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Spezielle Kurven Steffen Hoheisel, Lara Knott Ausarbeitung zum Vortrag im Proseminar Analysis (Wintersemester 2008/09, Leitung PD Dr. Gudrun Thäter) Zusammenfassung: Nachdem wir uns zuletzt im Proseminar mit den Eigenschaften von Kurven im Allgemeinen beschäftigt haben, möchten wir nun diese Eigenschaften bei konkre- ten Kurven betrachten. Als Beispiele dienen uns die Zykloide, die Lemniskate und die Ellipse. Diese Namen klingen, wenn man sie zum ersten Mal hört, recht kompliziert, aber es handelt sich um Kurven, die einem häufig unbewusst begegnen. So ist das Zeichen, das für Unendlich steht, beispielsweise der Lemniskate nachempfunden. Auch das Rechnen mit den Kurven ist nicht schwierig, wenn man den richtigen Ansatz wählt. Anschließend werden wir noch die Evolute einführen. Dabei handelt es sich nicht um eine alleinstehende Kurve, wie bei unseren ersten Beispielen, sondern man kann eine Evolute prin- zipiell zu jeder beliebigen Kurve berechnen.

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Spezielle Kurven

Steffen Hoheisel, Lara Knott

Ausarbeitung zum Vortrag im Proseminar Analysis(Wintersemester 2008/09, Leitung PD Dr. Gudrun Thäter)

Zusammenfassung: Nachdem wir uns zuletzt im Proseminar mit den Eigenschaften vonKurven im Allgemeinen beschäftigt haben, möchten wir nun diese Eigenschaften bei konkre-ten Kurven betrachten. Als Beispiele dienen uns die Zykloide, die Lemniskate und die Ellipse.Diese Namen klingen, wenn man sie zum ersten Mal hört, recht kompliziert, aber es handeltsich um Kurven, die einem häufig unbewusst begegnen. So ist das Zeichen, das für Unendlichsteht, beispielsweise der Lemniskate nachempfunden. Auch das Rechnen mit den Kurven istnicht schwierig, wenn man den richtigen Ansatz wählt.Anschließend werden wir noch die Evolute einführen. Dabei handelt es sich nicht um einealleinstehende Kurve, wie bei unseren ersten Beispielen, sondern man kann eine Evolute prin-zipiell zu jeder beliebigen Kurve berechnen.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

2 Spezielle Kurven 42.1 Benötigte Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.1.1 Die Bogenlänge einer Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.1.2 Der Flächeninhalt unter einer Kurve . . . . . . . . . . . . . . . 52.1.3 Die Krümmung einer Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.2 Untersuchung von speziellen Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2.1 Die Zykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2.2 Andere Formen der Zykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.3 Die Lemniskate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2.4 Die Ellipse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.3 Die Evolute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.3.1 Eigenschaften der Evolute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.3.2 Die Evolute der Zykloide und der Ellipse . . . . . . . . . . . . . 20

3 Resümee 23

4 Anhang 244.1 Berechnung des Integrals von cos2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244.2 Satz über implizite Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254.3 Finde die Evolute... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Abbildungsverzeichnis

1.1 Lokomotive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Spirograph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1 Zykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Herleitung der Zykloidengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.3 Verkürzte und verlängerte Zykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.4 Epizykloiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.5 Hypozykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.6 Lemniskate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.7 Ellipse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.8 Evolute der Parabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.9 Verdeutlichung von Theorem 2.8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.10 Zykloide und ihre Evolute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.11 Asteroide als Evolute der Ellipse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224.1 Was gehört zusammen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2

1 Einleitung

Denken wir alle einmal an unsere Kindheit zurück. Welcher Junge hat dem Klischeenach früher nicht mit Eisenbahnen gespielt? Welches Mädchen hat noch nie Mandalasgemalt? Natürlich war damals keinem klar, wieviel Mathematik dahinter steht. Es istauch nicht offensichtlich, dass bei beiden Spielzeugen, dieselbe Kurve eine Rolle spielt.Betrachtet man beispielsweise einen Spirographen, das ist das Kinderspielzeug, bei demeine kreisförmige Schablone mit Löchern in einem größeren Kreis mit Hilfe eines Stiftesgedreht wird, so dass ein Mandala ensteht (siehe Abb. 1.2). Die Kurve, die dieses Mus-ter beschreibt, ist eine Spezialform der Zykloide (Epizykloide). Eine andere Form derZykloide (verkürzte Zykloide) tritt auf, wenn man den Weg betrachtet, den der Befesti-gungspunkt der Pneulstange am Rad einer Dampflokomotive beschreibt. Es lohnt sichalso, sich genauer mit dieser Kurve zu befassen. Ähnliche Argumentationen lassen sichauch für die Ellipse und die Lemniskate finden. Schließlich hat die Umlaufbahn unsererErde die Form einer Ellipse, in deren einem Brennpunkt sich die Sonne befindet. Undauch die Lemniskate ist außerhalb der Mathematik von symbolischer Bedeutung, zumBeispiel in der Esoterik und bei den Freimaurern.

Abbildung 1.1: Lokomotive

Abbildung 1.2: Spirograph

3

2 Spezielle Kurven

2.1 Benötigte Formeln

Wir werden später verschiedene Formeln benutzen um die Bogenlänge, den Flächen-inhalt und die Krümmung von verschiedenen Kurven berechnen. Damit diese an denentsprechenden stellen nicht „vom Himmel fallen”, werden wir in diesem Kapitel nocheinmal kurz darauf eingehen, wie man auf diese Formeln kommt.

2.1.1 Die Bogenlänge einer Kurve

Für die Bogenlänge s gilt allgemein in kartesischen Koordinaten:

s =

∫ √1 + y′2 dx

Liegt die zu betrachdende Kurve zwar in kartesischen Koordinaten aber in Para-meterdarstellung in Abhängigkeit von t vor, so gilt: x = x(t) und y = y(t) = f(x(t))mit dx

dt= x und dy

dt= y. Mit Hilfe der Kettenregel erhalten wir außerdem

dy

dt=dy

dx· dxdt

= y′ · x ⇒ y′ =y

x.

Jetzt können wir in unserer obigen Formel y′ substituieren und erhalten:

s =

∫ √1 +

(y

x

)2

· x dt =

∫ √x2 + y2 dt

Zuletzt wollen wir noch wissen, wie man die Bogenlänge bestimmt, wenn man sich ineinem System mit Polarkoordinaten befindet. Hierzu muss man wissen, das bei derTransformation von kartesischen in Polarkoordinaten folgende Beziehung benutzt wird:

x = r · cos(t), y = r · sin(t)

und damitx = r · cos(t)− r · sin(t), y = r · sin(t) + r · cos(t)

Setzen wir dies in unsere zuletzt erhaltene Gleichung ein bekommen wir:

s =

∫ √(r · cos(t)− r · sin(t))2 + (r · sin(t) + r · cos(t))2 dt

=

∫ √r2(cos2(t) + sin2(t)) + r2(sin2(t) + cos2(t)) dt

und letztendlichs =

∫ √r2 + r2 dt.

4

2.1.2 Der Flächeninhalt unter einer Kurve

Wie allgemein bekannt und ähnlich wie bei der Bogenlänge hergeleitet berechnet manden Flächeninhalt A unter einer Kurve f(x) in kartesischen Koordinaten mit:

A =

∫f(x) dx =

∫y dx

In Parameterdarstellung erhält man durch Substitution leicht:

A =

∫y x dt

Die Transformation in Polarkoordinaten verläuft analog zu dem Vorgehen bei derBogenlänge.

2.1.3 Die Krümmung einer Kurve

Anschaulich beschreibt die Krümmung die Geschwindigkeit, mit der sich der Winkelder Kurve (genauer: der Winkel α zwischen der positiven Tangente und der positivenx-Achse) verändert. Damit erhalten wir für die Krümmung k unter Berücksichtigungder Kettenregel:

k =dα

ds=dα

dx· dxds

=dα

dx:ds

dx

Aus der Gleichung der Bogenlänge erhält man: dsdx

=√

1 + y′2.Und da für den Winkel zwischen Tangente und x-Achse tan(α) = y′ und damit α =arctan(y′) sowie erneut mit Hilfe der Kettenregel dα

dx= 1

1+y′2 · y′′ ist die Krümmung kgegeben durch:

k =1

1 + y′2y′′ · 1√

1 + y′2=

y′′

(1 + y′2)32

Die reziproke Krümmung % ist definiert als % = 1k. Ihr Betrag beschreibt gerade den

Radius des dazugehörigen Krümmungskreises (das ist der Kreis, der die Kurve in einemPunkt berührt und dort die gleiche Krümmung besitzt, wie die Kurve). Wir erhaltenalso für die reziproke Krümmung bei kartesischen Koordinaten:

% =1

k=

(1 + y′2)32

y′′

Für die Substitution in die Parameterdarstellung bei kartesischen Koordinatenbenutzen wir erneut die Beziehung y′ = y

xund

y′′ =dy′

dx=

dy′

dt· dtdx

=d

dt

(y

x

)· 1x

=xy − yxx2

· 1x

=xy − yxx3

,

wobei zuletzt die Quotientenregel benutzt wurde. Wir erhalten damit:

% =1

k=

(1 + y2

x2 )32

xy−yxx3

=(x2)

32 (1 + y2

x2 )32

xy − yx=

(x2 + y2)32

xy − yx

5

2.2 Untersuchung von speziellen Kurven

2.2.1 Die Zykloide

Abbildung 2.1: Zykloide

Definition 2.1 Die Zykloide ist die Kurve, die von einem festen Punkt auf einemKreis gezeichnet wird, der auf einer Geraden abrollt.

Abbildung 2.2: Herleitung der Zykloidengleichung

Herleitung der Parameterdarstellung: Als geeigneten Paramter t wählen wir den Win-kel, um den der Kreis sich schon fortbewegt hat. Betrachten wir die Zeichnung soerhalten wir unter Berücksichtigung der trigonometrischen Funktionen im Dreieck diefolgenden Ausdrücke für x und y, wobei a der Radius des rollenden Kreises (siehe Abb.2.2):

y = a · (1− cos(t)), y = a · sin(t), y = a · cos(t)

x = a · (t− sin(t)), x = a · (1− cos(t)), x = a · sin(t)

6

Nun wollen wir die Bogenlänge s der Zykloide berechnen, wenn sich der Kreis umeinen Winkel α gedreht hat:

s(0, α) =

∫ α

0

√x2 + y2 dt

=

∫ α

0

√(a · (1− cos(t)))2 + (a · sin(t))2 dt

=

∫ α

0

√a2 · (1− 2 cos(t) + cos2(t)) + a2 · sin2(t) dt

=

∫ α

0

√a2 − 2a2 · cos(t) + a2 · cos2(t) + a2 · sin2(t) dt

=

∫ α

0

√2a2 · (1− cos(t)) dt

Es gilt: 1− cos(t) = 2 · sin2(t2

)⇒ für 0 ≤ α ≤ 2π:

s(0, α) =

∫ α

0

√2a2 · (2 sin2

(t

2

)) dt

=

∫ α

0

√4a2 · sin2

(t

2

)dt = 2a

∫ α

0

sin

(t

2

)dt

= 2a ·[−2 cos

(t

2

)]α0

= −4a · cos(α

2

)+ 4a · cos(0)

= 4a(1− cos(α

2

)) = 8a · sin2

(α4

)

Will man nun die Bogenlänge zwischen zwei Spitzen einer Zykloide, also bei einer gan-zen Umdrehung des Kreises, berechnen, so muss man α = 2π einsetzen. Man erhältdann:

8a · sin2

(2π

4

)= 8a · sin

(π2

)sin(π

2

)= 8a

⇒ Die Bogenlänge der Zykloide zwischen zwei aufeinanderfolgenden Spitzen ist gleichdem achtfachen Radius des rollenden Kreises.

7

Wir berechnen nun den Flächeninhalt J , den die Zykloide mit der x-Achse ein-schließt:

J =

∫ 2π

0

yx dt

=

∫ 2π

0

(a(1− cos(t)))2 dt = a2 ·∫ 2π

0

(1− cos(t))2 dt

= a2(

∫ 2π

0

1 dt−∫ 2π

0

2 cos(t) dt+

∫ 2π

0

cos2(t) dt)

Zu den Funktionen im ersten und im zweiten Integral sind die Stammfunktionen be-kannt. Da wir die Stammfunktion von cos2(t) nicht kennen, berechnen wir diese mitpartieller Integration (siehe Anhang). Wir erhalten:

J = a2([t]2π

0−[2 sin(t)

]2π0

+1

2

[t]2π

0)

= a2(2π − 0 + π) = 3a2π

⇒ Der Flächeninhalt unterhalb eines Zykloidbogens entspricht genau dem dreifachenFlächeninhalt des abrollenden Kreises.

Um die reziproke Krümmung % der Kurve zu bestimmen, benutzt man die Formel:

% =(x2 + y2)

32

xy − yx=

(a2(1− cos(t))2 + a2 sin2(t))32

a(1− cos(t))a cos(t)− a sin(t)a sin(t)

=(a2(1− 2 cos(t) + cos2(t) + sin2(t)))

32

a2(cos(t)− cos2(t)− sin2(t))

=[a2(1− 2 cos(t) + 1)]

32

a2(cos(t)− 1)=

[2a2(1− cos(t))]32

−a2(1− cos(t))

= −a3 232 (1− cos(t))

32

a2(1− cos(t))= −2a ·

√2(1− cos(t))

Benutze: 1− cos(t) = 2sin2(t2

)= −2a

√2(2 sin2

(t

2

)) = −4a

∣∣ sin( t2

) ∣∣8

2.2.2 Andere Formen der Zykloide

Abbildung 2.3: Verkürzte und verlängerte Zykloide

Nun betrachten wir noch die Fälle, falls der Punkt, dessen Ortslinie wir verfol-gen, innerhalb bzw. außerhalb des abrollenden Kreises liegt. Die dann vorliegendenZykloide nennt man verkürzte bzw. verlängerte Zykloide (siehe Abb. 2.3). Da es fürdie Darstellung der Kurve in Paramterform keinen Unterschied macht, ob der Punktaußerhalb oder innerhalb des Kreises liegt, ist die allgemeine Formel für verlängerteund verkürzte Zykloide gleich. Im Vergleich zur gewöhnlichen Zykloide muss man hiereine weitere Variable einführen, da der Abstand des Punktes vom Mittelpunkt nichtgleich dem Radius a des Kreises ist. Wir führen als neue Variable nun b ein, das denAbstand des Punktes zum Mittelpunkt des Kreises bezeichnet. Unter Berücksichtigungder trigonometrischen Beziehungen im rechtwinkligen Dreieck erhält man somit:

x = b · t− a · sin(t) ∧ y = b− a · cos(t)

Bisher haben wir immer Zykloiden betrachtet, die entstehen wenn ein Kreis auf einerGeraden abrollt. Lässt man ihn hingegen auf einem anderem Kreis abrollen, so erhaltenwir eine weitere Spezialform der Zykloide, die Epizykloide.

9

Abbildung 2.4: Epizykloiden

Analog dazu kann man den Kreis auch in einem anderen Kreis abrollen lassen. Manerhält nun eine Hypozykloide. Eine solche entsteht zum Beispiel, wenn man mit einemSpirographen ein Mandala zeichnet.

Abbildung 2.5: Hypozykloide

Bemerkung 2.2 Nur wenn das Verhältnis der Radien ganzzahlig ist, kommt mannach einem Umlauf des Kreises wieder am Anfang an (siehe Abb. 2.4).

10

2.2.3 Die Lemniskate

Abbildung 2.6: Lemniskate

Definition 2.3 Die Lemniskate ist der Ort aller Punkte P , für die das Produkt derAbstände r1 und r2 von den festen Punkten F1(−a, 0) und F2(a, 0) den Wert a2 besitzt.

Herleitung der impliziten kartesischen Form einer Lemniskate:Betrachten wir die Grafik der Lemniskate (Abb. 2.6) so sehen wir, dass man mit demSatz des Pythagoras für r12 = (x− a)2 +y2 und für r22 = (x− a)2 +y2 erhält. Benutztman nun die geometrische Definition: r1 · r2 = a2 erhält man die Gleichung:√

(x− a)2 + y2 ·√

(x+ a)2 + y2 = a2

⇒ [(x− a)2 + y2] · [(x+ a)2 + y2] = a4

⇒ x4 + 2x2y2 + y4 − 2a2x2 + 2a2y2 + a4 = a4

⇒ (x2 + y2)2 − 2a2(x2 − y2) = 0

Nun ist es auch bei Lemniskate unser Ziel die Bogenlänge zu berechnen. Dafür benö-tigen wir aber die Ableitung der Lemniskatengleichung nach y. Da das Auflösen derGleichung nach y aber sehr umständlich ist, benutzen wir hier den Satz über impliziteFunktionen (siehe Anhang). Nach diesem gilt:

y′ = f ′(x) = −FxFy,

wobei Fx die partielle Ableitung der Funktion F (x, y) nach x und Fy die partielleAbleitung nach y ist.

11

In (x, y) = (0, 0) ist die Berechnung der Ableitung der Lemniskate nicht möglich,da hier F (x, y) = Fx = Fy = 0 ist und Fy aber nach Voraussetzung 6= 0 sein sollte.Anschaulich ist das Problem in (x, y) = (0, 0), dass durch ihn zwei verschiedene Ästeder Lemniskate verlaufen.Wir bestimmen nun die Ableitung y′ mit der im Satz aufgeführten Formel und unterBerücksichtigung der Kettenregel:

F (x, y) = (x2 + y2)2 − 2a2(x2 − y2) = 0

y′ = −FxFy

= −4x(x2 + y2)− 4a2x

4y(x2 + y2) + 4a2y

Auch ohne explizite Darstellung kann man nun mit dieser Gleichung zum Beispiel dieExtrema berechnen:

Notwendige Bedingung für Extremstellen:

y′ = 0 ⇔ 4x(x2 + y2)− 4a2x = 0

⇔ 4x((x2 + y2)− a2) = 0

⇔ (i) x = 0 ∨ (ii) x2 + y2 = a2

(i) x = 0 ⇒ y = 0,in (0, 0) kann kein Extremum vorliegen.

(ii) Setze x2 + y2 = a2 (I) in F (x, y) ein:

a4 = 2a2(x2 − y2)

⇔ a2

2= x2 − y2 (II)

(I)⇒ x2 = a2 − y2 ⇔ x = ±√a2 − y2

Jetzt setzen wir diesen Term in (II) ein:

⇒ a2

2= (±

√a2 − y2)

2− y2

⇔ −1

2a2 = −2y2

⇔ 1

4a2 = y2 ⇒ ±(

1

2a) = y

Diesen Ausdruck für y in x = ±√a2 − y2 eingesetzt, ergibt:

x = ±√a2 − (

1

2a)2 ⇔ x = ±1

2a√

3

Somit sind die möglichen Extremstellen:

(x, y) =(± a

2

√3, ± a

2

)12

Unser eigentliches Ziel ist, die Bogenlänge der Lemniskate zu berechnen, aber unsereGleichung für y′ ist immer noch nicht so schön, als dass man gerne mit ihr rechnenwürde. Deshalb stellen wir uns die Frage, ob es vielleicht auch noch einfacher geht.Daher bestimmen wir die Gleichung der Lemniskate in Polarkoordinaten. Wir setzenalso x = r · cos(ϕ) und y = r · sin(ϕ) in unsere Gleichung ein:

(x2 + y2)2 − 2a2(x2 − y2) = 0

⇒ [(r · cos(ϕ))2 + (r · sin(ϕ))2]2 − 2a2[(r · cos(ϕ))2 − (r · sin(ϕ))2] = 0

⇒ [r2(cos2(ϕ) + sin2(ϕ))]2 − 2a2r2(cos2(ϕ)− sin2(ϕ)) = 0

Nun wendet man sin2(ϕ) + cos2(ϕ) = 1 und die Formel von De Moivre (cos2(ϕ) −sin2(ϕ) = cos(2ϕ)) an.

⇒ r4 − 2a2r2(cos(2ϕ)) = 0⇔ r2 = 2a2(cos(2ϕ))

Um die Bogenlänge der Lemniskate zu berechnen benutzen wir die Formel s =∫ √

r2 + r2dt.Die Lemniskate in Polarkoordinaten war gegeben durch:

r2 = 2a2 cos(2t) ⇒ r =√

2a2 cos(2t) ⇒ r =−2a2 sin(2t)√

2a2 cos(2t),

wobei wir statt dem Parameter ϕ wieder den uns bekannteren Parameter t verwendethaben.Wir erhalten:

s =

∫ √r2 + r2dt =

∫ √2a2 cos(2t) +

(2a2)2 sin2(2t)

2a2 cos(2t)dt

=

∫ √2a2 cos2(2t)

cos(2t)+

2a2 sin2(2t)

cos(2t)dt

=√

2a2

∫1√

cos(2t)dt

= a√

2

∫1√

1− 2 sin2(t)dt,

da 1− cos(x) = 2 sin2(x2).

Wir substituieren nun u = tan(t) (t = arctan(u), dtdu

= 11+u2 ). Da wir aber kein tan(t)

in unserem Term haben, formen wir zunächst geeignet um:

u2 = tan2(t) =sin2(t)

cos2(t)=

sin2(t)

1− sin2(t)

⇒ u2 − u2 sin2(t) = sin2(t) ⇒ u2 = sin2(t)(1 + u2) ⇒ sin2(t) =u2

1 + u2

13

Damit ist unsere Bogenlänge nach der Substitution:

s = a√

2

∫1√

1− 2 u2

1+u2

1

1 + u2du

= a√

2

∫1√

(1 + u2)2 − 2u2(1 + u2)du

= a√

2

∫1√

(1 + u2)((1 + u2)− 2u2)du

= a√

2

∫1√

(1 + u2)(1− u2)du

= a√

2

∫1√

1− u4du

Damit sind wir eigentlich schon am Ende unserer Rechnung, da wir es mit einemsogenannten elliptischen Integral zu tun haben, das sich nicht analytisch lösen lässt.Auch wenn wir aus dem unbestimmten Integral ein bestimmtes Integral machen, indemwir die Bogenlänge einer Schleife der Lemniskate betrachten, also den Winkel t von −π

4

bis π4laufen lassen, sodass u von −1 bis 1 läuft, können wir das Integral nicht so einfach

lösen:

s = a√

2

∫ 1

−1

1√1− u4

du

Doch unsere vorherige Rechnung war dennoch nicht umsonst, da wir dadurch dieBogenlänge auf ein besonderes elliptisches Integral, dem Fagnano-Integral zurückge-führt haben. Es gibt sehr viele Mathematiker, die sich mit dem Problem des Lösensvon elliptischen Integralen und auch diesem speziellen elliptischen Integral beschäftigthaben. Unter anderem hatte sich auch Carl Friedrich Gauss 1976 im Alter von 19Jahren mit unserem Integral beschäftigt. Mit Hilfe der von ihm eingeführten Lemnis-katischen Konstanten

$ := 2

∫ 1

0

1√1− t4

dt = 2, 62205755429211981...

erhalten wir unter Berücksichtigung, dass unser Integral offensichtlich symmetrisch ist:

s = a√

2

∫ 1

−1

1√1− u4

du = a√

2 · 2∫ 1

0

1√1− u4

du = a√

2 ·$ ≈ 3, 708a

Die Bogenlänge einer Lemniskatenschleife ist also ca. 3,7 mal so groß wie der Abstandzwischen den Brennpunkten F1 bzw. F2 und dem Ursprung.

14

2.2.4 Die Ellipse

br1

Abbildung 2.7: Ellipse

Definition 2.4 Die Menge aller Punkte P , für die die Summe der Abstände r1 und r2zu zwei gegebenen Punkten F1 und F2 gleich 2a ist.

Zu beachten ist hierbei, dass a nicht wie bei der Lemniskate den Abstand zwischen demUrsprung und den Brennpunkten F1 und F2 beschreibt. Dieser wird bei der Ellipse alsExzentrizität e bezeichnet. Hier beschreibt a hingegen die Länge der großen Halbachseund b die Länge der kleinen Halbachse.

Für die Gleichung der Ellipse in kartesischen Koordinaten erhalten wir:

r1 + r2 = 2a ⇒√

(e+ x)2 + y2 +√

(e− x)2 + y2 = 2a

⇒√

(e+ x)2 + y2 = 2a−√

(e− x)2 + y2

⇒ (e+ x)2 + y2 = 4a2 − 4a√

(e− x)2 + y2 + (e− x)2 + y2

⇒ e2 + 2ex+ x2 + y2 = 4a2 − 4a√

(e− x)2 + y2 + e2 − 2ex+ x2 + y2

⇒ 4ex = 4a2 − 4a√

(e− x)2 + y2

⇒ a− ex

a=√

(e− x)2 + y2

⇒ a2 − 2ex+e2x2

a2= e2 − 2ex+ x2 + y2

⇒ a2 − e2 = (1− e2

a2)x2 + y2 =

a2 − e2

a2x2 + y2

⇒ 1 =x2

a2+

y2

a2 − e2

15

Betrachtet man den Fall x = 0 und somit y = ±b, so sieht man, dass dann r1 = r2gelten muss und somit 2r1 = 2a⇒ r1 = a gilt. Es gilt also: b2 +e2 = r2

1 = a2 und somita2 − e2 = b2. Wir erhalten also letztendlich für unsere Ellipse:

x2

a2+y2

b2= 1

Dies ist allerdings die implizite Form. Da wir auch von der Ellipse die Bogenlängebestimmen wollen, benötigen wir aber y′. Deshalb lösen wir die obige Gleichung nachy auf.

x2

a2+y2

b2= 1⇔ y2 = b2 − x2 · b2

a2⇔ y2 =

b2

a2(a2 − x2)⇔ y =

b

a

√a2 − x2

Nun berechnen wir mit dieser Gleichung die Ableitung von y:

y′ =b

a· −2x

2√a2 − x2

= − ba

x√a2 − x2

Damit ergibt sich für die Bogenlänge der Ellipse:

s =

∫ √1 + y′2 dx =

∫ √1 +

b2

a2

x2

a2 − x2dx =

1

a

∫ √a2 +

b2x2

a2 − x2dx

=1

a

∫ √a4 − a2x2 + b2x2

a2 − x2dx =

1

a

∫ √a4 − (a2 − b2)x2

a2 − x2dx

=1

a

∫ √a2 − a2(1− b2

a2 )x2

a2

1− x2

a2

dx =

∫ √1− (1− b2

a2 )x2

a2

1− x2

a2

dx

Nun nennen wir 1− b2

a2 = κ2 und substituieren nach der Substitutionsregel xa

= ξ.

(ξ = xa, dξdx

= 1a)

s =

∫ √1− κ2ξ2

1− ξ2· a dξ = a

∫1− κ2ξ2√

1− κ2ξ2√

1− ξ2dξ.

Wir substituieren erneut, diesmal mit sin(ϕ) = ξ.(ϕ = arcsin(ξ), dϕ

dξ= 1√

1−ξ2)

s = a

∫1− κ2 sin2(ϕ)√

1− κ2 sin2(ϕ)√

1− ξ2

√1− ξ2 dϕ = a

∫ √1− κ2 sin2(ϕ) dϕ

Wie schon bei der Bogenlänge der Lemniskate haben wir es wieder mit einem ellipti-schen Integral zu tun. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn schließlich hat dieserIntegraltyp seinen Namen genau aus diesem Grunde erhalten. Ein halber Ellipsenbogenverläuft von −a ≤ x ≤ a bzw. −1 ≤ ξ ≤ 1 und letztendlich von −π

2≤ ϕ ≤ π

2.

Für a = 2 und b = 1 erhalten wir beispielsweise numerisch für die Bogenlänge eineshalben Ellipsenbogens einen Wert von:

s = a

∫ π2

−π2

√1− κ2 sin2(ϕ) dϕ = 2

∫ π2

−π2

√1− 3

4sin2(ϕ) dϕ ≈ 4, 8442

16

2.3 Die Evolute

Wir wissen, dass die Krümmung von Kurven durch Krümmungskreise angegeben wer-den kann. Der Krümmungsmittelpunkt, also der Mittelpunkt eines solchen Kreises istin Parameterdarstellung (abhängig vom Parameter t) mit den Koordinaten ξ und ηgegeben durch:

ξ = x− % y√x2 + y2

η = y + %x√

x2 + y2

Hierbei steht x bzw. y für die Koordinaten der Kurve, % ist bekanntermaßen der Ra-dius des Krümmungskreises, y bzw. x geben die Richtung des Radius an (senkrechtzur Tangente) und

√x2 + y2 ist für die Normierung zuständig, sodass wir gerade am

Kreismittelpunkt „ankommen”.Alle Krümmungsmittelpunkte zusammen ergeben eine neue Kurve, die Evolute .

Definition 2.5 Die Evolute einer Kurve ist die Bahn, auf der sich der Mittelpunktdes Krümmungskreises bewegt, wenn der Berührpunkt auf der Kurve entlang wandert.

Man kann die Bogenlänge s als Parameter benutzen, was das rechnen deutlich verein-facht. Wir wissen, dass die Bogenlänge durch s =

∫ √x2 + y2 dt gegeben ist, sodass(

ds

dt

)2

= x2 + y2 = 1.

Damit erhalten wir für unsere Evolute in Abhängikeit vom Parameter s:

ξ = x− %y

η = y + %x

Diese Vereinfachung werden wir auch im Folgenden weiter nutzen.

2.3.1 Eigenschaften der Evolute

Theorem 2.6 Die Kurvennormale berührt die Evolute im Krümmungsmittelpunkt oderDie Evolute ist die von den Normalen „eingehüllte” Kurve.

Beweis:x2 + y2 = 1 ⇒ 2xx+ 2yy = 0 ⇒ xx+ yy = 0

k =1

%=

xy − yx(x2 + y2)

32

= xy − yx = y

(x− y x

y

)= y

(x+ y

y

x

)= y

(x+

1− x2

x

)

= y

(x+

1

x− x)

=y

x= − x

y

17

⇒ %y = x sowie %x = −y,

wobei wir hierbei x2 + y2 = 1 ⇒ y2 = 1− x2 undxx+ yy = 0 ⇒ xx = −yy ⇒ x

y= − y

x⇒ x

y= − y

xverwendet haben.

Aus ξ = x− %y , η = y + %x folgt damit:

ξ = x− %y − %y = −%yη = y + %x+ %x = %x

Letztendlich erhalten wir: −%yx+ %xy = 0 ⇒ ξx+ ηy = 0Da die Gleichung für ξ = −y und η = x erfüllt ist, können wir hieraus ablesen, dassdie Tangenten an die Evolute gerade die Normalen der zur Evolute gehörigen Kurveist, was identisch zu den zu beweisenden Aussagen ist. q.e.d.

Abbildung 2.8: Evolute der Parabel

Bemerkung 2.7 Wenn einem der letzte Schritt des Beweises nicht sofort einsichtigist, kann man beispielsweise den Winkel zwischen Tangente der Evolute und der Nor-malen der Kurve durch einen Punkt (x, y) betrachten: Allgemein gilt für den Winkel δzwischen den Tangenten zweier Kurven

cos(δ) =xx1 + yy1√

x2 + y2√x1

2 + y12.

Für den Winkel zwischen den Tangenten von Evolute und Kurve erhalten wir also

cos(δ) =xξ + yη√

x2 + y2

√ξ2 + η2

= 0 ⇒ δ = 90◦.

Damit ist also der Winkel zwischen Tangente der Evolute und der Normalen der Kurve0◦ und da sie durch einen gemeinsamen Punkt gehen, ist die Tangente an die Evolutegleich der zugehörigen Normalen der Kurve.

18

Grafisch lässt sich dieses Theorem leicht einsehen, wenn man die Evolute nach obigerDefinition konstruiert und dann die Normalen der Ursprungskurve einzeichnet (sieheAbb. 2.8).

Wir wollen nun eine weitere Eigenschaft der Evolute betrachten:

Theorem 2.8 Die Bogenlänge der Evolute zwischen zwei Punkten ist gleich der Diffe-renz der zugehörigen Krümmungsradien, solange für den betreffenden Bogen gilt: % 6= 0.

Beweis:Sei σ die Bogenlänge der Evolute von einem beliebigen Anfangspunkt aus. Dann gilt:(

ds

)2

= σ2 = ξ2 + η2 = (−%y)2 + (%x)2 = %2(y2 + y2

)= %2

Wenn man den Anfangspunkt der Zählung der Bogenlänge geeignet wählt und % 6= 0ist, gilt:

σ2 = %2 ⇒ σ = % ⇒ σ1 − σ0 = %1 − %0

(wobei im letzten Schritt integriert wurde).q.e.d.

Abbildung 2.9: Verdeutlichung von Theorem 2.8

Bemerkung 2.9 Die Bedingung % 6= 0 ist notwendig, da sonst % beim Überschreitendieses Punktes das Vorzeichen ändern würde und damit auch die Bogenlänge nichtnormal weitergezählt würde. Um dies zu verhindern, kann man nach dem Überwanderndes entsprechenden Punktes mit dem umgekehrten Vorzeichen des Krümmungsradiusweiterrechnen, also σ2 = −%2.

19

2.3.2 Die Evolute der Zykloide und der Ellipse

Da wir uns bereits mit Zykloide und Ellipse beschäftigt haben, betrachten wir nun alsBeispiele die Evoluten dieser beiden Kurven:Die Zykloide war gegeben durch: x = a(t− sin(t)), y = a(1− cos(t)), wobei wir hierder Einfachkeit halber mit der Zykloide rechnen, die entsteht wenn ein Einheitskreis(Radius a = 1) abrollt, also gilt:

x = t− sin(t), x = 1− cos(t), x = sin(t)

y = 1− cos(t), y = sin(t), y = cos(t)

Für die Evolute der Zykloide erhalten wir damit (man beachte, dass wir nun wieder

mit t als Parameter rechnen und dass der Krümmungsradius durch % = 1k

=(x2+y2)

32

xy−yxgegeben ist):

ξ = x− % y√x2 + y2

= x− y x2 + y2

xy − yx

= t− sin(t)− sin(t)(1− cos(t))2 + sin2(t)

(1− cos(t)) cos(t)− sin2(t)

= t− sin(t)− sin(t)1− 2 cos(t) + cos2(t) + sin2(t)

cos(t)− cos2(t)− sin2(t)

= t− sin(t)− sin(t)1− 2 cos(t) + 1

cos(t)− 1

= t− sin(t)− sin(t)−2(cos(t)− 1)

cos(t)− 1

= t− sin(t) + 2 sin(t) = t+ sin(t)

η = y + %x√

x2 + y2= y + x

x2 + y2

xy − yx

= 1− cos(t) + (1− cos(t))(1− cos(t))2 + sin2(t)

(1− cos(t)) cos(t)− sin2(t)

= 1− cos(t) + (1− cos(t))(−2)

= 1− cos(t)− 2 + 2 cos(t)

= −1 + cos(t)

Die so erhaltenen Evolutengleichungen scheinen denen der Zykloide selbst sehr zu äh-neln. Ersetzen wir t durch τ + π erkennen wir, dass wir es wieder mit einer Zykloidezu tun haben:

ξ = t+ sin(t) = τ + π + sin(τ + π) = τ + π − sin(τ) ⇒ ξ − π = τ − sin(τ)

η = −1 + cos(t) = −1 + cos(τ + π) = −1− cos(τ) ⇒ η + 2 = 1− cos(τ)

20

Die Evolute der Zykloide ist also wiederum eine Zykloide, die um π in x-Richtung undum -2 in y-Richtung verschoben ist. Die untere Evolute in Abb. 2.10 ist also die Evolutezur oberen Zykloide.

Abbildung 2.10: Zykloide und ihre Evolute

Um die Evolute der Ellipse zu bestimmen benutzen wir wie auch bei der Zykloide dieParameterdarstellung. Wir wissen bereits:

x = a · cos(t), x = −a · sin(t), x = −a · cos(t)

y = b · sin(t), y = b · cos(t), y = −b · sin(t)

und erhalten für die Evolute:

ξ = x− y x2 + y2

xy − yx

= a · cos(t)− b · cos(t)a2 sin2(t) + b2 cos2(t)

ab · sin2(t) + ab · cos2(t)

= a · cos(t)− b

abcos(t)(a2(1− cos2(t)) + b2 cos2(t))

= a · cos(t)− 1

acos(t)(a2 − a2 cos2(t) + b2 cos2(t))

= a · cos(t)− a · cos(t)− 1

acos(t)((−a2 + b2) cos2(t))

=a2 − b2

acos3(t)

21

η = y + xx2 + y2

xy − yx

= b · sin(t)− a · sin(t)a2 sin2(t) + b2 cos2(t)

ab · sin2(t) + ab · cos2(t)

= b · sin(t)− a

absin(t)(a2 sin2(t) + b2(1− sin2(t)))

= b · sin(t)− 1

bsin(t)(a2 sin2(t) + b2 − b2 sin2(t))

= b · sin(t)− b · sin(t)− 1

bsin(t)((a2 − b2) sin2(t))

= −a2 − b2

bsin3(t)

Wollen wir nun die Gleichung der Evolute in impliziter Form unabhängig von t angeben,so müssen wir t eliminieren:

ξ =a2 − b2

acos3(t) ⇒ & cos2(t) = ( aξ

a2−b2 )23

η = −a2 − b2

bsin3(t) ⇒ & sin2(t) = (− bη

a2−b2 )23 = ( bη

a2−b2 )23

⇒ (aξ

a2 − b2)

23 + (

a2 − b2)

23 = 1 ⇒ (aξ)

23 + (bη)

23 = (a2 − b2)

23

Kurven solcher Form werden Asteroide genannt. Wie in Abb. 2.11 verdeutlicht, ist dieEvolute einer Ellipse also eine Asteroide.

Abbildung 2.11: Asteroide als Evolute der Ellipse

22

3 Resümee

Mit Blick auf die Arbeit haben wir festgestellt, dass man nicht vergessen sollte, dass esverschiedene Darstellungweisen von Kurven gibt. D.h. man sollte nicht immer versu-chen, mit der vorliegenden Darstellung zu rechnen, weil es mit einer anderen Darstel-lung eventuell einfacher ist. Es kann sogar vorkommen, dass man manche Dinge nichtmit der kartesischen Darstellung, die vielen am vertrautesten ist, berechnen kann.Besonders interessant fanden wir, dass die Paramterdarstellung für uns bisher so ei-ne geringe Bedeutung hatte, obwohl sie, wie beim Beispiel der Zykloide, häufig mitmathematischen Grundkenntnissen hergeleitet werden kann, wenn man eine geeigneteSkizze vorliegen hat.Mit Hilfe einer Skizze kann man auch oft die Evolute einer Kurve konstruieren, oh-ne rechnen zu müssen. Allerdings gibt es auch „knifflige” Fälle. So ist jeder Leser,der Herausforderungen mag, dazu angehalten, die Evolute der gerade kennengelerntenLemniskate zeichnerisch zu bestimmen. Ansonsten kann sich jeder nochmal an dem„Evoluten-Memory” im Anhang versuchen.

23

4 Anhang

4.1 Berechnung des Integrals von cos2

∫ 2π

0

cos2(t) dt =

∫ 2π

0

cos(t) cos(t) dt

Wir benutzen die partielle Integration:Definiere:

u := cos(t)⇒ u′ = − sin(t)

v′ := cos(t)⇒ v = sin(t)

⇒∫ 2π

0

cos(t) cos(t) dt =[cos(t) sin(t)

]2π0

+

∫ 2π

0

sin(t) sin(t) dt

= 0 +

∫ 2π

0

sin2(t) dt =

∫ 2π

0

1− cos2(t) dt

=

∫ 2π

0

1−∫ 2π

0

cos2(t) dt

⇒ 2

∫ 2π

0

cos2(t) dt =

∫ 2π

0

1 dt

⇒∫ 2π

0

cos2(t) dt =1

2

∫ 2π

0

1 dt =1

2

[t]2π

0

24

4.2 Satz über implizite Funktionen

Satz über implizite Funktionen: 1 Ist F (x, y) eine Funktion von x und y mitstetigen Ableitungen Fx und Fy und ist an der Stelle (x0, y0) die GleichungF (x0, y0) = 0 erfüllt, während die partielle Ableitung Fy(x0, y0) dort vonNull verschieden ist, so lässt sich um x0 herum in der x-Richtung ein Inter-vall x1 ≤ x ≤ x2 so abgrenzen, dass in ihm durch die Gleichung F (x, y) = 0in eindeutiger Weise eine stetige Funktion y = f(x) bestimmt ist. Für dieseFunktion gilt an der Stelle x0 die Gleichung y0 = f(x0) und an jeder Stel-le des genannten Intervalles ist die Gleichung F (x, f(x)) = 0 erfüllt. DieFunktion y = f(x) ist differenzierbar, und ihre Ableitung wird durch dieGleichung

y′ = f ′(x) = −FxFy

geliefert.

Beispiel für den Satz über implizite Funktionen:

Der Kreis ist implizit gegeben durch:

F (x, y) = x2 + y2 − 1 = 0

⇒ Fx = 2x ∧ Fy = 2y

⇒ y′ = −xy

Überprüfung durch einfaches Auflösen nach y um die explizite Form zu erhalten:

x2 + y2 − 1 = 0

⇒ y =√

1− x2 ∨ y = −√

1− x2

⇒ y′ = − x√1− x2

∨ y′ =x√

1− x2

⇒ y′ = −xy

1aus R. Courant, Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung

25

4.3 Finde die Evolute...

Abbildung 4.1: Was gehört zusammen?

26

Abbildung 4.2: Lösungen

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Literatur

[1] R.Courant: Vorlesungen über Differential und Integralrechnung 1Springer Verlag, Berlin - Heidelberg - New York, 4.Auflage, 1971

[2] R.Courant: Vorlesungen über Differential und Integralrechnung 2Springer Verlag, Berlin - Heidelberg - New York, 3.Auflage, 1963

[3] Konrad Königsberger: Analysis 2Springer Verlag, Berlin - Heidelberg - New York..., 5.Auflage, 2004

[4] www.mathematische-basteleien.de (27.10.2008)

[5] http://mathworld.wolfram.com (27.10.2008)

[6] www.ba-gi.de (27.10.2008)

[7] http://haftendorn.uni-lueneburg.de/analysis (27.10.2008)

[8] www.de.wikipedia.org (27.10.2008)

Abbildungen:Abb. 1.1: http://www.gassner-beschriftungen.de/images/E3_DDR_Dampflok_2.jpg(27.10.2008)Abb. 1.2: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/97/Spirograph3.jpg (27.10.2008)Abb. 2.1 und 2.2: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f0/Cycloid_animated_.gif(27.10.2008)Abb. 2.3: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/a/ae/Zykloiden.png (27.10.2008)Abb. 2.4: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/9/9f/Epizykloiden.png (27.10.2008)Abb. 2.5: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b8/Hypocycloid_hypozykloide.png(27.10.2008)Abb. 2.6: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/a/a9/Lemniskate.png (27.10.2008)Abb. 2.7: http://www.geogebra.org/de/wiki/index.php/Ellipse (27.10.2008)Abb. 2.8 und 2.9: http://haftendorn.uni-lueneburg.de/analysis/kruemmuell/evolute.pdf(27.10.2008)Abb. 2.10: R.Courant: Vorlesungen über Differential und Integralrechnung1 (S.267)Abb. 2.11: http://mathworld.wolfram.com/images/eps-gif/Evolutes_951.gif (27.10.2008)Abb. 4.1 und 4.2: selbst gezeichnet

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