shortcut 5

17
DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT Schwerpunkt: RÄUME UND TRÄUME Christoph Merian Verlag: DIE ERSTE APP IM VERLAGSPROGRAMM Ausschreibungen: AUTORENHAUS, CREATIVE HUB & OSLO10 # 5 Juli 2014

Upload: christoph-meneghetti

Post on 01-Apr-2016

277 views

Category:

Documents


7 download

DESCRIPTION

Das Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung Schwerpunkt Räume und Träume

TRANSCRIPT

Page 1: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian StiftungAUSSCHREIBUNG

OSLO10OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio  X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:

RÄUME UND TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Mar

kus R

aetz

: Kop

f (Fo

to: K

athr

in S

chul

thes

s)h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENT ZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der Ausstellung DER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPH EIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden. a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 2: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung

AUSSCHREIBUNG OSLO10

OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:RÄUME UND

TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5 Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Markus R

aetz: Kopf (Foto: K

athrin Schulthess)h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENTZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der AusstellungDER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPHEIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden.a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 3: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian StiftungAUSSCHREIBUNG

OSLO10OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio  X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:

RÄUME UND TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Mar

kus R

aetz

: Kop

f (Fo

to: K

athr

in S

chul

thes

s)h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENT ZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der Ausstellung DER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPH EIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden. a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 4: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian StiftungAUSSCHREIBUNG

OSLO10OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio  X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:

RÄUME UND TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Mar

kus R

aetz

: Kop

f (Fo

to: K

athr

in S

chul

thes

s)h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENT ZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der Ausstellung DER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPH EIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden. a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 5: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung

AUSSCHREIBUNG OSLO10

OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:RÄUME UND

TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5 Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Markus R

aetz: Kopf (Foto: Kathrin Schulthess)

h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENTZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der AusstellungDER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPHEIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden.a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 6: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung

AUSSCHREIBUNG OSLO10

OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:RÄUME UND

TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5 Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Markus R

aetz: Kopf (Foto: K

athrin Schulthess)h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENTZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der AusstellungDER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPHEIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden.a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 7: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung

AUSSCHREIBUNG OSLO10

OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:RÄUME UND

TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5 Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Markus R

aetz: Kopf (Foto: Kathrin Schulthess)

h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENTZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der AusstellungDER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPHEIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden.a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 8: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian Stiftung

AUSSCHREIBUNG OSLO10

OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:RÄUME UND

TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5 Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Markus R

aetz: Kopf (Foto: K

athrin Schulthess)h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENTZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der AusstellungDER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPHEIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden.a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)

Page 9: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Page 10: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Page 11: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Page 12: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Page 13: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Page 14: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

c

Page 15: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Page 16: Shortcut 5

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Die Arbeit der Christoph Merian Stiftung ist seit jeher dem Raum Basel verpflichtet, so will es das Testament des Stifters, und er selbst hat deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen, dafür im Folgenden drei Beispiele. Erstens die neugotische Elisabethenkirche, sein protestan-tisches Bollwerk gegen den «Ungeist der Zeit». Sie wurde genau auf der Hälfte des Wegs vom Bahnhof zum Münster errichtet, als wollte sie sich symbolisch der Industrialisierung und den eingewanderten Fabrikarbeitern, die Basel im 19. Jahrhundert zu Wachstum und Wohl-stand verhalfen, in den Weg stellen, um sie an bürgerliche und geistig-kulturelle Werte zu erinnern. Das Erbe des Stifters ist ebenso im Wandel wie sein städtischer Kontext, das zeigt das zweite Beispiel: die Brüglinger Ebene. Hier stand noch fünfzig Jahre nach Merians Tod 1858 sein Hofgut inmitten von Feldern. Heute betritt man die Gärten vom Parkplatz der St. Jakob-Halle her, im Westen ragen die Hochhäuser des Freilagers Dreispitz in die Höhe und im Osten wird noch am FCB-Campus gebaut. Einst eine Landschaft ausserhalb der Stadt, sind die Merian-Gärten heute eine grüne Oase, ein (not so) Central Park und umso wertvoller für die Bewohner der Stadt. Seit Merians Zeiten hat sich vieles verändert. In den zwanzig Jahren nach seinem Tod stieg in der ersten Phase der Stadterweiterung die Zahl der bewohnten Häuser von 2900 auf über 5000. Die Flurnamen «Wolf» und «Ruchfeld» aber beschreiben den Wert des Landes vor den Toren der Stadt anschaulich: steinige Felder, wo die Wölfe jaulten. Auf dem

Dreispitz – dem dritten Beispiel – hat in den letzten hundert Jahren eine atemberaubende Entwicklungsdynamik gewirkt: vom einfa-chen Materiallagerplatz entwickelte er sich zum viel genutzten Gewerbeareal, und heute mischen sich Wohnen, Schule und Kultur im werdenden Stadtquartier.Drei Beispiele für Räume der Stiftung, die für zentrale Herausforderungen stehen. Wie inter-pretiert eine Stiftung, die in der Gegenwart agieren will, den Wertekosmos des Stifters? Wie bewahrt sie gegen den steigenden Nut-zungsdruck und die Bodenpreisentwicklung die natürlichen Lebens- und Erholungsräu-me, zugunsten unserer Lebensqualität? Und wie sieht eine nachhaltige Entwicklung des Dreispitzareals aus, von der noch viele Gene-rationen profitieren können? Schliesslich ist der Dreispitz eine wichtige Er-tragsquelle der Stiftung. Hier kommt das Geld her, welches unter anderem in die Kulturför-derung fliesst. Die Stiftung ist also selbst Teil der ökonomischen Strukturen, deren Wandel manchmal Möglichkeiten eröffnet, oft aber auch Akteure der Kultur frustriert. Die Chris-toph Merian Stiftung kann längst nicht jedem Wunsch nach günstigen Ateliers oder Ausstel-lungsräumen entsprechen, und die dauerhafte Realisierung manch guter Idee scheitert am steigenden Preis und der sinkenden Verfüg-barkeit von Raum. Auch in der Stadt verändern sich unternutzte oder vom Strukturwandel betroffene Räume. So verliess 1966 das Militär die Kaserne Basel und es folgten jahrzehntelange Zwischennut-zungen. Bereits 1964 (!) bezogen die ersten

Künstler die Kaserne. Rund dreissig Ateliers bewilligte der Vorsteher des Polizei- und Mi-litärdepartements innert kürzester Frist und ohne grosse administrative Umtriebe. Der Raum war da, ungenutzt und billig, die Gele-genheit wurde erkannt. Das ist inspirierend: Manchmal ist ein Raum vorhanden, und gerade wir als Stiftung kön-nen im konkreten Einzelfall unbürokratisch Hand zu einer Realisierung bieten – wenn eine Innovation uns überzeugt und unsere Investition in einem guten Verhältnis zum Outcome steht. Und wenn daraus ein Ge-schäftsmodell für die Betreiber entsteht, umso besser. Damit meine ich, dass Kultur nur dann nachhaltig finanziert ist, wenn kulturelle Ak-teure die Wertschätzung ihrer Mitmenschen sowohl in neue Leistungen als auch in ihren Lebensunterhalt ummünzen können. Dann steht Kultur auf starken Beinen mitten im Leben. Aber allzu oft geraten kulturelle Ak-teure unter die Räder einer Entwicklung, und betroffene Künstler nehmen dies als Zeichen der mangelnden Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Aufgabe wahr. Auch die Christoph Merian Stiftung vermietet subventionierte Ateliers, auf dem Dreispitz. Ich bin überzeugt, dass eine Beschränkung der Mietdauer sinnvoll ist, weil die Subvention auf einer Momentaufnahme des räumlichen und sozialen Kontextes beruht und auch wieder hinterfragt werden muss. Wir wollen heute, dass über die Jahre viele Künstler davon pro-fitieren, dass sie zu günstigen Konditionen in dieser Umgebung arbeiten können. Für das Problem, dass die ökonomische Wertschöp-

fung im Kunstschaffen oft zu tief ist, um davon leben und arbeiten zu können (geschweige denn in attraktiven städtischen Lagen), haben wir keine Lösung. Das Diktum des Kulturöko-nomen Tibor Scitovsky: «What’s Wrong with the Arts is What’s Wrong with Society» trifft zwar das Problem, macht mich aber auch ein Stück weit ratlos. Hierin liegt sicher die grosse gesellschaftliche Aufgabe der Kulturförderung unserer Generation.In dieser Ausgabe von «Shortcut» widmen wir uns den Kulturen des Raums. «Shortcut» holt Sie am Münsterplatz ab und entführt Sie in den «Wilden Westen», mit einem Abstecher zu den Freiräumen im Elsass. Sie entdecken die Spuren jüdischer Geschichte in der Stadt Basel, durchstreifen ihre Architekturen und kommen darüber ins Philosophieren und Träumen. A propos: Indien ist zweifellos ein Land der Träume. Birgit Kempker schreibt: «Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung.» Diesen Satz kann man leicht umkehren: Jede Beheimatung ist im Wesentlichen ein Erkanntwerden. Darum investieren wir in Kultur als eine Arbeit des Er-kennens, Erkanntwerdens und Wertschätzens.

Christoph Meneghetti

RÄUME UND TRÄUMESCHWERPUNKT

GOING WEST DER BLICK DES COMICS GEN WESTEN

Der amerikanische Traum, also der Glaube daran, dass alle ihre Ziele erreichen können, wenn sie sich nur genügend anstrengen, wird genährt von den Hoffnungen, den Träumen und in einigen Fällen wohl auch den tatsäch-lichen Biografien der Millionen von Einwan-derern, die sich gen Westen aufmachten. Sie suchten den in vielerlei Hinsicht offenen nordamerikanischen Raum, um der Armut und Perspektivlosigkeit ihres «alten» Lebens in Europa oder in den Städten der amerika-

nischen Ostküste zu entkommen. Der Traum dieser Abenteurer, Siedler, Gold- und Arbeits-sucher war der Albtraum der indianischen Ureinwohner, die entrechtet und verdrängt wurden. Das Cartoonmuseum Basel zeigt in seiner neuen Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», wie diese Er-oberung und ihre Konsequenzen im Comic verarbeitet und bewertet wurden und wer-den. Über hundert Jahre Comicgeschichte mit Klassikern wie «Lucky Luke» von Morris, «Tim

TRAUM IST LEBEN, LEBEN IST TRAUM

In seinem genialen Roman ‹Espèces d’espaces› schreibt Georges Perec: «Es gibt eine ganze Menge kleiner Raumzipfel, einer dieser Raumzipfel ist ein Untergrundbahnschacht, ein anderer eine Parkanlage, ein anderer, von ursprünglich bescheidener Grösse, hat kolos-sale Ausmasse angenommen und ist zu Paris geworden, während ein benachbarter, der zu Anfang nicht weniger Talent besass, sich be-gnügt hat, Pontoise zu bleiben.» Wäre Perec Schweizer, hätte er Zürich und Zollikon ge-nannt. Räume wachsen, langsam oder schnell, dehnen sich aus, vermehren sich. Was ist ein Raum? Ein Zimmer, eine Treppe, ein Haus. Dann die Strasse, der Platz, die Stadt. Jenseits der Stadt das Land und der Raum, an dem man sich selten, aber gern aufhält: das Wo-chenendhaus. Für Perec beginnt Raum, wie könnte es anders sein, mit dem unbeschrie-benen Blatt. Es wird gefüllt und beginnt zu leben. Auch ein Bett ist Raum, umgeben von weiteren, verbunden und getrennt durch Tü-ren und Wände, die ebenfalls Raum sind. «Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, un-antastbare, unberührte und fast unberührbare Räume gibt ... aber solche Orte gibt es nicht. Und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, Gewissheit zu sein ... Der Raum ist Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen…» ‹Träume von Räumen› heisst das Werk auf Deutsch, lange war es vergriffen, jetzt ist es endlich wieder lieferbar. Die Berner Hochschule der Künste veranstaltet im November ein Seminar zum Thema. Ausgehend von Perecs Text werden Albert Camus’ algerische Wüstenimpressio-nen, Matthew Barneys ‹Cremaster Circles› und Ridley Scotts ‹Blade Runner› untersucht, auch Anna Viebrock und die ‹Anarchitectures› von

Gordon Matta Clark liegen an der Route – Träume von Räumen.‹Das Leben ist Traum› hiess 1987 eine grossar-tige Inszenierung des späteren Basler Kultur-preisträgers Hans-Dieter Jendreyko. Die Auf-führung von Calderóns Theaterklassiker fand im feingliedrigen Gewächshaus der Alten Stadtgärtnerei statt. Zwei Sommer wurde das brachliegende Gelände von Kreativen als visi-onärer Raum bespielt, dann musste es einem Grünpark weichen. Michael Koechlin, späterer Leiter des Kulturressorts, hat das herbe Erwa-chen aus dem Traum dokumentiert. Hinter Projekten stehen Visionen, hinter gros-sen stehen grosse: Neuordnung der Kleinbas-

EXTRAVAKANT IMPULSNUTZUNGEN

EXTRAVAKANT ist ein gemeinnütziger Ver-ein mit dem Ziel, Stadtstrukturen im Wandel zu identifizieren und zu erschliessen, um Frei-räume und Entfaltungsmöglichkeiten für kul-turelle, gemeinnützige und überwiegend nicht profitorientierte Aktivitäten zu ermöglichen. Als qualifiziertes Projekt der IBA  Basel 2020 widmet sich EXTRAVAKANT auch dem Ziel, die trinationale Region Basel als einheitlichen Siedlungsraum wahrzunehmen, und fokus-siert deshalb auf die Erschliessung von unge-nutzten Räumen in Randgebieten und jenseits der Grenzen. Während das Kerngebiet Basel-Stadt kaum Leerstand aufweist, sieht es an der Peripherie unseres trinationalen Raumes ganz anders aus; die französischen Gemeinden St-Louis und Huningue zum Beispiel strotzen nur so von leerstehenden Ladenlokalen an zentraler Strassenlage (siehe Bilder). Gleichzei-tig ist in diesen Gebieten die Bereitschaft, leer-stehende Räume einer Nutzung zuzuführen, aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen sehr schwach ausgeprägt. Die Begriffe «Impulsnut-

zung» oder «Zwischennutzung» existieren im Französischen gar nicht, wir benutzen dafür den Ausdruck «utilisation transitoire».

Die Freiraum-DebatteEin Freiraum ist die Freiheit, die eine Person oder eine Gruppe zur Entwicklung, Definition und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität benötigt. (Quelle: http://www.wortbedeutung.info/Freiraum/)

Jedes Siedlungsgebiet und jede Gesellschaft braucht Freiräume. Gerade in unseren Brei-tengraden und besonders in der Schweiz ist in allen Bereichen des Zusammenlebens ein hoher Grad an Regularisierung und Normie-rung zu beobachten.

Offizielle Stellen wie die städtische Verwal-tung bezeichnen mit dem Begriff «Freiräume» Allmendflächen, wie zum Beispiel öffentliche Plätze und grüne Naherholungsgebiete in und um die Stadt. Diese städtischen Räume ermög-lichen verschiedene Nutzungen, welche öf-fentlich debattiert und ausgehandelt werden,

in Amerika» von Hergé oder «Leutnant Blue-berry» von Jean Giraud zeigen den Wandel in der Wahrnehmung der Landnahme des ameri-kanischen Westens und erlauben gleichzeitig einen faszinierenden Blick auf die Evolution der Zeichnungstechniken und Stile. Ein Aus-stellungsteil fokussiert auf den renommierten Schweizer Zeichner Derib («Yakari»), der sich in seinem umfangreichen Werk differenziert mit der Natur Nordamerikas und dem Aufein-andertreffen von Indianern und Einwanderern auseinandersetzt.

George Herriman und die frühen AmerikanerDer erste dramaturgisch inszenierte Film der Geschichte entstand 1903 und spielte im

«Wilden Westen»: «The Great Trainrobbery» von Edwin S. Porter. Sein Erfolg stellte die Weichen für das Genre, und der Western ent-wickelte sich zu einer führenden Gattung des Films. Obwohl die populären Kulturformen – Film, Comic, Radiohörspiel und Pulp-Roman – sich gewöhnlich gegenseitig, schnell und fliessend beeinflussten, blieb der Western den amerikanischen Comics bis in die 1930er-Jahre hinein eher fremd. Trotzdem entstanden Co-mics, die sich neben der Darstellung eindrück-licher Landschaften durch eine differenzierte Darstellung des indianischen Alltags auszeich-neten. Die Zeichner George Herriman (« Krazy Kat»), James Swinnerton («Little Jimmy») oder Frank King («Gasoline Alley») gehörten in den 1920er-Jahren zu den ersten Reisenden durch die Landschaft zwischen Grand Can-yon und Monument Valley. Fasziniert zollten sie dieser Erfahrung in ihren Comics Tribut: Entdeckungsreisen, die damals nicht selten nur zu Pferd zu bewältigen waren. Herrimans «Krazy Kat» gilt vielen bis heute als der kom-plexeste und intellektuellste Comic, der jemals gezeichnet wurde. Die unendliche Variation einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Kat-ze, einer Maus und einem Hund nimmt das

absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg und entspricht dem surrealen Geist der Dada-Bewegung. Formal spielt Herriman virtuos mit der Komposition seiner Seiten, Raum und Zeit ausser Kraft setzend. Hintergründe und Requisiten wechseln von Bild zu Bild, genauso beliebig wie Tag und Nacht. Herrimans Zei-

sind jedoch von einer starken Normierung geprägt – das Betreten des Rasens, die Nut-zung der Gehsteige, die Gebührenregelung auf Allmendplätzen, der Bussgeldkatalog der Polizei. All diese Regelungen ermöglichen uns ein zivilisiertes Zusammenleben oder ein an-ständiges Aneinander-vorbei-Gehen.

Ein echter Freiraum ist hingegen ein Ort, der keiner bestimmten Nutzung gewidmet ist und eben darum einen Frei- respektive Möglichkeitsraum darstellt. In diesem Sinne sind auch einige der Impulsnutzungen, zum Beispiel am Klybeckquai, keine Freiräume im engeren Sinne, sondern im Gegenteil ganz klar an einen Zweck und eine bestimmte Per-sonengruppe gebunden. Die Freiraum- und Werkraum-Debatte ist nicht neu, sie fand be-reits in den 1980er-Jahren mit der Zwischen-nutzung der Alten Stadtgärtnerei (ASG) auf dem Gelände des heutigen St. Johanns-Parks in Basel eine prominente Form. Zu dieser beispielhaften Freiraumnutzung gesellen sich weitere Um- und Zwischennutzungsprojekte, etwa das Autonome Jugend-Zentrum (AJZ), der Werk- und Kulturraum Schlotterbeck, die Villa Rosenau oder das NT-Areal, um nur einige zu nennen, welche mittlerweile alle verschwunden sind. Andere Räume sind ge-blieben, so die Kaserne oder der Werkraum Warteck. Dieser flüchtige, ephemere Charakter ist typisch für Freiräume.

Gerade weil die Freiräume ständigen Ver-änderungen unterworfen sind und wir in der Wahrnehmung unserer Region Grenzen über-winden müssen, setzt sich der Verein EXTRA-VAKANT für die Erschliessung von Freiräu-men in der Peripherie rund um Basel ein, um Räume für Experimente, Chaos, Denk- und Schreibakrobatik, Abenteuer und Kreativität zu erschliessen, welche im regulierten Stadt-raum fast nicht mehr zu finden sind.

EXTRAVAKANT: BetätigungsfelderAls Grundlage und Rohdatenbasis betreut der Verein den aus Hamburg stammenden Leer-standsmelder (http://www.leerstandsmelder.de/regionbasel), eine interaktive Karte, welche das grundlegende Wissen über Leerstand de-mokratisiert. Die Benutzung und Bedienung des Leerstandsmelders ist sehr einfach, alle Interessierten sind an dieser Stelle eingeladen, Leerstände einzutragen, die ihnen aufgefallen sind.

Nachdem einige Anfragen an Eigentümer leerstehender Gebäude in Frankreich geschei-tert sind, verlegen wir uns vorerst darauf, mit Informationsmaterial die Reaktivierung leer-stehender Räume zu propagieren und mit Kunstschaffenden Installationen an Orten mit schlummerndem Potenzial umzusetzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Schliesslich ist auch der Aufbau eines trina-tionalen Teams noch nicht abgeschlossen. Wer also Interessen in den Bereichen Geografie, Kulturmanagement, Architektur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter [email protected] unverbindlich zu melden.

Im Herbst 2014 oder Frühling 2015 veran-stalten wir ausserdem einen Kongress zum Thema «Leerstand», an den wir ähnliche Pro-jekte aus ganz Europa nach Basel einladen werden. Der Termin dazu wird rechtzeitig unter extravakant.org kommuniziert.

Bis dahin freuen wir uns zunächst auf einige weitere Jahre Leben und Freiheit am Klybeckquai!

Kim Berger, Daniela Horn, Reto KellerKim Berger ist Geograph. Nach Forschungsaufent-halten im Dreiländereck Basel und Mitarbeit bei EXTRAVAKANT schliesst er zurzeit seinen Master in Giessen ab.Daniela Horn, Mediengestalterin und Stadtsoziolo-gin, ist beratend tätig für den Verein EXTRAVAKANT Impulsnutzung.Reto Keller arbeitet in Basel als freischaffender Archi-tekt und ist Projektkoordinator des Vereins EXTRA-VAKANT Impulsnutzung.

>REINHÖRENRAUMKLÄNGE AUF DEM KLEINEN

MÜNSTERPLATZ

Möglich, dass es sich mit Musik in Räumen tatsächlich ähnlich verhält wie mit Träumen, wie es der Titel dieser Ausgabe nahelegt: Sie haben unzählige Dimensionen, ihre Autoren-schaft ist unergründlich, ihr Dasein flüchtig, und oft sind sie von lebhaften Bildern beglei-tet und mit intensiven Gefühlen verbunden.

Der Anstoss zur Entstehung des Raumes von >reinhören ist durchaus prosaisch und rasch erzählt: Das Institut Innenarchitektur und Szenografie erhielt im Dezember 2012 die Anfrage, eine Idee für ein «mobiles Haus» auf dem Münsterplatz zu entwickeln, welches für «stille Performances» genutzt werden sollte. Eine Anfrage wie viele ähnliche, die an das Institut gerichtet sind und in der Regel Fol-gendes zum Inhalt haben: Wir möchten etwas machen, benötigen so rasch als möglich eine

Idee, verfügen nicht über die Mittel, Honorare zu bezahlen, und wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, Ihre kreativen Studierenden – möglichst für beide Probleme – an uns zu ver-mitteln. So jedenfalls war der erste Eindruck und die Anfrage geflissentlich verdrängt.

Mitte April 2013, nach mehrmaligem Nach-haken, kam jedoch ein erstes Treffen mit der Vertreterin des Vereins pro Münsterplatz zu-stande. Niederschwellig, für alle Menschen offen und zugänglich sollte der Pavillon auf dem Münsterplatz werden, an fünfzehn Tagen und während acht Stunden Ort für Musik und Wort sein, unverstärkt, ohne Anfang und Ende und für die Besuchenden kostenlos. Bühne und Rampenlicht zu vermeiden, war die we-sentliche Forderung. Die Zuschauer sollten jederzeit kommen, sich hinsetzen oder sich

MEIN INDISCHER ROCKRAUMbirgt mich nun gerade und manchmal von der Hüfte zum Knie, sandfarben, golden mit rotem Schimmer aus Seide, wie der Boden in Nrityagram, dessen Sand die Ränder meiner Hosenbeine färbte und die Tastatur. Er ist ge-füttert, schwarz, geräumig und doch elegant, von Händen genäht. Er hing in einem Laden mit Brunnen und Baum in der Mitte, im An-kleideraum ein Bett und ein Schreibtisch. Ich spreche hier von Bäumen, vom Körper, Wasser, Natur, Sand, Seide und Bäumen. Von Haut. Vom Atmen. Vom Meer. Ich werde nicht von Elefanten sprechen, ich spreche vom Elefant, von Ganesha, der Gott, der die Hindernisse be-seitigt und hinstellt. Drei Monate lang wusste ich nicht in Basel, wo mein Bett steht am Mor-gen, beim Aufwachen, warum Mangela, du draussen nicht Holz unter den Boiler schich-test und anzündest, fürs Duschen, nicht die Papayas schneidest, die du vom Baum holst, warum ich nicht meine Runde drehe um das

Tanzvillage und dann Yoga mit Bijayini. Wa-rum ich das bin, die sich das fragt, und nicht die, die ich erst gerade kennengelernt habe, in Indien, eine andere Person von mir, die di-rekter ist, kindlicher auch, auch erwachsener, spontan, die Spass am Drama haben darf und niemand sagt «Drama Queen» zu ihr, es gibt den indischen Rock. Sandelholzfarben. Er könnte, wäre er lebendig, den Himmel spie-geln und nach Rauchritualen riechen.

Was ist der Unterschied? Die Unterschiede sind grösser und kleiner. Liebe und Abnei-gung heftig nebeneinander. Das Einpendeln in die Mitte geschieht von selbst. Statt Glas Moskitonetze im Fenster. Das Tanzvillage, mei-ne Mitschreibenden, die Hunde, Gebete, Mu-sik, das Trommeln, ich höre alles in meinem Bett, auch das Bett, es steht auf hohen etwas wackligen sehr alten Holzbeinen, die Bäume, der Wind, nachts eure Gespräche draussen, La-chen, viel Whisky und Rum, auch der Sound

aus deinem Zimmer, Glenn, mein Nachbar, rechts, dein: come out, Birgit, come out, din-ner, or we have some drinks for you, oh come out there, Birgit ... deine witzige Boshaftigkeit, deine Beobachtungen, ich gebe dir mein Auf-nahmegerät unter die Dusche und du singst für mich. Und links von mir Anupama, ich möchte mit dir ein Tanzstück machen, dich nach Basel locken, du bekommst so viele Klei-der von mir bis du schwitzt, versprochen. Wie du meinen Namen gesagt hast, ihr habt ihn geschrien, auffordernd, komme endlich raus aus deinem Bau, sich verstecken gilt nicht. Wir wissen, dass du da bist. Aakriti, deine Stim-me! Und deine Kerze, Liegestütze, Kraftyoga, nur Rahul, deine Stimme leise und sanft: Wir wollen, dass du rauskommst. Komm raus. Nie

wieder wollte jemand so, dass ich aus meiner Hütte rauskomme. Und auch meinen Namen sagt niemand so.

Das Tanzen, das Üben, das Verkörpern der Liebe, der Gottheiten und der Abstraktionen, ich vermisse die jungen Tänzerinnen, wie ihr lacht, wie ihr früh früh morgens vor meinem Zimmer auf und ab lauft mit den kranken Hunden am Bändel, die Hunde nicht, obwohl sie sehr beliebt sind, einer heisst Guru, sie fressen alles weg, was auf den Tischen liegt, und die Krähen fliegen mein Nähsäckchen mit den Nadeln in den Baum, ich hinterher, schreiend, sie lassen die Beute fallen. Wann werde ich hinter einem Vogel herlaufen und

rufen, er soll mir meine Nadeln zurückgeben? Hier würde ich meine Stimme nicht so aus meinem Körper einfach rauskommen lassen und dazu noch hinter einem Tier herlaufen und um meine Nähnadeln kämpfen.

Das wilde Klopfen morgens um 6 an mei-ne Tür: Birgit, no Yoga today, da weiss ich, du bist angekommen. Ich lade euch alle in mein Zimmer vors Mikrofon und setze euch an die Audioaufnahmen mit meinem Vater, der über Dinge spricht, lasse euch ihn eine Strecke übersetzen, ins Englische, aus dem Deutschen, ihr versteht kein Deutsch, aber etwas von meinem Vater, er hat Angst, sagt Rahul, is he afraid? Dann frage ich euch nach euren Dingen und Beziehungen zu Dingen. Und möchte daraus eine indische Version meines Hörstücks machen, nehme dafür den Sound auf. Besonders Surupa, du sprichst von deinem kleinen Haus wie von deiner zweiten oder dritten Körperhülle und dass es wich-tig ist, wen du in dein Haus reinlässt. Dein Haus ist so, wie ich mir als Kind ein Haus geträumt habe, es schmiegt sich dem Körper an. Ich fühle meine sonderliche Weise, in mei-nen Räumen zu sein, als seien sie mein zweiter Körper, gespiegelt, gar nicht pathologisch, klar nicht pathologisch, vielleicht magisch, aber sehr klar, logisch und verständlich. Das heisst aber nicht, dass ich mich komplett gespiegelt fühle, im Gegenteil, aber deutlicher und auch krasser, dass ich jemand bin, die oft ausserhalb der Spiegelungen der anderen existiert und ich mich verloren fühle manchmal deshalb, und manchmal frei.

Hier in Indien ist jedes Erkanntwerden eine unerwartete Beheimatung, vielleicht auch Missverständnis, nicht kurzfristig, eher temporär aktiviert, sonst ist sie latent, wie ich.

Birgit KempkerBirgit Kempker war 2013/14 für drei Monate mit einem iaab-Stipendium als Writer in Residence im Sangam-Autorenhaus in Bangalore/Südindien.

Foto: Birgit Kempker

chenfeder ist frei und darf das auch zeigen. Da-bei wird gerne übersehen, dass die traumartige Wüstenlandschaft im Hintergrund sehr real ist und Herriman auch keine Anstalten macht, das zu verbergen. Er benennt die tatsächli-chen Regierungsbezirke Arizonas (Coconino County und Navajo County) und stellt die schönsten Felsformationen der Region wie-dererkennbar dar: von der «Enchanted Mesa» in New Mexico über die «Rainbow Bridge» in Utah bis zu den «Elephant Feet» in Arizona.

Die Schattenseiten des amerikanischen TraumsAuch die frühen belgischen Comicautoren entdeckten den Westen der USA ab den späten 1920er-Jahren für sich, zunächst als Sehnsuchtsraum für abenteuerliche Reisen, dann zunehmend sensibilisiert auch für die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Wegmarke sollte 1931 Hergés zweites «Tim und Struppi»-Album werden: «Tim und Struppi in Amerika». Insbesondere eine Sequenz, die der Vertreibung der Indianer gewidmet ist, setzte erste kritische Akzente, die in der amerikanischen Populärkultur bis in die 1960er-Jahre hinein völlig undenkbar waren. 1948 kam es dann zu einer legendären Ame-rikareise der belgischen Comickünstler Jijé, André Franquin und Morris. Weniger bei Franquin («Spirou», «Gaston»), der bereits 1949 heimkehrte, als bei Jijé (Rückkehr nach Belgien 1950) und insbesondere bei Morris (Rückkehr erst 1955) hinterliess der Aufent-halt nachhaltige Spuren: Jijé schickte fortan seinen Cowboy Jerry Spring ins Rennen um die Gunst der europäischen Leser, während Morris Lucky Luke zu neuen humoristischen Höhen führte. Ohne die frühe Infiltration des französischsprachigen Kulturkreises, z.B. mit «Jerry Spring», wären eigenständige, reife Spät-western wie Hermanns «Comanche» oder Jean Girauds «Leutnant Blueberry» nicht möglich gewesen. Der Comic und mit ihm seine Le-serschaft wurden erwachsen, was sich nicht

zuletzt auch in den schwarzhumorigen Par-odien des Magazins «MAD» widerspiegelte.

Heute beweist eine junge Generation von Zeichnern mit ganz eigenen Interpretationen, dass der Western auch im frühen 21. Jahrhun-dert weiter Stoff für Geschichten bietet.

Im wilden Westen der SchweizDer Westschweizer Derib (bürgerlich Claude de Ribaupierre, *1944 in La Tour-de-Peilz, Waadt) hat unzählige, der Menschlichkeit und der Liebe zur Natur verpflichtete Comics geschaffen, die bekanntesten sind die Kinder-serie «Yakari» und seine 20-bändige Saga «Buddy Longway» um das Leben des mit ei-ner Indianerin verheirateten gleichnamigen Trappers. Derib zeichnet für Kinder ebenso wie für Jugendliche und Erwachsene, sein Stil reicht von humorvoll stilisiert über perfekt naturalistisch bis zu malerisch.

Auf Aberhunderten von Comicseiten hat Derib die nordamerikanische Natur gefeiert, sie minutiös und in allen Facetten dargestellt, sich einfühlsam indianischen Riten gewidmet und die harte Realität der Trapper beschrieben – alles, ohne je einen Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt zu haben. In diesem Punkt äh-nelt er einem anderen, noch viel berühmteren Westernautor: Karl May, der zwar die eine oder andere (ernüchternde) Reise in den Orient und die USA unternahm, aber seine Aben-

teuerromane zur Hauptsache davor schuf und auf Gehörtem, Gelesenem und Erfundenem aufbaute. Wenn sich auch die Ziele und das Wesen der Arbeit der beiden Künstler nicht direkt vergleichen lassen, haben es doch bei-de vorgezogen, sich von inneren Bildern und eigenen Erfahrungen leiten zu lassen und sich der Begegnung mit dem Gegenstand ih-rer Erzählungen bewusst nicht auszusetzen. Während es bei einem Science-Fiction-Roman selbstverständlich erscheint, dass der Schau-platz nicht besichtigt werden kann, erstaunt es, dass Derib zum Beispiel für seine Comicse-rie «Red Road», die sich auf berührende Weise mit der Lebensrealität heutiger Indianer in den Reservaten auseinandersetzt, die Gelegen-heit zur Begegnung mit ebendiesen Indianern und ihren Orten nicht gesucht hat. Hier muss man sich – auch wenn die Bildhaftigkeit des Comics einen dies manchmal vergessen lässt – vor Augen halten, dass Derib wie viele andere Comiczeichner in erster Linie eine Fiktion erschafft und keinen dokumentarischen An-spruch hegt. Und dass seine Geschichten sich zwar durchaus überzeugend an überlieferten Realitäten orientieren, er aber an einem Ame-rika als Traum und Vorstellung festhält.

Anette Gehrig

GOING WEST.Der Blick des Comics gen Westen

4.7. – 2.11.2014Weitere Informationen:

www.cartoonmuseum.ch

ler Häfen. Umwandlung eines Fabrikgeländes in einen Forschungscampus. Transformation eines Gewerbeareals in einen neuen Stadtteil. Alle lösen heftige sie Reaktionen aus, von Überschwang bis zu schroffer Ablehnung. Erstaunlich ist das nicht. Weil Traum und Vision den Ist-Zustand verändern, lösen sie neben Hoffnung Angst aus. Will ich den Ist-Zustand festschreiben (weil er tradiert ist, oder schön, oder bequem), bleibt die Entwicklung stecken, setze ich auf Bewegung, wird das Ter-rain gefährlich. Dass Stadtviertel neu gebaut werden, ist keine Errungenschaft der Gegenwart. Inner-halb von zwanzig Jahren entstand um 1900 das Gundeldinger Quartier. Wo grüne Wiese war, mit kleinen Strässchen, Obstbaumanla-gen, Rebgärten und vier Schlössern, wuchs ein modernes Stadtviertel heran. Heute sind fast alle Freiflächen Basels verschwunden, die Erlenmatt wird überbaut, die Stückfärberei

hat ihren Umbau hinter sich, der Novartis Campus wächst, der Rheinhafen St. Johann ist stillgelegt. Und mehrere visionäre Stadt-bauprojekte bewegen die Gemüter, darunter die Transformation des Dreispitzareals und die Neuordnung der Basler Häfen, auch ‹Basel Nord› genannt – Entwicklungen, aus denen neue Stadtteile entstehen. In den Diskussionen stehen rationale Argu-mente weniger rationalen gegenüber. Da ist von Betonvisionen und Betonwüsten die Rede, im Gegenzug wird Wirtschaftsfeindlichkeit beklagt. Die grundlegenden Bedingungen sind jedoch historisch gewachsen: Basel-Stadt, Hamburg und andere Stadtstaaten teilen sich dasselbe Schicksal, sie verfügen über begrenz-ten Raum. Die Kantonsteilung von 1833 hat Nachteile geschaffen, und es dürfte dauern, bis sie (wenn überhaupt) revidiert werden kann. Berlin und Brandenburg wollten sich Ende der 1990er wiedervereinigen, ein Staats-vertrag war geschlossen, die Parlamente hatten zugestimmt, die Stadtbevölkerung ebenfalls – die Brandenburger weigerten sich. Nun bleibt alles beim Alten und man versucht, ein paar Institutionen zu fusionieren. Anders im Schwabenländle: Die in einen Talkessel eingezwängte Landeshauptstadt kann es sich leisten, eine Messe direkt neben dem Flug-hafen zu bauen, zehn Kilometer vom Stadt-zentrum entfernt, mit der S-Bahn bequem zu erreichen. Hier oben auf der Filderebene hat man kurze Wege vom Cargo-Terminal zu den Ausstellungsflächen, vom Personenterminal in die Hotels. Des einen Vorteil ist des anderen Last: Dorfbewohner und Landwirte mussten Konzessionen machen, von denen die Stadt-randbewohner profitieren, denn der Verkehr, der sich zuvor durch die Wohnquartiere um den Killesberg quälte, bleibt draussen. Die alte Messe ist zurückgebaut, Parkhäuser sind ab-gerissen, und in einer der besten Wohnlagen entsteht ein Stadtviertel mit Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Freiflächen. Basel kann das nicht. Der Flughafen liegt im Ausland, ein

Auslagern der Messe müsste ins Ausland er-folgen oder zumindest in den Nachbarkanton. Sorglos in die Höhe wachsen, wie Hongkong oder Singapur, kann Basel auch nicht, die kul-turellen Prägungen dort sind andere als hier, der Bürgerwille hier ist anders als dort. Oft werden dann lokale Bauphilosophien in die Waagschale geworfen, als handle es sich um Fakten wie die Gravitation, die keinem Wandel unterliegen. Wollte man im Fall von Basel so argumentieren, müsste man die Nie-derlegung der Stadtmauern als Fehler bewer-ten, ebenso den Bau der Eisenbahn, für den wertvolles Kulturland zerstört wurde. Aber auch kleinere Projekte – ein filigraner Fussgän-gersteg, die Verlängerung von Tramschienen – haben es schwer, weil sie liebgewonnene Perspektiven irritieren oder zu teuer erschei-nen. Was tun? In erster Linie: Visionen nicht zuschütten, bevor sie ausformuliert sind. Vi-sionen sind keine Bauanleitungen, sondern Skizzen, Gedanken. Ein Brainstorming, bei dem Ideen kommentiert werden, ist kein Brainstorming mehr. Bevor die Idee gewach-sen ist, trägt sie schon ein Korsett, dann kann man nur noch am Korsett schneidern. Und: den Blick aufs Ganze wahren, statt Prinzipien verteidigen. Flexibel denken. Architektur, Bauen und Stadtplanung stehen im Zentrum unseres Architekturprogramms. Die Bücher vermitteln Kenntnisse, sie präsen-tieren die unterschiedlichsten Sichtweisen. Ziel ist die Leserkompetenz, nicht die Par-teinahme. Und so spiegeln sie ebenso Wert-schätzung für Gewachsenes wie Faszination am Neuen. Da stehen Bücher über die Bau-ten des Fin de Siècle, als die Stadt aufgebro-chen wurde, um ihr Bevölkerungswachstum zu beherrschen, neben Publikationen über die Neue Architektur am Oberrhein oder die Stadtplanung im Grossraum Genf. Zwei Autorinnen untersuchen das Bauen zwischen den Kriegen, eine Autorengruppe beschreibt den Wandel der Architektur, der sich aus dem Wandel der Warenpräsentation ergeben hat,

und einer wagt den Feuergang zur Kaserne und blendet auch die heiklen Baufantasien nicht aus. Der Neubau des Kunstmuseums in den 1930er-Jahren, einst angefeindet wie der heutige Erweiterungsbau, wird ebenso dokumentiert wie der Bau der innovativen Geburtsklinik im Klinikum 1. Ein Nutzerbuch stellt Neu- und Umbauten vor, die zeigen, woran Haus- und Wohnungsbesitzer denken sollten, wenn sie mit Blick auf das (eigene) Alter bauen. Und seit sieben Jahren gehen wir Hand in Hand mit dem Schweizerischen Architekturmuseum und haben eine Publika-tionsreihe aus der Taufe gehoben, die heraus-ragende internationale Architektur zeigt, vom fast vergessenen Pancho Guedes über Bauen auf dem Balkan und Bühnenbilder von Anna Viebrock bis zu Aussichtsplattformen oder der Fotografie von Architektur. In Vorbereitung ist die Neuauflage des Architekturführers,

ein Verlegertraum, der einer internationalen Leserschaft neben der Basler Stadtgeschich-te auch die Neu- und Umbauten der letzten zwanzig Jahre präsentiert. Zwei wichtige Projekte haben unser Ver-lagsprogramm seit Längerem begleitet und werden es weiterhin begleiten: der Aufbau des Novartis Campus und die Transforma-tion des Dreispitzareals. Unterschiedlicher können Projekte kaum sein: dort ein Fabri-kationsgelände, das einem modernen Wissen-schafts- und Forschungszentrum weicht, hier ein Gewerbeareal, das bei laufendem Betrieb in einen neuen Stadtteil mit Wohnen, Kul-tur, Wissenschaft und Gewerbe transformiert wird. Dabei kommen oft ähnliche Polaritäten zum Ausdruck: auslagern oder verdichten? Flach oder hoch? Die einen befürworten Ver-dichtung, möglichst nahe am Stadtkern (was ein Höherbauen zur Folge hat), andere plä-

dieren dafür, Grossbauten wie Spitäler in die Peripherie zu legen. Bei der ersten Lösung ist der Widerstand der Hochhausgegner vorpro-grammiert, bei der zweiten ökonomisch-öko-logisch-logistische Widerstände. Doch muss man polarisierend denken? Eigentlich nicht. Man muss nur darüber nachdenken dürfen, ob Verdichtung, Grossbauten eingeschlossen, dem Stadtbild schaden und wenn ja, von wel-chem Stadtbild die Rede ist. Die Kontroverse ‹Turm versus Flachbau› ist ja nichts Neues: Bei der Planung für das Klini-kum 2 erarbeitete eine Architektengemein-schaft zwei Varianten: Variante ‹nieder› und Variante ‹hoch›. Weshalb die Variante ‹Hoch-haus› weiterbearbeitet wurde, geht aus dem Bericht der Baukommission von 1961 hervor: «Betrachtet man das Stadtbild aus weiterer Di-stanz, etwa von der Terrasse des Wenkenhofes, der Margarethenkirche oder der Anhöhe über dem Thiersteinerrain, so zeigt sich, dass die bereits bestehenden Hochhäuser das ganze Stadtbild ungleich stärker beeinflussen und das Bettenhaus 2 des Bürgerspitals die Silhou-ette des Stadtkerns oder gar des Münsters in keiner Weise beeinträchtigt.» Treffender lässt es sich kaum ausdrücken: Architektur ist im-mer auch eine Frage der Perspektive. Deren Vielfalt zu zeigen, einer urbanen Leser-schaft kompetente Information zugänglich zu machen, hat sich der Christoph Merian Verlag zur Aufgabe gemacht. Dazu braucht es bei-des, hochfliegende Träume und bodenständige Konzepte, Meinungsvielfalt und unverrückba-re Standpunkte, Aufbruch und Besonnenheit, Vision und Kalkulation. Aus all dem entsteht ein spannendes Programm. Zum Genuss von Leserinnen und Lesern.

Claus Donau

hinlegen, zuhören und wieder gehen, eintau-chen oder eben >reinhören können.

Ausserhalb ihres regulären Studienpro-gramms nahmen sich in der Folge Adrian Beerli und Stefan Waser der ungewöhnli-chen Aufgabe an. Sie bedienten sich für ihren Pavillon-Entwurf ganzzahliger Proportionen zweier Septimen und grosser Terzen, einer Quint und einer Oktave, um Raumquader zu schaffen, die sie, den Erfordernissen des Innenraums und den Begrenzungen des Baumgevierts des Kleinen Münsterplatzes entsprechend, derart ineinander verschränk-ten, dass kein offensichtlicher Bühnen- und Zuschauerbereich – jedoch unzählige Zuhör- und Performancemöglichkeiten entstanden.

Vom ersten Entwurf des Pavillons bis zu seiner Realisierung auf dem Kleinen Müns-terplatz war es jedoch auch hier ein langer Weg. Konstruktionsweise, Materialität, Fragen des Baum- und Wurzelschutzes, Abläufe des Aufbaus und der Fügung der Bauteile mussten durchdacht und zur Deckung gebracht wer-den. Und nicht zuletzt wäre das ambitionier-te Vorhaben ohne die wesentliche finanzielle Unterstützung der Eignerin dieses Magazins nicht vom Traum zum Raum geworden.

Was nach Fertigstellung des Pavillons be-reits am ersten Konzert von Marino Formenti tief beeindruckte, war jedoch eine ebenso un-geplante wie unplanbare Überraschung: Von aussen waren die Klänge des Inneren erfahrbar und im Inneren diejenigen des Aussen. Adrian Beerli und Stefan Waser ist es gelungen, einen Raum zu schaffen, der innen wie aussen glei-chermassen durchlässt wie abhält – und das in genau dem Mass, das jederzeit maximale Konzentration ermöglicht: sowohl auf die Klänge und Gesten im Innern wie auch auf die gleichzeitige Wahrnehmung der Schritte im Kies, des Glockengeläuts des Münsters und der Gesprächsfetzen von Passanten im Aussen. Beides blieb gleichzeitig wahrnehmbar, beides gleichzeitig präsent, und dennoch störte das eine das andere nicht, den Besuchenden blieb

die maximale Konzentration auf ein Beabsich-tigtes hin jederzeit möglich.

Aus einer ersten ungestümen Anfrage des Vereins Pro Münsterplatz wurde ein Traum zum Raum, der die Wirklichkeit berührt hat. Auf dem historischen Münsterplatz blieb die Stille und Ausstrahlung des Ortes spürbar und wurde für eine beschränkte Dauer zum Klingen gebracht.

Der Traum ist inzwischen verflogen, der Pavillon abgebaut. Seine Präsenz war als Flüchtiges geplant, die lebhaften Bilder je-doch, welche mit Träumen verbunden sind, bleiben, und intensive Gefühle haben sich in unsere Erinnerung eingeprägt – Träume und Räume eben: Raumklänge!

Andreas WengerAndreas Wenger ist Leiter des Instituts Innenarchitek-tur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Adrian Beerli und Stefan Waser studierten zum Zeitpunkt ihres Entwurfs für den Pa-villon >reinhören auf dem Kleinen Münsterplatz im vierten Semester Innenarchitektur und Szenografie.

>reinhören fand vom 11. bis 25. Mai 2014 auf dem Klei-nen Münsterplatz in Basel statt. >reinhören ist ein Projekt des Vereins Pro Münsterplatz.

Der Pavillon soll im Herbst 2014 auf dem Campus Dreispitz der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW ein zweites Mal für beschränkte Zeit aufgebaut werden. Die mit dem Pavillon verbundenen Träume und Räume werden am neuen Ort mit Sicherheit an-dere sein.

Fotos: Lea Hildebrand

Treppe im Bau von Lampugnani (Foto: Paola da Pietri)

BEGLEITVERANSTALTUNGEN—

SONNTAGSFÜHRUNGEN10.8., 24.8., 7.9., 21.9., 12.10, 2.11.2014, 14 Uhr

—BUCHVERNISSAGE UND FÜHRUNG

«GOING WEST!»Reich bebildert und mit zahlreichen vertiefenden

Texten präsentiert sich die Publikation zur Ausstellung. Führung mit Autor und Kunsthistoriker Dr. Alexander

Braun, Bonn (D). Anschliessend Apéro.

Sonntag, 24.8.2014, 14 Uhr—

MITTWOCH-MATINEE HOW THE WEST WAS WON

Anette Gehrig im Gespräch mit der Ethnologin Heidi Loeb, Leiterin NONAM (Nordamerika Native Museum), Zürich, zu Träumen und Albträumen im

«Wilden Westen».

Mittwoch, 27.8.2014, 10 – 12 Uhr—

DERIB SIGNIERTDer Schweizer Comiczeichner Derib («Yakari», «Buddy Longway», «Tu seras reine» usw.) besucht seine eigene

Ausstellung und signiert im Cartoonforum.

Sonntag, 26.10.2014, 14 – 17 Uhr—

TATONKA DER BISON, AMIK DER BIBER UND PAHIN

DAS STACHELSCHWEINWerde selbst zum Geschichtenerzähler, zeichne eine

Figur aus der indianischen Mythologie und lasse sie in einem Trickfilm lebendig werden.

Workshop zu einfacher Stop-Motion-Technik mit der Künstlerin Julia Tabakhova.

(Ab 10 Jahren)

Mittwoch, 30.7., 13.8.2014, 14 – 17 Uhr—

DU UND DEIN TIERViele Indianer hatten ihr persönliches Totemtier. Im Workshop mit der Künstlerin Julia Tabakhova suchst und findest du ein Tier, das zu dir passt, und bringst ihm in einem Daumenkino einen kleinen Tanz bei.

(Ab 7 Jahren)

Sonntag, 14.9.2014, 14 – 16 Uhr—

1 Paul Hornschemeier, «Vanderbilt Millions», 2005 Tusche auf Papier, Detail, Privatsammlung

2 Morris, «Lucky Luke», (seit 1946) © Lucky Comics3 George Herriman (1880 – 1944), Panel der Krazy-Kat-

Sonntagsseite vom 27. März 1938. Die «Elephant-Feet»-Felsen in Tonalea, Arizona, sind ein oft wieder-kehrendes Motiv in der Landschaft von Herrimans Coconino County.

4 Die «Elephant-Feet», Tonalea, Arizona, Postkarte, 1930er-Jahre

5 Derib, «Go West», 1966, Detail © Le Lombard, Brüssel

— WIR WOLLEN, DASS DU RAUSKOMMST. KOMM

RAUS. NIE WIEDER WOLLTE JEMAND SO,

DASS ICH AUS MEINER HÜTTE RAUSKOMME.

g Leerstehendes Ladenlokal in St-Louis, verwaltet von einer Pariser Eigentümerin mit Sitz an den Champs-Elysées (Bild: Reto Keller)

Page 17: Shortcut 5

Treppe

Atelier 2

WC

Atelier 1Atelier 3

KücheTreppe

EDITORIAL—

War der Schwerpunkt des letzten «Shortcut» der Zeit und der Vergänglichkeit gewidmet, so richtet die vorliegende Ausga-be ihren Blick auf den Raum, auf Raumträume, Traumräume, Handlungsräume, Kulturräume, Schreibräume, unbesetzte und besetzte Räume, architektonische Räume, Musikräume … Kul-tur braucht Platz, und dieser ist meistens knapp. Umso wichti-ger ist die Diskussion darüber, wie Räume, die materiellen wie die immateriellen, gedacht, gefunden, entwickelt und belebt werden können.Auf den ersten November wird es einen Wechsel in der Leitung der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung geben. Wir freuen uns auf die neue Leiterin Nathalie Unternährer. Die 42-jährige Historikerin leitet derzeit die Abteilung Kulturförde-rung des Kantons Luzern. Frühere berufliche Stationen waren: Leiterin der Nidwaldner Museen in Verbindung mit der Leitung des Amts für Kultur des Kantons Nidwalden, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stap-ferhaus Lenzburg, Ausstellungskuratorin am Schweizerischen Landesmuseum in Zürich und wissenschaftliche Mitarbeite-rin im Museum.BL in Liestal. In Basel geboren, wird Nathalie Unternährer hier auch wieder ihren festen Wohnsitz haben. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Bis zu ihrem Amtsantritt leitet Christoph Meneghetti interimistisch die Abteilung Kultur.Wir heissen Nathalie Unternährer herzlich willkommen und wünschen ihr viel Freude und Erfolg in ihrem neuen Amt.Beat von Wartburg, Direktor der Christoph Merian StiftungAUSSCHREIBUNG

OSLO10OSLO10, der unabhängige Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst auf dem Dreispitz-areal in Münchenstein/Basel sucht ein Kura-torenteam für die Periode vom 1. April 2015 bis 30. März 2017.

AusgangslageAuf dem Gebiet des ehemaligen Zollfrei lagers Dreispitz sind in den letzten vier Jahren neue Räume für Kunst und Kultur entstanden. Den Pionieren Radio  X, Galerien und Ateliers folgten iaab und das Haus für elektronische Künste (HeK), und mittlerweile konzentriert die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) ihre Kräfte auf dem Areal und hat die Forschungs- und Lehrtätigkeit aufgenommen. Hier eröffnete auch die Christoph Merian Stif-tung im Jahr 2011 den Raum für zeitgenössi-sche Kunst OSLO10 als Fördermassnahme mit vielen Wirkungen. OSLO10 ist in seiner Form einzigartig: als gezielte Kuratorenförderung, als Förderung der lebendigen und fruchtbaren Basler Offspace-Szene, als Beitrag zur kulturel-len Stadtraumentwicklung.

Was ist OSLO10?OSLO10 ist als Kunstraum mit Grundfinan-zierung konzipiert. Er gibt Kuratoren oder Kuratorenteams die Möglichkeit, die gesamte Verwaltung des Raums – inbegriffen Program-mation, Administration und Unterhalt – im Sinne einer Carte Blanche zu übernehmen. Das Kuratorium ist bewusst nicht als Voll-zeitstelle angelegt, andere Teilzeittätigkeiten können mit dem Mandat verbunden werden.

OSLO10 befindet sich rund zehn Tram-minuten vom Bahnhof Basel SBB entfernt in einem Industrie- und Lagerhausviertel. Es liegt im EG an der Oslostrasse 10, insgesamt 204 m2 stehen für Büro, Ausstellungen und Veranstal-tungen zur Verfügung. Die Christoph Merian Stiftung garantiert eine Grundfinanzierung

mit einem jährlichen Beitrag von CHF 60 000.–. Davon sind CHF 40 000.– für Ausstellungen und Projekte und CHF 20 000.– für Honorar-kosten vorgesehen. Die Mietkosten des Raums werden ebenfalls von der Christoph Merian Stiftung finanziert. Dauer des Mandates: zwei Jahre, nicht verlängerbar.

TeilnahmebedingungenTeilnahmeberechtigt sind Kuratoren bzw. Künstlerteams der visuell gestaltenden Küns-te (Bildende Kunst, Foto, Video, Film, Perfor-mance, Design, digitale/elektronische Künste etc.), unabhängig von Alter oder Nationalität. Gewünscht wird eine Wohnsituation von min-destens einem Mitglied des Teams in Basel oder der näheren Umgebung.

BewerbungsunterlagenEinzureichen sind:• Motivationsschreiben (1 A4-Seite)• Projektskizze für 24 Monate (Ausstellungs-

und Betriebskonzept, z.B. Anzahl Ausstel-lungen, Veranstaltungen etc.)

• Biografien• Dokumentation bisheriger Tätigkeiten.

Bis 31. Oktober 2014 an [email protected] (max. 4 MB)

AuswahlverfahrenEine Jury prüft und diskutiert alle eingegan-genen Bewerbungen. Die Jury entscheidet ab-schliessend über die Vergabe. Alle Bewerberin-nen werden bis 1. Dezember 2014 schriftlich über den Entscheid informiert.

Weitere Informationen: oslo10.ch

DESIGNUNTERNEHMER AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS: CMS ERMÖGLICHT SPEZIELLE

BASLER PLÄTZE IM CREATIVE HUBDer Creative Hub ist die erste nationale Plattform, die Schweizer Designer darin un-terstützt, ihre Produkte voranzutreiben und zu vermarkten oder ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Dafür offeriert der Creati-ve Hub verschiedene Angebote, die auf die Bedürfnisse und Märkte von Designerinnen und Designern massgeschneidert sind. Wer in einem der Programme des Creative Hub mitmacht, kann vom Wissen unserer Experten profitieren; dabei unterscheiden wir zwischen jenen, die fachliches Wissen, und jenen, die Branchen-Know-how mitbringen.

Mitmachen können: • Designer mit einer Geschäftsidee, die deren

Umsetzung pro-aktiv durch eine Marke vo-rantreiben bzw. ein Unternehmen gründen wollen.

• Bereits praktizierende Designunternehmer, die ein spezifisches Projekt mit Marktpoten-zial begleitet durch Fachpersonen verfolgen wollen.

• Designerinnen, die Partner aus anderen Dis-ziplinen suchen (z.B. aus dem Management), um im Team eine Geschäftsidee umzusetzen.

Im Moment können sich Basler Designer für die zwei Angebote Creative Link und Creative Committed anmelden. Die Christoph Merian Stiftung ermöglicht im Rahmen eines Pilots die Teilnahme von zwei bis vier speziellen Basler Projekten an diesen zwei Programmen des Hubs:

1. Creative Committed: Ein neunmonatiges Workshop-Programm, das von der Idee bis zum Business-Plan für ein neues Geschäftsfeld oder eine neue Firma führt, mit abschliessen-dem Assessment durch eine Jury aus Fachleu-ten und Business Angels. Anmeldeschluss ist der 3. Oktober 2014.

2. Creative Link: Einzelcoaching für Desi-gnerinnen und Designer, die eine ausgereifte Produkt- oder Serviceidee vorantreiben und verwerten möchten, zu Themen wie Budge-tierung, Vernetzung mit Zulieferern und Her-stellern, Verwertungsstrategie etc., inkl. Seed-Money, der Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Kleinserien. Nächster Anmeldeschluss ist der 24. Oktober 2014.

Bewerbungen via www.creative-hub.chAuskünfte: Claudia Acklin, [email protected]

AUSSCHREIBUNG FÜR DREI SCHREIBATELIERS

im Freilager Dreispitz Basel-Münchenstein

Die Christoph Merian Stiftung schreibt erst-malig drei Schreibateliers mit Arbeitsplätzen für vier Autorinnen und Autoren aus der Re-gion Basel aus.

Am Freilager-Platz in unmittelbarer Nähe der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) entstehen auf dem Dreispitz in Mün-chenstein Räume für das HeK (Haus für elek-tronische Künste) und iaab (Internationales Austausch- und Atelierprogramm Region Basel), dazu eine Quartieranlaufstelle sowie Schreibateliers für Autorinnen und Autoren aus der Region Basel.

Nach Plänen der Basler Architekten Rüdi-sühli_Ibach wird das ehemalige Bürogebäude «Blechspitz» am Freilager-Platz 8 saniert und in ein Autorenhaus umgewandelt. Folgende Schreibateliers sind ab 1.10.2014 bezugsbereit.

Atelier 1, 12 m2, 1. OG: CHF 168.00 / Monat

Atelier 2, 23 m2, 1. OG: CHF 322.50 / Monat

Atelier 3, 36 m2, 2. OG: CHF 500.00 / Monat(Bewerbung zu zweit)

Die Mietpreise sind inklusive Nebenkosten. Die Mietdauer ist aufgrund der Mietzinsre-duktion auf drei Jahre befristet.

Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Wohnsitz in der Region Basel, unabhängig von Alter oder Nationalität. Das Schreibatelierprogramm ist ein Projekt der Christoph Merian Stiftung in ihrem För-derschwerpunkt Literatur. Eine dreiköpfige Jury (Ariane Koch, Martin Zingg, Christoph Meneghetti) prüft alle eingegangenen Bewer-bungen und entscheidet abschliessend.

Bewerbungen können bis zum 15. August 2014 an die Christoph Merian Stiftung, Postfach, 4002 Basel gerichtet werden.

Anmeldeformular und alle weiteren Infor-mationen unter: www.merianstiftung.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteZamira Angst, Praktikantin Abteilung Kultur

Claus Donau, Lektorat und Produktion Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel Karin Matt, Vertrieb und Hörbuchprogramm

Christoph Merian Verlag Christoph Meneghetti, Leiter Abteilung

Kultur ad interim Beat von Wartburg, Direktor Christoph

Merian Stiftung

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:

RÄUME UND TRÄUME

Christoph Merian Verlag:DIE ERSTE APP IM

VERLAGSPROGRAMM

Ausschreibungen:AUTORENHAUS,

CREATIVE HUB & OSLO10

#5Juli 2014

TAUCHEN SIE EIN IN DIE WELT VON «PILGRIM»Was, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um die Britischen Inseln ranken, wahr wären? Und was, wenn all diese Geschichten nicht nur wahr, sondern auch in unserer moder-nen Welt allgegenwärtig wären? Uralte Geister, die in dunklen Winkeln, in Schatten unter Brücken existieren und schon immer existiert haben.

«Pilgrim» von Sebastian Baczkie-wicz ist das erste Fantasy-Hörbuch im Programm des Christoph Merian Verlags. Die Geschichte des britischen Autors spielt in der Gegenwart. Sie behauptet, die Welten des Grauen Volkes (der Feen) und jene der Heiss-blüter (der Menschen) existierten parallel nebeneinander. Vor neunhundert Jahren verspottete William Palmer alias Pilgrim auf dem Pilgerweg nach Canterbury den alten Glauben an das Volk der Geister und Feen. Dafür wird

er vom Feenkönig zu ewigem Leben verflucht. Seither sucht Palmer verzweifelt nach seiner Sterblichkeit. Die moderne Sage erzählt von seinem Weg, auf dem sich die Welten der Menschen und der Feen auf unheilvolle Weise berühren.

Seit 2008 läuft die mehrfach ausgezeichnete Hörspielreihe «Pilgrim» erfolgreich auf dem englischen Radiosender BBC 4. Das Schweizer Radio und Fern-sehen SRF produzierte als erste deutschsprachige Radiostation drei Episoden der ersten Staffel, welche die Regisseurin Karin Berri ins Deutsche übersetzte. Für die Stimme des William Palmer konnte der Schauspieler Rufus Beck gewonnen werden – bekannt aus den Harry-Potter-Hörbüchern. Alexander Seibt hat mit seinen Illustrationen den Figuren ein Gesicht gegeben und die drei Episoden illustriert.

Hoffentlich wird die Serie, die in England schon in der fünften Staffel läuft und einige internatio-nale Preise eingeheimst hat, auch auf SRF fortgesetzt. In der Zwi-schenzeit kann man sich in aller Ruhe zu Hause oder unterwegs mit William Palmer vergnügen: Über zwei Stunden Hörgenuss und ein achtseitiges Booklet zur Vertiefung der englischen Sagen-welt sind beim Christoph Merian Verlag oder bei Ihrem Buchhänd-ler erhältlich.

Karin Matt

Mar

kus R

aetz

: Kop

f (Fo

to: K

athr

in S

chul

thes

s)h

der Bildgeschichte eher kritisch gegenüber-stand, wohl nicht vorausgeahnt. Der Comic hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele Möglichkeiten der differenzierten Dar-stellung anspruchsvoller Inhalte erarbeitet, dass das Cartoonmuseum inzwischen neben dem Cartoon auch dieser Spielart der satiri-schen Kunst sowie dem ebenfalls hochinteres-santen Animationsfilm ein vertieftes Interesse entgegenbringt.

Auch die Vorstellungen darüber, wie Aus-stellungen funktionieren und wie ein Aus-stellungsraum auszusehen hat, haben sich seit der Eröffnung des Museums enorm ge-wandelt. Heute werden Dauerausstellungen mit Wechselausstellungen ergänzt, um für das Publikum immer wieder neue Aspekte oder Themen aufzubereiten. Dazu hat die Idee der Vermittlung, also der begleitete Dialog zwischen Ausstellungsinhalten und Publikum, enorm an Bedeutung gewonnen. Der Ausstellungsraum ist nicht mehr unbe-dingt ein White Cube, eine neutrale Hülle, in der das Ausgestellte wirken soll, sondern darf sich komplett verändern und überformt werden, kann als Teil einer Inszenierung in Erscheinung treten. Künstler beziehen den Raum bewusst in ihre künstlerische Auseinan-dersetzung ein, der Raum wird zum Material.

Ausstellungen wird mit szenografischen Mit-teln ein eigenes, möglichst unverwechselbares Design gegeben, das die Inhalte verkörpert und verstärkt und das Museum nebenbei zu einem Ort macht, der sich ständig neu und überraschend erfindet. Auch, und damit zu-sammenhängend, arbeiten Museen heute mit einem immer grösseren technischen Aufwand, der so nicht vorauszusehen war, und installie-ren beispielsweise temporäre Kinos. Das sind Entwicklungen, die Dieter Burckhardt, der seinen Ausstellungsraum noch als einfaches Kabinett verstand, das sich zur Hauptsache aus seiner riesigen Sammlung bedient, für sein Haus nicht vorgesehen hatte, die aber dank den ebenso gross gedachten wie verwirklich-ten Räumen Widerhall finden können. Heute stehen diese Räume und die Chance, darin originale Zeichnungen und ihre subtilen Fein-heiten, Korrekturen und Überarbeitungen zu entdecken, in einem wertvollen Kontrast zu anderen, vor allem digitalen Medien, denen das Moment des Originals fehlt.

WeiterträumenSogar dieser wandelbare Raum stösst aber heu-te manchmal an Grenzen, und neue Träume beleben die Köpfe der Verantwortlichen. So fehlt zum Beispiel ein Lift zur optimalen Er-schliessung des auch bei älteren Menschen sehr beliebten Museums. Und obwohl Dieter Burckhardts Traum von einem öffentlichen Museum heute Realität geworden ist, harrt sei-ne visionäre Idee eines nationalen Zentrums für satirische Kunst (Sammlung, Forschung und Vermittlung) weiter ihrer Verwirklichung. Auch um diesen kühnen Traum wahr werden zu lassen, wird es viel – wohl eher nationale als lokale – Anstrengung und Koordination brauchen. Das Cartoonmuseum träumt also weiter und freut sich über alle, die mit ihm in die Zukunft denken mögen.

Anette Gehrig

EIN HAUSGEWORDENER TRAUM

Das Cartoonmuseum Basel ist ein Raum, der seine Existenz dem Traum – und den Mög-lichkeiten, diesen wahrzumachen – des Bas-lers Dieter Burckhardt verdankt, der in seiner Freizeit beharrlich eine Kunstform sammelte, die zu seiner Zeit noch nicht ganz so ernst genommen wurde wie heute. Von der Idee befeuert, seine «Sammlung Karikaturen und Cartoons» der Öffent-lichkeit in einem grosszü-gigeren Rahmen zu zeigen als im Kabinett an der St. Alban-Vorstadt 9, das seit knapp fünfzehn Jahren eine bescheidene Ausstel-lungstätigkeit ermöglicht hatte, suchte er deshalb Ende der 1980er-Jahre nach einem geeigneten Ort. Mithilfe der benach-barten Christoph Merian Stiftung, die schon damals seine unselbstständige Stif-tung betreute, konnte mit der Liegenschaft an der St. Alban-Vorstadt 28 ein zentral gelegenes Haus gefunden werden, in das die Sammlung nach einem Umbau einziehen sollte. Das ehemalige, in seinen Ursprüngen spätgotische Wohnhaus war jedoch klein und in schlechtem Zustand; schliesslich wurde das Architektur-büro Herzog & de Meuron mit der aus denk-malpflegerischen Gründen äusserst anspruchs-vollen Aufgabe betraut, die Fläche auf über das

Doppelte zu erweitern. Es entstand, von der Strasse aus nicht sichtbar, ein zurückversetzter dreigeschossiger Ausstellungsneubau aus Be-ton und unterschiedlichen transparenten und

spiegelnden Glasarten, der über eine Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Die durch den rückseiti-gen Anbau gewonnenen zusätzlichen Räume ste-hen in einem reizvollen zeitgenössischen Kont-rast zu den historischen Zimmern im alten Vor-derhaus. Leider erlebte Dieter Burckhardt die Eröffnung des Museums im Jahr 1996 nicht mehr; er verstarb 1991. Sein durch ihn und die Christoph Me-rian Stiftung finanzierter, Raum gewordener Traum konnte aber dank der umsichtigen und voraus-schauenden Planung aller Beteiligten einen stetig wachsenden Zustrom an Publikum, mehrere inhalt-liche Erweiterungen des Ausstellungskonzepts und inzwischen gegen zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit aufnehmen.

Wandel möglich gemachtDieter Burckhardt, der sich vor allem für Cartoons

interessierte, hat zwar vieles vorausgedacht und ermöglicht, aber den Siegeszug des dem Cartoon (Einzelbild) eng verwandten Comics (sequenzielle Kunst) hat er, der dieser Form

A CONTRE-VENT ZUSAMMENSPIEL VON SKULPTUR UND NATUR

Als «zauberhaft» umschreibt der bekannte Schweizer Bildhauer René Küng (www.rene-kueng.ch) aus Schönenbuch die Landschaft am Wisenberg. Für die Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag wird sie zur grossen Bühne. Die Ausstellung «René Küng – Kunst und Natur. Eine lebenslange Beziehung» fin-det vom 17. August bis 12. Oktober 2014 auf dem Hofgut Mapprach (www.mapprach.ch) statt. Durch den Landschaftsgarten führt ein geschwungener Mergelweg, umfängt den Wei-her, durchquert verschiedene Gartenräume und eröffnet unerwartete Ein- und Ausblicke auf die Skulpturen von René Küng. Weite-re Arbeiten säumen den Weg durch die an-grenzende Kulturlandschaft, bis hin zu einer Schirmhütte an schönster Aussichtslage auf den Tafeljura und den Schwarzwald. Der Be-sucher erlebt auf einem 45-minütigen Spazier-gang ein unvergleichliches Zusammenspiel von Skulptur und Natur in einem über 260 Jahre gewachsenen Kulturdenkmal im oberen Baselbiet.

René Küng interessiert sich sowohl für Pflanzen und Tiere als auch für die grossen Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde. Als intensiver Beobachter ist ihm die gesamte Natur Inspirationsquelle. Hier findet er seine vielfältigen Materialien. Er arbeitet nach inneren Visionen, bezieht aber die na-türlichen Formen der Hölzer und Steine wie selbstverständlich mit ein. Viele Skulpturen evozieren Bewegung: Treppen, Leitern, Can-ti, Räder, Tore visualisieren die Dynamik des Hinauf, Entlang und Hindurch. Ein anderes grosses Thema ist das Element Wind. René Küng spricht vom «unsichtbaren Faktor», der viele seiner Skulpturen zum Klingen bringe und eine synästhetische Wahrnehmung mög-lich mache.

Der Künstler beschreitet seinen Weg – ei-genwillig – und bleibt dabei ganz und gar Küng. Die 2012 entstandene Skulptur «A con-tre-vent» steht für diesen Künstlerweg und eröffnet gleichsam die Ausstellung im 1866 entstandenen Park.

Zu diesem Anlass erscheint eine Publika-tion im Christoph Merian Verlag. Sie umfasst einen umfangreichen Bildteil, der die Aus-stellung auf dem Hofgut Mapprach doku-mentiert. Die Essays unterbrechen die nach Werkgruppen geordneten Bildstrecken und nähern sich auf kunsthistorischer und philo-sophischer Ebene Küngs Werk an. Ein histo-rischer Einblick in den denkmalgeschützten Landschaftsgarten schliesst die Publikation ab.

Daniela Settelen-TreesL’art à l’air – Kuratorin der Ausstellung DER «KOPF» BLEIBT IN DEN

MERIAN-GÄRTENWer kennt sie nicht, die Stangen aus Stein, die wenige Meter vor der Merian-Villa im Gras stecken und liegen? Sie sind Teil der Skulp-tur «Kopf», die der Berner Künstler Markus Raetz als Beitrag zur Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» geschaffen hat. Was die-se Stangen und Steine zu bedeuten haben, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Rasch erkennt man zwar ein Gesicht, doch gibt es nur einen Punkt, von dem aus man den Kopf in den richtigen Proportionen erkennen kann. Dieser liegt bei einer kleinen Kanzel oberhalb der Wiese, die eine wunderschöne Aussicht bietet. Von Oktober 2012 bis Februar 2013 war im Kunstmuseum Basel eine Ausstel-lung mit Zeichnungen von Markus Raetz zu sehen, die auch Skizzen zum «Kopf» zeigte. Dem Kunsthistoriker Martin Schwander und mir fiel auf, dass die Arbeit in Brüglingen seit

dreissig Jahren eine Leihgabe des Künstlers ist. Das wollten wir ändern.

Tatsächlich hatte Martin Schwander, der zusammen mit dem Galeristen Ernst Beye-ler und dem Kunsthistoriker Reinhold Hohl 1984 die Ausstellung «Skulptur im 20. Jahr-hundert» initiierte, Markus Raetz für einen Beitrag zur Ausstellung angefragt. Er setzte sich zu dieser Zeit intensiv mit dem Thema der Anamorphose auseinander und realisierte vor allem liegende Frauen, indem er an be-stimmten Positionen Nägel in ein Tischblatt hämmerte. Der Begriff «Anamorphose» klingt vielleicht exotisch, doch er lässt sich einfach erklären. Es sind Bilder, die nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder mit einem spe-ziellen Spiegel als solche erkennbar sind. Auch im Strassenverkehr gibt es Zahlen und Pfeile, die anamorphisch auf den Asphalt gezeichnet

BÂLEPH EIN DIGITALER STREIFZUG DURCH BASELS JÜDISCHE GESCHICHTE

Im August ergänzt ein neues Format die Pro-duktereihe des Christoph Merian Verlags: Eine mobile App. «Bâleph – Ein Streifzug durch Ba-sels jüdische Geschichte» ist ein Pilotprojekt zur zeitgemässen Geschichtsvermittlung, das auf Smartphone oder Tablet bedient werden kann.

Warum eine App für die Vermittlung von Basler Kulturgeschichte?

Gewohnheiten des Medienkonsums«Bring your own device!» Wen dieser Aufruf befremdet, der mag sich die Augen reiben: 69 Prozent der Schweizer – rund 4,3 Millionen – besitzen ein Smartphone und 40 Prozent ein Tablet. Es wird erwartet, dass die Quote der Smartphones weiter steigt, bis auf 75 Prozent.

Eine App findet also eine günstige Aus-gangslage vor, um ein breites Publikum zu erreichen. Sie ist jederzeit mit dem eigenen Gerät zugänglich und benutzbar. Doch dies allein garantiert natürlich noch keinen Erfolg.

Ob eine App tatsächlich Verwendung findet, hängt neben dem Inhalt massgeblich von ihrer Benutzerfreundlichkeit ab. Dabei ist die Be-rücksichtigung der heutigen Medienkonsum-gewohnheiten entscheidend: die Möglichkeit, sich frei durch ein multimediales Angebot von Text, Ton und Bild zu bewegen. Besonders wichtig ist gutes und zahlreiches Bildmaterial zur Illustration der Inhalte.

«Bâleph» beinhaltet dreizehn Stationen, die mehr als achthundert Jahre jüdisch-baslerische Geschichte erkunden lassen. Vom Startmenü gelangen die Benutzerinnen und Benutzer auf drei Wegen zu den Stationen: einerseits über eine Tour, entlang der man die Stationen in Basel ablaufen kann; andererseits über die Navigation mit einem Zeitstrahl, der die Sta-tionen chronologisch aufzeigt; oder aber über einen Stadtplan, der die Stationen geografisch verortet. Via GPS kann der eigene Standort ermittelt und die nächstgelegene Station gefunden werden. Jede Station bietet einen

werden, da der Autofahrer aus einem flachen Winkel auf die Strasse schaut. Die Einladung war also reizvoll, und Markus Raetz begann damit, auf ausgedruckte Polaroid der örtlichen Situation zu zeichnen. Martin Schwander hat-te ihm bereits diesen Standort vorgeschlagen, und die Kanzel, von der aus sich der Kopf am besten sehen lässt, sie gab es auch schon.

Bei der Umsetzung vor Ort überwachte Markus Raetz mit einer Glasscheibe und einer Fixierung für den eigenen Kopf (man kennt Ähnliches von den Sehübungen beim Augen-arzt oder Optiker) die provisorische Montage von der Kanzel aus, während seine Assistenten Holzlatten, die mit Metallstäben verbunden waren, in der Erde verankerten. Anschliessend wurden Kalksteine in einem Laufener Stein-bruch auf die verlangten Masse vorbereitet und vor Ort in einem Bett aus Bachkieseln verankert. Damals, im Frühjahr 1984, dachte niemand daran, dass die Skulptur über die Ausstellung hinaus dreissig Jahre vor Ort blei-ben würde. Inzwischen wurde die Arbeit auch restauriert, denn im Laufe der Zeit und durch das Spiel der Kinder hatten sich einige Stein-stangen etwas verschoben, sie wurden wieder korrekt ausgerichtet. Und seit 1984 wird die Skulptur durch das Team der Merian-Gärten gepflegt. Längst ist sie fest verankert im Ge-dächtnis der Bevölkerung, und es erscheint unvorstellbar, dass dieser «Kopf» eines Tages von diesem Ort wieder verschwinden könnte. Genau dies wollten Martin Schwander und ich verhindern.

Ich kontaktierte im vergangenen März Mar-kus Raetz, der unseren Vorschlag, die Arbeit der Christoph Merian Stiftung zu schenken, positiv aufnahm. Wir waren uns rasch einig, Anfang April konnte ein Schenkungsvertrag unterzeichnet werden. Damit geht nicht nur ein Traum von mir, sondern auch von zahl-reichen Kunstinteressierten in Erfüllung: Der «Kopf» von Markus Raetz, mit dem sich so vie-le Erinnerungen und Erfahrungen verbinden,

verbleibt an diesem Standort in den Merian-Gärten. Das ist grandios und wäre ohne die Grosszügigkeit von Markus Raetz und ohne das Engagement von Martin Schwander und auch Bernhard Mendes Bürgi nicht möglich gewesen. Im Jahr der Ausstellung «Skulptur im 20. Jahrhundert» war ich 19 Jahre alt und wollte Gärtner oder Förster werden. Da ich in Basel und Umgebung keine Lehrstelle fand,

entschied ich mich, die Matur zu machen und Kunstgeschichte zu studieren. Kunst und Na-tur, beide lassen mich seither nicht mehr los. Dass der «Kopf» von Markus Raetz so wun-derschön Kunst und Natur vereint, freut mich ganz besonders.

Simon BaurSimon Baur ist Kunsthistoriker und Publizist. Er schreibt für die bz Basel und die NZZ und organisierte 2013 mit Silvia Buol ein Projekt zum 100. Geburtstag von Meret Oppenheim. www.simonbaur.ch

Performance von Silvio Buol & Co. bei der Übergabe der Schenkung (Bild: Kathrin Schulthess)

Informationstext, der gelesen oder angehört werden kann, und ist mit Bildquellen ausge-stattet, die als Slideshow im Vollbildmodus angeschaut werden können.

Virtueller RaumEin multimedialer App-Stadtrundgang bil-det eine erfrischende Alternative zu fest in-stallierten Informationsträgern im öffentli-chen Raum. Es stellt sich ohnehin die Frage nach neuen Formen von Erinnerung und Geschichtsvermittlung: Muss man Kulturge-schichte durch langfristig angelegte Denkmä-ler, Schilder oder Plaketten sichtbar machen? Werden Städte so nicht zu Museen, wo sich an jeder Ecke Bezüge zur Vergangenheit aufdrän-gen? Virtuelle Räume, die für einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit einem Thema bespielt werden, eröffnen dazu Alternativen. Digitale Medien bieten hier ganz neue Mög-lichkeiten.

Ein Teil der jüdischen Geschichte in Basel lässt sich einfach verorten: etwa der Zionis-tenkongress von 1897 im Stadtcasino oder die Synagoge als sichtbares Zeichen jüdischen Lebens. An welchem geografischen Ort aber kann das Thema «Ostjuden» festgemacht wer-den? Oder die Basler Solidaritätsaktionen für Israel 1967? Bei der Konzeption der App war dies eine spannende Frage.

HerausforderungenDie Konzeption einer App birgt Herausfor-derungen:

Die Häppchen-Mentalität: In der digita-len Welt haben wir eine Häppchen-Mentalität verinnerlicht: Beim «snacking» von Informa-tionen zappen wir hin und her. Für die Um-setzung der App bedeutete dies, möglichst knackige Titel, Teaser und Texte zu verfassen. Ausserdem muss es möglich sein, während des Anhörens einer Audiodatei zu anderen Bereichen in der App zu navigieren, ohne dass dabei der Ton unterbrochen wird.

Die Nutzerinteressen: Neue Apps erschei-nen und verschwinden relativ rasch. Folglich muss «Bâleph» unterschiedliche Nutzerinte-ressen bedienen: als mobiler Begleiter beim Stadtrundgang oder als Portal für virtuelle Räume, die man von zu Hause aus besucht. Werden diese Erwartungen der Nutzerinnen nicht optimal erfüllt, droht rasch die bekannte Demokratie im Netz: Stimmt das Gesamtpa-ket nicht, wird die App nicht benutzt und mit einem Klick wieder gelöscht.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-gungen ist «Bâleph» einen Versuch wert. Die App ist eine komfortable Begleitung für in-teressierte Stadttouristen und eröffnet auch den Einwohnerinnen von Basel einen neuen Blick auf ihre Stadt. Zudem bietet «Bâleph» als App die Chance, gerade bei einem jünge-ren Publikum das Interesse für Geschichte in Basel zu wecken.

Isabel SchlerkmannIsabel Schlerkmann, Kulturmanagerin und Histori-kerin mit Schwerpunkt in jüdischer Geschichte, ist Projektleiterin der App «Bâleph».

VERNISSAGE: Dienstag, 26. August 2014, 19.30 Uhr

im Unternehmen Mitte

VERNISSAGEHofgut Mapprach, Zeglingen / BL

17. August 2014, 11 Uhr—

ORGELKONZERTKirche Kilchberg / BL

14. September, 17.15 UhrStephan Grieder spielt die vom Küng-Œuvre inspirierte Orgelsuite «Himmelsleiter» auf der spätromantischen

Weigle-Orgel

—FINISSAGE

Hofgut Mapprach, Zeglingen / BL 12. Oktober 2014, 11 Uhr

—ÖFFNUNGSZEITEN

Sa/So, 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung—

FÜHRUNGENParallel zur Ausstellung können öffentliche

Führungen bei Basel Tourismus unter Telefon 061 268 68 68 oder [email protected], private Führungen

unter [email protected] gebucht werden. a «A contre vent», Granit (Foto: Paul Schneller)

Viel Schwarz, wie der Schabkarton selbst, aus dem die Bilder mit einem Messer

gekratzt werden. «Kontrastprogramm. Die Kunst des Schabkartons», 2010

Das Wohnzimmer der Comic figur «Eva» von Jaermann/Schaad, Ausstellungsdesign,

2011«Im Paradies», Ausstellungsinszenierung,

«Ralf König, Gottes Werk und Königs Beitrag», 2011

— ANAMORPHOSEN

SIND BILDER, DIE NUR UNTER EINEM

BESTIMMTEN BLICK-WINKEL ODER

MIT EINEM SPEZIELLEN SPIEGEL ALS SOLCHE

ERKENNBAR SIND.—

— DER AUSSTELLUNGS-RAUM […] DARF SICH

KOMPLETT VERÄN-DERN UND ÜBERFORMT

WERDEN, KANN ALS TEIL EINER INSZENIE-

RUNG IN ERSCHEINUNG TRETEN.

die mit dieser Infrastruktur die markant ge-wachsene Stadt mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgten. Der Innenraum der An-lage ist als grosse Pfeiler- und Gewölbehalle gestaltet, rund achtzig Prozent der Bodenflä-che sind Sand. Hier rann das Wasser aus zwei Baselbieter Quellen durch Sand- und Kies-schichten, bis am Ende sauberes Trinkwasser der Grundversorgung der Basler Bevölkerung dienen konnte. Und der Name der langsamen Anlage ist Programm: Moderne Filter verar-beiten Wasser über hundert Mal schneller.

Mit Unterstützung der IWB hat der Künst-ler, Werber, Galerist und Lichtfeld-Organisator Fredy Hadorn rund fünfeinhalb Jahre für die Realisation eines Raumes für kulturelle Anläs-se im Filter 4 gekämpft. Er landete mit diesem Anliegen sogar vor dem Bundesgericht. Es hat sich gelohnt! Der Filter 4 ist seither ein ein-zigartiger Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst mit Fokus auf Installa-tion und experimenteller Musik und verdankt seine Anziehungskraft sowohl der einmaligen räumlichen Qualität als auch dem hochkarä-tigen Programm. Der Ausstellungsraum und Gastrobetrieb ist während den Monaten Mai bis Ende September geöffnet, die Anlage kann auch für Anlässe gemietet werden. Nach den erfolgreichen ersten drei Jahren hat der Verein mithilfe der Christoph Merian Stiftung die Infrastruktur ausgebaut.

Das «iwbFilter4» bringt Kunst ins Quartier, hat sich gegen anfängliche Widerstände durch-gesetzt, sich etabliert und bewiesen, dass span-nende Ausstellungen und Veranstaltungen eine nachbarschaftliche Bereicherung sind.

Christoph Meneghetti

Bild: Fredy Hadorn

—Sa, 16. August 2014 / 18.30 Uhr

VernissageVOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

Eine Installation von Andreas Schneider, Jan Hostettler und Sebastian Mundwiler.

Sa, 16. August bis Sa, 27. September—

Fr, 22. August 2014 / 20 Uhr Sa, 23. August 2014 / 20 Uhr So, 24. August 2014 / 17 Uhr Fr, 29. August 2014 / 20 Uhr Sa, 30. August 2014 / 20 Uhr

larynx vokalensemble—

PLAY IT AGAIN, DIDO!Henry Purcell feat. Casablanca –

szenische Zeitreise von der Barockoper in den Jazzclub: Dido, Königin von

Kathargo, ist Star eines Nachtclubs und der Sand des Filters wird zur Wüste. Mit Ulrike Hofbauer, Thill Mantero, larynx vokalensemble und Carthage Collective, Ann Allen, Isabelle Born

und Jakob Pilgram. —

So, 7. September 2014 / 14 UhrVeranstaltung mit Diskussion

VOM AUFWACHEN MIT DER BESTEHENDEN ORDNUNG

FILTER 4Der Filter 4 auf dem Bruderholz war einst Teil der Wasserversorgung der Stadt Basel. Ein Blick ins Innere der Langsamfilter-Anlage zeigt nicht nur einen visuell spektakulären Raum, sondern einen Ort mit einer einzig-artigen meditativen Qualität. Seit 2011 ist der Filter 4 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events und Ausstellungen.

Die 1600 m2 grosse Filteranlage auf dem Bruderholz wurde 1905 fertiggestellt und ist damit älter als der nur wenige Kurven der Reservoirstrasse entfernte Wasserturm (1926). Beides sind auch heute noch auffällige Bauten. Der monumentale Eingang mit seinem trutzi-gen, fast militärischen Charakter spiegelt den Stolz der Architekten und Bauherren wider,

1. OGAtelier 1 (12 m2) und Atelier 2 (23 m2),

WCs

Raumpläne Schreibateliers im Blechspitz

2. OGAtelier 3 für zwei Personen (36 m2),

Gemeinschaftsküche

Rufus Beck, Edward Piccin, Julius Griesenberger, Mona Petri (Foto: Oscar Alessio, SRF)