stephen r. covey - der 8. weg

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  • Stephen R. Covey

    Der 8. Weg

    scanned 05/2008 corrected -dw

    Alles verndert sich. Stndig. Immer schneller. Das Leben prsentiert sich als permanentes Wildwasser. Alte Verhaltensmuster funktionieren nicht mehr. Im turbulenten Wildwasser der modernen Wissensgesellschaft mssen wir vor allem unser Hirn einsetzen und auch unsere Herzen, wenn wir etwas erreichen und uns leidenschaftlich fr etwas engagieren wollen. Doch wie entfachen wir unser inneres Feuer? Und was heit das fr Fhrungskrfte? Sie mssen bei sich selbst anfangen, ihr inneres Feuer und ihre innere Stimme finden. Und dann die an deren in ihrer Umgebung dazu inspirieren, die ihre zu finden.

    ISBN: 3-89.749-574-0 Original: The 8th Habit

    Ingrid Pro-Gill Verlag: GABAL Verlag GmbH

    Erscheinungsjahr: 2006 Umschlaggestaltung: +malsy Kommunikation und Gestaltung, Willich

    Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

  • Buch

    Alles verndert sich. Stndig. Immer schneller. Das Leben prsentiert sich als permanentes Wildwasser. Alte Verhaltensmuster funktionieren nicht mehr. Im turbulenten Wildwasser der modernen Wissensgesellschaft mssen wir vor allem unser Hirn einsetzen und auch unsere Herzen, wenn wir etwas erreichen und uns leidenschaftlich fr etwas engagieren wollen. Doch wie entfachen wir unser inneres Feuer?

    Und was heit das fr Fhrungskrfte? Sie mssen bei sich selbst anfangen, ihr inneres Feuer und ihre innere Stimme finden. Und dann die anderen in ihrer Umgebung dazu inspirieren, die ihre zu finden.

    Ist dies ein Buch nur fr Fhrungskrfte? Nein, fr jeden! Denn ein sinnerflltes Leben und wahre Gre sind eine Frage der Wahl, nicht der Position.

    Wieder ein packendes Buch von Stephen Covey! Der weltweit geachtetste Fhrungsexperte baut hier auf seinem Bestseller Die 7 Wege zur Effektivitt auf und prsentiert ein neues Muster fr ein Leben, das voller Leidenschaft ist, wahrhaftig etwas bewirkt und als Vermchtnis eine Gre hinterlsst, die ein Leben lange berdauert.

    Larry King, Journalist, CNN

  • Autor

    Dr. Stephen R. Covey, internationaler Bestseller-Autor und Unternehmensberater, studierte in Harvard und promovierte an der Brigham Young University, wo er 20 Jahre Professor fr Business Management war. Er ist Mitbegrnder von FranklinCovey, einem weltweit fhrenden Unternehmen fr Managementberatung mit Dependancen in ber 130 Lndern. Zu seinen Kunden zhlen multinationale Konzerne, Top-Manager und Regierungschefs. Er gilt weltweit als einer der wichtigsten Management-Vordenker, das Time Magazine zhlte ihn 1996 zu den 25 einflussreichsten Menschen Amerikas. Stephen R. Covey lebt mit seiner Familie in den Rocky Mountains, Utah, USA.

  • Stephen R. Covey

    Der 8. Weg Mit Effektivitt zu wahrer Gre Mit 8 Filmen auf DVD

    Aus dem Englischen

    von Ingrid Pro-Gill

    2. Auflage

  • Die amerikanische Originalausgabe The 8th Habit erschien 2004 bei Free Press, New York, USA. Copyright 2004 by FranklinCovey Company All rights reserved. No part of this work may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying and recording, or by any information storage or retrieval system. FranklinCovey and the FC logo and trademarks are trademarks of FranklinCovey Co. and their use is by permission.

    Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

    Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet ber http://dnb.ddb.de abrufbar.

    ISBN 3-89.749-574-0 Lektorat: Ute Flockenhaus, Gabal Verlag GmbH Umschlaggestaltung: +malsy Kommunikation und Gestaltung, Willich Satz und Layout: Das Herstellungsbro, Hamburg (www.buch-herstellungsbuero.de) Druck und Bindung: Aalexx Druck, Groburgwedel 2. Auflage 2006

    Copyright der Originalausgabe 2004 by FranklinCovey Company Copyright 2006 by GABAL Verlag GmbH, Offenbach Alle Rechte vorbehalten. Vervielfltigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. www.gabal-verlag.de www.gabal-shop.de www.franklincovey.de www.franklincovey.ch www.franklincovey.at

  • Fr jene Bescheidenen, Mutigen, Groen unter uns, die beispielhaft vorleben, dass Fhrung eine Frage der Wahl ist, nicht der Position

  • Dank

    Wenn man einen neuen Beitrag leisten mchte, braucht man eine ganz neue Vorbereitung das gehrt zu den wichtigsten Dingen, die ich in meinem Leben gelernt habe. Obwohl jedes bedeutsame Schreibprojekt, mit dem ich mich befasst habe, dieses Prinzip untermauerte, vergisst man es nur allzu leicht. Als ich vor fnf Jahren mit der Arbeit an diesem Buch begann, dachte ich, ich knnte mich dabei auf die Studien, die Lehre und die Ttigkeit als Berater im Bereich der Fhrung sttzen, mit denen ich mein ganzes Berufsleben verbracht hatte, und es wrde mir in ein paar Monaten aus der Feder flieen. Nach-dem mein Team und ich das Material ber ein Jahr lang ge-lehrt und niedergeschrieben hatten, lag immerhin ein erster grober Entwurf vor. Wir waren sehr aufgeregt und dachten, wir htten es endlich geschafft. In jenem Augenblick aber er-lebten wir das, was Bergsteiger nur zu gut kennen: Wir waren noch keineswegs auf dem Gipfel angelangt, sondern lediglich am Ende des ersten Anstiegs. Von diesem neuen Aussichts-punkt hart verdienter Erkenntnisse aus konnten wir Dinge se-hen, die unseren Augen bis dahin verborgen geblieben waren. Also richteten wir unseren Blick auf den wirklichen Berg und begannen mit dem neuen Aufstieg.

    Diese Erfahrung machten wir noch ein Dutzend Mal; im-mer wieder glaubten wir, endlich den Gipfel erreicht zu haben, waren berzeugt, das Buch nun fertig zu haben und muss-ten jedes Mal feststellen, dass wir lediglich auf eine weitere entscheidende Ebene der Erkenntnis gelangt waren und noch ein Berg vor uns aufragte.

    Die grten und inspirierendsten Leistungen bei der Bez-

  • wingung von Bergen in der Geschichte sind weniger das Werk Einzelner als das Produkt der auergewhnlichen Strke ver-einter, talentierter, vorbereiteter Teams, deren Mitglieder ei-nander und der gemeinsamen Vision bis zum Ende loyal ver-bunden blieben. Die meisten Gruppen, die den Mount Everest besteigen wollten, erreichten den Gipfel nicht das gelang nur ganz wenigen. Fast alle Leute und Gruppen brechen ihr Vor-haben irgendwann ab, wenn sie durch die extremen Bedingun-gen bis an ihre Grenzen getrieben werden; sie beschlieen, umzukehren, oder sind dazu gezwungen. Bei unserem fnf Jahre whrenden Aufstieg zur Fertigstellung dieses Buchs sah es nicht anders aus. Ohne die Entschlossenheit und die nie wankende innere Verpflichtung, Geduld, Ermutigung und die synergetischen Beitrge des bemerkenswerten Teams, das mir bei diesem Projekt zur Seite stand, wre das Buch nicht nur nicht so geworden, wie es ist es wre gar nicht vollendet worden!

    Daher gilt den folgenden Personen mein tief empfundener Dank fr ihre Beitrge:

    Zehntausenden von Menschen in den verschiedensten

    Kontexten auf der ganzen Welt, denen das Projekt wichtig genug war, um uns ehrliches Feedback zu ge-ben, uns bereitwillig ihre Zeit zu schenken und von ih-ren wahren Problemen, Schmerzen und Hoffnungen zu erzhlen, sodass ich allmhlich eine Bergkette des Lernens erklimmen konnte. Dieser Aufstieg fhrte mich zu stndiger Neuerfindung und wertvollen Er-kenntnissen (und stellte die Geduld meines Teams im-mer wieder auf die Probe).

    Boyd Craig, der sich fnf Jahre lang mit Leib und See-le in den Dienst dieser Sache stellte, fr seine Leiden-schaft und Hingabe beim Redigieren; dafr, dass er alle Dimensionen dieses so umfangreichen Teamprojekts managte; fr seine Fhrung und seine synergetische Partnerschaft mit unserem Verleger, unserer Agentin

  • und innerhalb unserer Firma; und ganz besonders fr seine Spiritualitt, Urteilskraft, Flexibilitt, Geduld und Fachkenntnis. Auch seiner Frau, Michelle Daines Craig, mchte ich fr ihren wundervollen positiven Geist, ihre nie schwindende Untersttzung und all die Opfer, die den Marathon erst mglich machten, von ganzem Herzen danken.

    Den Leuten in meinem Bro und dem ganzen Assis-tenzteam Patti Pallat, Julie Judd Gillman, Darla Sa-lin, Julie McAllister, Nancy Aldridge, Kara Foster Holmes, Luci Ainsworth, Diane Thompson und Chris-tie Brzezinski fr ihre wirklich auergewhnliche Hingabe und Loyalitt, ihre unermdliche Hilfe bei der Verwirklichung des Projekts und ihre erstklassige Pro-fessionalitt.

    Meinen engagierten Partnern bei FranklinCovey, vor allem Bob Whitman und meinem Sohn Sean, fr die aufmerksame, tief schrfende Durchsicht des endglti-gen Manuskripts und das wertvolle Feedback.

    Edward H. Powley, der mir bei der Sichtung der Lite-ratur zur Fhrung unschtzbare Dienste leistete; Ri-chard Garcia und Mike Robins, die mich bei meinen Forschungen unermdlich untersttzten.

    Tessa Meyer Santiago fr ihre redaktionelle Hilfe bei den frhen Fassungen des Buches.

    Sherrie Hall Everett fr ihre jahrelange Arbeit bei der immer wieder neuen Gestaltung der Abbildungen.

    Brad Anderson, Bruce Neibaur, Micah Merrill und vie-len anderen talentierten Kolleginnen und Kollegen, die im Laufe der Jahre die kreative Kraft hinter den preis-gekrnten Filmen auf der beiliegenden DVD waren.

    Greg Link fr seine visionre Genialitt bei der Ver-marktung und seine fortwhrende innere Verpflichtung auf unser Leitbild und dieses Projekt.

    Meinem Sohn Stephen, der mich so viel ber Vertrau-

  • en gelehrt hat durch sein eigenes Beispiel und durch die Erkundung der theoretischen und praktischen Grundlagen.

    Meiner charmanten Literaturagentin Jan Miller und ih-rer Partnerin Shannon Miser-Marven fr ihren jahre-langen Einsatz und ihre Frsprache.

    Bob Asahina, meinem zuverlssigen langjhrigen Re-dakteur, der mich einmal mehr daran erinnerte, dass ich aus meinem eigenen Kopf herauskommen und stets dort anfangen muss, wo der Leser steht.

    Unseren geschtzten Partnern beim Verlag Simon & Schuster besonders Carolyn Reidy, Martha Levin, Suzanne Donahue und Dominick Anfuso , die mich bei dem langwierigen Aufstiegsprozess trotz einer Rei-he von Irrwegen nicht im Stich lieen.

    Meiner lieben Frau Sandra sowie meinen Kindern und Enkeln, die durch dieses schier endlose Buchprojekt zwar an den Rand der Verzweiflung getrieben wurden, sich aber dafr entschieden, zu lcheln und mich zu ermutigen, statt mir den Hals umzudrehen. Auerdem meinem geliebten Grovater Stephen L. Richards; meinen verehrten Eltern, Stephen G. und Louise Ri-chards Covey; und meinen lieben Geschwistern Irene, Helen Jean, Marilyn und John, die seit meiner Kindheit groen Einfluss darauf hatten, wer ich geworden bin.

    Gott, unserem Vater, fr seinen Plan, der Glck fr alle seine Kinder vorsieht.

  • Inhalt

    1 Der Schmerz ............................................................................... 13 2 Das Problem ............................................................................... 30 3 Die Lsung ................................................................................. 49

    TEIL 1 Finden Sie Ihre innere Stimme ........................... 63 4 Entdecken Sie Ihre innere Stimme unsere ungeffneten Geburts-Geschenke ........................................... 64 5 Bringen Sie Ihre innere Stimme zum Ausdruck: Vision, Disziplin, Leidenschaft und Gewissen ................................... 95

    TEIL 2 Inspirieren Sie andere dazu, ihre innere Stimme zu finden ........................................................................... 140

    6 Inspirieren Sie andere dazu, ihre innere Stimme zu finden: Die Herausforderung der Fhrung .......................... 141

    Fokus Vorbild und Visionr sein ................................ 180 7 Die Stimme des Einflusses: Ein Trimmruder sein ........ 181 8 Die Stimme der Vertrauenswrdigkeit: Als Vorbild Charakterstrke und Kompetenz vorleben .......................... 209 9 Die Stimme und Schnelligkeit des Vertrauens ............... 231 10 Verschmelzung der inneren Stimmen: Die Suche nach der dritten Alternative ............................................................... 267 11 Mit einer Stimme: Als Visionr gemeinsame Vision, Werte und Strategie entwickeln ............................................. 299

    Umsetzung Koordinator und Coach sein ................... 323

  • 12 Die Stimme und Disziplin der Umsetzung: Als Koordinator Ziele und Systeme auf Ergebnisse ausrichten ......................................................................................................... 324 13 Die Stimme der Befhigung: Als Coach Leidenschaft und Talent freisetzen ................................................................. 349

    Das Zeitalter der Weisheit .............................................. 379 14 Der 8. Weg und der ideale Punkt ..................................... 380 15 Weise Nutzung unserer inneren Stimmen, um anderen zu dienen ....................................................................................... 413 16 Fragen, die mir besonders oft gestellt werden ............. 452

    Anhnge ............................................................................ 462 ANHANG 1 Literaturbersicht zu Fhrungstheorien ..... 463 ANHANG 2 Reprsentative Aussagen zu Fhrung und Management ................................................................................ 475 ANHANG 3 Praktische Anwendung der 4 Disziplinen erfolgreicher Umsetzung .......................................................... 482 ANHANG 4 xQ-Ergebnisse .................................................... 483 ANHANG 5 Das Modell von FranklinCovey ................... 488 Anmerkungen .............................................................................. 494 ber FranklinCovey .................................................................. 504 ber den Autor ........................................................................... 508 Die Herausforderung des 8. Weges ....................................... 510 Leserstimmen .............................................................................. 512

  • KAPITEL 1 Der Schmerz

    Stimmen, die wir heute immer wieder hren:

    Ich habe gar kein Leben mehr. Ich bin ausgebrannt und leer. Niemand schtzt mich wirklich. Mein Chef hat nicht die lei-seste Ahnung von meinen Fhigkeiten. Ich habe nicht das Gefhl, besonders gebraucht zu werden nicht bei der Arbeit und auch nicht von meinen Kindern, meinen Nachbarn, der Gemeinde oder meiner Frau , auer um die Rechnungen zu bezahlen. Ich stecke fest, es ist immer der gleiche Trott. Ich bin frustriert und mutlos. Ich verdiene einfach nicht genug, damit es reicht. Ich scheine gar nicht voranzukommen. Vielleicht bin ich schlicht nicht gut genug. Nichts von dem, was ich tue, ist wirklich wichtig. Ich fhle mich innerlich leer. Mein Leben hat keinen Sinn, es fehlt irgendetwas. Ich bin wtend. Und ich habe Angst! Ich kann es mir nicht leisten, meine Stelle zu verlieren. Ich bin einsam. Alles ist dringend diesen Stress halte ich nicht mehr aus! Nur Mikromanagement ich ersticke einfach! Der ganze Kleinkrieg, die Anbiederung das macht mich richtig krank. Ich langweile mich, vertreibe mir blo meine Zeit. Die Ar-beit bringt mir kaum Befriedigung.

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  • Stndig diese Hetze, die Jagd nach Ergebnissen. Dieser ungeheure Druck, die gewnschten Resultate vorzuweisen. Ich habe einfach nicht genug Zeit und Ressourcen, um das alles zu schaffen. Meine Frau versteht mich nicht, die Kinder hren mir nicht zu und machen, was sie wollen zu Hause bin ich kein bis-schen besser dran als bei der Arbeit. Ich kann ja doch nichts ndern

    Das sind die Stimmen von Menschen zu Hause oder bei der Arbeit von Millionen von Eltern, Arbeitern, Dienstleistern, Managern, Spezialisten und Fhrungskrften auf der ganzen Welt, die darum kmpfen, in der neuen Realitt nicht unterzu-gehen. Der Schmerz ist persnlich, und er sitzt tief. Vielleicht sprechen Ihnen sogar viele dieser Stimmen aus dem Herzen. Carl Rogers hat recht: Gerade das Persnlichste ist das All-gemeinste.1

    Natrlich gibt es durchaus Menschen, die sehr viel Kraft in ihre Arbeit stecken, wichtige Beitrge leisten und dadurch auch wieder Kraft gewinnen. Es sind aber viel zu wenige! Ich stelle meinen Zuhrern oft die Frage: Wie viele von Ihnen sind auch der Ansicht, dass die groe Mehrheit der Leute in Ihrem Unternehmen ber viel mehr Talent, Intelligenz, Fhig-keiten und Kreativitt verfgt, als ihr derzeitiger Job erfordert oder auch nur zulsst? Die berwltigende Mehrheit hebt die Hand, und zwar berall auf der Welt. Etwa ebenso viele geben an, dass sie unter einem enormen Druck stehen, mehr fr we-niger zu produzieren. Ist das nicht unglaublich? Die Leute sehen sich mit einer neuen, immer strkeren Erwartung konf-rontiert, in einer schrecklich komplexen Welt mehr fr weni-ger zu produzieren, doch man erlaubt ihnen einfach nicht, ei-nen signifikanten Teil ihrer Talente und ihrer Intelligenz ein-zusetzen.

    In Unternehmen und Organisationen zeigt dieser Schmerz sich am deutlichsten und klarsten in der Unfhigkeit, sich auf Prioritten zu konzentrieren und sie umzusetzen. Harris Inter-

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  • active, die Begrnder der Harris Poll, untersuchten vor kurzem mithilfe des so genannten xQ-Fragebogens (xQ steht fr Exe-cution Quotient, Umsetzungsquotient)* 23.000 Einwohner der USA mit Vollzeitstellen in Schlsselbranchen1 una Schlsselbereichen3.

    Dabei entdeckte man ganz Erstaunliches:

    Nur 37 Prozent der Befragten gaben an, genau zu verstehen,

    was ihr Unternehmen zu erreichen versucht und weshalb. Nur 20 Prozent waren von den Zielen ihres Teams und ih-

    res Unternehmens begeistert. Lediglich 20 Prozent der Arbeiter sagten, ihre eigenen Auf-

    gaben seien klar auf die Ziele ihres Teams und ihres Unter-nehmens ausgerichtet.

    Blo 50 Prozent waren am Ende der Woche mit der von ihnen geleisteten Arbeit zufrieden.

    Nur 15 Prozent hatten das Gefhl, dass ihr Unternehmen es ihnen rckhaltlos ermglicht, Schlsselziele umzusetzen.

    Lediglich 15 Prozent hatten das Gefhl, dass in ihrer Um-gebung viel Vertrauen herrscht.

    Nur 17 Prozent waren der Ansicht, dass ihr Unternehmen eine offene Kommunikation frdert, bei der auch abwei-chende Meinungen geachtet werden und die zu neuen, bes-seren Ideen fhrt.

    Lediglich zehn Prozent waren der Meinung, dass ihr Unter-nehmen die Leute fr ihre Ergebnisse verantwortlich macht.

    Blo 20 Prozent hatten uneingeschrnktes Vertrauen zu der Organisation, fr die sie arbeiteten.

    Nur 13 Prozent hatten sehr kooperative, von groem Ver-trauen geprgte Arbeitsbeziehungen zu anderen Gruppen

    * Die Ergebnisse der Studie von Harris Interactive, bei der 23000 Arbeiter, Manager und Fhrungskrfte den xQ-Fragebogen ausfllten, werden in Anhang 4 eingehend wie-dergegeben.

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  • oder Abteilungen.

    bertragen auf eine Fuballmannschaft hiee das: Blo vier der elf Spieler auf dem Feld wssten, welches Tor ihr eigenes ist. Nur zwei der elf wre das berhaupt wichtig. Lediglich zwei wrden ihre Position kennen und genau wissen, was sie tun sollen. Und bis auf zwei wrden alle Spieler auf die ein oder andere Weise gegen ihre Mannschaftskameraden antre-ten, nicht gegen das gegnerische Team.

    Diese Daten machen wirklich nachdenklich. Sie stimmen mit meinen eigenen Erfahrungen mit Menschen in den ver-schiedensten Organisationen und Unternehmen auf der ganzen Welt berein. Trotz allen technischen Fortschritts, aller Pro-duktinnovationen und globalen Mrkte verkmmern die meis-ten Leute in ihrem Job. Sie sind weder erfllt noch begeistert. Sie sind frustriert. Ihnen ist nicht klar, wie die Ziele ihres Un-ternehmens und ihre hchsten Prioritten aussehen. Sie haben das Gefhl, in einer Sackgasse zu stecken. Und das Schlimm-ste ist: Sie haben nicht das Gefhl, viel ndern zu knnen. Knnen Sie sich vorstellen, welche immensen Kosten es be-deutet, dass man die Leidenschaft, das Talent und die Intelli-genz der Leute nicht ganz ausschpft? Sie bersteigen die Summe aller Steuern, Zinszahlungen und Arbeitskosten bei weitem!

    Weshalb ein 8. Weg?

    Seit dem Erscheinen von Die 7 Wege zur Effektivitt im Jahre 1989 hat sich die Welt radikal verndert. In unserem persnli-chen Leben und unseren Beziehungen, in unseren Familien, im Berufsleben und in den Unternehmen sehen wir uns jetzt sehr viel greren und komplexeren Herausforderungen gegenber. Gerade 1989 das Jahr, als in Berlin die Mauer fiel betrach-

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  • ten viele als den Beginn des Informationszeitalters, die Ge-burtsstunde einer neuen Wirklichkeit, eine wahre Zeitenwende den Anfang einer ganz neuen ra.

    Ich bin oft gefragt worden, ob die 7 Wege in der neuen Realitt unserer Zeit berhaupt noch von Bedeutung sind. Meine Antwort war immer die gleiche: Je umfangreicher die Vernderungen und je schwieriger die Herausforderungen, desto wichtiger werden die 7 Wege! Bei ihnen geht es ja um hohe Effektivitt. Sie reprsentieren ein vollstndiges Gefge universeller, zeitloser Charakter- und Effektivittsprinzipien.

    Heute steht es dem Einzelnen und den Unternehmen nicht mehr frei, sich fr Effektivitt zu entscheiden es bleibt ihnen gar nichts anderes brig! Wenn wir aber in dieser neuen Wirk-lichkeit berleben wollen, wenn wir in ihr gedeihen, uns aus-zeichnen und eine Fhrungsrolle bernehmen wollen, reicht bloe Effektivitt nicht aus. Die neue ra verlangt Gre, sie ruft nach Erfllung, einer leidenschaftlichen Umsetzung und bedeutsamen Beitrgen. Diese Faktoren gehren zu einer an-deren Ebene, einer anderen Dimension. Sie sind von anderer Art so, wie Bedeutsamkeit sich vom Wesen her, nicht im Ausma, vom Erfolg unterscheidet. Wer sich die hheren Be-reiche des menschlichen Genius und der Motivation die in-nere Stimme erschlieen will, braucht neue Denkweisen und Einstellungen, neue Fhigkeiten und Techniken, neues Werk-zeug kurz gesagt: einen neuen Weg.

    Der 8. Weg ist also keine Ergnzung der 7 Wege um einen weiteren einen, der bisher irgendwie vergessen wurde. Es geht vielmehr darum, den 7 Wegen die Kraft einer dritten Di-mension zu verleihen, ohne die wir die zentrale Herausforde-rung des neuen Zeitalters der Wissensarbeit nicht bewltigen knnen. Der 8. Weg wird es Ihnen ermglichen, Ihre innere Stimme zu finden und andere dazu zu inspirieren, die ihre zu finden.

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  • Abb. 1.1

    Der 8. Weg fhrt uns zu einer enorm viel versprechenden Seite heutiger Realitt. Sie steht in scharfem Kontrast zu dem Schmerz und der Frustration, die ich beschrieben habe. Sie ist eine zeitlose Realitt: die Stimme des menschlichen Geistes voller Hoffnung und Intelligenz, von Natur aus widerstandsf-hig und grenzenlos in ihrem Potenzial, dem Gemeinwohl zu

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  • dienen. Diese innere Stimme umfasst auch die Seele jener Organisationen und Unternehmen, die berleben und gedeihen und die Zukunft der Welt tief greifend beeinflussen werden.

    Abb. 1.2

    Innere Stimme bedeutet einzigartige persnliche Bedeutung eine Bedeutung, die sich angesichts groer Herausforderungen zeigt und die uns diese Herausforderungen meistern lsst.

    Wie Abbildung 1.2 zeigt, liegt unsere innere Stimme genau in der Schnittmenge von Talent (unsere natrlichen Gaben und Strken), Leidenschaft (jene Dinge, die uns von Natur aus Energie verleihen, die uns begeistern, motivieren und inspirie-ren), Bedrfnissen (einschlielich der Bedrfnisse, fr deren Erfllung wir bezahlt werden) und Gewissen (jene leise Stim-me in uns, die uns sagt, was richtig ist, und uns dazu bewegt, entsprechend zu handeln). Wenn wir eine Arbeit bernehmen,

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  • die unser Talent anzapft und unsere Leidenschaft nhrt, eine Arbeit, die aus einem groen Bedrfnis in der Welt erwchst, zu dessen Erfllung unser Gewissen uns drngt, dann liegt genau darin unsere innere Stimme, unsere Berufung, der Code unserer Seele.

    In jedem von uns schlummert eine tiefe, ursprngliche Sehnsucht danach, im Leben seine innere Stimme zu finden. In der exponentiellen, revolutionren Explosion des Internet schlgt sich das besonders stark nieder. Man kann das Internet als perfektes Symbol fr die neue Welt betrachten, fr die Wirtschaft im Zeitalter der Informationen und der Wissensar-beit und fr die dramatischen Vernderungen, die stattgefun-den haben. In ihrem 2000 erschienenen Buch Das Cluetrain Manifest schreiben Levine, Locke, Searls und Weinberger:

    Wir alle finden unsere eigene Identitt wieder. Wir lernen, wieder miteinander zu reden . Innerhalb und auerhalb der Unternehmen ist inzwischen eine Form der Konversation zu beobachten, die noch vor fnf Jahren gar nicht stattfand und die seit der Industriellen Revolution kaum in Erschei-nung getreten war. Nun, da diese Form des Miteinanders-prechens, die via Internet und World Wide Web den gesam-ten Planeten umspannt, so gewaltig und facettenreich ist, ist es geradezu mig, herausfinden zu wollen, worum es geht. Denn es geht um seit Milliarden von Jahren aufgestaute Hoffnungen und ngste und Trume, verschlsselt in ver-drillten Doppelhelices. Es ist das kollektive Dj-vu unserer kaum zu begreifenden und verblffenden Spezies. Es ist et-was Altertmliches, Elementares, Heiliges und eine ziemlich lustige und witzige Angelegenheit, was da in den Strippen, Drhten und Kabelkanlen des 20. Jahrhunderts losgetreten wurde. Es existieren Millionen roter Fden oder Threads. Doch am Anfang und am Ende eines solchen Thread steht ein Mensch . Ein so leidenschaftliches Verlangen nach dem Web zeugt von einer sehr intensiven Sehnsucht, die nur noch spirituell begrndet werden kann. Sehnsucht ist ein Indiz dafr, dass

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  • es unserem Leben an etwas mangelt. Wir vermissen den Klang der menschlichen Stimme. Die spirituelle Verlockung des Web ist die Aussicht darauf, diese Stimme wiederzufin-den.4

    Statt die innere Stimme jetzt noch genauer zu beschreiben, mchte ich sie lieber durch die wahre Geschichte eines Man-nes veranschaulichen. Als ich Muhammad Yunus, den Grn-der der Grameen Bank einer einzigartigen Organisation, deren Daseinszweck allein die Vergabe von Kleinstkrediten an die rmsten der Armen in Bangladesch ist , kennen lernte, fragte ich ihn, wann und wie seine Vision entstanden sei. Er sagte, das alles habe berhaupt nicht mit einer Vision angefan-gen. Er habe schlichtweg einen Menschen mit einem Bedrf-nis gesehen, habe versucht, es zu erfllen, und dann habe sich die Vision entwickelt. Muhammad Yunus Vision von einer Welt ohne Armut entstand durch eine Begebenheit auf den Straen von Bangladesch. Bei einem Interview fr meine Ko-lumne zur Fhrung5 erzhlte er mir diese Geschichte:

    Der Beginn liegt 25 Jahre zurck. Damals war ich an einer Universitt in Bangladesch Dozent fr Volkswirtschaft. Das Land litt unter einer furchtbaren Hungersnot, und ich fhlte mich schrecklich. Im Hrsaal trug ich, mit der Begeisterung eines frisch gebackenen Doktors aus den USA, all die tollen Wirtschaftstheorien vor. Drauen aber sah ich berall nur bis auf die Knochen abgemagerte Menschen Menschen, die auf ihren Tod warteten.

    Alles, was ich gelernt hatte und lehrte, war offenbar nur schner Schein, es hatte keinerlei Bedeutung fr das Leben der Menschen. Daher fing ich an zu recherchieren, wie die Leute in dem Dorf lebten, das unmittelbar an das Universi-ttsgelnde angrenzte. Ich wollte herausfinden, ob ich ir-gendetwas tun konnte, um den Tod hinauszuzgern oder zu verhindern, und sei es nur fr eine einzige Person. Ich gab die Vogelperspektive auf, aus der wir die Dinge von oben sehen, vom Himmel herab, und wechselte in die Froschpers-

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  • pektive, sodass ich alles aus der Nhe sah, es riechen und berhren konnte, um eventuell helfen zu knnen.

    Dann hatte ich ein Erlebnis, das mich in eine neue Rich-tung fhrte: Ich begegnete einer Frau, die aus Bambus Sth-le anfertigte. Bei einem langen Gesprch erfuhr ich, dass sie nur zwei US-amerikanische Cent am Tag verdiente. Das konnte ich nicht fassen wie war es mglich, dass jemand, der so hart arbeitete und so schne Bambussthle herstellte, nur einen so winzigen Gewinn machte? Die Frau erklrte mir, dass sie kein Geld htte, um den Bambus zu kaufen, und ihn sich daher von dem Hndler leihen msste; und der Hndler verlangte von ihr, dass sie ihre Sthle ausschlie-lich an ihn verkaufte, und zwar zu einem Preis, den er be-stimmte.

    Deshalb verdiente sie am Tag nur zwei Cent sie war praktisch die Leibeigene des Hndlers! Und wie viel kostete der Bambus? Sie sagte: Oh, ungefhr 20 Cent. Besonders guter 25 Cent. Ich dachte: Die Leute leiden wegen 20 Cent und man kann nichts dagegen tun? Erst wollte ich ihr 20 Cent geben, doch dann fiel mir etwas Besseres ein: Ich wrde eine Liste aller Leute machen, die Betrge dieser Gre brauchten. Also zog ich mit einem meiner Studenten tagelang durch das Dorf. Schlielich enthielt unsere Liste 42 Namen. Als ich die bentigten Betrge addierte, bekam ich den grten Schock meines Lebens: Die Summe belief sich auf ganze 27 Dollar! Ich schmte mich, weil ich zu einer Ge-sellschaft gehrte, die 42 hart arbeitenden, geschickten Menschen nicht einmal 27 Dollar zur Verfgung stellen konnte.

    Um der Scham zu entfliehen, nahm ich das Geld aus mei-nem Portemonnaie und gab es dem Studenten: Bringen Sie dieses Geld den 42 Leuten, mit denen wir gesprochen haben. Sagen Sie ihnen, dass es sich um ein Darlehen handelt, dass sie es mir aber erst zurckzuzahlen brauchen, wenn ihnen das mglich ist. Inzwischen knnen sie ihre Produkte berall verkaufen, wo sie einen guten Preis bekommen.

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  • Damit das Bse triumphieren kann, ist nur eins ntig: dass gute Menschen nichts tun.6

    EDMUND BURKE

    Als diese Leute das Geld in den Hnden hielten, waren sie ganz aufgeregt. Und ich dachte: Was kann ich noch tun? Mir fiel die Bankfiliale auf dem Universittsgelnde ein. Ich ging zu dem Zweigstellenleiter und schlug ihm vor, den Ar-men, die ich im Dorf kennen gelernt hatte, Geld zu leihen. Dieses Ansinnen verschlug ihm fast die Sprache. Sie sind ja verrckt! Das ist vllig unmglich. Armen knnen wir kein Geld leihen, sie sind nicht kreditwrdig! Ich verlegte mich aufs Bitten: Versuchen Sie es doch wenigstens es handelt sich ja nur um einen kleinen Betrag! Er blieb hart: Nein. Das wre gegen unsere Regeln. Sie knnen keine Sicherhei-ten bieten, und das Verleihen so kleiner Summen lohnt sich nicht. Er riet mir, mich an die hohen Tiere in der Banken-hierarchie in Bangladesch zu wenden.

    Das machte ich dann auch. Ich ging zu den Leuten, die im Bankwesen etwas zu sagen hatten und bekam berall die gleiche Antwort. Nachdem ich mir tagelang die Fe wund gelaufen hatte, bot ich mich schlielich als Brge an: Ich brge fr das Darlehen. Ich werde alles unterschreiben, was Sie wollen; dann knnen Sie mir das Geld auszahlen, und ich gebe es den Leuten, denen ich es geben will.

    So fing es also an. Die Bankleute warnten mich immer wieder, die Armen wrden das Geld niemals zurckzahlen. Ich sagte, ich wrde es darauf ankommen lassen. Und die berraschung war: Sie zahlten mir tatschlich jeden Cent zurck! Ich ging wieder zu dem Zweigstellenleiter und sagte: Sehen Sie nur, sie zahlen doch zurck, es gibt kein Prob-lem! Er aber erwiderte: Oh nein, sie machen Ihnen nur etwas vor. Bald werden sie mehr Geld nehmen, und das zah-len sie Ihnen dann nie mehr zurck. Also gab ich ihnen mehr Geld, und sie zahlten es mir wieder zurck. Als ich das

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  • dem Zweigstellenleiter erzhlte, sagte er: Naja, in einem einzigen Dorf mag das funktionieren Aber in zwei Drfern ganz bestimmt nicht! Daraufhin machte ich es in zwei Dr-fern und auch dort klappte es.

    Die Sache wurde gewissermaen zu einem Kampf zwi-schen mir und dem Zweigstellenleiter und hochrangigen Bankleuten. Sie sagten, eine grere Zahl von Drfern fnf wahrscheinlich wrde zeigen, dass sie Recht htten. Also machte ich es in fnf Drfern, und wieder zahlten alle das Geld zurck. Aber die Bankleute gaben sich nicht geschla-gen. Sie sagten: Zehn Drfer. 50 Drfer. 100 Drfer! Zwi-schen uns entwickelte sich ein richtiger Wettkampf. Ich pr-sentierte ihnen Ergebnisse, die sie nicht abstreiten konnten schlielich verwendete ich ja ihr Geld. Sie wollten diese Er-gebnisse jedoch nicht akzeptieren, da man ihnen bei ihrer Ausbildung beigebracht hatte, dass Arme nicht zuverlssig seien. Ich hingegen war zum Glck nicht so ausgebildet worden und konnte daher alles glauben, was ich mit meinen eigenen Augen sah. Die Kpfe und Augen der Bankleute aber waren blind blind durch ihr Wissen.

    Schlielich kam ich auf die richtige Idee: Warum ver-suchte ich eigentlich, sie zu berzeugen? Ich war doch vllig sicher, dass Arme sich durchaus Geld leihen und es zurck-zahlen knnen. Warum sollte ich da keine eigene Bank grn-den? Die Idee begeisterte mich! Ich schrieb meinen Vor-schlag auf und wendete mich an die Behrden, um die Ge-nehmigung dafr zu bekommen. Nach zwei langen Jahren erhielt ich sie endlich.

    Am 2. Oktober 1983 wurden wir eine Bank eine offiziel-le, unabhngige Bank! Nun konnten wir nach Belieben ex-pandieren. Genau das taten wir auch.

    Wenn wir durch ein groes Ziel inspiriert werden, durch ein auergewhnliches Projekt, sprengen unsere Gedanken alle Schranken. Unser Verstand erhebt sich ber Grenzen, unser Bewusstsein dehnt sich in alle Richtungen aus

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  • und wir finden uns in einer neuen, groartigen, wundervollen Welt wieder.

    AUS DEM JOGASUTRA VON PATANJALI

    Heute hat die Grameen Bank in Bangladesch 1267 Filialen mit ber 12.000 Angestellten und ist in mehr als 46.000 Drfern ttig. Sie hat ber 4,5 Milliarden US-Dollar als Darlehen ver-geben; die Betrge liegen jeweils bei 12 bis 15 Dollar, im Durchschnitt unter 200 Dollar. Sie gewhrt jedes Jahr Darle-hen im Wert von insgesamt etwa einer halben Milliarde Dollar sogar Bettlern, damit sie sich eine Existenz aufbauen kn-nen. Ein Hausbaukredit liegt bei 300 Dollar. Im Bankwesen sind das natrlich kleine Summen, doch fr den Einzelnen bewirken sie unendlich viel: Die Summe von 500 Millionen Dollar im Jahr bedeutet, dass 3,7 Millionen Menschen (zu 96 Prozent Frauen) den Entschluss fassen mussten, etwas zu un-ternehmen, um ihr eigenes Leben und das Leben ihrer Fami-lien zu verndern; 3,7 Millionen Menschen kamen zu dem Schluss, dass sie Vernderungen herbeifhren konnten; 3,7 Millionen Menschen erlebten eine schlaflose Nacht und stan-den am nchsten Morgen zitternd, aber entschlossen in einer Filiale der Grameen Bank. Den Kern dieser Bewegung bilden einzelne Frauen, die sich individuell und in synergetischen Gruppen dafr entschieden, selbststndige, unabhngige Un-ternehmerinnen zu werden, die Gter in ihrem Haus oder Hof produzieren, um wirtschaftlich berlebensfhig und erfolg-reich zu werden. Sie alle haben ihre innere Stimme gefunden!

    Ich habe mich mit einigen groen Fhrern der Welt be-schftigt und auch persnlich mit ihnen gesprochen. Dabei fiel mir auf, dass ihr Gefhl fr ihre Vision und innere Stimme sich gewhnlich langsam entwickelt hatte. Ich bin mir sicher, dass dies Ausnahmen waren. Bei einigen werden Visionen auch pltzlich und unvermittelt ins Bewusstsein brechen. Ich habe jedoch festgestellt, dass Visionen meist dann kommen,

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  • wenn die Leute irgendwo ein Bedrfnis erkennen und auf ihr Gewissen reagieren, um dieses Bedrfnis zu erfllen. Wenn ihnen das gelungen ist, sehen sie ein weiteres Bedrfnis, das sie wiederum erfllen, und so weiter. Allmhlich fangen sie an, dieses Gespr fr Bedrfnisse zu verallgemeinern und darber nachzudenken, wie sie ihre Bemhungen institutiona-lisieren knnen, um sie nachhaltig zu machen.

    Muhammad Yunus ist ein Beispiel fr solch ein Handeln: Er sprte die Bedrfnisse anderer Menschen und folgte seinem Gewissen, indem er sein Talent und seine Leidenschaft an-wendete, um diese Bedrfnisse zu erfllen zunchst persn-lich, dann durch den Aufbau von Vertrauen und die Suche nach kreativen Lsungen fr die Probleme und schlielich durch die Institutionalisierung der Fhigkeit, die Bedrfnisse der Gesellschaft durch eine Organisation zu erfllen. Er fand seine eigene innere Stimme, indem er andere dazu inspirierte, die ihre zu finden. Heute breitet die Kleinstkredit-Bewegung sich ber die ganze Welt aus.

    Nur wenige von uns knnen Groes tun, doch wir alle knnen mit groer Liebe kleine Dinge tun.

    MUTTER TERESA

    Der Schmerz das Problem die Lsung

    Am Anfang habe ich den Schmerz der Berufsttigen be-schrieben, einen Schmerz, den Menschen auf allen Ebenen in Unternehmen und Organisationen jeder Art, in Familien, Ge-meinden und der ganzen Gesellschaft empfinden.

    Mit diesem Buch mchte ich Ihnen eine Landkarte geben,

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  • die Sie von Ihrem Schmerz und der damit einhergehenden Frustration zu wahrer Erfllung, Relevanz, Bedeutung und wichtigen Beitrgen in der neuen Landschaft unserer Zeit fh-ren wird nicht nur bei der Arbeit und in Ihrem Unternehmen, sondern in Ihrem ganzen Leben. Kurz gesagt: Mithilfe dieser Landkarte werden Sie Ihre innere Stimme finden. Falls Sie das mchten, wird sie Sie auch dazu anleiten, Ihren Einfluss unab-hngig von Ihrer Position erheblich zu erweitern indem Sie die Menschen, die Ihnen wichtig sind, Ihr Team und Ihr Un-ternehmen dazu inspirieren, ebenfalls ihre innere Stimme zu finden und ihre Effektivitt, ihr Wachstum und ihre Wirkung um ein Vielfaches zu vergrern. Sie werden entdecken, dass diese Art von Einfluss und Fhrung aus der eigenen Entschei-dung erwchst, nicht aus der Position oder dem Rang.

    Die beste und oft auch einzige Mglichkeit, Schmerz zu bewltigen und eine dauerhafte Lsung zu erreichen, liegt darin, zunchst das Grundproblem zu verstehen, das den Schmerz verursacht. In diesem Fall resultiert das Problem vor allem aus Verhalten, das auf einem unvollstndigen oder stark verzerrten Paradigma beruht: auf einer Auffassung von der Natur des Menschen, die das Wertgefhl der Leute aushhlt und ihre Talente und ihr Potenzial erstickt.

    Die Lsung fr dieses Problem kann wie die meisten sig-nifikanten Durchbrche in der Geschichte der Menschheit nur aus einer fundamentalen Abkehr von alten Denkweisen erwachsen. Das Versprechen dieses Buches ist: Wenn Sie Ge-duld aufbringen und sich bemhen, zunchst das Problem an der Wurzel zu verstehen, und sich dann entschlieen, Ihr Leben an den zeitlosen, universellen Prinzipien auszurichten, auf de-nen die in diesem Buch dargestellte Lsung beruht, wird Ihr Einfluss stetig von innen nach auen wachsen. Sie werden Ihre innere Stimme finden und Ihr Team und Ihr Unternehmen dazu inspirieren, in dieser dramatisch vernderten Welt die ihre zu finden.

    Kapitel 1 skizziert kurz den erschreckenden Status quo unserer

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  • Wirklichkeit. Das nchste Kapitel wird das Kernproblem identifizieren.

    Die Herausforderungen, mit denen wir im Hinblick auf uns selbst, in unseren familiren und Arbeitsbeziehungen und in den Organisationen, in denen wir einen groen Teil unseres Lebens verbringen, konfrontiert werden, knnen wir viel bes-

    ser begreifen, wenn wir dieses tief verwurzelte Problem ver-stehen. Das geht nicht ohne geistige Anstrengung! Aber die Investition, sich mit der menschlichen Seite von dem zu be-fassen, was im letzten Jahrhundert in den Organisationen passiert ist, gibt Ihnen das Schlsselparadigma fr das ganze Buch in die Hand. Und Sie werden allmhlich Weisheit, Orientierung und Kraft fr den Umgang mit den wichtigsten Herausforderungen und Chancen im persnlichen Bereich und bei Ihren Beziehungen erlangen. Also: Halten Sie durch, es ist es wert!

    Kapitel 3 gibt einen berblick ber den 8. Weg und des-sen Lsung, die dann im Rest des Buchs besprochen wird, und einige Hinweise dazu, wie Ihnen das Buch am meisten ntzen kann.

    Film: Das Lebenswerk

    Bevor Sie weiterlesen, mchte ich Sie einladen, sich einen kleinen Drei-Minuten-Film mit dem Titel Das Lebenswerk anzuschauen, der berall in den USA in den Kinos gezeigt wurde. Er wird Ihnen ein paar Augenblicke schenken, in denen Sie ber die Kernelemente Ihrer inneren Stimme und

    die vier damit zusammenhngenden universellen menschli-chen Bedrfnisse zu leben, zu lieben, zu lernen und ein Vermchtnis zu hinterlassen nachdenken knnen. Er wird Ihnen das Grundmodell, das fundamentale Paradigma dieses Buchs, vermitteln: das Modell der GANZEN PERSON. Auch

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  • in einigen anderen Kapiteln werde ich auf einen kurzen Film hinweisen, der Ihnen den Kern des jeweiligen Inhalts vermit-teln soll. Diese Filme viele wurden mit renommierten natio-nalen und internationalen Preisen ausgezeichnet finden Sie auf der beiliegenden DVD. Manche der gezeigten Geschichten sind wahr, andere Fiktion, doch alle sind kraftvoll und sehr emotional. Ich bin berzeugt, dass Sie die Inhalte dieses Bu-ches durch die Filme besser sehen, fhlen und verstehen kn-nen. Auerdem glaube ich, dass sie Ihnen gefallen werden. Falls die Filme Sie nicht interessieren sollten, knnen Sie die entsprechenden Hinweise im Buch einfach berspringen und weiterlesen. Nun viel Vergngen bei Das Lebenswerk!

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  • KAPITEL 2 Das Problem

    Wenn die Infrastruktur sich verschiebt, chzt und knarrt alles.1

    STAN DAVIS

    Wir erleben gerade eine der signifikantesten Verschiebungen in der Geschichte der Menschheit. Peter Drucker, einer unserer grten Managementexperten, formuliert das so:

    In einigen Jahrhunderten, wenn die Geschichte unserer Zeit aus einer langfristigen Perspektive heraus geschrieben wird, werden die Historiker wahrscheinlich weder die Techno-logie noch das Internet oder den E-Commerce als wichtigstes Ereignis betrachten, sondern die groen Vernderungen der Lebenssituation. Zum ersten Mal hat eine erhebliche, schnell wachsende Zahl von Menschen die Freiheit zu whlen. Zum ersten Mal mssen sie sich selbst managen. Und darauf ist unsere Gesellschaft in keiner Weise vorbereitet.2

    Wenn wir das Kernproblem und die profunden Auswirkungen von Druckers Prophezeiung verstehen wollen, mssen wir uns zunchst den geschichtlichen Kontext, insbesondere die fnf Zeitalter der Zivilisation, ansehen: das Zeitalter der Jger und Sammler; das Zeitalter der Landwirtschaft; das Industriezeital-ter; das Zeitalter der Informationen und der Wissensarbeit; und schlielich das heraufziehende Zeitalter der Weisheit.

    Stellen Sie sich kurz einmal vor, Sie lebten im Zeitalter der Jger und Sammler. Sie ziehen jeden Tag mit Pfeil und Bogen

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  • oder Steinen los, um Nahrung fr Ihre Familie zu beschaffen. Bisher haben Sie ihr berleben nur auf diese Weise sichern knnen. Nun versucht jemand, Sie zu berreden, ein wie er es nennt Bauer zu werden. Wie wrde Ihre Reaktion wohl ausfallen?

    Abb. 2.1

    Sie sehen, wie er den Boden aufritzt und kleine Samen in die Furchen wirft aber es tut sich nichts! Sie sehen, dass er den Boden bewssert und Unkraut zupft und es tut sich immer noch nichts! Doch schlielich sehen Sie eine groe Ernte. Sie merken, dass sein Ertrag als Bauer 50-mal so hoch ist wie Ihrer als Jger und Sammler. Dabei gelten Sie als einer der Besten! Was wrden Sie tun? Wahrscheinlich wrden Sie sich sagen: Selbst wenn ich das machen wollte, knnte ich es nicht. Mir fehlen die Fhigkeiten und das Werkzeug. Sie wrden einfach nicht wissen, wie man auf diese Weise arbei-tet.

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  • Inzwischen ist der Bauer so produktiv, dass er genug Geld einnimmt, um seine Kinder zur Schule schicken und ihnen groe Chancen geben zu knnen. Nach und nach durchlaufen Sie den intensiven Lernprozess des Bauer-Werdens. Sie erzie-hen Ihre Kinder und Enkel als Bauern. Genau das passierte in unserer Frhgeschichte. Die Zahl der Jger und Sammler ging um mehr als 90 Prozent zurck, alle diese Menschen verloren ihre Jobs.

    Mehrere Generationen spter kommt das Industriezeitalter. Die Menschen bauen Fabriken und lernen, sich zu spezialisie-ren, zu delegieren und Grenvorteile zu nutzen. Sie lernen, Rohstoffe mit groer Effizienz ber ein Flieband laufen zu lassen. Die Produktivitt ist jetzt 50-mal so gro wie bei den Bauern mit Familienhfen. Wenn Sie nun ein Bauer wren und 50-mal so viel produzierten wie die Jger und Sammler, aber pltzlich sehen wrden, dass eine Fabrik gebaut wird und 50-mal so viel produziert wie Ihr Hof was wrden Sie sagen? Wahrscheinlich wren Sie neidisch, vielleicht wrden Sie sich sogar bedroht fhlen. Aber was wrden Sie brauchen, um selbst ein Player im Industriezeitalter zu werden? Sie wrden vllig neue Techniken und Werkzeuge bentigen, vor allem aber neue Denkweisen, eine neue Mentalitt. Da die Fabriken des Industriezeitalters ber 50-mal so produktiv waren wie die von Familien bewirtschafteten Bauernhfe, sank die Zahl der Bauern um 90 Prozent. Jene, die nicht untergingen, bernah-men das Konzept des Industriezeitalters und erschufen den industrialisierten Bauernhof. Heute sind nur noch drei Prozent der US-Amerikaner Bauern, die jedoch einen Groteil der Nahrungsmittel fr das gesamte Land und die Welt produzie-ren.

    Glauben Sie, dass die Produktivitt im Zeitalter der Infor-mations-/Wissensarbeiter, in das wir jetzt eintreten, erneut um das 50-Fache steigen wird? Ich glaube das. Nathan Myhrvold, der frhere technische Leiter bei Microsoft, drckt das so aus: Die Spitzenentwickler von Software sind produktiver als die durchschnittlichen Software-Entwickler nicht um den Faktor

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  • zehn, 100 oder auch 1000, sondern um den Faktor 10.000. Gute Wissensarbeit ist so wertvoll, dass die Freisetzung ih-

    res Potenzials den Unternehmen eine ganz auergewhnliche Chance zur Wertschpfung bietet. Wenn dem so ist, knnte die Erschlieung des Potenzials Ihrer Kinder von ungeheurem Wert sein. Wissensarbeit erhht die Wirksamkeit aller bisheri-gen Investitionen von Unternehmen, Organisationen und Fa-milien. Ja es ist sogar so, dass Wissensarbeiter die Verbindung zu allen anderen Investitionen bilden. Sie liefern einen Fokus, Kreativitt und einen Hebeleffekt bei der Nutzung dieser In-vestitionen, um die Ziele ihres Unternehmens besser erreichen zu knnen.

    Glauben Sie, dass das Zeitalter der Wissensarbeit eine Re-duzierung der Arbeitskrfte des Industriezeitalters um bis zu 90 Prozent mit sich bringen wird? Ich glaube auch das. Die gegenwrtigen Trends zum Outsourcing und zum Stellenabbau sind nur die Spitze des Eisbergs. Diese Trends sind Gegens-tand erbitterter politischer Debatten geworden; tatschlich ist der Abbau der im Industriezeitalter vorhandenen Stellen aber zum groen Teil weniger durch die Politik und die Freihan-delsabkommen bedingt als durch die dramatische Verschie-bung auf dem Weg in das Zeitalter der Wissensarbeit. Glauben Sie, dass es fr die Berufsttigen von heute eine Bedrohung sein wird, die neuen Denkweisen, Fhigkeiten und Werkzeuge dieses neuen Zeitalters zu erlernen? Stellen Sie sich vor, was dies fr Sie bedeutet, um in diesem neuen Zeitalter berleben zu knnen! Und fr Ihr Unternehmen

    Drucker vergleicht das Industriezeitalter mit dem jetzigen Zeitalter der Wissensarbeit wie folgt:

    Der wichtigste und tatschlich einzigartige Beitrag des Ma-nagements im zwanzigsten Jahrhundert war die fnfzigfache Steigerung der Produktivitt der INDUSTRIEARBEITER. Die Produktivitt der WISSENSARBEIT und der WISSENS-ARBEITER auf hnliche Weise zu steigern drfte sich als der

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  • Beitrag erweisen, den das Management im Laufe des 21. Jahrhunderts leisten muss. Das wertvollste Kapital eines Unternehmens im 20. Jahr-hundert waren seine Produktionsmittel. Das wertvollste Ka-pital eines Unternehmens im 21. Jahrhundert, egal ob pri-vatwirtschaftlich oder gemeinntzig, werden seine Wissens-arbeiter und deren Produktivitt sein.

    Dem groen Historiker Arnold Toynbee zufolge lsst die Ge-schichte der Gesellschaft und ihrer Institutionen sich recht gut mit sechs Worten zusammenfassen: Nichts scheitert so wie der Erfolg. Anders ausgedrckt: Wenn wir vor einer Herausforde-rung stehen und uns ihr durch unsere Reaktion gewachsen zeigen, nennen wir das Erfolg. Sobald wir aber vor einer neuen Herausforderung stehen, funktioniert die alte Reaktion nicht mehr; deshalb wird sie als Scheitern bezeichnet. Wir leben zwar im Zeitalter der Wissensarbeiter, doch unsere Unterneh-men setzen noch immer auf das Kontrollmodell des Industrie-zeitalters, das die Erschlieung des menschlichen Potenzials vllig unterdrckt. Die innere Stimme ist im Wesentlichen irrelevant. Dies ist erstaunlich. Denn die Denkweisen des In-dustriezeitalters, die die heutige Arbeitswelt immer noch be-stimmen, werden im Zeitalter der Wissensarbeiter und der New Economy einfach nicht mehr funktionieren. Und Tatsa-che ist: Wir haben diese Kontroll-Mentalitt auch mit nach Hause genommen. Sie beherrscht den Umgang und die Kom-munikation mit unseren Ehepartnern und die Art und Weise, wie wir unsere Kinder zu managen, zu motivieren und zu dis-ziplinieren versuchen.

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  • Die Denkweise des Industriezeitalters: Fokussierung auf die Dinge

    Im Industriezeitalter waren die wichtigsten Wertschpfungs-faktoren und die Haupttreiber des wirtschaftlichen Wohlstands die Maschinen und das Kapital, also Dinge. Natrlich ging es nicht ohne Menschen, doch sie waren ersetzbar. Man konnte die Industriearbeiter fast ohne Folgen kontrollieren und ver-brauchen, denn das Angebot berstieg die Nachfrage. Man besorgte sich einfach bessere Krper, die sich den strengen Verfahrensweisen fgten. Die Menschen waren wie Dinge man konnte mit ihnen effizient sein. Wenn man aber nur den Krper einer Person will, nicht ihren Verstand, ihr Herz oder ihren Geist (alle drei behinderten die frei flieenden Prozesse des Maschinenzeitalters), setzt man die Person zu einem Ding herab.

    Viel zu viele unserer modernen Managementpraktiken stammen noch aus dem Industriezeitalter:

    Die berzeugung, dass man die Leute kontrollieren und ma-

    nagen muss. Die Ansicht, dass die Menschen ein Kostenfaktor sind, die

    Maschinen dagegen Wertschpfungsfaktoren. Wie absurd! Die Maschinen erscheinen in der Bilanz als Investition, die Leute aber werden den Ausgaben zugerechnet.

    Unsere Philosophie der Motivation durch Zuckerbrot und Peitsche die Eselstechnik, bei der man durch ein vorgehal-tenes Zuckerbrot (die Belohnung) motiviert und von hinten mit der Peitsche (Angst und Bestrafung) antreibt.

    Die zentralisierte Budgetierung, bei der man die Trends in die Zukunft extrapoliert und Hierarchien und Brokratien bildet, damit die projektierten Zahlen erreicht werden. Ein berholter, reaktiver Prozess, durch den unterwrfige Kultu-ren entstehen, in denen es vor allem darum geht, das Geld

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  • Auch viele andere Managementpraktiken stammen noch aus dem Industriezeitalter, wo die Arbeit manuell geleistet wurde.

    Das Problem ist, dass die Manager das Kontrollmodell des Industriezeitalters heute auf die Wissensarbeiter anwenden. Da viele, die Autorittspositionen innehaben, den wirklichen Wert und das wahre Potenzial ihrer Leute nicht erkennen und die Natur des Menschen nicht richtig verstehen, managen sie ihre Leute wie Dinge. Doch so lassen sich deren Motivationen und Talente nicht erschlieen. Was passiert denn, wenn man die Menschen heute noch wie Dinge behandelt? Das fhrt zu Krnkungen und Entfremdung, entpersonalisiert die Arbeit und erzeugt eine Kultur, in der wenig Vertrauen herrscht, die gewerkschaftlich organisiert und prozessschtig ist. Was pas-siert, wenn wir unsere halbwchsigen Kinder wie Dinge be-handeln? Auch das fhrt zu Entfremdung und Krnkungen; es kommt zu geringem Vertrauen, Streit und Auflehnung.

    Die abwrts gerichtete Spirale der Ko-Dependenz

    Was passiert, wenn man Menschen wie Dinge behandelt? Sie verlieren den Glauben daran, dass man sich fr Fhrung frei entscheiden kann. Die meisten Leute begreifen Fhrung als Frage der Position und sehen sich daher nicht als Fhrer. Be-trachtet man persnliche Fhrung (Einfluss) dagegen als Wahlmglichkeit, ist das so wie die Wahl zu haben, Klavier zu spielen. Diese Freiheit muss man sich verdienen nur dann kann man selbst whlen, ob man ein Fhrer werden will.

    Die meisten Leute glauben, dass nur Menschen in Autori-ttspositionen entscheiden drfen, was getan werden muss. Sie sind vielleicht unbewusst damit einverstanden, selbst wie

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  • ein Ding kontrolliert zu werden. Auch wenn sie ein Bedrfnis erkennen, bernehmen sie nicht die Initiative, sie handeln nicht. Sie warten, bis die Person mit dem offiziellen Titel ih-nen sagt, was sie tun sollen, und machen dann genau das. Also geben sie auch dem formalen Fhrer die Schuld, wenn etwas schief geht, und schreiben es ihm zu, wenn alles gut luft. Und ihnen selbst dankt man fr ihre Mitarbeit und Unterstt-zung.

    Die verbreitete Abneigung dagegen, die Initiative zu ber-nehmen, unabhngig zu handeln, ist Wasser auf die Mhlen der formalen Fhrungskrfte, die sich dann umso mehr bemigt fhlen, ihren Untergebenen Anweisungen zu erteilen und sie zu managen. Ihrer Ansicht nach kann man die Leute nur so dazu bringen, etwas zu tun. Dieser Kreislauf eskaliert bis zu einer wechselseitigen Abhngigkeit (Ko-Dependenz). Die Schwchen beider Seiten verstrken das Verhalten der jeweils anderen und rechtfertigen es schlielich. Je strker die Manager kontrollie-ren, desto mehr rufen sie Verhaltensformen hervor, die noch mehr Kontrolle und Management erfordern. Diese Kultur wech-selseitiger Abhngigkeit ist schlielich so sehr institutionali-siert, dass niemand mehr Verantwortung bernimmt. Im Laufe der Zeit besttigen sowohl die Fhrungskrfte als auch die Un-tergebenen ihre Rolle in einem unbewussten Pakt. Sie demoti-vieren sich selbst, weil sie glauben, dass erst die anderen sich ndern mssen, wenn ihre eigenen Arbeitsbedingungen sich verbessern sollen. Auch in den Familien, zwischen Eltern und Kindern, wiederholt dieser Kreislauf sich immer wieder.

    Diese stille Verschwrung ist berall. Nur wenige Men-schen haben den Mut, sie in sich zu erkennen. Sobald sie da-von hren, blicken sie sich instinktiv auerhalb ihrer selbst um. Wenn ich diese Thematik vor einem groen Publikum prsentiere, halte ich nach zwei Stunden oft inne und frage: Wer von Ihnen fhlt sich von der Thematik angesprochen, ist aber der Ansicht, dass diejenigen Leute, die es wirklich brau-chen, nicht hier sind? Damit ernte ich gewhnlich groes Gelchter, doch die meisten heben die Hand.

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  • Finden Sie auch, dass die Leute, die ein Buch wie dieses wirklich brauchen, es nicht lesen? Genau das ist typisch fr wechselseitige Abhngigkeit (Ko-Dependenz). Wenn Sie diese Thematik durch die Schwchen anderer betrachten, demotivieren Sie sich selbst und untersttzen Ihre Schwchen dabei, weiter die Initiative, Energie und Erregung aus Ihrem Leben zu saugen.

    Film: Max & Max

    Bevor wir tiefer einsteigen, mchte ich Ihnen die oben darge-legte Problematik anhand eines kleinen, wunderbaren Films

    verdeutlichen. Er zeigt die frei erfundene Geschichte von Max, dem Jagdhund, und Max, dem Kundenbetreuer. Er ist auch die Geschichte von einem Chef namens Mr. Harold, der seine Leute zum Beispiel den neu eingestellten Kundenbetreuer Max auf die gleiche Weise managt wie seinen Hund Max.

    Der Film spielt am Arbeitsplatz. Wobei natrlich jeder ei-nen Arbeitsplatz hat; fr Lehrer und Schler ist das die Schule, fr viele ein Unternehmen oder eine Behrde, fr die Familien das Zuhause und fr andere die Gemeinde, Kirche, Synagoge oder Moschee. Es geht bei Max &Max also nicht primr um die Arbeit, sondern um Beziehungen und Interaktionen zwi-schen Leuten, die ein gemeinsames Ziel anstreben. Sie sollten die Umgebung, in der dieser Film spielt, daher in alle Bereiche bersetzen, in denen Sie zusammen mit anderen etwas er-reichen wollen.

    Schieben Sie jetzt bitte die beiliegende DVD in Ihr Gert und schauen Sie sich den Film an.

    Denken Sie nun ber diesen Film nach. Wie die meisten, die eine neue Stelle antreten, ist Max von Leidenschaft, Begeis-terung und Feuer erfllt. Als er die Initiative ergreift, um Kunden zu gewinnen und zu halten, staucht Mr. Harold ihn zusammen. Max wird soweit gemanagt und kontrolliert, dass sein Geist gebrochen wird; er wird misstrauisch und verliert

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  • die Vision von seinem Ziel, seinem Potenzial und seiner heit zu whlen. Er hat seine innere Stimme verloren! Er schwrt, nie wieder initiativ zu werden. Der Mensch Max verfngt sich in einer ko-dependenten Denkweise mit Mr. Harold; man sieht, dass er allmhlich dem Hund Max immer hnlicher wird: Er wartet immer nur auf den nchsten Befehl. Vielleicht wrden Sie die Schuld dafr gern Mr. Harold zuschieben; bedenken Sie jedoch, dass sein Chef ihn genauso behandelt wie er selbst Max. Dieses Mikromana-gement ist fr die ganze Firma typisch. Die gesamte Kultur ist ko-dependent. Niemand bt Fhrung (Initiative und Einfluss) aus, da alle davon ausgehen, dass Fhrung eine Frage der Position ist, die man bekleidet.

    Tatschlich unterscheiden sich die meisten Unternehmen gar nicht sehr von jener, in der Max und Mr. Harold beschf-tigt sind. Selbst in den besten Firmen, mit denen ich in den letzten 40 Jahren gearbeitet habe, wimmelt es nur so von Prob-lemen. Die Vernderungen, die sich derzeit in der Welt ereig-nen, machen den durch diese Probleme und Herausforderun-gen bewirkten Schmerz noch viel heftiger. Wie bei Max &Max lassen sich diese Herausforderungen generell in drei Katego-rien unterteilen: Herausforderungen im Unternehmen oder in der Organisation, bei den Beziehungen und im Hinblick auf die eigene Person.

    Auf der Ebene der Unternehmen/Organisationen werden Leistung, Kommunikation, Vergtung und Belohnungen, Wei-terbildung, Informationen und andere zentrale Bereiche von einer auf Kontrolle ausgerichteten Managementphilosophie bestimmt, die das Talent und die innere Stimme der Leute unterdrckt. Diese Philosophie stammt aus dem Industriezeit-alter und ist quer durch alle Branchen und Berufe bei Leuten in Autorittspositionen zur dominierenden Management-Denkweise geworden. Ich habe sie die Ding-Mentalitt des Industrie-Zeitalters genannt.

    Auch auf der Beziehungsebene herrscht in den meisten Un-ternehmen Ko-Dependenz. Es gibt einen fundamentalen Ver-

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  • trauensmangel. Vielen Leuten fehlt es an den ntigen Fhig-keiten und der richtigen Denkweise, um ihre Meinungsver-schiedenheiten authentisch und kreativ lsen zu knnen. Ob-wohl unternehmensinterne Strukturen und die auf Kontrolle ausgerichteten Managementpraktiken viel dazu beitragen, die-se Ko-Dependenz zu frdern, wird das Problem aber dadurch verschrft, dass bei der Erziehung sehr vieler Menschen das Verglichenwerden mit anderen (zu Hause) und der Wettstreit (in der Schule, beim Sport und bei der Arbeit) eine entschei-dende Rolle spielten. Durch diese Einflsse entsteht eine Mangel-Mentalitt, sodass viele von uns sich kaum wirklich ber die Erfolge anderer freuen knnen.

    Auf der persnlichen Ebene schlielich gibt es in allen Un-ternehmen auf allen Hierarchieebenen intelligente, talentierte, kreative Leute, die das Gefhl haben, in eine Zwangsjacke gesteckt, nicht genug wertgeschtzt und nicht inspiriert zu werden. Sie sind frustriert und glauben nicht, Dinge verndern zu knnen.

    Die Kraft eines Paradigmas

    Der Autor John Gardner sagte einmal: Die meisten krnkelnden Organisationen haben eine funk-tionelle Blindheit fr ihre eigenen Mngel entwickelt. Dass sie nicht gesund sind, liegt nicht daran, dass sie ihre Prob-leme nicht lsen knnten, sondern vielmehr daran, dass sie ihre Probleme nicht sehen knnen.

    Einstein formulierte es so:

    Die signifikanten Probleme, vor denen wir stehen, lassen sich nicht auf derselben Ebene des Denkens lsen, auf der wir sie geschaffen haben.

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  • Diese Aussagen unterstreichen eine der profundesten Erkenn-tnisse, die ich in meinem Leben gewonnen habe: Wenn wir kleine, schrittweise Vernderungen und Verbesserungen erzie-len wollen, sollten wir an den praktischen Methoden, dem Verhalten oder der Einstellung arbeiten. Wenn wir jedoch signifikante, quantensprungartige Verbesserungen erreichen wollen, mssen wir an den Paradigmen arbeiten. Der Begriff Paradigma stammt aus dem Griechischen und war ursprng-lich ein wissenschaftlicher Begriff, wird heute aber verbreitet in der Bedeutung Wahrnehmung, Annahme, Theorie, Be-zugsrahmen oder Brille, durch die man die Welt betrachtet verwendet. Ein Paradigma ist mit einer Landkarte oder einem Stadtplan vergleichbar: Wenn die Karte oder der Plan nicht stimmt, knnen Sie sich noch so abmhen, Ihr Ziel zu finden, und noch so positiv denken es wird Ihnen nichts ntzen. Nur wenn die Karte oder der Plan korrekt ist, kommt es auf Flei und die Einstellung an, sonst nicht.

    Ich mchte Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen: Wie versuchte man im Mittelalter, die Menschen zu heilen? Durch Aderlsse. Wie sah das Paradigma aus? Der Krankheitserreger ist im Blut also heraus damit! Was wrden Sie tun, wenn Sie dieses Paradigma nicht in Zweifel ziehen wrden? Sie wrden mehr Aderlsse vornehmen. Sie wrden die Sache schneller machen. Schmerzloser. Sie wrden fr den Aderlass auf TQM oder Six Sigma setzen. Statistische Qualittskontrollen vorneh-men, Varianzanalysen. Studien zur strategischen Durchfhrbar-keit erstellen und alles um brillante Marketingplne herum or-ganisieren, um damit werben zu knnen, dass Ihre Aderlass-Klinik von Weltklasse ist und Spitzenqualitt bietet. Sie knnten natrlich auch mit Ihren Leuten in die Berge fahren und sie von einem Felsen in die Arme ihrer Kollegen springen lassen, sodass sie danach mit mehr Liebe und Vertrauen in der Klinik arbeiten. Sie knnten Ihre Leute und auch Ihre Patienten positives Denken lehren, damit die positive Energie optimiert wird, wenn die Aderlsse durchgefhrt werden.

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  • Knnen Sie sich vorstellen, was passierte, als die Bakterien entdeckt wurden als der Ungar Semmelweis, der Franzose Pasteur und andere Forscher herausfanden, dass Bakterien eine der Hauptursachen fr Krankheiten sind? Nun hatte man end-lich die Erklrung dafr, warum Frauen sich von Hebammen entbinden lassen wollten. Weil sie mehr auf Sauberkeit achte-ten, die Frauen wuschen. Man begriff jetzt auch, warum auf den Schlachtfeldern mehr Mnner an Staphylokokken-Infektionen starben als durch Kugeln: Die Krankheit breitete sich durch Bakterien hinter den Frontlinien aus. Die Bakterien-Theorie erffnete ganz neue Forschungsfelder und bestimmt bis zum heutigen Tag die Praktiken im Gesundheitswesen.

    So stark kann ein zutreffendes Paradigma wirken! Es er-klrt, und dann gibt es Orientierung. Das Problem ist jedoch, dass Paradigmen wie Traditionen sehr hartnckig sind. Selbst wenn bereits ein besseres Paradigma entdeckt wurde, knnen berholte Paradigmen sich noch jahrhundertelang hal-ten. So behaupten die Geschichtsbcher zwar bis heute, Geor-ge Washington sei an einer Halsentzndung gestorben, doch die wahre Todesursache drften Aderlsse gewesen sein. Die Halsentzndung war ein Symptom von etwas anderem. Da dem gngigen Paradigma zufolge der Krankheitserreger im Blut war, nahm man Washington in nur 24 Stunden weit ber einen Liter Blut ab. Heute empfiehlt man uns, hchstens alle zwei Monate einen halben Liter Blut zu spenden falls es uns gut geht!

    Das neue Zeitalter der Wissensarbeit beruht auf einem neuen Paradigma, das sich vom Ding-Paradigma des Industriezeitalters grundlegend unterscheidet. Ich habe es das Paradigma der ganzen Person genannt.

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  • Das Paradigma der ganzen Person

    Es gibt einen simplen Grund, warum so viele Menschen in ihrer Arbeit keine Befriedigung finden und die meisten Unter-nehmen es nicht schaffen, das Talent, den Einfallsreichtum und die Kreativitt ihrer Leute wirklich auszuschpfen und wahrhaft groe, berdauernde Organisationen zu werden: ein unvollstndiges Paradigma davon, wer wir sind unsere fun-damentale Sicht von der Natur des Menschen.

    Tatsache ist: Menschen sind keine Dinge, die motiviert und kontrolliert werden mssen; sie haben vier Dimensionen: Kr-per, Verstand, Herz und Geist.

    Abb. 2.2

    Wenn man alle Philosophien und Religionen, die westlichen wie die stlichen, vom Beginn der Geschichtsaufzeichnungen an betrachtet, stt man auf immer die gleichen vier Dimensio-nen: die physische oder wirtschaftliche, die mentale, die soziale oder emotionale und die spirituelle. Auch wenn die Begrifflich-keiten zum Teil unterschiedlich sind, reflektieren sie doch die gleichen vier universellen Dimensionen des Lebens. Und sie

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  • reprsentieren die vier grundlegenden Bedrfnisse und Motiva-tionen aller Menschen (siehe Abbildung 2.3), die in dem Film

    Abb. 2.3

    Das Lebenswerk (Kap. 1) verdeutlicht werden: zu leben (berleben), zu lieben (Beziehungen), zu lernen (Wachstum und Entwicklung) und ein Lebenswerk zu schaffen (Sinn und persnlicher Beitrag).

    Wir haben die Freiheit zu whlen

    Wo also liegt die direkte Verbindung zwischen dem kontrollie-renden Paradigma vom Ding (von der Teil-Person), das die heutige Arbeitswelt beherrscht, und der Unfhigkeit der Ma-nager und Organisationen, ihre Leute so zu inspirieren, dass sie freiwillig ihre hchsten Talente einsetzen und wichtige Beitrge leisten? Die Antwort ist ganz einfach: Die Leute kn-nen whlen, sie knnen Entscheidungen treffen. Sie entschei-den bewusst oder unbewusst, wie viel sie von sich in ihre Ar-

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  • beit einbringen wollen. Diese Entscheidung hngt davon ab, wie sie behandelt werden und inwieweit sie alle vier Dimen-sionen ihrer Natur einsetzen knnen. Die Spannbreite reicht von Rebellion oder Kndigung bis zu kreativer Begeisterung (siehe Abbildung 2.4).

    Abb. 2.4

    berlegen Sie einmal, welche dieser sechs Entscheidungen Sie in den fnf folgenden Szenarien treffen wrden:

    Erstes Szenario: Man behandelt Sie nicht gerecht. In Ihrem Unternehmen gibt es viel Vetternwirtschaft und Machenschaf-ten; das Lohn- und Gehaltssystem wirkt ungerecht; Ihr eigenes Gehalt entspricht nicht der Hhe Ihres Beitrags. Wie wrden Sie sich entscheiden?

    Zweites Szenario: Ihr Gehalt ist zwar angemessen, doch man ist Ihnen gegenber generell nicht freundlich. Man res-pektiert Sie nicht; man behandelt Sie inkonsequent, willkr-lich, launenhaft (was mglicherweise vor allem davon ab-hngt, in welcher Stimmung Ihr Chef gerade ist). Wie wrden Sie sich entscheiden?

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  • Drittes Szenario: Sie werden gerecht bezahlt und freundlich behandelt, doch man schreibt Ihnen Ihre Meinung vor. Anders ausgedrckt: Man wertschtzt zwar Ihren Krper und Ihr Herz, nicht aber Ihren Verstand. Wie wrden Sie sich entscheiden?

    Viertes Szenario: Sie werden gerecht bezahlt (Krper), freundlich behandelt (Herz) und auch kreativ einbezogen (Verstand), sollen aber Lcher graben und dann wieder zus-chtten oder Berichte anfertigen, die nie jemand sieht oder benutzt. Ihre Arbeit ist also nicht bedeutsam, sie hat keinen Sinn (Geist). Wie wrden Sie sich entscheiden?

    Fnftes Szenario: Lassen Sie uns nun noch annehmen, dass Sie gerecht bezahlt, freundlich behandelt und kreativ in sinn-volle Arbeit einbezogen werden, dass aber gegenber den Kunden und Zulieferern und auch gegenber den anderen Be-schftigten viel gelogen und betrogen wird (Geist). Wie wr-den Sie sich entscheiden?

    Ihnen ist sicher aufgefallen, dass wir alle vier Elemente des Paradigmas der ganzen Person durchgegangen sind: Krper, Herz, Verstand und schlielich Geist (mit einer Zweiteilung, nmlich in die Sinnlosigkeit der Arbeit und die prinzipienlose Weise, auf die sie gemacht wird). Der entscheidende Punkt ist: Wird auch nur eine der vier Dimensionen der menschlichen Natur vernachlssigt, macht man die Person zu einem Ding. Was aber tut man mit Dingen? Man muss sie kontrollieren, managen und mit Zuckerbrot und Peitsche motivieren.

    Ich habe diese fnf Fragen auf der ganzen Welt in unter-schiedlichen Kontexten gestellt, und die Antwort fiel fast im-mer in die drei unteren Kategorien: Die Leute wrden rebellie-ren oder kndigen, widerwillig gehorchen (das heit, sie wr-den es zwar tun, aber hoffen, dass es nicht funktioniert) oder bestenfalls bereitwillig mitmachen. Eine der drei oberen Ent-scheidungen (freudige Kooperation, berzeugtes Engagement oder begeisterte Kreativitt) treffen im heutigen Zeitalter der Informations- und Wissensarbeiter nur diejenigen, die als

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  • Abb. 2.5

    ganze Person in einem ganzen Job respektiert werden also gerecht bezahlt, freundlich behandelt, kreativ eingesetzt wer-den und die Mglichkeit bekommen, menschliche Bedrfnisse auf prinzipientreue Weise zu erfllen (siehe Abbildung 2.5).

    Unsere Identitt ist unser Schicksal.

    Erkennen Sie, wie die heutigen Kernprobleme in der Arbeits-welt und die entscheidende Lsung fr diese Probleme in un-serem Paradigma der menschlichen Natur liegen? Sehen Sie, wie viele der Lsungen fr die Probleme in unseren Familien und Gemeinden ebenfalls in diesem Paradigma zu finden sind? Das Ding-Paradigma des Industriezeitalters und alle prakti-schen Methoden, die auf ihm beruhen, sind das moderne Ge-genstck zum Aderlass. Mit den vier chronischen Problemen in Unternehmen und Organisationen, die dadurch entstehen, dass die vier Dimensionen der menschlichen Natur vernach-

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  • lssigt werden, und den Lsungen fr diese Probleme durch den Einfluss der vier Fhrungsrollen werde ich mich ab Kapi-tel 6 eingehend befassen. Zunchst jedoch wenden wir uns der Reaktion des Einzelnen zu und seiner Lsung fr die Proble-me, die ich angesprochen habe.

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  • KAPITEL 3 Die Lsung

    Nichts auf der Welt ist so mchtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

    VICTOR HUGO

    Henry David Thoreau schrieb einmal: Tausende hacken an den sten des bels herum, doch nur einer trifft die Wurzel. Mit diesem Buch mchte ich die Axt an die Wurzel der wich-tigen Probleme legen, vor denen wir stehen.

    Ich habe mit dem Schmerz begonnen, dann haben wir das Problem untersucht, das ihn hervorruft ein Problem, das persnliche Wurzeln hat und ein tief eingebettetes Paradigma und alte Traditionen in der Arbeitswelt beinhaltet. Jetzt mch-te ich den Kontext fr die Lsung umreien und Ihnen einen berblick geben, wie ich sie in diesem Buch weiter entwickeln werde.

    Ich habe ber 40 Jahre lang mit Organisationen und Unter-nehmen auf der ganzen Welt gearbeitet und mich eingehend mit den Erkenntnissen der groen Denker auf diesem Gebiet beschftigt. Die meisten tief greifenden kulturellen Vernde-rungen jene, durch die Unternehmen entstanden sind, die Wachstum und Gedeihen aufrechterhalten und langfristig einen wichtigen Beitrag zur Welt leisten konnten begannen mit der Entscheidung eines Menschen. Manchmal war das derjenige an der Spitze des Unternehmens, der Vorstandsvor-sitzende, Geschftsfhrer oder Prsident. Sehr oft aber war es

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  • jemand anders: ein Fachexperte, ein Linienmanager oder ein Assistent. Unabhngig von ihrer Position vernderten diese Menschen zunchst sich selbst von innen nach auen. Durch ihren Charakter, ihren Sachverstand, ihre Initiative und ihre positive Energie kurz gesagt: durch ihre moralische Autoritt inspirierten sie andere. Sie hatten ein tief verankertes Identi-ttsgefhl, entdeckten ihre Strken und Talente und setzten sie ein, um Bedrfnisse zu erfllen und Ergebnisse zu erzielen. Und das merkten die Leute. Ihnen wurde mehr Verantwortung bertragen; sie vergrerten diese neue Verantwortung und produzierten wiederum Ergebnisse. Mehr und mehr Leute registrierten dies. Das Topmanagement wollte ihre Ideen ken-nen lernen und wissen, wie es ihnen gelang, so viel zu errei-chen. Die Unternehmenskultur interessierte sich immer mehr fr sie und ihre Visionen.

    Solche Menschen lassen sich von negativen, demoralisie-renden, verletzenden Krften im Unternehmen einfach nicht lange entmutigen oder vereinnahmen. Und interessanterweise sind ihre Unternehmen gar nicht besser als die meisten ande-ren. Bis zu einem gewissen Grad herrscht in allen Chaos. Aber diese Menschen erkennen, dass sie nicht darauf warten drfen, dass ihr Chef oder die Firma sich ndert. Sie werden zu einer Insel der hervorragenden Leistungen in einem Meer von Mit-telmigkeit. Und das ist ansteckend!

    Woher bekommt jemand die innere Strke, gegen den Strom zu schwimmen, negativen kulturellen Provokationen zu widerstehen, selbstschtige Interessen hintanzustellen und eine solche Vision und Entschlossenheit aufrechtzuerhalten?

    Diese Menschen lernen ihre eigene Natur und ihre Gaben kennen und benutzen sie, um eine Vision von den groen Din-gen, die sie erreichen wollen, zu entwickeln. Sie bernehmen weise die Initiative und haben viel Verstndnis fr die Bedrf-nisse und Chancen in ihrer Umgebung. Sie erfllen jene Be-drfnisse, die ihren einzigartigen Talenten entsprechen, die ihre hheren Motivationen erschlieen und die wirklich wich-tig sind. Kurz gesagt: Sie finden ihre innere Stimme und brin-

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  • gen sie zum Ausdruck. Sie dienen anderen und inspirieren sie. Sie wenden PRINZIPIEN an, von denen das Wachstum und Gedeihen der Menschen UND Unternehmen abhngen Prin-zipien, die das Hchste und Beste aus dem ganzen Men-schen herausholen, aus Krper, Verstand, Herz und Geist.

    Und was genauso wichtig ist: Sie entscheiden sich dafr, andere zu beeinflussen und sie dazu zu inspirieren, durch die-se Prinzipien ebenfalls ihre innere Stimme zu finden.

    Diese zweiteilige Lsung die innere Stimme finden und andere dazu inspirieren, ihre innere Stimme zu finden ist eine Landkarte fr Menschen auf ALLEN Ebenen von Organi-sationen, eine Landkarte, mit der sie ihre Erfllung und ihren Einfluss maximieren, unersetzliche Beitrge leisten und ihr Team und die ganze Organisation dazu anregen knnen, ihnen nachzueifern.* Daher habe ich dieses Buch in zwei Hauptteile gegliedert:

    1. Finden Sie Ihre innere Stimme. 2. Inspirieren Sie andere dazu, ihre innere Stimme zu fin-

    den.

    Darauf mchte ich nun kurz eingehen.

    Finden Sie Ihre innere Stimme

    Zwei Wege trennten sieh im Wald, und ich ich nahm dann den, der kaum begangen war, das hat den ganzen Unterschied gemacht?

    * Mehr Informationen und einen kostenlosen Report darber, wie Ihre eigene Einschtzung der Fhigkeit Ihres Teams oder Unternehmens, seine Top-Prioritten umzusetzen, im Ver-gleich zu der von anderen auf der ganzen Welt abschneidet, erhalten Sie unter www.der-achte-weg.org.

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  • ROBERT PROST

    Abbildung 3.1 zeigt zwei vllig verschiedene Lebenswege. Sie ist die Landkarte fr den 8. Weg: die innere Stimme finden und andere dazu inspirieren, ihre innere Stimme zu finden. Dieses Diagramm wird von jetzt an bis zum 14. Kapitel am Anfang jedes neuen Kapitels stehen und den Kapitelschwer-punkt hervorheben. So werden Sie sehen, wo Sie sind, woher Sie kommen und wohin Sie gehen. Wir alle Alte wie Junge, Reiche wie Arme, Mnner wie Frauen whlen einen der beiden Lebenswege: den breiten, ausgetretenen Weg zur Mittelmigkeit oder den Weg zu wah-rer Gre und Sinnhaftigkeit. Fr beide Routen gibt es ein Spektrum von Mglichkeiten, das ebenso gro ist wie die Vielfalt der Gaben und Persnlichkeiten unter den Menschen. Aber der Unterschied zwischen diesen Routen ist wie Tag und Nacht.

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  • Abb. 3.1

    Der Weg zur Mittelmigkeit erstickt das menschliche Poten-zial, der Weg zur wahren Gre dagegen erschliet und ver-wirklicht es. Der Weg zur Mittelmigkeit ist die Lebensein-stellung, die nach einer schnellen Patentlsung sucht, nach einer Abkrzung. Der Weg zur wahren Gre aber ist ein Pro-zess des sequenziellen Wachstums von innen nach auen. Die Menschen auf dem Weg zur Mittelmigkeit halten sich in ihrem Leben an die kulturelle Software des Egos, des Schwelgens, des Mangels, des Vergleichs, des Konkurrenz-kampfes und der Opferrolle. Jene auf dem Weg zur wahren Gre hingegen erheben sich ber die negativen kulturellen Einflsse und entscheiden sich dafr, selbst die kreative Kraft in ihrem Leben zu werden. Den Weg zur wahren Gre kann man durch zwei Worte beschreiben: innere Stimme. Die Men-schen auf diesem Weg finden ihre innere Stimme und inspirie-

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  • ren andere dazu, ihre innere Stimme zu finden. ber den unte-ren Weg aber gelingt das nie.

    Das Streben der Seele nach dem Sinn

    In uns allen brennt eine tiefe innere Sehnsucht danach, ein Leben voller Gre zu fhren wahrhaft von Bedeutung zu sein, etwas Wichtiges zu bewirken. Es mag sein, dass wir an uns selbst und an unserer Fhigkeit dazu zweifeln; ich bin jedoch zutiefst berzeugt, dass Sie tatschlich ein solches Le-ben fhren knnen. Sie haben das Potenzial dafr! Wir alle haben es. Es ist das Privileg von uns Menschen.

    Ich habe einmal den Kommandeur eines Militrsttzpunk-tes besucht. In diesem Mann brannte ein inneres Feuer, er wollte unbedingt in seiner Organisation einen wirklich bedeut-samen kulturellen Wandel bewirken. Er war Oberst und ei-gentlich htte er nach ber 30 Jahren beim Militr noch in jenem Jahr seinen Abschied nehmen knnen. Er war viele Monate lang Lehrer und Trainer in seiner Organisation gewe-sen; ich fragte ihn, weshalb er weitermachen und eine so groe Initiative auf sich nehmen wolle eine, die bedeutete, dass er gegen den Strom schwimmen musste, gegen die enormen, sich sperrenden Krfte der Tradition, Lethargie, Gleichgltigkeit und des zu geringen Vertrauens. Ich sagte sogar zu ihm: Sie knnten sich ausruhen. Sie htten einen schnen Ruhestand. Man wrde Ihnen zu Ehren Bankette veranstalten. Die Men-schen, die Ihnen nahe stehen, und die Armee wrden Sie feiern und rhmen.

    Er wurde nachdenklich, schwieg lange und entschied sich dann, mir von einem sehr persnlichen Erlebnis zu erzhlen. Sein Vater war vor kurzem gestorben. Als er auf dem Sterbe-bett lag, rief er seine Frau und seinen Sohn (den Oberst) zu sich, um sich von ihnen zu verabschieden. Seine Frau weinte

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  • die ganze Zeit ber. Der Oberst aber beugte sich zu seinem Vater hinab, und dieser flsterte ihm ins Ohr: Mein Sohn, lebe nicht so, wie ich es getan habe. Ich habe dir und deiner Mutter gegenber nicht das Richtige gemacht und nie etwas wirklich Wichtiges bewegt. Versprich mir, dass du dein Leben anders gestalten wirst!

    Es waren die letzten Worte, die der Oberst von seinem Va-ter (der kurz darauf starb) hrte. Doch fr ihn waren sie das grte Geschenk, das grte Vermchtnis, das sein Vater ihm hinterlassen konnte. In jenem Augenblick entschloss er sich, von nun an etwas zu bewegen in allen Bereichen seines Le-bens.

    Spter vertraute der Oberst mir noch an, dass er ursprng-lich durchaus geplant hatte, seinen Abschied zu nehmen und ein geruhsames Leben zu fhren. Insgeheim hatte er sogar gehofft, dass sein Nachfolger nicht so gut sein wrde wie er selbst und dass das fr alle offensichtlich sein wrde. Nach diesem Schlsselerlebnis mit seinem Vater entschied er sich jedoch, in seinem Sttzpunkt nicht nur Vernderungen voran-zutreiben und Prinzipien der dauerhaften Fhrung zu imple-mentieren, sondern auch dafr zu sorgen, dass sein Nachfolger mehr Erfolg haben wrde als er selbst. Durch sein Bemhen, diese Fhrungsprinzipien in den Strukturen, Systemen und Prozessen seiner Organisation zu institutionalisieren, wrde er die Wahrscheinlichkeit dafr erhhen, sein Vermchtnis von einer Fhrergeneration an die nchste weiterzugeben.

    Der Oberst sagte auerdem, bis zu jenem Erlebnis mit sei-nem Vater habe er wissentlich den leichteren Weg genommen, sich vor allem als Wchter ber die Traditionen der Vergan-genheit betrachtet und ein Leben der Mittelmigkeit gewhlt. Als er neben seinem sterbenden Vater sa, habe er sich jedoch zum ersten Mal klar dafr entschieden, ein Leben in Gre zu fhren, ein Leben mit wirklichen Beitrgen, ein Leben mit Bedeutung eins, das wirklich etwas bewegen wrde.

    Wir alle knnen uns bewusst dafr entscheiden, das Leben der Mittelmigkeit hinter uns zu lassen und ein Leben der

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  • wahren Gre zu fhren zu Hause, bei der Arbeit und in der Gemeinde. Jeder von uns kann diese Entscheidung treffen, wie seine Lebensumstnde auch aussehen mgen. Die Gre kann darin bestehen, dass man sich angesichts einer unheilbaren Krankheit dafr entscheidet, geistig gesund und aktiv zu sein; dass man im Leben eines Kindes etwas bewirkt, indem man ihm das Gefhl vermittelt, dass es Wert und Potenzial hat; dass man Vernderungen in einem Unternehmen vorantreibt oder der Initiator einer groen Sache in der Gesellschaft wird. Es steht immer in unserer Macht, uns fr ein groes Leben zu entscheiden; noch einfacher betrachtet: dafr, nicht nur einen guten, sondern einen groen Tag zu haben. Wie lange wir auch den Weg zur Mittelmigkeit beschritten haben mgen, wir knnen uns stets dafr entscheiden, den Weg zur Gre einzuschlagen. Immer. Es ist nie zu spt wir knnen unsere innere Stimme finden!

    Nachdem Sie die Entscheidung getroffen haben, dem Weg zu wahrer Gre zu folgen, knnen Sie Ihre innere Stimme fin-den, wenn Sie: 1. Ihre innere Stimme entdecken, indem Sie Ihr wahres We-

    sen das, was ich die drei wundervollen Geburts-Geschenke (siehe Kapitel 4) nenne verstehen und die mit den vier Dimensionen unserer Natur verbundenen Intelli-genzen entwickeln und integer benutzen.

    2. Ihre innere Stimme zum Ausdruck bringen, indem Sie die hchsten Manifestationen dieser menschlichen Intelli-genzen entwickeln: Vision, Disziplin, Leidenschaft und Gewissen (siehe Kapitel 5).

    Inspirieren Sie andere dazu, ihre innere Stimme zu finden

    Nachdem Sie Ihre eigene innere Stimme gefunden haben,

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  • knnen Sie sich dafr entscheiden, Ihren Einfluss auszudehnen und Ihren Beitrag zu vergrern, indem Sie andere dazu inspi-rieren, ihre innere Stimme zu finden. Inspirieren (das aus dem Lateinischen kommt) bedeutet, anderen Leben einzuhauchen. Indem wir die Mglichkeiten anderer anerkennen, und frdern, allen vier Dimensionen ihrer Natur Krper, Verstand, Herz und Geist eine Stimme zu verleihen, werden der Erfindungs-reichtum, das Talent, die Kreativitt, Leidenschaft und Moti-vation, die bis dahin in ihnen schlummerten, geweckt. Nur jenen Organisationen und Unternehmen, die ihre innere Stim-me ganz zum Ausdruck bringen und damit viele Menschen und Teams erreichen, wird hinsichtlich Produktivitt, Innova-tion und Fhrung der Durchbruch zur nchsten Ebene gelin-gen.

    Der zweite Teil dieses Buchs beginnt mit Kapitel 6, wo es darum geht, andere dazu zu inspirieren, ihre innere Stimme zu finden. Da die meiste Arbeit auf der Welt in allen Arten von Organisationen geleistet wird, liegt der Schwerpunkt auf Prin-zipien, durch die man andere in allen Organisationen (Wirt-schaft, Bildung, Verwaltung, Militr, Gemeinde und auch Fa-milie) positiv beeinflussen kann.

    Wahrscheinlich werden Ihnen viele praktische Ja, aber -Fragen durch den Kopf gehen. Deshalb enden alle noch folgenden Kapitel mit einem kurzen Abschnitt, in dem ich Fra-gen beantworte, die mir hufig gestellt werden. Ich hoffe, dass Sie diese Abschnitte ntzlich finden; falls Sie sich aber nicht dafr interessieren, knnen Sie sie ruhig berspringen. Auer-dem fge ich nach dem letzten Kapitel noch ein Kapitel an, in dem ich mich mit allgemeineren und umfassenderen Fragen beschftige.

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  • Wie Ihnen dieses Buch am meisten ntzt: Lernen durch Lehren und Tun

    Falls Sie dieses Buch wirklich gut nutzen und in Ihrem Leben und Ihrer Organisation tief greifende Vernderungen und Ent-wicklungen auslsen wollen, habe ich zwei einfache Ratschl-ge fr Sie. Wenn Sie sie befolgen, kann ich Ihnen erstaunliche Ergebnisse versprechen. Zum einen sollten Sie das, was Sie lernen, andere lehren; zum anderen sollten Sie das, was Sie lernen, systematisch anwenden, also tun.

    Geben Sie das Gelernte immer wieder weiter

    Am besten lernen wir, wenn wir das Gelernte an andere wei-tergeben und es in unserem Leben umsetzen.

    In meiner frhen Zeit als Dozent an der Universitt hielt ein Gastprofessor, Dr. Walter Gong aus San Jose in Kalifornien, ein Semester lang ein Seminar mit dem Titel Wie man besser lehrt fr die Lehrkrfte ab. Der Kernpunkt seines Programms lautete: Wenn man die Leute zum Lernen bringen will, muss man Lehrer aus ihnen machen. Mit anderen Worten: Am besten lernt man etwas, wenn man es selbst lehrt.

    Ich begann sofort, dieses Prinzip bei meiner Arbeit und zu Hause anzuwenden. Bis dahin hatten nur etwa 15 bis 30 Studen-ten in meinen Veranstaltungen gesessen. Als ich dann aber Dr. Gongs Prinzip anwendete, stellte ich fest, dass ich meine Inhalte viel mehr Studenten vermitteln konnte. Manche meiner Vorlesungen wurden von nahezu 1000 Studenten besucht; trotzdem wurden deren Leistungen und Klausurergebnisse bes-ser. Weshalb das so war? Wenn jeder Schler zum Lehrer und

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  • jeder Lehrer zum Schler wird, lernt man einfach besser. Das bliche Paradigma besagt ja, dass das Zahlenverhltnis

    Dozent/ Studenten ganz wichtig ist: weniger Studenten bedeu-ten eine bessere Lehre. Wenn Sie aber aus Ihren Studenten Lehrer machen, gewinnen Sie eine enorme Hebelwirkung. Damit verlagern Sie nmlich den Drehpunkt.

    Wenn wir das, was wir lernen, an andere weitergeben, ge-hen wir auerdem implizit die soziale Verpflichtung ein, das, was wir lehren, auch selbst vorzuleben. Wir sind dann natr-lich strker motiviert, das Gelernte in unserem Leben umzu-setzen. Die Gemeinsamkeit wird zur Grundlage fr eine Ver-tiefung des Lernens, der inneren Verpflichtung und der Moti-vation; sie fhrt dazu, dass Vernderungen legitim werden und man Untersttzung bekommt. Sie werden auerdem feststel-len, dass durch diese Gemeinsamkeit eine besondere Bindung zu den anderen entsteht, vor allem zu Ihren Kindern. Halten Sie Ihre Kinder dazu an, das in der Schule Gelernte regelm-ig an Sie weiterzugeben. Meine Frau Sandra und ich haben die Erfahrung gemacht, dass es durch dieses einfache Verfah-ren unntig wird, sie von auen zu ihren Schularbeiten zu mo-tivieren. Jene, die andere an dem teilhaben lassen, was sie selbst lernen, sind die mit Abstand besten Schler.

    Integrieren Sie das Gelernte in Ihr Leben

    Etwas zu wissen, es aber nicht tun, bedeutet, dass wir es nicht wirklich wissen. Wer etwas lernt und es nicht tut, lernt es nicht wirklich. Anders ausgedrckt: Etwas zu verstehen, es aber nicht anzuwenden, bedeutet, es nicht zu verstehen. Erst durch das Tun, durch die Anwendung, werden das Wissen und das Verstehen internalisiert. Man kann sich beispielsweise mit Tennis beschftigen, indem man Bcher liest und sich Vortr-ge anhrt; solange man es aber nicht tatschlich gespielt hat,

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  • kennt man es nicht wirklich. Etwas zu wissen, es aber nicht zu tun, bedeutet, es nicht wirklich zu wissen.

    Nicht durch innere Einkehr erkennen wir uns selbst, sondern durch Handeln. Wer sich bemht, seine Pflicht zu tu wird bald entdecken, aus welchem Holz er geschnitzt ist.

    JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

    Wie knnen Sie das in diesem Buch Gelernte anwenden? Hier-fr gibt es mindestens vier Mglichkeiten:

    1. Sie knnen das Buch von vorn bis hinten lesen. Dann ent-

    scheiden Sie, was Sie davon in Ihrem Leben und bei der Arbeit anwenden wollen. So gehen die meisten Leute an Bcher heran. Dem zugrunde liegt das Verlangen, eine emotionale oder mentale Verbindung zum Ideenfluss eines Buches herzustellen und in diesem mitzuschwimmen.

    2. Sie knnen das ganze Buch lesen und das umfassende Ver-stndnis und die gewonnene Motivation benutzen, um es ein zweites Mal zu lesen jetzt mit der Absicht, das jeweils Gelernte anzuwenden. Fr viele Leute drfte das sehr gut funktionieren.

    3. Die dritte Mglichkeit wird meiner Ansicht nach die besten Ergebnisse bringen: Sie knnen das Buch als Jahresprog-ramm fr Ihr persnliches Wachstum und Ihre Entwicklung betrachten. Nehmen Sie sich fr jedes der folgenden 12 Kapitel einen Monat Zeit. Lesen Sie das jeweilige Kapitel, lehren Sie es und wenden Sie es dann den restlichen Monat ber an. Sie werden feststellen, dass Sie in den spteren Kapiteln viel profundere Erkenntnisse gewinnen, wenn Sie wirklich versuchen, das jeweils Gelernte einen Monat lang anzuwenden.

    4. Sie knnen die dritte Mglichkeit auch einfach innerhalb

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  • eines von Ihnen gewhlten Zeitrahmens verwirklichen. Manche Leser mchten vielleicht schneller vorgehen, ande-re langsamer. Sie knnen jede Woche ein neues Kapitel le-sen und anwenden, alle zwei Wochen oder auch alle zwei Monate Entscheiden Sie sich einfach fr einen Zeitrah-men, der Ihrem persnlichen Tempo entspricht. So bleibt die Kraft der dritten Mglichkeit ungeschmlert, Sie ver-schaffen sich aber genug Flexibilitt, um sie an Ihren eige-nen Kontext anzupassen.

    Um Ihnen unabhngig davon, fr welche dieser vier Mg-lichkeiten Sie sich entscheiden bei der Anwendung der Prin-zipien aus den einzelnen Kapiteln zu helfen, habe ich eine Reihe entsprechender Ideen und bungen zusammengestellt, die Sie unter www.der-achte-weg.org abrufen knnen. Auer-dem finden Sie zum Schluss dieses Buchs eine tabellarische bersicht, die es Ihnen erleichtern wird, die mit dem 8. Weg verbundene Herausforderung zu bewltigen. Sie sollten fr jedes Kapitel