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PC II-Quantenmechanik Gregor Diezemann Februar 2011

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Page 1: Skript Quantenmechanik

PC II-Quantenmechanik

Gregor Diezemann

Februar 2011

Page 2: Skript Quantenmechanik
Page 3: Skript Quantenmechanik

Inhaltsverzeichnis

1 Einfuhrung 51.1 Quantenmechanik in der Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Prinzipien der klassischen Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.3 Zusammenbruch des klassischen Gebaudes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrodinger-Gleichung 92.1 Photoelektrischer Effekt (Licht als Teilchen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2 Doppelspaltexperiment (Licht als Welle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.3 Quantenfußball (Teilchen als Welle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.4 Materiewellen; Schrodinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.4.1 Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.4.2 Schrodinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3 Einfache Systeme 173.1 Eindimensionale Quantensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.1.1 Freies Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.1.2 Teilchen im Kasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.1.3 Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

3.2 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.3 Bewegung in 2 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

3.3.1 zweidimensionaler Potentialtopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.3.2 Rotationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

3.4 Rotation in drei Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

4 Axiomatische Quantenmechanik 554.1 Eigenschaften linearer Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554.2 Postulate der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.3 Die Dirac-Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

5 Drehimpulse und Spin 695.1 Definition von Drehimpulsoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695.2 Der Spin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705.3 Kopplung von Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

6 Mehrelektronensysteme: Atome 796.1 Identische Teilchen-Pauli-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796.2 Komplexe Atome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

6.2.1 Zentralfeldnaherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836.2.2 Konfigurationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856.2.3 Atomzustande -Termsymbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876.2.4 Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

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Page 4: Skript Quantenmechanik

Inhaltsverzeichnis

7 Molekule, chemische Bindungen 957.1 Born-Oppenheimer-Naherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957.2 Das H+

2 -Molekulion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 987.3 Das H2-Molekul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1067.4 Konfigurationen zweiatomiger Molekule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087.5 Terme zweiatomiger Molekule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1137.6 Mehratomige Molekule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik 1178.1 Zeitunabhangige Storungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1188.2 Zeitabhangige Storungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

9 Grundlagen der Spektroskopie 1299.1 Ubergangsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1309.2 Atomspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1349.3 Rotations- und Schwingungsspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

9.3.1 Zweiatomige Molekule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1379.3.2 Schwingungen mehratomiger Molekule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

9.4 Optische Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1489.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

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Page 5: Skript Quantenmechanik

1 Einfuhrung

Vorbemerkung

Dieses Skript lehnt sich eng an die PC II-Vorlesung an, die ich bis zum Wintersemester 2010/2011gehalten habe. Ab dem Sommersemester 2011 andern sich einige Inhalte. Insbesondere wird starkerauf die Behandlung der chemischen Bindung eingegangen und es gibt nur eine kurze Einfuhrung in dieGrundlagen der Spektroskopie. Selbstverstandlich lassen sich Fehler und Unklarheiten nicht vermeiden.Darum bin ich fur jede Anmerkung dankbar. Es ist nach einer Vorlage von L. Steidl entstanden, ohne diees niemals zustande gekommen ware.Fur konstruktive Kritik mochte ich mich bedanken bei:C. Dusing, J. Emsermann, A. Gutmann, M. Hanauer, C. Kling, R. Krini, A. Kohn, K. Schad, J. Muller,D. Scharf, J.M. Schulein, W. Schwalbach, R. Staff, M. Steinmann, S. Stottinger, S. Stopkowicz.

!!Um weitere Kritik und Anmerkungen wird gebeten!!

Literaturempfehlungen

Zum Gebrauch neben der Vorlesung sind folgende Bucher zu empfehlen:

• G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie

• P. W. Atkins, Molecular Quantum Mechanics

• P. W. Atkins, Physikalische Chemie

Die Vorlesung halt sich an kein spezielles Buch. Deshalb laßt sich schwerlich ein bestimmtes Buchbesonders empfehlen. Bevor man sich ein Buch zulegt, sollte man es sich nach Moglichkeit zunachstausleihen.

1.1 Quantenmechanik in der Chemie

Die Quantenmechanik beschaftigt sich mit dem Verhalten von Materie im sogenannten mikroskopischenBereich von einigen Angstrom, sie beginnt somit dort, wo die klassische Mechanik ’endet’. Tatsachlichist sie die einzige physikalische Theorie, die das Verhalten von Atomen bzw. Molekulen korrekt be-schreibt und deswegen fur die Chemie von eminenter Wichtigkeit.Die Vorlesung PC II gibt eine Einfuhrung in die Quantenmechanik fur Chemiker. Sie ist bei einemmoglichst geringen Anteil an Mathematik derart gestaltet, dass sie die fur Chemiker wichtigen Grundla-gen schafft. Die verwendete Mathematik beschrankt sich dabei im wesentlichen auf Differential-, Inte-gralrechnung und lineare Algebra. Auf theoretische Aspekte der klassischen Physik wird nicht sonderlicheingegangen. Die notigen Grundlagen werden in der Vorlesung selbst erarbeitet.Anwendung findet die Quantenmechanik beispielsweise in folgenden fur die Chemie wichtigen Berei-chen:

• Atomtheorie

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1 Einfuhrung

• chemische Bindung

• MO-Theorie

• Grundlagen der Spektroskopie

1.2 Prinzipien der klassischen Physik

Die klassische Physik beschaftigt sich im Wesentlichen mit zwei Phanomenen: der Materie und derStrahlung. Es gibt hierbei zwei Theorien: die Mechanik beschreibt die Materie, die Wellentheorie dieStrahlung, wobei sich die Theorien folgendermaßen stichpunktartig charakterisieren lassen:

Mechanik

Grundlegend sind die Newton’schen Axiome, wobei diesen Axiomen entsprechend Bewegungsgleichun-gen aufgestellt und gelost werden. Das geschieht im Prinzip folgendermaßen:Nach dem Newton’schen Kraftgesetz gilt:

~F = m~a (1.1)

Die Beschleunigung ~a ist definiert als zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit ~v, welche wiederum alszeitliche Ableitung des Ortes ~r definiert ist. Gleichung (1.1) ist also eine Differentialgleichung, welchesich mit Hilfe bekannter Anfangsbedingungen losen laßt. Fur N Teilchen sind diese Anfangsbedingun-gen gegeben durch deren Aufenthaltsort, ~ri(0), zum Zeitpunkt t = 0 und ihren Impuls, ~pi(0) = mi~vi(0),zum selben Zeitpunkt. Dieses System ist deterministisch: Sind alle Anfangsbedingungen bekannt (furalle Teilchen ~ri(0) und ~pi(0)), ist alles andere ausrechenbar. Die Zeit t ist dabei lediglich ein Parameter.Will man mit diesem Modell beispielsweise die Bewegung eines Mols Gasmolekule betrachten, erscheintdas Losen der Differentialgleichungen mit ca. 1024 Anfangsbedingungen allerdings als sehr aufwendig.Das Modell ist also fur solche Problemstellungen hochstens mit der Hilfe von Computern anwendbar.Man wendet in solchen Fallen die Gesetze der klassischen statistischen Mechanik an. Es sollte außer-dem erahnt werden, dass viele Probleme der klassischen Mechanik eine sehr starke Abhangigkeit vonden Anfangsbedingungen zeigen. Mit solchen und anderen Problemen beschaftigt sich die klassischeChaosforschung.

Wellentheorie

Maßgeblich sind hier die von Maxwell postulierten Zusammenhange. Die Theorie wird hier nicht be-schrieben, die Grundgroßen der Wellentheorie seien aber erwahnt:

~E Feldstarke des elektrischen Feldes~B magnetische Induktionρel elektrischen Ladungsdichte~j Stromdichte

Diese Großen erfullen die Maxwellschen Gleichungen. Lange Zeit wurde in der Wellentheorie die Exis-tenz eines Agens diskutiert, welches als Medium fur die Wellenfortpflanzung im Vakuum fungieren soll-te. Experimente bewiesen allerdings, dass es dieses Agens nicht geben kann. Als Einstein seine spez. Re-lativitatstheorie veroffentlichte, wurden die Newton’schen Postulate zu Grenzfallen der relativistischenBetrachtung.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erschien die Physik in sich konsistent. Alles schien mit klassischenMethoden erklarbar zu sein.

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Page 7: Skript Quantenmechanik

1.3 Zusammenbruch des klassischen Gebaudes

1.3 Zusammenbruch des klassischen Gebaudes

Um die Jahrhundertwende (19./20. Jhd.) wurden allerdings Experimente moglich, die mit der klassi-schen Physik nicht mehr erklarbar waren. Dies waren Experimente im mikroskopischen Bereich, also inGroßenordnungen von 1 A, der Große eines Atoms. Die klassische Theorie versagt beispielsweise beider Beschreibung:

• der Strahlung schwarzer Korper

• der spezifischen Warme CV bei tiefen Temperaturen

• des Compton-Effekts

• des photoelektrischen Effekts

• der Stabilitat der Atome

An einem wichtigen Beispiel sei dies kurz demonstriert:

Instabilitat der Atome

Ein klassisches Atom besteht aus einem positiv geladenen Kern, um welchen sich ein Elektron auf einerKreisbahn bewegt. Der Durchmesser des Kerns betragt etwa 10−11m, der Radius der Kreisbahn ca.10−10m(1 A). Kern und Elektron besitzen hierbei nicht nur eine Ladung, sondern auch eine Masse. Sieuben also eine Coulombwechselwirkung

VC(r) =C

r(1.2)

aufeinander aus. Die auf die Elektronen wirkende Kraft ergibt sich als Ableitung des Coulomb-Potentials:F = − d

drVC(r). Nach der klassischen Theorie ist eine Kreisbewegung immer eine beschleunigte Bewe-gung. Nach den Gesetzen der Elektrodynamik strahlen beschleunigte Teilchen aber Energie ab. Deshalbmussten die Elektronen im Laufe der Zeit immer mehr Energie abgeben und somit ihre Kreisbahn einenimmer kleineren Radius annehmen. Das wurde aber unweigerlich dazu fuhren, dass sie fruher oder spaterin den Kern ’sturzen’ wurden. Deshalb ware ein Atom nach den Gesetzen der klassischen Physik nichtstabil.

Atomspektren

Nach der klassischen Vorstellung kann es naturlich sehr lange dauern, bis dieser ’Kollaps’ stattfindet.Nimmt man nun aber ein Spektrum eines solchen klassischen Atoms auf, so mußte man eine kontinuier-liche Abnahme der Intensitat beobachten. Stattdessen erhalt man diskrete, frequenzabhangige Intensitats-verteilungen. Die Frequenzen fur das Wasserstoffatom lassen sich nach folgender Formel ausrechnen:

f = RH

(1m2− 1n2

)(1.3)

Dabei ist RH die sogenannte Rydbergkonstante. Die experimentell beobachteten frequenzabhangigenSerien werden nach ihren Entdeckern: Lyman-, Balmer-, Paschen-, Brackett-,... Serie genannt. Offenbarversagt hier also das klassische Modell vollstandig. Es sollte an dieser Stelle schon klar sein, dass essomit auch keine ’klassische’ Chemie geben kann, da die Molekule aus den Atomen aufgebaut.

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Page 8: Skript Quantenmechanik

1 Einfuhrung

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Page 9: Skript Quantenmechanik

2 Welle-Teilchen-Dualismus;Schrodinger-Gleichung

2.1 Photoelektrischer Effekt (Licht als Teilchen)

Experimentell laßt sich die Emission von Elektronen aus Metallen durch Lichtbestrahlung feststellen.Licht wirkt hier mechanisch gesehen als Teilchen, welches das Elektron, auf welches es trifft, aus demMetall schlagt. Die so beschleunigten Elektronen erzeugen einen Strom, welcher sich mit einem geeig-neten Aufbau (s. Abb.2.1) messen laßt. Legt man entgegen der Stromrichtung eine Spannung an, so kanndie Energie des Elektrons bestimmt werden (Gegenspannung so hoch, dass kein Strom mehr fließt →Grenzspannung).

LichtElektron Gegenspannung

Cäsium

Abbildung 2.1: exp. Aufbau zur Untersuchung des photoelektrischen Effekts

Fur die Energiebetrachtung sind dabei folgende Zusammenhange wichtig: Zum Herausschlagen desElektrons durch das Photon ist die Austrittsarbeit WA zu leisten. Das betrachtete Elektron hat beimAustritt aus dem Metall die kinetische Energie:

Ekin =12mev

2 mit der Elektronenmasse me = 9 · 10−31kg (2.1)

Fur die Anderung der potentiellen Energie beim Durchgang durch das E-Feld gilt:

Ep = e · U mit der Elementarladung e = 1, 602 · 10−19C (2.2)

Elektronen, fur die12mev

2 ≥ e · U

gilt, erreichen die Elektrode und man misst einen Strom. Elektronen, deren kinetische Energie gerin-ger ist, liefern keinen Strom. Deshalb kann die Grenzspannung als Maß fur den Energieubertrag vomLicht auf die Elektronen angesehen werden. Dabei ist lediglich noch die konstante Austrittsarbeit WA zuberucksichtigen.Die experimentellen Befunde sind: die Grenzspannung andert sich mit der Frequenz (rotes Licht hat einegeringere Grenzspannung als violettes Licht). Die Intensitat hat keinen Einfluss auf die Grenzspannung.Fur violettes Licht findet man beispielsweise:

Ekin =12mev

2 = e · UG = 1, 6 · 10−19C · 1, 8V = 2, 88 · 10−19J

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Page 10: Skript Quantenmechanik

2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrodinger-Gleichung

I

UUG

doppelte Intensität

Abbildung 2.2: Auftragung von Strom I gegen die Spannung U

mit der Grenzspannung UG. Fur den Energieubertrag auf das Elektron ergibt sich somit:

E = Ekin +WA = 4, 96 · 10−19J

Fur verschiedene Farben erhalt man analog:

Farbe E in 10−19J λ in nm E · λ in 10−26Jm

violett 4,96 400 19,8gelb 3,31 600 19,9rot 2,48 800 19,8

Es ergibt sich als experimenteller Befund also fur alle Farben:

E · λ = 19, 88 · 10−26Jm

und mitλ =

c

ν(2.3)

E = h · ν (2.4)

wobei h das Planck’sches Wirkungsquantum

h = 6, 626 · 10−34Js

ist.Nach der Wellentheorie ist die Energie proportional zur Intensitat der Welle. Mit zunehmender Intensitatmußte also die Grenzspannung großer werden, was allerdings nicht der Fall ist.Betrachtet man Licht als Teilchen, so ist die Intensitat proportional zur Anzahl der Photonen und ebensoproportional zur Anzahl der Elektronen, bzw. dem Strom. Die Grenzspannung bleibt unverandert, nurdie Intensitat nimmt zu.

Fazit

In diesem Experiment verhalt sich Licht, wie man es von ’Teilchen’ mit der Energie E = hν erwartet.

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Page 11: Skript Quantenmechanik

2.2 Doppelspaltexperiment (Licht als Welle)

2.2 Doppelspaltexperiment (Licht als Welle)

Charakteristisch fur eine Welle sind ihre periodische Ausbreitung (z.B. eine Sinusfunktion), die Wel-lenlange λ und die Amplitude A. Uberlagern sich zwei Wellen, so fuhrt dies zur Interferenz, d.h. diebeiden Wellen bilden zusammen eine resultierende Welle, deren Gestalt von den Parametern der beidensich uberlagernden Wellen abhangt. Besitzen beide Wellen die gleiche Frequenz und die gleiche Ampli-tude und sind so gegeneinander verschoben (Gangunterschied/Phase), dass die Amplitudenmaxima dereinen Welle auf die Amplitudenmaxima der anderen Welle treffen, so besitzt die resultierende Welle diedoppelte Amplitude. Man spricht von konstruktiver Interferenz. Trifft dagegen immer ein Amplituden-maximum der einen Welle auf ein Amplitudenminimum der anderen, so loschen sich beide Wellen aus.Dies bezeichnet man als destruktive Interferenz.

Beugung am Doppelspalt

Fur die Beugung am Spalt ist die Interferenz von Sekundarwellen verantwortlich, welche von sogenann-ten Huygensschen Zentren ausgehen.Hierbei gilt das Huygenssche Prinzip:Jeder Punkt einer Elementarwelle (Huygenssches Zentrum) ist Ausgangspunkt einer Sekundarwelle, diesich mit den gleichen Parametern wie die ursprungliche Welle ausbreitet.Fur konstruktive Interferenz ergibt sich folgende Bedingung fur den Gangunterschied:

∆ = nλ (2.5)

und fur destruktive Interferenz:

∆ =2n+ 1

2λ (2.6)

wobei n ganzzahlig ist. Anhand der Abbildung 2.3 kann man sich das klar machen:

Schirm

Abbildung 2.3: Skizze zur Veranschaulichung des Gangunterschieds

Die Bedingungen fur den Gangunterschied sorgen dafur, dass alle Wellen paarweise konstruktiv be-ziehungsweise destruktiv interferieren, je nachdem ob der Gangunterschied halb- oder ganzzahlig ist.Das sich ergebende Interferenzmuster ist in Abbildung 2.4 dargestellt. Im Teilchenbild gibt es keineInterferenz. Daher kann keine Intensitat in Schattenraumen auftreten und man beobachtet lediglich 2Intensitatsstreifen hinter den Spalten. Es ist offenbar fur die Beschreibung dieses Versuches nicht zugebrauchen.

Da aber sowohl die Teilchen- wie auch die Wellentheorie offenbar nicht universell anwendbar sind,stellt sich nun die Frage, ob die Moglichkeit besteht, eine Betrachtungsweise zu finden, welche beide o.g.Phanomene beschreiben kann. Dies gelingt mit Hilfe der Wahrscheinlichkeit: Die Wahrscheinlichkeit,ein Photon an einem bestimmten Ort zu treffen, ist gleich der Intensitat der Lichtwelle an diesem Ort.

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Page 12: Skript Quantenmechanik

2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrodinger-Gleichung

ϕ

I

Abbildung 2.4: Interferenzmuster fur die Beugung am Doppelspalt

2.3 Quantenfußball (Teilchen als Welle)

Die Kombination der Beziehung fur die Energie eines Photons:

E = h · ν

und der Beziehung:E = mc2

fuhrt zu folgender Gleichung:

λ =h

mPh · c=h

p(2.7)

wobei p=mPh · c der Impuls eines Photons ist. Es laßt sich also eine Beziehung herstellen zwischender Geschwindigkeit eines Teilchens und der Wellenlange einer Welle. (’Dummerweise’ besitzen Photo-nen keine Ruhemasse und die Geschwindigkeit der Photonen ist fur ein Experiment ebenfalls ungunstighoch). Fuhrt man das Doppelspaltexperiment allerdings mit Teilchen einer endlichen Masse und einerGeschwindigkeit, die sehr viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist, durch, so konnte man erwarten,dass die angegebene Beziehung auch fur Teilchen gilt.

Genau dies gelang das erste Mal im Jahr 1999 ∗ mit Buckminster-Fullerenen (C60), welche durch Spaltegeeigneter Große auf einen Schirm geschossen werden. Hierbei ist Interferenz zu beobachten, wobeidas entstehende Interferenzmuster dem bei Licht auftretenden Muster entspricht, siehe Abb. 2.5. Alsozeigen diese (recht großen) Teilchen in diesem Experiment ganz klar Wellencharakter. Diese Erkenntnisverallgemeinerte de Broglie in seiner Theorie der Materiewellen:Jedem Teilchen kann uber die Beziehung:

λ =h

m · v=h

p(2.8)

eine Welle zugeordnet werden, d.h. fur Materie gilt dasselbe wie fur Licht.Fur C60- Molekule folgt also fur einen Radius von 1 nm = 10 A= 10−9m eine Wellenlange, die dem10−3-fachen des Radius entspricht.Ein Tennisball der Masse 80 g, welcher sich mit einer Geschwindigkeit von 55 m

s

(200kmh

)bewegt, hat

bei einem Radius von 5 cm eine de Broglie-Wellenlange von 1, 5 · 10−34m.Ein Fußganger, der Masse m = 75kg, welcher sich mit der Geschwindigkeit 5 km

h fortbewegt, hatte einede Broglie-Wellenlange von 6 · 10−34m, usw.

∗M. Arndt, O. Nairz, J. Vos-Andreae, C. Keller, G. van der Zouw, und A. Zeilinger; Nature 401 680 (1999)

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Page 13: Skript Quantenmechanik

2.4 Materiewellen; Schrodinger-Gleichung

Abbildung 2.5: Interferenzmuster von C60-Molekulen

Wie wir sehen, ist die de Broglie-Wellenlange fur makroskopische Objekte sehr viel kleiner als die raum-liche Ausdehnung des Objekts. Genau das ist der Grund dafur, dass man fur makroskopische Objektenormalerweise keine Interferenzen beobachtet, was naturlich in volligem Einklang mit der alltaglichenErfahrung ist.

Fazit

Als Fazit der bisherigen Erkenntnisse konnen wir festhalten:

• Teilchen verhalten sich wie Wellen mit

λ =h

m · v(de Broglie)

• Die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen am Ort R zu finden (zu lokalisieren), ist gleich der Intensitatder Materiewelle an diesem Ort, d.h.: man kann prinzipiell nur Wahrscheinlichkeiten uber dasVerhalten einzelner Teilchen angeben.

→ Es gibt keinen DeterminismusDas bedeutet, dass man im Gegensatz zur klasssischen Mechanik Ort und Impuls eines Teilchens nichtexakt aus der Kenntnis der entsprechenden Werte zu einem fruheren Zeitpunkt durch die Losung der Be-wegungsgleichungen (Newton’sche Gesetze) vorhersagen kann. Man kann lediglich angeben, wie großdie Wahrscheinlichkeit ist, das Teilchen an einem bestimmten Ort zu finden.

2.4 Materiewellen; Schrodinger-Gleichung

2.4.1 Wellengleichung

Fur eine sich in x-Richtung ausbreitende harmonische Welle der Amplitude A gilt:

Ψ(x) = A cos(

2πλ· x)

(2.9)

Die Geschwindigkeit der Wellenausbreitung betragt:

v = ν · λ (2.10)

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Page 14: Skript Quantenmechanik

2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrodinger-Gleichung

dabei ist ν die Frequenz der Welle. Die Position (beispielsweise eines Maximums) hangt einfach mit derGeschwindigkeit zusammen:

x = v · tGleichung (2.9) berucksichtigt die zeitliche Entwicklung nicht. Dazu benotigt man eine Funktion Ψ(x, t),die beispielsweise eine ’nach rechts laufende’ Welle beschreibt. Gesucht ist also eine Funktion, die dafursorgt, dass nach Ablauf einer Zeit t die Welle Ψ(x, t) genauso aussieht wie zum Zeitpunkt t = 0,allerdings in x- Richtung verschoben, das heißt:

Ψ(x, t) = Ψ(x− vt)

Es folgt also aus Gleichung (2.9):

Ψ(x− vt) = A cos(

2πλ· (x− vt)

)= A cos

(2πλx− 2πνt

)Definiert man den Wellenvektor :

k =2πλ

(2.11)

und die Kreisfrequenz :ω = 2πν (2.12)

so kann man dafur schreiben:Ψ(x, t) = A cos(kx− ωt) (2.13)

Zweifaches Differenzieren von Gleichung (2.13) nach Ort und Zeit,

∂2

∂x2Ψ(x, t) = −k2Ψ(x, t) ;

∂2

∂t2Ψ(x, t) = −ω2Ψ(x, t)

liefert mitv =

ω

kdie Wellengleichung in allgemeiner Form:

∂2

∂t2Ψ(x, t) = v2 ∂

2

∂x2Ψ(x, t) (2.14)

Mit Hilfe dieser Gleichung und der Berucksichtigung von Randbedingungen der Form: Ψ(x, 0), Ψ(0, t),∂∂xΨ(x, 0), ∂

∂tΨ(0, t) laßt sich fur ein beliebiges Problem eine Gleichung aufstellen, die diese Bewegungbeschreibt. Dies sei am Beispiel einer sogenannten stehenden Welle demonstriert.

stehende Wellen:

Eine sinusformige Welle laufe auf eine Wand zu und werde von dieser reflektiert. Beim Zurucklaufeninterferiert sie mit einer weiteren einlaufenden Welle. Ist die Interferenz konstruktiv, so uberlagern sichbeide Wellen zu einer stehenden Welle, bei der sich nur noch die Amplitude mit der Zeit andert:

Ψ(x, t) = cos(ωt)Ψ(x)

Dabei beschreibt cos(ωt) die zeitliche Anderung der Amplitude und Ψ(x) die raumliche Form. Setztman diesen Ausdruck in die Wellengleichung (2.14) ein, so folgt fur Ψ(x)

∂2

∂x2Ψ(x) = −

(2πλ

)2

Ψ(x) (2.15)

Das ist die Wellengleichung fur stationare Wellen. Die Zeitabhangigkeit der Amplitude ist automatischvon der Form cos(ωt), sin(ωt) oder eiωt. (Nach Euler gilt: eix = cosx+ i sinx und die Herleitung vonGl.(2.15) ist fur jede periodische Zeitfunktion identisch.)

14

Page 15: Skript Quantenmechanik

2.4 Materiewellen; Schrodinger-Gleichung

2.4.2 Schrodinger-Gleichung

Ubertragt man nun die Wellengleichung auf Materiewellen, untersucht man also stationare Materiewellenmit der de Broglie-Wellenlange λ = h

p , so ergibt sich zunachst aus der Wellengleichung:

∂2

∂x2Ψ(x) = −

(2πλ

)2

Ψ(x) = −4π2

λ2Ψ(x) = −4π2

h2p2Ψ(x)

Nutzt man nun die klassische Beziehung fur die Gesamtenergie eines physikalischen System,

E = Ekin + V = T + V =p2

2m+ V (2.16)

wobei T eine andere (in der theoretischen Mechanik gebrauchliche) Schreibweise fur Ekin = 12mv

2 =p2

2m ist, so findet man fur das Quadrat des Impulses:

p2 = 2m(E − V ) (2.17)

Es folgt also∂2

∂x2Ψ(x) = −4π2

h22m(E − V )Ψ(x)

Dies laßt sich mit der Abkurzung

~ =h

2π= 1, 055 · 10−34Js (2.18)

umformen zu

− ~2

2m∂2

∂x2Ψ(x) = (E − V )Ψ(x) (2.19)

Bei der bisherigen Herleitung wurde V als ortsunabhangig betrachtet. Berucksichtigt man die Orts-abhangigket von V , wie sie bei vielen Potentialen (wie z.B. dem Coulombpotential VC = CQ1·Q2

r )gegeben ist, so wurde man eigentlich eine Ortsabhangigkeit der Wellenlange λ erwarten. Unabhangigvon diesen Uberlegungen wird die de Broglie Beziehung auch fur ortsabhangige Potentiale als gultigangenommen und wir erhalten die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung:

− ~2

2m∂2

∂x2Ψ(x) + V (x)Ψ(x) = EΨ(x) (2.20)

Dies ist eine Gleichung fur stationare Materiewellen und Ψ(x) ist die stationare Wellenfunktion.Um eine Gleichung fur die Zeitabhangigkeit zu erhalten, geht man am einfachsten folgendermaßen vor:Man betrachtet eine Wellenfunktion der Form

Ψ(x, t) = Ψ0ei(kx−ωt) = Ψ0e

i(kx−E~ t)

aus, wobei E = hν = ~ω genutzt ist, und bildet die Zeitableitung und die zweifache Ableitung nachdem Ort:

∂tΨ(x, t) = −iE

~Ψ(x, t)

∂2

∂x2Ψ(x, t) = −k2Ψ(x, t) = −

(2πλ

)2

Ψ(x, t) = −2m~2

(E − V (x))Ψ(x, t)

Man erhalt somit die zeitabhangige Schrodinger-Gleichung:

i~∂

∂tΨ(x, t) = − ~2

2m∂2

∂x2Ψ(x, t) + V (x) ·Ψ(x, t) (2.21)

15

Page 16: Skript Quantenmechanik

2 Welle-Teilchen-Dualismus; Schrodinger-Gleichung

Diese Gleichung ist eine Grundgleichung der Quantenmechanik.Wenn man nun annimmt, dass es sich bei dem betrachteten physikalischen System um ein System han-delt, bei dem das Potential unabhangig von der Zeit ist, V (x, t) = V (x), kann man leicht zeigen, dasssich aus der zeitabhangigen Schrodinger-Gleichung unter Ausnutzung von Ψ(x, t) = Ψ(x)e−i

E~ t leicht

die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung (2.20) ergibt.Anmerkung: Systeme, fur die V (x, t)=V (x) gilt, nennt man konservative Systeme.

In drei Dimensionen hat man fur die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung(− ~2

2m

(∂2

∂x2+

∂2

∂y2+

∂2

∂z2

)+ V (x, y, z

)Ψ(x, y, z) = EΨ(x, y, z) (2.22)

Man bezeichnet

H = − ~2

2m

(∂2

∂x2+

∂2

∂y2+

∂2

∂z2

)+ V (x, y, z) (2.23)

als Hamilton-Operator. Man schreibt dann kurz fur die Schrodinger-Gleichung:

HΨ = EΨ (2.24)

Mathematische Erganzung:In der Vektoranalysis bezeichnet man den Vektor der Ableitungen

~∇ =(∂

∂x,∂

∂y,∂

∂z

)als Nabla-Operator. Das Skalarprodukt (~a ·~b = axbx + ayby + azbz) dieses Operators mit sich selbstliefert

∇2 = ~∇ · ~∇ = ∆ =∂2

∂x2+

∂2

∂y2+

∂2

∂z2

wobei ∆ als Laplace-Operator bezeichnet wird. Damit laßt sich der Hamilton-Operator kurz als

H = − ~2

2m∆ + V

schreiben.Die Schrodinger-Gleichung ist die zentrale Gleichung in der Quantenmechanik. Ihre Losung liefert diemaximale Informationen uber das betrachtete System. In der Chemie versucht man, die Schrodinger-Gleichung fur Atome und Molekule zu losen, wobei man in der Realitat in den meisen Fallen auf Nahe-rungsverfahren angewiesen ist.

16

Page 17: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Zunachst wollen wir uns aber nicht mit Molekulen beschaftigen, sondern versuchen, die Schrodinger-Gleichung fur einige einfache, aber relevante Modellsysteme zu losen. Wir werden uns hierbei ausge-hend von der Betrachtung eines sich in einer Dimension bewegenden Teilchens uber spezielle Modelle(Teilchen im Kasten, harmonischer Oszillator,...) zum einfachsten Atomsystem vorarbeiten, dem Was-serstoffatom. Wir betrachten in diesem Kapitel ausschließlich konservative Systeme. Die Erkenntnisse,die wir hierbei sammeln werden, sollen uns dabei helfen, kompliziertere Atom- bzw. Molekulsystemequantenmechanisch zu betrachten.

Wir werden im Laufe diese Kapitels neben der Losung der Schrodinger-Gleichung auch in einigen’Anmerkungen’ schon wichtige Begriffe der Quantentheorie einfuhren. Das geschieht im Vorgriff aufdas folgende Kapitel, in welchem wir uns mit den wichtigsten theoretischen Grundlagen der Quanten-mechanik befassen werden.

3.1 Eindimensionale Quantensysteme

Untersuchen wir also zunachst die Bewegung eines Teilchens in einer raumlichen Dimension. Zur Be-schreibung dieses Falles nutzen wir die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung in der Form:

− ~2

2m∂2

∂x2Ψ(x) + V (x)Ψ(x) = EΨ(x)

− ~2

2mΨ′′(x) + V (x)Ψ(x) = EΨ(x)

In diesem Kapitel wollen wir annehmen, dass V (stuckweise) konstante Werte annimmt, also in denentsprechenden Bereichen keine explizite Funktion der Ortsvariablen x ist. In diesem Fall kann man injedem einzelnen Bereich schreiben:

Ψ′′(x) =2m~2

(V − E)Ψ(x) (3.1)

Diese Gleichung ist unter den entsprechenden Randbedingungen zu losen.Es gibt aber noch eine zusatzliche Einschrankung fur die erlaubten Wellenfunktionen Ψ(x). Aus demvorigen Kapitel wissen wir namlich, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens am Ort x,P (x), proportional zur Intensitat der Materiewelle an diesem Ort ist. Letztere ist durch das Betragsqua-drat |Ψ(x)|2 gegeben, also:

P (x) ∝ |Ψ(x)|2 ; |Ψ(x)|2 = Ψ(x) ·Ψ?(x)

wobei Ψ? die zu Ψ konjugiert komplexe Große ist. P (x) ist also proportional zu |Ψ(x)|2. Da sich dasTeilchen irgendwo aufhalten muss, gilt: ∫ ∞

−∞P (x)dx = 1

Es muss also ∫ ∞−∞|Ψ(x)|2dx <∞ (= const.)

17

Page 18: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

gelten. Das bedeutet, das Integral uber das Absolutquadrat der Wellenfunktion muß konvergieren!

Man nennt solche Ψ quadratintegrabel oder normierbar.

Nur quadratintegrable Wellenfunktionen sind als physikalisch sinnvolle Losungen der Schrodinger-Glei-chung akzeptabel.Das Verhalten der Losung der Schrodinger-Gleichung (3.1) hangt vom Vorzeichen der Differenz (V −E)ab. Man hat also 2 Falle zu unterscheiden:

1. E > V :Man spricht von ungebundenen Zustanden (siehe Abbildung 3.1). In diesem Fall findet man oszil-lierende Losungen der Form:

Ψu(x) = Ψ0 cos(kx) oder Ψu(x) = Ψ0 sin(kx) mit k =

√2m~2

(E − V ) (3.2)

ungebunden

E

V

Abbildung 3.1: ungebundener Zustand

2. V > E:Man spricht von gebundenen Zustanden (siehe Abbildung 3.2). Hier hat man Exponentialfunktio-nen als Losungen:

Ψg(x) = Ψ0e−δx oder Ψg(x) = Ψ0e

+δx mit δ =

√2m~2

(V − E) (3.3)

Vgebunden

E

Abbildung 3.2: gebundener Zustand

18

Page 19: Skript Quantenmechanik

3.1 Eindimensionale Quantensysteme

Die Bedingungen fur den ungebundenen oder gebundenen Fall wurden dabei durch den Ansatz der Wel-lenfunktionen berucksichtigt. Zweimaliges Ableiten liefert Ψ′′u(x) = −k2Ψu(x), wahrend Ψ′′g(x) =δ2Ψg(x) ist. (Selbstverstandlich kann eine exponentiell anwachsende Funktion nur in einem begrenztenRaumbereich als Wellenfunktion physikalisch sinnvoll sein. Fur x→∞ darf Ψ nicht exponentiell anstei-gen, da Ψ dann nicht quadratintegrabel ware!) Ebenso sind nach dem sogenannten Superpositionsprinzip(siehe unten) auch Linearkombinationen denkbar (von dieser Moglichkeit werden wir im Folgenden Ge-brauch machen).

Superpositionsprinzip

Sind zwei Funktionen Ψ1 und Ψ2 Losungen der Schrodinger-Gleichung zu demselben Energiewert, soist jede Linearkombination Ψ = aΨ1 + bΨ2 auch eine Losung.Das bedeutet, dass die allgemeine Losung eine Linearkombination der speziellen Losungen ist. Die Kon-stanten werden durch die Randbedingungen festgelegt.

3.1.1 Freies Teilchen

Freie Teilchen sind der Extremfall des ungebundenen Zustandes, denn fur sie gilt uberall:

V = 0

Berucksichtigen wir dies in der zeitunabhangigen Schrodinger-Gleichung, so erhalten wir:

Ψ′′(x) = −2m~2EΨ(x) (3.4)

Wir wahlen nun als allgemeinen Ansatz fur die Wellenfunktion, vgl.(3.2):

Ψ(x) = A1 sin(kx) +A2 cos(kx) (3.5)

Mit Hilfe der Eulerschen Beziehung e±ix = cos(x)± i sin(x) laßt sich dies umformen zu:

Ψ(x) = c1eikx + c2e

−ikx (3.6)

Berucksichtigen wir die schon bekannte Beziehung k2 = 2mE~2 , so erhalten wir nach Umformung die

Energie (und zwar sowohl fur eikx als auch fur e−ikx):

E =~2k2

2m(3.7)

Ein Vergleich mit

E =12mv2 =

p2

2mliefert fur den Impuls:

p = ~k

aus welchem sich wiederum die de Broglie-Beziehung ergibt:

p = ~2πλ

=h

2π2πλ

→ λ =h

p

Betrachten wir nun die zeitabhangige Wellenfunktion Ψ(x, t) = Ψ(x) · e−iE~ t, wobei wir fur Ψ(x)

Gleichung (3.6) verwenden, so erhalten wir (E = ~ω):

Ψ(x, t) = Ψ(x)e−iE~ t

= c1ei(kx−E

~ t) + c2e−i(kx+ E

~ t)

= c1ei(kx−ωt) + c2e

−i(kx+ωt)

19

Page 20: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Der erste Teil (c1ei(kx−ωt)) dieses Ergebnisses beschreibt eine nach rechts laufende, der zweite Teil

(c2e−i(kx+ωt)) eine nach links laufende Welle.

Fur verschiedene Anfangsbedingungen lassen sich jetzt die Konstanten bestimmen: ’Wirft’ man dasTeilchen zum Zeitpunkt t = 0 nach rechts, so gilt: c2 = 0.Fliegt dagegen zum Zeitpunkt t = 0 dieselbe Anzahl an Teilchen nach links wie nach rechts, so gilt:

c1 = c2

undΨ(x) = c1(eikx + e−ikx) = 2c1 cos(kx)

Es bildet sich also eine stehende Welle.

Anmerkung: Operatoren

Fur die zukunftigen Betrachtungen ist es sinnvoll, einige Großen zu definieren. Im letzten Kapitel ist unsbereits der Hamilton-Operator begegnet. Allgemein bezeichnet ein Operator O ein Symbol dafur, einebestimmte Rechenoperation auszufuhren.Operatoren werden auf Funktionen angewendet und besitzen keinen Wert. Die Gleichung

Of(x) = g(x) (3.8)

bedeutet: Operator O auf die Funktion f(x) angewendet liefert die Funktion g(x).Einige Beispiele sind:

O = x→ Of(x) = xf(x)

O =d

dx→ Of(x) =

d

dxf(x)

H = − ~2

2md2

dx2+ V (x)

Das letzte Beispiel kennen wir von der zeitunabhangigen Schrodinger-Gleichung:

HΨ(x) = EΨ(x)

Diese Gleichung ist von der allgemeinen Form:

Of(x) = af(x) (3.9)

Das bedeutet: Wendet man den Operator O auf die Funktion f(x) an, so erhalt man dieselbe Funktionf(x) multipliziert mit einer Konstanten a.Eine solche Gleichung bezeichnet man als Eigenwert-Gleichung.Dabei ist a ein sogenannter Eigenwert zu O und f(x) eine Eigenfunktion zu O.

In der Quantenmechanik gibt es neben dem Hamiltonoperator eine Reihe weiterer wichtiger Operatoren.Als Beispiel sei der Impulsoperator p behandelt. Er ist (in einer Dimension) definiert als:

p =~i

d

dx(3.10)

Die Wirkung von p auf die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators fur das freie Telichen ist:

peikx =~i

d

dxeikx = ~keikx

20

Page 21: Skript Quantenmechanik

3.1 Eindimensionale Quantensysteme

und analog fur e−ikx. Die Funktionen e±ikx sind also Eigenfunktionen von p zum Eigenwert ±~k.Wendet man p zweimal auf eine Funktion f(x) an, so erhalt man nach Dividieren durch 2m geradewieder den Operator der kinetischen Energie (Hamiltonoperator fur das freie Teilchen).

p2f(x) = p(pf(x)) =~i

d

dx

(~i

d

dx

)f(x) = −~2 d

2

dx2f(x)

p2 = −~2 d2

dx2und E =

p2

2m

Der Hamiltonoperator fur ein freies Teilchen ist also:

H =p2

2m=(− ~2

2md2

dx2

)(3.11)

Das hat also dieselbe Form wie in der klassischen Physik, wenn man alle Großen durch Operatorenersetzt, H → H und p→ p.

3.1.2 Teilchen im Kasten

Nun betrachten wir ein Teilchen, welches sich in einem sogenannten Potentialtopf bewegt. Innerhalb derBreite L dieses ’Topfes’ sei das Potential null, außerhalb sei es dagegen unendlich groß (siehe Abb. 3.3):

0 L

V= V=0 V=

x

Abbildung 3.3: Teilchen im Kasten

V ={

0 fur 0 ≤ x ≤ L∞ fur x < 0 ∧ x > L

(3.12)

Fur die Losung der Schrodinger-Gleichung (3.1) betrachtet man die einzelnen Bereiche zunachst ge-trennt:Fur x < 0 bzw. x > L hat die allgemeine Losung die Form (vgl. Gl.(3.3)):

Ψ(x) = c1eax + c2e

−ax (3.13)

Ist nun x > L, so gilt:

e−ax = 0eax = ∞

da a2 = 2m~2 (V − E) = ∞ in diesem Bereich. Also muss c1 = 0 sein, weil e+∞ keine normierbare

Wellenfunktion ist. Ausserdem ist hier naturlich e−ax = 0, d.h. wir haben Ψ(x) = 0. Eine vollig analogeUberlegung fur x < 0 liefert Ψ(x) = 0 auch in diesem Bereich.

21

Page 22: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Das bedeutet, dass Ψ(x) in den Bereichen unendlich hohen Potentials verschwindet. Diese Tatsache istauch physikalisch sinnvoll, da man erwarten wurde, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teil-chens in diesem Bereich verschwindet.Fur den Fall, dass x zwischen 0 und L liegt, gilt V = 0. In diesem Bereich lautet die allgemeine Losungder Schrodinger-Gleichung (vgl. Gl.(3.2)):

Ψ(x) = A1 sin(kx) +A2 cos(kx) (3.14)

Fur x = 0 und x = L muss Ψ(x) = 0 sein, da ansonsten die Funktion an dieser Stelle nicht stetig ware.Wegen

Ψ(x = 0) = A2

folgt zunachst also A2 = 0.Aus der Forderung Ψ(x = L) = 0 ergibt sich:

Ψ(x = L) = A1 sin(kL) = 0 → k =nπ

L

mitn = 1, 2, 3, ...

Der Fall n = 0 ist keine physikalisch akzeptable Losung, da dann Ψ(x) = 0 fur alle x gilt. Das bedeu-tet aber, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens uberall verschwindet, das Teilchen alsonirgends anzutreffen ist.Wir haben also zunachst fur die Wellenfunktionen

Ψn(x) = A sin(nπLx)

; n = 1, 2, 3, · · · (3.15)

Dabei haben wir die Funktionen zu verschiedenem n durch einen Index gekennzeichnet.Um die Energie-Eigenwerte zu bestimmen, setzt man Ψn(x) in die Schrodinger-Gleichung (3.1) ein. Dasliefert

Ψ′′n(x) = −(nπL

)2Ψn(x)

und somit durch Vergleich der Energien E:

E = En = n2

(~2π2

2mL2

)Aus dieser Gleichung folgt die Erkenntnis, dass es nur diskrete Energien fur n = 1, 2, 3, ... gibt.Die Energie ist also gequantelt. Diese Quantisierung ist eine naturliche Folge der Randbedingungen.Die Zahlen n werden als Quantenzahlen bezeichnet.Man bezeichnet den Energiewert zum kleinsten Wert der Quantenzahl n,

E1 =~2π2

2mL2

als Nullpunktsenergie (der kleinstmogliche Energiewert ist also nicht gleich null). FurE2 findet man alsoE2 = 4 · E1, E3 = 9 · E1, usw.

Normierung der WellenfunktionUm |Ψ(x)|2 als Aufenthaltswahrscheinlichkeit interpretieren zu konnen, fehlt lediglich noch die Bestim-mung der Konstanten A. Dazu wird die Wellenfunktion normiert. Damit

∫dxP (x) = 1, das heißt die

Wahrscheinlichkeit, das Teilchen irgendwo zu finden, gleich 1 ist, soll gelten:∫ ∞−∞

dx|Ψ(x)|2 = 1

22

Page 23: Skript Quantenmechanik

3.1 Eindimensionale Quantensysteme

Wir mussen also die Konstante A (vgl. Gl.3.15) berechnen. Da fur x < 0 und x > L gilt: Ψ(x) = 0,lautet die gesuchte Bedingung also:∫ L

0dx|Ψ(x)|2 = 1 = A2

∫ L

0dx sin2

(nπLx)

= A2L

2also: A =

√2L

Fassen wir nun unsere Ergebnisse zusammen.Die Eigenfunktionen von H sind gegeben durch:

Ψn(x) =

√2L

sin(nπLx)

(3.16)

Fur die Eigenwerte von H hat man

En = n2

(~2π2

2mL2

)mit n = 1, 2, 3, ... (3.17)

welche man als Energie-Eigenwerte bezeichnet. Die Zahlen n heißen Quantenzahlen.

Wenden wir uns jetzt der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens zu und betrachten die schon be-

n=1

Ψn ;

Ψ2 n

:Ψn

:Ψ2n

n=2

0 x L

Ψn ;

Ψ2 n

n=20n=3

Abbildung 3.4: eindimensionaler Potentialtopf: Darstellung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit |Ψn|2und der Wellenfunktion Ψn fur verschiedene Quantenzahlen

kannte Beziehung P (x) ∼ |Ψ(x)|2 etwas genauer. Man bezeichnet P (x) (und |Ψ(x)|2) als Wahrschein-lichkeitsdichten. P (x)dx ist die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen im Intervall [x, x+ dx[ zu finden. Danun die Ψn(x) von der Quantenzahl n abhangen, gilt dasselbe fur die Wahrscheinlichkeiten:

Pn(x)dx = |Ψn(x)|2dx

23

Page 24: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Fur n = 1 hat man explizit:

Ψ1 =

√2L

sin(πLx)

und Ψ21 =

2L

sin2(πLx)

Die fur Ψn und |Ψn(x)|2 fur die Quantenzahlen n = 1, 2, 3, 20 ermittelten Ergebnisse sind in der Abbil-dung 3.4 dargestellt.Bezuglich der Wellenfunktionen laßt sich zusammenfassend sagen:

• Ψn(x) hat (n− 1) Nullstellen, Knoten genannt.

• Die Knotenzahl nimmt mit n um eins zu.

• Ψ1(x) heißt Grundzustand, Ψn heißt n-ter angeregter Zustand.

• Da es Knoten gibt, gibt es Punkte, an denen das Teilchen nicht zu finden ist (auch im Inneren desKastens)!

P

L x

klass.

0

Abbildung 3.5: Aufenthaltswahrscheinlichkeit fur n = unendlich; klassische Verteilung

Man sieht an der Tatsache, dass Ψn Knoten hat, dass |Ψn(x)|2 dort verschwindet. Das bedeutet, dass dieAufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens an diesen Punkten verschwindet. Weiter geht aus Abbildung3.4 hervor, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit fur große n immer ’homogener’ wird. Damit nahertsie sich fur große n der klassischen Aufenthaltswahrscheinlichkeit (vgl. Abb. 3.5) an.

Diese Tatsache gilt allgemein und ist der Inhalt des sogenanntenKorrespondenzprinzips (Bohr, 1923):

Fur große Quantenzahlen geht die Quantenmechanik (asymptotisch) in die klassische Theorie uber.

Orthogonalitat der Wellenfunktionen Ψn

Integriert man uber das Produkt zweier Wellenfunktionen unterschiedlicher Quantenzahlen, so gilt bei-spielsweise: ∫ L

0dxΨ1(x)Ψ2(x) = 0 (3.18)

oder allgemein ausgedruckt: ∫ ∞−∞

Ψn(x)Ψm(x) ={

0 fur m 6= n1 fur m = n

24

Page 25: Skript Quantenmechanik

3.1 Eindimensionale Quantensysteme

Ψ1

Ψ2

Ψ1 Ψ

2

x

Ψ1,

2 / Ψ

1 Ψ2

Abbildung 3.6: zwei Wellenfunktionen unterschiedlicher Quantenzahl und deren Produkt

Die Tatsache, dass Gleichung (3.18) gilt, kann man sich leicht verdeutlichen (vgl. Abb. 3.6): Ψ1 · Ψ2

ist das Produkt aus einer bzgl. des Intervalls [0, L] geraden (Ψ1) und einer ungeraden (Ψ2) Funktion.Folglich verschwindet das Integral uber das Produkt.Fasst man Gleichung (3.18) als ein Skalarprodukt auf, so laßt sich folgende Analogie herstellen:Aus der Vektorrechnung wissen wir, dass das Skalarprodukt (~x·~y) genau dann gleich verschwindet, wennder Cosinus des eingeschlossenen Winkels null ist, was bei ~x ⊥ ~y der Fall ist, das heißt dann, wenn dieVektoren orthogonal zueinander sind. Man definiert nun das Kronecker Delta:

δn,m ={

1 fur n = m0 fur n 6= m

(3.19)

Fur normierte Ψ- Funktionen gilt dann:∫dxΨ?

n(x)Ψm(x) = δn,m (3.20)

(fur reelle Funktionen ist: Ψ?n(x) = Ψn(x))

Heisenbergsche Unscharferelation

Bleiben wir bei dem Teilchen-im-Kasten-Modell und untersuchen den Aufenthaltsort des Teilchens, sokonnen wir zwar feststellen, dass das Teilchen sich im Raum zwischen x = 0 und x = L befinden muss,wir konnen jedoch nichts uber seinen genauen Aufenthaltsort sagen. Die Unscharfe einer Ortsbestim-mung kann somit mit

∆x ' L

angegeben werden.Untersuchen wir nun die Große des Impulses des Teilchens, so gilt

En =p2

2m= n2 π

2~2

2mL2und deshalb hat man pn = n

~πL

Fur die Impuls-Unscharfe gilt also mindestens:

∆p > pn+1 − pn =~πL

=h

2Lbzw.: ∆p ≥ h

2L

Damit kann man folgende Abschatzung vornehmen:

∆x ·∆p ≥ h

2

25

Page 26: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Eine genauere Betrachtung liefert die Unscharferelation:

∆x ·∆p ≥ ~2

(3.21)

Die Unscharferelation hat weitreichende Folgen und zeigt explizit die Unterschiede zwischen ’klassi-schen’ und ’quantenmechanischen’ Teilchen.Wahrend es in der klassischen Physik immer moglich ist, die Mittelwerte aller dynamischen Großen ge-nau zu bestimmen, besagt die Unscharferelation, dass man in unserem Beispiel den Ort und den Impulsdes Teilchens nicht gleichzeitig scharf bestimmen kann.

Man bezeichnet Großen, deren Werte nicht gleichzeitig scharf bestimmt werden konnen als inkompati-ble Variablen.

Um nun die Werte von ∆x und ∆p fur unser Beispiel explizit auszurechnen, ist das Einfuhren einerweiteren Große, namlich die des Erwartungswertes, sinnvoll.Der Erwartungswert 〈G〉 eines Operators G ist definiert durch:

〈G〉 =∫ ∞−∞

Ψ?(x)GΨ(x)dx (3.22)

Fur die Standardabweichung gilt dann:

∆G =√〈G2〉 − 〈G〉2 (3.23)

Wir konnen also ∆x fur das Teilchen im Kasten folgendermaßen berechnen:Gemaß Gleichung (3.22) erhalten wir fur den Erwartungswert von x:

〈x〉 =∫ ∞−∞

dxΨ?n(x)xΨn(x) =

2L

∫ L

0dxx sin2

(nπLx)

=L

2

und fur den von x2:

〈x2〉 =∫ ∞−∞

dxΨ?n(x)x2Ψn(x) =

2L

∫ L

0dxx2 sin2

(nπLx)

=L2(2n2π2 − 3)

6n2π2

womit sich aus Gleichung (3.23) folgendes ergibt:

∆x =√〈x2〉 − 〈x〉2 = L

√112− 1

2π2n2

Analog berechnen wir ∆p:

〈p〉 =∫ ∞−∞

dxΨ?n(x)pΨn(x)

Das bedeutet, wir brauchen die Wirkung von p auf Ψn:

pΨn(x) =

√2L

~i

d

dxsin(nπLx)

→ 〈p〉 =~i

√2L

(nπL

)√ 2L

∫ L

0dx sin

(nπLx)

cos(nπLx)

= 0

Fur die Berechnung von

〈p2〉 =∫ ∞−∞

dxΨ?n(x)p2Ψn(x)

26

Page 27: Skript Quantenmechanik

3.1 Eindimensionale Quantensysteme

wird genauso vorgegangen mit dem Resultat:

〈p2〉 = ~2(nπL

)2

woraus sich ergibt:∆p =

√〈p2〉 − 〈p〉2 = ~

L

Fur die Unscharfe ∆x ·∆p gilt dann:

∆x ·∆p = nπ~√

112− 1

2π2n2(3.24)

Die Unscharfe kann fur jeden Fall, wie an diesem Beispiel ersichtlich, ausgerechnet werden. In Abhangig-keit zur Quantenzahl n ergibt sich hier speziell:

n ∆x ·∆p1 0,568 ~2 1,670 ~3 2,627 ~

Die Heisenbergsche Unscharferelation ist also in jedem Fall erfullt (in jedem Fall gilt: ∆x ·∆p ≥ ~2 ).

Durch qualitative Uberlegungen laßt sich anhand der Unscharferelation die Existenz einer endlichenNullpunktsenergie verstehen:Wir wissen, dass fur dieses System die Ortsunscharfe großer als null ist, woraus uber die HeisenbergscheUnscharferelation folgt, dass die Impulsunscharfe ebenfalls großer null ist. Dann ist aber auch

∆p =√〈p2〉 wegen 〈p〉 = 0,

√〈p2〉 > 0 und 〈p2〉 > 0

Daraus folgt dann fur den Energieerwartungswert:

〈H〉 = E = 〈 p2

2m〉 =

12m〈p2〉 > 0

(Diese Argumentation macht naturlich nur fur ∆x > 0 und ∆x < ∞ Sinn.) Das Ergebnis ist in Uber-einstimmung der oben gefundenen endlichen Nullpunktsenergie.

3.1.3 Tunneleffekt

Kommen wir nun zu einem rein quantenmechanischen Phanomen, dem Tunneleffekt. Dies ist ein Effekt,der nach der klassischen Physik uberhaupt nicht existiert! Wir beschranken uns hier auf eine qualitativeDiskussion und werden nur die grundlegenden Aspekte betrachten.Dazu betrachten wir uns die in Abbildung 3.7 dargestellte Potentialverteilung: In den Bereichen A undC sei das Potential gleich null, im Bereich B ungleich null. Wir gehen wieder von der zeitunabhangigenSchrodinger-Gleichung (3.1) aus.Im Bereich A gilt analog zum freien Teilchen: x < 0;V = 0. Die Losung der Schrodinger-Gleichung istwie beim freien Teilchen eine ebene Welle:

Ψ(x) = A1eikx +A2e

−ikx mit k =

√2m~2E

Die Koeffizienten A1, A2 sind aus den Randbedingungen zu bestimmen.Im Bereich B, fur 0 ≤ x ≤ L, sei V > 0. Außerdem gelte: E < V , d.h. wir betrachten einen gebunde-

nen Zustand. In diesem Bereich gilt also Ψ(x) = B1e−ax +B2e

ax mit a =√

2m~2 (V − E).

27

Page 28: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

A

V = 0 V = 0

B C

V = 0

0 L x

V

Abbildung 3.7: Potentialverteilung beim Tunneleffekt

Im Bereich C gelten dieselben Bedingungen wie in A, also: Ψ(x) = C1eikx + C2e

−ikx.Da das Ausrechnen der Konstanten Ai, Bi, Ci etwas aufwendig ist, begnugen wir uns im Folgenden miteiner qualitativen Betrachtung. Ein Teilchen laufe von Bereich A nach Bereich C (siehe Abb.3.8). Nachder klassischen Physik mußte es an der Grenzschicht A | B vollstandig reflektiert werden. Quantenme-chanisch betrachtet gelangt es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bis nach C, da |Ψ(x>L)|2 > 0.Die Tatsache, dass es eine endliche Wahrscheinlichkeit gibt, das Teilchen im Bereich C zu finden, ist ein

V

L

(L) = B e

(x)

1

x

ϕ

ϕ

2

2 2 −2aL

Abbildung 3.8: Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens beim Tunneleffekt

rein quantenmechanischer Effekt. Klassisch betrachtet ist dies nicht moglich.

Dies sei an einem einfachen Beispiel erlautert:• Ein Elektron werde so von A aus in Richtung auf C beschleunigt, dass es die Energie E = 1eV =

1, 6 · 10−19J besitze.• Im Bereich B werde eine Spannung von 2V angelegt (das entspricht einem Potential von V =

2eV = 3, 2 · 10−19J)• die Energiedifferenz entspricht also: V − E = 1eV = 1, 6 · 10−19J

Fur die Wahrscheinlichkeitsdichte erhalt man in diesem Fall:

|Ψ(x)|2 = B21e−10,24(x/nm)

Betragt x etwa einem Atomradius (x = RAtom = 0, 2nm), so findet man:

|Ψ(x)|2 ' B21 · 0, 13

28

Page 29: Skript Quantenmechanik

3.2 Harmonischer Oszillator

Als Beispiele fur Falle, wo der Tunneleffekt fundamentale Bedeutung besitzt, seien hier genannt:

Radioaktiver Zerfall Da die Kernkrafte sehr groß sind, ist E sehr klein gegenuber V . Der α-Zerfallwird erst durch den Tunneleffekt moglich.

STM (Scanning Tunelling Microscope) Das Funktionsprinzip dieses Mikroskopes sei an Abb. 3.9kurz erlautert. Fur den Fall, dass die durch die angelegte Spannung erzeugte Energie großer als die

dU

Oberfläche

Spitze

Abbildung 3.9: Scanning Tunelling Microscope

Austrittsarbeit ist, treten Elektronen aus der Oberflache aus. Nun wird eine Spannung angelegt,die so groß ist, dass klassisch gesehen keine Elektronen austreten wurden (E < W mit W =Austrittsarbeit). Mit der Wahrscheinlichkeitsdichte:

|Ψ(a)|2 = B21e−2ad mit a =

√2m~2

(W − E)

gibt es aber dennoch eine endliche Wahrscheinlichkeit dafur, dass Elektronen austreten und dieSpitze erreichen. Fliegen aber Elektronen von der Oberflache zur Spitze, so fließt ein Strom, derTunnelstrom genannt wird.

Das STM wird zur Oberflachenstrukturanalyse genutzt, indem bei konstantem Tunnelstrom Un-regelmaßigkeiten in der Oberflachenstruktur durch Angleichung des Abstandes d in Atomgroßen-ordnung gemessen werden.

3.2 Harmonischer Oszillator

Das Modell des harmonischen Oszillators ist fur die Chemie sehr wichtig. Es wird unter anderem alseinfaches Modell fur die Molekulschwingungen, wie man sie in der IR- und der Ramanspektroskopiebeobachtet, genutzt. Wir wollen das Prinzip am Beispiel eines HCl-Molekuls betrachten.Das Wasserstoffatom schwinge gegenuber dem als raumfest betrachteten schweren Chloratom. Fur dieruckstellende Kraft dieser Schwingung gilt das Hookesche Gesetz :

F = −kx (3.25)

woraus fur das Potential folgt:

V (x) = −∫ x

0F (x′)dx′ =

12kx2

29

Page 30: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Man hat somit die folgende klassische Bewegungsgleichung (Newton):

F = −kx = ma = md

dtv = m

d2

dt2x

also:d2

dt2x(t) = − k

mx(t)

Diese Gleichung wird durch x(t) = A sin(ωt) gelost, wobei sich die Frequenz zu

ω =

√k

m

ergibt. Die Konstante A folgt aus den Randbedingungen.

Fur eine quantenmechanische Betrachtung muss die Schrodinger-Gleichung

− ~2

2md2

dx2Ψ(x) +

12kx2Ψ(x) = EΨ(x)

gelost werden. Aufgrund der expliziten Ortsabhangigkeit des Potentials ist diese Schrodinger-Gleichungetwas schwieriger zu losen als die in den bisher betrachteten Beispielen, in denen V = konst. war.

Trotzdem ist eine analytische Losung moglich, die im Folgenden skizziert werden soll.Zunachst eliminieren wir die Konstanten, indem wir

q =√mω

~x

wahlen. Das bedeutet x =√

~mω q und d

dx =√

mω~

ddq . Nutzt man dies in der Schrodinger-Gleichung, so

findet man:

− d2

dq2Ψ(q) + q2Ψ(q) = λΨ(q) mit λ =

2E~ω

oder−Ψ′′(q) + (q2 − λ)Ψ(q) = 0 (3.26)

Wir suchen nun nach physikalisch sinnvollen Losungen dieser Gleichung.Dazu untersuchen wir zunachst das asymptotische Verhalten fur q → ±∞. In diesem Limit muß dieWellenfunktion abfallen, weil sie sonst nicht normierbar und somit physikalisch nicht sinnvoll ware. Furq2 � λ folgt dann aus Gl.(3.26):

Ψ′′(q) ' q2Ψ(q)

Fur große q verhalt sich die Losung wie Ψ(q) ' e±q2

2 , wovon also nur Ψ(q) = e−q2

2 physikalisch sinn-

voll ist. (Man kann sich durch Einsetzen davon uberzeugen, dass Ψ(q) = e−q2

2 fur q2 � λ eine Losungist, indem man ausnutzt, dass gilt: Ψ′(q) = −qΨ(q), Ψ′′(q) = (q2 − 1)Ψ(q) ' q2Ψ(q) fur q2 � 1.)

Wir nutzen dieses Ergebnis nun aus, indem wir folgenden Ansatz wahlen:

Ψ(q) = h(q)e−q2

2 (3.27)

Dabei ist h(q) ein Polynom, das endlich sein muss, damit Ψ(q) normierbar ist.

30

Page 31: Skript Quantenmechanik

3.2 Harmonischer Oszillator

Setzt man den Ansatz (3.27) in die Schrodinger-Gleichung ein, so erhalt man:

h′′(q)− 2qh′(q)− (1− λ)h(q) = 0 (3.28)

Dies ist eine bekannte Differentialgleichung fur die sogenannten Hermite-Polynome Hv(q) mit denKoeffizienten

λv = 2v + 1

und den Quantenzahlenv = 0, 1, 2, 3, ...

Anmerkung:Die Losung der obigen DGL erfolgt uber den Ansatz: h(q) =

∑∞a=0 caq

a, was durch Einsetzen Losun-gen fur die Koeffizienten ca liefert.

Fur unseren Fall folgt fur die Energien: Ev = 12λv~ω, also:

Ev =(v +

12

)~ω (3.29)

Die Nullpunktsenergie ist in diesem Fall gegeben durch:

E0 =12

Als Losung der Schrodinger-Gleichung fur den harmonischen Oszillator erhalten wir also:

Ψv(x) = NvHv(q)e−q2

2 mit q =√mω

~x (3.30)

Der Normierungsfaktor Nv wird dabei so gewahlt, dass∫∞−∞ dx|Ψv(x)|2 = 1 gilt und ist gegeben durch:

Nv =(mωπ~

) 14 1√

2vv!

In der folgenden Tabelle sind einige Hermite-Polynome aufgefuhrt:

v Hv(q)0 11 2q2 4q2 − 23 8q3 − 12q4 16q4 − 48q2 + 12

Die Hermite-Polynome erfullen einige Rekursionsbeziehungen, z.B.

Hv+1(q) = 2qHv(q)− 2vHv−1(q)

Die Orthogonalitatsrelation ist: ∫ ∞−∞

dxΨ?v(x)Ψv′(x) = δv,v′

Fur das Energieniveauschema gilt:

v = 0 : E0 = 12~ω

v = 1 : E1 = 32~ω

v = 2 : E2 = 52~ω

Anders als beim Teilchen im Kasten ergibt sich also ein aquidistantes Energieniveauschema.Betrachtet man weiterhin die in Abbildung 3.10 aufgetragenen Funktionen Ψv(x) und |Ψv|2, so erkenntman, dass es auch eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit im klassisch verbotenen Bereich gibt.

31

Page 32: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Ψ /

|Ψ|2

qq

Ψ /

|Ψ|2

Ψ0

|Ψ0(q)|2

q

Ψ /

|Ψ|2

Ψ1

|Ψ1(q)|2

/ |Ψ

|2

Ψ2

|Ψ2(q)|2

Ψ3

|Ψ3(q)|2

Abbildung 3.10: Harmonischer Oszillator: Darstellung der Wellenfunktion und der Aufenthaltswahr-scheinlichkeit fur verschiedene Quantenzahlen

Vergleich mit dem klassischen Oszillator:

Fur einen klassischen Oszillator ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit an den Umkehrpunkten am großten,da dort die Geschwindigkeit verschwindet und sich x langsam andert, wahrend sie dort, wo die Ge-schwindigkeit maximal wird, am kleinsten ist. Die Wahrscheinlichkeit kann also wie in Abbildung 3.11

0 x

klass.P (x)

Abbildung 3.11: Skizzierte Aufenthaltswahrscheinlichkeit fur den klassischen harm. Oszillator

skizziert werden.Wahlt man nun fur die Quantenzahl z.B. v = 1000, so nahert sich die Aufenthaltswahrscheinlichkeit

der klassischen Verteilung an. Dies ist wieder Ausdruck des Korrespondenzprinzips.

Vergleich mit Teilchen im Kasten:

Vergleichen wir nun unsere Ergebnisse fur beide Modelle, so ergibt sich:

32

Page 33: Skript Quantenmechanik

3.3 Bewegung in 2 Dimensionen

Teilchen im Kasten: Harmonischer Oszillator:

En = n2(

~2π2

2mL2

)Ev = ~ω

(v + 1

2

)Ψn(x) =

√2L sin

(nπL x)

Ψv(x) = NvHv (q) e−q2

2 ; q =√

ωm~ x

n = 1, 2, 3, ... v = 0, 1, 2, 3, ...

Fur das Teilchen im Kasten ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit außerhalb des Kastens gleich null,fur den Oszillator gilt dies nicht, da bei einer endlichen Auslenkung x das Potential V = 1

2kx2 nicht

unendlich wird. Dies kann man in Abbildung 3.10 daran erkennen, dass sich P (q) fur große (kleine) qder Abszisse annahert, diese allerdings nicht erreicht.

Das Modell des harmonischen Oszillators wird z.B. zur Beschreibung von Molekulschwingungen undauch von Schwingungen in Festkorpern genutzt.

Untersucht man beispielsweise die Schwingung eines H2O- Molekuls, so kann man drei ’Schwingungs-moden’ feststellen, die in Abbildung 3.12 skizziert sind. (Allgemein gibt es fur ein nichtlineares N -atomiges Molekul 3N − 6 Schwingungsfreiheitsgrade.) Beschreiben lassen sich diese Schwingun-

O O O

H HH HH H

Abbildung 3.12: Schwingungsfreiheitsgrade fur H2O

gen durch drei Oszillatoren mit unterschiedlichen Frequenzen. In diesem Beispiel laßt sich also dieBewegung des Systems (des H2O-Molekuls) in drei Dimensionen auf drei eindimensionale Systemezuruckfuhren. Das gilt aber nicht allgemein.Betrachtet man die Bewegung eines Elektrons um einen Atomkern, so ist das Coulombpotential gegebendurch:

V (r) =1rC

mitr =

√x2 + y2 + z2 =

√~r · ~r

Hier genugt eine eindimensionale Betrachtung nicht. Es ist also notig, die bisherigen Erkenntnisse aufmehrere Dimensionen zu erweitern.

3.3 Bewegung in 2 Dimensionen

Wir haben gesehen, dass die meisten physikalisch relevanten Probleme in drei raumlichen Dimensionendefiniert sind. Dies gilt insbesondere fur das exakt losbare Problem des Wasserstoffatoms. Zunachst seiaber die Schrodinger-Gleichung fur einige Beispiele in zwei Dimensionen betrachtet, bevor wir uns dendreidimensionalen Problemen zuwenden.

3.3.1 zweidimensionaler Potentialtopf

Wir gehen wieder von dem einfachen Modell des Teilchens im Kasten aus. Ausgangspunkt ist hierbeiwieder die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung:[

− ~2

2m

(∂2

∂x2+

∂2

∂y2

)+ V (x, y)

]Ψ(x, y) = EΨ(x, y) (3.31)

33

Page 34: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Fur das Potential gilt in diesem Fall:

V (x, y) ={∞ fur x < 0, x > Lx∞ fur y < 0, y > Ly

={

0 fur 0 ≤ x ≤ Lx0 fur 0 ≤ y ≤ Ly

Fur V (x, y) =∞ ist außerdem Ψ(x, y) = 0. Der relevante Bereich ist wie im eindimensionalen Modellder Bereich, in dem V (x, y) = 0 gilt:

− ~2

2m∂2

∂x2Ψ(x, y)− ~2

2m∂2

∂y2Ψ(x, y) = EΨ(x, y)

Um diese Gleichung zu losen, fuhren wir eine sogenannte Separation der Variablen durch: Wir wahlen

Ψ(x, y) = u(x) · v(y) (3.32)

und nutzen:

∂xΨ(x, y) =

∂xu(x) · v(y) = v(y)

∂xu(x) = u′(x) · v(y)

∂2

∂x2Ψ(x, y) = u′′(x)v(y)

und analog:∂2

∂y2Ψ(x, y) = u(x)v′′(y)

Damit konnen wir die Schrodinger-Gleichung schreiben als:

− ~2

2mu′′(x)v(y)− ~2

2mu(x)v′′(y) = Eu(x)v(y)

oder

− ~2

2mu′′(x)u(x)

− ~2

2mv′′(y)v(y)

= E

Hieraus folgt:

u′′(x)u(x)︸ ︷︷ ︸

unabhangig von y

+v′′(y)v(y)︸ ︷︷ ︸

unabhangig von x

= −2mE~2︸ ︷︷ ︸

konstant

(3.33)

Das bedeutet, dass u′′(x)u(x) und v′′(y)

v(y) unabhangig voneinander auch konstant sein mussen, damit dieseGleichung gelost werden kann.Man kann also wahlen:

u′′(x)u(x)

= −2mE(x)

~2bzw. u′′(x) = −2mE(x)

~2u(x)

Das ist gerade die Schrodinger-Gleichung fur ein Teilchen im Kasten entlang der x- Koordinate undanalog liefert

v′′(y) = −2mE(y)

~2v(y)

34

Page 35: Skript Quantenmechanik

3.3 Bewegung in 2 Dimensionen

die Schrodinger-Gleichung fur ein Teilchen im Kasten entlang der y- Koordinate.Zusammengenommen erhalten wir hieraus:

u′′

u+v′′

v= −2m

~2(E(x) + E(y))

beziehungsweise durch Vergleich mit (3.33):

E = E(x) + E(y)

Fur die Funktion u(x) bekommen wir (vgl. Kap.3.1.2):

Ψnx(x) =√

2Lx

sin(nxπ

Lxx

)mit Enx = E(x) = n2

x

(π2~2

2mL2x

)bzw. fur v(y):

Ψny(y) =

√2Ly

sin(nyπ

Lyy

)mit Eny = E(x) = n2

y

(π2~2

2mL2y

)Es ist uns also gelungen, die x- und die y-Abhangigkeit vollig voneinander zu trennen. Die Ergebnisse,die wir hierbei erhalten haben, entsprechen denen eines eindimensionalen Potentialtopfes (und zwarjeweils fur die beiden Variablen). Fur die Wellenfunktion gilt also:

Ψnx,ny(x, y) = Ψnx(x)Ψny(y) =√

2Lx

√2Ly

sin(nxπ

Lxx

)sin(nyπ

Lyy

)(3.34)

und die Energie ist durch die Summe der einzelnen Energien gegeben:

Enx,ny = Enx + Eny =π2~2

2m

(n2x

L2x

+n2y

L2y

)(3.35)

mit den Quantenzahlen:nx = 1, 2, 3, ... und ny = 1, 2, 3, ...

Die Nullpunktsenergie ergibt sich zu:

E1,1 =π2~2

2m

(1L2x

+1L2y

)Die Orthogonalitatsrelationen fur die Wellenfunktionen werden folgendermaßen berechnet:∫ ∞−∞

dx

∫ ∞−∞

dyΨ?mx,ny

(x, y)Ψnx,my(x, y) =∫ ∞−∞

dx

∫ ∞−∞

dyΨ?mx

(x)Ψ?my

(y)Ψnx(x)Ψny(y)

=[∫ ∞−∞

dxΨ?mx

(x)Ψnx(x)]·[∫ ∞−∞

dyΨ?my

(y)Ψny(y)]

= δmx,nx · δmy ,ny

Die Wahrscheinlichkeitsdichte konnen wir ebenfalls als Produkt der Wahrscheinlichkeitsdichten fur xbzw. y schreiben:

|Ψnx,ny(x, y)|2 = |Ψnx(x)|2|Ψny(y)|2

Zwar sind die x- bzw. y-abhangigen Teile der Wellenfunktion, wie wir gesehen haben, separierbar, dochist ein Vertauschen der Quantenzahlen nicht ohne weiteres moglich. Insbesondere ist beispielsweise

E1,2 6= E2,1

35

Page 36: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Nur fur den Spezialfall:Lx = Ly = L

gilt:Em,n = En,m

also:

Eny ,mx =~2π2

2mL(m2

x + n2y)

In diesem Fall gibt es unterschiedliche Ψ-Funktionen zu derselben Energie:

Ψ1,2(x, y) ist Eigenfunktion H zu E1,2

Ψ2,1(x, y) ist Eigenfunktion H zu E2,1 = E1,2

Man spricht hier von einer zweifachen Entartung. Allgemein bezeichnet man eine Entartung als n-facheEntartung, wenn n Wellenfunktionen die gleiche Energie besitzen.

Anmerkung zum Seperationsansatz

Wir haben gesehen, dass die Losung der Schrodinger-Gleichung mit dem Hamiltonoperator

H = − ~2

2m∂2

∂x2− ~2

2m∂2

∂y2=

p2x

2m+

p2y

2m= Hx + Hy

durch ein Produkt von Wellenfunktionen gegeben ist.

Das gilt ganz allgemein:Wenn sich H als Summe unabhangiger Operatoren

H =∑α

Hα = H1 + H2 + H3 + ... (3.36)

schreiben laßt, so gilt fur die Losung der Schrodinger-Gleichung

Ψ =∏α

Ψα = Ψ1 ·Ψ2 ·Ψ3 · ... (3.37)

mit HαΨα = EαΨα und die Energieeigenwerte sind durch die Summe der Eα gegeben.

Als ein Beispiel hierfur sei ein zweidimensionaler harmonischer Oszillator mit separablem PotentialV (x, y) = 1

2kxx2 + 1

2kyy2 betrachtet.

Hierfur gilt:

H =1

2mp2x +

12m

p2y +

12kxx

2 +12kyy

2 = Hx + Hy

Ψv1,v2(x, y) = Ψv1(x) ·Ψv2(y)Ev1,v2 = Ev1 + Ev2

Wichtig ist dabei, dass ein Seperationsansatz zur Losung der Schrodinger-Gleichung versagt, wenn es’Kreuzterme’ in H gibt, beispielsweise V (x, y) = 1

2kxx2 + 1

2kyy2 + c · x · y.

36

Page 37: Skript Quantenmechanik

3.3 Bewegung in 2 Dimensionen

3.3.2 Rotationen

Ein weiteres wichtiges Beispiel fur eine Bewegung in mehreren Dimensionen ist eine Drehbewegung. Inden folgenden Kapiteln werden wir es mit Rotationsbewegungen in drei raumlichen Dimensionen zu tunhaben. Als Vorbereitung soll allerdings zunachst die Rotationsbewegung in zwei Dimensionen betrachtetwerden.

Wir untersuchen also folgendes Problem: Ein Teilchen rotiere um einen Punkt auf einer Kreisbahn mitdem Radius r, wobei r hier konstant sei, vgl. Abb. 3.13.

mr

Abbildung 3.13: zweidimensionale Rotation

Unser Startpunkt ist wieder die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung:

− ~2

2m

(∂2

∂x2+

∂2

∂y2

)Ψ(x, y) = EΨx,y (3.38)

Wir erinnern uns an den zweidimensionalen Potentialtopf und stellen fest, dass sich der vorliegende Fallnur durch eine Randbedingung unterscheidet, die aber sehr wichtig ist. Diese Randbedingung ist durchden konstanten Radius r gegeben, fur den gilt:

r =√x2 + y2 = konst. (3.39)

Die Losung der Schrodinger-Gleichung mit dieser Randbedingung ist in kartesischen Koordinaten rechtaufwendig. Es ist sinnvoller, die Schrodinger-Gleichung in (zweidimensionale) Polarkoordinaten zu

y

xr cos

r r sin

ϕ

ϕ

ϕ

Abbildung 3.14: Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten

transformieren, wobei man folgendermaßen vorgeht: Aus Abbildung 3.14 lassen sich leicht die Bezie-hungen zwischen r, ϕ und x bzw. y ableiten:

x = r · cosϕy = r · sinϕ

37

Page 38: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Um die Schrodinger-Gleichung zu transformieren, benotigen wir aber ∂2Ψ∂x2 + ∂2Ψ

∂y2als Funktion der Ab-

leitungen nach r und ϕ. Um die entsprechende Transformation durchzufuhren, gehen wir etwas andersals in der Mathematik ublich vor. Wir benutzen die Kettenregel:

∂Ψ∂ϕ

=∂Ψ∂x

∂x

∂ϕ+∂Ψ∂y

∂y

∂ϕund

∂Ψ∂r

=∂Ψ∂x

∂x

∂r+∂Ψ∂y

∂y

∂r

mit ∂x∂ϕ = −r sinϕ und ∂y∂ϕ = r cosϕ. Man erhalt somit zwei Gleichungen fur die beiden ’Unbekannten’

∂Ψ∂ϕ und ∂Ψ

∂r . Die Losung diese ’Gleichungssystems’ liefert dann:

∂Ψ∂x

=(

cosϕ∂

∂r− sinϕ

r

∂ϕ

∂Ψ∂y

=(

sinϕ∂

∂r+

cosϕr

∂ϕ

Fur die zweiten Ableitungen geht man vollig analog vor. Als Resultat erhalt man den sogenannten La-placeoperator in ebenen Polarkoordinaten:

∆ =∂2

∂x2+

∂2

∂y2=

∂2

∂r2+

1r

∂r+

1r2

∂2

∂ϕ2(3.40)

In der Schrodinger-Gleichung (3.38) ist allerdings zusatzlich die Randbedingung r = konst. zu beruck-sichtigen. Das bedeutet: ∂Ψ

∂r = 0, ∂2Ψ∂r2

= 0. Man findet somit den folgenden Ausdruck:

− ~2

2mr2

∂2

∂ϕ2Ψ(ϕ) = EΨ(ϕ)

An dieser Stelle ist es sinnvoll, das Tragheitsmoment einzufuhren, das fur diesen Fall durch

I = mr2 (3.41)

gegeben ist. Damit laßt sich die Schrodinger-Gleichung schreiben als:

−~2

2I∂2

∂ϕ2Ψ(ϕ) = EΨ(ϕ) (3.42)

Diese Gleichung konnen wir leicht durch einen Vergleich mit dem Fall einer linearen eindimensionalenBewegung losen. Die Losung fur diesen Fall hatten wir bereits herausgefunden (siehe Gleichung (3.6)):

Ψ(ϕ) = Aeimϕ +Be−imϕ (3.43)

mit

m =

√2IE~2

Im Unterschied zur linearen Bewegung ist in unserem Fall allerdings der Wertebereich von ϕ einge-schrankt,

ϕ ∈ [0; 2π[

und genau diese Tatsache liefert eine Randbedingung: Damit die Wellenfunktion eindeutig ist, mussgelten:

Ψ(ϕ+ 2π) = Ψ(ϕ)

Das bedeutet

Aeim(ϕ+2π) +Be−im(ϕ+2π) = Aeimϕ +Be−imϕ

y eim2π ·Aeimϕ + e−im2π ·Be−imϕ = Aeimϕ +Be−imϕ

38

Page 39: Skript Quantenmechanik

3.3 Bewegung in 2 Dimensionen

Also muss man fordern:eim2π = e−im2π = 1

Diese Bedingung ist nur fur ganzzahlige m erfullt (e±im2π = cos(m2π)± i sin(m2π)), d.h.:

m = 0,±1,±2,±3, ... (3.44)

Fur die Energieniveaus erhalt man damit:

Em =~2

2I·m2 (3.45)

Wichtig ist dabei die Tatsache, das sich die Quantisierungsbedingung wiederum aus der Randbedigungergibt.

Nun wird noch die Normierungskonstante bestimmt. Dazu genugt es Ψm(ϕ) = A · eimϕ zu betrachten,da m = 0,±1,±2,±3, ... gilt. In kartesichen Koordinaten muss gelten:∫ ∞

−∞dx

∫ ∞−∞

dy|Ψm(x, y)|2 =∫dV |Ψm(x, y)|2 = 1

mit dem Volumenelement dV = dx · dy. In ebenen Polarkoordinaten findet man hierfur

dV = r · dϕ · dr

Also laßt sich die Normierungsbedingung schreiben als:∫dV |Ψm(x, y)|2 =

∫ R

0dr · r

∫ 2π

0dϕ|Ψm(r, ϕ)|2 = 1

Da Ψm(ϕ) unabhangig von r ist, konnen wir die r-Integration ausfuhren,∫ R

0 dr · r = R2

2 . Wir setzenjetzt einfach R2 = 2 und erhalten∫ R

0dr · r

∫ 2π

0dϕ|Ψm(r, ϕ)|2 =

∫ 2π

0dϕ|Ψm(ϕ)|2 = A2

∫ 2π

0dϕ|eimϕ|2

= A2

∫ 2π

0dϕ · 1 = A2 · 2π

y A =1√2π

also:Ψm(ϕ) =

1√2πeimϕ

Die Orthogonalitatsrelation schreiben wir als:∫ 2π

0dϕΨ?

m(ϕ)Ψn(ϕ) = δm,n

Da fur die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte

|Ψ(ϕ)|2 =1

gilt, sprechen wir von einer homogenen Verteilung. Werfen wir noch einen Blick auf das Energieschema.Hier ergibt sich fur verschiedene Quantenzahlen m:

39

Page 40: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

m = 0 E0 = 0m = ±1 E1 = ~2

2Im = ±2 E2 = 4E1... Em = m2E1

wobei Em mit m 6= 0 zweifach entartet ist.Die Wellenfunktionen Ψm = 1√

2πeimϕ und Ψ−m = 1√

2πe−imϕ haben also dieselbe Energie Em, die

uber m2 nur vom Betrag von m abhangt. Fur m = 0 gibt es nur eine Wellenfunktion Ψ0 = 1√2π

und E0

ist nicht entartet.

Anmerkung:

Erinnern wir uns noch einmal an den Fall des freien Teilchens. Hier gilt fur die Energie:

Ek =~2k2

2m=

~2

2mk2

mit dem linearen Impuls p = ~k. Der Impulsoperator ist definiert durch:

px =~i

d

dx(3.46)

Die Funktionen e±ikx sind Eigenfunktionen des Impulsoperators, pxe±ikx = (±~k)eikx (fur eikx ’fliegt’das Teilchen nach rechts, fur e−ikx nach links), und naturlich auch Eigenfunktionen von H = p2x

2m .

Vollig analog erwartet man bei einer Kreisbewegung einen Zusammenhang zwischen H und dem Dre-himpulsoperator. Klassisch ist dieser Zusammenhang einfach gegeben durch:

Etrans =~p2

2m

Erot =~L2

2I

wobei der Drehimpuls definiert ist als~L = ~r × ~p (3.47)

~L ist ein Vektor, der senkrecht auf ~r und ~p steht (~L ⊥ ~r, ~p).

Explizit hat man fur die Komponenten von ~L:

~L =

LxLyLz

=

ypz − zpyzpx − xpzxpy − ypx

(3.48)

Um einen Drehimpulsoperator in der Quantenmechanik zu definieren, ersetzt man im klassischen Aus-druck x, y, z durch die Multiplikationsoperatoren x, y, z und die Impulse durch die Impulsoperatoren:

px =~i

∂x; py =

~i

∂y; pz =

~i

∂z(3.49)

Auf diese Art erhalten wir beispielsweise fur Lz:

Lz = xpy − ypx =~i

(x∂

∂y− y ∂

∂x

)

40

Page 41: Skript Quantenmechanik

3.4 Rotation in drei Dimensionen

Zur Darstellung in ebenen Polarkoordinaten benutzen wir die schon bekannten Beziehungen:

x = r cosϕ ; y = r sinϕ ; z = 0

Die ersten Ableitungen sind schon angegeben worden:

∂x= cosϕ

∂r− sinϕ

r

∂ϕund

∂y= sinϕ

∂r+

cosϕr

∂ϕ

woraus wir leicht fur Lz erhalten:

Lz =~i

∂ϕ(3.50)

Die anderen Komponenten Lx und Ly verschwinden, weil z = 0 ist und somit auch ∂∂z keine Wirkung

hat.

Fassen wir nun unsere Ergebnisse zusammen. Die Schrodinger-Gleichung fur den zweidimensionalenRotator lautet:

−~2

2I∂2

∂ϕ2Ψ(ϕ) = EΨ(ϕ)

mit der Losung:

Ψm(ϕ) =1√2πeimϕ ; m = 0,±1,±2,±3, · · · (3.51)

und den Energieeigenwerten:

Em =~2

2Im2

Wenden wir zuletzt den in Gleichung (3.50) berechneten Drehimpulsoperator Lz auf Gleichung (3.51)an, so erhalten wir:

LzΨm(ϕ) = Lz1√2πeimϕ

LzΨm(ϕ) = m~Ψm(ϕ)

Das heißt: Ψm(ϕ) ist eine Eigenfunktion von Lz zum Eigenwert ~m. Der Hamiltonoperator laßt sichalso auch folgendermaßen schreiben (fur den linearen Fall hatten wir bereits H = p2x

2m ):

H =L2z

2I

3.4 Rotation in drei Dimensionen

Bevor wir zur Losung der Schrodinger-Gleichung fur das Wasserstoffatom kommen, betrachten wirzunachst eine Rotationsbewegung auf einer Kugeloberflache. Wir stellen uns dazu eine Kugel vor, aufderen Oberflache ein Teilchen der Masse m im Abstand r vom Kugelmittelpunkt rotiere. Die Situati-on ist in Abbildung 3.15 skizziert. Unter der Annahme, dass V (x, y, z) = 0 ist, erhalten wir fur dieSchrodinger-Gleichung:

− ~2

2m

(∂2

∂x2+

∂2

∂y2+

∂2

∂z2

)Ψ(x, y, z) = − ~2

2m4Ψ(x, y, z) = EΨ(x, y, z) (3.52)

mit dem Laplaceoperator ∆ = ~∇2. Hierbei sei der Radius

r =√x2 + y2 + z2 = konst.

41

Page 42: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

r my

x

z

Abbildung 3.15: dreidimensionaler starrer Rotator

wiederum als konstant angenommen (starre Rotation).Sinnvollerweis fuhren wir zunachst wieder eine Koordinatentransformation in Polarkoordinaten durch

und zwar mit den Ersetzungen (vgl. Abbildung 3.16):

x = r · sin θ cosϕy = r · sin θ sinϕz = r cos θ

Hierbei ist θ der Polarwinkel und ϕ der Azimuthalwinkel. Fur den Laplaceoperator findet man (aufnicht triviale Weise):

a = r sina cos

a sin

r cos

r

z

x

y

θ

θ

ϕ

ϕ

ϕθ

Abbildung 3.16: Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten

∆ =1r

∂2

∂r2· r +

1r2

[1

sin2 θ

∂2

∂ϕ2+

1sin θ

∂θ

(sin θ

∂θ

)](3.53)

Einsetzen in die Schrodinger-Gleichung unter Berucksichtigung von r = konst., also

∂Ψ∂r

=∂2Ψ∂r2

= 0

42

Page 43: Skript Quantenmechanik

3.4 Rotation in drei Dimensionen

liefert:

− ~2

2mr2

[1

sin2 θ

∂2

∂ϕ2+

1sin θ

∂θ

(sin θ

∂θ

)]Ψ(θ, ϕ) = EΨ(θ, ϕ) (3.54)

Diese Gleichung sieht etwas kompliziert aus. Wir haben oben gesehen, dass wir im Falle einer Rotations-bewegung den klassischen Energieausdruck H = L2

2I haben und erwarten einen ahnlichen Ausdruckselbstverstandlich auch fur den quantenmechanischen Hamiltonoperator. Deshalb betrachten wir denDrehimpulsoperator nochmal etwas genauer.Oben hatten wir fur die z-Komponente gefunden:

Lz =~i

∂ϕ

Analog laßt sich zeigen, dass die x- und y-Komponenten gegeben sind durch:

Lx =~i

(y∂

∂z− z ∂

∂y

)= i~

(sinϕ

∂θ+ cot θ cosϕ

∂ϕ

)Ly =

~i

(z∂

∂x− x ∂

∂z

)= −i~

(cosϕ

∂θ− cot θ sinϕ

∂ϕ

)Anhand dieser Ausdrucke kann man (in einer nichttrivialen Rechnung) zeigen, dass fur das Drehimpuls-

quadrat L2 = ~L · ~L gilt:

L2 = L2y + L2

x + L2z = −~2

[1

sin2 θ

∂2

∂ϕ2+

1sin θ

∂θ

(sin θ

∂θ

)](3.55)

Ein Vergleich mit der Schrodinger-Gleichung (3.54) zeigt, dass man diese in der Form

L2

2IΨ(θ, ϕ) = EΨ(θ, ϕ) (3.56)

schreiben kann. Dabei ist I = mr2 wieder das Tragheitsmoment, vgl. Gl. (3.41).

Zur Losung der Schrodinger-Gleichung nutzen wir aus, dass gilt (ohne Beweis):

L2Yl,m(θ, ϕ) = ~2l(l + 1)Yl,m(θ, ϕ) (3.57)

mit den sogenannten Kugelflachenfunktionen (spherical harmonics) Yl,m(θ, ϕ).Fur die Quantenzahlen l und m, die sich auch in diesem Fall wieder aus den Randbedingungen derDifferentialgleichung ergeben, gilt:

l = 0, 1, 2, 3, ...m = −l,−l + 1, ..., l − 1, l

d.h. es gibt (2l + 1) Werte fur m.

Nutzen wir nun Gl.(3.57) in der Schrodinger-Gleichung, so zeigt ein Vergleich direkt, dass die Energiengegeben sind durch:

El =~2

2Il(l + 1) (3.58)

Die Energien El sind unabhangig von der Quantenzahl m. Das bedeutet, alle Yl,−l, ...Yl,l sind Eigen-funktionen von L2 zum selben Eigenwert ~2l(l + 1), also auch Eigenfunktionen von H zum Eigenwert

43

Page 44: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

El = ~2

2I l(l + 1).Das bedeutet: Jeder Energieeigenwert El ist (2l + 1)-fach entartet.

Betrachten wir uns nun die Kugelflachenfunktionen genauer. Sie haben die Form:

Yl,m(θ, ϕ) = Nl,mPml (cos θ)eimϕ (3.59)

mit Nl,m als Normierungsfaktor. Die Pml (cos θ) sind die sogenannten zugeordneten (assoziierten)Legendre-Polynome und hangen nur vom Polarwinkel θ ab. Da die Abhangigkeit vom Azimuthalwinkelϕ von der Form eimϕ ist, folgt aus der Diskussion im letzten Kapitel, dass die Yl,m(θ, ϕ) auch Eigen-funktionen zu Lz sind:

LzYl,m(θ, ϕ) = ~mYl,m(θ, ϕ) (3.60)

Das bedeutet nach (3.57) und (3.60), dass die Kugelflachenfunktionen gemeinsame Eigenfunktionen vonL2 und Lz sind. Man kann sich leicht (anhand von Beispielen) davon uberzeugen, dass die Yl,m keineEigenfunktionen von Lx oder Ly sind.

Gemaß Gleichung (3.58) laßt sich das in Abbildung 3.17 skizzierte Energieschema aufstellen.

0

2

6

12 l = 3, m = −3,...,3

l = 2, m = −2,...,2

l = 1, m = −1,...,1

l = 0

Eh

2 I

2

Abbildung 3.17: Energieschema zum starren Rotator

Im Folgenden sind einige Kugelflachenfunktionen angegeben, wobei gilt:

Yl,−m = (−1)mY ?l,m.

l m Yl,m(θ, ϕ)0 0 1√

1 0√

34π cos θ

1 ∓1 ±√

38π sin θe∓iϕ

2 0√

516π (3 cos2 θ − 1)

2 ∓1 ±√

158π sin θ cos θe∓iϕ

2 ±2√

1532π sin2 θe±i2ϕ

Betrachten wir nun die Wahrscheinlichkeitsdichten (man beachte, dass |eimϕ|2 = 1 gilt)

|Yl,m(θ, ϕ)|2 = Y ?l,m(θ, ϕ)Yl,m(θ, ϕ) = N2

l,m [Pml (cos θ)]2 · 1

44

Page 45: Skript Quantenmechanik

3.4 Rotation in drei Dimensionen

x

z

y

| Y |1,02

Abbildung 3.18: Darstellung der Wahrscheinlichkeitsdichte |Y1,0|2

Diese werden ublicherweise in ’Polardarstellung’ abgebildet, wobei nach Abbildung 3.18 um die Langen|Y1,0|2 eine Einhullende gelegt wird. Fur verschiedene Kugelflachenfunktionen (s. Tabelle) folgen dannbeispielsweise:

• fur |Y0,0|2 = 14π eine Kugel

• fur |Y1,0|2 = 34π cos2 θ eine Hantel

• fur |Y1,1|2 = 38π sin2 θ ein Ring (eine ’ Wurst’)

wie man in Abbildung 3.19 erkennen kann.

z

z

y

y

x

x y

z

x

Rotation

| Y |

| Y |

1,1

1,0

yx

z | Y |0,0

22

2

Abbildung 3.19: grafische Darstellung von Wahrscheinlichkeitsdichten fur verschiedene Yl,m

Abschließend betrachten wir noch die Orthogonalitatsrelationen. Wir erwarten, dass∫dV Y ?

l1,m1·Yl2,m2 =

δl1,l2δm1,m2 gilt, wobei uber das Volumenelement dV = dxdydz zu integrieren ist. Da die Kugelflachen-funktionen aber als Funktionen von θ und ϕ vorliegen, benotigen wir das Volumenelement in Polarkoor-dinaten. Dazu drucken wir zunachst wie in Abbildung 3.20 die Flache A = a · b aus durch

sin(dθ) ' dθ =b

r→ b = rdθ

undsin(dϕ) ' dϕ =

a

r sin θ→ a = r sin θdϕ

Also ist die schraffierte (kleine) Flache gegeben durch

A ' r2 sin θdθdϕ

45

Page 46: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

� � �� � �� � �� � �� � �� � �

� � �� � �� � �� � �� � �� � �a Kugelausschnitt mit Fläche A

ar sin

rd

d

θ

ϕ

θ

θ

ϕ

b

Abbildung 3.20: Skizze zur Darstellung von dV in Polarkoordinaten

Fur das Volumenelement mussen wir lediglich noch mit einem infinitesimalen Abstandselement dr mul-tiplizieren und finden:

dV = A · dr = r2 sin θdθdϕdr

Das bedeutet wir haben: ∫dV =

∫ R

0dr · r2

∫ π

0dθ · sin θ

∫ 2π

0dϕ

Da außerdem die Yl,m(θ, ϕ) nicht vom Abstand r abhangen, kann das r− Integral ausgefuhrt werden mitdem Resultat

∫ R0 dr · r2 = R3

3 . Um diesen Faktor nicht berucksichtigen zu mussen, setzen wir R3

3 = 1bzw. R3 = 3. Die Normierungsbedingung lautet somit∫ π

0dθ sin θ

∫ 2π

0dϕ|Yl,m(θ, ϕ)|2 = 1

Die Normierungsfaktoren Nl,m sind naturlich so gewahlt, dass diese Beziehung erfullt ist.Fur die Orthogonalitatsrelation hat man∫ π

0dθ sin θ

∫ 2π

0dϕY ?

l1,m1(θ, ϕ)Yl2,m2(θ, ϕ) = δl1,l2 · δm1,m2 (3.61)

(Man mache sich diese Relationen an Beispielen klar!)

3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom

Das H-Atom, bestehend aus einem Proton (Masse mP , Ladung +e) und einem Elektron (me,−e), re-prasentiert ein wichtiges exakt losbares Problem in der Quantenmechanik. Insbesondere laßt sich anhandder Losung der entsprechenden Schrodinger-Gleichung das experimentelle Spektrum des Wasserstoff-atoms verstehen, was unter Verwendung der klassischen Physik nicht moglich ist. Daruberhinaus spielendie aus der Losung erhaltenen Einelektron-Wellenfunktionen (Orbitale) eine wichtige Rolle bei der Kon-struktion der Wellenfunktionen komplexerer Atome und auch Molekule.

Nach einer Separation der Schwerpunkts- und Relativkoordinaten, auf die wir hier nicht naher einge-hen, da wir sie spater anhand des Beispiels eines zweiatomigen Molekuls genauer betrachten werden,hat man folgenden Ausdruck fur den Hamiltonoperator fur die Relativbewegung, d.h. die Bewegung desElektrons um den Atomkern (K):

H = − ~2

2m4− Ze2

4πε0r(3.62)

46

Page 47: Skript Quantenmechanik

3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom

mit der reduzierten Masse m:

m =me ·mK

mK +me≈ me ·mK

mK= me

Im Coulombpotential Vc = − Ze2

4πε0rist hier eine beliebige Kernladungszahl Z angenommen, da mit die-

sem Modell auch die Beschreibung vonH-ahnlichen Systemen, das heißt Ionen mit Kernladung Z ·e undder Kernmasse mK (He+, Li2+,...) moglich ist. Wie in den vorangegangenen Kapiteln werden wir dasProblem in Polarkoordinaten behandeln. Das bietet sich an weil das Potential Vc rotationssymmetrischist. Der Laplace-Operator ist dann gegeben durch:

4 =1r

∂2

∂r2r − 1

r2~2L2

Fur die Schrodinger-Gleichung haben wir also:

HΨ(r, θ, ϕ) = − ~2

2m1r

∂2

∂r2(r ·Ψ(r, θ, ϕ)) +

L2

2mr2Ψ(r, θ, ϕ)− Ze2

4πε0rΨ(r, θ, ϕ)

= EΨ(r, θ, ϕ)

Hierbei ist der erste Summand der r-abhangige Teil und der zweite der (θ, ϕ)-abhangige Teil der kineti-schen Energie. Der dritte Summand stellt die potentielle Energie des Systems dar.

Zur Losung machen wir einen Separationsansatz, indem wir fur den (θ, ϕ)-abhangigen Teil die Eigen-funktionen Yl,m(θ, ϕ) von L2 wahlen und fur den anderen Teil eine von r abhangige Funktion R(r):

Ψ(r, θ, ϕ) = R(r)Yl,m(θ, ϕ) (3.63)

Wir nutzen weiter aus, dass gilt

L2Ψ(r, θ, ϕ) = R(r)L2Yl,m(θ, ϕ) = ~2l(l + 1)R(r)Yl,m(θ, ϕ)

Das liefert dann:[− ~2

2m· 1r

∂2

∂r2r +

~2l(l + 1)2mr2

− Ze2

4πε0r

]R(r)Yl,m(θ, ϕ) = E ·R(r)Yl,m(θ, ϕ) (3.64)

Nun multiplizieren wir mit Y ?l,m(θ, ϕ) und integrieren uber die Winkel θ und ϕ, wobei die Normierung

der Yl,m,∫ π

0 dθ sin θ∫ 2π

0 dϕ|Yl,m(θ, ϕ)|2 = 1, genutzt wird. Auf diese Art erhalten wir eine eindimen-sionale sogenannte Radialgleichung, die sich mit

Vl(r) =~2l(l + 1)

2mr2− Ze2

4πε0r(3.65)

g(r) = r ·R(r)

folgendermaßen darstellen laßt:

d2

dr2g(r)− 2m

~2Vl(r)g(r) = −2mE

~2g(r) (3.66)

Hierbei ist Vl(r) ein l-abhangiges effektives Potential, welches sich aus dem anziehenden Coulombpo-tential und dem abstoßenden Zentrifugalpotential zusammensetzt (vgl. Abb. 3.21; insbesondere ergibtsich fur l = 0 keine Abstoßung, da Vl=0 = Vc). Zur Losung der Radialgleichung (3.66) betrachten wirdas asymptotische Verhalten (Verhalten fur r →∞). Hier gilt wegen Vl(r →∞)→ 0, vgl. Gl.(3.65):

d2

dr2gas(r) ' −

2mE~2

gas(r) (3.67)

47

Page 48: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

h l (l + 1)2 m r

VV

l =0c

22

V

r

Abbildung 3.21: H- Atom: Skizze zum effektiven quantenzahlabhangigen Potential

Wir wahlen hier die Bezeichnung gas(r), weil Gleichung (3.67) nur fur große Abstande gilt. Die Losun-gen dieser Gleichung sind formal identisch zu denjenigen der Schrodinger-Gleichung im eindimensio-nalen Fall. Man findet ungebundene Zustande fur E > 0, das heißt gas(r) = A1e

ikr + A2e−ikr mit

k =√

2mE~2 . Nur fur E < 0 liegen die fur uns interessierenden gebundenen Zustande vor, gas(r) ∼

q2mE

~2 r. Also ist die physikalisch akzeptable Losung:

gas(r) = Ae−cr mit c =

√2mE~2

(3.68)

Um nun die Radialgleichung (3.66) zu losen, geht man nun folgendermaßen vor: Man berucksichtigt dasasymptotische Verhalten, indem man den Produktansatz

g(r) = e−crP (r)

macht. Damit geht man in die Radialgleichung und erhalt auf diese Art fur P (r) die Differentialglei-chung fur die sogenannten Laguerre Polynome, ein in der Mathematik bekanntes Problem.

Ohne Beweis geben wir hier die Ergebnisse der Losung der Schrodinger-Gleichung fur wasserstoffahn-liche Atome an:Die Energieeigenwerte sind

En = −(

Z2e4m

32π2ε20~2

)1n2

(3.69)

Die Tatsache, dass nur diskrete Energiewerte auftreten (Quantisierung), ergibt sich (ahnlich wie beimHarmonischen Oszillator) aus der Tatsache, dass die Laguerre-Polynome keine beliebig hohen Potenzenin r aufweisen durfen. (Das oben gefundene asymptotische Verhalten muss erhalten bleiben.)

Mit der Definition

a =4πε0~2

Zme2

woraus sich fur Z = 1 und m = me der Bohrsche Radius

a0 =4πε0~2

mee2= 0, 529A (3.70)

ergibt, konnen die Energien als Vielfaches der Grundzustandsenergie

E1 = − Ze2

8πε0a= − ~2

2ma2= −Z2 · 1313

kJ

mol(3.71)

48

Page 49: Skript Quantenmechanik

3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom

ausgedruckt werden als:

En = E1 ·1n2

(3.72)

Die Energien hangen also nur von der Hauptquantenzahl ab, die ganzzahlige Werte annehmen kann

n = 1, 2, 3, ... (3.73)

Die Drehimpulsquantenzahl oder Nebenquantenzahl l kann alle ganzzahligen Werte bis n− 1 anneh-men:

l = 0, 1, 2, 3, ..., n− 1 (3.74)

Fur die magnetische Quantenzahl m gilt (vgl. Kap. 3.3.2):

m = −l, ...,+l (3.75)

Fur die Wellenfunktionen haben wir nach dem Separationsansatz:

Ψn,l,m(r, θ, ϕ) = Rn,l(r)Yl,m(θ, ϕ) (3.76)

Die Funktionen Rn,l(r) lassen sich durch:

Rl,n(r) = Nl,n

(2Znar

)lL2l+1n−l−1

(2Znar

)(3.77)

mit den assoziierten Laguerre-Polynomen

L2l+1n−l−1(x)

darstellen. Die Nl,n sind dabei Normierungskonstanten.

Wir konnen die Ergebnisse also folgendermaßen zusammenfassen:

• Die Funktionen (3.76) sind die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators fur wasserstoffahnlicheSysteme

• Die Energien:

En = −(

~2

2ma2

)· 1n2

sind unabhangig von l und m

• die Energiequantisierung ist durch die Hauptquantenzahl n = 1, 2, 3, ... gegeben.

• zu jedem n gibt es l-Werte mit l = 0, ..., n− 1

• zu jedem l gibt es (2l + 1) m-Werte (m = −l,−l + 1, ...,+l − 1,+l)

• Die Summe der l-und m-Werte ergibt (2 · 0 + 1) + (2 · 1 + 1) + (2 · 2 + 1) + ... = n2

das heißt: En ist n2- fach entartet .

Wir konnen nun wieder ein Energieniveauschema aufstellen, welches in Abbildung 3.22 dargestellt ist.Dabei haben wir der Einfachheit halber nur die Drehimpulsquantenzahlen bis l = 1 berucksichtigt. Allehoheren Drehimpulsquantenzahlen zur selben Hauptquantenzahl n haben dieselbe Energie.

Das diskrete Energieniveauschema aus Abb. 3.22 erklart das spektroskopisch beobachtete Linienspek-trum des H- Atoms.

49

Page 50: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

1s

2s

3s

4s 4p

3p

2p

n=1, l=0, m=0

n=2, l=0, m=0

n=3, l=0, m=0

n=4, l=0, m=0

n=2, l=1, m=0,+1,−1

n=3, l=1, m=0,+1,−1

n=4, l=1, m=0,+1,−1E = 1/16 E4 1

E = 1/9 E13

E = 1/4 E2 1

E 1

Abbildung 3.22: Energieniveauschema fur das H- Atom

Fur die Nomenklatur gilt hier:

l Bezeichnung Name0 s sharp1 p principal2 d diffuse3 f fundamental...

......

Unter Berucksichtigung der Auswahlregeln (auf die wir in Kap. 9 genauer eingehen werden)

∆l = ±1 und ∆n beliebig

findet man fur die erlaubten Energiedifferenzen ∆E = RH(

1n2 − 1

m2

)fur einen n → m- Ubergang,

vgl. Kap.1.3. Das liefert scharfe Linien bei Frequenzen ω = ∆E~ .

Man bezeichnet Ubergange von n = 1 nach n = 2, 3, 4, ... als Lyman Serie, solche von n = 2 nachn = 3, 4, ... als Balmer Serie, usw..

Das Energieniveauschema sowie die Bezeichnung der Quantenzahlen erscheint uns bereits aus dem Or-bitalmodell vertraut (bis auf die in diesem Fall entarteten Energieniveaus (z.B.: gleiche Niveaus fur s undp)).Tatsachlich bezeichnet man ausschließlich sogenannte Einlektronenwellenfunktionen als Orbitale. Dasbedeutet, dass die Wellenfunktionen beispielsweise eines Heliumatoms im Allgemeinen keine Orbitalesind, da es sich hierbei um Zweielektronenwellenfunktionen handelt. Diese Wellenfunktionen werdennur naherungsweise aus Orbitalen aufgebaut.Um eine Verbindung zum bekannten Orbitalmodell mit den in der chemischen Literatur verwendetenFunktionen und Darstellungen herzustellen, betrachten wir uns noch einmal die Wellenfunktionen.Einige Radialfunktionen sind in der folgenden Tabelle aufgelistet:

50

Page 51: Skript Quantenmechanik

3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom

Bezeichnung Quantenzahl(n, l) Rn,l(r) · a32

1 s 1,0 2 e−ra

2 s 2,0 12√

2

(2− r

a

)e−

r2a

2 p 2,1 12√

6

(ra

)e−

r2a

3 s 3,0 23√

3

[1− 2

3

(ra

)+ 2

27

(ra

)2]e−

r3a

3 p 3,1 481√

6

[6−

(ra

)] (ra

)e−

r3a

3 d 3,2 481√

30

(ra

)2e−

r3a

0 2 4 6 8 10

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

r/a

R1,0a3/2

0 2 4 6 8 10-0.2

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

r/a

R2,0a3/2

2 4 6 8 10 12 14-0.1

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

r/a

R3,0a3/2

5 10 15

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

r/a

Rn,la3/2

R3,1(r/a) R2,1(r/a)

Abbildung 3.23: H-Atom: Auftragung der Radialfunktionen fur verschiedene Quantenzahlen

In Abbildung 3.23 sind einige Laguerre-Polynome graphisch dargestellt.Eine wichtige Eigenschaft der Rn,l besteht in der Tatsache, dass gilt:

Rn,l=0(r = 0) 6= 0

Das heißt: diese Funktionen sind bei r = 0 endlich, wahrend fur hohere l = 1, 2, 3, ... gilt:Rn,l(r = 0) = 0.Weiter gilt:

Rn,l(r) hat (n− l − 1) Nullstellen oder ’radiale Knoten’.

Das bedeutet, dass dieRn,l mit dem großten erlaubten Wert der Drehimpulsquantenzahl, l = n−1, keineNullstellen haben.In der folgenden Tabelle sind einige Wellenfunktionen Ψn,l,m(r, θ, ϕ) angegeben:

Bezeichung Quantenzahl (n, l,m) Ψn,l,m(r, θ, ϕ) = Rn,l(r)Yl,m(ϕ, θ)1 s 1,0,0 1

a32

1√πe−

ra

2 s 2,0,0 1

a32

14√

[2−

(ra

)]e−

r2a

2 p0 2,1,0 1

a32

14√

(ra

)e−

r2a · cos θ

2 p1, 2 p−1 2,1,±1 ∓ 1

a32

18√π

(ra

)e−

r2a sin θe±iϕ

51

Page 52: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

Um den Zusammenhang mit der in der Chemie ublichen Bezeichnung herzustellen, muss man beachten,dass die Funktionen Ψl,m, m 6= 0, komplex sind. Diese kann man aber mit Hilfe von cosϕ = 1

2(eiϕ +e−iϕ) und sinϕ = 1

2i(eiϕ − e−iϕ) beispielsweise in

Ψ(2px) =1

2√

2[−Ψ2,1,1 + Ψ2,1,−1] =

1

a32

18√

2π1ae−

r2a r sin θ cosϕ

undΨ(2py) =

12√

2i[−Ψ2,1,1 −Ψ2,1,−1] =

1

a32

18√

2π1ae−

r2a r sin θ sinϕ

uberfuhren. Die Funktionen Ψ(2px) und Ψ(2py) sind naturlich Losungen der Schrodinger-Gleichung, dasie Linearkombinationen von Losungen zum gleichen Energie-Eigenwert sind. Allerdings sind sie keineEigenfunktionen zu Lz = ~

i∂∂ϕ . Auch andere Funktionen kann man aus Linearkombinationen der schon

bekannten Losungen erhalten, so z.B. Ψ(3dxy),Ψ(3dxz), ...

Als nachstes wollen wir die Wahrscheinlichkeitsdichten |Ψn,l,m|2 betrachten:Wir hatten bereits festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron in einem Volumenelement dVzu finden, durch

|Ψn,l,m|2dV = |Ψn,l,m|2r2dr sin θdθdϕ mit |Rn,lYl,m|2 = |Rn,l|2 · |Yl,m|2

gegeben ist. Haufig interessiert allerdings nur die Wahrscheinlichkeit, das Elektron im Intervall [r,r + dr[zu finden, dass heißt die Entfernung des Elektrons vom Kern. Wir integrieren hierzu uber die Winkel:∫ π

0dθ sin θ

∫ 2π

0dϕ|Ψn,l,m(r, θ, ϕ)|2r2dr = R2

n,l(r) · r2dr

wobei wir genutzt haben, dass die Kugelflachenfunktionen normiert sind, s. Gl.(3.61). Die Betragsstrichekonnen weggelassen werden, weil die Rn,l(r) reelle Funktionen sind.Man bezeichnet

R2n,l(r) · r2 (3.78)

als radiale Verteilungsfunktion. Diese Verteilung ist fur n = 1, l = 0 in Abbildung 3.24 skizziert.Man sieht, dass R2

1,0(r) fur r = 0 endlich ist, wahrend R21,0(r) · r2 hier verschwindet. Das Maximum

r/a

Rn,la3/2

R1,0(r/a)

R21,0(r/a) r2

Abbildung 3.24: Skizze zum Vergleich der radialen Verteilungsfunktion R2n,l(r) · r2 mit der Radialfunk-

tion Rn,l(r)

von R21,0(r) · r2 liegt bei r = a, dem Bohrschen Atomradius. Berechnet man allerdings den Mittelwert

〈r〉1s =∫∞

0 dr · r · (R21,0r

2), so findet man 〈r〉1s = 32a, was nicht damit ubereinstimmt.

52

Page 53: Skript Quantenmechanik

3.5 Bewegung im Coulombpotential: Das Wasserstoffatom

Es gibt verschiedene Moglichkeiten, die Orbitale darzustellen. Haufig wird bei der graphischen Darstel-lung eine der folgenden Vorgehensweisen gewahlt:

• Man zeichnet eine Oberflache, die so gestaltet ist, dass∫dV |Ψn,l,m|2= konst. ist. Haufig wird hier

∼ 90 % gewahlt.

• Alternativ dazu gibt es eine Darstellung uber den Konturplot fur |Ψn,l,m|2 = konst., wobei ubli-cherweise ∼ 10−4 gewahlt wird.

In beiden Fallen werden die Vorzeichen von Ψn,l,m durch Farbe oder Hineinschreiben der Vorzeichenunterschieden.

Es entstehen die bekannten Lehrbuchbilder, wie sie in den Abbildungen 3.25 bis 3.27 dargestellt sind.Wichtig ist, dass die Orbitale wie auch deren Abbildungen keinerlei fundamentale Bedeutung haben. Diephysikalisch relevante Infomration erhalt man aus den Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichten.

y

x

z

Abbildung 3.25: 1s-Orbital

y

x

z

+

pz

Abbildung 3.26: pz-Orbital

y

x

z

py

+ −

Abbildung 3.27: py-Orbital

53

Page 54: Skript Quantenmechanik

3 Einfache Systeme

54

Page 55: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

Wir hatten im Kapitel 2.4 die Schrodingergleichung als eine Wellengleichung fur Materiewellen ’herge-leitet’. In diesem Zusammenhang war schon darauf hingewiesen worden, dass es sich dabei keinesfallsum eine Herleitung in einem mathematischen Sinn handelt, sondern die Vorgehensweise war heuristisch.

Das gilt grundsatzlich:

Die Quantenmechanik kann nicht aus grundlegenderen Prinzipien hergeleitet werden.

Die Quantenmechanik ist daher axiomatisch aufgebaut. In diesem Kapitel geht es um die mehr formalenAspekte der Theorie, die aber fur alle Anwendungen sehr wichtig sind. So ist die SchrodingergleichungHΨ = EΨ eine Eigenwertgleichung, wobei Ψ eine Eigenfunktion des Hamiltonoperators H ist und Eder entsprechende Eigenwert. Wir haben im letzten Kapitel gesehen, dass erlaubte Werte fur die Energie-eigenwerte En (wobei n eine Quantenzahl ist) immer reelle Zahlen sind. Das ist naturlich auch sinnvoll.Es stellt sich also beispielsweise die Frage, welche Eigenschaften ein Operator haben muss, damit seineEigenwerte reell sind. Analog haben wir schon einige Eigenschaften von physikalisch akzeptablen Wel-lenfunktionen kennengelernt. Im Folgenden werden die formalen Eigenschaften von Operatoren und dieAxiome der Quantenmechanik behandelt.

4.1 Eigenschaften linearer Operatoren

In diesem Kapitel beschranken wir uns auf Operatoren, die auf quadratintegrable Funktionen Ψ an-gewendet werden. Diese Einschrankung ist zwar nicht notig, erleichtert aber manche mathematischenAspekte.

Definition eines linearen Operators

A heißt linear, wenn gilt:

A(λ1Ψ1 + λ2Ψ2) = λ1

(AΨ1

)+(λ2AΨ2

)mit λ1, λ2 ∈ C (4.1)

Insbesondere ist der Hamiltonoperator H linear und Gl.(4.1) ist die mathematische Grundlage fur dasSuperpositionsprinzip.

Rechenregeln fur lineare Operatoren

Fur lineare Operatoren gelten folgende Rechenregeln:

1. Multiplikation mit einer Konstanten c ∈ C:

(cA)Ψ = c(AΨ) (4.2)

2. Summe zweier Operatoren S = A+ B (A, B lineare Operatoren):

SΨ = (A+ B)Ψ = AΨ + BΨ (4.3)

55

Page 56: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

3. Produkt aus zwei Operatoren P = AB

PΨ = ABΨ = A(BΨ) (4.4)

Anmerkung: Wir schreiben kein explizites Verknupfungssymbol fur das Produkt. Man findet manch-mal auch A · B anstelle von AB. Das Produkt von Operatoren ist nicht kommutativ!

Mit Hilfe dieser Regeln konnen neue Operatoren konstruiert werden. Regel (3) erlaubt es, Polynome vonOperatoren zu definieren:

An = A(An−1) (4.5)

Operatorwertige Funktionen f(A) lassen sich anhand der Definition von Summe und Produkt uber dieentsprechenden Taylorreihen definieren. Beispielsweise ist die Taylorreihe der Exponentialfunktion

ex =∞∑n=0

1n!xn fur x ∈ C

Analog definiert man die Exponentialfunktion eines linearen Operators A:

eA =∞∑n=0

1n!An

Ein ganz entscheidender Punkt beim Rechnen mit linearen Operatoren ist die Nichtkommutativitat desProduktes.Das bedeutet explizit:

A(BΨ

)6= B

(AΨ)

Also ist die Reihenfolge der Anwendung der Operatoren wichtig.Man definiert den Kommutator: [

A, B]

= AB − BA (4.6)

Der Kommutator oder auch Vertauschungsrelation ist von zentraler Wichtigkeit in der Quantenmechanik.

Beispielsweise ergibt sich fur [x, px]Ψ(x):

(xpx)Ψ(x) = x~i

d

dxΨ(x) = x

~iΨ′(x)

pxxΨ(x) =~i

d

dx(xΨ(x)) =

~i(Ψ(x) + xΨ′(x))

y [x, px] Ψ(x) = [xpx − pxx] Ψ(x) = −~iΨ(x) = i~Ψ(x)

y [x, px] = i~ (4.7)

Allgemein beschreibt man ein System aus N Teilchen mit 3N Koordinaten durch die Angabe der 3N’verallgemeinerten’ Koordinaten qi, i = 1, ..., 3N und der dazu korrespondierenden Impulse pi, dieman als kanonisch konjugierte Impulse bezeichnet. Bei den Koordinaten kann es sich beispielsweiseum kartesische Koordinaten (q1 = x1, q2 = y1, q3 = z1, q4 = x2, ...) oder auch die entsprechendenPolarkoordinaten (r1, θ1, ϕ1, ...) handeln. Die kanonisch konjugierten Impulse sind dann beispielsweiseq1 → px1 , q2 → py1 , ...).Fur diese konjugierten Variablen gilt:

[qi, pk] = 0 i 6= k

56

Page 57: Skript Quantenmechanik

4.1 Eigenschaften linearer Operatoren

(z.B.: [y, px] = 0) und[qi, pi] = i~

oder allgemein ausgedruckt:[qi, pk] = i~δi,k (4.8)

Es gelten folgende Rechenregeln fur Kommutatoren :[A, A

]= 0 (4.9)[

A, B]

= −[B, A] (4.10)[A+ B, C

]= [A, C] + [B, C] (4.11)[

AB, C]

= A[B, C] + [A, C]B (4.12)

wobei A, B, C lineare Operatoren sind.

Eigenwerte und Eigenfunktionen linearer Operatoren

Die Eigenwertgleichung ist folgendermaßen definiert:

AΨi = aiΨi (4.13)

mit den Eigenwerten ai und den Eigenfunktionen Ψi von A.

Entartung

Wendet man einen Operator auf n linear unabhangige Funktionen an und erhalt jedesmal denselbenEigenwert, so heißt dieser n-fach entartet, z.B.:

AΨ(1)i = aiΨ

(1)i und AΨ(2)

i = aiΨ(2)i

Hier ist ai zweifach entartet und Ψ(1)i und Ψ(2)

i linear unabhangig (d.h.: Ψ(2)i 6= λΨ(1)

i , λ ∈ C). Allge-mein ist im Fall von

AΨ(r)i = aiΨ

(r)i r = 1, ..., n

ai n-fach entartet und die{

Ψ(1)i ,Ψ(2)

i , ...,Ψ(n)i

}sind linear unabhangig.

Erwartungswert

Der Erwartungswert einer physikalischen Große G(q) ist definiert durch:

〈G〉 =∫dqΨ(q)?G(q)Ψ(q)

Allgemein ist hier Ψ = Ψ(q1, , .., qM ).

Fur das Volumenelement wird im Folgenden abkurzend dτ geschrieben, also:

dτ := dq1 · dq2 · dq3...dqm (4.14)

Fur drei Dimensionen gilt beispielsweise: dτ = dxdydz oder in Polarkoordinaten dτ = r2 sin θdrdθdϕ.Dann hat man fur den Erwartungswert von G(q1, ..., qM ) formal

〈G〉 =∫dτΨ?(τ)GΨ(τ)

Die explizite Abhangigkeit des Operators G von den Koordinaten schreibt man haufig nicht auf.

57

Page 58: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

Adjungierter Operator

Der zu A adjungierte Operator A† ist definiert durch:∫dτΨ?

1(AΨ2) =[∫

dτΨ?2(A†Ψ1)

]?(4.15)

Es gilt beispielsweise:

A =d

dxund A† = − d

dx

Von besonderer Wichtigkeit in der Quantenmechanik sind Operatoren, die selbstadjungiert oder hermi-tesch sind. Deshalb definieren wir noch

Hermitesche Operatoren

A heißt hermitesch oder selbstadjungiert, wenn gilt

A† = A (4.16)

Ein Beispiel fur einen hermiteschen Operator ist A = i ddx .Die Relevanz hermitescher Operatoren beruht auf deren speziellen Eigenschaften, die in den folgendenSatzen behandelt werden.

Satz Die Eigenwerte eines hermiteschen Operators sind reell.

Beweis: Es gelte AΨi = aiΨi (und ferner∫dτΨ?

iΨi = 1). Betrachtet man∫dτΨ?

i (AΨi) =∫dτΨ?

i (aiΨi) = ai

∫dτΨ?

iΨi = ai

so gilt wegen der Hermitezitat von A

=∫dτΨ?

i

(AΨi

)=[∫

dτΨ?i (AΨi)

]?=[∫

dτΨ?i (aiΨi)

]?=[ai

∫dτΨ?

iΨi

]?= a?i

Daraus folgt: ai = a?i , somit ist ai ∈ R. q.e.d.

Satz Die Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogo-nal.

Beweis: Es gelte AΨi = aiΨi und AΨk = akΨk mit k 6= i. Wir betrachten:∫dτΨ?

i AΨk = ak

∫dτΨ?

iΨk

und [∫dτΨ?

kAΨi

]?=[∫

dτΨ?k(aiΨi)

]?= ai

∫dτΨ?

iΨk

und bilden die Differenz:(ak − ai)

∫dτΨ?

iΨk = 0

Mit (ak − ai) ∈ R und ak 6= ai folgt hieraus:∫dτΨ?

iΨk = 0 fur k 6= i q.e.d.

58

Page 59: Skript Quantenmechanik

4.1 Eigenschaften linearer Operatoren

Anmerkung hierzu:

Ist ai n-fach entartet:AΨ(r)

i = aiΨ(r)i ; r = 1, ..., n

kann man Ψ(1)i ...Ψ(n)

i so wahlen, dass gilt:∫dτΨ(r)?

i Ψ(p)i = 0 , r 6= p

die Funktionen also orthogonal sind.

Satz Die Eigenfunktionen eines Hermiteschen Operators spannen eine vollstandige Basis auf (auchvollstandiges Orthonormalsystem (VONS) genannt).

Beweis: nicht ganz trivial.

Auf den Beweis des letzten Satzes wird hier verzichtet. Es soll aber noch etwas auf die Bedeutung derBegriffe eingegangen werden.

Der Begriff der Basis ist hierbei genau wie in der linearen Algebra zu verstehen. Wenn man beispiels-weise einen zweidimensionalen Vektorraum betrachtet, so bilden die Einheitsvektoren ~ex und ~ey eineorthogonale Basis, vgl. Abb. 4.1, d.h. es gilt:

~ex · ~ex = 1 ; ~ey · ~ey = 1~ex · ~ey = 0

oder ~ex · ~ey = δik

e

ex

y

y

x

Abbildung 4.1: Basis im zweidimensionalen Vektorraum

Vollig analog definiert man eine Basis in einem Funktionenraum. Die Eigenfunktionen Ψi eines her-miteschen Operators bilden eine Basis in einem sogenannten Funktionenraum (Raum der quadratin-tegrablen Funktionen, Hilbertraum). Die entsprechende Orthogonalitatsbeziehung ist schon bekannt:∫dτΨ?

i (τ)Ψk(τ) = δik und hat dieselbe Funktion wie das Skalarprodukt der Basis-Vektoren im Vek-torraum. (In der Mathematik spielt das Skalarprodukt eine große Rolle, weil es fur die Definition einerMetrik im entsprechenden Raum wichtig ist.)

Unter Vollstandigkeit versteht man die Tatsache, dass sich jede (quadratintegrable) Funktion nach denBasisfunktionen entwickeln laßt. Das ist vollig analog zu der Entwicklung eines beliebigen Vektors ~anach den Einheitsvektoren ~ei:

~a = ax~ex + ay~ey

mit ax = ~ex · ~a = |~a| cos(^~a,~ex)und ay = ~ey · ~a = |~a| cos(^~a,~ey) = |~a| sin(^~a,~ex)

59

Page 60: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

Vollig analog geht man bei der Entwicklung einer beliebigen Funktion vor:Die Eigenfunktionen Ψi, i = 0, 1, 2, ... eines Hermiteschen Operators bilden eine vollstandige Basis imRaum der quadratintegrablen Funktionen (Hilbertraum). Φ sei eine beliebige Funktion. Dann lautet dieEntwicklung:

Φ =∑i

ciΨi (4.17)

Die Koeffizienten ci sind dabei gegeben durch:

ci =∫dτΨ?

i · Φ (4.18)

Diese Koeffizienten haben also dieselbe Form wie im obigen Beispiel die Entwicklungskoeffizienten axund ay. Man sieht hieran, dass es eine enge Analogie zwischen den quadratintegrablen Eigenfunktionenhermitescher Operatoren und der Basis eines Vektorraumes gibt, wenn man fur zwei solche Funktionen,beispielsweise ψ1 und ψ2, das Integral

∫dτψ∗1ψ2 als Skalarprodukt auffasst.

Wir betrachten noch ein konkretes Beispiel. Die Eigenfunktionen des Operators Lz ,

Ψm =1√2πeimϕ,m = 0,±1,±2,±3, ...

bilden eine vollstandige Basis. Es gilt∫ 2π

0 dϕΨ?mΨn = δm,n. Wir entwickeln jetzt die Funktion Φ(ϕ) =

cos(ϕ) nach dieser Basis:

Φ =∞∑

m=−∞cmΨm(ϕ)

cm =∫ 2π

0dϕΨ?

m(ϕ) ·Ψ(ϕ) =∫ 2π

0dϕΨ?

m(ϕ) · cosϕ

=12

1√2π

∫ 2π

0dϕe−imϕ(eiϕ + e−iϕ) =

12

1√2π

[∫ 2π

0dϕe−imϕeiϕ +

∫ 2π

0dϕe−imϕe−iϕ

]=

2π2√

2π(δm,1 + δm,−1)

Also gilt:

c1 =√

2π2

und c−1 =√

2π2

Das heißt: die Entwicklung∑

m cmΨm(ϕ) reduziert sich in diesem Beispiel auf genau zwei Terme, daalle cm mit m 6= ±1 verschwinden.

Diese Betrachtungen zu den mathematischen Grundlagen sind ausreichend, um nun auf die Axiomatikder Quantenmechanik einzugehen.

4.2 Postulate der Quantenmechanik

Wir betrachten zunachst die Wellenfunktionen eines physikalischen Systems, das durch die verallge-meinerten Koordinaten q1, ..., qM (s. oben) beschrieben wird, Ψ(q1, ..., qM , t). Fur ein System aus NTeilchen mit kartesischen Ortskoordinaten konnen die qi beispielsweise als ~r1 = (q1, q2, q3), ~r2 =(q4, q5, q6), etc. gewahlt werden.

60

Page 61: Skript Quantenmechanik

4.2 Postulate der Quantenmechanik

1. Postulat Jeder Zustand eines physikalischen Systems wird vollstandig durch die WellenfunktionΨ(q1, ..., qM , t) der Koordinaten des Systems: q1, ..., qM zum Zeitpunkt t bestimmt. Die Große

Ψ?(q1, ..., qM , t)Ψ(q1, ..., qM , t)dτ (4.19)

ist proportional zur Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt tfur q1 Werte zwischen q1 und q1 + dq1

fur q2 Werte zwischen q2 und q2 + dq2...

......

und fur qM Werte zwischen qM und qM + dqMzu finden.

Die wichtigsten Eigenschaften von Ψ sind:

1. Ψ ist eine komplexwertige Funktion der Koordinaten q1, ..., qM .Ψ(q1, ..., qM , t) hangt also nicht von den Impulsen ab.

2. Ψ ist - außer an singularen Punkten des Potentials - stetig und stetig differenzierbar.

3. Ψ ist eindeutig

4. Ψ ist normierbar/quadratintegrabel

Weiter oben hatten wir den Erwartungswert von physikalischen Großen, 〈A〉 =∫dτΨ?AΨ, betrachtet.

Physikalisch sind naturlich lediglich solche Erwartungswerte relevant, die auch zu messbaren Großenkorrespondieren.

Messbare physikalische Großen heißen ObservablenDiese Definition brauchen wir noch fur das nachste Postulat:

2. Postulat Jeder Observablen eines physikalischen Systems wird ein linearer hermitescherOperator zugeordnet.

Die physikalischen Eigenschaften der Observablen werden durch die mathematischenEigenschaften des zugehorigen Operators bestimmt.

Dieses Postulat hat zwei ganz wichtige Konsequenzen. Die Tatsache, dass jeder Observablen ein hermite-scher Operator zugeordnet wird, bedeutet, dass die Eigenwerte und damit auch die moglichen Messwerte(vgl. unten) reell sind.Der Hamiltonoperator ist also linear und hermitesch. Deshalb ist das Superpositionsprinzip fur alleLosungen der Schrodingergleichung erfullt und es kann Interferenzphanomene geben.Beispiele fur die Zuordnung von Operatoren sind:

Observable klassische Mechanik QuantenmechanikOrt xi, qi, ~r x, qi, ~r

Potential V (x) V (x)Impuls px, ~p, pi (konj. zu qi) px = ~

i∂∂x ; ~p = ~

i~∇; ~pi = ~

i∂∂q

kin.Energie T = 12m~p

2 T = 12m p

2 = − ~2

2m4Drehimpuls ~L = ~r × ~p ~L = ~r × ~p = ~r ×

(~i~∇)

Energie, Hamiltonfkt. H = T + V H = T + V

61

Page 62: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

Um allgemein klassische Observable in quantenmechanische Operatoren zu transformieren, benutzt manfolgende

Ubersetzungsregeln:Schreibe die klassische Große A als Funktion der Koordinaten qi und der konjugierten Impulse pi, i =1, ...,M , auf:

A(qi, ..., qM ; pi, ..., pM )

Ersetze qi durch qi und die pi durch pi = ~i∂∂qi

. Auf diese Art erhalt man den korrespondierendenOperator:

A(qi, ..., qM ; pi, ..., pM ) (4.20)

3. Postulat Gegeben sei ein Satz identischer physikalischer Systeme im normierten Zustand Ψ(τ, t) =Ψ(q1, ..., qM , t).Der Erwartungswert einer Serie von Messungen (im Prinzip unendlich viele) einer ObservablenA mit zugeordnetem Operator A ist durch:

〈A〉 =∫dτΨ?(τ)AΨ(τ) (4.21)

gegeben. Die zugehorige Schwankung (Standardabweichung, Unscharfe) ist:

∆A =√〈A2〉 − 〈A〉2 (4.22)

Als Messwerte konnen nur Eigenwerte ai von A erhalten werden und nach einer Messung befin-det sich das System im Zustand Ψi mit AΨi = ai ·Ψi.Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung der Wert ai gefunden wird, ist durch

W (ai) =∣∣∣∣∫ dτΨ?

i (τ) ·Ψ(τ)∣∣∣∣2 (4.23)

gegeben.

Die wichtigen Aussagen dieses Postulats fassen wir nochmal zusammen:

• eine Einzelmessung liefert als Resultat notwendig einen Eigenwert ai von A. Das bedeutet alsoeine grundsatzliche Einschrankung der moglichen Messwerte.

• Fur den Erwartungswert von A gilt:

〈A〉 =∑i

W (ai)ai

(s. unten). Das ist ein Resultat, wie man es in der gewohnlichen Statistik erwartet.

• Wenn man viele Messungen durchfuhrt, findet man demnach nicht immer denselben Wert ai, son-dern Werte ai mit Wahrscheinlichkeit W (ai). Das bedeutet, man findet ein in Abbildung 4.2 skiz-ziertes Ergebnis.

Man erwartet fur viele Messungen, dass W (ai) ’normal verteilt’ ist, die Verteilungsfunktion alsodurch eine Gaußkurve gegeben ist. Die Varianz ∆A2 ist ein Maß fur die Breite der VerteilungW (ai).

62

Page 63: Skript Quantenmechanik

4.2 Postulate der Quantenmechanik

A

∆A

ai

W(ai)

Abbildung 4.2: Skizze zum 3. Postulat

Um diese Aussagen besser zu verstehen, betrachten wir den Erwartungswert

〈A〉 =∫dτΨ?AΨ

etwas genauer. Dabei ist Ψ der Zustand des Systems vor der Messung. Wir wissen, dass die Eigenfunk-tionen Ψi von A eine vollstandige Basis bilden. Daher konnen wir Ψ in dieser Basis entwickeln, vgl.Gl.(4.17):

Ψ =∑i

ciΨi mit ci =∫dτΨ?

i ·Ψ

Diese Beziehung nutzen wir in der Berechung von 〈A〉:

〈A〉 =∫dτΨ?A(

∑i

ciΨi) =∑i

ci

∫dτΨ?AΨi =

∑i

ci

∫dτΨ?aiΨi

=∑i

ciai

∫dτΨ?Ψi =

∑i

ciaic?i , da c?i =

∫dτΨ?Ψi

y 〈A〉 =∑i

|ci|2 · ai

Dabei haben wir ausgenutzt, dass wir die Integration und die Summation vertauschen durfen (ohne Be-weis). Mit Gleichung (4.23) folgt:

W (ai) =∣∣∣∣∫ dτΨ?

i ·Ψ∣∣∣∣2 = |ci|2

und wir finden fur den Erwartungswert:

〈A〉 =∑i

W (ai)ai (4.24)

Ein ganz wichtiger Aspekt ist folgender: man kann nicht davon ausgehen, dass man auf der Basis einerMessung auf den vor der Messung vorhandenen Zustand zuruckschließen kann. Vielmehr ist der Einflussder Messung auf das System derart, dass sich das System nach einer Messung im Eigenzustand Ψi vonA befindet, falls man den zugehorigen Eigenwert ai gemessen hat.Der Zustand Ψ wird also durch die Messung von ai in den Zustand Ψi uberfuhrt. Das bedeutet, dassder Zustand des Systems durch die Messung verandert wird: Wenn man den Wert ai bei einer Messungerhalt, so weiß man, dass das System nach dieser Messung im Eigenzustand Ψi von A vorliegt.Man hat das System also durch die Messung in einem Eigenzustand Ψi ’prapariert’.

63

Page 64: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

Soweit sind alle Aussagen allgemein und gelten fur einen beliebigen Ausgangszustand Ψ. Nun betrachtenwir den Fall, dass sich das System vor der Messung im Eigenzustand Ψi von A befindet, z.B. durchvorhergehende Praparation. In diesem Fall hat man fur den Erwartungswert einfach:

〈A〉 =∫dτΨ?

i AΨi = ai

∫dτΨ?

iΨi = ai

Fur die Unscharfe oder Varianz findet man mit 〈A2〉 =∫dτΨ?

i A2Ψi = a2

i :

∆A =√〈A2〉 − 〈A〉2 =

√a2i − a2

i = 0

Das ist leicht verstandlich: Wir messen in jeder Messung genau den Wert ai und dementsprechend ver-schwindet die Unscharfe.Eine solche Messung bezeichnet man als scharfe Messung. In der Umkehrung heißt das: findet man∆A = 0, so befindet sich das System notwendig in einem Eigenzustand zu A.

Nun betrachten wir zwei Observable A und B. Es stellt sich die Frage, ob es Zustande gibt, derart, dassman beide Observablen gleichzeitig scharf bestimmen kann. Zur Erinnerung: in der klassischen Physikgeht das immer!Wir nehmen an, dass wir zunachst 〈A〉messen und das System dadurch im entsprechenden Eigenzustandpraparieren. Wir gehen davon aus, dass wir

〈A〉 = ai

messen. Dann befindet sich das System nach der Messung im Zustand Ψi mit AΨi = aiΨi.Anschließend wird eine Messung der Observablen B durchgefuhrt:

〈B〉 =∫dτΨ?

i BΨi

Dabei wird der Erwartungswert mit dem Zustand Ψi gebildet, da sich das System ja vor der B-Messungin diesem Zustand befand. Es folgt, dass die Messung von B scharf ist, falls Ψi auch ein Eigenzustandvon B ist (BΨi = biΨi), denn dann gilt:

〈B〉 =∫dτΨ?

i BΨi = bi

Das heißt: man kann zwei Observablen genau dann gemeinsam bestimmen, falls sie gemeinsame Eigen-funktionen haben. Wann das der Fall ist, folgt aus der Betrachtung des Kommutators:[

A, B]

Ψi = ABΨi − BAΨi = AbiΨi − BaiΨi = biAΨi − aiBΨi = biaiΨi − aibiΨi = 0

der folgende

Satz Wenn zwei hermitesche Operatoren A, B kommutieren, [A, B] = 0, dann besitzen sie ein vollstandi-ges Orthonormalsystem von gemeinsamen Eigenfunktionen und umgekehrt.

Die Konsequenz hieraus lautet: zwei Observablen A und B sind gleichzeitig scharf messbar, wenn[A, B

]= 0

Solche Observablen heißen kompatibel.

64

Page 65: Skript Quantenmechanik

4.2 Postulate der Quantenmechanik

Beispiel: Wir kennen den Kommutator fur die Koordinaten und die konjugierten Impulse:

[qi, pk] = i~δi,k (4.25)

Das bedeutet: fur i 6= k ist [qi, pk] = 0 und qi und pk sind kompatibel.Fur i = k hat man dagegen [qi, pi] = i~ und qi und pi (z.B. x und px) konnen nicht gleichzeitig scharfbestimmt werden. Fur solche Paare hatten wir schon die Heisenbergsche Unscharferelation in Kap. 3.1.2kennengelernt: ∆qi∆pi ≥ ~

2 . Das gilt allgemein:

Heisenbergsche Unscharferelation: Fur zwei Observable A, B gilt (ohne Beweis):

∆A ·∆B ≥ 12

∣∣∣〈[A, B]〉∣∣∣ (4.26)

Observablen, fur die ∆A ·∆B > 0 gilt, heißen komplementar bzw. nicht kompatibel.Das bedeutet insbesondere, dass sie nicht gleichzeitig scharf bestimmbar sind.

Fur die Koordinaten und die konjugierten Impulse ergibt sich also:

∆qi∆pi ≥12|〈[qi, pi]〉| =

12|i~| = 1

2~ (4.27)

Unser letztes Postulat beschaftigt sich mit der zeitlichen Entwicklung eines physikalischen Systems:

4. Postulat Die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion Ψ(q1, ..., qM , t) wird durch die zeit-abhangige Schrodingergleichung:

i~∂Ψ∂t

= HΨ (4.28)

mit dem Hamiltonoperator H bestimmt.

Diese Gleichung laßt sich nicht aus anderen physikalischen Gesetzen herleiten.Betrachten man konservative Systeme, fur die das Potential V (q1, ..., qM ) zeitunabhangig ist, so gibt esstationare Zustande. Das bedeutet insbesondere, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte zeitunabhangig ist:|Ψ(q1, ..., qM , t)|2 = |Ψ(q1, ..., qM )|2. In diesem Fall ist die Zeitabhangigkeit der Wellenfunktion durcheinen komplexen Phasenfaktor gegeben:

Ψ(q1, ..., qM , t) = Ψ(q1, ..., qM )e−iE~ ·t

Einsetzen dieser Form in die zeitabhangige Schrodingergleichung (4.28) liefert die zeitunabhangigeSchrodingergleichung:

HΨ(q1, ..., qM ) = EΨ(q1, ..., qM )

Abschließend betrachten wir nochmals den Erwartungswert einer Observablen:

〈A(t)〉 =∫dτΨ?(q1, ..., qM , t)AΨ(q1, ..., qM , t)

Das bedeutet, 〈A(t)〉 ist uber Ψ(q1, ..., qM , t) zeitabhangig. Die zeitabhangige Schrodingergleichungerlaubt es, ein Zeitgesetz fur die Erwartungswerte zu formulieren:

d

dt〈A(t)〉 =

∫dτ

d

dt[Ψ?AΨ] =

∫dτ∂Ψ?

∂tAΨ + Ψ?A

∂Ψ∂t

65

Page 66: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

Aus der zeitabhangigen Schrodingergleichung folgt ∂∂tΨ = 1

i~HΨ und somit:(∂Ψ∂t

)?= − 1

i~

(HΨ

)†= − 1

i~Ψ?H† = − 1

i~Ψ?H

Also haben wir fur den uns Fall,dass A nicht explizit von der Zeit abhangt, ddtA = 0,

d

dt[Ψ?AΨ] = − 1

i~Ψ?HAΨ +

1i~

Ψ?AHΨ =1i~

Ψ?[A, H]Ψ =i

~Ψ?[H, A]Ψ

und somit:d

dt〈A(t)〉 =

i

~

∫dτΨ?[H, A]Ψ =

i

~〈[H, A]〉

das heißt:d

dt〈A(t)〉 =

i

~〈[H, A

]〉 (4.29)

Fur das spezielle Beispiel, dass Amit dem Impulsoperator p ubereinstimmt, folgt (der Einfachheit halberin einer Dimension): [

H, p]

=[p2

2m+ V (q), p

]=

12m

[p2, p]︸ ︷︷ ︸0

+ [V (q), p]︸ ︷︷ ︸−~

idV (q)

dq

und hieraus:d

dt〈p(t)〉 = −〈dV (q)

dq〉 = 〈F (q)〉 (4.30)

Ein solches Ergebnis findet man auch fur andere Erwartungswerte als den Impuls. (Dafur ist es lediglichbesonders einsichtig, denn Gleichung (4.30) ist gerade das zweite Newton’sche Axiom.)Das gilt allgemein: Die quantenmechanischen Erwartungswerte erfullen die klassischen Bewegungsglei-chungen (Ehrenfest Theorem).

Betrachten wir speziell solche Observablen, die mit dem Hamiltonoperator kommutieren, d.h. [H, A] =0, so folgt aus Gleichung (4.29) fur solche Observablen:

d

dt〈A(t)〉 = 0

was gleichbedeutend mit〈A(t)〉 = konst.

ist. Das bedeutet, 〈A(t)〉 andert sich im Laufe der Zeit nicht.Deshalb bezeichnet man Observable A, fur die

[H, A

]= 0 gilt, als Konstanten der Bewegung oder als

Erhaltungsgroßen.

Als Beispiel sei das H-Atom betrachtet. Fur dieses gilt, vgl. Gl.(3.64),[H, L2

]= 0. Also ist der Dre-

himpuls in diesem Beispiel eine Erhaltungsgroße.

Wir wissen außerdem, dass zwei kommutierende Observable ein gemeinsames System von Eigenzustandenhaben, d.h.:

HΨi = EiΨi und AΨi = aiΨi falls[H, A

]= 0

66

Page 67: Skript Quantenmechanik

4.3 Die Dirac-Schreibweise

Dabei sind die ’i’ die relevanten Quantenzahlen. Diese Quantenzahlen andern sich also nicht im Laufeder Zeit und sind deshalb gut geeignet, die Zustande des betrachteten quantenmechanischen Systems zucharakterisieren.Man bezeichnet die Quantenzahlen einer Erhaltungsgroße als gute Quantenzahlen.

4.3 Die Dirac-Schreibweise

Die formale Quantenmechanik ist in einem abstrakten Funktionenraum, dem sogenannten Hilbertraumder quadratintegrablen Funktionen definiert. Ohne auf mathematische Details einzugehen, kann mandie Operatoren und Funktionen wie in der linearen Algebra betrachten, wobei man sich eine spezielleSchreibweise zunutze macht.Statt von Wellenfunktionen Ψ(q1, ..., qM ) spricht man im Kontext der Dirac-Schreibweise von ZustandenΨ. Man schreibt kurz:

Ψ = |Ψ〉; |Ψ〉 heißt Ket (4.31)

undΨ? = 〈Ψ|; 〈Ψ| heißt Bra (4.32)

Fur das Skalarprodukt schreibt man:∫dτΨ?Ψ = 〈Ψ‖Ψ〉 = 〈Ψ|Ψ〉 Braket

Bei dieser Schreibweise laßt man sich die Freiheit, lediglich diejenigen Abhangigkeiten aufzuschreiben,die in einem gegebenen Kontext interessieren.Will man eine Koordinatenabhangigkeit anzeigen, so druckt man Ψ(x) durch |Ψ(x)〉 aus. Will man expli-zit eine t-Abhangigkeit zeigen, schreibt man |Ψ(t)〉 und meint im Allgemeinen damit |Ψ(q1, ..., qM , t)〉und so weiter.Fur die Schrodingergleichung schreibt man

H|Ψ〉 = E|Ψ〉

und fur die t- abhangige Schrodingergleichung:

i~∂

∂t|Ψ〉 = H|Ψ〉 oder i~

∂t|Ψ(t)〉 = H|Ψ(t)〉

Eine haufig benutzte abkurzende Schreibweise ist folgende: man schreibt in das Ket (oder das Bra) nurdie relevanten Quantenzahlen. Fur eine Wellenfunktion Ψn schreibt man also |n〉 (statt |Ψn〉). So schreibtman beispielsweise in Kurzform fur die Kugelflachenfunktionen

Yl,m(θ, ϕ) , |l,m〉

oder fur die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators fur das H-Atom

Ψn,l,m(r, θ, ϕ) , |n, l,m〉

Ahnlich geht man bei der Anwendung eines Operators auf eine Eigenfunktion oder einen Eigenzustandvor:Fur AΨn = anΨn schreibt man:

A|n〉 = an|n〉

und insbesondereH|n〉 = En|n〉

67

Page 68: Skript Quantenmechanik

4 Axiomatische Quantenmechanik

das heißt: die Gesamtheit der {|n〉} sind die Eigenzustande von H .Analog schreibt man kurz fur die Wirkung der Drehimpulsoperatoren:

L2|l,m〉 = ~2l(l + 1)|l,m〉Lz|l,m〉 = ~m|l,m〉

Das Integral∫dτΨ?

mAΨn = 〈m|A|n〉 nennt man Matrixelement und schreibt dafur auch:

Am,n = 〈m|A|n〉

Beispielsweise ergibt sich mit dem Einsoperator:

A = 1〈m|1|n〉 = 〈m|n〉 = 〈n|m〉?

Besonders wichtig sind die hermiteschen Operatoren, fur die gilt:

A|n〉 = an|n〉 an ∈ R

Die Orthogonalitat der Eigenzustande schreibt man als:

〈n|m〉 = δn,m ={

1 fur n = m0 fur n 6= m

Fur das Matrixelement gilt: ∫dτΨ?

mAΨn =[∫

dτΨ?nAΨm

]?was man als

〈m|A|n〉 = 〈n|A|m〉?

schreibt.Die Vollstandigkeit der Eigenzustande schreibt man formal als∑

n

|n〉〈n| = 1 (4.33)

Das nennt man ’Zerlegung der Einheit’.Diese Schreibweise eignet sich gut um algebraische Ausdrucke zu manipulieren.

Als Beispiel soll die Entwicklung einer beliebigen Funktion Ψ in der Basis der Eigenfunktionen vonA, {Ψn}, betrachtet werden:

Ψ =∑i

ciΨi mit ci =∫dτΨ?

i ·Ψ

Das schreiben wir formal als:

|Ψ〉 = 1|Ψ〉 =

(∑n

|n〉〈n|

)|Ψ〉 =

∑n

|n〉〈n|Ψ〉 =∑n

〈n|Ψ〉|n〉 mit 〈n|Ψ〉 =∫dτΨ?

Ein weiteres Beispiel ist die Berechnung des Erwartungswertes:

〈A〉 =∫dτΨ?AΨ

= 〈Ψ|A|Ψ〉 = 〈Ψ|A∑n

|n〉〈n|Ψ〉 =∑n

〈Ψ|A|n〉〈n|Ψ〉 =∑n

an〈Ψ|n〉〈n|Ψ〉

〈A〉 =∑n

an|〈n|Ψ〉|2 =∑n

an|cn|2 =∑n

anW (an)

Es gibt viele weitere Beispiele fur diese Schreibweise. Aufgrund ihrer formalen ’Einfachheit’ hat sichdie Diracschreibweise weitgehend in den formalen Darstellungen durchgesetzt.

68

Page 69: Skript Quantenmechanik

5 Drehimpulse und Spin

Der Drehimpuls ist klassisch definiert als~L = ~r × ~p (5.1)

Die quantenmechanische Definition des Drehimpulsoperators lautet:

~L = ~r × ~p (5.2)

mit ~p = −i~~∇ = −i~(∂x, ∂y, ∂z)T

Es handelt sich bei ~L um einen Vektoroperator mit den Komponenten ~Lx, ~Ly, ~Lz . Die Eigenwertglei-chungen fur das Quadrat und die z-Komponente des Drehimpulsoperators lauten (vgl. Gleichungen(3.57) und (3.60)):

L2Yl,m(θ, ϕ) = ~2l(l + 1)Yl,mLzYl,m = ~mYl,m

Die Kugelflachenfunktionen sind also gemeinsame Eigenfunktionen von L2 und Lz . Nach dem im Zu-sammenhang mit dem 3.Postulat formulierten Satz (s.S.: 64) heißt das: L2 und Lz kommutieren, es giltalso:

[L2, Lz] = 0

Diese Uberlegungen gelten fur einen Bahndrehimpuls. Wir werden diese Aussagen jetzt verallgemeinern.

5.1 Definition von Drehimpulsoperatoren

Die sich aus Gleichung (5.2) gemaß den im Zusammenhang mit dem 2.Postulat formulierten Uberset-zungsregeln (s.S. 62) ergebenden Operatoren heißen Drehimpulsoperatoren. Fur deren Einzelkomponen-ten gilt, wie wir bereits in Kapitel 3.4 (s.S. 40) festgestellt haben:

Lx = ypz − zpy Ly = zpx − xpz Lz = xpy − ypx

Mit Hilfe der Kommutatoren:

[x, px] = [y, py] = [z, pz] = i~, [x, y] = ... = 0, [px, py] = ... = 0

lassen sich die Kommutatoren der Komponenten von ~L berechnen.Es ergibt sich: [

Lx, Ly

]= i~Lz ;

[Lz, Lx

]= i~Ly ;

[Ly, Lz

]= i~Lx

Außerdem wissen wir, dass gilt: [Lz, L

2]

=[Lx, L

2]

=[Ly, L

2]

= 0

Es ist also moglich, L2 und eine Komponente gleichzeitig scharf zu bestimmen (hierbei wird konventio-nell die z-Komponente gewahlt; s. Kapitel 3).

69

Page 70: Skript Quantenmechanik

5 Drehimpulse und Spin

Fur Bahndrehimpulse gilt: die Quantenzahlen l undm sind ganzzahlig, Quantenzahlen eines nichtklassi-schen Drehimpulses, beispielsweise die des Spins, konnen aber auch halbzahlig sein. Aus diesem Grunddefinieren wir:

Definition: Ein Vektoroperator ~J ist ein Drehimpulsoperator, wenn fur seine Komponenten gilt:[Jx, Jy

]= i~Jz

[Jz, Jx

]= i~Jy

[Jy, Jz

]= i~Jx (5.3)

Als Konsequenzen ergeben sich hieraus:

• J2 und die Einzelkomponenten kommutieren:

[J2, Jx] = [J2, Jy] = [J2, Jz] = 0 (5.4)

• J2 und Jz haben gemeinsame Eigenzustande

J2|j,m〉 = ~2j(j + 1)|j,m〉Jz|j,m〉 = ~m|j,m〉

m = −j, ..., j

hierbei ist j nicht festgelegt (es kann also auch halbzahlig sein).

Fur Bahndrehimpulse gilt l = 0, 1, 2, ....

5.2 Der Spin

Um uns nun dem schon erwahnten Spin zuzuwenden (wichtig fur uns ist hierbei vor allem der Elektro-nenspin), betrachten wir zunachst den in Abb. 5.1 skizzierten Versuch, der als Stern-Gerlach-Experiment(1922) bekannt ist. Hierbei tritt ein Atomstrahl durch ein inhomogenes Magnetfeld, wird abgelenkt undtrifft auf einen Detektorschirm.

S

NAtomstrahl

Detektorschirm

Abbildung 5.1: Der Stern-Gerlach-Versuch

Was passiert hier (qualitativ)?Ein Elektron in einem Atom ist eine bewegte Ladung, die klassisch betrachtet ein magnetisches Momentbesitzt, das durch

~µ = γ~L (5.5)

70

Page 71: Skript Quantenmechanik

5.2 Der Spin

mit dem gyromagnetisches Verhaltnis

γ = − e

2me(Bohrsches Magneton) (5.6)

gegeben ist. In der klassischen Physik ist die Energie eines magnetischen Moments in einem außerenMagnetfeld ~B gegeben durch:

H = −~µ ~B = −γ~L · ~B (5.7)

Nun wahlen wir das außere Feld parallel zur z- Achse: ~B = Bz~ez .Dann folgt aus (5.7)

Hz = −γBzLz

Der Ubergang zur Quantenmechanik erfolgt, indem wir Lz durch Lz (z-Komponente des Drehimpuls-operators) ersetzen. (Wir behandeln elektromagnetische Felder klassisch. Das ist fur unsere Betrachtun-gen vollig ausreichend und Bz ist fur uns eine skalare Große.) Wir haben also den Hamiltonoperator:

Hz = −γBzLz (5.8)

Um das Prinzip des Stern-Gerlach Experiments zu verstehen, betrachten wir der Einfachheit halber einWasserstoffatom, fur das wir die Zustande kennen:

Ψn,l,m = Rn,l(r)Yl,m(θ, ϕ) = |n, l,m〉LzYl,m = ~mYl,m ; Lz|l,m〉 = ~m|l,m〉

Fur diese Zustande gilt also:

Hz|n, l,m〉 = −γBzLz|n, l,m〉 = −γBz~m|n, l,m〉

Jetzt ist es moglich die Energie auszurechnen:∫dτΨ∗n,l,mHzΨn,l,m = 〈n, l,m|Hz|n, l,m〉

Em = −γBz~m

Die Energie ist also von m abhangig. Die (2l+ 1)-fache Entartung der Zustande wird durch das Anlegeneines Magnetfeldes aufgehoben (Zeemann-Effekt), vgl. Abb. 5.2.In der Realitat legt man ein inhomogenes Magnetfeld an. Das bewirkt, dass auf die Zustande |n, l,m〉

E Emm

m = 0

m = 1

m = − 1

Bz

l = 1 l = 2

m = − 2

m = − 1

m = 0

m = 1

m = 2

Bz

Abbildung 5.2: Atomzustande im Magnetfeld fur l = 1, 2

71

Page 72: Skript Quantenmechanik

5 Drehimpulse und Spin

eine Kraft wirkt, die proportional zu (~γm) ist (F = −dEm/dz = ~γmdBz/dz, wobei dBz/dz derMagnetfeldgradient ist). Atome in Zustanden mit verschiedener Magnetquantenzahlmwerden somit un-terschiedlich abgelenkt.

Als Ergebnis des Stern-Gerlach-Versuches wurden wir also fur ein H-Atom im Grundzustand (n =1, l = 0,m = 0 y 1s) keine Aufspaltung, fur ein Atom im 2p-Zustand (l = 1,m = ±1, 0) dagegen3 Signalpunkte auf dem Detektorschirm erwarten. Tatsachlich ergeben sich bei der Verwendung von Agals ’Pseudo’-H-Atom 2 Signalpunkte, statt dem zu erwartenden einen Signalpunkt.Was ist also ’faul’ an der bisherigen Betrachtung?Wir hatten herausgefunden, dass Bz die (2l + 1)-fache Entartung aufhebt. Es sollten sich dabei 2l + 1Signalpunkte auf dem Detektorschirm ergeben. Es musste in unserem Fall also gelten:

2l + 1 = 2

Damit ware ’l = 12 ’, was aber fur einen Bahndrehimpuls nicht moglich ist. Das bedeutet, dass die

Aufspaltung nicht durch den Bahndrehimpuls des Elektrons bewirkt werden kann.Andererseits andert sich an den gerade aufgestellten Uberlegungen nichts, wenn man statt Gl. (5.5) fur

das magnetische Moment des Elektrons nicht den Bahndrehimpuls ~L verwendet, sondern allgemeiner

~µ = γ ~J (5.9)

schreibt.Dann hat man 2j + 1 = 2, d.h. j = 1

2 .Man ordnet also einem Elektron einen ’Eigendrehimpuls’, den sogenannten Spin ~s zu. Damit ist ein

magnetisches Moment ~µ = γs~s verknupft. Die Spinquantenzahl wird mit s bezeichnet (statt l oder j)und als Resultat des Stern-Gerlach-Versuchs folgt s = 1

2 . Fur das gyromagnetische Verhaltnis γs gilt

γs = g · γ

mit g = 2 nach der Dirac-Theorie und g = 2, 00231... nach der Quantenelektrodynamik.Der Elektronenspin selbst wurde 1925 von Goudsmit und Uhlenbeck zur Erklarung von Atomspektrenpostuliert. Eine naturliche Erklarung fur die Existenz des Elektronenspins erfolgte 1928 im Rahmen derrelativistischen Quantenmechanik (Dirac).

Als Fazit halten wir fest:

Jedes Elektron hat einen Spin s = 12 , der kein klassisches Analogon besitzt (s = 1

2 ist wie Masse undLadung eine Eigenschaft des Elektrons)

Allgemein gilt: ~s ist ein Drehimpulsoperator, d.h. [sx, sy] = i~sz , etc. Außerdem gilt fur die sogenanntenSpinzustande |s,ms〉:

s2|s,ms〉 = ~2s(s+ 1)|s,ms〉 sz|s,ms〉 = ~ms|s,ms〉 (5.10)

s kann hierbei die Werte:s = 0,

12, 1,

32, 2,

52, ...

annehmen. Fur ms gilt (wie immer):

ms = −s,−s+ 1, ..., s− 1, s

Die Spinzustande |s,ms〉 lassen sich nicht durch ’gewohnliche’ Funktionen darstellen.

72

Page 73: Skript Quantenmechanik

5.3 Kopplung von Drehimpulsen

Teilchen mit halbzahligem Spin heißen Fermionen (s = 12 ,

32 , ...), z.B. Elektronen, Protonen,

Neutronen (alle s = 12 ).

Teilchen mit ganzzahligem Spin heißen Bosonen, z.B. Deuteronen (s = 1).

Wir beschaftigen uns in erster Linie mit Elektronen. Da fur Elektronen s = 12 gilt, schreibt man abkurzend

fur die Zustande:|s,ms〉 = |s =

12,ms〉 = |ms〉

wobei ms die Werte −12 und +1

2 annehmen kann. Man gibt also s nicht explizit an.Weitere ubliche Schreibweisen sind:

|ms =12〉 = | ↑〉 = |α〉

|ms = −12〉 = | ↓〉 = |β〉

Oft verwendet man auch nicht die Dirac-Schreibweise, sondern schreibt einfach α statt |α〉 und β statt|β〉.In dieser Schreibweise hat man dann:

s2α =34

~2α ; s2β =34

~2β

undszα =

12

~α ; szβ = −12

Die Wellenfunktionen fur Elektronen, die sogenannten Einelektronenwellenfunktionen, schreibt man als:

Ψ(~r, σ) = Ψ(~r)χ(σ) (5.11)

Dabei ist ~r die Orts- und σ die Spinvariable. Man bezeichnet Ψ(~r, σ) auch als Spinorbital, um dieseFunktionen von den Ortsorbitalen Ψ(~r) zu unterscheiden.Die ’Spinfunktionen’ χ(σ) sind symbolisch gegeben durch:

χ

(ms =

12

)= α und χ

(ms = −1

2

)= β

Fur das Elektron eines H-Atoms hat man also fur jeden Satz der Quantenzahlen n, l,m die Spinorbitale

Ψn,l,m(~r) · α und Ψn,l,m(~r) · β

Wir hatten gesehen, dass die Energie nur von n abhangt und jeder Energiewert n2-fach entartet ist.Berucksichtigt man den Elektronenspin, so verdoppelt sich (im feldfreien Fall) die Zahl der Zustande zugegebener Energie, das heißt man hat eine 2n2-fache Entartung.

5.3 Kopplung von Drehimpulsen

In Atomen und Molekulen hat man es normalerweise mit mehreren Elektronen zu tun. In solchen Falleninteressiert der Gesamtbahndrehimpuls ~L =

∑Nk~Lk und der Gesamtspin ~S =

∑Nk~Sk, aber auch der

Gesamtdrehimpuls ~J = ~L + ~S. Auch im Wasserstoffatom haben wir es mit verschiedenen Drehim-pulsen zu tun, dem Bahndrehimpuls und dem Spin des Elektrons. Wir interessieren uns fur die Frage,welcher Gesamtdrehimpuls resultiert aus der ’Addition’ zweier Drehimpulse. Klassisch laßt sich dieseFrage naturlich leicht beantworten: Man bildet die Vektorsumme. Wir werden sehen, dass sich die Sache

73

Page 74: Skript Quantenmechanik

5 Drehimpulse und Spin

in einer quantenmechanischen Beschreibung etwas komplexer darstellt.Fur die Diskussion in diesem Kapitel genugt es, zwei Drehimpulse zu betrachten.

Wir gehen also von zwei (allgemeinen) Drehimpulsoperatoren ~J1, ~J2 nach der Definition (5.3) aus. Wirbezeichnen die Zustande mit |j1,m1〉 und |j2,m2〉, wobei gilt:

J21 |j1,m1〉 = ~2j1(j1 + 1)|j1,m1〉

Jz1 |j1,m1〉 = ~m1|j1,m1〉

und analog fur |j2,m2〉.Zunachst stellt sich die Frage, ob J = J1 + J2 auch ein Drehimpuls ist.Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir die Kommutatoren:[

Jx, Jy

]=

[Jx1 + Jx2 , Jy1 + Jy2

]=

[Jx1 , Jy1 ]︸ ︷︷ ︸ + [Jx1 , Jy2 ]︸ ︷︷ ︸ + [Jx2 , Jy1 ]︸ ︷︷ ︸ + [Jx2 , Jy2 ]︸ ︷︷ ︸i~Jz1 0 0 i~Jz2

= i~(Jz1 + Jz2) = i~Jz

Analog findet man: [Jz, Jx

]= i~Jy und

[Jy, Jz

]= i~Jx

Das bedeutet: J = J1 + J2 ist (nach Definition) ein Drehimpulsoperator; deshalb gibt es auch gemein-same Eigenfunktionen:

J2|J,M〉 = ~2J(J + 1)|J,M〉Jz|J,M〉 = ~M |J,M〉

Fur M gilt:M = −J,−J + 1, ..., J − 1, J

und fur J :J = 0,

12, 1, ...

Diese Beziehungen legen allerdings noch nicht fest, wie die Gesamtdrehimpulsquantenzahl J mit denQuantenzahlen j1 und j2 zusammenhangt.

Bevor wir uns der Bestimmung der moglichen Werte von J als Funktion von j1 und j2 zuwenden, be-trachten wir erst noch die Kommutatoren von J2 und Jz = Jz1 + Jz2 mit den entsprechenden OperatorenJ2

1 , Jz1 und J22 , Jz2 . Man findet:[

J2, J21

]=[J2, J2

2

]=[Jz, J

21

]=[Jz, J

22

]= 0

aber [J2, Jz1

]6= 0[

J2, Jz2

]6= 0

Das heißt: J2, Jz, J21 , J

22 kommutieren paarweise, aber nicht mit individuellen z- Komponenten Jz1 und

Jz2 .Die Großen J,M, j1 und j2 konnen also gleichzeitig scharf bestimmt werden.

74

Page 75: Skript Quantenmechanik

5.3 Kopplung von Drehimpulsen

Die Tatsache, dass J2, Jz, J21 , J

22 alle kommutieren, bedeutet weiter, dass diese vier Operatoren gemein-

same Eigenzustande haben, die wir mit|j1, j2; J,M〉

bezeichnen. (Zur Erinnerung: [J2, Jz1 ] 6= 0 bedeutet, dass diese Operatoren keine gemeinsamen Eigen-zustande haben, die Magnetquantenzahlenm1,m2 der Einzelkomponenten konnen also nicht zusammenmit J,M, j1, j2 scharf bestimmt werden.)

Fazit Wir erhalten zwei Satze kommutierender Observablen:

1. die ungekoppelte Darstellung:

J21 , Jz1 , J

22 , Jz2 ; ( Zustande: |j1,m1, j2,m2〉) (5.12)

2. die gekoppelte Darstellung:

J2, Jz, J21 , J

22 ; ( Zustande: |j1, j2, J,M〉) (5.13)

Die gekoppelte Darstellung ist wichtig fur die Bestimmung der Zustande (sog. Terme) von Atomen undMolekulen.Da beide Darstellungen dasselbe physikalische System beschreiben, kann man die moglichen Werte vonJ fur gegebenes j1 und j2 bestimmen. In der ungekoppelten Darstellung gibt es fur gegebene j1, j2

(2j1 + 1)(2j2 + 1) = 2j1 + 2j2 + 1 + 4j1j2

Zustande. Genauso viele Zustande mussen wir also in der gekoppelten Darstellung finden. Nimmt mannaiv an, dass gilt:

J = j1 + j2

so erhalt man:2J + 1 = 2j1 + 2j2 + 1

Zustande. Hier ’fehlen’ also 4j1j2 Zustande. So einfach ist die Bestimmung von J also nicht.

Betrachten wir zunachst ein Beispiel: Wir untersuchen den aus Bahndrehimpuls und Spin resultierendenGesamtdrehimpuls eines p-Elektrons. In diesem Fall ist also:

j1 = l = 1 ; j2 = s =12

Die vier miteinander kommutierenden Operatoren sind L2, Lz, s2, sz . Die Zustande werden beschrieben

durch Yl,m · χ(ms) = |l,m; s,ms〉 in der ungekoppelten Darstellung.Man erhalt also (2j1 + 1) · (2j2 + 1) = 6 Zustande. Mit J = l + s = 3

2 erhalt man 4 Zustande, da2J + 1 = 4 ist. Es fehlen also, vgl. oben, 4j1j2 = 4 · l · s = 4 · 1 · 1

2 = 2 Zustande. Diese beidenfehlenden Zustande mussen naturlich auch Eigenzustande zu J2 und Jz sein. Das bedeutet, es muss eineQuantenzahl J ′ geben mit 2J ′ + 1 = 2. Das ist fur J ′ = 1

2 erfullt. Das bedeutet zusammengefasst: sindzwei Drehimpulse mit j1 = 1 und j2 = 1

2 gegeben, so gilt:

J =32,12

An diesem Beispiel sieht man, dass die moglichen Werte fur J nicht ganz einfach zu bestimmen sind.Eine systematische Methode geht folgendermaßen vor:Zunachst stellt man fest, dass J > j1 + j2 nicht moglich ist, weil:

Mmax = m1,max +m2,max = j1 + j2

75

Page 76: Skript Quantenmechanik

5 Drehimpulse und Spin

Der maximale Wert fur J ist also:J = j1 + j2

mit M = −J,−J + 1, ..., J − 1, J und dem maximalen M : Mmax = j1 + j2 (m1 = j1;m2 = j2).(Fur ein p-Elektron ware z.B. Mmax = 3

2 und m = 1;ms = 12 .)

Zum M -Wert M = j1 + j2 − 1 gibt es allerdings zwei mogliche Zustande, namlich (M = m1 +m2!):

m1 = j1,m2 = j2 − 1

undm1 = j1 − 1;m2 = j2

(Fur unser p-Elektron sind das die Zustande mit m = 1,ms = −12 und m = 0,ms = 1

2 , die beideM = 1

2 liefern.)Einer dieser Zustande gehort zu den 2J + 1 Zustanden mit J = j1 + j2, die wir schon betrachtet haben.Der andere gehort notwendig zu J = j1 + j2 − 1 und ist fur dieses J derjenige mit dem großtmoglichenWert fur M . Allerdings konnen wir nicht angeben, welcher Zustand zu J = j1 + j2 und welcher zuJ = j1 + j2 − 1 gehort. Das liegt daran, dass man in der gekoppelten Darstellung die Werte fur m1 undm2 nicht bestimmen kann.(Fur unser p- Elektron gehort also ein Zustand mit M = 1

2 zu J = 32(= j1 + j2) und einer zu J = 1

2(=j1 + j2 − 1)).Genauso geht unser ’Abzahlreim’ weiter:Zu M = j1 + j2 − 2 gibt es drei Moglichkeiten:

m1 = j1 , m2 = j2 − 2m2 = j1 − 2 , m2 = j2

m1 = j1 − 1 , m2 = j2 − 1

Davon gehort ein Zustand zu J = j1 + j2 und einer zu J = j1 + j2− 1. Also gibt es notwendig auch dieQuantenzahl J = j1 + j2 − 2 und der dritte Zustand mit M = j1 + j2 − 2 ist derjenige mit dem großtenWert fur M zu diesem J .Diese Vorgehensweise kann man weiter durchfuhren. Als nachstes kame dann M = j1 + j2 − 3, etc.Man stellt fest, dass das Verfahren bei

J = |j1 − j2|abbricht.

Das Resultat dieser Uberlegung ist die sogenannte Clebsch-Gordan-Reihe

J = j1 + j2, j1 + j2 − 1, ..., |j1 − j2| (5.14)

Es gilt außerdem die sogenannte Dreiecksregel: fur j1, j2 = 0, 12 , ... ist J derart gestaltet, dass j1, j2 und

J ein Dreieck bilden (siehe Abb. 5.3).

jj

J

1 2

j j21

J

Abbildung 5.3: Skizze zur Dreiecksregel

Als Beispiel zur Vorgehensweise unter Zuhilfenahme der Clebsch-Gordan-Reihe sei ein Fall fur j1 =2, j2 = 3

2 betrachtet, hier gilt:

j1 = 2 , j2 =32→ J =

72,52,32,12

(5.15)

76

Page 77: Skript Quantenmechanik

5.3 Kopplung von Drehimpulsen

Man kann sich die Vorgehensweise gut anhand der folgenden Tabelle veranschaulichen:

m1 m2 M Moglichkeiten J = 72 Rest J = 5

2 Rest J = 32 Rest J = 1

2

2 32

72 1 1 − − − − − −

1; 2 32 ; 1

252 2 1 1 1 − − − −

0; 1; 2 32 ; 1

2 ;−12

32 3 1 2 1 1 1 − −

−1; 0; 1; 2 32 ; 1

2 ;−12 ;−3

212 4 1 3 1 2 1 1 1

Man schreibt sich m1 und m2 auf, bestimmt daraus M und die Zahl der Moglichkeiten, diesen M -Wertzu erhalten. Fur jedes M kann man fur J = j1 + j2 eine Moglichkeit streichen, so dass der hochste M -Wert entfallt. Dann streicht man eine Moglichkeit fur J = j1 + j2− 1, bis man die letzten verbleibendenMoglichkeiten dem Wert J = |j1 − j2| zuordnet.

Diese Art der Drehimpulskopplung kann leicht auf mehrere Drehimpulse ausgedehnt werden.

Will man beispielsweise drei Drehimpulse ~J1, ~J2 und ~J3 koppeln, so koppelt man zunachst zwei da-

von, beispielsweise ~J1 und ~J2, und dann das Resultat mit dem dritten Drehimpuls ( ~J3). Die Reihenfolgeder Kopplung ist dabei beliebig.

77

Page 78: Skript Quantenmechanik

5 Drehimpulse und Spin

78

Page 79: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

Im weiteren Verlauf seien nun Systeme mit mehreren Elektronen betrachtet. Fur ein He-Atom (skizziertin Abb. 6.1) hat man fur den Hamiltonoperator :

H =p2

1

2m− 2e2

4πε0r1︸ ︷︷ ︸H1

+p2

2

2m− 2e2

4πε0r2︸ ︷︷ ︸H2

+e2

4πε0r12︸ ︷︷ ︸Vee

(6.1)

Dieser entspricht also der Summe der Hamiltonoperatoren der Elektronen sowie einem zusatzlichen

r

r

r

m m

2 +

1

1

12 2

2

Abbildung 6.1: Skizze eines He- Atom

Term, der aus der Elektron-Elektron-Abstoßung resultiert.Die entsprechende Schrodinger-Gleichung laßt sich nicht mehr analytisch losen.Vernachlassigt man die Elektron-Elektron-Wechselwirkung Vee, so bleibt nur noch die Summe der beidenEinteilchenoperatoren:

H = H1 + H2

Beide Terme haben die Form des Hamiltonoperators fur das H-Atom, mit Z = 2. Daher ist die Losungder entsprechenden Schrodinger-Gleichung einfach das Produkt aus wasserstoffartigen Funktionen:

Ψn1,l1,m1;n2,l2,m2(1, 2) = Ψn1,l1,m1(1)Ψn2,l2,m2(2)

Wenn man Vee nicht vernachlassigt, ist die Losung naturlich nicht mehr ein einfaches Produkt. Die fol-genden Uberlegungen sind aber alle unabhangig von irgendwelchen Naherungen.

Betrachtet man ein System aus zwei (oder mehreren) Elektronen, so muss man die Tatsache beruck-sichtigen, dass es sich dabei um Teilchen handelt, die man nicht voneinander unterscheiden kann. Manbezeichnet solche Teilchen als identische Teilchen. Mit deren Eigenschaften werden wir uns zunachstbeschaftigen.

6.1 Identische Teilchen-Pauli-Prinzip

Wir hatten fur die Losung der Schrodinger-Gleichung fur das Heliumatom fur Vee = 0 das Produkt ausden Gleichungen der beiden Elektronen angesetzt:

Ψn1,n2,l1,l2,m1,m2(1, 2) = Ψn1,l1,m1(1)Ψn2,l2,m2(2) (6.2)

79

Page 80: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

wobei n1, l1,m1 die vom H-Atom her bekannten Quantenzahlen sind, also z.B. Ψ100 = Ψ1s. Wie vorneschon angedeutet, handelt es sich bei Elektronen um identische Teilchen (gleiche Masse, gleiche Ladung,gleicher Spin,...). Deshalb durfen physikalische Großen nicht davon abhangen, welches Elektron man mit’1’, welches mit ’2’ etc. bezeichnet, da diese Bezeichnung reine Willkur ist.Entsprechend muss fur den Hamiltonoperator gelten:

H(1, 2) = H(2, 1) (6.3)

Dies gilt fur alle Observablen, z.B. ~s = ~s1 + ~s2 = ~s2 + ~s1. Wir konnen also festhalten:

• Alle Observablen sind symmetrisch bzgl. der Teilchen.

• Solche Teilchen sind ununterscheidbar.

• Die Vertauschung von Teilchen darf also an der Physik nichts andern.

Schreiben wir fur die Quantenzahlen der Zustande (6.2) kurz a = (n1, l1,m1), b = (n2, l2,m2), also

Ψab(1, 2) = Ψa(1)Ψb(2)

so erhalten wir beispielsweise mit Ψa(1) = Ψ1s(1) und Ψb(2) = Ψ2p(2): Ψa,b(1, 2) = Ψa(1)Ψb(2) =Ψ1s(1)Ψ2p(2) und Ψb,a(1, 2) = Ψa(2)Ψb(1) = Ψ2p(1)Ψ1s(2), d.h. also in diesem Beispiels: Ψa,b(1, 2) 6=Ψa,b(2, 1).

Das bedeutet lediglich, dass ein einfaches Produkt der Einteilchenzustande die Bedingung Ψab(1, 2) =Ψab(2, 1) verletzt. Nach dem Superpositionsprinzip konnen wir aber auch Linearkominationen der Form:

Ψ±a,b(1, 2) =1√2

(Ψa(1)Ψb(2)±Ψa(2)Ψb(1)) (6.4)

betrachten. Dabei ist der Normierungsfaktor so gewahlt, dass 〈Ψ±ab(1, 2)|Ψ±ab(1, 2)〉 = 1 gilt. Vertau-schung von ’Elektron 1’ und ’Elektron 2’ ergibt fur Ψ+

a,b(1, 2):

Ψ+a,b(2, 1) =

1√2

(Ψa(2)Ψb(1) + Ψa(1)Ψb(2)) = Ψ+a,b(1, 2)

Ψ+a,b(1, 2) ist also akzeptabel, da die Vertauschung die Wellenfunktion nicht andert. Fur Ψ−ab(1, 2) findet

man:Ψ−a,b(2, 1) =

1√2

(Ψa(2)Ψb(1)−Ψa(1)Ψb(2)) = −Ψ−a,b(1, 2)

Ψ−a,b(1, 2) ist akzeptabel, weil es nur einen Vorzeichenwechsel gibt. Dies fuhrt namlich nicht zu einerAnderung der physikalischen Eigenschaften, denn:

• die Wahrscheinlichkeit |Ψ−a,b(1, 2)|2dτ1dτ2 andert sich nicht

• Erwartungswerte 〈A〉 =∫dτ1

∫dτ2Ψ−a,b(1, 2)?AΨ−a,b(1, 2) andern sich nicht.

Fazit: Ψ±a,b(1, 2) sind beides physikalisch sinnvolle Losungen.Verallgemeinert man diese Ergebnisse auf die Wellenfunktion furN Teilchen, so gilt dasselbe fur jede

beliebige der N ! Paarvertauschungen.

Symmetrisierungspostulat Besteht ein System aus N identischen Teilchen, so sind die Zustandeim Bezug auf die N Teilchen notwendig symmetrisch oder antisymmetrisch.

80

Page 81: Skript Quantenmechanik

6.1 Identische Teilchen-Pauli-Prinzip

Sind die Zustande symmetrisch, heißen die Teilchen Bosonen, sind die Zustande antisymmetrisch, hei-ßen sie Fermionen.

Wir halten außerdem fest, dass das Symmetrieverhalten der Wellenfunktion als ’Teilcheneigenschaft’angesehen werden kann. Es gibt namlich keinen Operator, der eine antisymmetrische Wellenfunktion ineine symmetrische uberfuhrt oder umgekehrt.

Die Tatsache, dass Bosonen ganzzahligen Spin und symmetrische Zustande haben und Fermionenhalbzahligen Spin und antisymmetrische Zustande, ist im Rahmen unserer Uberlegungen als Erfahrungs-tatsache aufzufassen.

Fur uns ist es noch wichtig zu untersuchen, was geschieht, wenn wir zwei Teilchen in denselbenZustanden betrachten, d.h. wenn in Ψ±a,b(1, 2) die Quantenzahlen a und b ubereinstimmen, a = b.Fur Bosonen findet man:

Ψ+a,a(1, 2) =

1√2

2Ψa(1)Ψa(2) =√

2Ψa(1)Ψa(2)

d.h.: die Wahrscheinlichkeit, dass Bosonen den gleichen Zustand haben, wachst, wenn zu N Bosonenein weiteres hinzugefugt wird.Fur Fermionen gilt:

Ψ−a,a(1, 2) = 0

d.h.: die Wahrscheinlichkeit, zwei Fermionen im selben Zustand zu finden, ist gleich Null.

Pauli-Prinzip 2 Fermionen konnen nicht in Zustanden angetroffen werden, die in allen Quantenzah-len ubereinstimmen.oder:2 Fermionen konnen nicht denselben Einteilchenzustand besetzen.

Beispiele:

1. Ψa(1) = Ψ1s(1)α1 und Ψb(2) = Ψ1s(2)α2 ⇒ Ψ−a,b(1, 2) = 0

2. Ψa(1) = Ψ1s(1)α1 und Ψb(2) = Ψ1s(2)β2

⇒ Ψ−a,b(1, 2) =1√2

(Ψ1s(1)α1Ψ1s(2)β2 −Ψ1s(2)α2Ψ1s(1)β1)

= Ψ1s(1)Ψ1s(2)1√2

(α1β2 − α2β1) 6= 0

Dabei entspricht 1√2(α1β1 − α2β2) dem Singulettzustand |S = 0,M = 0〉. Das bedeutet, dass 2

Elektronen mit verschiedener Quantenzahl ms dieselben Ortsorbitale besetzen konnen.

Bei der Vertauschung von zwei Elektronen ’i’ und ’k’ muss fur die Wellenfunktion Ψ gelten:

Ψ(1, ..., i, k, ..., N) = −Ψ(1, ..., k, i, ..., N)

Wir betrachten nochmals den Fall zweier Elektronen:

Ψ−a,b(1, 2) =1√2

(Ψa(1)Ψb(2)−Ψa(2)Ψb(1))

was man als Determinante schreiben kann:

Ψ−a,b(1, 2) =1√2

∣∣∣∣ Ψa(1) Ψb(1)Ψa(2) Ψb(2)

∣∣∣∣81

Page 82: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

Hierbei gilt: Vertauschen von Zeilen oder Spalten fuhrt zu einem Vorzeichenwechsel der Determinante.Wir verallgemeinern jetzt diese Schreibweise.Wir betrachtenN Fermionen (beispielsweise Elektronen) und nehmenN Einteilchenfunktionen Ψα, Ψβ ,..., Ψν als gegeben an. Diese Funktionen sollen normiert und orthogonal sein:

〈Ψα|Ψν〉 = δα,ν

Man kann dann aus diesen Funktionen eine antisymmetrische Wellenfunktion bilden:

Ψas(1, 2, ..., N) =1√N !

∣∣∣∣∣∣∣∣∣Ψα(1) Ψβ(1) · · · Ψν(1)Ψα(2) Ψβ(2) · · · Ψν(2)

...Ψα(N) Ψβ(N) · · · Ψν(N)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣ (6.5)

die als Slaterdeterminante bezeichnet wird. Der Normierungsfaktor 1√N !

sorgt dafur, dass die Slaterde-terminante normiert ist: ∫

dτΨ?as(1, ..., N)Ψas(1, ..., N) = 1 (6.6)

Ein Vertauschen der Teilchen fuhrt zum Vorzeichenwechsel der Slaterdeterminante:

Ψ(1, ..., i, k, ..., N) = −Ψas(1, ..., k, i, ..., N)

denn: ∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

...Ψα(i) Ψβ(i) · · · Ψν(i)Ψα(k) Ψβ(k) · · · Ψν(k)

...

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣= −

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

...Ψα(k) Ψβ(k) · · · Ψν(k)Ψα(i) Ψβ(i) · · · Ψν(i)

...

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣Befinden sich zwei Teilchen im selben Einteilchenzustand ist Ψas = 0 (Pauli-Prinzip), da die Determi-nante dann identisch verschwindet:

0 =

∣∣∣∣∣∣∣∣∣Ψα(1) Ψα(1) · · · Ψν(1)Ψα(2) Ψα(2) · · · Ψν(2)

...Ψα(N) Ψα(N) · · · Ψν(N)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣Schreibweise

Statt der gesamten Determinante gibt man auch oft nur die ’Diagonale’ an. Fur

Ψas(1, 2, ..., N) =1√N !

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

Ψα(1) Ψβ(1) Ψγ(1) · · · Ψν(1)Ψα(2) Ψβ(2) Ψγ(2) · · · Ψν(2)Ψα(3) Ψβ(3) Ψγ(3) · · · Ψν(3)

...Ψα(N) Ψβ(N) Ψγ(N) · · · Ψν(N)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣findet man folgende Schreibweisen:

Ψas(1, 2, ..., N) =1√N !

det (Ψα(1)Ψβ(2)Ψγ(3)...Ψν(N))

=1√N !|Ψα(1)Ψβ(2)Ψγ(3)...Ψν(N)|

= ||Ψα(1)Ψβ(2)Ψγ(3)...Ψν(N)||

82

Page 83: Skript Quantenmechanik

6.2 Komplexe Atome

Die Beschreibung eines N -Elektronensystems mit einer einzigen Slater-Determinante ist nur korrekt,wenn der Hamiltonoperator die Form H =

∑Nk=1 Hk mit unabhangigen Hk hat. Wenn man aller-

dings die Coulombabstoßung der Elektronen berucksichtigt, gilt das nicht. In diesem Fall laßt sichdie Losung als Linearkombination von Slater-Determinanten schreiben. Wenn die Einteilchenfunktio-nen einen vollstandigen Satz bilden, gilt das auch fur jede daraus gebildete Slaterdeterminante. Daherkann jede Wellenfunktion eines Mehrelektronensystems in Slater-Determinanten entwickelt werden.

6.2 Komplexe Atome

Der Hamiltonoperator fur das He- Atom lautet nach Gleichung (6.1)

H = H1 + H2 + Vee

Die Schrodinger-Gleichung:H|Ψ〉 = E|Ψ〉

ist nicht analytisch losbar, sondern nur mit Hilfe von Naherungen. Es handelt sich hierbei um ein soge-nanntes 3 Korperproblem, das auch klassisch nicht analytisch gelost werden kann.

Im folgenden werden wir einige Naherungen, die in der Beschreibung von Mehrelektronenatomenverwendet werden, diskutieren.

6.2.1 Zentralfeldnaherung

Wir betrachten nun ein neutrales Atom mit Z Elektronen, wobei Z auch der Kernladung entspricht.Die beschriebene Situation ist in Abbildung 6.2 skizziert.

r

r

r

l k

Z +

l

kl

k

Abbildung 6.2: Veranschaulichung der Zentralfeldnaherung

Der Hamiltonoperator H ist:

H =Z∑k=1

Hk +∑k,l>k

e2

4πε0rk,lmit Hk =

p2k

2m− Ze2

4πε0rk(6.7)

Die Zentralfeldnaherung geht jetzt von folgender Uberlegung aus:Anstatt alle Elektron-Elektron-Wechselwirkungen explizit zu berucksichtigen, betrachtet man die effek-tive Wechselwirkung eines herausgegriffenen Elektrons mit dem aus den restlichen Elektronen und demKern gebildeten ’Ion’. Auf das betrachtete Elektron wirkt dann ein effektives mittleres Feld. Je nach demAbstand des betrachteten Elektrons vom Kern ergeben sich zwei Grenzfalle:

83

Page 84: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

1. Das Elektron befindet sich ’weit vom Kern’ entfernt.

In diesem Fall ’sieht’ das Elektron ein Feld, das demjenigen eines einfach ionisierten Atoms ent-spricht. Das bedeutet, das Elektron erfahrt eine Coulombwechselwirkung mit einem einfach positivgeladenen ’Ion’ und man hat:

Veff(rk) ≈ −e2

4πε0rk(6.8)

2. Das Elektron befindet sich ’nah am Kern’.

In diesem Fall vernachlassigt man die Wechselwirkung mit den anderen (Z − 1) Elektronenvollstandig und der Hauptbeitrag zum Potential ist:

Veff(rk) ≈ −Ze2

4πε0rk(6.9)

Diese beiden Grenzfalle stellen naturlich starke Vereinfachungen der tatsachlichen Situation dar. Im All-gemeinen wird das effektive Feld, das ein Elektron erfahrt, immer vom Zustand aller anderen (Z − 1)Elektronen abhangen. Wenn man diese Abhangigkeit vollstandig vernachlassigt, kann man eine effektiveKernladungszahl Zeff einfuhren und die effektiven Einteilchen-Hamiltonoperatoren

H(eff)k =

p2k

2m− Zeffe

2

4πε0rk(6.10)

definieren. Dabei wird die Elektron - Elektron - Wechselwirkung Vee vernachlassigt und man hat

H ≈Z∑k=1

H(eff)k (6.11)

Da H eine Summe unabhangiger Einteilchenoperatoren H(eff)k ist, ist die Wellenfunktion das Produkt

der Einteilchenfunktionen Ψ(k), k = 1, ..., Z:

Ψ(1, .., Z) = Ψ(1)Ψ(2)...Ψ(Z)

Die Ψ(k) sind wasserstoffahnliche Funktionen Ψ(k) = Ψnk,lk,mk(~rk,msk

). In einer (naiven) Vorge-hensweise bildet man nun die Slater-Determinante:

Ψas(1, ..., Z) =‖ Ψn1,l1,m1(1)...ΨnZ ,lZ ,mZ(Z) ‖

Fur die Energien ergibt sich:

E =Z∑k=1

Ek

Ek = −Z2eff · EH ·

1n2k

; EH =me4

32π2ε20~2

Dieses Ergebnis ist allerdings falsch und widerspricht auch der Erfahrung (die beimH-Atom vorliegendeEntartung der ns- und np-Niveaus ist bei allen anderen Atomen aufgehoben). Die effektive Kernladungs-zahl kann nicht als unabhangig vom Zustand eines betrachteten Elektrons angenommen werden. Deshalbhangt die Energie nicht nur von der entsprechenden Hauptquantenzahl nk, sondern auch von der Dre-himpulsquantenzahl lk.Dieser Sachverhalt soll qualitativ an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:Lithium hat 3 Elektronen, von denen sich zwei im 1s-Zustand befinden. Besetzt das Eletron ’3’ einen

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Page 85: Skript Quantenmechanik

6.2 Komplexe Atome

2s-Zustand (l = 0), so gibt es eine endliche Wahrscheinlichkeit, das Elektron nahe am Kern zu finden, da|Ψ2s(r3 = 0)|2 6= 0 ist. Das bedeutet aber, dass ein s-Elektron einen großen Teil der Kernladung sieht.Besetzt Elektron ’3’ hingegen einen 2p-Zustand (l = 1), so ist |Ψ2p(r3 = 0)|2 = 0 und das Elektron’sieht’ nur eine reduzierte Kernladung, d.h. Zeff(2p) < Zeff(2s).Diese Uberlegungen erlauben es auch, qualitativ zu verstehen, warum E2s < E2p gelten sollte. Nimmtman namlich wie oben an, dass Ek ' −Z2

eff(lk)EH/n2k gilt, so ergibt sich E2s < E2p unmittelbar aus

Zeff(2s) > Zeff(2p).Um die Energien fur ein gegebenes Atom zu berechnen, muss man naturlich die Schrodinger-Gleichung

losen. Man findet fur die Orbitalenergien dann folgende Reihenfolge, wobei stattEnl nur (nl) angegebenist:

1s < 2s < 2p < 3s < 3p < (4s < 3d) < 4p < (5s < 4d)< 5p < (6s < 4f < 5d) < 6p < (7s < 5f < 6d) · · ·

Die Werte in Klammern liegen normalerweise sehr nahe beieinander und konnen von Atom zu Atom (al-so verschiedene Z und unterschiedliche Elektronenzahl) eine unterschiedliche energetische Reihenfolgehaben. In Abbildung 6.3 ist dieser Zusammenhang noch einmal skizziert.

1s

2s

3s

E

2p

3p

3p

2p

3d 3s

2s

1s

4s

3d

"X" − AtomH − Atom

usw.usw.

Abbildung 6.3: Zentralfeldnaherung: Skizze zur Aufhebung der n2- fachen Entartung

Man sieht aber auch, dass die (2l + 1)-fache Entartung der Niveaus zu gegebenen l nicht aufgehobenwird.Zur ’Besetzung’ der Orbitale bestimmen wir nun die Konfigurationen.

6.2.2 Konfigurationen

Bei der Bestimmung der Konfigurationen geht man von dem Hamiltonoperator in Zentralfeldnaherung

H =∑k

H(eff)k mit H

(eff)k =

p2k

2m+ Veff(~rk)

aus, wobei H(eff)k der effektive Einteilchenoperator fur Elektron ’k’ ist.

Da die OperatorenL2k, Lzk

, S2k , Szk

85

Page 86: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

alle untereinander und mit Hk kommutieren, sind die zugehorigen Quantenzahlen lk,mk und mskgute

Quantenzahlen und somit zur Charakterisierung der Orbitale (der Einteilchenzustande), geeignet. (Mangibt sk = 1/2 hier normalerweise nicht an, da die Spinquantenzahl eine Teilcheneigenschaft ist.)

Die Eigenzustande von Hk sind also die Orbitale Ψnk,lk,mk(~rk,msk

). Aus diesen Orbitalen erhaltman dann die korrekten antisymmetrischen Eigenzustande von H , indem man aus Ψn1,l1,m1(~r1,ms1),...,ΨnZ ,lZ ,mZ

(~rZ ,msZ ) Slaterdeterminanten bildet.Die zugehorigen Energien sind einfach die SummenEn1l1 +En2l2 + ...+EnZ lZ , wobei jetzt die explizitelk−Abhangigkeit der Enl berucksichtigt ist.

Unter einer Konfiguration versteht man die Besetzungszahl der Einteilchen-Niveaus.Man schreibt dafur symbolisch 1sa2sb2pc3sd..., wobei a, b, c, d, ... die Besetzungszahlen sind.

Allgemein bestimmt man die Konfiguration durch ’Auffullen’ der Niveaus unter Berucksichtigung desPauli-Prinzips.

Auf diese Art findet man:

H 1sHe 1s2

Li 1s2, 2sBe 1s22s2 = [He]2s2 = K2s2

B [He]2s22pC [He]2s22p2

N,O, F,Ne→ [He]2s22p6

Na [Ne]3sMg [Ne]3s2

Al [Ne]3s23p...Ar [Ne]3s2p6

K [Ar]4sCa [Ar]4s2

Sc [Ar]3d4s2

Ti [Ar]3d24s2

V [Ar]3d34s2

Cr [Ar]3d54s !Mn [Ar]3d54s2 !Fe [Ar]3d64s2

Co [Ar]3d74s2

Ni [Ar]3d84s2

Cu [Ar]3d104s...

Bei den mit ’!’ gekennzeichneten Elementen gibt es offensichtlich Unterschiede zur naiv erwarteten ener-getischen Reihenfolge.

Auf diese Art erhalt man den Aufbau des Periodensystems.Wichtig ist hierbei wieder, dass es sich nur um ein qualitatives Bild handelt, das sich im Rahmen derZentralfeldnaherung ergibt. Um wirklich die Energie eines Atoms in einem bestimmten Zustand zu be-stimmen, muss man die Schrodinger-Gleichung losen. Dass man mit ’einfachem Auffullen’ nicht alle Ef-fekte verstehen kann, sieht man schon am Beispiel der Konfiguration von V , fur die man naiv naturlich[Ar]3d5 erwarten wurde. Ahnliches gilt fur Sc und Fe. Um diese Effekte, die offensichtlich mit derElektron-Elektron-Wechselwirkung zusammenhangen, zu verstehen, muss man uber die einfache Zen-tralfeldnaherung hinausgehen.

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Page 87: Skript Quantenmechanik

6.2 Komplexe Atome

Ein einfaches Beispiel, an dem die Schwierigkeit der eindeutigen Bestimmung der Zustande verdeutlichtwerden kann, ist Kohlenstoff mit der Konfiguration 2s22p2. Das bedeutet, man hat 2 Elektronen in dreip-Orbitalen. Es ist aber nichts daruber ausgesagt, ob diese beiden Elektronen ein einziges Orbital mitentgegengesetztem ms besetzen, oder jedes ein anderes p-Orbital besetzt. Im letzten Fall ist wiederumnichts daruber bekannt, ob sie gleiche oder verschiedene ms-Werte haben.

Uber die energetische Reihenfolge der verschiedenen Moglichkeiten lassen sich anhand der Konfigu-rationen keine Aussagen machen.

6.2.3 Atomzustande -Termsymbole

Wenn wir nochmal das Kohlenstoffbeispiel betrachten, so sieht man, dass es drei verschiedene Moglich-keiten gibt, zwei Elektronen auf drei p-Orbitale unter Berucksichtigung des Pauli-Prinzips zu ’verteilen’.Insbesondere konnen wir nicht angeben, welche der drei Moglichkeiten in der Realitat vorliegt. Offen-sichtlich reicht also die Angabe der Konfiguration nicht aus, um die Zustande eines Atoms eindeutigzu charakterisieren. Deshalb werden wir als erstes untersuchen, wie man diese Zustande vernunftigerals durch die Angabe der Quantenzahlen (nk, lk,mk), k = 1, .., Z, charakterisieren kann. Anschließendwerden wir Regeln angeben, die es erlauben, qualitativ die energetische Reihenfolge der Zustande zubestimmen, ohne in jedem Fall die Schrodinger-Gleichung losen zu mussen.

Bisher hatten wir in der Zentralfeldnaherung die Elektron-Elektron-Wechselwirkung Vee vernachlassigtund festgestellt, dass die nk, lk,mk, k = 1, ..., Z in diesem Fall gute Quantenzahlen sind.Nun betrachten wir, welche Operatoren gute Quantenzahlen liefern, wenn wir Vee in die Uberlegun-gen einbeziehen. Wir haben oben schon gesehen, dass Vee einen wichtigen Einfluß auf die energetischeReihenfolge der Energieniveaus hat.

Wir betrachten also jetzt den Hamiltonoperator

H =∑k

Hk +∑k;l>k

e2

4πε0rkl=∑k

Hk + Vee

In diesem Fall gilt aber: [Hk, L

2k

]6= 0 und

[H, Lzk

]6= 0

weil in Vee die inversen Abstande 1rkl

= 1|~rk−~rl | auftreten.

Das bedeutet, dass lk und mk keine guten Quantenzahlen sind, wenn man Vee im Hamiltonoperatorberucksichtigt.Wenn wir die Zustande eines Atoms also vernunftig charakterisieren wollen, mussen wir Operatoren fin-den, die mit H kommutieren, um gute Quantenzahlen zu haben, die zur Charakterisierung geeignet sind.

Das ist eine in der Quantenmechanik allgemeine Vorgehensweise:Suche alle Observablen (also Operatoren, die zu Observablen korrespondieren), die untereinander undmit dem Hamiltonoperator kommutieren. Das liefert den großtmoglichen Satz an guten Quantenzah-len, die zur Charakterisierung der Zustande geeignet sind. Man hat dann alle Informationen uber dasbetrachtete Quantensystem, die man ohne explizite Losung der Schrodinger-Gleichung erlangen kann.

Betrachtet man fur unser Problem die Operatoren des Gesamtdrehimpulses und des Gesamtspins,

~L =Z∑k=1

~Lk und ~S =Z∑k=1

~Sk

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Page 88: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

statt der individuellen Bahndrehimpulse ~Lk und Spins ~Sk, so stellt man fest, dass gilt:[H, L2

]=[H, Lz

]= 0

und [H, S2

]=[H, SZ

]= 0

Folglich kommutieren die OperatorenL2, Lz, S

2, Sz

alle mit H . Außerdem kommutieren sie auch paarweise untereinander, z.B.[Lz, S

2]

= 0 etc.

Daher sindL,ML, S,MS gute Quantenzahlen und die Eigenzustande von H konnen geschrieben werdenals

|L,ML, S,MS〉

Um die zulassigen Werte fur L und S zu ermitteln, benotigt man die Resultate der Drehimpulskopplung.Das Prinzip soll am Beispiel desC−Atoms verdeutlicht werden. Hier genugt es, die beiden p-Elektronenzu betrachten, da abgeschlossene Schalen immer L = S = 0 liefern. Fur die p-Elektronen, die wir mit’1’ und ’2’ bezeichnen, haben wir also s1 = s2 = 1

2 und l1 = l2 = 1.Daraus ergibt sich nach der Clebsch-Gordan-Reihe:

S = s1 + s2, s1 + s2 − 1, ..., |s1 − s2|↪→ S = 1, 0

und L = l1 + l2, l1 + l2 − 1, ..., |l1 − l2|↪→ L = 2, 1, 0

Zur Charakterisierung der Atomzustande wird das sogenannte Termsymbol eingefuhrt:

2S+1L (6.12)

wobei 2S + 1 die Multiplizitat bezeichnet, da es 2S + 1 Spinzustande gibt, die alle energetisch entartetsind.Hierbei gelten folgende Bezeichnungen:

2S + 11 Singulett2 Dublett3 Triplett...

...

Fur die Gesamtdrehimpulse L wahlt man dieselben Bezeichnungen wie fur den Elektronendrehimpulsdes H-Atoms, allerdings werden Großbuchstaben verwendet:

L0 S1 P2 D3 F4 G...

...

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Page 89: Skript Quantenmechanik

6.2 Komplexe Atome

Fur Kohlenstoff erhalten wir hiermit:

S = 1, 0 also 2S + 1 = 3, 1und L = 2, 1, 0 das bedeutet: D,P, S

Daraus resultieren also die Terme:

1D , 3D , 1P , 3P , 1S , 3S (6.13)

Allerdings haben wir bei der Bestimmung der Terme das Pauli-Prinzip nicht berucksichtigt. Daher tretennicht alle moglichen Kombinationen von L und S auf. Als Beispiel betrachten wir den 3D−Zustand:Hier ist S = 1, d.h. es gibt einen Zustand mit ms1 = ms2 = 1

2 . Außerdem ist L = 2, was bedeutet, dasses einen Zustand mit m1 = m2 = 1 gibt. Es gibt also wenigstens einen Zustand, fur den alle Quanten-zahlen der beiden Elektronen gleiche Werte haben und der daher das Pauli-Prinzip verletzt.

Um die erlaubten Terme zu bestimmen, geht man systematisch vor.Man definiert sogenannte Mikrozustande folgendermaßen: Man gibt die Quantenzahl zu mk und msk

fur alle Elektronen ’k’ an.Fur 2 Elektronen schreibt man: (

m±1 ,m±2

)und analog geht man im allgemeinen Fall vor (Beispiel: 3 Elektronen (m±1 ,m

±2 ,m

±3 ), wobei das hoch-

gestellte ’±’ fur ms = +12 bzw. ms = −1

2 steht.Man bestimmt dann fur gegebenes ML und MS alle moglichen nach dem Pauli-Prinzip erlaubten Mi-krozustande und geht vollig analog wie bei der Drehimpulskopplung vor, um L und S zu bestimmen.

Das Verfahren soll hier am Beispiel des C−Atoms erlautert werden:Fur 2p-Elektronen sind alle Mikrozustande der Art (m+,m+) und (m−,m−) mit m = 0,±1 nach demPauli-Prinzip verboten. Alle ubrigen schreiben wir in eine Tabelle, die ML = m1 + m2 und MS =ms1 +ms2 angibt:

ML/MS 1 0 −12 (1+, 1−)1 (1+, 0+) (1+, 0−), (1−, 0+) (0−, 1−)0 (1+,−1+) (1+,−1−), (0+, 0−), (1−,−1+) (1−,−1−)−1 (−1+, 0+) (−1−, 0+), (−1+, 0−) (0−,−1−)−2 (−1+,−1−)

Hierbei ist es naturlich egal, ob man beispielsweise (1+, 0+) oder (0+, 1+) schreibt, da die Elektronenununterscheidbar sind. Zu jedem Mikrozustand korrespondiert also eine Slaterdeterminante.Wir gehen nun wie bei der Drehimpulskopplung vor (s. Clebsch-Gordan-Reihe) und untersuchen, wieviele Zustande es fur ein gegebenes ML/MS- Paar gibt. Das sind in unserem Fall:

ML/MS 1 0 −12 11 1 2 10 1 3 1−1 1 2 1−2 1

Wir untersuchen zunachst den maximalen ML−Wert. Es gilt:

ML = 2 und MS = 0

89

Page 90: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

Da das der großtmogliche ML-Wert ist, folgt:

L = 2 und S = 0

Fur die Multiplizitat folgt aus S = 0 also 2S + 1 = 1. Fur L = 2 ist D das Termsymbol. Es folgt also:

1D

Zu L = 2 gehort außer dem Zustand mit ML = 2 noch jeweils ein Zustand mit ML = 1, 0,−1,−2.Diese Werte streichen wir nun aus unserer Tabelle und untersuchen den Rest:

ML/MS 1 0 −121 1 1 10 1 2 1−1 1 1 1−2

Der maximale ML-Wert ist ML = 1. Außerdem ist hierbei MS = 1. Das bedeutet, es gibt einen Zustandmit L = 1 und S = 1 mit der Multiplizitat 2S + 1 = 3. Das resultierende Termsymbol ist

3P

Wir streichen wieder alle zugehorigen Zustande aus der Tabelle.In diesem Fall sind das also fur ML = 1, 0,−1 jeweils ein Zustand mit MS = 1, 0,−1. Es bleibt alsouberhaupt nur noch ein Zustand ubrig:

ML/MS 00 1

Hier folgt ML = 0 und MS = 0, also L = 0 und S = 0. Die Multiplizitat ist 2S + 1 = 1. Aus diesenUberlegungen folgen fur die p2- Konfiguration die Zustande:

1D,3 P,1 S

Auf diese Art lassen sich die Terme, also die Zustande, fur jedes Atom angeben. Diese Charakterisierungsagt aber nichts uber die energetische Reihenfolge der Zustande aus. Um die Energien zu berechnen,muss man die Schrodinger-Gleichung losen.Auch ohne eine explizite Losung kann man aber oftmals die energetische Reihenfolge der Zustandeanhand der folgenden Regeln bestimmen.

Hund’sche Regeln

Regel 1 Der Term mit der großten Multiplizitat (d.h. mit dem großten Wert fur den Gesamtspin) hatdie niedrigste Energie(fur unser Beispiel folgt: 3P <1 D,1 S)

Regel 2 Fur gegebene Multiplizitat hat der Term mit dem großten L die niedrigste Energie.(hier: 1D <1 S)Fur mehr als halbvolle Schalen gilt dasselbe fur ’fehlende Elektronen’, d.h.p2=p4, d2=d8, p1=p5, d3=d7, d1=d9, d4=d6.

Fur das C-Atom folgt die in Abbildung 6.4 dargestellte Aufspaltung. Hierbei gilt: ohne Berucksichti-gung der Elektron-Elektron-Wechselwirkungen haben alle Zustande die gleiche Energie (linker Teil der

90

Page 91: Skript Quantenmechanik

6.2 Komplexe Atome

1s 2 s 2 p

P

D

S

3

2 2 2

1

1

122 kJ / mol

260 kJ / mol

Abbildung 6.4: Aufspaltung der Zustande fur das C-Atom unter Berucksichtigung der e−-e−-Wechselwirkungen

Abbildung), mit Berucksichtigung dieser Wechselwirkungen gibt es eine Aufspaltung (wie rechts abge-bildet).

Fassen wir die Vorgehensweise noch einmal zusammen:Wir haben zunachst gefragt, welche Operatoren mit H (unter Einbeziehung der Elektron-Elektron-Wechselwirkung) kommutieren und gefunden, dass

H, L2, Lz, S2, Sz

gemeinsame Eigenfunktionen haben. Daher sind L, S,ML,MS gute Quantenzahlen (Zur Erinnerung:die Konfigurationen werden durch die Quantenzahlen lk,mk,msk

, k = 1, ..., Z bestimmt!).Wir mussen also die Einzeldrehimpulse zum Gesamtdrehimpuls und die Spins zum Gesamtspin koppeln.Diese Art der Drehimpulskopplung bezeichnet man als LS-Kopplung oder Russell-Saunders-Kopplung.

6.2.4 Spin-Bahn-Kopplung

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass es neben der Elektron-Elektron-Wechselwirkung noch eineweitere Wechselwirkung gibt, die fur eine genaue Bestimmung der Energien der Atomzustande beruck-sichtigt werden muss. Diese sogenannte Spin-Bahn-Kopplung laßt sich allerdings streng genommen nurim Rahmen der relativistischen Quantenmechanik verstehen. Man kann sich aber das physikalische Prin-zip, das die Ursache fur diese Kopplung ist, qualitativ verdeutlichen.Wir wissen, dass sowohl mit dem Drehimpuls, als auch mit dem Spin eines Elektrons ein magnetischesMoment ~µl beziehungsweise ~µS verbunden ist. Aus der Elektrodynamik ist bekannt, dass das magneti-sche Moment einer bewegten Ladung ein magnetisches Feld erzeugt. Das bedeutet fur uns, dass ~µl einMagnetfeld ~Bl erzeugt, das proportional zu ~µl ist. An dieses Magnetfeld koppelt das magnetische Mo-ment ~µS . Das bedeutet, es gibt eine Wechselwirkung der Form ~µS · ~Bl ∼ ~µS · ~µl, oder wegen ~µl = γ~Lund ~µS = γS ~S auch proportional zu ~S · ~L.

Der entsprechende Hamiltonoperator lautet fur ein Elektron ’k’:

HSB,k = −g(r) ~Sk · ~Lk (6.14)

91

Page 92: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

mit

g(r) =(

e

2m2ec

2

)1r

dV (r)dr

(6.15)

Fur ein Atom mit Z Elektronen ist dann

HSB =Z∑k=1

HSB,k

Wenn man also die Spin-Bahnkopplung berucksichtigt, so hat man fur den Hamiltonoperator:

H =Z∑k=1

Hk + Vee + HSB (6.16)

Allerdings gilt fur diesen Hamiltonoperator:[HSB, L

2]6= 0 und

[HSB, S

2]6= 0

Das bedeutet also, dass L und S keine guten Quantenzahlen sind, wenn man die Spin-Bahnkopplungberucksichtigt.Der einzige Drehimpulsoperator, der in diesem Fall mit dem Gesamt-Hamiltonoperator H vertauscht, istder Gesamtdrehimpuls

~J = ~L+ ~S

Hierfur gilt: [H, J2

]=[H, Jz

]= 0

Streng genommen gibt es also nur noch zwei gute Quantenzahlen, namlich J und MJ .Die Quantenzahlen J undMJ werden wie in der Drehimpulskopplung ublich bestimmt. Am einfachs-

ten ist es, zunachst fur jedes Elektron ’k’ den Gesamtdrehimpuls einzufuhren:

~Jk = ~Lk + ~Sk

Die entsprechenden Quantenzahlen sind dann nach der Clebsch-Gordan-Reihe durch

jk = lk + sk, lk + sk − 1, ..., |lk − sk|

gegeben, was sich auf

jk = lk +12, lk −

12

reduziert, weil sk = 12 ist.

Man hat also beispielsweise jk = 32 ,

12 fur p−Elektronen und jk = 5

2 ,32 fur d−Elektronen.

Der Gesamtdrehimpuls des Atoms ergibt sich dann zu

~J =Z∑k=1

~Jk

(= ~L+ ~S

)weil auch der Gesamtdrehimpuls und der Gesamtspin durch die entsprechenden Summen definiert sind.

Man koppelt also zunachst die einzelnen ~Lk und ~Sk zu ~Jk. Das liefert die Quantenzahlen jk und mjk .

Anschließend werden die ~Jk zum Gesamtdrehimpuls ~J gekoppelt. Diese Art der Kopplung bezeichnetman als jj-Kopplung.Wie oben schon gesagt, sind L und S keine guten Quantenzahlen, wenn man die Spin-Bahn-Kopplung

92

Page 93: Skript Quantenmechanik

6.2 Komplexe Atome

berucksichtigt. Allerdings verhalt sich g(r) in Gleichung (6.15) wie g(r) ∼ Z. Das bedeutet, dieStarke der Spin-Bahnkopplung nimmt mit der Kernladungszahl zu (effektiv hat man eine Abhangigkeit∼ Z3···4). Fur leichte Atome ist der Einfluss von HSB klein und dieLS-Kopplung ist eine gute Naherung.

Wir halten also fest:Es gibt zwei Grenzfalle.

1. |Vee| >> |HSB|Hier gilt: der Einfluss der Elektron-Elektron-Wechselwirkungen ist sehr viel großer als der Spin-Bahn-Kopplungseffekt (gilt fur leichte Atome)→ LS-Kopplung

2. |HSB| >> |Vee|Fur schwere Atome (etwa ab Pb) hat die Spin-Bahn-Kopplung großeren Einfluss als die Elektron-Elektron-Wechselwirkungen.→ jj-Kopplung.

Es soll aber noch bemerkt werden, dass keiner der beiden Grenzfalle wirklich erfullt wird.Man kann allerdings die Quantenzahl J immer zur Charakterisierung der Zustande benutzen, da ~J2

und ~JZ naturlich auch fur HSB = 0 mit H kommutieren.In den oben eingefuhrten Termsymbolen gibt man J zusatzlich als Index an und schreibt:

2S+1LJ mit J = L+ S,L+ S − 1, ..., |L− S|

Fur das Beispiel des C-Atoms liefert das die Zustande

• 3P : S = 1 , L = 1→ J = 2, 1, 0→ 3P0 ,3P1 ,

3P2

• 1D: S = 0 , L = 2→ J = 2→ 1D2

• 1S: S = 0 , L = 0→ J = 0→ 1S0

Die 3P -Zustande haben unter Berucksichtigung der Spin-Bahnkopplung nicht mehr alle dieselbe Ener-gie, sondern man findet eine Aufspaltung, wie sie in Abbildung 6.5 dargestellt ist.

1s 2 s 2 p

P

D

S

3

2 2 2

1

1

122 kJ / mol

260 kJ / mol

P

P

P3

3

30

1

2

0,5 kJ / mol

0,2 kJ / mol

Abbildung 6.5: Atomzustande unter Berucksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim C-Atom

93

Page 94: Skript Quantenmechanik

6 Mehrelektronensysteme: Atome

In Abbildung 6.6 ist der Ubergang von der reinen LS-Kopplung (verschwindende Spin-Bahnkopplung)zur reinen jj-Kopplung (verschwindende Elektron-Elektron-Wechselwirkung) qualitativ dargestellt. Allgemeiner

LS

D

P

(3/2, 3/2) J = 0,2

(3/2, 1/2) J = 1,2

(1/2, 1/2) J = 0

C Si Ge Sn Pb

1

3

2

0,1,2

jj S01

H = 0SB eeV = 0

Abbildung 6.6: Korrelation zwischen LS- und jj-Kopplung fur die Elemente der IV. Hauptgruppe

als hier fur das Beispiel der 3P -Zustande laßt sich die energetische Reihenfolge der Zustande mit ver-schiedenen J anhand folgender Regel abschatzen:

3.Hund’sche Regel Fur weniger (mehr) als halbgefullte Schalen ist der Zustand mit dem kleinsten(großten) J energetisch am gunstigsten.

Nachtrag zum H-Atom

Auch beim H-Atom gibt es naturlich einen (kleinen) Beitrag der Spin-Bahnkopplung zur Energie. DerGrundzustand desH-Atoms ist der 1s-Zustand. Wegen l = 0 und s = 1/2 ist das also ein 2S1/2-Zustand.Die niedrigsten angeregten Zustande sind 2s und 2p, die im Falle des H-Atoms entartet sind.Die 2s-Konfiguration ist ein 2S1/2-Zustand und fur die 2p-Konfiguration erhalt man die Zustande 2P3/2

und 2P1/2.Berucksichtigt man die Spin-Bahnkopplung, so erhalt man eine Aufspaltung der p-Zustande. Allerdingswird hierbei die 2s, 2p-Entartung nicht aufgehoben. Dies ist in Abbildung 6.7 dargestellt.

S P

P2 p

2 p2 s

0,004 kJ/mol

2

2

21/2

3/2

1/2

Abbildung 6.7: Berucksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim H-Atom

Lamb-Shift Auf der Basis der Quantenelektrodynamik laßt sich ein Effekt untersuchen, der fur dieAufhebung der s, p-Entartung sorgt, der sogenannte Lamb-Shift. Die Aufspaltung zwischen 2S1/2

und 2P1/2 ist fur das H-Atom mit 0,0004 kJmol allerdings sehr gering (zum Vergleich: E2s−E2p =

984, 75 kJmol ).

94

Page 95: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

Nun wollen wir uns Molekulen zuwenden. Als Beispiel diene uns hierbei das in Abbildung 7.1 darge-stellte Molekul. Dieses besitze zwei Kerne (A,B) und zwei Elektronen (1, 2). Der Hamiltonoperator furdas Modell lautet:

H =p2

1

2me+

p22

2me︸ ︷︷ ︸Te

+p2A

2MA+

p2B

2MB︸ ︷︷ ︸Tk

− ZAe2

4πε0rA1− ZAe

2

4πε0rA2− ZBe

2

4πε0rB1− ZBe

2

4πε0rB2︸ ︷︷ ︸Vke

(7.1)

+e2

4πε0r12︸ ︷︷ ︸Vee

+ZAZBe

2

4πε0RAB︸ ︷︷ ︸Vkk

Dabei ist Te der Operator der kinetischen Energie der Elektronen, Tk derjenige der Kerne und die Cou-lombwechselwirkung zwischen den verschiedenen Teilchen sind mit Vke, Vee und Vkk abgekurzt. Die

rA1

r B2

R

r

A B

2

1

12

AB

r

rB1

M MBA

A2

Abbildung 7.1: Zweiatomiges Molekul; Kerne A,B mit Massen MA,MB und Kernladungszahlen ZA,ZB

entsprechende Schrodinger-Gleichung, HΨ = EΨ, kann ohne Naherungen nicht analytisch gelost wer-den. Im folgenden soll daher die ubliche Naherung, die (fast) allen Berechnungen der elektronischenStruktur von Molekulen (aber auch Festkorpern etc.) zugrunde liegt, diskutiert werden.

7.1 Born-Oppenheimer-Naherung

Aus der Tatsache, dass die Masse der Kerne sehr viel großer als die Elektronenmasse ist (mProton ∼2000 ·me), kann man folgern, dass sich Elektronen sehr viel schneller als die Kerne bewegen. Die Kernekonnen also als sehr langsam (im Vergleich zu den Elektronen) oder ruhend angenommen werden. Dasbedeutet, dass man den Kernen aus ’Sicht der Elektronen’ keinen Impuls oder eine verschwindendekinetische Energie zuordnet:

〈Tk〉 ' 0

95

Page 96: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

Ferner hangt Vkk nicht von den Elektronenkoordinaten ab, ist also bezuglich der Elektronen lediglicheine Konstante und tragt zur elektronischen Energie nur einen konstanten Beitrag bei. Deshalb brauchtman fur die Elektronenbewegung nur den folgenden Hamiltonoperator zu betrachten:

Hel = Te + Vke + Vee (7.2)

Die entsprechende Schrodinger-Gleichung

HelΨel = EelΨel (7.3)

wird als elektronische Schrodinger-Gleichung bezeichnet. Es besteht allerdings eine parametrische

A B

A B

H (R )

H (R )

el

el 2

1

Abbildung 7.2: unterschiedliche Kernabstande korrespondieren zu verschiedenen Hamiltonoperatoren

Abhangigkeit zwischen der Elektronenbewegung und den Kernpositionen. Fur verschiedenen Kernkon-figurationen, in diesem Fall verschiedenen Abstanden R1 und R2, resultieren verschiedene Schrodinger-Gleichungen (s. Abbildung 7.2).Allgemeiner schreibt man abkurzend {R} fur den Satz {~RA, ~RB, ~RC , ...} aller Kernkoordinaten einesMolekuls und genauso {r} fur den Satz {~r1, ~r2, ~r3, ...} aller Elektronenkoordinaten des Molekuls. Somithangt Hel parametrisch von {R} ab, in dem gerade angesprochenen Sinn, Hel = Hel({R}).Analog hangt die elektronische Wellenfunktion Ψel naturlich einerseits von den Elektronenkoordinatenab, aber andererseits auch parametrisch von {R} : Ψel = Ψel({r}; {R}). Ψel ist also eine Funktion von{r} und hangt parametrisch von {R} ab.Als Konsequenz ist naturlich auch Eel = Eel({R}).Fur jede Kernkonfiguration {R} hat man also einen anderen elektronischen Hamiltonoperator und somiteine andere Wellenfunktion Ψel({r}; {R}) und eine andere elektronische Energie Eel({R}). Das bedeu-tet auch, dass man fur jede Konfiguration {R} die jeweilige elektronische Schrodinger-Gleichung erneutlosen muss.

Betrachten wir nun die Kerne: Sie sind langsam im Vergleich zu den Elektronen. Daher ’sehen’ sie nurein uber die schnelle Elektronenbewegung gemitteltes Feld, das gerade durch die elektronische EnergieEel({R}) gegeben ist.Der Hamiltonoperator fur die Kernbewegung ergibt sich aus der kinetischen Energie der Kerne, und demeffektiven Potential Vk({R}). Letzteres besteht aus der Kern-Kern-Abstoßung Vkk und der elektroni-schen Energie Eel({R}) fur die jeweilige Kernkonfiguration {R}:

Hk = Tk + Vkk + Eel({R}) = Tk + Vk({R}) (7.4)

Die Schrodinger-Gleichung fur die Kernkoordinaten ist dann

HkΨk({R}) = EΨk({R}) (7.5)

wobei die Kernwellenfunktion Ψk eine Funktion der Kernkoordinaten {R} ist.Die Tatsache, dass Ψk({R}) unabhangig von {r} ist, ist anschaulich klar, weil ja uber die Elektronenbe-wegung schon gemittelt ist.

96

Page 97: Skript Quantenmechanik

7.1 Born-Oppenheimer-Naherung

Die Gesamtwellenfunktion ist durch das Produkt

Ψ({r}, {R}) = Ψel({r}; {R}) ·Ψk({R}) (7.6)

gegeben. Man hat es also hier mit einer Separation der Elektronen- und der Kernbewegung zu tun. DieseSeparation gilt nur naherungsweise und wird als Born-Oppenheimer-Naherung bezeichnet.Die elektronische Schrodinger-Gleichung gibt uns Auskunft uber:

• die elektrische Struktur bei vorgegebener Molekulgeometrie

• die chemische Bindung

Die Schrodinger-Gleichung fur die Kerne gibt uns Auskunft uber:

• die Gesamtenergie des Molekuls

• die Translation des Molekuls

• Molekulschwingungen

• die Rotation des Molekuls

• Molekulreaktionen

Fur ein zweiatomiges Molekul hangt das (effektive) Potential nur vom Kernabstand ab und ist explizitgegeben durch:

V (R) = Eel(R) +ZAZBe

2

4πε0R.

In Abbildung 7.3 ist eine Potentialkurve fur diesen Fall skizziert. Bei mehratomigen Molekulen ergebensich Potentialhyperflachen, die sich nicht so einfach darstellen lassen. Haufig betrachtet man dann Auf-tragungen des effektiven Potentials gegen die Reaktionskoordinate (s. Abb. 7.4), uber welche mit denskizzierten Uberlegungen chemische Reaktionen untersucht werden konnen.

Re

R

V

Abbildung 7.3: Potentialkurve fur ein zweiatomiges Molekul in Born-Oppenheimer-Naherung

97

Page 98: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

V

Reaktionskoordinate

Vmin, 1

min, 2V

ÜZ

Abbildung 7.4: Potentialkurve fur eine Reaktion

7.2 Das H+2 -Molekulion

Nun soll ein H+2 -Ion betrachtet werden, s. Abbildung 7.5. Der Hamiltonoperator ist in diesem Fall gege-

ben durch:H = Tk + Te + Vke + Vkk (7.7)

Die entsprechende Schrodinger-Gleichung ist nicht exakt losbar. Das H+2 -Molekulion ist das einfachste

A BR

r A rB

e

Abbildung 7.5: Skizze eines H+2 -Molekuls

Molekul, an dem die Natur der chemischen Bindung untersucht werden kann.

Fur den elektronischen Hamiltonoperator in Born-Oppenheimer-Naherung hat man

Hel =p2

2m− e2

4πε0rA− e2

4πε0rB(7.8)

und somit fur die elektronische Schrodinger-Gleichung:

HelΨel = EelΨel (7.9)

wobei Eel und Ψel parametrisch vom Kernabstand R abhangen. Außerdem ist Ψel eine Funktion derElektron-Kernabstande ~rA und ~rB , Ψel(~rA, ~rB;R).Die elektronische Schrodinger-Gleichung in Born-Oppenheimer-Naherung fur dasH+

2 -Molekulion kannexakt gelost werden. Daher hat dasH+

2 -Molekulion in der theoretischen Behandlung von Molekulen eineahnliche Bedeutung wie das H-Atom fur die Beschreibung komplexer Atome.Das Fazit hieraus musste lauten: Die exakte Losung fur das H+

2 -Molekulion hilft bei der Formulierungder Losung der elektronischen Schrodinger-Gleichung fur komplexe Molekule. Allerdings hat die exakteLosung der elektronischen Schrodinger-Gleichung einige Nachteile:

98

Page 99: Skript Quantenmechanik

7.2 Das H+2 -Molekulion

• sie wird in sogenannten elliptischen Koordinaten formuliert

• sie ist außerst unanschaulich

• sie ist nicht verallgemeinerbar (auf mehr als zweiatomige Molekule)

Diese Eigenschaften machen es uns unmoglich, wie beim H-Atom vorzugehen, d.h. die aus der exaktenLosung gewonnenen Erkenntnisse auf andere Molekule zu ubertragen. Wir werden daher nun Nahe-rungslosungen der elektronischen Schrodinger-Gleichung betrachten, obwohl die exakte Losung als Re-ferenz durchaus wichtig ist.Welche Eigenschaften sollte nun die Naherungslosung haben? Die Antwort ist einfach: Sie sollte zumeinen anschaulich, zum anderen verallgemeinerbar sein.Bevor wir uns eine konkrete Naherungslosung beschaffen, werden wir kurz auf die wichtigsten Nahe-rungsverfahren eingehen.

Naherungsverfahren in der Quantenmechanik

Die beiden wichtigsten Verfahren sind

• die Storungstheorie

• und das Variationsverfahren

Auf die Storungstheorie wird im nachsten Kapitel genauer eingegangen. Hier werden wir das Variations-verfahren benutzen, um die elektronische Schrodinger-Gleichung fur H+

2 naherungsweise zu losen. DasVerfahren beruht auf dem

Variationsprinzip Sei Ψ eine Naherungsfunktion, die alle Bedingungen an eine Wellenfunktionerfullt, dann ist:

E =〈Ψ|H|Ψ〉〈Ψ|Ψ〉

(7.10)

eine obere Grenze fur den exakten Energiewert des Grundzustandes E0, d.h. E0 ≤ E.

Der Beweis nutzt die Entwicklung von Ψ nach den Eigenfunktionen von H .In Gleichung (7.10) ist nicht notwendig, dass 〈Ψ|Ψ〉 = 1 gilt. Aber selbstverstandlich muss Ψ normier-bar sein, 〈Ψ|Ψ〉 <∞.

Wichtige Konsequenzen des Variationsprinzips sind:

• E ist ein Maß fur die Gute der gewahlten Ψ- Funktion

• Die beste Funktion Ψ liefert das niedrigste E

• Die exakte Wellenfunktion Ψ0 liefert die Grundzustandsenergie E0

Mit Hilfe dieses Prinzips laßt sich jetzt das Variationsverfahren entwickeln:

Variationsverfahren Die systematische Bestimmung von Naherungsfunktionen Ψ basierend auf demVariationsprinzip wird wie folgt durchgefuhrt:

1. Man gibt einen Satz von Naherungsfunktionen Ψ vor. Ublicherweise parametrisiert man die-se durch Parameter α, β, ...:

Ψ(α, β, ...)

Diese Parameter werden dann variiert.

99

Page 100: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

2. Man bestimmt die beste Naherungsfunktion durch Minimierung von E, d.h. man berechnet:

E(α, β, ...) =〈Ψ(α, β, ...)|H|Ψ(α, β, ...)〉〈Ψ(α, β, ...)|Ψ(α, β, ...)〉

und bestimmt das Minimum:

∂E(α, β, ...)∂α

= 0 ,∂E(α, β, ...)

∂β= 0 , ...

Das Verfahren soll am Modell des harmonischen Oszillators erlautert werden:Der Hamiltonoperator lautet

H = − ~2

2md2

dx2+mω2

2x2 mit ω =

√k

m

Als Naherungsfunktion wahlen wirΨ(α) = e−α

2x2

Diese Funktion ist noch nicht normiert, aber wegen

〈Ψ(α)|Ψ(α)〉 =∫ ∞−∞

dxe−2α2x2=√

2π2α

fur α 6= 0 normierbar. Fur die Berechnung des Erwartungswertes von H brauchen wir:

〈Ψ(α)|H|Ψ(α)〉 =∫ ∞−∞

dxe−α2x2

(− ~2

2md2

dx2+mω2

2x2

)e−α

2x2=√

2π16mα3

(4~2α4 +m2ω2)

Daraus folgt:

E(α) =4~2α4 +m2ω2

8mα2

Um das Minimum zu bestimmen, brauchen wir:

∂E

∂α=

4~2α4 −m2ω2

4mα3

Die Forderung ∂E∂α = 0 liefert 4~2α4 −m2ω2 = 0.

Also gilt:

4~2α4 = m2ω2 y α2 =12mω

~und damit

E(α) =12

~ω.

Das ist gerade die exakte Grundzustandsenergie. Fur die Naherungsfunktion findet man

Ψ = Ne−q2/2 mit q =

√mω

~x

Setzt man den Wert α2 = mω2~ in die Naherungsfunktion ein und nomiert sie, so findet man gerade Ψ0(x),

die exakte Wellenfunktion des Grundzustandes.

Bei der Bestimmung von Molekulorbitalen geht man allerdings normalerweise nicht vom allgemeinenVariationsverfahren aus, sondern man wahlt eine Linearkombination von Atomorbitalen und variiert dieKoeffizienten. Man bezeichnet diese Vorgehensweise als

100

Page 101: Skript Quantenmechanik

7.2 Das H+2 -Molekulion

Lineares Variationsverfahren (Rayleigh-Ritz-Verfahren) Das Lineare Variationsverfahren gehtvom Ansatz:

Ψ = c1Ψ1 + c2Ψ2 + ...+ cnΨn (7.11)

aus, wobeiΨ1,Ψ2, ...,Ψn

fest vorgegebene Funktionen und diec1, c2, ..., cn

lineare Variationsparameter sind. Optimale Werte fur die c1, ..., cn erhalt man durch Minimierung:

∂E

∂c1= 0 ,

∂E

∂c2= 0 , ...

Wir wenden das lineare Variationsverfahren nun auf das H+2 -Molekulion an.

Zunachst stellt sich die Frage, was fur Funktionen Ψ1,Ψ2, ... wir als Funktionen im Ansatz (7.11) be-nutzen. Um hierfur sinnvolle Funktionen zu wahlen, betrachtet man sinnvollerweise zunachst folgendeSituationen:

• Das Elektron befindet sich nahe am Kern A und damit weit von Kern B entfernt:∣∣∣ 1rA

∣∣∣ >> ∣∣∣ 1rB

∣∣∣Eine sinnvolle Funktion wird in dieser Situation folglich eine 1s-Funktion sein, die am Kern Azentriert ist:

Ψ1s,A = Ψ1s(rA)

• Das Elektron befindet sich nahe am Kern B und damit weit von Kern A entfernt:∣∣∣ 1rB

∣∣∣ >> ∣∣∣ 1rA

∣∣∣.In diesem Fall ist folglich Ψ1s,B = Ψ1s(rB) eine vernunftige Wahl.

Diese Uberlegungen erlauben uns, als einfachsten Ansatz fur die Naherungsfunktion Ψ in (7.11)

Ψ = cAΨA + cBΨB (7.12)

zu wahlen. Dabei istΨA = Ψ1s(A) und ΨB = Ψ1s(B)

(Naturlich verstehen wir unter Ψ1s(rA) die H-Wellenfunktion Ψ100(rA).)Die Koeffizienten cA und cB sind die linearen Variationsparameter, die wir bestimmen mussen.ΨA,ΨB werden als Atomorbitale (AO) bezeichnet. Da Ψ eine Einelektronwellenfunktion fur das be-trachtete Molekul darstellt, bezeichnet man diese Funktion als Molekulorbital (MO).

Dieser Ansatz wird als LCAO-Ansatz (linear combination of atomic orbitals) bezeichnet.

Man versteht hierunter allgemein die Darstellung der MO’s als Linearkombination von AO’s. Das be-deutet, dass die AO’s eine (unvollstandige) Basis zur Darstellung der MO’s bilden. Diese Basis ware nurvollstandig, wenn wir AO’s Ψn,l,m fur alle Werte von (n, l,m) berucksichtigen wurden, da die Ψn,l,m

als Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators eine vollstandige Basis bilden. Allerdings brauchtenwir dann unendlich viele Funktionen, was naturlich nicht moglich ist. In unserem Beispiel benutzen wirja sogar nur 2 Funktionen ΨA und ΨB . Man kann sich leicht vorstellen, dass man bessere Ergebnis-se bekommt, wenn man die AO-Basis vergroßert, also beispielsweise Ψ2s(rA),Ψ2s(rB) oder auch p-Funktionen berucksichtigt. Das erhoht aber naturlich auch die Zahl der Variationsparameter. Fur unsere

101

Page 102: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

Uberlegungen genugen zunachst einmal zwei Funktionen. Damit fuhren wir nun das lineare Variations-verfahren durch.Fur die Durchfuhrung des Verfahrens benotigen wir den Erwartungswert

E(cA, cB) =〈cAΨA + cBΨB|H|cAΨA + cBΨB〉〈cAΨA + cBΨB|cAΨA + cBΨB〉

(7.13)

mit cA, cB ∈ R.Wir beginnen mit der Berechnung von 〈Ψ|Ψ〉:

〈Ψ|Ψ〉 = 〈cAΨA + cBΨB|cAΨA + cBΨB〉= c2

A〈ΨA|ΨA〉+ c2B〈ΨB|ΨB〉+ cAcB (〈ΨA|ΨB〉+ 〈ΨB|ΨA〉)

= c2A · 1 + c2

B · 1 + cAcB · 2〈ΨA|ΨB〉

Also hat man:〈Ψ|Ψ〉 = c2

A + c2B + 2cAcBS

(hier wurde ausgenutzt, dass 〈ΨA|ΨB〉 = 〈ΨB|ΨA〉, weil ΨA, ΨB reelle Funktionen sind.)Dabei haben wir das sogenannte Uberlappungsintegral S eingefuhrt:

〈ΨA|ΨB〉 =∫d3rΨ?

1s(rA)Ψ1s(rB) = S (7.14)

Wie aus Abbildung 7.6 zu ersehen ist, geht dieses fur große Kernabstande gegen Null. Es gilt:

0 ≤ S ≤ 1 (7.15)

Überlappungsintegral geht gegen null

A B

ΨAΨB

Abbildung 7.6a: H+2 -Molekul: Skizze fur 〈ΨA|ΨB〉 bei großem Atomabstand

A B

nicht null

Ψ ΨBA

Abbildung 7.6b: H+2 -Molekul: Skizze fur 〈ΨA|ΨB〉 bei kleinem Atomabstand

Fur 〈Ψ|H|Ψ〉 erhalten wir nacheinander:

〈Ψ|H|Ψ〉 = 〈cAΨA + cBΨB|H|cAΨA + cBΨB〉

= c2A〈ΨA|H|ΨA〉+ c2

B〈ΨB|H|ΨB〉+ cAcB

(〈ΨA|H|ΨB〉+ 〈ΨB|H|ΨA〉

)

102

Page 103: Skript Quantenmechanik

7.2 Das H+2 -Molekulion

Hierbei bezeichnet man

HAA = 〈ΨA|H|ΨA〉 =∫dτΨ?

AHΨA (7.16)

als Coulombintegral. HAA gibt die Energie des Elektrons im 1s-Orbital am Kern A an und es giltHAA < 0. Das Coulombintegral ist also negativ und fur HBB = 〈ΨB|H|ΨB〉 ergibt sich dasselbe, dafur H+

2 aufgrund der Symmetrie von H gilt:

HAA = HBB

Die Wechselwirkungen zwischen den Atomorbitalen ΨA und ΨB werden durch

HAB = 〈ΨA|H|ΨB〉 (7.17)

beschrieben. Man bezeichnet HAB als Resonanzintegral. Resonanzintegrale sind gewohnlich negativ,HAB < 0, und außerdem klein im Vergleich mit den Coulombintegralen, |HAB| � |HAA|.Da der Hamiltonoperator hermitesch ist und ΨA und ΨB reelle Funktionen sind, gilt:

HAB = HBA

Wir erhalten somit fur den Erwartungswert (7.13)

E =

(c2A + c2

B

)HAA + 2cAcBHAB

c2A + c2

B + 2cAcBS

Nun bestimmen wir das Minimum durch partielles Differenzieren. Dazu schreibt man E = uv , wobei

u, v als Funktionen von cA aufgefasst werden. Das liefert die Ableitung:

∂E

∂cA=u′v − v′u

v2=u′

v− E v

vmit u′ = 2cAHAA + 2cBHAB und v′ = 2cA + 2cBS

Als Ergebnis findet man:

∂E

∂cA=

2cAHAA + 2cBHAB

c2A + c2

B + 2cAcBS− E 2cA + 2cBS

c2A + c2

B + 2cAcBS

Die Berechnung von ∂E∂cB

geht vollig analog. Allerdings muss man sie gar nicht durchfuhren, weil

E(cA, cB) = E(cB, cA). Also erhalt man ∂E∂cB

aus ∂E∂cA

, indem man im Ausdruck fur ∂E∂cA

uberall cAdurch cB ersetzt und umgekehrt.Die Forderungen ∂E

∂cA= 0 und ∂E

∂cB= 0 ergeben das folgende Gleichungssystem:

cA(HAA − E) + cB(HAB − SE) = 0cB(HAA − E) + cA(HAB − SE) = 0

(7.18)

Das sind also zwei Gleichungen fur die beiden Unbekannten cA und cB . Ein solches Gleichungssystemhat nichttriviale Losungen (d.h. cA, cB 6= 0), wenn dieSakulardeterminante ∣∣∣∣ HAA − E HAB − SE

HAB − SE HAA − E

∣∣∣∣ (7.19)

verschwindet, also gilt: (HAA − E

)2−(HAB − SE

)2= 0

103

Page 104: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

Das ist eine quadratische Gleichung fur E mit den beiden Losungen

E = E± mit E+ =HAA +HAB

1 + Sund E− =

HAA −HAB

1− S

Dabei gilt E+ < E−.Mit diesen E±-Werten berechnen wir cA und cB durch Einsetzen in das Gleichungssystem (7.18) underhalten fur E+:

cA = cB =1√

2 + 2S

und die zugehorige Wellenfunktion

Ψ+ =1√

2 + 2S(ΨA + ΨB) (7.20)

Fur E− sind die Koeffizienten:

cB = −cA =1√

2− 2S

undΨ− =

1√2− 2S

(ΨA −ΨB) (7.21)

Wir haben also zwei mogliche Wellenfunktionen Ψ+ und Ψ− fur die jeweilige Losung der quadratischenGleichung. Das ist nicht verwunderlich, da wir ja von zwei AO’s gestartet sind, also auch erwarten, dasswir zwei MO’s finden.Der Grundzustand ist E+ und Ψ+ wird als bindendes Orbital Ψb bezeichnet, Ψ− entsprechend alsantibindendes Orbital Ψ?.Die entsprechenden Orbitale sind in den Abbildungen 7.7 und 7.8 skizziert.

A B

E

R

Abbildung 7.7: H+2 -Molekul: bindendes Molekulorbital

A B R

E

Abbildung 7.8: H+2 -Molekul: antibindendes Molekulorbital

Die Wahrscheinlichkeitsdichten ergeben sich zu:

|Ψb|2 =1

2 + 2S(|ΨA|2 + |ΨB|2 + 2|ΨAΨB|

)(7.22)

104

Page 105: Skript Quantenmechanik

7.2 Das H+2 -Molekulion

mit dem Interferenzterm 2|ΨAΨB| bzw.

|Ψ?|2 =1

2− 2S(|ΨA|2 + |ΨB|2 − 2|ΨAΨB|

)(7.23)

Diese sind in den Abbildungen 7.9 und 7.10 skizziert.

A B

Ψ

2|Ψ Ψ |

ΨA B

A B

Abbildung 7.9: Interferenz beim H+2 -Molekul: Situation fur Ψb

A B

Ψ Ψ−2|Ψ Ψ |BAA B

Abbildung 7.10: Interferenz beim H+2 -Molekul: Situation fur Ψ?

Betrachten wir nun noch einmal die Situation fur das bindende (Ψb) bzw. antibindende (Ψ?) Orbital, sokonnen wir folgendes feststellen:Beim bindenden Orbital wird die Aufenthaltswahrscheinlichkeit fur das Elektron zwischen den Kernenerhoht (s. Abb.7.9), beim antibindenden erniedrigt (s. Abb. 7.10). Ersteres fuhrt zu einer Stabilierungeiner Bindung, letzteres zu einer Destabilisierung der Bindung.Mit den ermittelten Ergebnissen ist die Aufstellung eines MO-Schemas moglich, welches in Abbildung7.11 dargestellt ist.

*

1 s 1 s

E −

bE +

Abbildung 7.11: MO-Schema fur das H+2 -Molekulion

Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so erkennen wir, dass wir auf der Basis der Born-Oppenheimer-Naherung die EnergienE±(R) als Funktion vonHAA(R),HAB(R) und S(R) und die WellenfunktionenΨb und Ψ∗ bestimmen konnten.

105

Page 106: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

Beschaftigt hatten wir uns jedoch noch nicht mit dem effektiven Potential, welches auf die Kerne wirkt.Fur dieses gilt:

V±(R) = E±(R) +e2

4πε0R

Wir haben also fur den Grundzustand Ψb ein Potential V+(R) und fur den angeregten Zustand Ψ? dasPotential V−(R). Diese Potentialkurven sind in Abbildung 7.12 dargestellt. Uber den obigen Ansatz

0

VDe

R

Re

+

VV(R) − E1s

Abbildung 7.12: gebundener und ungebundener Zustand fur das betrachtete Problem, V− = ungebunde-ner Zustand, V+ = gebundener Zustand, Bindungsabstand = Re, Dissoziationsenergie =De

bekommen wir als Ergebnis des linearen Variationsverfahrens fur den Bindungsabstand:

Re = 1, 32A

und fur die Dissoziationsenergie

De = 170kJ

mol

Die exakten Werte sind Re = 1, 06A und De = 270 kJmol .

Quantitativ gibt es naturlich bessere Naherungen (was nicht verwunderlich ist, da wir uns die denkbareinfachste Naherung ausgesucht haben (nur zwei Funktionen ΨA und ΨB und dazu noch beide im 1s-Zustand)), qualitativ allerdings liefert das Ergebnis zutreffende Erkenntnisse.

7.3 Das H2-Molekul

Betrachten wir nun ein Molekul mit zwei Kernen und zwei Elektronen (s. Abb. 7.13). Der elektronischeHamiltonoperator in Born-Oppenheimer-Naherung lautet:

Hel = Te + Vke + Vee (7.24)

In diesem Fall kann die elektronische Schrodinger-Gleichung nicht mehr analytisch gelost werden. DerGrund dafur ist - wie bei Atomen - die Elektron-Elektron-Wechselwirkung Vee. Man ist also auf Nahe-rungsverfahren angewiesen.

Die beiden wichtigsten Verfahren sind die Molekulorbital (MO)-Methode und die Valenzelektronen-Methode, wobei wir uns nur mit der MO-Methode beschaftigen werden.

106

Page 107: Skript Quantenmechanik

7.3 Das H2-Molekul

A B

e

e2

1

Abbildung 7.13: Molekul mit zwei Kernen A und B und zwei Elektronen e1 und e2

Die MO-Methode

Die dieser Methode zugrunde liegende Idee kann man folgendermaßen beschreiben.Bei der Beschreibung komplexer Atome geht man von Atomorbitalen, also den Einelektronewellenfunk-tionen fur das H-Atom, aus und bildet daraus Slaterdeterminanten fur Mehrelektronenatome. Das istnaturlich nur in der Zentralfeldnaherung eine gute Naherung.Will man Molekule beschreiben, geht man zunachst ganz ahnlich vor:Man benutzt die MO’s von H+

2 als Ausgangspunkt, um daraus die entsprechenden Slaterdeterminantenfur Mehrelektronen-Molekule zu bilden.

In Analogie zu den Konfigurationen von Atomen definiert man dann die Konfigurationen von Mo-lekulen.

Nomenklatur fur MO’s

Bei AO’s schreibt man fur die Wellenfunktion Ψn,l,m(~r,ms) und benutzt zur Charakterisierung der Kon-figurationen die Quantenzahlen n, l,m. Das ist sinnvoll, weil l und m in der Zentralfeldnaherung guteQuantenzahlen sind.

Fur MO’s ist die Bezeichnung uber die Drehimpulsquantenzahl im allgemeinen wenig hilfreich, weildiese keine guten Quantenzahlen sind. Daher klassifiziert man MO’s normalerweise nach ihrer Symme-trie.

Fur homonukleare zweiatomige MolekuleX2 sind die bindenden und antibindenden Zustande rotations-symmetrisch bezuglich der Kernverbindungsachse, vgl. Abb 7.17 weiter unten.

Man bezeichnet solche Zustande mit σ. Daneben haben X2-Molekule ein Inversionszentrum. UnterInversion versteht man die Umkehrung aller Koordinaten.

Fur Ψb gilt Ψb → Ψb, die Funktion ist also gerade bezuglich der Inversion, wahrend Ψ? das Vorzeichenwechselt, Ψ? → −Ψ?, also ungerade ist. Man bezeichnet das Verhalten bezuglich der Inversion mit denIndizes ’g’ oder ’u’.

Man schreibt fur die Zustande

Ψb : 1σg oder Ψ1σg

Ψ? : 1σ?u oder Ψ?1σu

Dabei deutet die Zahl ’1’ einfach an, dass es sich um die niedrigsten MO’s handelt. Manchmal findetman auch die Bezeichnungen 1sσg und 1sσ?u, die anzeigen soll, aus welchen AO’s das entsprechendeMO (hauptsachlich) resultiert.

Damit konnen wir ein MO-Schema fur H+2 aufstellen, s. Abb. 7.14.

107

Page 108: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

1 s1 s

1 σ g

1 σ∗u

Abbildung 7.14: MO-Schema fur das H+2 -Molekulion in Standardnotation

H2-Konfiguration:

Hier wird das 1σg- Orbital nach dem Pauli-Prinzip doppelt besetzt. Der Zustand wird also durch dieSlaterdeterminante:

Ψas(1, 2) = ||Ψ1σg(1)α1Ψ1σg(2)β2|| = Ψ1σg(1)Ψ1σg(2)1√2

(α1β2 − α2β1)

beschrieben. Wir erhalten mit diesem Ansatz folgende Ergebnisse fur H2:

Re = 0, 74A und De = 350kJ

mol

Diese Werte sind mit den ’exakten’ Ergebnissen Re = 0, 742A und De = 432 kJmol zu vergleichen.

Die Abweichungen sind (wie beimH+2 -Molekulion) auf den recht einfachen Ansatz zweier 1s- Zustande

zuruckzufuhren. Ein Ansatz mit mehr Basisfunktionen wurde genauere Werte liefern.

7.4 Konfigurationen zweiatomiger Molekule

Wie bei Atomen versteht man unter der Konfiguration die Besetzungen der Einteilchenniveaus, also hierder MO’s.

Dabei stellt sich zunachst die Frage, wie man die MO’s sinnvoll aus Linearkominationen von AO’skonstruiert. Fur ein qualitatives Bild genugt es, folgende Betrachtungen anzustellen. Bisher haben wir

2 s

2 p

1 s

2 s

2 p

1 s

A B1 σ

1 σ

u

g

?

Abbildung 7.15: Linearkombination der Atomorbitale von A und B zu MO’s

die 1s-Orbitale an den beiden Kernen benutzt, um daraus die MO’s σg und σu zu bilden. Wie in Abbil-dung 7.15 angedeutet, stellt sich aber dann allgemein die Frage, wie wichtig der Beitrag unterschiedlicherAO’s zu bestimmten MO’s ist.

Dazu betrachten wir einige Beispiele:Wir untersuchen zunachst eine Linearkombination aus einem an Kern A zentrierten 1s-Orbital und ei-nem an Kern B zentrierten 2px-Orbital (oder 2py). Dabei wird die Kernverbindungsachse als z-Achse

108

Page 109: Skript Quantenmechanik

7.4 Konfigurationen zweiatomiger Molekule

angenommen.Wir wahlen also:

ΨA = Ψ1s(A) und ΨB = Ψ2px(B)

im LCAO-Ansatz Ψ = cAΨA + cBΨB . Zur Bestimmung der Koeffizienten gehen wir genauso vor wieim Kapitel 7.2 fur das H+

2 -Molekulion. Wir bilden die Sakulardeterminante:∣∣∣∣ HAA − E HAB − SEHAB − SE HBB − E

∣∣∣∣ = 0

und untersuchen zunachst das Uberlappungsintegral. Wie in Abbildung 7.16 zu erkennen ist, fuhrt die

+ +

++

−s s p f < 0

f > 0

z z

p ,p y p ,p yx x

Abbildung 7.16: AB- Molekul: Uberlappung eines s- und eines px / py- Orbitals; f = ΨAΨB

Uberlappung der beiden Orbitale zu einem Bereich, in welchem

ΨAΨB > 0

gilt und einem gleich großen Bereich, in dem gilt:

ΨAΨB < 0

Da nun aber die Verteilung symmetrisch bezuglich der z- Achse ist, gilt:

SAB = 0

Solche Symmetrieuberlegungen genugen oft, um das qualitative Verhalten zu erkennen.Damit vereinfacht sich die Sakulardeterminante zu:∣∣∣∣ HAA − E HAB

HAB HBB − E

∣∣∣∣ = 0

Das liefert eine quadratische Gleichung fur die Energie E mit dem Resultat

E± =12

(HAA +HBB)± 12

√(HAA −HBB)2 + 4H2

AB

Wir betrachten nun 2 Falle, die haufig auftreten.

• Zum einen nehmen wir an, dassHAB ≈ 0

Diese Annahme ist nicht unrealistisch, weil das ResonanzintegralHAB oft in der gleichen Großen-ordnung wie das Uberlappungsintegral SAB ist. Fur SAB = 0 ist es also oft so, dass auch HAB

sehr klein ist.In diesem Fall hat man

E+ ' HAA und E− ' HBB

Fur die Koeffizienten in der Linearkombination Ψ = cAΨA + cBΨB findet man damit fur E+ 'HAA: cA ' 1, cB ' 0 und fur E− ' HBB: cA ' 0, cB ' 1.Das bedeutet, dass Ψ+ ' ΨA und Ψ− ' ΨB sind, die Funktionen also nur einzeln vorkommen.Anders ausgedruckt: Ψ1s und Ψ2px (oder Ψ2py ) treten in der Linearkombination nicht zusammenauf.

109

Page 110: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

• Der andere interessante Fall ist charakterisiert durch

|HAA −HBB| � HAB

Die Coulombenergien unterscheiden sich also deutlich. In unserem Beispiel bedeutet das, dass dieCoulombenergie eines Elektrons im 1s-Orbital am Kern A sehr viel niedriger ist als diejenige im2p-Orbital am Kern B.Auch in diesem Fall findet man

E+ ' HAA mit cA ' 1, cB ' 0 und

E− ' HBB mit cA ' 0, cB ' 1.

Diese Situation ist also analog zum FallHAB ' 0. Auch in diesem Fall werden kaum Linearkombi-nationen aus 1s und 2px(2py) zu den MO’s beitragen.

Wir verallgemeinern diese Resultate nun zu folgendem

Fazit

Den großten Beitrag im LCAO-Ansatz liefern solche AO’s,

• die dieselbe Symmetrie bezuglich der Kernverbindungsachse aufweisen (SAB 6= 0, HAB 6= 0)

und

• deren Energiedifferenz klein ist.

Fur die Erstellung eines qualitativen MO-Schemas genugt es, nur solche Linearkombinationen zu beruck-sichtigen. In den Abbildungen 7.17a bis 7.17d sind hierzu einige Beispiele skizziert.

s

z

sa

b

Abbildung 7.17a: Linearkombination zweier s-AO’s zu einem σg = a und einem σ?u = b

Auf diese Art erhalt man das in Abbildung 7.18 dargestellte MO-Schema. Dabei werden die MO’s nachsteigenden Energien durchnummeriert. Bei der Untersuchung der Energieniveaus der entstehenden MO’swird deutlich, dass bei den aus zwei 2p-Orbitalen entstehenden MO’s die Energiedifferenzen so geringwerden, dass es nicht moglich ist zu sagen, ob das σg sich ober- oder unterhalb des πu befindet. Umdie energetische Reihenfolge wirklich zu bestimmen, muss man naturlich die elektronische Schrodinger-Gleichung losen. Die Situation ist also ahnlich wie bei den Konfigurationen komplexer Atome.

110

Page 111: Skript Quantenmechanik

7.4 Konfigurationen zweiatomiger Molekule

z

a

b

p

+ −

+ −z

+ −

pz −

+ +− −

Abbildung 7.17b: Linearkombination zweier pz-AO’s zu einem σg = pz(A) − pz(B) = b und einemσ?u = pz(A) + pz(B) = a

z

a

b

px

px

+ +

+

+

+− −

Abbildung 7.17c: Linearkombination zweier px-AO’s zu einem πu = px(A) + px(B) = a und einemπ?g = px(A)− px(B) = b; z-Achse als Knotenebene

s

z

a

b

p

+ + −

+ + −

+ −z

Abbildung 7.17d: Linearkombination eines s- und eines pz-AO’s zu einem σg = a und einem σ?u = b

Wir konnen mit diesen Uberlegungen also nun die Konfigurationen homonuklearer zweiatomiger Mo-lekule angeben:

Molekul Konfiguration BindungsordnungH+

2 (1σg) 12

H2 (1σg)2 1He+

2 (1σ2g)(1σ

?u) 1

2

He2 (1σg)2(1σ?u)2 0Li2 (1σg)2(1σ?u)2(2σg)2 1Be2 ...(2σg)2(2σ?u)2 0N2 ...(2σg)2(2σ?u)2(1πu)4(3σg)2 3O2 ...(2σg)2(2σ?u)2(3σg)2(1πu)4(1π?g)

2 2

111

Page 112: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

Wir haben dabei noch die sogenannte Bindungsordnung angegeben, die hilfreich bei der Angabe derStrukturformeln ist und als

Bindungsordnung =′(Zahl der bindenden Elektronen - Zahl der antibindenden Elektronen)

2

definiert ist.Man sieht den Wechsel in der energetischen Reihenfolge der 3σg- und 1πu- Orbitale bei N2 und O2. Dasin Abbildung 7.18 links dargestellte MO-Schema trifft also fur O2 zu, das rechte fur N2.

1 s 1 s

2 p

2 s

2 p

2 s

2 p 2 p

1 g

1 u*

2 u*

1 g*

3 u*

2 g

3 g

1 u 3 g

1 u

E 1000 kJ / mol

1 g*

3 u*

σ

σ

σ

σ

σ

σ

σ

σπ

π

π

π

~

~E 200 kJ / mol

Abbildung 7.18: MO-Schema fur homonuklare zweiatomige Molekule. Fur die Anordnung σg, πu gibtes zwei Moglichkeiten

Heteronukleare zweiatomige Molekule

Hier handelt es sich bei den Kernen A und B um verschiedene Atomkerne. Im allgemeinen gilt, dass dieAO’s des elektronegativeren Atoms energetisch tiefer liegen als diejenigen des anderen Kerns. Wie beiX2-Molekulen konstruiert man σ- und π-MO’s, wobei σ und π wieder die Symmetrie bzgl. der Kern-verbindungsachse andeuten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass jetzt kein Inversionszentrum mehrvorliegt, weshalb es keine Bezeichnungen ’g’ und ’u’ gibt. Man nummeriert die MO’s einfach gemaßihrer energetischen Reihenfolge, s. Abb. 7.19. Die Koeffizienten der AO’s in den qualitativ konstruiertenMO’s sind naturlich unterschiedlich groß. Dabei besitzen bindende MO’s mehr den Charakter der AO’sdes elektronegativeren Atoms.

Auch die Angabe der Konfigurationen erfolgt genauso wie bei den homonuklearen zweiatomigen Mo-lekulen (oder auch den Atomen).

112

Page 113: Skript Quantenmechanik

7.5 Terme zweiatomiger Molekule

1

2 *

4 *

2 *

3

σ

σ

σ

σ

π

σ

σ6 *

5

2 s

1 s

1 s

2 p

2 s

2 p

Abbildung 7.19: Linearkombinationen der AO’s zu MO’s fur ein heteronukleares zweiatomiges Molekul

Als Beispiele seien folgende Konfigurationen angegeben:

Molekul Konfiguration BindungsordnungCO (1σ)2(2σ?)2(3σ)2(4σ?)2 (1π)4(3σ)2 3NO ... (1π)4(5σ)2(2π?) 5

2

7.5 Terme zweiatomiger Molekule

Bei der Behandlung komplexer Atome haben wir gesehen, dass die Konfigurationen nur im Rahmen einerZentralfeldnaherung eine Charakterisierung der Zustande erlauben. Berucksichtigt man die Elektron-Elektron-Wechselwirkung, so zeigt sich, dass die Drehimpulsquantenzahlen der einzelnen Elektronenkeine guten Quantenzahlen sind. Das war ja der Grund fur die Einfuhrung des Gesamtdrehimpulses undder LS-Kopplung. Ahnlich wie bei Atomen kann man auch fur Molekule die Zustande charakterisieren,also die sogenannten Terme bestimmen. Es gibt allerdings einige wichtige Unterschiede, obwohl diegrundsatzliche Vorgehensweise sehr ahnlich ist.Dazu geht man nach dem mittlerweile bekannten Schema vor:Man sucht alle Observablen, die mit Hamiltonoperator und paarweise untereinender kommutieren. Wirwissen, dass wir dann den maximal moglichen Satz an guten Quantenzahlen haben und die Zustandedanach charakterisieren konnen.

Bevor wir die Bestimmung der Terme durchfuhren, betrachten wir zunachst noch einmal die Konfigura-tionen etwas genauer. Wenn wir die Kernverbindungsachse als z-Achse wahlen (was immer moglich ist),so finden wir, dass die z-Komponente des Bahndrehimpulses eines beliebigen Elektrons ’k’, Lz,k, nurdann mit dem elektronischen Hamiltonoperator kommutiert, wenn wir die Elektron-Elektron-Wechsel-wirkung vernachlassigen. In diesem Fall ist aber auch Hel =

∑k Hel,k eine Summe unabhangiger Ein-

113

Page 114: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

teilchenoperatoren. Also ist in dieser Naherung die Wellenfunktion ein Produkt aus Einteilchenfunk-tionen (MO’s), aus denen dann eine Slaterdeterminante zu bilden ist. Die Situation entspricht also imWesentlichen derjenigen der Zentralfeldnaherung bei Atomen.Die Tatsache, dass [Hel, Lz,k] = 0 ∀ k fur Vee = 0 bedeutet naturlich, dass in dieser Naherung die mk

gute Quantenzahlen sind. Da Lz,k ein Drehimpulsoperator ist, kann mk Werte mk = 0,±1,±2,±3, ...annehmen. Ein wichtiger Unterschied zu Atomen besteht hier allerdings in der Tatsache, dass L2

k nichtmit Hel kommutiert, also lk keine gute Quantenzahl ist.Daher gibt es keine Einschrankung fur die Werte mk. Die Situation ist also eher vergleichbar mit demfruher betrachteten Beispiel der Rotation in zwei Dimensionen (Kap. 3.3.2). Die Konfiguration ermitteltman genau wie bei Atomen durch ’Auffullen’ der Niveaus gemaß dem Pauli-Prinzip.

Nomenklatur: Im Zusammenhang mit zweiatomigen Molekulen bezeichnet man die Eigenwerte vonLz,k mit λk (statt mk), d.h.

λk = 0,±1,±2,±3, ...

Ferner bezeichnet man die Werte mit griechischen Buchstaben

λk = 0 : σ±1 : π±2 : δ

......

Wir sehen, dass diese Bezeichnung gerade dieselbe ist, wie wir oben bezuglich der Symmetrie hatten.Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei, dass wir fur die Bestimmung der MO’s und der Konfigurationendie AO’s gar nicht benotigen, obwohl man in der Praxis meistens einen LCAO-Ansatz zur Bestimmungder MO’s wahlt. Die relevante Tatsache ist aber, dass die λk gute Quantenzahlen sind, solange man Veevernachlassigt.Man sieht weiter, dass σ-Orbitale nicht entartet sind und alle anderen (π, δ, ...) genau zweifach entartetsind. Auch das ist naturlich vollig anders als bei Atomen.

Die Konfigurationen sind oftmals nicht eindeutig und außerdem ist die Vernachlassigung von Vee meis-tens eine schlechte Naherung.Wenn man Vee berucksichtigt, so kommutieren die Lz,k nicht mit Hel, aber man hat (in Analogie zurSituation bei der Beschreibung der Atomzustande)[

Hel, Lz

]= 0

fur die z-Komponente des Gesamtdrehimpulses Lz =∑

k Lz,k.Folglich ist lediglich M =

∑kmk eine gute Quantenzahl. Man bezeichnet das in diesem Zusammen-

hang allerdings nicht mit M , sondern nennt es Λ:

Λ = λ1 + λ2 + ... (7.25)

Wie bei Atomen fuhrt man ein Termsymbol ein:

2S+1Λ (7.26)

mit den Bezeichnungen:

Symbol ΛΣ = 0Π = 1∆ = 2

Wir illustrieren das Gesagte an einigen Beispielen:

114

Page 115: Skript Quantenmechanik

7.6 Mehratomige Molekule

H2-Molekul Hier liegt die Konfiguration (1σg)2 vor. Das bedeutet: ms1 = 12 ,ms2 = −1

2 , da sonst dasPauli-Prinzip verletzt ware. Daraus folgt MS = 0, S = 0 und somit 2S + 1 = 1.

Da die Bezeichnung σ angibt, dass λ = 0 ist, haben wir λ1 = λ2 = 0 und somit nach Gleichung(7.25) Λ = 0. Es liegt also ein

1Σ-Zustand

vor.

N2-Molekul aus der Konfiguration: ...(1πu)4(3σg)2(3σ)2. Hierbei ist (wie bei Atomen) nur (3σ)2 re-levant, was

liefert

O2-Molekul liefert ...(1πu)4(1π?g)2. Also ist (1π?g)

2 relevant. Das bedeutet, dass wir mehrere Moglich-keiten haben, da nun 2 MO’s vorliegen (π : λ = ±1)

• Fur λ1 = λ2 = 1 muss nach dem Pauli-Prinzip ms1 = 12 ,ms2 = −1

2 gelten, also S = 0.Außerdem ist dann Λ = 2

→ 1∆.• Fur λ1 = 1, λ2 = −1, also Λ = 0(Σ) gibt es zwei Moglichkeiten fur msk

:Fur ms1 = ms2 = 1

2

(−1

2

)ist S = 1 und fur ms1 = 1

2 ,ms2 = −12 ist S = 0.

→ 1Σ und 3Σ.Es ist bekannt, dass 3Σ der Grundzustand des O2- Molekuls ist (das wurde man auch erwar-ten, wenn man die Hund’sche Regel auf Molekule ubertragt).

CO-Molekul: (1π)4(5σ)2 → 1Σ

NO-Molekul: ...(2π?)1 → 2Π

Auf diese Art lassen sich die Terme beliebiger zweiatomiger Molekule bestimmen. Man sieht, dass auf-grund der Tatsache, dass der maximale Entartungsgrad 2 ist, viel weniger Terme auftreten als bei Atomen.

7.6 Mehratomige Molekule

Es ist leicht einzusehen, dass die Situation bei mehratomigen Molekulen sehr viel komplexer ist. Ins-besondere gestaltet sich die Bestimmung der Terme oft als schwierig, was man sich vorstellen kann, daman hier normalerweise keine Vorzugsachse mehr hat, die es erlaubt, gute Quantenzahlen unter Beruck-sichtigung von Vee zu finden. Man klassifiziert die MO’s daher ausschließlich nach ihrer Symmetrie undbestimmt normalerweise lediglich die Konfiguration. Fur den Grundzustand neutraler Molekule findetman normalerweise S = 0 und eine total symmetrische Wellenfunktion.

Auch bei der Bestimmung der MO’s im Rahmen eines LCAO-Ansatzes geht man etwas anders vor alsbei zweiatomigen Molekulen. Man kombiniert normalerweise schon die an einem Atom zentrierten s-und p-AO’s in einer symmetrieadaptierten Weise, was als Hybridisierung bekannt ist.

An dieser Stelle ist noch eine Anmerkung bezuglich der Bezeichnungen angebracht. Namen wie σ-oder π-Bindungen bezeichnen nicht die vollstandige Symmetrie der entsprechenden MO’s, sondern ge-ben lediglich die Symmetrie bezuglich der betrachteten Kernverbindungsachse an.

Um die MO’s nach der Molekulsymmetrie zu klassifizieren, benotigt man die ’Theorie der Symme-trie’, das ist Gegenstand der Gruppentheorie.

Abschließend soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Konstruktion der MO’s uber denLCAO-Ansatz auf dem hier betrachteten Niveau lediglich ein qualitatives Bild der elektronischen Struk-tur von Molekulen vermitteln kann. Will man genaue Resultate erhalten, so muss man die elektronische

115

Page 116: Skript Quantenmechanik

7 Molekule, chemische Bindungen

Schrodinger-Gleichung losen. Die Entwicklung von sinnvollen und moglichst genauen Naherungsver-fahren hierfur ist Gegenstand der Theoretischen Chemie-Vorlesungen.

116

Page 117: Skript Quantenmechanik

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik

Fur die meisten realistischen Systeme kann die Schrodinger-Gleichung nicht exakt gelost werden. Manist deshalb auf Naherungsverfahren zur Behandlung solcher Probleme angewiesen. Die beiden wich-tigsten Nahrungsverfahren in der Quantenmechanik sind das Variationsverfahren und die Storungstheo-rie. Beide Verfahren werden haufig verwendet. In diesem Kapitel werden wir uns eingehender mit derStorungstheorie beschaftigen, wobei wir uns auf die fur unsere Anwendungen wesentlichen Aspektebeschranken.

Die der Storungstheorie zugrunde liegende Idee besteht in einer Aufspaltung des Hamiltonoperatorsin einen Term H0 und einen ’Rest’ H1, der klein ist. Die Schrodinger-Gleichung H0|Ψ〉 = E|Ψ〉 wirdals exakt losbar vorausgesetzt. Die Aufspaltung des Hamiltonoperators

H = H0 + H1 (8.1)

macht nur dann Sinn, wenn H1 nur einen sehr kleinen Einfluss auf die Energieeigenwerte und Eigen-zustande von H0 hat.

Zwei Beispiele fur Probleme, bei denen eine solche Aufspaltung des Hamiltonoperators vorgenommenwerden kann und die haufig storungstheoretisch behandelt werden, sind

• Schwingungen zweiatomiger Molekule.Ein typischer Potentialverlauf in Born-Oppenheimer-Naherung ist in Abbildung 8.1 dargestellt.Wenn man nur kleine Auslenkungen um den Gleichgewichtsabstand Re betrachtet, so kann man

HO

Vanharm.

Re

R

V (R)

Abbildung 8.1: Potentialkurve fur die Schwingung zweiatomiger Molekule

eine Taylorentwicklung des Potentials durchfuhren, V (R) = 12k(R − Re)2 + a3(R − Re)3 + ...,

wobei der lineare Term verschwindet, weil es sich um eine Entwicklung um den Gleichgewichtsab-stand Re handelt. Die niedrigste Naherung ist also gerade das harmonische Potential Vharm(R) =12k(R −Re)2 und H0 = Tk + Vharm(R) ist der Hamiltonoperator fur einen harmonischen Oszil-lator. Als H1 werden dann die Anharmonizitaten a3(R−Re)3 + ... gewahlt.

• Ein Atom (oder Molekul) in einem Magnetfeld.Hier ist H0 der Hamiltonoperator fur das Atom (Molekul) und H1 beschreibt die Wechselwirkung

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Page 118: Skript Quantenmechanik

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik

mit dem Magnetfeld,H1 = −µzBz = −γBz

(Lz + 2SZ

)wobei wir angenommen haben, dass das Feld parallel zur z-Achse angelegt ist (Bx = By = 0)und γ ist das gyromagnetische Verhaltnis, vgl. Kap. 5.1 (Wir haben den g-Faktor g = 2 gesetzt.)

8.1 Zeitunabhangige Storungstheorie

Zunachst wollen wir uns hier der zeitunabhangigen Storungstheorie zuwenden. Das bedeutet, wir be-trachten nur zeitunabhangige Potentiale. Bevor wir den allgemeinen Formalismus kennenlernen, betrach-ten wir zunachst ein ’einfaches’ Beispiel, in dem es nur 2 Zustande |ϕa〉 und |ϕb〉 gibt.[Ein solches Modell wird durch ein Elektron in einem Radikal realisiert, wobei das Elektron ein s-Orbitalbesetze. In diesem Fall identifizieren wir unsere Zustande mit den beiden Spinzustanden |α〉 und |β〉 desElektrons.]

Wir betrachten nun folgende Situation. Wir setzen voraus, dass der Hamiltonoperator sich als eineSumme der Form von Gl.(8.1) schreiben laßt, wobei gelte:

H0|ϕk〉 = Ek|ϕk〉 mit k = a, b (8.2)

[In unserem Beispiel eines Elektronenspins kann man konkret die Situation, die typischerweise der Elek-tronenspinresonanz (ESR) vorliegt, annehmen. Man legt ein starkes Magnetfeld in z-Richtung an undzusatzlich ein schwaches Magnetfeld in x-Richtung. Dann ist H0 = −γgBzSz = −ω0Sz und die Eigen-zustande sind gerade die angesprochenen Spinzustande: H0|α〉 = −~

2ω0|α〉 und H0|β〉 = ~2ω0|β〉. Die

Storung ist dann durch das schwache Feld in x-Richtung bestimmt, H1 = −γgB1xSx = −ω1Sx und dieBedingung fur die ’Kleinheit’ von H1 ist einfach ω1 << ω0.]Die Schrodinger-Gleichung des Gesamtsystems ist:

H|Ψ〉 = E|Ψ〉 bzw.(H0 + H1

)|Ψ〉 = E|Ψ〉

Die Losung dieser Gleichung ist nur dann trivial, wenn H0 und H1 gemeinsame Eigenzustande haben.Das ist allerdings nur der Fall, wenn sie kommutieren. Es gibt zwar einige wichtige Beispiele, in denendas der Fall ist, siehe weiter unten. Im Allgemeinen kommutieren diese Operatoren aber nicht.[In unserem ESR-Beispiel kommutieren H0 und H1 nicht, da gilt: [Sz, Sx] = i~Sy.]Wir wahlen folgenden Ansatz fur |Ψ〉:

|Ψ〉 = ca|ϕa〉+ cb|ϕb〉 (8.3)

und setzen diesen in die Schrodinger-Gleichung ein:(H0 + H1 − E

)(ca|ϕa〉+ cb|ϕb〉) = 0

↪→ ca

(H0 + H1 − E

)|ϕa〉+ cb

(H0 + H1 − E

)|ϕb〉 = 0

Um aus der letzten Gleichung Bedingungen fur die Energieeigenwerte von H und die Koeffizienten caund cb zu erhalten, gehen wir folgendermaßen vor:Wir nutzen zunachst Gleichung (8.2), d.h. H0|ϕa〉 = Ea|ϕa〉 und H0|ϕb〉 = Eb|ϕb〉. Das liefert

ca

(Ea − E + H1

)|ϕa〉+ cb

(Eb − E + H1

)|ϕb〉 = 0

Nun ’multiplizierten’ wir diese Gleichung von links mit 〈ϕa| (d.h. wir mulitplizieren mit ϕ?a(τ)) undbilden das Integral

∫dτ ). Das liefert

ca

((Ea − E)〈ϕa|ϕa〉+ 〈ϕa|H1|ϕa〉

)+ cb

((Eb − E)〈ϕa|ϕb〉+ 〈ϕa|H1|ϕb〉

)= 0

118

Page 119: Skript Quantenmechanik

8.1 Zeitunabhangige Storungstheorie

und wegen der Orthogonalitat der |ϕk〉 (〈ϕk|ϕl〉 = δkl):

ca

(Ea − E + 〈ϕa|H1|ϕa〉

)+ cb〈ϕa|H1|ϕb〉 = 0

’Anmultiplizieren’ von 〈ϕb| von links liefert vollig analog:

cb

(Eb − E + 〈ϕb|H1|ϕb〉

)+ ca〈ϕb|H1|ϕa〉 = 0

Wir sehen an diesen Gleichungen, dass die Matrixelemente 〈ϕa|H1|ϕb〉 und 〈ϕb|H1|ϕa〉 die Zustande|ϕa〉 und |ϕb〉 ’mischen’.[ Im ESR-Beispiel konnen wir diese Matrixelemente unter Ausnutzen von Sx|α〉 = ~

2 |β〉 und Sx|β〉 =~2 |α〉 leicht berechnen mit dem Resultat: 〈β|H1|α〉 = 〈α|H1|β〉 = −~

2ω1.]Der Einfachheit halber gehen wir nun davon aus, dass

〈ϕa|H1|ϕa〉 = 〈ϕb|H1|ϕb〉 = 0

Das gilt zwar nicht immer, ist aber fur unsere Diskussion ausreichend.[ Man kann sich leicht davon uberzeugen, dass es in unserem ESR-Beispiel gilt.]Wir erhalten damit ein Gleichungssystem mit zwei Gleichungen, welches nichttriviale Losungen besitzt,falls die Sakulardeterminante verschwindet. Das Nullsetzen der Sakulardeterminante liefert also:∗∣∣∣∣ Ea − E 〈ϕa|H1|ϕb〉

〈ϕb|H1|ϕa〉 Eb − E

∣∣∣∣ = 0

↪→ (Ea − E)(Eb − E)− |〈ϕa|H1|ϕb〉|2 = 0

Aus dieser quadratischen Gleichung ergeben sich nun die Energieeigenwerte von H = H0 + H1 zu:

E± =12

(Ea + Eb)±12

√(Eb − Ea)2 + 4|〈ϕa|H1|ϕb〉|2 (8.4)

Ausnutzen vonE+ undE− erlaubt es dann, die Koeffizienten ca und cb fur jeden der beiden Energiewertezu bestimmen. Die Ergebnisse sind allerdings nicht sehr illustrativ. Außerdem interessiert uns im Zusam-menhang mit der Storungsrechnung insbesondere der Fall ’kleiner’ Storungen H1. Deshalb betrachtenwir nun zwei spezielle Falle:

1. Es gilt Ea < Eb, d.h. wir haben keine Entartung. Wir schreiben den Term mit der Quadratwurzelin (8.4) mit:

12√... =

12

(Eb − Ea)

√1 +

4|〈ϕa|H1|ϕb〉|2(Eb − Ea)2

Falls die Storung klein ist, genau gesagt, wenn

|〈ϕa|H1|ϕb〉|2 � (Eb − Ea)2

gilt, konnen wir die Taylorentwicklung√

1 + x ' 1 + x2 nutzen und finden damit

12√... ' 1

2

(Eb − Ea +

2|〈ϕa|H1|ϕb〉|2

Eb − Ea

)Damit ergeben sich die Energien E± zu:

E+ = Eb +2|〈ϕa|H1|ϕb〉|2

Eb − Eaund E− = Ea −

2|〈ϕa|H1|ϕb〉|2

Eb − Ea∗beim Ausrechnen wird ausgenutzt, dass der Hamiltonoperator hermitesch ist, dass also gilt: 〈ϕa|H1|ϕb〉 =

h〈ϕb|H1|ϕa〉

i?

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Page 120: Skript Quantenmechanik

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik

Die dazugehorigen Funktionen Ψ+ und Ψ− erhalt man durch Einsetzen der mit Hilfe von E+ undE− berechneten Koeffizienten in den Ansatz (8.3)

|Ψ+〉 ' |ϕb〉+

(〈ϕb|H1|ϕa〉Eb − Ea

)|ϕa〉 und |Ψ−〉 ' |ϕa〉 −

(〈ϕa|H1|ϕb〉Eb − Ea

)|ϕb〉

Die Storung sorgt also fur eine ’Abstoßung’ der beiden Zustande (s. Abb. 8.2), wobei jedem

E

E

H

H1

0

b

a

Abbildung 8.2: Storung fur nichtentartete Zustande

Zustand etwas von dem anderen ’beigemischt’ wird.

2. Die Energie ist zweifach entartet d.h.: Eb = Ea. In diesem Fall ergibt sich:

E+ = Ea + |〈ϕa|H1|ϕb〉|E− = Ea − |〈ϕa|H1|ϕb〉|

Wie in Abbildung 8.3 zu erkennen ist, bedeutet dieser Fall eigentlich keine Naherung.

Man kann namlich im Falle der Entartung nicht annehmen, dass die Storung klein ist (was not-wendig fur Anwendbarkeit der Storungstheorie war). Das Problem muss also exakt gelost werden.In jedem Fall ist die Storungstheorie fur entartete Zustande schwieriger anwendbar als fur nichtentartete. Man findet allerdings in den allermeisten Fallen eine Aufhebung der Entartung wie in

E b

Abbildung 8.3: Storung fur entartete Zustande

unserem Beispiel.

[Unser einfaches ESR-Modell ist ein Beipiel fur den nichtentarteten Fall und es ist eine gute Ubung, diegestorten Energien und die Wellenfunktionen als Funktion von ω0 und ω1 zu berechnen.]Wir halten also fest, dass wir in unserem Beispiel von zwei Zustanden gesehen haben, dass im nichtent-arteten Fall eine Storung als klein angesehen werden kann, wenn |〈ϕa|H1|ϕb〉|2 � (Ea − Eb)2 ist unddass ein solches Argument im entarteten Fall nicht vorliegt.

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Page 121: Skript Quantenmechanik

8.1 Zeitunabhangige Storungstheorie

Das betrachtete Zweizustandsmodell ist zwar geeignet, um das Prinzip der Storungsrechnung zu ver-deutlichen, es ist aber meistens nicht allgemein genug. Deshalb betrachten wir jetzt den allgemeinenFormalismus der Storungsrechnung im nichtentarteten Fall:

Der Hamiltonoperator H sei gegeben durch den ungestorten Operator H0 und einen Term, der dieStorung beschreibe (λH1):

H = H0 + λH1. (8.5)

Dabei ist λ ein reeller Parameter, der ’klein’ ist und am Schluss aller Berechnungen wieder eins gesetztwird. Das ungestorte Problem ist definiert durch:

H0|ϕm〉 = E(0)m |ϕm〉 (8.6)

mit m = 0, 1, 2, .... Da es keine Entartung geben soll, sind alle E(0)m verschieden. Die |ϕm〉 sind als

Eigenzustande eines hermiteschen Operators orthogonal:

〈ϕn|ϕm〉 = δn,m ={

1 fur n = m0 fur n 6= m

(8.7)

und vollstandig:1 =

∑n

|ϕn〉〈ϕn| (8.8)

Die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung des vollstandigen Problems ist gegeben durch:

H|Ψm〉 = Em|Ψm〉 (8.9)

Wir entwickeln nun sowohl die Energien Em als auch die Eigenzustande |Ψm〉 in Potenzen von λ:

Em = E(0)m + λE(1)

m + λ2E(2)m + ...

|Ψm〉 = |Ψ(0)m 〉+ λ|Ψ(1)

m 〉+ ... = |ϕm〉+ λ|Ψ(1)m 〉+ ...

Dies setzen wir in die Schrodinger-Gleichung ein, multiplizieren aus und sortieren nach Potenzen von λ,λn, n = 0, 1, 2, ...:(

H0 + λH1

)(|ϕm〉+ λ|Ψ(1)

m 〉+ ...)

=(E(0)m + λE(1)

m + ...)(|ϕm〉+ λ|Ψ(1)

m 〉+ ...)

Ausmultiplizieren liefert:

H0|ϕm〉+ λH1|ϕm〉+ λH0|Ψ(1)m 〉+O

(λ2)

= E(0)m |ϕm〉+ λE(1)

m |ϕm〉+ λE(0)m |Ψ(1)

m 〉+O

(λ2),

was wir umschreiben konnen zu:

λ0(H0 − E(0)

m

)|ϕm〉+ λ

(H1|ϕm〉+ H0|Ψ(1)

m 〉 − E(1)m |Ψm〉 − E(0)

m |Ψ(1)m 〉)

+ ... = 0 (8.10)

mit λ0 = 1. Aus Gleichung (8.6), d.h. fur den Fall der ungestorten Zustande, folgt:

H0|ϕm〉 = E(0)m |ϕm〉 oder λ0

(H0 − E(0)

m

)|ϕm〉 = 0

Analog mussen auch alle Terme der Ordnung λ1, λ2, usw. einzeln verschwinden, da Gleichung (8.10) nurerfullt werden kann, wenn die einzelnen Koeffizienten in den gegebenen Potenzen von λ verschwinden

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Page 122: Skript Quantenmechanik

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik

(der Trivialfall λ = 0 ist keine sinnvolle Losung). Den in λ linearen Term (H1|ϕm〉 + H0|Ψ(1)m 〉 −

E(1)m |Ψm〉 − E(0)

m |Ψ(1)m 〉 = 0) schreiben wir in der Form:(

H0 − E(0)m

)|Ψ(1)

m 〉 =(E(1)m − H1

)|ϕm〉 (8.11)

Um bei der Bestimmung von E(1)m und |Ψ(1)

m 〉 weiterzukommen, nutzen wir die Tatsache, dass die |ϕm〉eine vollstandige Basis bilden und entwickeln |Ψ(1)

m 〉 in dieser Basis:

|Ψ(1)m 〉 =

∑n

|ϕn〉〈ϕn|Ψ(1)m 〉 =

∑n

cn,m|ϕn〉 mit cn,m = 〈ϕn|Ψ(1)m 〉 =

∫dτϕ?n ·Ψ(1)

m (8.12)

Einsetzen von Gleichung (8.12) in Gleichung (8.11) ergibt:(H0 − E(0)

m

)∑n

cn,m|ϕn〉 =(E(1)m − H1

)|ϕm〉

und unter Ausnutzung von (8.10) ( d.h. H0|ϕn〉 = E(0)n |ϕn〉)∑

n

cn,m

(E(0)n − E(0)

m

)|ϕn〉 =

(E(1)m − H1

)|ϕm〉

’Anmultiplizieren’ von 〈ϕk| von links liefert fur die linke Seite dieser Gleichung:∑n

cn,m

(E(0)n − E(0)

m

)〈ϕk|ϕn〉 =

∑n

cn,m

(E(0)n − E(0)

m

)δk,n = ck,m

(E

(0)k − E

(0)m

)und fur die rechte Seite:

〈ϕk|(E(1)m − H1

)|ϕm〉 = E(1)

m 〈ϕk|ϕm〉 − 〈ϕk|H1|ϕm〉 = E(1)m δk,m − 〈ϕk|H1|ϕm〉

Es folgt also:

ck,m

(E

(0)k − E

(0)m

)= E(1)

m δk,m − 〈ϕk|H1|ϕm〉

Wir haben nun zwei Falle zu unterscheiden:

1. k = m:0 = E(1)

m − 〈ϕm|H1|ϕm〉

↪→ E(1)m = 〈ϕm|H1|ϕm〉

2. k 6= m

ck,m

(E

(0)k − E

(0)m

)= −〈ϕk|H1|ϕm〉

↪→ ck,m =〈ϕk|H1|ϕm〉E

(0)m − E(0)

k

Analog findet man mit Hilfe der Terme, die proportional zu λ2 sind:

E(2)m =

∑n6=m

|〈ϕn|H1|ϕm〉|2

E(0)m − E(0)

n

Man kann auch die hoheren Korrekturen fur die Wellenfunktionen, |Ψ(2)m 〉 etc. angeben.

Die Ausdrucke werden allerdings immer komplexer.

Wir fassen also zusammen:

122

Page 123: Skript Quantenmechanik

8.1 Zeitunabhangige Storungstheorie

Em = E(0)m + E

(1)m + E

(2)m + ...

= E(0)m + 〈ϕm|H1|ϕm〉 +

∑n6=m

|〈ϕn|H1|ϕm〉|2

E(0)m −E

(0)n

+ ...

|Ψm〉 = |ϕm〉 + |Ψ(1)m 〉 + ...

|Ψm〉 = |ϕm〉 +∑

n6=m〈ϕm|H1|ϕn〉E

(0)m −E

(0)n

|ϕn〉 + ...

Wir sehen, dass diese Ausdrucke genau dieselbe Struktur besitzen wie in unserem Beispiel von zweiZustanden, nachdem wir dort E± und Ψ± naherungsweise betrachtet haben.Zu beachten ist in jedem Fall, dass das Verfahren nichts uber die Qualitat der Storungsrechnung aussagt.Generell laßt sich lediglich sagen, dass eine Anwendung der Storungsrechnung nur sinnvoll ist, wennman uberprufen kann, dass der Storoperator nur einen kleinen Einfluß auf die ungestorten Energien hat.

Storung eines entarteten Niveaus

Wie wir schon am Beispiel des oben diskutierten Zweizustandsmodells gesehen haben, wird die Anwen-dung der Storungstheorie im Falle eines entarteten Niveaus schwieriger. Ahnlich wie im Zweizustands-modell hebt eine Storung normalerweise die Entartung auch im allgemeinen Fall auf.Wir halten fest, dass man im Falle eines entarteten Niveaus im Allgemeinen anders vorgehen muss alsbei der Entwicklung der Storungsrechnung im nicht-entarteten Fall.Wir werden hier nicht auf die Details eingehen, sondern lediglich einen wichtigen Spezialfall der Storungs-rechnung entarteter Niveaus betrachten. Dieser Spezialfall ist charakterisiert durch[

H0, H1

]= 0 (8.13)

Das bedeutet, H0 und H1 haben gemeinsame Eigenzustande, die wir mit |ϕ(r)m 〉, r = 1, 2, ..., k bezeich-

nen, d.h.:H0|ϕ(r)

m 〉 = Em|ϕ(r)m 〉 mit r = 1, 2, ..., k (8.14)

Wir betrachten also ein k-fach entartetes Niveau.Da die |ϕ(r)

m 〉 auch Eigenzustande von H1 sind, gilt:

H1|ϕ(r)m 〉 = ε(r)

m |Ψ(r)m 〉 mit r = 1, 2, ..., k (8.15)

Allerdings ist nicht gesagt, dass die ε(r)m den gleichen Wert haben. Sie konnen also auch alle unterschied-

lich sein. Es konnen auch manche gleich groß und andere voneinander verschieden sein. Daruber kannman allgemein keine Aussage machen.Als letzte wichtige Tatsache halten wir fest, dass fur orthogonal gewahlte |ϕ(r)

m 〉, d.h. 〈ϕ(s)m |ϕ(r)

m 〉 = δs,r,gilt: 〈ϕ(s)

m |H1|ϕ(r)m 〉 = 0, falls s 6= r. Das ist naturlich lediglich eine Konsequenz der Tatsache, dass die

|ϕ(r)m 〉 gemeinsame Eigenzustande von H0 und H1 sind, vgl. auch Gleichung (8.15).

Als Fazit halten wir fest:

Im Falle eines entarteten Niveaus kann eine Storung, die mit H0 kommutiert, diese Entartung teilweiseoder ganz aufheben (muss es aber nicht notwendig).

Ein wichtiges Beispiel fur ein solches Verhalten hat man beim sogenannten

Zeeman-Effekt

Wir betrachten ein Atom, welches sich in einem B-Feld in z-Richtung befindet. Die Storung ist alsodurch die Wechselwirkung mit dem B-Feld gegeben:

H1 = −γeBz(Lz + 2Sz

)(8.16)

123

Page 124: Skript Quantenmechanik

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik

mit Lz =∑

k Lzkund Sz =

∑k Szk

. Da H0 ist der Hamiltonoperator fur das Atom ist, kommutiertH0 mit H1. Wir hatten bereits in Kapitel 5.1 festgestellt, dass beim Anlegen eines Magnetfeldes in z-Richtung die (2l + 1)-fache Entartung der Zustande zu gegebenem L aufgehoben wird.Wir betrachten nun konkret zwei Zustande, wobei wir Lz|L,ML〉 = ~ML|L,ML〉 und Sz|S,MS〉 =~MS |S,MS〉 nutzen.

1S-Zustand ; |1S〉 = |L = 0,ML = 0〉|S = 0,MS = 0〉Deshalb folgt direkt H1|1S〉 = 0|1S〉 und der Zustand wird durch das B- Feld nicht beeinflusst.

1P -Zustand ; |1P 〉 = |L = 1,ML〉|S = 0,MS = 0〉Wir finden hier

H1|1P 〉 = −γeBz(Lz|1,ML〉|0, 0〉+ 2Sz|1,ML〉|0, 0〉

)= −γeBz (~ML|1,ML〉|0, 0〉+ 2 · 0|1,ML〉|0, 0〉) ,

also H1|1P 〉 = −γeBz~ML|1P 〉.Somit haben wir

E(1)m = 〈1P |H1|1P 〉 = 〈1P |(−γeBz~ML)|1P 〉 = −γeBz~ML〈1P |1P 〉 = −γeBz~ML.

Es folgt hier eine Aufhebung der Entartung. Der Zustand ML = 0 wird nicht geandert, wahrend

M = 0

M = 1

M = − 1

E

L

L

L

zB

Abbildung 8.4: Skizze zum Zeeman-Effekt

das außere Magnetfeld auf die Zustande ML = 1 und ML = −1 verandernd wirkt (s. Abb. 8.4).Dies hatten wir im Stern-Gerlach-Versuch bereits kennengelernt.

Betrachten wir abschließend noch ein Beispiel fur die Storungsrechnung im nichtentarteten Fall: Wiruntersuchen einen harmonischen Oszillator im elektrischen Feld.Fur die elektrische Energie dieses Feldes gilt:

H1 = −~µ · ~E (8.17)

mit dem elektrischen Dipolmoment ~µ, das durch

~µ =∑i

Qi ~Ri (8.18)

gegeben ist, wobei Qi die Ladung und ~Ri der Ort der Teilchen sind. Konkret betrachten wir ein HCl-Molekul, dessen Cl-Atom als raumfest betrachtet wird und dessen H-Atom in x-Richtung schwinge.Fur dieses Beispiel ist:

µ = Qx

124

Page 125: Skript Quantenmechanik

8.2 Zeitabhangige Storungstheorie

Damit ist ~µ · ~E = QxEx. Wie in Kapitel 3.2 definieren wir die Koordinate q =√

mω~ x und fuhren die

Abkurzung ε = QEx

√~mω ein. Dann haben wir fur die Storung:

H1 = −εq

Fur die Berechnung der Energiekorrekturen und der Wellenfunktionen werden die Matrixelemente

〈Ψν′ |H1|Ψν〉 = −ε〈Ψν′ |q|Ψν〉

benotigt. Fur diese findet man unter Ausnutzung der Eigenschaften der Hermitepolynome:

〈Ψv+1|H1|Ψv〉 6= 0〈Ψv−1|H1|Ψv〉 6= 0〈Ψv|H1|Ψv〉 = 0

Die Tatsache, dass 〈Ψν |H1|Ψν〉 = 0 ist, bedeutet, dass es keine Energieverschiebung in erster OrdnungStorungsrechnung gibt, E(1)

ν = 0. Erst in zweiter Ordnung gibt es Korrekturen zu den Energien.Man sieht an den Matrixelementen, dass H1 nur einen Einfluß hat, wenn sich die Schwingungsquan-

tenzahl um eins andert, v − v′ = ∆v = ±1. In der Spektroskopie bezeichnet man die Angabe dernotwendigen Anderungen von Quantenzahlen als Auswahlregeln. Hierbei fuhrt man dem System Ener-gie in Form von Strahlung zu, wobei sich allerdings die Storung mit der Zeit andert, normalerweise inder Art:

H1(t) = −~µ · ~E(t) mit ~E(t) = ~E0 cos(ωt)

Will man diesen Fall untersuchen, muss man sich mit der zeitabhangigen Storungstheorie beschaftigen.

8.2 Zeitabhangige Storungstheorie

Betrachtet sei ein System, in welchem der ungestorte Zustand, beschrieben durch den Operator H0, nichtvon der Zeit abhangt, die Storung allerdings von der Zeit abhangig sei:

H(t) = H0 + H1(t) (8.19)

Wir haben also keine stationaren Zustande mehr. Wir mussen die zeitabhangige Schrodinger-Gleichung:

H(t)|Ψ(t)〉 = i~∂

∂t|Ψ(t)〉

losen. Die Energiezustande fur das ungestorte Problem setzen wir als bekannt voraus:

H0|ϕn〉 = En|ϕn〉

Fur die entsprechende zeitabhangige Schrodinger-Gleichung schreiben wir:

H0|φn(t)〉 = i~∂

∂t|φn(t)〉 mit |φn(t)〉 = |ϕn〉e−i

Ent~

Wir gehen nun genauso vor wie bei der zeitunabhangigen Storungsrechnung und entwickeln Ψ(t) nachder Basis, welche durch die Eigenzustande von H0 aufgespannt wird. Dabei benutzen wir∑

n

|φn(t)〉〈φn(t)| =∑n

|ϕn〉〈ϕn| = 1

125

Page 126: Skript Quantenmechanik

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik

Es gilt also|Ψ(t)〉 =

∑n

|φn(t)〉〈φn(t)|Ψ(t)〉 =∑n

cn(t)|φn(t)〉

mit den zeitabhangigen Entwicklungskoeffizienten cn(t) = 〈φn(t)|Ψ(t)〉 =∫dτφn(t)?Ψ(t). Setzen wir

dies in die Schrodinger-Gleichung ein, so erhalten wir

i~∂

∂t

∑n

cn(t)|φn(t)〉 =[H0 + H1(t)

]∑n

cn(t)|φn(t)〉

↪→ i~∑n

[(∂

∂tcn(t)

)|φn(t)〉+ cn(t)

∂t|φn(t)〉

]=

∑n

cn(t)[H0|φn(t)〉+ H1(t)|φn(t)〉

]Wir nutzen jetzt fur den zweiten Term auf der linken Seite die zeitabhangige Schrodinger-Gleichung furdas ungestorte System, i~ ∂

∂t |φn(t)〉 = H0|φn(t)〉, und sehen so, dass dieser Term identisch zum erstenTerm auf der rechten Seite ist. Wir erhalten somit:

i~∑n

cn(t)|φn(t)〉 =∑n

cn(t)H1(t)|φn(t)〉

wobei cn(t) = ∂∂tcn(t) ist. ’Anmultiplizieren’ von 〈ϕm| von links liefert unter Ausnutzung von |φn(t)〉 =

|ϕn〉e−iEnt

~

i~∑n

cn(t)〈ϕm|ϕn〉e−iEnt

~ =∑n

cn(t)〈ϕm|H1(t)|ϕn〉e−iEnt

~

Auf der linken Seite ’uberlebt’ wegen 〈ϕm|ϕn〉 = δm,n nur der Term mit m = n und wir finden:

i~cm(t)e−iEmt

~ =∑n

cn(t)〈ϕm|H1(t)|ϕn〉e−iEnt

~

oder:cm(t) = − i

~∑n

cn(t)〈ϕm|H1(t)|ϕn〉e−i(En−Em)t

~

Wir definieren nunωn,m =

En − Em~

(8.20)

Dabei handelt es sich also um eine Frequenz (E = ~ω). Somit finden wir:

cm(t) = − i~∑n

cn(t)〈ϕm|H1(t)|ϕn〉e−iωn,mt

Um diese Gleichung zu integrieren, gehen wir folgendermaßen vor. Die Gleichung ist von der Form:

dc(t)dt

= x(t)

Wir trennen die Variablen und schreiben dc(t) = x(t)dt. In dieser Form konnen wir integrieren:∫ c(t)C(0) dc(t) =∫ t

0 dt′x(t′) mit dem Resultat:

c(t)− c(0) =∫ t

0dt′x(t′)

Somit finden wir:

cm(t) = cm(0)− i

~∑n

∫ t

0dt′cn(t′)〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉e−iωn,mt′ (8.21)

126

Page 127: Skript Quantenmechanik

8.2 Zeitabhangige Storungstheorie

Diese Gleichung gibt uns den Koeffizienten cm(t) in der Entwicklung |Ψ(t)〉 =∑

m cm(t)|φm(t)〉.Allerdings hangt cm(t) nach (8.21) von allen anderen cn(t′) zu allen Zeiten t′ < t ab.Deshalb ist (8.21) in der gegebenden Form wenig hilfreich. Andererseits haben wir bisher nur exakteUmformungen vorgenommen, das heißt Gleichung (8.21) ist exakt. Wir haben also insbesondere nochnirgends genutzt, dass H1(t) eine kleine Storung ist.

Um jetzt eine Naherung im Sinne einer Storungsrechnung zu machen, gehen wir folgendermaßen vor.Wir nutzen Gl.(8.21) iterativ. Das bedeutet, wir benutzen (8.21) fur die Koeffizienten cn(t′) auf derrechten Seite, d.h. wir schreiben dafur:

cn(t′) = cn(0)− i

~∑k

∫ t′

0dt′′ck(t′′)〈ϕn|H1(t′′)|ϕk〉e−iωk,nt

′′

und setzen diesen Ausdruck wiederum in Gl.(8.21) ein:

cm(t) = cm(0)− i

~∑n

∫ t

0dt′cn(0)〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉e−iωn,mt′

+(i

~

)2∑n,k

∫ t

0dt′∫ t′

0dt′′ck(t′′)〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉〈ϕn|H1(t′′)|ϕk〉e−i[ωn,mt′+ωk,nt

′′]

Das bedeutet, wir haben folgende Terme, die Matrixelemente des Storoperators H1(t) beinhalten:

• einen Term der Formcn(0)〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉

• und einen Term der Form

...ck(t′′)〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉〈ϕn|H1(t′′)|ϕk〉...

Wenn wir nun - wie in der zeitunabhangigen Storungsrechnung - einen Parameter λ einfuhren, indemwir H1(t) durch λH1(t) ersetzen, so ist

〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉 ∼ λ und 〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉〈ϕn|H1(t′′)|ϕk〉 ∼ λ2

Wir betrachten jetzt nur die Storungsrechnung erster Ordnung, d.h. nur den Term ∼ λ. Das Resultat istdann (wir setzen λ = 1):

cm(t) = cm(0)− i

~∑n

cn(0)∫ t

0dt′〈ϕm|H1(t′)|ϕn〉e−iωn,mt′ (8.22)

Wir betrachten nun folgenden wichtigen Spezialfall:Zum Zeitpunkt t = 0 befindet sich das System im Eigenzustand |ϕk〉 von H0. Meistens handelt es sichdabei um den Grundzustand.Dieser Fall ist in den meisten relevanten spektroskopischen Problemen realisiert: Vor Beginn des Ex-periments (t = 0−) liegt noch kein elektromagnetisches Feld vor. Die Storung braucht also zu diesemZeitpunkt noch nicht berucksichtigt zu werden.Das bedeutet also, dass wir zu Zeit t = 0 fur die Entwicklung des Zustands |Ψ(0)〉 nutzen, dass gilt:|Ψ(0)〉 =

∑n cn(0)|φn(0)〉 =

∑n cn(0)|ϕn〉 = ck(0)|ϕk〉. Konkret bedeutet das, dass wir im ersten

Term auf der rechten Seite von Gl.(8.22) cm(0) = δm,k nutzen und im zweiten Term cn(0) = δn,k. Somit’uberlebt’ nur der Term mit n = k die Summation auf der rechten Seite und wir finden:

cm(t) = δm,k −i

~

∫ t

0dt′〈ϕm|H1(t′)|ϕk〉e−iωk,mt

′(8.23)

127

Page 128: Skript Quantenmechanik

8 Storungstheorie in der Quantenmechanik

Konkret ersetzen wir nun m durch l und nehmen an, dass l 6= k gilt. Dann haben wir:

cl(t) = − i~

∫ t

0dt′〈ϕl|H1(t′)|ϕk〉e−iωk,lt

Das bedeutet: das System entwickelt sich unter dem Einfluss der Storung von einem Ausgangszustand|ϕk〉 zu einem anderen Zustand. Wir schreiben dafur:

|Ψk(t)〉 =∑n

cn(t)|φn(t)〉 mit |Ψk(0)〉 = |ϕk〉

um zu zeigen, dass sich |Ψk(t)〉 aus |ϕk〉 entwickelt.Fur spektroskopische Anwendungen ist es wichtig zu wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass sich auseinem Anfangszustand |ϕk〉 ein bestimmter Zustand |ϕl〉 ergibt.Deshalb definieren wir die:

Ubergangswahrscheinlichkeit: Pl,k(t) = |〈ϕl|Ψk(t)〉|2 (8.24)

Pl,k(t) ist die Wahrscheinlichkeit dafur, das System zur Zeit t im Zustand |ϕl〉 vorzufinden, wenn eszum Zeitpunkt t = 0 im Zustand |ϕk〉 war und sich in der Zwischenzeit unter dem Einfluss von H1(t)entwickelt hat.Zur Zeit t = 0 gilt:

Pl,k(0) = |〈ϕl|Ψk(0)〉|2 = |〈ϕl|ϕk〉|2

d.h.: Pk,k(0) = 1 und Pk,l(0) = 0 fur l 6= k

Einsetzen der Entwicklung |Ψk(t)〉 =∑

n cn(t)|φn(t)〉 in Gleichung (8.24) liefert:

Pl,k(t) =

∣∣∣∣∣〈ϕl|∑n

cn(t)|φn(t)〉

∣∣∣∣∣2

=

∣∣∣∣∣∑n

cn(t)〈ϕl|φn(t)〉

∣∣∣∣∣2

=

∣∣∣∣∣∑n

cn(t)〈ϕl|ϕn〉e−Ent

~

∣∣∣∣∣2

Wegen 〈ϕl|ϕn〉 = δl,n ergibt sich:

Pl,k(t) = |cl(t)|2 (8.25)

128

Page 129: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Die Spektroskopie arbeitet im Wesentlichen mit einem in Abbildung 9.1 dargestellten Aufbau. EinerProbe wird durch Bestrahlung mit Licht Energie zugefuhrt, wobei die Intensitat des hindurchtretendenLichts mit Hilfe eines Detektors gemessen wird. Ziel der Spektroskopie ist es, Erkenntnisse uber dieStruktur oder Reaktionsverlaufe in der Probe zu erlangen. Nehmen wir nun an, dass eine Probe durch

Probe

Lichtquelle

Detektor

Abbildung 9.1: Skizze zum Aufbau eines spektroskopischen Analysengerates

ein System mit nur zwei Zustanden k und l charakterisiert ist, wobei der Zustand k energetisch niedrigerliege als der Zustand l.

Die Energiedifferenz El − Ek = ~ωl,k kann aus der Lichtwelle dann absorbiert werden, wenn diesePhotonen der Energie ~ω mit ω = ωl,k enthalt.

Da die Gesamtenergie erhalten bleiben muss, bedeutet eine Absorption, dass die Energie der Probe um~ωl,k zugenommen hat und dafur derselbe Energiebetrag in der elektromagnetischen Strahlung ’fehlt’.Somit stellt man eine Absorption im Detektor dadurch fest, dass die Intensitat als Funktion der Frequenzein Minimum bei ω = ωl,k aufweist, vgl. Abb. 9.2.

ωl,k

ω

I

Abbildung 9.2: Absorption des beschriebenen Systems

129

Page 130: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

9.1 Ubergangsraten

Da es sich bei der Absorption um einen Ubergang zwischen zwei Zustanden eines (molekularen) Sys-tems aufgrund der zeitabhangigen Wechselwirkung des Systems mit der elektromagnetischen Strahlungdes Lichts handelt, werden wir die zeitabhangige Storungstheorie benutzen, um die Wahrscheinlichkeitbzw. die Rate fur diese Absorption zu berechnen.

Zunachst mussen wir allerdings dafur den Storoperator H1(t) spezifizieren.Die Wechselwirkung zwischen Materie und elektromagnetischer Strahlung ist im Allgemeinen rechtkomplex. Fur spektroskopische Untersuchungen ist es jedoch meistens eine gute Naherung, sich auf dieelektrische Dipolwechselwirkung zu beschranken:

H1(t) = −~µ · ~E(t) (9.1)

Dabei ist der Dipoloperator ~µ gegeben durch:

~µ = −eN∑i=1

~ri + eN∑k=1

Zk ~Rk (9.2)

= ~µel + ~µk

Hierbei sind die ~ri die Ortsoperatoren fur die Elektronenkoordinaten und die ~Rk die Ortsoperatorenfur die Kernkoordinaten. Der Dipoloperator setzt sich also aus einem elektronischen Anteil und einemKernanteil zusammen. Das oszillierende elektrische Feld ist gegeben durch:

~E(t) = ~E0 cosωt

Physikalisch beschreibt H1(t) die Ausrichtung der molekularen elektrischen Dipolmomente im elek-trischen Feld. Fur manche Anwendungen betrachtet man auch die Wechselwirkung der magnetischenMomente mit dem ~B-Feld der Lichtwelle. In diesem Fall ist H1(t) = −~µm · ~B(t).

Obwohl wir uns in diesem Kapitel hauptsachlich mit der elektrischen Dipolwechselwirkung (9.1) be-fassen werden, schreiben wir H1(t) zunachst etwas allgemeiner als

H1(t) = M cos(ωt) =12M(eiωt + e−iωt

)(9.3)

Dabei ist M also beispielsweise durch ~µ · ~E0 gegeben, wovon meist fur vorgegebene Polarisation desLichts nur eine Komponente µk · E0,k, k = x, y, z interessiert.

Bevor wir die sogenannte Ubergangsrate definieren, betrachten wir die UbergangswahrscheinlichkeitPl,k(t) fur einen Ubergang von ’k’ nach ’l’, vgl. Gleichung (8.25), Pl,k(t) = |cl(t)|2, wobei cl(t) der Ko-effizient in der Entwicklung des Zustandes |Ψk(t)〉 =

∑n cn(t)|φn(t)〉 ist. In erster Ordnung Storungs-

rechnung ist cl(t) gegeben durch (vgl. Gl. (8.23)):

cl(t) = − i~

∫ t

0dt′〈ϕl|H1(t′)|ϕk〉eiωl,kt

Nach (9.3) ist 〈ϕl|H1(t)|ϕk〉 = 12

(eiωt + e−iωt

)〈ϕl|M |ϕk〉 und wir haben cl(t) = − i

~12〈ϕl|M |ϕk〉

∫ t0 dt

′(ei(ωl,k+ω)t′ + ei(ωl,k−ω)t′

). Fur die Zeitintegration benutzen wir

∫ t0 dt

′eixt′

= 1ix

(eixt − 1

)und erhal-

ten:

cl(t) = − i~

12〈ϕl|M |ϕk〉

[ei(ωl,k+ω)t − 1i (ωl,k + ω)

+ei(ωl,k−ω)t − 1i (ωl,k − ω)

]

130

Page 131: Skript Quantenmechanik

9.1 Ubergangsraten

Betrachten wir nun die Terme in der eckigen Klammer etwas genauer. Wenn wir uns fur eine Absorp-tion interessieren, so mussen wir die Situation ω ' ωl,k betrachten, da sonst die Energie nicht erhaltenbleibt. In diesem Fall wird der zweite Term sehr groß, wahrend der erste Term klein wird, da dort derNenner dann ω + ωl,k ' 2ωl,k ist. Wie klein dieser Term wird, kann man sich am besten an Beispielenverdeutlichen. Fur die optische Spektroskopie (elektronische Ubergange) ist ωl,k in der Großenordnungvon 1015s−1 und selbst fur die NMR-Spektroskopie hat man ωl,k ∼ 106s−1.Fur den Fall der Emission betrachtet man den Ubergang vom energetisch hoher liegenden Zustand lnach k, also gilt −ωlk = ω. In diesem Fall ergeben analoge Uberlegungen, dass der zweite Term ver-nachlassigbar klein ist.Wir beschranken uns im folgenden auf die Absorptionsspektroskopie und haben fur die Ubergangswahr-scheinlichkeit unter Vernachlassigung des ersten Terms:

Pl,k(t) =

∣∣∣〈ϕl|M |ϕk〉∣∣∣24~2

∣∣ei(ωl,k−ω)t − 1∣∣2

(ωl,k − ω)2

Mit |eix − 1|2 = 4 sin2(x2

)kann man schreiben:

Abbildung 9.3a: Skizze der Funktionsin2

hωl,k−ω

2ti

(ωl,k−ω)2t

fur t1

Abbildung 9.3b: Skizze der Funktionsin2

hωl,k−ω

2ti

(ωl,k−ω)2t

fur t2 (> t1)

Abbildung 9.3c: Skizze der Funktionsin2

hωl,k−ω

2ti

(ωl,k−ω)2t

fur t3 > t2

Pl,k(t) =

∣∣∣〈ϕl|M |ϕk〉∣∣∣2~2

sin2[ωl,k−ω

2 t]

(ωl,k − ω)2 (9.4)

131

Page 132: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Betrachtet man die Funktionsin2

hωl,k−ω

2ti

(ωl,k−ω)2t

, die in Abbildung 9.3a-9.3c fur verschiedene Zeiten t skizziert

ist, so sieht man, dass fur große t naherungsweise gilt:

sin2[ωl,k−ω

2 t]

(ωl,k − ω)2 t={

1 fur ωl,k ' ω0 fur ωl,k 6= ω

Das erinnert uns stark an das Kronecker-Delta, wobei wir dort Zahlen, hier aber Frequenzen haben. Wirfuhren deshalb eine Funktion ein, welche fur Funktionen das Analogon des Kronecker-Deltas liefert, diesogenannte Dirac’sche Deltafunktion δ (ωl,k − ω).In Analogie zur Definition des Kronecker-Deltasymbols, fur das gilt

∑n xnδn,m = xm, definieren wir

die Dirac’sche Deltafunktion durch∫dxf(x)δ(x− x0) = f(x0) (9.5)

Es ’uberlebt’ also nur der Funktionswert an der Stelle x0. Es gibt eine Reihe von Funktionen, die imLimit verschwindender ’Breite’ in δ(x − x0) ubergehen. Fur uns ist hier besonders folgende Definitioninteressant. Es gilt:

δ(x− x0) =2π

limt→∞

[sin2

[x−x0

2 t]

(x− x0)2 t

]Das nutzen wir nun in Gleichung (9.4) und schreiben:

Pl,k(t) =π

2~2

∣∣∣〈ϕl|M |ϕk〉∣∣∣2 δ(ωl,k − ω)t

Es soll hier noch angemerkt werden, dass der Grenzwert t → ∞ hier naturlich lediglich bedeutet, dassdie Zeitdauer der Lichteinstrahlung groß gegen

(1ωl,k

)ist, also t >>

(1ωl,k

).

Die Ubergangsrate gibt die Intensitat eines k → l-Ubergangs im Spektrum an. Sie ist definiert durchdie zeitliche Ableitung der Ubergangswahrscheinlichkeit:

Wl,k =dPl,k(t)dt

und somit ergibt sichFermis ’goldene Regel’ (golden rule):

Wl,k =π

2~2

∣∣∣〈ϕl|M |ϕk〉∣∣∣2 δ(ωl,k − ω) (9.6)

Fur elektrische Dipolubergange hatten wir

M = −~µ · ~E0

wobei die relevante Komponente im Skalarprodukt durch die Polarisation des Lichts bestimmt ist.Man schreibt kurz M = −µE0, wobei die tatsachliche x- , y- oder z-Richtung aus dem experimentellenAufbau hervorgeht. Es folgt (mit |ϕk〉 → |k〉):

Wl,k =πE2

0

2~2|〈l|µ|k〉|2 δ(ωl,k − ω) (9.7)

132

Page 133: Skript Quantenmechanik

9.1 Ubergangsraten

Die Intensitat ist also proportional zur Energie des elektrischen Feldes E20 .

Die Ubergangsrate beinhaltet zwei ganz wesentliche Faktoren, die von entscheidender Wichtigkeit furjede Art von Spektroskopie sind:

1. Das (Dipol-) Ubergangsmatrixelement 〈l|µ|k〉: Ein Ubergang kann nur stattfinden, wenn dieZustande |l〉 und |k〉 durch die Wechselwirkung ’gemischt’ werden, d.h. wenn 〈l|µ|k〉 6= 0 gilt.Die Bedingung 〈l|µ|k〉 6= 0 erlaubt es, sogenannte Auswahlregeln zu formulieren.

2. Die Dirac’sche Deltafunktion δ(ωl,k − ω): Sie gewahrleistet die Energieerhaltung. Die absor-bierte Energie wird dem außeren Feld entzogen, fur ω 6= ωl,k gibt es keine Ubergange.

In der Praxis andert man also solange die Frequenz, bis man einen Ubergang (also Absortion) messenkann. In verschiedenen Frequenzbereichen werden unterschiedliche Anregungen beobachtet:

Molekulrotationen (wie beim schon untersuchten starren (dreidimensionalen) Rotator) werden in derMikrowellenspektroskopie untersucht. Hier gilt:

λ ≥ 105nm

ν ≤ 1012s−1

ν ∼ 30cm−1

mit der Wellenzahl ν = νc = 1

λ und E = hν = hcν

Molekulschwingungen werden in der IR-Spektroskopie untersucht. Typische Wellenlangen sind:

λ ∼ 3000− 3 · 105nm

ν ∼ 1014...1012s−1

ν ∼ 3000...30cm−1

Elektronische Anregungen untersucht man in der UV-VIS-Spektroskopie mit:

λ ∼ 200− 380nmν ∼ 5 · 104...2 · 104cm−1

fur den UV-Bereich und

λ = 380− 780nmν = 2, 6 · 104...1, 3 · 104cm−1

fur den sichtbaren Bereich.

Die fur die Optische Spektroskopie genutzten Energien E = ~ω ∼ 10...1000 kJmol regen gleichzeitig

Translationen, Rotationen (E ∼ 0, 01...1 kJmol ) und Schwingungen (E ∼ 1...10 kJ

mol ) an, d.h. die Spektrenwerden ’kompliziert’. Haufig werden optische Spektren allerdings in Losung aufgenommen, wo die Mo-lekule aufgrund der Wechselwirkungen mit den benachbarten Molekulen nicht frei rotieren konnen, sodass die Rotationen nicht beobachtet werden. (In manchen Fallen werden auch die Molekulschwingun-gen nicht beobachtet.)

133

Page 134: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

9.2 Atomspektren

Zunachst wollen wir Atomspektren betrachten und erinnern uns an einige das H-Atom betreffende Er-kenntnisse:

En = −E01n2

(9.8)

EH =me4

32π2ε20~2' 1313

kJ

mol(9.9)

Fur die Ubergangsenergien gilt:

∆E = En2 − En1 = EH

(1n2

1

− 1n2

2

)= hcRH

(1n2

1

− 1n2

2

)(9.10)

RH =EHhc

= 109737cm−1 (9.11)

Die Energiedifferenzen ∆E werden je nach dem Ausgangswert fur n1 als folgende sogenannte Serienbezeichnet:

• Lyman: Ubergang n1 = 1→ n2 = 2, 3, 4, ... im UV-Bereich

• Balmer: Ubergang n1 = 2→ n2 = 3, 4, 5, ... im vis-Bereich

• Paschen: Ubergang n1 = 3→ n2 = 4, 5, 6, ... im IR-Bereich

Auswahlregeln

Wie schon im Zusammenhang mit Gleichung (9.7) fur die Ubergangsraten erwahnt, sind nur solcheLinien im Spektrum sichtbar, fur die das (Dipol-)Ubergangsmatrixelement nicht verschwindet. Das be-deutet hier: Wir untersuchen, fur welche Zustande |n, l,m〉, also Ψn,l,m(r, θ, ϕ) = Rn,l(r)Yl,m(θ, ϕ),das Matrixelement

〈n1l1m1|µ|n2l2m2〉

nicht verschwindet.Da wir im Fall des H-Atoms nur ein einziges Elektron betrachten mussen, ist der Dipoloperator gegebendurch:

~µ = −e~r

Als erstes untersuchen wir das Verhalten des Matrixelements unter Inversion, d.h. der Umkehrung allerKoordinaten, was man auch als Paritat bezeichnet. Es gilt:

~r → −~r (r → r)

undYlm(θ, ϕ)→ (−1)lYlm(θ, ϕ)

Diese Beziehung findet man mit Hilfe der Definitionen der Kugelflachenfunktionen. Das bedeutet, dassdie Ylm fur gerade l gerade und fur ungerade l ungerade Funktionen sind.Fur das Dipolubergangsmatrixelement folgt somit:∫

dτΨ?n1,l1,m1

µΨn2,l2,m2 =∫dτΨn1,l1,m1(−τ)?(−µ)Ψn2,l2,m2(−τ)

=∫dτ(−1)l1Ψ?

n1,l1,m1(−µ)(−1)l2Ψn2,l2,m2

= (−1)l1+l2+1

∫dτΨ?

n1,l1,m1µΨn2,l2,m2

134

Page 135: Skript Quantenmechanik

9.2 Atomspektren

Man erhalt also nur fur den Fall, dass der Vorfaktor nicht gleich (−1) ist ein von Null verschiede-nes Ergebnis, d.h., wenn l1 + l2 + 1 gerade ist. Das bedeutet: l1 = l2 ± 1, l2 ± 3, l2 ± 5, ... oder∆l = l2 − l1 = ±1,±3,±5, ....Man kann sich das auch folgendermaßen klar machen. Damit das Integral 〈l|µ|k〉 nicht verschwindet,muss der Integrand eine gerade Funktion sein. Da µ ungerade ist, gilt: wenn l gerade ist, muss k ungera-de sein oder umgekehrt, falls ein nichtverschwindendes Ergebnis herauskommen soll.

Dies ist der Gehalt der sogenanntenLaporte-AuswahlregelErlaubte elektrische Dipolubergange mussen eine Anderung der Paritat bewirken.

Die Laporte-Auswahlregel sagt uns allerdings nur, dass ∆l ungerade (±1,±3, ...) sein muss, liefert aberansonsten keine weitere Einschrankung. Deshalb betrachten wir jetzt das Dipolubergangsmatrixelementnoch mal etwas genauer.In Kugelkoordinaten gilt:

µ = −er = −e

xyz

= −er

sin θ cosϕsin θ sinϕ

cos θ

(9.12)

Somit haben wir, wenn wir zunachst µ = µz betrachten:

〈n1l1m1|µz|n2l2m2〉 = −∫ ∞

0r2Rn1,l1(r)rRn2,l2(r) ·

∫ π

0dθ sin θ

∫ 2π

0dϕY ?

l1,m1· cos θ · Yl2,m2

Das r-Integral liefert lediglich die Bedingungen ∆n = ±1,±2,±3, ..., d.h. n muss sich andern. Im win-kelabhangigen Integral nutzt man eine Eigenschaft der Kugelflachenfunktionen, namlich cos θYl2,m2 =al2Yl2+1,m2 + bl2Yl2−1,m2 . Damit ergibt sich

al2〈l1,m1|l2 + 1,m2〉+ bl2〈l1,m1|l2 − 1,m2〉 = al2δl1,l2+1δm1,m2 + bl2δl1,l2−1δm1,m2

Das bedeutet, dass l2 = l1 ± 1 gelten muss. Dasselbe Ergebnis erhalt man auch fur die x- oder y-Komponente von µ, d.h. fur 〈l1m1| sin θ|l2m2〉 ∼ δl2,l±1.Somit erhalten wir dieDrehimpulsauswahlregel: ∆l = ±1.

Fur die z-Komponente µz haben wir gerade außerdem gesehen, dass m1 = m2 gelten muss. Fur x- odery-polarisiertes Licht haben wir allerdings, vgl. Gl.(9.12) µx = −er sin θ cosϕ = −er sin θ 1

2

(eiϕ + e−iϕ

)bzw. µy = −er sin θ sinϕ = −er sin θ 1

2i

(eiϕ + e−iϕ

). Wir wissen, dass die Ylm ∼ eimϕ sind. Mit∫ 2π

0dϕe−im1ϕe±iϕeim2ϕ = 2πδm1,m2±1

erhalten wir folgende Auswahlregel:

∆m = 0 (z-polarisiert) ,∆m = ±1 (x, y-polarisiert)

Die moglichen Ubergange sind in Abbildung 9.4 dargestellt. Offensichtlich gibt es keinen Ubergang zwi-schen 2P 1

2und 2D 5

2. Dies liegt an einer weiteren Auswahlregel, der Gesamtdrehimpulsauswahlregel,

welche besagt:∆J = 0,±1

135

Page 136: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

1s S

2s S

3s S

P

P

P

P

P

P1/2

2

23/23/2

1/2

2

2

2

2

2 2

2

1/2

1/2

1/2 1/2

3/2

2D5/2

D23/2

H − Linie (rotes Licht)α

d.h. Informationen über die Spinbahnkopplung)

223/2 1/2( P − P − Aufspaltung,

Abbildung 9.4: mogliche Ubergange zwischen verschiedenen Zustanden gemaß der formulierten Aus-wahlregeln

Fur 〈J2|µ|J1〉 gilt also (wegen µ ∼ J = 1):

J2 = J1 + 1, J1, J1 − 1

Um wieviel kann sich nun der Spin andern? Aus

〈n2l2m2;ms2 |µ|n1l1m1;ms1〉 = 〈n2l2m2|µ|n1l1m1〉〈ms2 |ms1〉

folgt, dass die Spinanderung gleich null ist.

Spinauswahlregel: ∆s = 0, ∆ms = 0da µ spinunabhangig ist.

Wir halten also folgende Auswahlregeln fest:

• ∆n = ±1,±2,±3, ...

• ∆l = ±1

• ∆m = 0 (z-polarisiert) ,±1 (x, y-polarisiert)

• ∆s = 0, ∆ms = 0

136

Page 137: Skript Quantenmechanik

9.3 Rotations- und Schwingungsspektren

Mehrelektronenatome

In diesem Fall gilt fur den Dipoloperator:

~µ = −ez∑i=1

~ri

Es gelten zunachst dieselben Auswahlregeln wie fur das H-Atom. Das sieht man, wenn man das Di-polubergangsmatrixelement fur Slaterdeterminanten betrachtet. Allerdings kommen noch folgende Aus-wahlregeln hinzu:

• ∆J = 0,±1

• ∆S = 0

• ∆L = 0,±1

9.3 Rotations- und Schwingungsspektren

9.3.1 Zweiatomige Molekule

Wir hatten die Großenordnungen der Energien fur Schwingungsanregungen (∆E ∼ 0, 1...10 kJmol ) und

der Rotationsanregungen (∆E ∼ 0, 01...1 kJmol ) bereits festgestellt. Ebenso wurde bereits erwahnt, dass

Schwingungs- und Rotationsspektren zur Untersuchung der Molekulstruktur genutzt werden. Wenn wirIR-Spektroskopie betreiben, um etwas uber die Molekulschwingungen zu lernen, werden nach den Ener-gieuberlegungen neben den Schwingungen auch die Rotationen angeregt. Um die grundsatzliche Vorge-hensweise bei der Beschreibung von Molekulschwingungen und -rotationen zu verdeutlichen, betrach-ten wir zunachst zweiatomige Molekule. Wie immer bei der Behandlung von Molekulen nutzen wirdie Born-Oppenheimer-Naherung, wobei wir jetzt so tun, als hatten wir die elektronische Schrodinger-Gleichung bereits gelost. Das bedeutet, dass wir die elektronische Energie Eel({R}) schon kennen bzw.als gegeben annehmen. Es bleibt also die Schrodinger-Gleichung fur die Kerne mit dem Hamiltonopera-tor:

Hk = Tk + Vkk + Eel({R}) = Tk + Veff ({R})

zu losen. Wir betrachten nun die fur die IR-Spektroskopie relevanten Energien und gehen davon aus,dass wir das Molekul weder zerstoren, noch in einen elektronisch angeregten Zustand bringen konnen.Den Hamiltonoperator schreiben wir als:

Hk = − ~2

2MA∆A −

~2

2MB∆B + V

(∣∣∣~RA − ~RB

∣∣∣) (9.13)

Dabei ist

∆A =∂2

∂X2A

+∂2

∂Y 2A

+∂2

∂Z2A

und ∆B ist analog definiert. Die Koordinaten von KernA sind alsoXA, YA und ZA. Um die entsprechen-de Schrodinger-Gleichung zu losen, separieren wir die Variablen. Wir fuhren hierzu sogenannte Massen-mittelpunktskoordinaten ~Rcm (cm fur center of mass; s.Abb.9.5) und Relativkoordinaten ~r = ~RA − ~RBein. Das Potential hangt nun nur von der Relativkoordinate ab, die durch

~r = ~RA − ~RB, also x = XA −XB, y = YA − YB, z = ZA − ZB

definiert ist. Die Massenmittelpunktskoordinate ist gegeben durch:

~Rcm =MA

M~RA +

MB

M~RB (9.14)

137

Page 138: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

A B

R

R

R

MM A B

A

cm

B

r

Abbildung 9.5: Skizze zur Veranschaulichung von Massenmittelpunktskoordinaten

mit M = MA +MB , also z.B.

Xcm =MA

MXA +

MB

MXB

Wir benotigen nun die Ableitungen:

∂XA=

∂Xcm

∂XA

∂Xcm+

∂x

∂XA

∂x=MA

M

∂Xcm+

∂x∂

∂XB=

∂Xcm

∂XB

∂Xcm+

∂x

∂XB

∂x=MB

M

∂Xcm− ∂

∂x

und die zweiten Ableitungen:

1MA

∂2

∂X2A

+1MB

∂2

∂X2B

=1MA

(MA

M

∂Xcm+

∂x

)2

+1MB

(MB

M

∂Xcm− ∂

∂x

)2

=(MA

M2+MB

M2

)∂2

∂X2cm

+(

1MA

+1MB

)∂2

∂x2

=1M

∂2

∂X2cm

+1µ

∂2

∂x2

mit der reduzierten Masseµ =

MAMB

M

Der Operator der kinetischen Energie hat somit (nach denselben Betrachtungen fur die x- und y-Kompo-nenten) folgende Form:

T = − ~2

2MA∆A −

~2

2MB∆B = − ~2

2M∆cm −

~2

2µ∆r

mit ∆cm = ∂2

∂X2cm

+ ∂2

∂Y 2cm

+ ∂2

∂Z2cm

und ∆r = ∂2

∂x2 + ∂2

∂y2+ ∂2

∂z2. Fur den Hamiltonoperator haben wir also:

H = Tcm + Trel + V (|~r|) (9.15)

Also konnen wir H als Summe von zwei unabhangigen Operatoren schreiben und dementsprechend istdie Wellenfunktion durch ein Produkt gegeben:

Ψ(~RA, ~RB

)= Ψcm

(~Rcm

)·Ψ(~r) (9.16)

138

Page 139: Skript Quantenmechanik

9.3 Rotations- und Schwingungsspektren

Betrachten wir nun die einzelnen Terme getrennt. Fur den Massenmittelpunkts-Term gilt:

TcmΨcm = − ~2

2M∆cmΨcm = EΨcm

Die Wellenfunktion ergibt sich als Losung der Schrodinger-Gleichung fur ein freies Teilchen:

Ψcm = Nei~k ~Rcm = NeikxXcm · eikyYcm · eikzZcm (9.17)

Die Massenmittelpunktsbewegung ist also einfach die (potentialfreie) Bewegung des gesamten Molekuls,die uns eigentlich nicht interessiert. Wir wollen ja die Bewegung der Kerne relativ zueinander untersu-chen und betrachten deshalb jetzt:

H = − ~2

2µ∆r + V (r) (9.18)

Dieser Operator hat genau dieselbe Form wie der Hamiltonoperator des Wasserstoffatoms, allerdings miteinem vollkommen verschiedenen Potentialterm. Zur Losung gehen wir zunachst wie beimH-Atom vor:Mit

∆r =1r

∂2

∂r2r − 1

r2~2L2

folgt fur den Hamiltonoperator:

H = − ~2

2µ· 1r

∂2

∂r2r +

L2

2µr2+ V (r)

Wir wissen, dass gilt: L2Yl,m = ~2l(l + 1)Yl,m und machen deshalb (wie beim H-Atom) den Separati-onsansatz:

Ψ(r, θ, ϕ) = R(r)YJ,M (θ, ϕ) (9.19)

Man beachte, dass wir die Quantenzahl hier mit J anstatt mit l bezeichnen, weil diese Bezeichnung inder Mikrowellenspektroskopie ublich ist. Es gilt also in diesem Zusammenhang:

L2YJ,M = ~2J(J + 1)YJ,M

Diesen Ansatz setzen wir in die Schrodinger-Gleichung ein und eliminieren YJ,M . Das liefert die ’Radi-algleichung’:

− ~2

2µ1r

∂2

∂r2(rR(r)) +

[~2J(J + 1)

2µr2+ V (r)

]R(r) = ErvR(r)

Wir formen dies mit Ψv(r) = rR(r) etwas um und erhalten:

− ~2

2µd2

dr2Ψv(r) + V (r)Ψv(r) +

~2J(J + 1)2µr2

Ψv(r) = ErvΨv(r) (9.20)

Dies ist die zu losende Differentialgleichung fur die Rotations-Schwingungsbewegung eines zweiatomi-gen Molekuls in allgemeiner Form.Ware V (r) beispielsweise ein Coulombpotential, ware die Gleichung losbar, allerdings handelt es sichim vorliegenden Fall bei V (r) um ein effektives, vom mittleren Abstand der Kerne abhangiges Potential,das ja von der Losung der elektronischen Schrodinger-Gleichung und insbesondere von der elektroni-schen Energie Eel(r) abhangt. Deshalb konnen wir Gl.(9.20) in der allgemeinen Form nicht losen.Wir mussen also moglichst sinnvolle Naherungen machen, um eine vernunftige Beschreibung der Schwin-gungsbewegung zu bekommen. Dazu gehen wir folgendermaßen vor. Die typische Form von V (r) ist inAbbildung 9.6 skizziert. Das Molekul wird also um den Gleichgewichtsabstand re schwingen. Wenn

139

Page 140: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Vharm(r-re)

Veff(r)

re

r

V (r)

Abbildung 9.6: Skizze zum effektiven Potential zweier gebundener Atome A und B

wir davon ausgehen, dass die Auslenkungen der Schwingungen klein sind, konnen wir eine Taylor-Entwicklung von V (r) um den Gleichgewichtsabstand vornehmen:

V (r) = V (re) + V ′(r)|re(r − re) +12V ′′(r)|re (r − re)2 + ...

Da wir die Entwicklung um das Minimum durchfuhren, gilt V ′(r)|re = 0 und wir erhalten:

V (r) ≈ V (re) +12k(r − re)2 + Vanh(r)∗ mit k = V ′′(r)|re

Wir nennen nun die Auslenkung q = r − re (und ddr = d

dq ) und finden fur die Schrodinger-Gleichung:(− ~2

2µd2

dq2+

12kq2

)Ψv(q) +

~2J(J + 1)2µ(re + q)2

Ψv(q) = (Erv − V (re)) Ψv(q)

Dabei haben wir den konstanten Term V (re) auf die rechte Seite gebracht. Das sieht fast so aus wiedie Schrodinger-Gleichung des Harmonischen Oszillators, allerdings steht im zweiten Term immer noch(re + q)2 im Nenner. Die Rotation hangt also immer noch von der Schwingung ab. Diese Kopplungmacht eine analytische Losung der Schrodinger-Gleichung immer noch unmoglich. Da wir aber nurkleine Auslenkungennn betrachten, konnen wir entwickeln:

1(re + q)2

=1r2e

− 2r2e

(q

re

)2

+ ...

Wir berucksichtigen jetzt nur den ersten Term und definieren das Tragheitsmoment

Ie = µr2e

Damit folgt: (−~2

2µd2

dq2+

12kq2

)Ψv(q) +

~2J(J + 1)2Ie

Ψv(q) = [Erv − V (re)] Ψv(q)

∗Vanh ergibt sich aus den hoheren Ableitungen, wird im Folgenden aber vernachlassigt.

140

Page 141: Skript Quantenmechanik

9.3 Rotations- und Schwingungsspektren

Wir schreiben die Schrodinger-Gleichung jetzt als:(− ~2

2µd2

dq2+

12kq2

)Ψv(q) = EΨv(q) mit E = Erv − V (re)−

~2J(J + 1)2Ie

Unter Vernachlassigung der Kopplung von Rotation und Schwingung erhalten wir also eine Schrodinger-Gleichung, die genau derjenigen fur einen harmonischen Oszillator entspricht. Die entsprechenden Ei-genfunktionen Ψv(q) sind in Kapitel 3.2 gegeben und fur die Energien haben wir:

E = ~ω0

(v +

12

); v = 0, 1, 2, ... und ω0 =

√k

µ

Aus der Gesamtenergie E ergibt sich Erv = ~ω0

(v + 1

2

)+ ~2J(J+1)

2Ie+ V (re). Da V (re) einfach eine

additive Konstante ist, definiert man Ev,J = Erv − V (re), d.h.

Ev,J = ~ω0

(v +

12

)+

~2

2IeJ(J + 1)

Außerdem definiert man die Rotationskonstante:

Be =~2

2Ie(9.21)

und hat somit:

Ev,J = ~ω0

(v +

12

)+BeJ(J + 1) (9.22)

Um ein Gefuhl fur die Großenordnung der relevanten Energien zu bekommen, sei das HCl-Molekulbetrachtet. Hierfur ist:

~ω0 ≈ 34, 5kJ

molbzw. ν0 = 2886cm−1 und Be ≈ 0, 13

kJ

molbzw. Be = 10, 6cm−1

Fur andere zweiatomige Molekule ist Be sogar eher noch kleiner. Das bedeutet, dass man die in Abb. 9.7skizzierte Situation hat: Die Rotationsniveaus zu einem Schwingungsniveau liegen recht dicht beieinan-

V J Ev,J Entartungv = 1 J = 1 E11 = E10 + 2 Be 3v = 1 J = 0 E10 = 3/2 h ω0 1

v = 0 J = 3 E03 = E00 + 12 Be 7v = 0 J = 2 E02 = E00 + 6 Be 5v = 0 J = 1 E01 = E00 + 2 Be 3v = 0 J = 0 E00 = 1/2 h ω0 1

Abbildung 9.7: Energieniveaus von Schwingungszustanden und jeweils daruberliegenden Rotations-zustanden

der, wahrend die Energieabstande zwischen den Schwingungsniveaus sehr viel großer sind.

141

Page 142: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Wenden wir uns nun der Frage der Auswahlregeln, d.h. der uberhaupt erlaubten Ubergange zu. Um einDipolubergangsmatrixelement zu berechnen, schreiben wir fur die Gesamtwellenfunktion Ψε,v,J,M =Ψ(el)ε · Ψ(k)

v,J,M in Born-Oppenheimer-Naherung. Dabei ist Ψ(el)ε die elektronische Wellenfunktion im

Zustand mit der elektronischen Quantenzahl ’ε’. Da die Kernwellenfunktion wiederum ein Produkt ausΨv(q) und YJM (θ, ϕ) ist, Ψ(k)

v,J,M = Ψv · YJM , haben wir fur das Ubergangsmatrixelement allgemein:

〈Ψ(el)ε1 Ψv1YJ1,M1 |µ|Ψ(el)

ε2 Ψv2YJ2,M2〉 =∫dτel

∫dτk

(Ψ(el)ε1 Ψv1YJ1,M1

)?· µ ·

(Ψ(el)ε2 Ψv2YJ2,M2

)=∫dτkΨ?

v1Y?J1,M1

[∫dτelΨ(el)?

ε1 µΨ(el)ε2

]Ψv2YJ2,M2

Da in der IR-Spektroskopie keine elektronischen Ubergange angeregt werden, weil die im elektrischenFeld vorkommendenn Frequenzen zu klein sind, brauchen wir den Fall ε1 6= ε2 nicht zu betrachten.Wir gehen weiter davon aus, dass das betrachtete Molekul im elektronischen Grundzustand vorliegt, denwir der Einfachheit halber mit ε = 0 bezeichnen. Wir haben also ε1 = ε2 = 0 und somit konnen wirschreiben:

〈Ψ(el)0 Ψv1YJ1,M1 |µ|Ψ

(el)0 Ψv2YJ2,M2〉 = 〈Ψv1YJ1,M1 |µ0|Ψv2YJ2,M2〉

Dabei istµ0 = 〈Ψ(el)

0 |µ|Ψ(el)0 〉 =

∫dτelΨ

(el)?0 µΨ(el)

0

das permanente Dipolmoment des Molekuls im elektronischen Grundzustand.

Wir halten also fest: es gibt nur Ubergange, falls das betrachtete Molekul ein permanentes Dipolmomentbesitzt.Um das relevante Matrixelement

〈Ψv1YJ1M1 |µ0|Ψv2YJ2M2〉 = 〈v1; J1M1|µ0|v2; J2M2〉

zu berechnen, entwickeln wir µ0:

µ0 = µ0(re) + µ′0(r)|re · qα + ...

Wie bei der Behandlung der Atomspektren mussen wir berucksichtigen, dass µ0 eine Komponente von~µ0 bedeutet, also µ0,x, µ0,y oder µ0,z . Dasselbe gilt also auch fur qα.

Dabei handelt es sich also um qx = q sin θ cosϕ, qy = q sin θ sinϕ oder qz = q cos θ, d.h. α = x, yoder z, je nach Polarisation des Lichts.Fur das Dipolubergangsmatrixelement erhalten wir also:

〈v1; J1M1|µ0|v2; J2M2〉 = 〈v1; J1M1|µ0(re)|v2; J2M2〉+ 〈v1; J1M1|µ′0(r)|re qα|v2; J2M2〉

Der erste Term liefert einfach, da µ0(re) eine Konstante ist,

〈v1; J1M1|µ0(re)|v2; J2M2〉 = µ0(re)δv1,v2δJ1,J2δM1,M2

Das bedeutet, dass sich der Zustand gar nicht andert, also kein Ubergang stattfindet.Der zweite Term ist gegeben durch

〈v1; J1M1|µ′0(r)|re qα|v2; J2M2〉 = µ′0(r)|re〈v1; J1M1|qα|v2; J2M2〉

Dafur konnen wir symbolisch schreiben:

〈v1; J1M1|qα|v2; J2M2〉 = 〈v1|q|v2〉〈J1M1

∣∣∣∣∣∣sin θ cosϕsin θ sinϕ

cos θ

∣∣∣∣∣∣ J2M2〉

142

Page 143: Skript Quantenmechanik

9.3 Rotations- und Schwingungsspektren

wobei naturlich je nach Polarisation jeweils die entsprechende Komponente relevant ist. Die entspre-chenden Auswahlregeln kennen wir schon aus der Behandlung der Atomspektren (da wurde ’J’ mit ’l’bezeichnet), d.h.:

∆J = ±1 und ∆M = 0 (z-Polarisation) , ∆M = ±1 (x, y-Polarisation)

Außerdem liefert 〈v1|q|v2〉 die Auswahlregel ∆v = ±1.Fur µ′0(r)|re = 0 verschwindet das Matrixelement vollig und ergibt keine Ubergange. Das bedeutet, dasssich das permanente Dipolmoment mit der Auslenkung andern muss.

Als Auswahlregelna erhalten wir also zusammenfassend:

• das Molekul muss ein permanentes Dipolmoment besitzen (µ0 6= 0)

• das Dipolmoment muss sich mit der Auslenkung andern (µ′0(re) 6= 0)

• ∆J = ±1

∆M = 0 fur z-Polarisation und ∆M = ±1 fur x- oder y-Polarisation

• ∆v = ±1aDiese Auswahlregeln gelten nur unter Vernachlassigung der Anharmonizitat und der Zentrifugaldehnung (s.spater)

Es fehlen uns nun noch die moglichen Frequenzen (∆E). Wir stellen uns hierbei die Frage, wie großdie Anderung der Energie zwischen zwei Zustanden ist. Aus den Auswahlregeln folgt fur die moglichenUbergange:

Ev,J → Ev+1,J±1 und Ev,J → Ev−1,J±1

Die Frequenzen, bei denen es Ubergange gibt, sind also charakterisiert durch:

Ev+1,J+1 − Ev,J = ~ω0 + 2Be(J + 1)Ev+1,J−1 − Ev,J = ~ω0 − 2BeJ

Es ergeben sich aquidistante Linien mit dem Abstand 2Be.Daraus laßt sich also experimentell die Rotationskonstante Be und somit das Tragheitsmoment Ie er-

mitteln. In der Spektroskopie bezeichnet man die Ubergange mit ∆J = +1 als R-Zweig und diejenigenmit ∆J = −1 als P-Zweig.

In der Realitat sind die Linien nur naherungsweise aquidistant. Der Grund dafur besteht hauptsachlich inzwei Effekten, die wir in unserer Beschreibung vollig vernachlassigt haben, namlich,

• die Anharmonizitaten, die aus hoheren Termen der Entwicklung von V (r), also Vanh ∼ a3q3 +

a4q4 + ...., bestehen

• die Zentrifugaldehnung, die sich aus hoheren Termen der Entwicklung 1(re+q)2

= 1r2e− 2r2e

(qre

)2+

... ergibt

Beide Effekte konnen im Rahmen der zeitunabhangigen Storungsrechnung berucksichtigt werden. Dar-auf gehen wir aber an dieser Stelle nicht weiter ein.

9.3.2 Schwingungen mehratomiger Molekule

Bei den meisten Anwendungen der IR-Spektroskopie in der Chemie hat man es mit komplexen Mo-lekulen in Losung zu tun. In diesem Fall konnen die Molekule aufgrund der Wechselwirkung mit den

143

Page 144: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Losungsmittelmolekulen nicht mehr frei rotieren und man beobachtet normalerweise reine Schwingungs-spektren. Wie bei der Behandlung zweiatomiger Molekule gehen wir vom Hamiltonoperator fur die Ker-ne in Born-Oppenheimer-Naherung aus:

Hk = Tk + V ({R}) mit V ({R}) = Vkk + Eel({R})

wobei wir wieder die elektronische Schrodinger-Gleichung als schon gelost betrachten. Die Kern-Kern-Wechselwirkung Vkk ist jetzt die Summe aller Vij der Kerne i und j. Die elektronische Energie Eel({R})ist naturlich eine sehr komplizierte Funktion aller Koordinaten aller Kerne, {R}. Wir haben es hier furN Kerne mit 3N Koordinaten zu tun, namlich pro Kern die drei kartesischen Koordinaten xi, yi und zi.Die Koordinaten, die zur vollstandigen Beschreibung eines physikalischen Problems benotigt werden,bezeichnet man als Freiheitsgrade. Es stellt sich nun die Frage, bei wie vielen der 3N Koordinaten essich um Schwingungsfreiheitsgrade handelt. Fur die Massenmittelpunktsbewegung:

~Rcm =N∑k=1

Mk

M~Rk

mit M =∑

kMk erhalten wir drei Freiheitsgrade, die mit der Schwingung nichts zu tun haben. Da sichein dreidimensionales Molekul um drei Raumachsen drehen kann und ein lineares Molekul um zwei,bedeutet das, dass wir drei bzw. zwei Rotationsfreiheitsgrade zu berucksichtigen haben.Fur die Zahl der Schwingungsfreiheitsgrade f bleibt also:

f = 3N − 6 dreidimensionale Molekule

f = 3N − 5 lineare Molekule

So besitzt H2O z.B. 3N − 6 = 3 Schwingungsfreiheitsgrade, CO2 dagegen vier. Fur eine großere An-zahl von Schwingungsfreiheitsgraden erhalten wir relativ komplexe Hamiltonoperatoren. Die Losung istdennoch moglich, denn V ({R}) besitzt ein absolutes Minimum (ware dem nicht so, ware das Molekulnicht stabil). Zur Losung benutzen wir wieder die Taylor-Entwicklung und betrachten kleine Auslen-kungen ∆~Rk = ~Rk − ~Reqk aus der Gleichgewichtskonfiguration, die durch die ~Reqk charakterisiert ist.Hierbei erhalten wir die Koordinaten ∆~R1,∆~R2, ...,∆~Rn = ∆x1,∆y1,∆z1, ...,∆xn,∆yn,∆zn. Wirandern die Bezeichnung fur die Auslenkungen aus der Gleichgewichtskonfiguration:

u1 = ∆x1, u2 = ∆y1, u3 = ∆z1, ..., u3N−2 = ∆xN , u3N−1 = ∆yN , u3N = ∆zN

und schreiben jetzt fur das Potential V (~R1, ..., ~RN ) = V (u1, ..., u3N ), da V nur von den Kernabstandenabhangt. Wir entwickeln V (u1, ..., u3N ) jetzt um die Gleichgewichtskonfiguration V (u1 = 0, ..., u3N =0) = V (0):

V (~R1, ..., ~RN ) = V (0) +3N∑k=1

∂V

∂uk

∣∣∣∣∣0

uk +12

∑k,l

(∂2V

∂uk∂ul

)∣∣∣∣∣∣0

ukul + ...

Dabei bedeuten die Indizes ’0’, dass die Ableitungen am Punkt u1 = 0, u2 = 0, . . ., u3N = 0 zuberechnen sind. Wir wissen bereits, dass V (0) konstant ist und setzen im folgenden V (0) = 0. Weitergilt:

• ∂V∂uk

∣∣∣0

= 0, weil V (0) ein Minimum besitzt.

• ∂2V∂uk∂ul

∣∣∣0

= kk,l mit der Kraftkonstanten kk,l

144

Page 145: Skript Quantenmechanik

9.3 Rotations- und Schwingungsspektren

Wir schreiben alsoV ' 1

2

∑k,l

kk,lukul

und erhalten damit in harmonischer Naherung:

H = Tk + V =∑k

(− ~2

2Mk

∂2

∂u2k

)+

12

∑k,l

kk,lukul (9.23)

Dieser Hamiltonoperator sieht zunachst sehr komplex aus, da die verschiedenen Auslenkungen uber dieKraftkonstanten kk,l gekoppelt sind. Insbesondere hat H nicht die Form einer Summe von unabhangigenOperatoren.Allerdings kann H in eine solche Form gebracht werden, in dem man Linearkombinationen der Auslen-kungen betrachtet. Diese Linearkombinationen bezeichnet man als Normalkoordinaten (Anmerkung:Die Tatsache, dass eine solche Normalkoordinatentransformation moglich ist, macht man sich auch inder klassischen Untersuchung kleiner Schwingungen zunutze. In der Mathematik kann man zeigen, dasseine solche Transformation fur einen Hamiltonoperator der Form (9.23), in dem die verschiedenen Aus-lenkungen linear gekoppelt sind, immer moglich ist.)

Wir werden hier nicht auf die Details der Normalkoordinatentransformation eingehen, sondern nur dieVorgehensweise angeben:

1. Wir fuhren massegewichtete Koordinaten ein

qk =√Mk · uk (9.24)

mit uk = 1√Mkqk und ∂2

∂u2k

= Mk · ∂2

∂q2k. Dies hat den Vorteil, dass sich die Massen aus den

Operatoren fur die kinetische Energie (∝ 1Mk

) eliminieren lassen:

H =∑k

(−~2

2∂2

∂q2k

)+

12

∑k,l

Kk,lqkql

mit Kk,l = ∂2u∂qk∂ql

∣∣∣0

= kl,k√MkMl

als Kraftkonstante.

2. Wir fuhren Normalkoordinaten als Linearkombinationen der massegewichteten Koordinaten ein:

Qi =∑k

Cki · qk (9.25)

und gehen mit diesem Ansatz in die Schrodinger-Gleichung. Es ergeben sich Gleichungen fur dieKoeffizienten, die so bestimmt werden, dass wir eine Summe unabhangiger Hamiltonoperatorenerhalten. Als Resultat erhalten wir:

H =3N∑k=1

(−~2

2∂2

∂Q2i

+12ω2iQ

2i

)und ω2

i =∂2V

∂Q2i

∣∣∣∣0

also:

H =3N∑i=1

Hi mit Hi = −~2

2∂2

∂Q2i

+12ω2iQ

2i (9.26)

Von den ωi sind sechs bzw. funf gleich null, ωi = 0, namlich drei fur die Translation und drei(zwei) fur die Rotation. Fur ωi = 0 bleibt nur der erste Term ubrig (das Ergebnis entspricht derkinetischen Energie).

145

Page 146: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Die Normalkoordinaten Qi sind ’komplizierte’ Funktionen der qi(ui). Um die Qi als Funktion der qi zubestimmen, muss man das entsprechende lineare Gleichungssystem losen, worauf wir hier nicht weitereingehen wollen. Wichtig ist, dass man zeigen kann, dass es eindeutige nichttriviale Losungen diesesGleichungssystems gibt. Als ein Beispiel fur Normalkoordinaten sind in Abbildung 9.8 die drei Normal-schwingungen fur Wasser skizziert. Bei der Losung der Bestimmungsgleichung fur die Cki macht man

O O O

H HH HH H

Q : symmetrischeStreckschwingung

Q : symmetrische Q : assymmetrische

Biegeschwingung Streckschwingung1 2 3

Abbildung 9.8: die drei Vibrationsfreiheitsgrade beim H2O-Molekul

sich in der Praxis die Symmetrien der Molekulstrukturen zunutze und klassifiziert die Normalschwin-gungen auch gemaß ihres Symmetrieverhaltens. Dazu wendet man Satze der Gruppentheorie an. Auchdarauf soll hier nicht weiter eingegangen werden.

Wir gehen jetzt von der Form (9.26) fur H aus und rekapitulieren kurz die Losung, vgl. Kap.3.2. DieSchrodinger-Gleichung ist

HΨvib = EΨvib mit H =3N−6∑k=1

Hk

Wir haben hier die Translations- und Rotationsfreiheitsgrade nicht weiter berucksichtigt.Die Wellenfunktion ist also ein einfaches Produkt:

Ψvib(Q1, Q2, ..., Q3N−6) =∏i

Ψvi(Qi) = Ψv1(Q1)Ψv2(Q2)...Ψ3N−6(Q3N−6)

wobei die Ψvi(Qi) = NviHvi(Qi)e− Q2

i2 mit Qi =

√ωi~ Qi sind. Fur die Energie gilt E =

∑iEi mit den

Energien der harmonischen Oszillatoren:

Ei = ~ωi(vi +

12

)mit vi = 0, 1, 2, ...

Jetzt uberlegen wir uns die Auswahlregeln, wobei wir wie beim zweiatomigen Molekul vorgehen. Wirentwickeln den Dipoloperator im elektronischen Grundzustand als Funktion der Normalkoordinaten:

µ0 = µeq0 +3N−6∑i=1

∂µ0

∂Qi

∣∣∣∣∣0

Qi + ... (9.27)

Damit finden wir fur das Ubergangsdipolmatrixelement :

〈v′1, v′2, ..., v′3N−6|µ0|v1, v2, ..., v3N−6〉 = 〈v′1, ..., v′3N−6|µeq0 |v1, ..., v3N−6〉

+∑i

∂µ0

∂Qi|0〈v′1, v′2, ..., v′3N−6|Qi|v1, v2, ..., v3N−6〉

= µeq0 δv′1,v1 ...δv′3N−6,v3N−6

+∑i

∂µ0

∂Qi

∣∣∣∣∣0

δv′1,v1 ...δv′i−1,vi−1· 〈v′i|Qi|vi〉 ·

·δv′i+1,vi+1...δv′3N−6,v3N−6

146

Page 147: Skript Quantenmechanik

9.3 Rotations- und Schwingungsspektren

Im letzten Term haben wir berucksichtigt, dass |v1, v2, ..., v3N−6〉 = |v1〉|v2〉...|v3N−6〉 ein Produktzu-stand ist, vgl. den Ausdruck fur Ψvib, und Qi nur auf |vi〉 wirkt. Außerdem haben wir die Orthogonalitatder Zustande |vk〉 genutzt, d.h. 〈v′k|vk〉 = δv′k,vk

.Wie bei der Behandlung zweiatomiger Molekule liefert der erste Term gar keinen Ubergang. Das bedeu-tet auch hier, dass sich das Dipolmoment mit der Normalkoordinate andern muss, damit der entsprechen-de Ubergang im IR-Spektrum auftritt, d.h.:

∂µ0

∂Qi

∣∣∣∣0

6= 0

Das Matrixelement 〈v′i|Qi|vi〉 liefert als Auswahlregel ∆vi = ±1.

Als Beispiel betrachten wir ein CO2-Molekul. Fur die symmetrische Streckschwingung gilt ∂µ0

∂Q1

∣∣∣0

= 0(lineares Molekul), diese ist also nicht IR-aktiv. Die asymmetrische Streckschwingung dagegen liefert∂µ0

∂Q2

∣∣∣06= 0, das Dipolmoment andert sich also und diese Schwingung ist IR-aktiv.

Auswahlregeln fur die Schwingungsubergange mehratomiger Molekule

• Das Dipolmoment muss sich mit der Normalkoordinate andern(∂µ0

∂Qi

∣∣∣06= 0)

• Fur jede Mode Qi gilt bezuglich der Schwingungsquantenzahlen: ∆vi = ±1

Fur Strukturanalysen vermittels der IR-Spektroskopie macht man sich zunutze, dass verschiedene funk-tionelle Gruppen organischer Molekule oftmals Schwingungsfrequenzen in engen Frequenzbereichenbesitzen. Man bezeichnet solche Frequenzen als charakteristische Gruppenfrequenzen. Zum Beispielschwingt eine CH3-Gruppe relativ unabhangig vom Rest eines Molekuls. Grunde fur das Auftreten cha-rakteristischer Gruppenfrequenzen sind beispielsweise:

• Atome oder ’starre’ Gruppen mit verschiedenen Massen

• Gruppen mit stark unterschiedlichen Bindungskraften

• Gruppen mit sehr unterschiedlichen Geometrien (Verzweigungen, ’Knicke’,...)

Im Folgenden sind einige Beispiel aufgefuhrt.Da Mehrfachbindungen meist schwach an Einfachbindungen ’koppeln’, liegen die Streckschwingungenin engen Frequenzbereichen. Es gilt in etwa fur die Frequenzbereiche:

Nitrile ∼ 2200− 2300 cm−1

Alkine ∼ 2100− 2160 cm−1

Alkene ∼ 1600− 1680 cm−1

Ketone ∼ 1700− 1750 cm−1

Die Kopplung unterschiedlicher Molekulteile wird durch schwere Atome ’blockiert’. So ergibt sich furdie C-H-Streckschwingung bei

Alkanen ∼ 2800− 3000 cm−1

Alkenen ∼ 3000− 3100 cm−1

Alkinen ∼ 3300 cm−1

Fur viele charakteristische Gruppenfrequenzen gibt es sehr detaillierte Tabellenwerke, die man zur Struk-turanalyse verwendet.

147

Page 148: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

9.4 Optische Spektroskopie

Die Optische Spektroskopie arbeitet mit elektronischen Ubergangen im UV-VIS-Bereich, also mit typi-schen Frequenzen im Bereich von:

ν ∼ 104 − 5 · 104cm−1 mit ∆E ∼ 100− 500kJ

mol

Auch die optische Spektroskopie wird in den meisten Anwendungen in Flussigkeiten durchgefuhrt.Dabei wird haufig die Schwingungsstruktur noch aufgelost, wahrend die Rotationen wie in der IR-Spektroskopie nicht beobachtet werden konnen. Wir haben es hier mit Energien zu tun, bei denen elek-tronische Ubergange vom elektronischen Grundzustand in einen elektronisch angeregten Zustand statt-finden.

Zur theoretischen Beschreibung gehen wir - wieder - von der Beschreibung des Molekuls in Born-Oppenheimer Naherung aus. Allerdings mussen wir jetzt unterschiedliche effektive Potentiale fur dieKernbewegung im Grundzustand (v0) und im (ersten) angeregten Zustand (v1) betrachten:

V0({R}) = Vkk + E(0)el ({R}) (9.28)

V1({R}) = Vkk + E(1)el ({R}) (9.29)

Die Potentiale V0({R}) und V1({R}) sind normalerweise verschieden.Als ein instruktives Beispiel fur recht unterschiedliche V0 und V1 soll das Acetylenmolekul betrachtet

werden. Es ist bekannt, das dieses Molekul im Grundzustand linear ist (wie man es als Chemiker fur eineC-C-Dreifachbindung erwarten wurde). Im elektronisch angeregten Zustand liegt es dagegen in einergewinkelten Form vor und weist eine cis-trans-Isomerie auf (s. Abb. 9.9).

C CH H Grundzustand

C CH

H

C CHH

trans

cis

angeregte Zustände

Abbildung 9.9: Grundzustand und angeregter Zustand beim Acetylen

Betrachtet man zweiatomige Molekule, so laßt sich feststellen, dass der Gleichgewichtsabstand im ange-regten elektronischen Zustand normalerweise großer als im Gundzustand ist: r(1)

e > r(0)e . Diese Tatsache

kann man qualitativ anhand des MO-Schemas verstehen. Im angeregten Zustand wird oft ein antibinden-des Molekulorbital besetzt, das die chemische Bindung destabilisiert und deshalb ist der Gleichgewichts-abstand im angeregten Zustand großer als im elektronischen Grundzustand.

Wir halten also fest: meist ist die Molekulstruktur im angeregten Zustand verschieden von der Strukturim Grundzustand.

Wenn wir nun einen elektronischen Ubergang vom Grundzustand in den niedrigsten angeregten Zustandbetrachten wollen, so mussen wir diese Geometrieanderung des Molekuls berucksichtigen. Die Frageist also, was passiert mit der Kernkonfiguration im Falle eines elektronischen Ubergangs? Wir hattenschon bei der Begrundung fur die Born-Oppenheimer Naherung diskutiert, dass sich die Elektronen sehrviel schneller bewegen als die Kerne. Deshalb ist es naheliegend, diese Tatsache auch jetzt zu nutzen.

148

Page 149: Skript Quantenmechanik

9.4 Optische Spektroskopie

Wir konnen also davon ausgehen, dass die sich Kernkonfiguration bei einem elektronischen Ubergangzunachst nicht andert. Es wird eine Zeit dauern, bis die Kerne ’merken’, dass ein Ubergang stattgefundenhat und sie als Folge davon das effektive Potential V1 ’sehen’ statt V0 im elektronischen Grundzustand.Die Kernkonfiguration wird sich also relativ langsam auf diese Potential ’einstellen’.Man bezeichnet einen elektronischen Ubergang, bei dem sich die Kernkonfiguration nicht andert als ver-tikalen Ubergang. Diese Situation ist in Abbildung 9.10 fur eine zweiatomiges Molekul dargestellt. DiePotentialkurve V1(r) hat ihr Minimum r

(1)e bei einem großeren Kernabstand als die Potentialkurve des

elektronischen Grundzustandes V0(r). Durch den Pfeil ist angedeutet, dass ein elektronischer Ubergangbei festem Kernabstand stattfindet und somit nicht im Minimum von V1 ’endet’. Wenn man komplexere

v = 0

V

r

v = 1v = 2

v = 3

v’ = 0

v’ = 2v’ = 3

v’ = 1

r e(1)(0)

er

Abbildung 9.10: Vertikaler Ubergang vom elektronischen Grundzustand in einen angeregten Zustand

Molekule betrachtet, laßt sich ein solcher vertikaler Ubergang nicht mehr so leicht graphisch verdeutli-chen. Man macht aber auch im allgemeinen Fall die Annahme, dass man es mit vertikalen Ubergangenzu tun hat. Das ist die Annahme des

Franck-Condon-Prinzip Die Kernkonfiguration nach einem elektronischen Ubergang ist dieselbewie davor und andert sich erst danach.

Wir bezeichnen die Schwingungsquantenzahlen im elektronischen Grundzustand mit v und diejenigen imelektronisch angeregten Zustand mit v′. Bei Raumtemperatur liegen Molekule meist im elektronischenGrundzustand und im Schwingungszustand vor, d.h. v = 0.

Man bezeichnet die Ubergange vom elektronischen Grundzustand in den elektronisch angeregten Zu-stand, bei denen sich die Schwingungsquantenzahl andert, als vibronische Ubergange.Da die Wellenfunktion in Born-Oppenheimer-Naherung durch das Produkt Ψel

ε Ψv gegeben ist, bezeich-net man diese Zustande als vibronische Zustande. (Das gilt auch, wenn man die Born-Oppenheimer-Naherung fallenlaßt.) Dabei haben wir die Rotationszustande YJM gar nicht mehr berucksichtigt, da wirdavon ausgehen, dass sie in Losung keine Rolle spielen.

149

Page 150: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Um mogliche Auswahlregeln zu finden, untersuchen wir nun das Dipolubergangsmatrixelement (wirbeschranken uns also wieder auf elektrische Dipolubergange.)Dazu schreiben wir den Dipoloperator als

µ = −e∑i

~ri + e∑k

Zk ~Rk = µ(el)({r}) + µ(k)({R}) (9.30)

Fur die Wellenfunktion haben wir in Born-Oppenheimer-Naherung:

elektronischer Grundzustand: Ψ(el)0 ({r}, {R})Ψv({R})χ0(S,MS)

angeregter Zustand: Ψ(el)1 ({r}, {R})Ψv′({R})χ1(S′,M ′S)

Hierbei haben wir auch die ’Spinfunktionen’ des Grundzustandes (χ0(S,MS)) und des angeregten Zu-standes (χ1(S′,M ′S)) berucksichtigt, da sich der Gesamtspin bei einem elektronischen Ubergang ja sehrwohl andern kann (z.B. bei einem Singulett-Triplett-Ubergang von S = 0 nach S′ = 1).Das Ubergangsdipolmatrixelement schreiben wir also als:

〈Ψ(el)1 Ψv′χ1|µ|Ψ(el)

0 Ψvχ0〉 (9.31)

Der Dipoloperator beinhaltet keinen Spin, wir finden also:

〈Ψ(el)1 Ψv′χ1|µ|Ψ(el)

0 Ψvχ0〉 = 〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ|Ψ

(el)0 Ψv〉〈χ1|χ0〉

= 〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ|Ψ

(el)0 Ψv〉〈χ1(S′,M ′S)|χ0(S,MS)〉

= 〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ|Ψ

(el)0 Ψv〉δS′,SδM ′S ,MS

Damit finden wir also die Spinauswahlregel:

∆S = 0 , ∆MS = 0.

In unserer Naherung wurde das heißen: es gibt keine Phosphoreszenz (Singulett-Triplett-Ubergange sindverboten; s.spater).

Mit (9.30) fur den Dipoloperator gilt also:

〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ|Ψ

(el)0 Ψv〉 = 〈Ψ(el)

1 Ψv′ |µ(el)|Ψ(el)0 Ψv〉+ 〈Ψ(el)

1 Ψv′ |µ(k)|Ψ(el)0 Ψv′〉

Wir betrachten die beiden Terme jetzt nacheinander. Fur das Matrixelement des Kerndipoloperators ha-ben wir:

〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ(k)|Ψ(el)

0 Ψv〉 =∫dτk

∫dτel

[Ψ(el)

1 ({r}, {R})Ψv′({R})]?µ(k)({R}) ·

·Ψ(el)0 ({r}, {R})Ψv({R})

=∫dτkΨv′({R})?µ(k)({R})Ψv({R}) ·

·∫dτelΨ

(el)1 ({r}, {R})?Ψ(el)

0 ({r}, {R})

Dabei gilt

〈Ψ(el)1 |Ψ

(el)0 〉 =

∫dτelΨ

(el)1 ({r}, {R})?Ψ(el)

0 ({r}, {R}) = 0

150

Page 151: Skript Quantenmechanik

9.4 Optische Spektroskopie

unabhangig von der Kernkonfiguration {R}, weil die Wellenfunktionen verschiedener elektronischerZustande als Losung der elektronischen Schrodinger-Gleichung orthogonal bzgl. der elektronischen Ko-ordinaten sind. Die Wellenfunktionen hangen ja lediglich parametrisch von den Kernkoordinaten {R}ab. Es folgt also:

〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ(k)|Ψ(el)

0 Ψv〉 = 0 (9.32)

Das Kerndipolmoment liefert also keinen Beitrag.Betrachten wir nun den elektronischen Teil:

〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ(el)|Ψ(el)

0 Ψv〉 =∫dτkΨv′({R})? · µ

(el)10 ({R}) ·Ψv({R})

wobei wirµel10({R}) =

∫dτelΨ

(el)1 ({r}, {R})? µ(el) ({r}) Ψ(el)

0 ({r}, {R})

definiert haben. µel10({R}) ist ein Operator bezuglich der Kernkonfiguration {R}, da die elektronischenWellenfunktionen parametrisch von {R} abhangen. Wenn man die Abhangigkeit von {R} berucksichti-gen mochte, geht man so vor, wie wir es bei der Behandlung der Schwingungsspektren gemacht haben,man fuhrt eine Taylor-Entwicklung von µ(el)

10 ({R}) durch. Da wir uns hier nur auf die wichtigsten Bei-trage beschranken wollen, vernachlassigen wir die {R}-Abhangigkeit von µ(el)

10 ({R}) der Einfachheithalber vollstandig und schreiben:

µel10({R}) ' µel10

Damit haben wir also fur das Matrixelement in dieser Naherung:

〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ(el)|Ψ(el)

0 Ψv〉 ' µ(el)10 〈Ψv′ |Ψv〉 (9.33)

Dabei bezeichnet man〈Ψv′ |Ψv〉 = Sv′,v (9.34)

als Franck-Condon-Faktor.An dieser Stelle ist es ganz wichtig, sich klar zu machen, dass die Franck-Condon-Faktoren den Uber-lapp zwischen den Schwingungszustanden im elektronischen Grundzustand, |Ψv〉, und denjenigen imelektronisch angeregten Zustand, das sind die |Ψv′〉, angeben.Wurde es sich um Schwingungszustande im selben elektronischen Zustand handeln, so waren dieseZustande orthogonal. Das gilt hier nicht! Da die Sv′,v die Uberlappungsintegrale fur die Schwingungs-zustande in verschiedenen Kernkonfigurationen und somit verschiedenen Potentialen (v : V0({R}),v′ : V1({R})) sind, liefern die Franck-Condon-Faktoren auch keine Auswahlregeln, sondern lediglichzusammen mit anderen Faktoren die Intensitat des entsprechenden Ubergangs.

Betrachten wir als ein konkretes Beispiel den sogenannten 0→0-Ubergang fur ein zweiatomiges Mo-lekul, vgl. Abb. 9.11. Das ist der Ubergang vom Schwingungsgrundzustand (v = 0) des elektronischenGrundzustandes in den Schwingungsgrundzustand (v′ = 0) des elektronisch angeregten Zustandes.Der Einfachheit halber nehmern wir außerdem an, dass die Schwingungsfrequenzen ω im elektronischenGrundzustand und im elektronisch angeregten Zustand identisch sind.Das bedeutet, wir nehmen an, dass der einzige Unterschied in der harmonischen Naherung fur V0(R) undV1(R) im unterschiedlichen Gleichgewichtsabstand liegt. Wenn wir mit Q die Auslenkung im elektroni-schen Grundzustand bezeichnen, so ist hier die Schwingungswellenfunktion im Schwingungsgrundzu-stand gegeben durch:

Ψ0(Q) =(απ

) 14e−αQ

2/2 mit α =mω

~Im elektronisch angeregten Zustand mussen wir berucksichtigen, dass die Auslenkung bezuglich r(1)

e =r

(0)e + ∆r zu betrachten ist. Als Funktion von Q gilt dann:

Ψ0′(Q) =(απ

) 14e−α(Q−∆r)2/2

151

Page 152: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Damit finden wir fur den Franck-Condon-Faktor:

S0′,0 =(απ

) 12

∫dQe−αQ

2/2 · e−α(Q−∆r)2/2 = e−α∆r2/4

v = 0

v’ = 0

∆ r

V

r

r eer (1)(0)

Abbildung 9.11: Vertikaler Ubergang vom Zustand v = 0 zum Zustand v′ = 0

An diesem einfachen Beispiel sieht man schon, dass die Intensitat stark von ∆r abhangt.

Zusammenfassend konnen wir also fur das Dipolubergangsmatrixelement schreiben:

〈Ψ(el)1 Ψv′ |µ|Ψ

(el)0 Ψv〉 ' Sv′,v〈Ψ

(el)1 |µ

(el)|Ψ(el)0 〉

Dabei liefert 〈Ψ(el)1 |µ(el)|Ψ(el)

0 〉 die sogenannten ’Orbitalauswahlregeln’, die normalerweise mit der Sym-metrie der Orbitale zusammenhangen.

Eine wichtige Auswahlregel laßt sich allerdings noch formulieren, namlich die Paritatsauswahlre-gel. Da ~µ ungerade ist, muss eine der beiden Funktionen gerade und die andere ungerade sein, damitdas Ubergangsmatrixelement von Null verschieden ist. (symbolisch: 〈u|u|g〉 6= 0, 〈g|u|u〉 6= 0, aber〈u|u|u〉 = 〈g|u|g〉 = 0).

Wir haben also fur elektronische Dipolubergange folgende Auswahlregeln:

• Spinauswahlregel: ∆S = 0

• Paritatsauswahlregel:Anderung der Paritat bei elektronischen Dipolubergangen.

• Orbitalauswahlregeln: uber 〈Ψ(el)1 |µ(el)|Ψ(el)

0 〉

Wir haben vorne schon gesehen, dass ∆S = 0 bedeutet, dass im Rahmen unserer Naherungen keinePhosphoreszenz auftreten kann. Deshalb soll der Begriff ’verbotene Ubergange’ noch etwas genauerbetrachtet werden.Da die Intensitat eines Ubergangs nach Fermis ’goldener Regel’ (9.6) proportional zum Quadrat des

152

Page 153: Skript Quantenmechanik

9.4 Optische Spektroskopie

Dipolubergangsmatrixelements ist (I ∼ |Sv′v|2|〈Ψ(el)1 |µ(el)|Ψ(el)

0 〉|2), hangt diese Intensitat stark vonden Naherungen ab, die in der Berechnung gemacht werden. Um ein Gefuhl zu bekommen, wie ernst dieoben angegebenen Auswahlregeln in der optischen Spektroskopie zu nehmen sind, sind in der folgendenTabelle einige typische Zahlen zusammmengestellt.

Bedingungen rel. Intensitaterlaubte Ubergange 1 (willkurlich)spinverbotene Ubergange 10−5 − 10−3

paritatsverbotene Ubergange 10−2 − 10−1

Man sieht daran, dass beispielsweise ’Spinverbote’ ernster zu nehmen sind als Paritatsauswahlregeln.

Bezeichnung der MolekulzustandeNeben der Klassifizierung der Molekulzustande aufgrund ihrer Symmetrie wahlt man haufig folgendesSchema. Bei mehratomigen Molekulen ist der Grundzustand allermeistens ein Singulett-Zustand undwird deshalb mit S0 bezeichnet. Man bezeichnet dann recht allgemein die hoher liegenden Singulett-Zustande mit S1, S2, ... und die Triplett-Zustande mit T1, T2 etc.Ein typisches Energieniveauschema ist in Abbildung 9.12 gezeigt. Oftmals hat man die angedeuteteenergetische Reihenfolge E(S0) < E(T1) < E(S1). Dabei ist normalerweise E(T1) < E(S1), dadiese beiden Zustande zur gleichen Konfiguration gehoren und - analog zu Atomen (vgl. erste HundscheRegel) - der Triplettzustand energetisch gunstiger ist.

S

S

S

T

T

0

1

2

2

1

Abbildung 9.12: Singulett- und Triplettzustande

Neben der Absorption sind die wichtigsten elektronischen Ubergange mit der Emission eines Photonsaus einem angeregten elektronischen Zustand verbunden. Einen Ubergang von S1 nach S0 fuhrt zu Fluo-reszenz, wahrend ein T1→S0-Ubergang zur Phosphoreszenz fuhrt. Allerdings ist dieser Ubergang nachunseren bisherigen Uberlegungen verboten, da sich dabei die Spinquantenzahl S andert (∆S = 1).Deshalb soll nun untersucht werden, wie es zur Phosphoreszenz kommt.

Singulett-Triplett-Ubergange

Fur einen solchen Ubergang benotigen wir einen Mechanismus, der fur eine Mischung von Singulett- undTriplettzustanden sorgt. Wir kennen diesen Mechanismus schon von der Behandlung komplexer Atome.

153

Page 154: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Es handelt sich dabei um die Spin-Bahn-Kopplung:

HSB = −∑i

gi(r) ~Si ~Li (9.35)

Um das Prinzip des Mechanismus der Phosphoreszenz zu erlautern, betrachten wir zunachst als Beispiel

3

(1 ) (1 ) 4 2gu

*ππ

94 kJ / mol

1

1

156 kJ / mol

Σ

Σ

Abbildung 9.13: Singulett- und Triplettzustande fur O2

dasO2-Molekul, fur welches die Zustande in Abbildung 9.13 dargestellt sind. Dabei genugt es fur unsereUberlegungen, die z-Komponente von HSB zu betrachten, wobei wir uns auf die beiden Valenzelektro-nen beschranken:

HSB,z = −g1Sz1Lz1 − g2Sz2Lz2 (9.36)

Wendet man HSB,z auf den Zustand |3Σ〉 an, so findet man:

HSB,z|3Σ〉 ∼ |1Σ〉

wie man sich leicht verdeutlichen kann, indem man die expliziten Ausdrucke fur die Zustande einsetzt.Man sieht also, dass HSB in der Tat fur eine Mischung von Singulett- und Triplettzustanden sorgt.Diese ’Beimischung’ des Singulett-Zustandes kann man im Rahmen der Storungsrechnung erster Ord-nung quantitativ angeben. Fur den Zustand in erster Orndung Storungsrechnung, |3Σ〉(1), findet man:

|3Σ〉(1) = |3Σ〉+〈3Σ|HSB|1Σ〉

E (3Σ)− E (1Σ)|1Σ〉 (9.37)

Wir verallgemeinern diese Ergebnisse jetzt auf den Fall beliebiger Singulettzustande |Sn〉, n = 0, 1, 2, ...und einen Triplettzustand |T1〉. Die Wellenfunktion des Triplettzustandes ist in erster Ordnung Storungs-rechnung:

|ΨT1〉 = |T1〉(1) = |T1〉+∑n

〈Sn|HSB|T1〉E (T1)− E (Sn)

|Sn〉 (9.38)

Wir berechnen nun das Dipolubergangsmatrixelement, indem wir den Ubergang vom elektronischenGrundzustand |S0〉 in den Triplettzustand |ΨT1〉 betrachten, 〈S0|µ|ΨT1〉. Das bedeutet, wir benutzen furden Triplettzustand den Zustand in erster Ordnung Storungsrechnung bezuglich HSB:

〈S0|µ|ΨT1〉 = 〈S0|µ|T1〉+ 〈S0|µ∑n

....

= 0 +∑n

〈Sn|HSB|T1〉E (T1)− E (Sn)

〈S0|µ|Sn〉

154

Page 155: Skript Quantenmechanik

9.4 Optische Spektroskopie

Dabei verschwindet 〈S0|µ|T1〉 aufgrund der Spinauswahlregel. Die Matrixelemente 〈S0|µ|Sn〉 sind al-lerdings endlich.Meistens ist der dominierende Term in der Summe derjenige mit n = 1, das heißt:

〈S0|µ|ΨT1〉 '〈S1|HSB|T1〉

E (T1)− E (S1)〈S0|µ|S1〉

da fur großere n der Energienenner E(T1) − E(Sn) groß wird und somit der Beitrag zur Summe klein.Desweiteren haben wir schon gesehen, dass g(r) ∼ Z2 gilt, das heißt: schwere Atome begunstigenPhosphoreszenz.

Typische Prozesse in Losung:

Nachdem wir nun gezeigt haben, dass Phosphoreszenz durchaus moglich ist, wollen wir Absorptions-und Emissionsvorgange in Losung etwas genauer untersuchen. Fuhren wir einer in einem Losungsmittelgelosten Substanz Energie (der richtigen Frequenz) zu, so wird diese Energie absorbiert. Hierbei findeein elektronischer Ubergang vom Grundzustand |S0, v = 0〉 nach |S1, v

′〉 statt. Dabei bezeichnen wievorne die v die Schwingungsquantenzahlen im S0-Zustand, die v′ diejenigen im S1-Zustand. Ein solcherUbergang fuhrt normalerweise in einen S1-Zustand mit großer Schwingungsquantenzahl v′, s. Abb. 9.14(A).Befindet sich das Elektron nun im angesprochenen Zustand, so findet normalerweise nicht direkt Fluores-zenz statt, sondern eine sogenannte Schwingungsrelaxation. Das Elektron geht vom Zustand |S1, v

′〉 inden Zustand |S1, v

′ = 0〉 uber, wobei die freiwerdende Energie auf die Losungsmittelmolekule ubertra-gen wird. Dieser Ubergang ist strahlungslos und wird als Schwingungsrelaxation bezeichnet. Um etwasuber die Dauer dieses Vorganges aussagen zu konnen, ist die Einfuhrung einer Zeitskala τ sinnvoll, wel-che proportional zum Kehrwert der Ubergangsrate ist

(τ ∼ 1

Wkl

). Typische Zeitskalen fur die Schwin-

gungsrelaxation liegen in der Großenordnung von 10−11...10−9s.Ausgehend vom |S1, v

′ = 0〉- Zustand gibt es verschiedene, konkurrierende Prozesse, die im Detail vonden Eigenschaften des Farbstoffes und des Losungsmittels abhangen:

1. Fluoreszenz

Es findet ein Ubergang von |S1, v′ = 0〉 nach |S0, v groß〉 und anschließende Schwingungsrelaxa-

tion statt (Ubergang in |S0, v′ = 0〉). Fur die Zeitskala gilt: τf ∼ 10−4...10−8s. Bei schnell ablau-

fender Fluoreszenz kann es also passieren, dass man bei einer Messung Absorption und Emissiongleichzeitig aufnimmt.

2. Alternativen zur Fluoreszenz

• Strahlungsloser ZerfallHierbei kommt es zu einem Ubergang |S1, v

′ = 0〉 nach |S0, v riesig〉, welcher als InternalConversion bezeichnet wird. Es findet nur Schwingungsrelaxation statt, keine Emission. DieZeitskala ist abhangig vom Losungsmittel. Internal Conversion kann aber schneller ablaufenals Fluoreszenz.• Intersystem Crossing

bezeichnet einen Ubergang |S1, v′ = 0〉 nach |T1, vT groß〉, wonach Schwingungsrelaxati-

on stattfindet. Die Zeitskala ist abhangig von der Zahl der schweren Atome. Vom Zustand|T1, vT = 0〉 aus findet anschließend Phosphoreszenz, d.h. der Ubergang |T1, vT = 0〉 nach|S0, v groß〉 statt, nachfolgend wiederum Schwingungsrelaxation (|S0, v groß〉 → |S0, v =0〉). Die Zeitskala betragt: τp ∼ 10−4 − 102s.

Dies sind die typischen Ubergange, wie sie auch im sogenannten Jablonski-Diagramm (Abbildung 9.14)dargestellt sind. Moglich ware daruberhinaus naturlich auch Intersystem Crossing und anschließend In-ternal Conversion, usw..

155

Page 156: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

IC

ISC

P

S

S

A F

T1

1

0

SchwingungsrelaxationFluoreszenz (F), Phosphoreszenz (P)Absorbtion (A), Internal Conversion (IC)Intersystem Crossing (ISC)

Abbildung 9.14: Jablonski-Diagramm fur die angesprochenen Ubergange

9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR)

Heute spielt die NMR-Spektroskopie (NMR: nuclear magnetic resonance) in der Chemie eine herausra-gende Rolle. Insbesondere zur Strukturaufklarung hat sich die NMR in den allermeisten Fallen als dieuberlegene Methode gegenuber anderen Arten von Spektroskopie erwiesen.Das gilt insbesondere fur die Bestimmung der Struktur von in Losung vorliegenden Molekulen.In diesem Kapitel sollen die einfachsten Grundlagen der NMR-Spektroskopie erlautert werden, wobeihier schon festzuhalten ist, dass eine detaillierte Diskussion den Rahmen dieser Vorlesung sprengenwurde.

Grundlage fur die NMR-Spektroskopie ist die Tatsache, dass viele Atomkerne ein nichtverschwindendesmagnetische Moment haben, das mit einem endlichen Kernspin I 6= 0 verbunden ist:

~µI = γ~I (9.39)

mit dem gyromagnetischen Verhaltnis γ und dem Kernspinoperator ~I . Da man es in der Chemie haufigmit organischen Molekulen zu tun hat, sollen hier die in diesem Zusammenhang wichtigsten Kerne be-trachtet werden, also z.B.:

1H I = 12

13C,15N,19 F,31 P, ... I = 12

2H I = 1

Mit Abstand der meistgenutzte Kern in der NMR-Spektroskopie ist 1H , da er in fast allen chemischrelevanten Verbindungen vorkommt. Deshalb beschranken wir uns in allen folgenden Uberlegungen auf

156

Page 157: Skript Quantenmechanik

9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR)

den Fall I = 12 .

Die Kernspinzustande |I,m〉 sind wie ublich als Eigenzustande von I2 und Iz zu verstehen, da es sichum Drehimpulszustande handelt. Da wir uns im Folgenden mit einem Kernspin I = 1/2 beschaftigenwerden, schreiben wird abkurzend fur die Zustande |I = 1/2,m = ±1/2〉:

|+〉 := |I = 1/2,m = +1/2〉|−〉 := |I = 1/2,m = −1/2〉

(Man findet auch andere abkurzende Bezeichnungen, wie z.B. |α〉 und |β〉 in Analogie zu den Spin-zustanden eines Elektrons.)

Um die Grundlagen der NMR-Spektroskopie zu diskutieren, betrachten wir eine Probe mit vielen Pro-tonen (in der Großenordnung 1 mol), die wir in ein homogenes Magnetfeld ~B0 bringen. Die Wechsel-wirkung eines Magnetfeldes mit einem Kernspin ergibt sich - vollig analog wie bei der Wechselwir-kung eines Elektronenspins - uber die Ausrichtung des magnetischen Moments nach Gl.(9.39) mit demFeld: H = −~µI · ~B. Wir wahlen dieses Feld nun parallel zur z-Achse, das bedeutet fur die Zeeman-Wechselwirkung:

Hz = −µI,zB0 = −γB0Iz (9.40)

Um die Energien der Zustande im Feld zu berechnen, nutzen wir, dass gilt:

Iz|+〉 =~2|+〉 und Iz|−〉 = −~

2|−〉

Damit findet man

E+ = 〈+|Hz|+〉 = −γB0~2

und E− = 〈−|Hz|−〉 = γB0~2

und die ’Außerdiagonalmatrixelemente’ verschwinden, das heißt: 〈+|Hz|−〉 = 〈−|Hz|+〉 = 0, weil |+〉und |−〉 Eigenzustande von Iz sind. Wir bekommen also vollkommen analog zum Elektron eine in Ab-

E

B z

E+

E

Abbildung 9.15: NMR-Spektroskopie: Aufspaltung der Kernzustande in einem Magnetfeld

bildung 9.15 dargestellte Aufspaltung mit ∆E = E− −E+ = ~γB0. Die sogenannte Larmorfrequenzist definiert als:

ω0 = γB0 (9.41)

Fur Protonen hat man furB0 = 2, 349 Tesla eine Larmorfrequenz von ω0 = 2π·100MHz = 2π·108s−1.Typische NMR-Spektrometer arbeiten im Bereich von 8-10 Tesla, das entspricht etwa 400-600 MHz.

157

Page 158: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Um Spektroskopie zu betreiben, legen wir jetzt zusatzlich zu dem statischen B0-Feld ein Wechselfeld inx-Richtung an. Der entsprechende Hamiltonoperator ist:

H1(t) = −γBxIx cos(ωt) = −ωxIx cos(ωt)

mit ωx = γBx. Die Wechselwirkung mit diesem Feld gibt Anlaß zu magnetischen Dipolubergangenzwischen den beiden Energieniveaus, wobei die Intensitaten nach Fermis Goldener Regel (9.6) durch dieMatrixelemente 〈+|Ix|−〉 = 〈−|Ix|+〉 = ~

2 bestimmt sind.Die Ubergangsfrequenz ist gerade die Larmorfrequenz (vgl. Abb. 9.16)

ω+,− =E− − E+

~= ω0

I

ωω0

Abbildung 9.16: Die fur Dipolubergange notige Frequenz entspricht der Larmorfrequenz

Allgemein hat man folgende Auswahlregeln, die vollig analog zu denjenigen der Rotationsspektroskopie(vgl. Kapitel 9.3 ) ermittel werden.Der Dipoloperator µx = γIx korrespondiert zu I = 1, deshalb liefert Ix|I,m〉 nach der Clebsch-Gordan-Reihe die Werte I + 1, I, I − 1, da wir hier die Spinquantenzahlen I1 = 1 (Dipoloperator) mit I2 = I(Zustand |I,m〉) koppeln mussen. Das bedeutet, dass fur die Matrixelemente 〈I ′,m′|Ix|I,m〉 gilt:

∆I = 0,±1 (9.42)

Analog geht man vor, um die ’m-Auswahlregeln’ zu bestimmen. Da µx sich verhalt wie die Kugel-flachenfunktionen Y1,±1, verhalt sich Ix wie m = ±1 und man hat fur das Matrixelement symbolisch〈m′| ± 1|m〉 = δm′,m±1 und somit:

∆m = ±1 (9.43)

An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass ∆I = ±1 naturlich nur fur gekoppelte Spinsystemerelevant ist, da der Kernspin I eine Kerneigenschaft ist.

NMR-Spektren in Flussigkeiten

In vielen fur die Chemie relevanten NMR-Untersuchungen werden Molekule in Losung betrachtet. Dashat fur die Beschreibung den Vorteil, dass einige im Festkorper wichtige Wechselwirkungen aufgrundder schnellen Bewegungen der Molekule ’herausgemittelt’ werden. Sie mussen deshalb nicht weiterbetrachtet werden. Ein wichtiges Beispiel ist die Dipol-Dipol-Wechselwirkung, die von der relativenOrientierung der magnetischen Momente abhangt, und sich in etwa wie das Skalarprodukt der Momente~µA ·~µB verhalt. Das Skalarprodukt hangt vom Winkel zwischen den beiden Vektoren ~µA ·~µB ∼ cos θ ab.Die schnelle molekulare Bewegung sorgt dafur, dass θ innerhalb sehr kurzer Zeit alle moglichen Werteθ ∈ [0, π] annimmt und man nur den Mittelwert cos θ = 0 beobachtet.

158

Page 159: Skript Quantenmechanik

9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR)

Ahnliche Argumente gelten auch fur andere Wechselwirkungen, worauf hier aber nicht naher eingegan-gen werden soll.

Die wichtigsten verbleibenden Wechselwirkungen in Flussigkeiten sind:

• die chemische Verschiebung

• die (skalare) Spin-Spin-Kopplung

Wir wollen diese beiden Wechselwirkungen nun naher untersuchen.

Chemische Verschiebung

Betrachten wir ein Molekul im außeren MagnetfeldB0, so ’sehen’ die Atomkerne nicht das gesamte Feld,sondern nur einen Teil davon. Der Grund hierfur liegt in der Tatsache, dass auch die Elektronen mit demFeld wechselwirken und daher einen Teil des Feldes abschirmen. Dieser Effekt der Abschirmung durchdie Elektronen hangt stark von der elektronischen Struktur und somit von der raumlichen Position einesbetrachteten Kerns im Molekul ab. Man berechnet die Große dieser Abschirmeffekte in der theoretischenChemie. Fur die Strukturaufklarung mit Hilfe der NMR ist es wesentlich, dass die Abschirmung von derchemischen Umgebung eines betrachteten Kerns bestimmt wird.

Die Abschirmung wird in der Beschreibung von NMR-Spektren durch eine sogenannte Abschirmkon-stante σ charakterisiert und man fuhrt zusatzlich zu Hz den Hamiltonoperator der chemischen Verschie-bung (cs.: chemical shift) ein:

Hcs = ω0σIz (9.44)

Der Gesamthamiltonoperator ist also die Summe:

H = Hz + Hcs = −ω0Iz + ω0σIz = −ω0(1− σ)Iz

Nehmen wir als Beispiel ein 2 Protonen-System, mit den Protonen 1 und 2. Dafur haben wir:

H = H1 + H2 = −ω0 (1− σ1) Iz1 − ω0 (1− σ2) Iz2 = −ω1Iz1 − ω2Iz2

wobei ωi = ω0(1− σi), i = 1, 2.Fur dieses System haben wir insgesamt vier Zustande, namlich:

|Ψ1〉 = |+,+〉 ; |Ψ2〉 = |+,−〉 ; |Ψ3〉 = |−,+〉 ; |Ψ4〉 = |−,−〉

Dabei bedeutet |+,+〉 einfach das Produkt |+〉1|+〉2. |+〉1 bezieht sich dabei auf Proton 1 und |+〉2 aufProton 2.Betrachten wir die Anwendung von Iz auf einen der Zustande, so gilt beispielsweise:

Iz1 |Ψ1〉 = Iz1 |+,+〉 =(Iz1 |+〉1

)|+〉2 =

(~2|+〉1

)|+〉2 =

~2|Ψ1〉

da Iz1 nicht auf |+〉2 wirkt. Fur die Wirkung von Iz2 gelten analoge Beziehungen.Ebenso berechnet man die Wirkung von H auf die Zustande, explizit:

H|Ψ1〉 = −ω1Iz1 |+,+〉 − ω2Iz2 |+,+〉 = −~2

(ω1 + ω2) |Ψ1〉

H|Ψ2〉 = −ω1Iz1 |+,−〉 − ω2Iz2 |+,−〉 = −~2

(ω1 − ω2) |Ψ2〉

H|Ψ3〉 = −ω1Iz1 |−,+〉 − ω2Iz2 |−,+〉 = −~2

(−ω1 + ω2) |Ψ3〉

H|Ψ4〉 = −ω1Iz1 |−,−〉 − ω2Iz2|−,−〉 =~2

(ω1 + ω2) |Ψ4〉

159

Page 160: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

Die Zustande |Ψk〉, k = 1, ..., 4 sind also Eigenzustande des Hamiltonoperators und wir erhalten somitdie Energien Ek:

E1 = −~2

(ω1 + ω2) ; E2 = −~2

(ω1 − ω2) ; E3 = −~2

(−ω1 + ω2) ; E4 =~2

(ω1 + ω2)

s. Abb.(9.17).

E

E , E

E

1

2 3

4

σ > σ = 0

− h / 2 ( ω + ω )1 2

1 2

σ = 0

− h / 2 (ω − ω )1 2

h / 2 ( ω − ω )1 2

h / 2 ( ω + ω )1 2

Abbildung 9.17: Energieaufspaltung fur die chemische Verschiebung eines Zweiprotonensystems

Um die erlaubten Frequenzen ωk,l = (Ek − El) /~ im NMR-Spektrum zu berechnen, mussen wir die’∆m = ±1-Auswahlregel’ berucksichtigen.In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden m-Werte gelistet:

Zustand m1 m2 M

Ψ112

12 1

Ψ212 −1

2 0Ψ3 −1

212 0

Ψ4 −12 −1

2 −1

Das bedeutet, dass die Ubergange |Ψ1〉 → |Ψ2〉, |Ψ1〉 → |Ψ3〉 und |Ψ2〉 → |Ψ4〉, |Ψ3〉 → |Ψ4〉 erlaubtsind. Die entsprechenden Ubergangsfrequenzen sind einfach:

ω43 = ω21 = ω2 = ω0(1− σ2) und ω42 = ω31 = ω1 = ω0(1− σ1)

Wir erhalten dementsprechend zwei Linien: eine bei der Frequenz ω1 und eine bei ω2. Fur den Abstanddieser Linien gilt: ω2 − ω1 = ω0 (σ1 − σ2), die Differenz der Abschirmkonstanten. Man sieht daran,dass man die relative chemische Verschiebung aus dem Linienabstand ermitteln kann. Das wird nochdeutlicher, wenn man eine Auftragung wahlt, in der eine Frequenz gar nicht auftritt. Man definiert eineneue Frequenzskala ω = ω − ω2. Dann gilt: ωkl = ωkl − ω2, also ω43 = ω21 = ω2 − ω2 = 0und ω42 = ω31 = ω1 − ω2. Man definiert weiter die chemische Verschiebung als die Differenz derAbschirmkonstanten,

δ = σ1 − σ2

160

Page 161: Skript Quantenmechanik

9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR)

−ω δ0ω~

0

Abbildung 9.18: Auftragung der chemischen Verschiebung mit ω = ω − ω2

Das heißt: im Spektrum gibt es eine Linie bei ω = 0 und eine bei ω42 = ω31 = −ω0δ (s.Abb.9.18). DieseAbhangigkeit der Frequenzen von der relativen chemischen Verschiebung macht man sich in der (orga-nischen) Chemie zunutze. Man wahlt eine Probe mit einer von derjenigen der zu messenden Substanzhinreichend unterschiedlichen chemischen Verschiebung als Referenz (zumeist wird hier TMS (Tetra-methylsilan) genutzt) und definiert die chemische Verschiebung durch:

δ = σ − σTMS (9.45)

wobei man - wie im obigen Beispiel - die Frequenzskala auf σTMS bezieht. Die Angabe der chemischenVerschiebung geschieht normalerweise in 106δ (ppm). Das ist sinnvoll, weil die Verschiebungen etwain diesen Großenordnungen liegen. Fur Protonen findet man typischerwiese ω0δ . 10−3s−1. Fur eineLarmorfrequenz von ω0 = 2π ·100MHz ' 1, 6 ·109s−1 ∼ 109s−1 ist also 106 ·δ in der Großenordnungvernunftiger Zahlen (0,1...10).

Typische Werte fur 1H sind (das Proton sei dabei an die jeweilige Gruppe gebunden):

Gruppe δppm rel. zu TMS

Methylgruppe gebunden an sp3- hybridisiertes C- Atom 0,6-1,1Methylgruppe gebunden an sp2- hybridisiertes C- Atom 1,5-2,1Methylgruppe gebunden an sp- hybridisiertes C- Atom 1,7-2,1

Methylgruppe gebunden an Phenylrest 2,0-2,8Vinylgruppe 4,4-5,9

Solche typischen Werte fur chemische Verschiebungen sind fur sehr viele Strukturbausteine und Mo-lekule tabelliert zu finden und liefern detaillierte Informationen uber die chemische Struktur einer unter-suchten Substanz.

Diese Werte sind aber nicht die einzigen Informationen, die uns ein NMR-Spektrum liefert. Charakte-ristisch fur Gruppen, wie sie in der Tabelle angegeben sind, sind daruberhinaus Signale, welche aus derSpin-Spin-Kopplung resultieren.

Spin-Spin-Kopplung

Bei dieser Wechselwirkung handelt es sich um eine uber die Elektronen vermittelte Kopplung der mag-netischen Momente von zwei Atomkernen 1 und 2. Qualitativ kann man diese Wechselwirkung anhanddes folgenden schematischen Bildes verstehen.

Die Wechselwirkung zwischen einem Kernspin und einem Elektron ist von der Form ∼ ~I1 · ~S1, wobei~I der Kernspin und ~S der Elektronenspin ist. In einem MO ’merkt’ das andere Elektron diese Wechsel-wirkung, da die Elektron-Elektron-Wechselwirkung dadurch modifiziert wird und der Effekt wird von

161

Page 162: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

diesem Elektron gemaß ~I2 · ~S2 auf den anderen Kernspin ubertragen.Somit werden die beiden betrachteten Kernspins ’uber die Elektronen’ gekoppelt.

Der entsprechende Hamiltonoperator wird geschrieben als:

HJ = J ~I1 · ~I2 (9.46)

Dabei ist das Skalarprodukt

~I1 · ~I2 = Ix1 · Ix2 + Iy1 · Iy2 + Iz1 · Iz2

und J ist die skalare Spin-Spin-Kopplungskonstante. J hangt sehr sensibel von der elektronischenStruktur des betrachteten Molekuls ab und liefert deshalb wichtige Strukturinformationen zusatzlich zurchemischen Verschiebung.Typische Werte der skalaren Spin-Spin-Kopplungskonstanten sind |J | ∼ 10Hz, wobei J auch negativsein kann.

Wenn man HJ berucksichtigt, sind die vorne angegebenen Zustande |Ψk〉 keine Eigenzustande vonH = Hz + Hcs + HJ . Das liegt daran, dass die Terme JIx1 Ix2 und JIy1 Iy2 die Zustande mischen. Esgilt Ix|+〉 = ~

2 |−〉 und deshalb beispielsweise

Ix1 Ix2 |Ψ1〉 = Ix1 Ix2 |+,+〉 =~2

4|−,−〉 =

~2

4|Ψ4〉

Allerdings haben wir vorne gesehen, dass ω0δ ∼ 106 ist und deshalb ω0δ � |J | gilt.Wir konnen deshalb HJ in Storungsrechnung berucksichtigen, indem wir folgende Aufteilung des Ha-miltonoperators vornehmen:

H0 = Hz + Hcs = −ω1Iz1 − ω2Iz2

H1 = HJ

Wir berechnen die Energiekorrekturen in erster Ordnung Storungsrechnung, das heißt:

E(1)k = 〈Ψk|HJ |Ψk〉 (9.47)

Die Terme JIx1 Ix2 und JIy1 Iy2 tragen hierzu nicht bei, da sie die |Ψk〉 mischen, wie oben gezeigt(〈Ψk|Ix1 Ix2 |Ψk〉 = 〈Ψk|Iy1 Iy2 |Ψk〉 = 0). Es bleibt also mit E(1)

k = J〈Ψk|Iz1 Iz2 |Ψk〉:

Iz1 Iz2 |Ψ1〉 =~2

4|Ψ1〉 → E

(1)1 =

~2

4J

Iz1 Iz2 |Ψ2〉 = −~2

4|Ψ2〉 → E

(1)2 = −~2

4J

Iz1 Iz2 |Ψ3〉 = −~2

4|Ψ3〉 → E

(1)3 = −~2

4J

Iz1 Iz2 |Ψ4〉 =~2

4|Ψ4〉 → E

(1)4 =

~2

4J

Die berechneten Energiekorrekturen sind Korrekturen erster Ordnung, bei denen sich die Auswahlregelnnicht andern. Erst in zweiter Ordnung Storungsrechnung erfolgt eine Mischung der Zustande, also eineAnderung der Auswahlregeln.

Fur die Frequenzen erhalten wir:

ω43 = ω2 +~2J ; ω21 = ω2 −

~2J

ω42 = ω1 +~2J ; ω31 = ω1 −

~2J

162

Page 163: Skript Quantenmechanik

9.5 Kernmagnetische Resonanz (NMR)

ω

ω ω ωω

ω

h J h J

31 42 21 43

1 2ω

Abbildung 9.19: NMR-Spektrum fur ein System aus zwei Protonen, chem. Abschirmkonstanten σ1, σ2,Spin-Spin-Kopplungskonstante J

Wir finden also eine Aufspaltung der Dubletts. Das entsprechende Spektrum erkennen wir in Abbildung9.19.Mit Hilfe dieser charakteristischen Spin-Spin-Kopplungmuster sowie der chemischen Verschiebung istes moglich Molekul(gruppen) mit der NMR-Spektroskopie hervorragend zu identifizieren.

Wenn man mehrere Spins betrachtet, werden die Spektren immer komplizierter, am Prinzip des hierbetrachteten einfachsten Falls andert sich aber nichts. Man kann die verschiedenen Kopplungskonstantenaus den Spektren extrahieren und wieder mit typischen Werten, die auch katalogisiert sind, vergleichen.Auch die Linienmuster alleine lassen mit etwas Erfahrung schon sehr detaillierte Strukturaussagen zu.

163

Page 164: Skript Quantenmechanik

9 Grundlagen der Spektroskopie

164

Page 165: Skript Quantenmechanik

Index

Atomspektren, 7, 72, 134Auswahlregel

Gesamtdrehimpuls-, 135Laporte-, 135Spin-, 136

Auswahlregeln, 125, 142, 143Axiome

Newton’sche, 6

Bindungsordnung, 112Bohrscher Atomradius, 48Born-Oppenheimer-Naherung, 97, 105, 106Bosonen, 73, 81

charakteristische Gruppenfrequenzen, 147chemische Verschiebung, 159Clebsch-Gordan-Reihe, 76

de Broglie Beziehung, 12Dirac’sche Deltafunktion, 132, 133Dirac-Schreibweise, 67Doppelspalt

Beugung am, 11Doppelspaltexperiment, 11Dreiecksregel, 76

Eigenfunktion, 20, 23Eigenwert, 20, 44, 57

gleichung, 20Einteilchenfunktion, 84Elektronische Anregung, 133Entartung, 36, 57, 71, 72Erhaltungsgroßen, 66Erwartungswert, 26

Fermionen, 73, 81Fermis ”goldene Regel“, 132Fluoreszenz, 155Franck-Condon-Faktor, 151Freiheitsgrade, 144

Schwingungs-, 33Funktionen

Kugelflachen-, 43

operatorwertige, 56

Gyromagnetisches Verhaltnis, 71

Harmonischer Oszillator, 29Hilbertraum, 60Hookesches Gesetz, 29Hund’sche Regeln, 90Huygenssches Prinzip, 11

IntegralCoulomb-, 103Resonanz-, 103Uberlappungs-, 102, 109

Interferenz, 11Internal Conversion, 155Intersystem Crossing, 155

Jablonski-Diagramm, 155

Knoten, 24Kommutator

Rechenregeln, 57Konfiguration, 85, 90, 96Koordinaten

massegewichtete, 145Massenmittelpunkts-, 137Normal-, 145Polar-, 37, 39Relativ-, 137

Kopplungjj-, 92LS-, 91Russell-Saunders, 91Spin-Bahn -, 91Spin-Spin-, 159, 161

Korrespondenzprinzip, 24, 32Kraftgesetz, 6Kreisfrequenz, 14Kroneckerdelta, 25

Lamb-Shift, 94Larmorfrequenz, 158Linearkombination, 19

165

Page 166: Skript Quantenmechanik

Index

Materie, 6Matrixelement, 68Mechanik, 6

klassische, 5Mikrozustande, 89Multiplizitat, 88, 90

Normierungder Wellenfunktion, 22

Normierungsfaktor, 31Nullpunktsenergie, 22, 35

Observable, 61, 64kompatible, 64komplementare, 65

Operatoradjungierter, 58Definition, 20der kinetischen Energie, 21Drehimpuls-, 40Hamilton-, 16, 20, 41, 46, 65, 79Hermitescher, 58Impuls-, 20, 40Laplace-, 38, 41Linearer, 55linearer, 55, 57Vektor-, 70

Orbital, 50Orts-, 73Spin-, 73

Orthogonalitat, 35, 39Orthonormalsystem, 59

Pauli-Prinzip, 79, 81Photoelektrischer Effekt, 9Planck’sches Wirkungsquantum, 10Polarkoordinatentransformation, 42Polynome

Hermite, 31Laguerre, 48Legendre, 44

PostulatSymmetrisierungs-, 80

Postulateder Quantenmechanik, 60Newton’sche, 6

effektives Potential, 139Potentialtopf, 21

Quantenzahl, 23Drehimpulsquantenzahl, 49

gute, 67Hauptquantenzahl, 49magnetische, 49Nebenquantenzahl, 49

Radioaktiver Zerfall (α-Zerfall, 29Rayleigh-Ritz-Verfahren, 101reduzierte Masse, 47Relativitatstheorie, 6Rotation, 37Rotationskonstante, 141Rydbergkonstante, 7

Sakulardeterminante, 103Scanning Tunelling Microscope (STM), 29Schrodingergleichung

zeitabhangige, 15zeitunabhangige, 65

Schwingungsrelaxation, 155Separation der Variablen, 34Serie

Balmer, 50Lyman, 50

Slaterdeterminante, 82Spektroskopie

IR-, 133Mikrowellen-, 133, 139NMR-, 156, 163Optische, 133, 148UV-VIS, 133

Spin, 69Standardabweichung, 26Stern-Gerlach-Versuch, 70Strahlung, 6Streckschwingung, 147Superpositionsprinzip, 19

Teilchenfreies, 19im Kasten, 21

Termsymbol, 114Termsymbole, 87Tragheitsmoment, 38Tunneleffekt, 27Tunnelstrom, 29

Ubergangvertikaler, 149

UbergangeSingulett-Triplett-, 153

Ubergangsdipolmatrixelement, 146, 150

166

Page 167: Skript Quantenmechanik

Index

Ubergangsraten, 132Unscharfe, 25

VariableOrts-, 73Spin-, 73

Variationsprinzip, 99Variationsverfahren, 99

Wahrscheinlichkeit, 61, 62, 80Wahrscheinlichkeitsdichte, 23Welle, 11

Materie-, 12, 13stehende, 14, 20

Welle-Teilchen-Dualismus, 9Wellenfunktion, 15

Einelektronen-, 73Wellentheorie, 6Wellenvektor, 14Wellenzahl, 133

Zeemanneffekt, 71Zeitskala, 155

167

Page 168: Skript Quantenmechanik

Index

168

Page 169: Skript Quantenmechanik

Abbildungsverzeichnis

2.1 exp. Aufbau zur Untersuchung des photoelektrischen Effekts . . . . . . . . . . . . . . . 92.2 Verhaltnis: Intensitat↔ Spannung beim photoelektrischen Effekt . . . . . . . . . . . . . 102.3 Skizze zur Veranschaulichung des Gangunterschieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.4 Interferenzmuster fur die Beugung am Doppelspalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.5 Interferenzmuster von C60-Molekulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.1 ungebundener Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.2 gebundener Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.3 eindimensionaler Potentialtopf; Teilchen im Kasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.4 eindimensionaler Potentialtopf: Darstellung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit |Ψn|2 und

der Wellenfunktion Ψn fur verschiedene Quantenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.5 eindimensionaler Potentialtopf: Aufenthaltwahrscheinlichkeit bei n= unendlich; klassi-

sche Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243.6 eindimensionaler Potentialtopf: zwei Wellenfunktionen unterschiedlicher Quantenzahl

und deren Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.7 Potentialverteilung beim Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283.8 Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens beim Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . 283.9 Scanning Tunelling Microscope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.10 Harmonischer Oszillator: Darstellung der Wellenfunktion und der Aufenthaltswahrschein-

lichkeit fur verschiedene Quantenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.11 Skizzierte Aufenthaltswahrscheinlichkeit fur den klassischen harm. Oszillator . . . . . . 323.12 Schwingungsfreiheitsgrade fur H2O . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.13 zweidimensionale Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373.14 Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten (zweidimensional) . 373.15 dreidimensionaler starrer Rotator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423.16 Skizze zur Beziehung zwischen kartesischen und Polarkoordinaten (dreidimensional) . . 423.17 Energieschema zum dreidimensionalen starren Rotator . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443.18 dreidimensionaler starrer Rotator: Darstellung der Wahrscheinlichkeitsdichte . . . . . . 453.19 dreidimensionaler starrer Rotator: grafische Darstellung von Wahrscheinlichkeitsdichten

fur verschiedene Kugelflachenfunktionen Yl,m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.20 Skizze zur Darstellung von dV in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.21 H- Atom: Skizze zum effektiven quantenzahlabhangigen Potential . . . . . . . . . . . . 483.22 Energieniveauschema fur das H- Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503.23 H-Atom: Auftragung der Radialfunktionen fur verschiedene Quantenzahlen . . . . . . . 513.24 Skizze zum Vergleich der radialen VerteilungsfunktionR2

n,l(r)·r2 mit der RadialfunktionRn,l(r) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

3.25 1s-Orbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.26 pz-Orbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.27 py-Orbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

4.1 Basis im zweidimensionalen Vektorraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594.2 Skizze zum 3. Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

169

Page 170: Skript Quantenmechanik

Abbildungsverzeichnis

5.1 Der Stern-Gerlach-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705.2 Zeemann-Effekt: Kraftwirkung auf Elektronen in verschiedenen Zustanden in einem Ma-

gnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715.3 Skizze zur Dreiecksregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

6.1 Systeme mit mehreren Elektronen: He- Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796.2 Veranschaulichung der Zentralfeldnaherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836.3 Zentralfeldnaherung: Skizze zur Aufhebung der n2- fachen Entartung . . . . . . . . . . 856.4 Aufspaltung der Zustande fur dasC-Atom unter Berucksichtigung der e−-e−-Wechselwirkungen 916.5 Atomzustande unter Berucksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim C-Atom . . . . . 936.6 Korrelation zwischen LS- und jj-Kopplung fur die Elemente der IV. Hauptgruppe . . . 946.7 Berucksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung beim H-Atom . . . . . . . . . . . . . . . . 94

7.1 zweiatomiges Molekul; Kerne A,B mit Massen MA,MB und Kernladungszahlen ZA, ZB 957.2 Born-Oppenheimer-Naherung: parametrische Abhangigkeit zwischen Elektronen- und

Kernpositionen: Hamiltonoperatoren fur zwei verschiedene Kernabstande . . . . . . . . 967.3 Potentialkurve fur ein zweiatomiges Molekul in Born-Oppenheimer-Naherung . . . . . . 977.4 Potentialkurve fur eine Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 987.5 Skizze eines H+

2 -Molekuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 987.6a H+

2 -Molekul: Skizze fur 〈ΨA|ΨB〉 bei großem Atomabstand . . . . . . . . . . . . . . . 1027.6b H+

2 -Molekul: Skizze fur 〈ΨA|ΨB〉 bei kleinem Atomabstand . . . . . . . . . . . . . . . 1027.7 H+

2 -Molekul: bindendes Molekulorbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047.8 H+

2 -Molekul: antibindendes Molekulorbital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047.9 Interferenz beim H+

2 -Molekul: Situation fur Ψb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057.10 Interferenz beim H+

2 -Molekul: Situation fur Ψ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057.11 H+

2 - Molekul: MO-Schema fur die Uberlappung zweier 1s-Orbitale ermittelt nach demRayleigh-Ritz-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

7.12 gebundener und ungebundener Zustand fur das H2-Molekul . . . . . . . . . . . . . . . 1067.13 Molekul mit zwei Kernen A und B und zwei Elektronen e1 und e2 . . . . . . . . . . . . 1077.14 MO-Schema fur das H+

2 -Molekulion in Standardnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087.15 AB- Molekul: Linearkombination der Atomorbitale zweier Kerne A und B zu MO’s . . 1087.16 AB- Molekul: Uberlappung eines s- und eines px / py- Orbitals; f = ΨAΨB . . . . . . 1097.17aAB- Molekul: Linearkombination zweier s-AO’s zu einem σg = a und einem σ?u = b . . 1107.17bAB- Molekul: Linearkombination zweier pz-AO’s zu einem σg = pz(A) − pz(B) = a

und einem σ?u = pz(A) + pz(B) = b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1117.17cAB-Molekul: Linearkombination zweier px-AO’s zu einem πu = px(A) + px(B) = a

und einem π?g = px(A)− px(B) = b; z-Achse als Knotenebene . . . . . . . . . . . . . 1117.17dAB-Molekul: Linearkombination eines s- und eines pz-AO’s zu einem σg = a und

einem σ?u = b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1117.18 MO-Schema fur homonuklaare zweiatomige Molekule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127.19 Linearkombinationen der AO’s zu MO’s fur ein heteronukleares zweiatomiges Molekul . 113

8.1 Potentialkurve fur die Schwingung zweiatomiger Molekule . . . . . . . . . . . . . . . . 1178.2 Storungstheorie: Storung fur nichtentartete Zustande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1208.3 Storungstheorie: Storung fur entartete Zustande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1208.4 Skizze zum Zeeman-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

9.1 Skizze zum Aufbau eines spektroskopischen Analysengerates . . . . . . . . . . . . . . . 1299.2 Absorption eines vom Zustand l in den Zustand k angeregten Teilchens . . . . . . . . . 129

9.3a Skizze der Funktionsin2

hωl,k−ω

2ti

(ωl,k−ω)2t

fur t1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

170

Page 171: Skript Quantenmechanik

Abbildungsverzeichnis

9.3b Skizze der Funktionsin2

hωl,k−ω

2ti

(ωl,k−ω)2t

fur t2 (> t1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

9.3c Skizze der Funktionsin2

hωl,k−ω

2ti

(ωl,k−ω)2t

fur t3 > t2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

9.4 Atomspektren: mogliche Ubergange zwischen verschiedenen Zustanden . . . . . . . . . 1369.5 Skizze zur Veranschaulichung von Massenmittelpunktskoordinaten . . . . . . . . . . . . 1389.6 Rotations-, Schwingungsspektren: Skizze zum effektiven Potential zweier gebundener

Atome A und B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1409.7 Rotations-, Schwingungsspektren: Energieniveaus von Schwingungszustanden und je-

weils daruberliegenden Rotationszustanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1419.8 die drei Vibrationsfreiheitsgrade beim H2O-Molekul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1469.9 Grundzustand und angeregter Zustand beim Acetylen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1489.10 Vertikaler Ubergang vom elektronischen Grundzustand in einen angeregten Zustand . . . 1499.11 Vertikaler Ubergang vom Zustand v = 0 zum Zustand v′ = 0 . . . . . . . . . . . . . . . 1529.12 Singulett- und Triplettzustande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1539.13 Singulett- und Triplettzustande fur O2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1549.14 Jablonski-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1569.15 NMR-Spektroskopie: Aufspaltung der Kernzustande in einem Magnetfeld . . . . . . . . 1579.16 NMR-Spektroskopie: Abbildung zur Larmorfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1589.17 NMR-Spektroskopie: Energieaufspaltung fur die chemische Verschiebung eines Zwei-

protonensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1609.18 Auftragung der chemischen Verschiebung mit ω = ω − ω2 . . . . . . . . . . . . . . . . 1619.19 NMR-Spektrum fur ein System aus zwei Protonen, chem. Abschirmkonstanten σ1, σ2,

Spin-Spin-Kopplungskonstante J . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

171