Index
Lösung
• Man muss die Bedingungen schaffen, die die Schaffung alternativer Suchmaschinen ermöglichen
• Dies würde Innovationen durch Firmen, Institutionen und Individuen fördern.
• Dies würde zu einem fairen Wettbewerb um die besten Ideen, wie man diesen Index (für Suchanwendungen und andere Zwecke) nutzen könnte, führen
Vision
• „Ein für alle zu fairen Konditionen zugänglicher Index des Web“ – „Für alle“ meint, dass jeder Interessierte auf diesen Index zugreifen
kann.
– „Faire Bedingungen“ bedeutet nicht unbedingt kostenlos, sondern kann auch ein faires Bezahlmodell vorsehen.
– Unter „zugänglich“ ist zu verstehen, dass der Index leicht automatisch abgefragt werden kann. Weiterhin sollte tatsächlich alles im Index enthaltene auch abfragbar sein.
– Und „Index des Web“ meint schließlich möglichst alle Inhalte des Web (und ggf. darüber hinaus).
Finanzierung
• Finanzierung – Aufgrund der immensen Kosten kann ein solcher Index nur auf europäischer
Ebene geschaffen werden.
• Wer kann einen solchen Index betreiben? – Bestehende Forschungseinrichtung oder eine neu zu gründende Einrichtung – Der Betreiber des Index darf nicht allein über die Art der Erschließung der
Dokumente und ihre Verfügbarmachung bestimmen. à Kuratorium aus (potentiellen) Anwendern
Fazit
Fazit
1. Die aktuelle Marktdominanz einer Suchmaschine ist nicht wünschenswert. Die Situation wird sich durch wirtschaftlichen Wettbewerb allein nicht lösen.
2. Die Schaffung der Voraussetzungen für einen fruchtbaren Wettbewerb auf dem Suchmaschinenmarkt kann durch die Schaffung eines freien Web-Index geschaffen werden.
3. Diese Aufgabe ist mit Infrastrukturaufgaben des Staates (Straßen, Stromnetz) zu vergleichen – in Bezug auf die Sammlung und Verfügbarmachung von Wissen ist vor allem der Vergleich mit den Bibliotheken zu ziehen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Dirk Lewandowski Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Department Information
http://www.bui.haw-hamburg.de/lewandowski.html [email protected] @Dirk_Lew