shortcut 2

17
DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT Schwerpunkt: KULTURGESCHICHTE Cartoonmuseum Basel: DIE LIGNE CLAIRE Fördergelder: WER BEKAM WIEVIEL? # 2 September 2013

Upload: christoph-meneghetti

Post on 01-Apr-2016

274 views

Category:

Documents


0 download

DESCRIPTION

Das Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung Schwerpunkt Kulturgeschichte

TRANSCRIPT

Page 1: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG

shortcutSchwerpunkt:

KULtUrGESCHiCHtECartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2September 2013

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2

KuNst LIcht daS FotoGraFiSCHE WErK

VoN CHriStiaN BaUrChristian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto

tite

lsei

te: C

hris

tian

Baur

, BBC

, Bad

en, c

a. 19

75h

a

c

d

dd

Page 2: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2DAS FOTOGRAFISCHE W

ERK VON CHRISTIAN BAUR — SHORTCUT #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG shortcut

Schwerpunkt:KULtUrGESCHiCHtE

Cartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2 September 2013

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

KuNst LIcht

daS FotoGraFiSCHE WErK VoN CHriStiaN BaUr

Christian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto titelseite: Christian Baur, BBC

, Baden, ca. 1975h

a

c

d

dd

Page 3: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG

shortcutSchwerpunkt:

KULtUrGESCHiCHtECartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2September 2013

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2

KuNst LIcht daS FotoGraFiSCHE WErK

VoN CHriStiaN BaUrChristian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto

tite

lsei

te: C

hris

tian

Baur

, BBC

, Bad

en, c

a. 19

75h

a

c

d

dd

Page 4: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG

shortcutSchwerpunkt:

KULtUrGESCHiCHtECartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2September 2013

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2

KuNst LIcht daS FotoGraFiSCHE WErK

VoN CHriStiaN BaUrChristian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto

tite

lsei

te: C

hris

tian

Baur

, BBC

, Bad

en, c

a. 19

75h

a

c

d

dd

Page 5: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2DAS FOTOGRAFISCHE W

ERK VON CHRISTIAN BAUR — SHORTCUT #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG shortcut

Schwerpunkt:KULtUrGESCHiCHtE

Cartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2 September 2013

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

KuNst LIcht

daS FotoGraFiSCHE WErK VoN CHriStiaN BaUr

Christian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto titelseite: Christian Baur, BBC

, Baden, ca. 1975h

a

c

d

dd

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2DAS FOTOGRAFISCHE W

ERK VON CHRISTIAN BAUR — SHORTCUT #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG shortcut

Schwerpunkt:KULtUrGESCHiCHtE

Cartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2 September 2013

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

KuNst LIcht

daS FotoGraFiSCHE WErK VoN CHriStiaN BaUr

Christian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto titelseite: Christian Baur, BBC

, Baden, ca. 1975h

a

c

d

dd

1

2

Page 6: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2DAS FOTOGRAFISCHE W

ERK VON CHRISTIAN BAUR — SHORTCUT #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG shortcut

Schwerpunkt:KULtUrGESCHiCHtE

Cartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2 September 2013

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

KuNst LIcht

daS FotoGraFiSCHE WErK VoN CHriStiaN BaUr

Christian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto titelseite: Christian Baur, BBC

, Baden, ca. 1975h

a

c

d

dd

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2DAS FOTOGRAFISCHE W

ERK VON CHRISTIAN BAUR — SHORTCUT #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG shortcut

Schwerpunkt:KULtUrGESCHiCHtE

Cartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2 September 2013

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

KuNst LIcht

daS FotoGraFiSCHE WErK VoN CHriStiaN BaUr

Christian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto titelseite: Christian Baur, BBC

, Baden, ca. 1975h

a

c

d

dd

Modeaufnahmen im Atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte Christian Baur in Ausbildung, 1946Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, Labor der CIBA Basel, ca. 1975Christian Baur, Transportbänder Habasit AG. Die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den Aufnahmewinkel unsichtbar werden.

1 234

3

4

Page 7: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2DAS FOTOGRAFISCHE W

ERK VON CHRISTIAN BAUR — SHORTCUT #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG shortcut

Schwerpunkt:KULtUrGESCHiCHtE

Cartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2 September 2013

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

KuNst LIcht

daS FotoGraFiSCHE WErK VoN CHriStiaN BaUr

Christian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto titelseite: Christian Baur, BBC

, Baden, ca. 1975h

a

c

d

dd

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

Christian Baur, Theater Basel, Blick auf das Dach im Bau, ca. 1975

567

5 6

Page 8: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2DAS FOTOGRAFISCHE W

ERK VON CHRISTIAN BAUR — SHORTCUT #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG shortcut

Schwerpunkt:KULtUrGESCHiCHtE

Cartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2 September 2013

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

KuNst LIcht

daS FotoGraFiSCHE WErK VoN CHriStiaN BaUr

Christian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto titelseite: Christian Baur, BBC

, Baden, ca. 1975h

a

c

d

dd

7

Page 9: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 10: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 11: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 12: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 13: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 14: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 15: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 16: Shortcut 2

Landeskarte 2012

Meyerplan 1657

BrüglingenFlüsseGewässerkorrektionenRevitalisierungenAlte VerkehrswegeWasserversorgung – Trinkwasser

Hochwasser – ÜberschwemmungenWasserkra� – StauwehreKorrektion des OberrheinsRheinBirs

Naturschutzgebiete

St. Jakob

iM MittELPUNKt StEHt dEr MENSCH

dEr FotoGraFiSCHE NaCHLaSS VoN PEtEr MoESCHLiN (1924 – 2003)

im rahmen ihrer recherchen zur Publika-tion «Heimathafen Basel» (Basel 2003) stiess die Ethnologin Barbara Lüem auf das Foto-archiv von Peter Moeschlin. Begeistert von seinen aufnahmen, sichtete sie zusammen mit Moeschlin und dessen langjährigem Mitar-beiter Christian Baur das archiv. Gleichzei-tig überzeugte sie Moeschlin, sein Fotoarchiv der Christoph Merian Stiftung zu schenken. die Stiftung versprach im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Fotoarchiv erstens erhalten, zweitens inventarisiert und drittens ins Staats-archiv Basel-Stadt überführt würde, wo es für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte. Kurz vor seinem tod unterzeichnete Moeschlin die Vereinbarung und übergab der Stiftung sein Werk.

im auftrag der Stiftung erarbeitete Barbara Lüem daraufhin einen kommentierten Kata-log zu Moeschlins archiv (BSL 1022 DK 1). an-schliessend erstellte der archivar der Stiftung, andré Salvisberg, basierend auf Moeschlins archivordnung, seiner titelgebung und datie-rung der Bilder ein umfassendes Verzeichnis der Negative. im oktober 2007 konnte die Stiftung das Fotoarchiv von Peter Moeschlin dem Staatsarchiv Basel-Stadt als depositum übergeben.

Neben den informationen zum Fotoar-chiv Moeschlin und den einzelnen Bildern (Metadaten) wurden anschliessend durch das Staatsarchiv rund zehn Prozent der Bilder (ca. 3800 Bilder) digitalisiert und online zugäng-lich gemacht.

das Fotoarchiv ist eine persönliche aus-wahl von Peter Moeschlin. Es setzt sich zusam-men aus Fotonegativen, diapositiven, Kontakt-kopien, vergrösserten Fotopositiven, Karteien und Katalogen als Findmitteln zum Fotoar-chiv, dem Film «Gefahr Nord-West», wenigem aktenmaterial (u. a. Bewerbungen) und Beleg-exemplaren seiner publizierten Bilder. Weiter sind eine Videokassette mit einem interview von Barbara Lüem mit Peter Moeschlin aus dem Jahr 2003 und ihr kommentierter Katalog aus dem Jahr 2005 vorhanden. das Bildmateri-al gliedert sich in ein Familienarchiv, ein Freies archiv und ein Kundenarchiv. die einzelnen Serien weisen kleinere und grössere Lücken auf, weil Moeschlin abzüge und / oder Nega-tive verschenkte oder vernichtete.

thematisch und umfangmässig sind in Peter Moeschlins Werk sieben Schwerpunkte auszumachen, die mit seinem interesse, seiner Biografie und seiner beruflichen Karriere zu-sammenhängen:

Die Reise 1947 /48Zwischen august 1947 und November 1948 unternahm Peter Moeschlin, 23-jährig, eine längere reise, die ihn über Frankreich und England nach tunesien, algerien und Marok-

ko und dann wieder über Frankreich zurück nach Basel führte. auf allen Stationen seiner reise fotografierte er ausgiebigst und erstellte kleine reportagen (BSL 1022 FAGN 1391 – 1581).

Die Basler Hafenanlagen und die RheinschifffahrtSeine Leidenschaft für den Basler Hafen und die rheinschifffahrt teilte Peter Moeschlin mit Utz oettinger, einem der redaktoren der Zeitschrift «die Woche» (Walter-Verlag, olten). dank dieser Beziehung erhielt er in den 50er-Jahren mehrere reportageaufträge zum thema rhein und rheinschifffahrt. Er fotografierte aber immer wieder auch frei im Hafen und auf dem rhein (vgl. BSL 1022 FAT T).

Reportagen für «Die Woche» Neben den reportagen zur rheinschifffahrt vermittelte Utz oettinger Peter Moeschlin weitere aufträge zu schweizerischen themen. in diesem rahmen entstanden zum Beispiel die reportagen über den Viehmarkt von Wollerau, 1951 (BSL 1022 FAGL CH 10 BB), den Banntag von Liestal, 1953 (BSL 1022 FAGL CH 13 F), die Kundenweihnacht in Basel, 1952 (BSL 1022 FAGL CH 14 AB) und den Hühnerdompteur Hans Unold, 1953 (BSL 1022 FAT K 15).

«Freie» Reportagen Peter Moeschlin erstellte immer wieder, vor allem auf reisen, «freie» reportagen, die er dann auf gut Glück verschiedenen Zeitschrif-ten zuschickte: Fischerei in Nazaré (BSL 1022 FAGL PO 9 B), portugiesischer Stierkampf (BSL 1022 FAGL PO 13 A), Hasentreibjagd im Elsass (BSL 1022 FAGL FR 8 B), Basler Fasnacht, Vogel Gryff (BSL 1022 FAGL CH 13 A, B).

Bildende Künstler und Ausstellungen Peter Moeschlin war der Basler Kunstszene sehr zugetan. im Gegensatz zu den meisten auftragsarbeiten bewahrte er die Negative und

Kontaktkopien von Werkreproduktionen und atelierbesuchen von über 400 Künstlerinnen und Künstlern auf (BSL 1022 FAT F 2 A – F 403 A, F 2 B – F 403 B).

Darstellende Künstler, u.a. Flamenco-tanzpaar Susana audeoud und José Udaeta, reportagen von Cabaret-aufführungen in den 1950ern (Cabaret Fédé-ral, Kommödchen düsseldorf, Cabaret Para-pluie in Strasbourg), Sammlung von Porträts internationaler Stars (u. a. Ella Fitzgerald, duke Ellington, Lionel Hampton und Basler Jazz-Grössen wie Cheese Burckhardt, Willy

diCHtE GESCHiCHtEdiE rEiHE «BEitrÄGE ZUr BaSLEr GESCHiCHtE» iM

CHriStoPH MEriaN VErLaG

als das Buch «Basel – Geschichte einer städti-schen Gesellschaft» im Herbst 2000 erschien, konnte man im Vorwort lesen:

«Von Zeit zu Zeit bedarf Geschichte aus meh-reren Gründen neuer Darstellungen: weil die Forschung zu neuen Erkenntnissen führt, die in eine Gesamtsicht einbezogen werden müssen, weil jede Zeit mit ihren spezifischen Sensibilitäten und Fragen ihr eigenes Verhältnis zur Vergangenheit erarbeiten muss, und schliesslich weil auch der jüngste, durch den Fortgang der Zeit immer wie-der ‹nachwachsende› Abschnitt der Zeitgeschichte miterfasst werden muss. Dies gilt auch für die Basler Geschichte. (…) Das nun vorliegende Buch will im genannten Sinne für ‹2001› ein kleiner Jubiläumsbeitrag sein, es will und kann aber kein Ersatz für die angestrebte umfassende Erarbeitung einer neuen Kantonsgeschichte sein.»

Zwölf Jahre später gibt es die neue Kan-tonsgeschichte immer noch nicht. aber: Es gibt immerhin Bestrebungen für eine solche (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Es gibt die stetig wachsende reihe des Christoph Merian Verlags, «Beiträge zur Basler Geschichte». im Bewusstsein, dass die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte erstens ein langer Prozess sein wird und dass es zweitens dafür auch neue monografische Untersuchungen braucht, hat der Verlag diese historiografische Buchreihe ins Leben gerufen.

der erste Band befasste sich mit «orten der Erinnerung», d.h. mit der Zeit in Basel zwischen 1933 und 1945. das ausgesprochen lesefreundliche Buch war so erfolgreich, dass eine zweite auflage gedruckt und eine gleich-

namige dVd herausgegeben werden konnten. dies ermutigte uns, die reihe konsequent fort-zusetzen. Zuletzt erschien zum Jubiläum des 50-jährigen Bestehens der regio Basiliensis das Buch «die regio-idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der region Basel».

im Zuge ihres kulturgeschichtlichen Enga-gements hat die Stiftung einzelne Werke selbst initiiert und die Forschung finanziert (so bei den titeln «armut und Fürsorge in Basel» und «Kapital und Moral», der Biografie von Chris-toph Merian), zum teil hat die Stiftung die drucklegung unterstützt («Gegen den Krieg» und «orte des Wissens»), zum teil übernahm der Verlag Produktion und Vertrieb («Natur-Geschichte», «Vom Weissgerber zum Bundes-rat», der Geschichte der Familie Brenner, oder «Ärzte im 19. Jahrhundert»). immer wieder war das Historische institut der Universität Basel unser Partner, was uns ganz besonders freut, denn zur Philosophie des Christoph Me-rian Verlags gehört es, wissenschaftlich aufge-arbeitete themen in allgemein verständlicher Form zu edieren.

Stiftung und Verlag sind überzeugt, dass es die «Beiträge zur Basler Geschichte» auch künftig braucht, und wir freuen uns auf neue themen, neue historiografische initiativen und vor allem auf neue Bücher ...

Beat von Wartburg

diEtEr BUrCKHardtS GESaMMELtE WErKE

aM aNFaNG War diE SaMMLUNG

am anfang des Cartoonmuseums Basel stand eine Sammlung. der Sammler, Mäzen und Museumsgründer dieter Burckhardt (1914 – 1991) wollte seine auf zahlreichen reisen und mit viel Leidenschaft aufgebaute private Sammlung von Karikaturen und Cartoons einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ma-chen. Er gründete 1979 die Stiftung «Samm-lung Karikaturen & Cartoons», die seither als unselbstständige Stiftung von der Christoph Merian Stiftung betreut wird, und beauftrag-te den Basler Cartoonisten Jürg Spahr alias Jüsp (1925 – 2002) mit dem weiteren aufbau der Sammlung und der Leitung des zum selben Zeitpunkt aufgenom-menen Museumsbe-triebs. Heute umfasst die kontinuierlich ge-wachsene Sammlung, die hauptsächlich das späte 20. Jahrhundert abbildet, rund 4000 ori-ginalwerke von etwa 700 nationalen und interna-tionalen Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 40 Ländern und wird ergänzt mit rund 2 000 Leihgaben. Parallel zur Sammlungstätigkeit und Museumsgründung wur-de eine umfangreiche öf-fentliche Bibliothek zu Karikaturen und Car-toons aufgebaut. dieter Burckhardt verfolgte zudem ein langfristiges Ziel: Er arbeitete auf die Schaffung eines Kompetenz- und Studien-zentrums für satirische Kunst hin. Letzteres

bleibt weiter ein Ziel, aber ein grosser teil von dieter Burckhardts Wunsch hat sich erfüllt: dank seiner Sammlung und der langjährigen und breit gefächerten ausstellungstätigkeit ist das von Herzog & de Meuron umgebaute Car-toonmuseum an der St. alban-Vorstadt zum einzigen Kompetenzzentrum für satirische Kunst in der Schweiz herangewachsen.

Schlank unterwegsdank diesen Kompetenzen wird das Car-toonmuseum zunehmend mit Schenkun-

gen beglückt sowie für die Übernahme von Nachlässen ange-fragt: So wurden dem Haus die Nachlässe von Jürg Spahr, Ju-les Stauber und Hans Haëm anvertraut, mit den Nachfahren des Basler Karikaturisten Hans Geisen ist man im Gespräch. Nachläs-se dieser Qualität sind wichtige kulturge -schichtliche Zeugnisse, eine Zunahme entspre-chender Schenkungen ist deshalb erfreulich für das Cartoonmuse-um. Sie ist ihm aber auch Verantwortung, sind doch die arbeiten erst einmal zu sichten, zu dokumentieren und

in die Sammlung zu integrieren, was für ein ausschliesslich mit privaten Geldern finan-ziertes Museum je nach art und Umfang des Nachlasses eine grosse aufgabe ist. das Car-

toonmuseum erhält nämlich keine staatlichen Mittel, sein Betrieb wird von den Erträgen des von dieter Burckhardt eingebrachten Stiftungskapitals und durch Sponsoring er-möglicht. die Christoph Merian Stiftung trägt mit, allerdings sind ihre Möglichkeiten be-grenzt. das Museum hilft sich zudem selbst, es hat eine vergleichsweise hohe Eigenwirt-schaftlichkeit von 30 Prozent. Eine extrem schlanke Struktur macht es möglich, die zur Verfügung stehenden Mittel fast zur Gänze in die ausstellungstätigkeit fliessen zu lassen. Neben Werken aus der Sammlung zeigen die ausstellungen Leihgaben anderer Häuser oder von Sammlern und bieten so Vielfalt und ak-tualität. dabei ist die eigene Sammlung die Grundlage für die wachsende ausstrahlung des Cartoonmuseums als Gedächtnis dieser Kunstform oder – moderner ausgedrückt – als Kompetenzzentrum, sie ermöglicht Forschung und hilft beim austausch von Werken mit anderen Museen.

Weitersammeln und erweitert sammelndas Cartoonmuseum hat seine Sammlung in den letzten Jahren gepflegt und konzentriert ausgebaut, so konnten wichtige und grosse arbeiten oder Werkgruppen von zeitgenös-sischen Künstlerinnen und Künstlern wie thomas ott, Noyau, anna Sommer, Martial Leiter, Nicolas Mahler und vielen anderen an-gekauft werden. Es ist zudem ein Ziel, neben der Karikatur auch dem Comic in der Samm-lung die Wertschätzung zu geben, die er ge-genwärtig erfährt. Heute sind viele innovative Erzähler und autorinnen und die wichtigsten Zeichner und Künstlerinnen im Comic zu Hause. Comic hat sich zur viel diskutierten und äusserst lebendigen «neunten Kunst» gemausert, die auch vor komplexen inhalten für Erwachsene nicht zurückschreckt. das Cartoonmuseum Basel besitzt jedoch noch vergleichsweise wenige Comicoriginale und ist zu diesem thema auf Leihgaben anderer Häuser und Privater angewiesen.

Die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit in Zukunft breiter abstützendie Zeichenkunst hat in den letzten Jahren – auch dank der arbeit von Museen – eine enorme Steigerung der anerkennung erfah-ren. dies zeigt sich zum Beispiel in der tatsa-che, dass ausstellungen oder anspruchsvolle neue Bücher oder Filme auch ausserhalb der Szene in Feuilletons besprochen werden. oder es kommt in den Preisen für original-zeichnungen berühmter Comiczeichner und Cartoonistinnen zum ausdruck, die solche Bilder zu unbezahlbaren Wunschobjekten für kleinere institutionen wie das Cartoon-museum werden lassen. auf der Suche nach Mitteln, die eine aktive Sammlungs- und lebendige ausstellungstätigkeit langfristig sichern helfen, unternimmt das Cartoonmu-seum eigene anstrengungen wie die in den nächsten Monaten vorgesehene Gründung eines Gönnerkreises oder die intensivierte Suche nach Sponsoringpartnern. anspruchs-volle Cartoons und Comics sind zumindest Spiegelbilder gesellschaftlicher Verhältnisse, meist jedoch pointierte Kommentare dazu, ihre aufbewahrung und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit sind eminent wichtig. dass ein spezialisiertes Museum wie das Cartoonmuseum mit einer eigenen Lie-genschaft, einer soliden Grundfinanzierung und einem starken Partner diesen kulturge-schichtlich bedeutungsvollen auftrag seit Jahren wahrnehmen kann, ist ein Glücksfall. Es wäre eine überregionale, nationale aufga-be, das Cartoonmuseum bei dieser arbeit zu unterstützen. Mit einer grossen Portion op-timismus und noch mehr Lobbyarbeit sollte dies zu erreichen sein. Unsere Nachbarlän-der Frankreich, deutschland und Österreich machen es uns mit grossen, vom Staat (mit) getragenen Museen zum thema vor.

anette Gehrig

SCHNEEBÄLLE UNd aNdErE ELEFaNtEN

WarUM ES EiNE NEUE BaSLEr GESCHiCHtE BraUCHt

am Ende des Sommers an Schnee zu denken, ist vielleicht nicht naheliegend. aber stellen Sie sich einen kleinen Schneeball vor, der fröhlich kurvend einen weissen Hang hin-unterrollt, immer dicker, schwerer, schneller wird und irgendwann als stattliche Schneeku-gel daliegt, rund, ein wenig stolz, nicht mehr zu übersehen, fast schon ein Elefant. das ist mein Bild, wenn ich an die letzten 18 Monate denke, in denen die idee einer neuen Basler Geschichte immer mehr Fahrt aufgenommen hat – unterstützt von zahlreichen Personen aus Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Heute stecken wir mitten in der Konkretisie-rung eines ambitionierten Projekts, in dem erstklassige Vermittlung und Präsentation ebenso wichtig sind wie innovative Forschung.

Wir – das ist der Verein Basler Geschichte, dem sich seit November 2011 rund 120 Einzel-personen und einige institutionen angeschlos-sen haben. der Verein treibt das gemeinsame Projekt voran und ist eine Plattform, die allen interessierten Gelegenheit zur diskussion bie-tet. Zu diesen zählen im geschichtsbewussten Basel viele: Einrichtungen wie das Staatsarchiv, das Historische Museum, das Naturhistorische Museum, die archäologische Bodenforschung oder die denkmalpflege, die departemente Geschichte und altertumskunde, aber auch die Juristen oder Kunsthistoriker, die Ge-schichtslehrer, die Stadtführer, die Quartier-vereine, die Zünfte … und überhaupt alle, die eine aktuelle Geschichte der Stadt, die sie mitgestalten, wichtig, ja unentbehrlich finden. diese finden sich nicht zuletzt in der Politik, von wo die initialzündung kam und wo das Projekt zweifellos thema bleiben wird – denn eine Basler Geschichte braucht auch den Suk-kurs aus Parlament, regierung und Verwal-tung. die Unterstützung des Vorprojekts aus

dem Swisslos-Fonds ist ein ermutigendes Zei-chen, ebenso der bisherige finanzielle Support privater Stiftungen, darunter der Freiwilligen akademischen Gesellschaft.

Woher aber kommt die Motivation, sich für eine neue Basler Geschichte zu engagieren? da ist nicht nur die Lust auf spannende Geschich-ten oder der Bedarf an einer aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. da ist auch die tiefe Überzeugung: Eine neue Stadtgeschichte ist für viele eine unabdingbare Voraussetzung für die diskussion des städtischen Selbstver-ständnisses. das Wörtchen «neu» steht für ein ambitioniertes Programm: den abschied von der im späten 19. Jahrhundert geprägten Sicht, die die Stadt als eine schon immer bestehende Einheit zeigt – zugunsten einer aktuellen, ge-genwartsbezogenen Stadtgeschichte, die den Blick auf die Vielfalt der hier lebenden Men-schen richtet, in deren Köpfen Basel ganz Ver-schiedenes bedeuten kann und die in ihrem Zusammenwirken die Stadt erst «machen».

der grosse Schneeball hat auf seiner reise viele Wünsche, ideen, Fragen, ja umfassende Forschungsdesiderate aufgesammelt, und er ist gesättigt mit viel Fachwissen und Erfahrung, die Vereinsmitglieder und Externe beigesteu-ert haben. Jetzt geht es an die Besichtigung dieses glitzernd-kugeligen Schnee-Elefanten. Er wird analysiert, in seinem Profil geschärft und in praktisch handhabbare Einzelteile zerlegt, damit er durch die tür passt – mit anderen Worten: damit wir im Frühsommer 2014 mit einem spruchreifen und umsetzungs-fähigen Projekt an die Öffentlichkeit treten können.

Beatrice SchumacherBeatrice Schumacher ist Geschäftsführerin des Vereins Basler Geschichte www.baslergeschichte.ch

arCHitEKtUrFÜHrEr BaSELNEUaUFLaGE

Vor genau 20 Jahren erschien im Eigenver-lag des architekturmuseums in Basel nach einer idee der damaligen Leiterin Ulrike Jeh-le-Schulte Strathaus der «architekturführer Basel». autorin war dorothee Huber. das aus-sergewöhnliche an diesem inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buch offenbarte der Untertitel: «die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung». Neben den Bauten und deren architekten wurden auch die Geschich-te der Entstehung der Gebäude, ihre histori-sche Einordnung sowie die wirtschaftlichen Hintergründe dargelegt. Nicht zuletzt wegen dieser historischen dimension wurde der ar-chitekturführer zu einem grossen Erfolg mit mehreren auflagen.

das fast 500 Seiten starke Buch im klas-sisch-schlanken architekturführer-Format ist schon seit Langem vergriffen und nur noch im antiquariat zu Liebhaberpreisen zu be-kommen. immer wieder wurden die autorin, das Schweizerische architekturmuseum und auch der Christoph Merian Verlag darauf an-gesprochen, ob man nicht eine überarbeitete Neuauflage realisieren könnte, in der auch die neuen Bauten der letzten 20 Jahre ihren Platz hätten.

auf initiative des Christoph Merian Ver-lags fanden 2011 erste Gespräche statt zwischen dem CMV, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, dorothee Huber und Hubertus adam, dem neuen direktor des Schweizerischen archi-tekturmuseums. Schnell wurde dabei klar: der Wille aller, eine Neuauflage zu realisieren, ist da. dank der finanziellen Unterstützung durch die Christoph Merian Stiftung konnte das Projekt schliesslich auf den Weg gebracht werden. Zunächst versuchten wir, die druck-daten oder das satzfertige Manuskript aus-findig zu machen, auf dessen Basis dorothee Huber eine Überarbeitung beginnen könnte. doch nach einigen recherchen mussten wir

feststellen, dass nichts mehr vorhanden war: die druckdaten nicht, die Manuskripte auch nicht, nur einige wenige Floppy-disks enthiel-ten textfassungen, bei denen aber nicht zu er-kennen war, welchen Überarbeitungszustand sie enthielten. – Eine andere Lösung musste gefunden werden. Sie fand sich schliesslich in einem für Buchliebhaber schmerzvollen Schritt: Ein Exemplar des originals wurde auseinandergeschnitten und Blatt für Blatt von einer Spezialfirma eingescannt, sodass am Ende eine Worddatei mit allen im Buch enthaltenen texten vorlag.

Bei den original-Bilddaten verhielt es sich ähnlich: die originale waren nicht mehr auf-zufinden, und Filme (damals arbeiteten die druckereien noch mit belichteten Filmen) waren ebenfalls nicht vorhanden. im Fall der Fotografien war das weniger schlimm, denn wir hatten entschieden, sämtliche Gebäude neu fotografieren zu lassen. Es gelang uns, mit dem Fotografen tom Bisig einen ausge-wiesenen Fachmann im Bereich der architek-turfotografie zu gewinnen. Er wird etwa 500 Bauten fotografieren. Ebenfalls verloren wa-ren die daten der Grundrisse; sie müssen nun neu eingescannt oder aus der alten auflage übernommen werden. die historischen abbil-dungen schliesslich werden aus verschiedenen Basler archiven kommen. im Frühling 2014 beginnt das intensive Lektorat, gefolgt von Layout, Umbruch, Korrekturen und druck, sodass im Herbst 2014 die überarbeitete und durch die Neubauten der letzten 20 Jahre er-weiterte ausgabe des «architekturführer Ba-sel» erscheinen wird. Geplant ist ausserdem eine digitale ausgabe der Publikation für mo-bile Lesegeräte – lassen Sie sich überraschen!

oliver Bolanz

NatUr UNd LaNdSCHaFt dEr rEGioN BaSEL

EiN WEBPortaL ZUM tHEMa LaNdSCHaFtSWaNdEL

Wenig beschäftigt die Schweizer mehr als die Gestaltung ihres Siedlungs- und Lebensrau-mes und die Frage, welche regulierung sinn-voll ist. initiativen werden formuliert gegen die Zersiedelung und den uferlosen Bau von Zweitwohnungen und für eine haushälteri-sche Nutzung des Bodens und den Schutz des Kulturlandes. debatten werden geführt über den Unsinn des Pendelns, über das recht auf ein Einfamilienhäuschen auf dem Land und die abhängigkeit unseres Wohlstands von billiger Mobilität und einer florierenden Baubranche. aber auch in der tier- und Pflan-zenwelt werden Entwicklungen kritisch beob-achtet. im Schlepptau des Menschen wandern neue Pflanzenarten ein und andere verschwin-den. Wildtiere dringen in Siedlungen vor und andere werden neu ausgesiedelt. deutlich wird dabei der Wandel des Kulturraums «Natur», ob damit nun das Naherholungsgebiet, die Landwirtschaft, eine unberührte Natur oder einfach der raum zwischen den verhäuselten und zubetonierten Siedlungen gemeint ist. Uns muss bewusst werden, wie das Siedeln und Gewerbetreiben der Menschen in die Landschaft als Lebens- und Kulturraum ein-greift – und das nicht erst seit gestern.

anschaulich wird der Einfluss menschli-cher aktivität auf die direkte Umgebung im Web-Projekt «Natur und Landschaft der re-gion Basel». das Projekt hat eine lange Vorge-schichte: im Frühjahr 1999 erschien im Chris-toph Merian Verlag ein gleichnamiges Multi-mediaprogramm auf Cd-roM zum thema Landschaftswandel der letzten 500 Jahre. das Programm wurde als Forschungsprojekt der Baselbieter Stiftung MGU (Mensch-Gesell-schaft-Umwelt, heute in die Universität Basel eingegliedert) lanciert und nach dreijähriger Entwicklungsarbeit von der Christoph Meri-

an Stiftung in Co-trägerschaft übernommen und finanziell ergänzt. das interaktive Pro-gramm wurde als offizieller Basler Beitrag an der Landesgartenschau «Grün 99» in Weil am rhein vorgeführt und fortan an den Schulen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft eingesetzt. der Benutzer konnte sich damit auf rund 10 000 Bildschirmseiten über den Landschaftswandel der region Basel infor-mieren, mit texten aus den Gebieten Biolo-gie, Geografie, Heimatkunde, Geschichte und Kunstgeschichte. Zu den texten lieferte das Programm einen reichen Fundus an Bildern. Ein innovatives Kartenmodul ermöglichte es, die region zu erkunden und den Wandel im Vergleich von Landeskarte (1990) und Sieg-friedkarte (um 1880) nachzuvollziehen.

2007 war das Programm in vielerlei Hin-sicht (inhaltlich, technisch, grafisch und be-züglich der Verlinkungen) in die Jahre ge-kommen, und vielen Geräten fehlte bereits die für dessen anwendung geeignete Hard- und Software. als umfassende darstellung der Landschaftsentwicklung der region Basel war die arbeit aber inhaltlich immer noch wertvoll. deshalb reifte in diesem Jahr die idee, das Programm zu aktualisieren und es in einem anderen Medium neu aufzulegen: als Website soll die arbeit unentgeltlich und niederschwellig zur Verfügung gestellt wer-den, was insbesondere Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zugutekommt. Sie können in der Schule oder zu Hause auf der Website recherchieren und die informationen für ihre arbeiten und Vorträge verwenden, interessier-te jeder altersklasse können sich über ihren Lebensraum informieren und zum Beispiel Exkursionen planen. die Website ermöglicht dem Benutzer, die aktuelle Landeskarte (2012) mit der Landeskarte von 1955, der Siegfried-

karte (um 1880) sowie einer Vielzahl von inselplänen zu vergleichen (z.B. dem Meyer-plan von 1657, der die Brüglinger Ebene, den dalbedych und die Birs vor der Korrektion zeigt). in den Karten, die eine Fläche von rund 1000 km² abdecken, befinden sich Links zu über 100 ortsmodulen mit texten zu Gemein-den, Naturschutzgebieten, Naturräumen und Flusslandschaften. Über einen thematischen Zugang sind weitere rund 150 Module wie Buchenwald, Bodenschätze, Jagd, industriali-sierung, Libellen, Waldsterben, Naturforscher und viele mehr anwählbar. Solche Module bestehen aus einem text, einer Bildgalerie mit 20 bis 30 kommentierten Bildern (insgesamt über 2000 historische Zeichnungen sowie his-torische und aktuelle Fotografien), Grafiken, tabellen, GoogleEarth-Files, einer Sammlung mit programminternen und weiterführenden Weblinks sowie einem Literaturverzeichnis. dieses Material zum Landschaftswandel in der region Basel könnte aufgrund der datenfülle

und der Kosten nicht in einem Buch gedruckt werden. der Projektabschluss und die Veröf-fentlichung der Website sind auf Ende 2014 geplant.

Für jede Generation ist die Landschaft eine Selbstverständlichkeit, und der massive Wandel, dem der Lebensraum in den letzten Jahrhunderten unterworfen war, lässt sich nicht vom heutigen Landschaftsbild herlei-ten. Umso eindrücklicher (und wichtig) ist es, Karten und Bilder aus verschiedenen Zeiten zu vergleichen und mithilfe von wissenschaft-lich fundierten und pädagogisch aufbereiteten informationen diesen Wandel verstehen zu lernen. die Christoph Merian Stiftung un-terstützt das Web-Projekt «Natur und Land-schaft der region Basel» als beispielhaftes interdisziplinäres Projekt mit CHF 150 000. Einen ersten Einblick erhalten Sie unter www.regionatur.ch

Christoph Meneghetti

BaSEL, aLS KriEG War arBEit aN EiNEM BUCH ZU dEN JaHrEN 1914 – 1918

Wie griff der Erste Weltkrieg, die «Urkatas-trophe» des 20. Jahrhunderts, in eine Stadt ein, die vom Krieg äusserlich verschont blieb, aber an Kriegsgebiet grenzte? Und wie dieses thema angehen? ich begann mit recherchen im elektronischen Katalog des Staatsarchivs, gab einfach einmal «1914–1918» ein – und fand so in einem Familienarchiv zwei vollgeschrie-bene Schulhefte samt eingeklebten Fotos und dokumenten einer jungen Frau, welche als 16- bis 20-Jährige das Kriegsgeschehen in und von Basel aus verfolgte, im eigenen alltag als abenteuer erlebte und alles wohlinformiert und zugleich im unbekümmert-träfen Stil ei-ner Halbwüchsigen zu Papier brachte. damit hatte ich zwar schon ein farbiges Lesebuch-Mosaik, aber noch längst keine historische darstellung. So viel wollte behandelt sein, was vergessen in den archiven ruhte: Protokolle aus regierung, Verbänden, Kommissionen und Parlament, Jahresberichte und Korres-pondenzen, elf Laufmeter akten der Lebens-mittelfürsorgekommission im Staatsarchiv, und im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv 27 Schachteln mit rekursen von zahlungsunfähi-gen Gewerblern in den Beständen der Basler Kohlenzentrale. dann Geschichten und Be-richte über Flüchtlinge und humanitäre Hilfe, ausländische dienstverweigerer und Grenz-politik, Kriegsgewinnler und Lebensmittel-mangel, Militärparaden und Soldatenproteste, Landesstreik und Bürgerwehren – wie das in ein Buch bringen, wie der Geschichte einen Sinn geben, die Vielfalt der Stimmen erzähl-bar machen?

immer wieder das Glück des Entdeckens. Von privater Seite erhielt ich das tagebuch ei-nes Basler Kohlenhändlers, der im Herbst 1914 in das von den deutschen besetzte Belgien reiste, um die Chancen von Kohlenlieferungen zu sondieren. das tagebuch beschreibt die reise durchs kriegsversehrte Belgien, hört aber

dort auf, wo es ums Geschäft ging. Wenige Wo-chen später fand ich in den «Basler Nachrich-ten» einen artikel, der genau die Fortsetzung des tagebuchs enthielt, diplomatisch deutsch-freundlich abgefasst und in Erwartung neuer Kohlenlieferungen ab 1915.

Natürlich gibt’s auch Enttäuschungen, etwa jene reise nach Zürich ins Sozialarchiv. dort ist das einzige öffentlich zugängliche Exemplar des «textilarbeiters» aufbewahrt, einer Gewerkschaftszeitung, in der ich einen artikel über die Lage der Chemiearbeiter in den Kriegsjahren zu finden hoffte. tatsäch-lich: Ein Leserbrief mit Verweis auf die vorige Nummer! ich blätterte zurück, über mehrere Nummern hin und her und – Fehlanzeige! Bis ich bemerkte, dass just in der Nummer vorher eine Seite fehlte ...

Zwei Jahre Beschäftigung mit Basel im Ers-ten Weltkrieg – das ist ein Eintauchen in eine Parallelwelt, eine Welt der Entbehrung, angst und existenziellen Unsicherheit, und zugleich ein déjà-vu, als wäre es gestern gewesen: die themen, Konflikte und Bewältigungsstrate-gien veralten nicht, auch nicht die Wechsel von Egoismus und sozialer Verantwortung.

robert Labhardtrobert Labhardt war bis zu seiner Pensionierung Leh-rer und dozent für Fachdidaktik Geschichte an der PH der FHNW. Heute ist er freischaffender Historiker.

robert Labhardts Buch wird im Frühling 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen.

KULtUrGUt tUt GUtSiCHErN – ErForSCHEN – VErÖFFENtLiCHEN

Je mobiler die Menschen werden, je internati-onaler und globaler sie sich kulturell orientie-ren, desto wichtiger ist das historische (Selbst-)Bewusstsein und die zeitgemässe regionale Geschichtsschreibung. die Christoph Merian Stiftung setzt sich für beides mit zahlreichen Projekten ein. Sie achtet dabei auf Nachhal-tigkeit. Was heute aktualität ist, ist morgen Zeitgeschichte und übermorgen Geschichte. So versteht die Stiftung die Herausgabe des Basler Stadtbuchs als eine prospektive histo-rische dokumentation. dasselbe gilt für die multimediale Basler online-Chronik (www.baslerchronik.ch). Beide, Stadtbuch wie Basler Chronik, bilden die Basler Geschichte ab seit 1879, seit 133 Jahren also. trotz diesem Enga-gement sind wir der Meinung, dass die regi-on Basel ein neues Geschichtswerk braucht. deshalb freuen wir uns über die initiative des Vereins Basler Geschichte (vgl. den Beitrag von Beatrice Schumacher). Und: Mit der reihe «Beiträge zur Basler Geschichte» des Chris-toph Merian Verlags steuern wir heute schon Bausteine dazu bei. Einblick in die arbeiten für einen weiteren spannenden Band gibt uns robert Labhardt, der über Basel zur Zeit des Ersten Weltkriegs forscht.

Nach dem Projekt «Historischer atlas der region Basel» (hg. von andré Salvisberg)

arbeiten wir zurzeit an einer zweibändigen Publikation zur Geschichte der chemischen und pharmazeutischen industrie Basels. denn es gibt bis heute keine allgemein verständliche historiografische Übersicht über diese Schlüs-selindustrie. apropos Schlüsselindustrie: das chemiegeschichtliche Projekt ist eine konse-quente Fortführung des Engagements der Stif-tung bei der Basler Papiermühle, die sich der ersten Basler Schlüsselindustrie, der Papier-, druck und Schriftproduktion, widmet.

im Zeitalter der «technischen reprodu-zierbarkeit» hat die Vielfalt an Medien stark zugenommen, und damit ist die Bandbreite zeitgeschichtlicher Zeugnisse mittlerwei-le multimedial. Fotografische archive und Nachlässe, Karikaturen und Cartoons, audio-dokumente und Filme dokumentieren auf spannende Weise die Geschichte und Kultur Basels. aber das Bewusstsein, dass diese neuen medialen Formen und ihre Erhaltung, aufar-beitung und Veröffentlichung wichtig sind, ist noch nicht genügend entwickelt. deshalb kommt es immer wieder vor, dass die Stiftung sozusagen notfallmässig helfen muss (wobei sie dies gerne tut), Karikaturen & Cartoons (Jüsp, Stauber, Haëm), fotografische Samm-lungen von Unternehmen (z.B. der Schweize-rischen reederei und Neptun aG), von ein-

zelnen Fotografen (wie alfred Kugler, Peter Moeschlin oder Christian Baur) oder von ins-titutionen wie der Basler Mission (bmpix.org) zu sichern, zu inventarisieren und zugänglich zu machen. dies ist meist nur möglich dank der kompetenten Kooperation mit Partnern wie dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Mit ihm hat der Christoph Merian Verlag übrigens auch eine ganze Serie von historischen Filmen auf dVd herausgebracht («Bewegte Vergangen-heit», 1 – 4). Ein weiterer Partner des Verlages ist das Schweizer radio und Fernsehen SrF. Mit ihm etablierte er ab 2005 eine erfolgreiche Hörbuchreihe und hob neben literarischen Schätzen Mundartklassiker wie «Spalebärg 77a» aus dem radioarchiv. auch bei anderen Projekten wie der multimedialen Fasnachtsge-schichte («Basler Fasnacht – vorwärts marsch! Lääse – loose – luege!») arbeitete der Verlag mit dem SrF zusammen.

Ebenfalls digital unterwegs ist das grosse Projekt «Natur und Landschaft der region Ba-sel». die Website regionatur.ch wird ab Ende 2014, nach fünf Jahren arbeit, online sein (vgl. den Beitrag von Christoph Meneghetti). die Website beruht auf dem gleichnamigen Cd-roM-Projekt aus dem Jahr 1999. damit diese Wissens- und dokumentationsbestände nicht durch den technologischen Wandel verloren gehen, hat sich die Stiftung für die internet-applikation eingesetzt. dasselbe gilt auch für die aktualisierung des Basler architekturfüh-rers, der vor 20 Jahren erschienen ist und nun

in mehrjähriger arbeit à jour gebracht wird. Somit wird dieses Standardwerk wieder ak-tuell und greifbar sein (vgl. den Beitrag von oliver Bolanz).

auch die Sprache gehört zum Kulturgut, und diese ist wie alles auf der Welt einem ste-ten Wandel unterworfen. deshalb hat die Stif-tung 2010 in Zusammenarbeit mit dem deut-schen Seminar der Uni Basel nach mehrjähri-ger Forschungsarbeit ein neues Baseldeutsch-Wörterbuch ediert, und deshalb bereiten wir jetzt ebenfalls nach mehrjähriger Forschung und Kooperation mit dem deutschen Semi-nar die Publikation eines dreibändigen orts- und Flurnamenbuchs von Basel, riehen und Bettingen vor (vgl. den artikel von Jürgen Mischke und inga Siegfried).

Sie sehen, liebe Leserin, lieber Leser, un-ser kulturgeschichtliches Engagement mün-det häufig in Publikationen: als gedrucktes Buch, als E-Book, dVd oder Hörbuch auf Cd oder als MP3-download. darum ist auch der Christoph Merian Verlag, der zwar nach kommerziellen Gesichtspunkten arbeitet, aber dennoch defizitär ist, ein wichtiges Kulturför-derinstrument der Stiftung, um geschichtli-che Forschungen, arbeiten, Werke auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beat von Wartburg

Bosshard, Peter Wyss, Peter Suter), Leben und Wirken von Pablo Casals.

«Gefahr Nord-West» in den beiden Wintern 1956 und 1957 weilte Peter Moeschlin zusammen mit dem Filme-macher andreas demmer für recherchen und dreharbeiten zu einem Film über die deut-sche Gesellschaft zur rettung Schiffbrüchi-ger auf der ostfriesischen insel Borkum. Peter Moeschlin war dabei Kameramann, konnte aber das Fotografieren nicht lassen. Entstan-den sind der Film «Gefahr Nord-West» sowie eine faszinierende fotografische dokumenta-

tion des insellebens im Winter, der arbeit der rettungsschiffe sowie der Filmarbeiten (BSL 1022 FAGL DE 16 B).

Peter Moeschlins fotografisches Werk zeichnet sich durch hohe Qualität aus, es handelt sich um eine persönlich gefärbte autorenfotogra-fie, die Fotografie als eigenständige Kunstform versteht. im Mittelpunkt seiner arbeit stand stets der Mensch.

Esther BaurEsther Baur ist Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt

KuLturGEschIchtESCHWErPUNKt

Historische Kulturzeugnisse wie aktuelles Kulturschaffen sind wichtig für die Verortung und die identität des Einzelnen und müssen heutigen Medienkonsumgewohnheiten entsprechend vermittelt werden.

aktuellstes Beispiel einer Schenkung ist der gesam-te Nachlass von rund 4000 originalen des Basler Zeichners Hans Haëm. Sammlung Karikaturen & Cartoons, Cartoonmuseum Basel

DER

FOTO

GRAF

ISCH

E NA

CHLA

SS V

ON P

ETER

MOE

SCHL

IN —

SHO

RTCU

T #2

DER FOTOGRAFISCHE NACHLASS VON PETER MOESCHLIN —

SHORTCUT #2

Page 17: Shortcut 2

EditoriaL—

Sie halten, liebe Leserin, lieber Leser, nun schon die zweite Nummer von «Shortcut» in Händen. die erste ausgabe hat ein sehr positives Echo und viele interessierte Leserinnen und Leser gefunden, was uns natürlich freut. denn «Shortcut» soll kein selbstgefälliges Hochglanz-Pr-instrument sein, sondern es soll informieren, es soll die Projekte in den Vordergrund rücken, aber auch Hintergründe und Motive beleuchten, kurz: lesenswert sein.thema dieser ausgabe ist der Förderschwerpunkt Kultur-geschichte. Logisch, denken Sie vielleicht, dass die altehrwür-dige Christoph Merian Stiftung kulturgeschichtliche Projekte unterstützt … Ja, naheliegend mag es sein, aber überhaupt nicht zwingend. Warum also initiiert und fördert die Stiftung aus Überzeugung und aktiv kulturgeschichtliche initiativen? Ganz einfach: weil sie der Meinung ist, dass historische Zeugnisse erhalten bleiben, erforscht und zugänglich gemacht werden sollten, dass das kulturelle Erbe und die auseinandersetzung damit wichtig sind für die identität und die identifizierung der Menschen mit ihrem Lebensraum, mit unserer Stadt, mit Basel. Ganz egal, ob es um Sprache, ortsnamen, fotografische Nachlässe, historiografische Werke, Karikaturen und Cartoons, Papiermacherei, Chemie- und Pharmageschichte oder architek-tur geht: Kulturgeschichtliche themen sind spannend, erfreuen aug und Herz und sind geistig nahrhaft. Viel Spass bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE dEr FaLL HErGÉ & Co.

«Ich pause alle diese Skizzen ab. Das bedeutet, unter all diesen Strichen, die sich vermischen, über-lagern, herausspalten, überkreuzen, schneiden, wähle ich denjenigen, der mir als der beste erscheint, den ausdrucksvollsten, den klarsten und den einfachsten – den Strich, welcher die Bewegung am besten wiedergibt, und zwar indem ich ver - suche, die ganze Spontaneität, die Frische, Unmittelbarkeit des ersten Entwurfs zu erhalten, auch wenn in diesem ersten Entwurf viel Arbeit steckte.» (Hergé, «Le Musée imaginaire de tintin», tournai 1980)

alle kennen den ebenso schlauen wie schnellen reporter tim, sei-nen aufgeweckten Hund Struppi und den Schöpfer ihrer abenteu-er, den weltbekannten belgischen Comiczeichner Hergé. Sein Stil inspiriert und beeinflusst bis heu-te zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. denn Hergé hat nicht nur ein Panoptikum unver-wechselbarer Charaktere geschaf-fen, er hat diese und die Welt, in der sie sich bewegen, auch in einem Stil gezeichnet, der heute als «Ligne claire» bezeichnet wird und den viele für die Essenz des Comics schlechthin halten.

«Ligne claire»-Zeichner arbeiten mit schwarzen Umrisslinien in gleichbleibender Strichstärke, die dadurch abgegrenzten Farben bleiben flächig, also ohne Verläufe und Schattierungen. die Hin-tergründe sind meist reduziert,

aber äusserst realistisch, während die Figuren und vor allem deren Gesichter stärker stilisiert sind und so die identifikation der Leserinnen und Leser mit ihnen vereinfachen. Ungezählte Zeich-nerinnen und Zeichner bezogen und beziehen sich auf Hergés Stil, einige haben ihn kopiert oder adaptiert, andere ihn weiterent-wickelt – aber weder Hergés arbeiten noch die vieler anderer Künstler der «Ligne claire» haben bis heute ihre kraftvolle Frische eingebüsst.

die umfassende ausstellung im Cartoonmuseum schaut in die anfänge, die zu Hergé und seinen stilistisch verwandten Zeitge-nossen geführt haben, stellt alle namhaften «Ligne claire»-Zeich-ner mit originalen vor und reicht bis in die Gegenwart. Neben den naturgemäss stark vertretenen frankobelgischen und niederlän-dischen Künstlern wie E. P. Jacobs,

Jacques Martin, Willy Vanders-teen und Joost Swarte kommen auch Schweizer Zeichnerinnen und Zeichner zum Zuge, die in diesem Stil arbeiten oder ihn als Experimentierfeld verstehen. Präsentiert werden Meilensteine wie der Zürcher robert Lips mit seinem frechen Globus-Werbemaskottchen «Globi», das sich seit den 1930er-Jahren durch Schweizer Kinderzimmer reimt, oder daniel Ceppi, dessen super-realistische abenteuergeschichte «Le Guêpier» in den 1970er-Jahren beeindruckte, dazu zeitgenössi-sche Zeichner wie Christophe Badoux, Gion Capeder oder Exem, die die «Ligne claire» seit den 1980er-Jahren wiederbelebt, modernisiert, dekonstruiert oder parodiert haben.

Exem alias Emmanuel Excoffier (*1951 in Genf) gehört zu den ta-lentiertesten Schweizer Zeichnern und ist ein Meister der «Ligne claire». Weit über die Westschweiz hinaus kennt man seine Parodien im Pocketformat zu Hergés Hel-den tim und Struppi. Exklusiv für die Basler Schau hat er ein Plakat gezeichnet und darauf die bekanntesten «Ligne claire»-Hel-den versammelt – auf dem Weg in ein neues abenteuer.

die ausstellungseröffnung findet im rahmen des internationalen Buch- und Literaturfestivals «BuchBasel» statt.

anette Gehrig

KEiNE aMoUr FoUMeret oppenheim und Basel, das ist mehr als eine flüchtige Begegnung, eine Liebesbezie-hung oder eine Wahlverwandtschaft. Meret oppenheims Wurzeln sind in dieser Stadt zu finden: ihre Grossmutter, Lisa Wenger, die bekannte autorin von Jugendliteratur und Frauenrechtlerin, wohnte im Klingental 13, unmittelbar am rhein. Über der Garage hatte Meret einige Jahre ihr erstes atelier, bevor sie mit ihrem Mann Wolfgang La roche an den rheinsprung, von dort nach aesch und weiter nach thun und Bern zog. alljährlich kehr-te sie für die drei schönsten tage zurück ans rheinknie, genoss das intrigieren und entwi-ckelte zahlreiche wundervolle Larven, die sich bis heute erhalten haben. an einer Fasnacht soll sie sogar ein Kostüm mit aufgenähten Schweinsplätzchen getragen haben. in Basel hat Meret oppenheim in den 1930er-Jahren Max Ernst und Marcel duchamp empfangen, hat 1975 den Basler Kunstpreis erhalten und ist sie kurz vor der Eröffnung ihrer ausstel-lung zum Buch «Caroline» – einer Hommage an die dichterin Karoline von Günderrode, mit der sie sich intensiv befasst hatte – im November 1985 gestorben. 2003 wurden im Gundeldinger Quartier eine Umfahrungsstras-se und ein öder Platz nach ihr benannt, auf der kein Baum wachsen darf, weil es die SBB als Eigentümerin so will. Und dies, obwohl Meret oppenheims Werk stark mit dem Ge-heimnis der Vegetation verbunden ist. 1972 hat sie ein Bild mit diesem titel gemalt, auf dem eines ihrer Grundmotive: die Schlange zu sehen ist. diese finden sich auch auf dem Hermesbrunnen, der seit dem 14. Juli vor dem Museum tinguely aufgestellt ist.

die Vegetation, also die Natur, befindet sich auch im Untertitel eines Skulpturenprojekts im öffentlichen raum der Basler innenstadt, das von mir, zusammen mit Silvia Buol und unter tatkräftiger Mitarbeit unserer assisten-tin Mirjam Fruttiger, organisiert wurde und

bis zum 24. oktober neu entstandene Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern vereinigt. «100 Jahre Meret oppenheim – das Geheimnis der Vegetation» will durch zahlreiche Veran-staltungen, Führungen und Performances das Werk und die Person einer breiten Öffentlich-keit bekannter machen. der Kanton Basel-Stadt ist Hauptsponsor, ohne sein Wohlwol-len und seine Unterstützung wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen. doch auch zahl-reiche Geldgeber haben die Umsetzung der ideen, Projekte und träume möglich gemacht, substanzielle Beiträge leisteten die Christoph Merian Stiftung und die Ernst Göhner Stif-tung. Weitere Beiträge von Stiftungen und Firmen halfen, teilaspekte des Projektes zu ermöglichen. Ein aufliegendes ausstellungs-heft informiert über sämtliche aktivitäten, und die Website www.meret-oppenheim.ch liefert die wichtigen informationen.

Meret oppenheim wurde aber auch in anderen Zusammenhängen thematisiert: So zeigte die Quartierkoordination Gundeldin-gen am 31. august auf dem Meret oppen-heim-Platz den Kultfilm «imago» von Pame-la robertson-Pearce und anselm Spoerri aus dem Jahr 1988. die beiden hatten jahrelang im Umkreis von Meret oppenheim geforscht und mit ihr Gespräche geführt. Entstanden ist ein intimes Zeugnis mit grossartigen Bildern.

Bereits Mitte august, rechtzeitig zur aus-stellung im öffentlichen raum, aber auch zur grossen Meret-oppenheim-retrospektive im Martin-Gropius-Bau in Berlin, erschien im Christoph Merian Verlag die von Christian Fluri und mir herausgegebene Publikation «Meret oppenheim. Eine Einführung». Sie vereinigt all jene texte – und einige weitere –, die im Laufe dieses Jahres zum oppenheim-Jahr monatlich in der «Basellandschaftlichen Zeitung» erscheinen. auf anschauliche und leserfreundliche art werden einzelne themen aufgegriffen und behandelt. die Einführung

will den Leserinnen und Lesern, ohne wissen-schaftlichen anspruch zu erheben, zahlreiche Einzelaspekte aus Meret oppenheims Leben und Werk nahebringen. die reich bebilderte Publikation, die neue Fotoporträts der Künst-lerin, aber auch unbekannte Erkenntnisse aus diversen archiven präsentiert, ist in jeder Buchhandlung oder über den Verlag erhält-lich.

Es ist erfreulich, wie sehr sich Basel und die Christoph Merian Stiftung für Meret oppenheim – die bekannteste Künstlerin der

Schweiz – im Jubiläumsjahr 2013 engagieren. Und wer weiss, vielleicht findet sich auch bald ein Standort in der Stadt, um ihren Berner Brunnen nach Basel zu holen.

Simon BaurSimon Baur, Kunsthistoriker und freier Publizist, ku-ratierte zusammen mit Silvia Buol das Projekt «100 Jahre Meret oppenheim – Ein Kunstprojekt in Basel», 15.8. – 24.10.2013

www.meret-oppenheim.ch

GESProCHENE BEitrÄGE & UNtErStÜtZUNGEN JaNUar BiS JUNi 2013

A Roland for an Oliver offspace-Führer

CHF 10 000

Balimage, Zoom Basler Filmpreis

CHF 30 000

Culturescapes Festival

CHF 30 000

Papier Schrift Druck designwettbewerb

CHF 68 000

Fachsimpeln Kunstprojekt

CHF 8 000

Gässli Filmfestival CHF 16 000

Haus für elektronische Künste im KECK-Kiosk

CHF 48 000

Heimatkunst Kunstprojekt

CHF 16 000

Hinterhof offspace

CHF 10 000

I never read Kunstbuchmesse

CHF 10 000

Meret Oppenheim, Kunstprojekt

CHF 25 000

Oslo Night CHF 10 000

Provocate Kunstprojekt im Filter4

CHF 8 000

Die Katholiken entdecken Basel Publikation CHF 10 000

Erster Weltkrieg von R. Labhardt Publikation CHF 40 000

Geschichte der Lokalradios Publikation CHF 40 000

Totentanz / Greenaway Publikation CHF 30 500

Schwarzwaldallee offspace

CHF 15 000

Stadtkino Basel technische Modernisierung

CHF 50 000

Totentanz Kunstprojekt

CHF 25 000

Hinzu kommen die mehrjährig bewilligten Beiträge an diverse Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Literatur Basel, Haus für elektronische Künste (HeK), Basler Papier-mühle u. a. im Umfang von CHF 1.65 Mio.

Ebenfalls nicht enthalten ist der Kredit für den Umbau an der oslostrasse 12 – 14 (neue iaab-ateliers und neues domizil des HeK). darüber mehr in der nächsten Short-cut-ausgabe …

iMPrESSUM

redaktion und texteoliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter abteilung Kultur andré Salvisberg, archive & Sammlungen

Beat von Wartburg, Leiter abteilung Kultur

—diE aBENtEUEr dEr LiGNE CLairE

der Fall Hergé & Co.

26.10.2013 – 9.3.2014 Vernissage: Freitag, 25.10.2013, 18.30 Uhr

www.cartoonmuseum.ch—

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

DAS

FOTO

GRAF

ISCH

E W

ERK

VON

CHRI

STIA

N BA

UR —

SHO

RTCU

T #2

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

druck Gremper aG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. alban-Vorstadt 5

CH-4002 Basel

daS KULtUrMaGaZiN dEr CHriStoPH MEriaN StiFtUNG

shortcutSchwerpunkt:

KULtUrGESCHiCHtECartoonmuseum Basel:diE LiGNE CLairE

Fördergelder:WEr BEKaM WiEViEL?

#2September 2013

DAS FOTOGRAFISCHE WERK VON CHRISTIAN BAUR —

SHORTCUT #2

KuNst LIcht daS FotoGraFiSCHE WErK

VoN CHriStiaN BaUrChristian Baur, heute über 80 Jahre alt, gehört zweifelsohne zu den besten Basler Berufsfoto-grafen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seinen aufnahmen hat er nicht nur die Basler Kunstszene und Zeitgeschichtliches, sondern über die Werbefotografie auch gan-ze Branchen und industrien dokumentiert. die Bilder sind deshalb insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte von grossem interesse. Sein archiv umfasst ca. 40 000 aufnahmen. Nach der Überführung des Moeschlin-

Nachlasses, den er betreut hatte, machte sich Christian Baur auch über die Zukunft seines eigenen Fotoarchivs Gedanken und kam auf die Christoph Merian Stiftung zu. im Sinne einer Public-Private-Partnership wurde das Fotoarchiv Baur erschlossen. Es wird nun ins Staatsarchiv transferiert und in naher Zukunft als ikonografisches Zeugnis der Vergangenheit zur Öffentlichkeit sprechen.

andré Salvisberg

der Fotograf Christian Baur (geb. 1929) spricht über seine arbeit und die archivierung seines Werks, aufgezeichnet am 9. Juli 2013 von andré Salvisberg.SichernEs ist ein Problem, das alle Fotografen haben, auch andere Kollegen von mir fragen sich: Was soll man nur mit dem archiv machen? ich bin einmal beim Sohn vom Kling-Jenny* vorbei. der hat mir gesagt, dass bei der räumung des ateliers Lastwägen vorgefahren sind und kistenweise entsorgt haben. Und der Spreng*

hat einmal einen teil seines archivs in einem anfall in den rhein geworfen, Glasplatten und Filme – das ist natürlich keine Lösung! Wobei, es ist immer fragwürdig. Man kann nicht alles aufbewahren, wohin auch damit? aber es gibt dinge, die bleiben sollten. das ist für mich eine Befriedigung zu wissen, dass meine aufnahmen im Staatsarchiv an einen

WerbungBasel und Zürich waren Hochburgen der Fotografie. das hatte mit der Werbung und der Mode zu tun. Es gab damals zwei in der deutschschweiz richtig bekannte Modefoto-grafen, Siegfried in Basel und Lutz in Zürich. Was an Mode in Zürich anfiel, fotografierte Lutz, in Basel tat das der Hugo Siegfried*. dann gab es noch die Pharmaindustrie, wo immer arbeit anfiel. Über Mode, industrie und Werbung kam einiges zusammen. die lokalen Modegeschäfte leisteten sich eigene Werbefotografie, da kam einer von der Firma mit der Schneiderin oder dem Schneider, die die Kleider mit den Wäscheklammern anpass-ten. da hat man die aufnahmen tel quel in inseraten oder sogar Plakaten gebraucht. da wurde schon viel fotografiert. Wenn ich daran denke, wie viel Berufsfotografen es in Basel gab! das war eine ganze Liste.

Preisdruck gab es nicht so. Man hörte zwar manchmal, dass sich der eine Kollege über den anderen beklagte, der geht unten rein mit seinen Preisen. aber das war eigentlich nie ein thema. oft war es so, dass der auftraggeber die aufnahmen von einem bestimmten Fo-tografen wollte. da hiess es, das kann nur der Siegfried*, nur der Moeschlin*, nur der Eiden-benz* oder nur der Baur, und zu dem gehen wir. das kam uns Fotografen zugute. ich weiss noch, ein Grafiker, der ein Schulkollege von Moeschlin und oft mit ihm zusammen war, der sagte, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Moeschlin, denn dr Baur ka nüt. dann haben sich die beiden verkracht, und dann hat der darauf gesagt – das weiss ich, das ist verbürgt –, wenn du zu Moeschlin und Baur gehst, dann geh zu Baur, denn mit em Moeschli kunnsch nit z’schlaag. So hat es sich ergeben, dass jeder Berufsfotograf seine treue Kundschaft hatte. Und bei einem treuen Kunden hat man auch darauf geachtet, dass der Preis stimmt. das hat ein wenig mit dem Berufsbewusstsein zu tun.

Metierden Starfotografen kannten wir nicht. der Fotograf war ein Berufsstand. alle aus mei-ner Generation und der davor waren ausge-wiesene, hochqualifizierte Handwerker und techniker mit sehr viel Berufsstolz und sehr viel Metier. das geht vielleicht Hand in Hand mit der Entwicklung der Berufsfotografie. Schauen Sie sich die aufnahmen von 1925 von Kling-Jenny* an vom Volkshaus. das hat mein Vater als architekt gebaut, Kling-Jenny hat es im auftrag fotografiert. Schauen Sie sich die Qualität an! Sie ist grossartig. das ist schon schön, etwas, das technisch so perfekt ist. ich zeige ihnen jetzt alle. Kling-Jenny buckelte die Glasplatten-Kamera umher. Für diese Foto ist er mit dem schweren ding die ganzen treppen hinauf ganz in die Höhe gestiegen.

ich habe zwar viel im Studio fotografiert. das haben die aufträge mit sich gebracht. Wenn ich aber so zurückdenke: ich habe in meinem Berufsleben abertonnen herum-geschleppt. Kameras, Lichter, Stative und so weiter. den grössten teil habe ich alleine ge-macht. Nur einmal hatte ich drei Jahre lang einen Stift, assistenten hatte ich eigentlich nie. den handwerklichen teil habe ich immer geliebt. ich wollte es eigentlich nie anders. Kling-Jenny war die nächstältere Generation, und diese Schule habe ich noch mitgemacht. Carl Hoffmann* war auch Experte an unserer Schule. da hatte man eine theoretische und eine praktische Prüfung. da ist man mit der grossen Kamera hinaus und musste eine ar-chitekturaufnahme machen, dann im atelier ein Porträt. Meine Lehrabschlussarbeit habe ich nicht mehr, ich weiss nicht, wo die hin ist.

ZeichnenSchwarz-Weiss ist immer noch die Mutter aller Fotografie. Sie ist die konsequenteste Fotogra-fie. da steht man mit der Kamera, 360 Grad um einen ist alles da. dann sucht man einen ausschnitt, näher dran, weiter dran, dann geht die dritte dimension weg, es wird zweidimen-sional, und die letzte Konsequenz ist, die Farbe wegzulassen. dann wird es zur Zeichnung. Fo-tografie heisst ja auch: mit Licht zeichnen. der aufwand war damals physisch und materiell so gross, dass man sich bei jeder aufnahme genau überlegte, mache ich sie oder mache ich sie nicht?

ich bin ein Freund klarer Bilder. ich finde, mit der Foto macht man eine Mitteilung. Und wenn jemand sich mitteilt, ist es besser, wenn er das klar und deutlich tut. als Fotograf war man halt zwangsläufig der realität verpflichtet – mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkei-ten vielleicht etwas weniger. Beim digitalen fällt der anteil des Handwerklichen weg. Es ist nicht dasselbe, ob man Filme und Vergrös-serungen im Labor küderlet, bis sie gut sind, oder ob man am Computer sitzt. das ist ein-fach heute anders, es ist nicht schlechter oder besser, sondern es ist einfach eine Verände-rung, die ich als teil der älteren Generation …

ich mache auch noch etwas digitalfotografie und habe Programme, mit denen ich bear-beiten kann. aber das mache ich praktisch nicht. das ist mir im Grunde zuwider. die Foto ist tel quel, und vielleicht hat sie auch ei-nen Mangel. digitalfotografie läuft irgendwie wie geschmiert. Für mich ist das aber wie eine gewisse Überzeugung, dass ich einen aufwand brauche, einen Widerstand, damit die arbeit eine Bedeutung bekommt. Wenn alles nur so aus dem Handgelenk kommt, dann stimmt etwas für mich nicht. ich bin froh, dass ich routine in der arbeit habe, aber einen Ha-ken muss es schon haben, damit es spannend bleibt …

Lesen Sie das ganze Gespräch im Basler Stadt-buch 2013, das Ende Januar 2014 im Christoph Merian Verlag erscheinen wird.

*Basler Fotografen:Bernauer, Ludwig (1922 – 2004); Eidenbenz, Foto atelier der drei Brüder Hermann (1902 – 1993), reinhold (1907 – 1988), Willi (1909 – 1998); Heman, Peter (1919 – 2001); Höflinger, Fotografendynastie mit Jakob (1819 – 1892), albert (1855 – 1936), august (1867 – 1939), Walter (1904 – 1958), Heinz (1928 – 2003); Hoffmann, Fotografendynastie mit theodor (1860 – 1925), Carl (1883 – 1969), Felix (*1929); Kling-Jenny, Carl (1865 – 1929); Moeschlin, Peter (1924 – 2003); Siegfried, Hugo (1916 – 2006); Spreng, robert (1890 – 1969)

ort kommen, wo sie bleiben können. Viel-leicht schlummern sie erst, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit. aber vielleicht werden dann auch gewisse Sachen interessant. Für mich ist die trennung von meinem archiv kein Problem. die inventarisierung hat mir gezeigt, was ich gemacht habe, und hat mir auch gezeigt, dass ich in einem tollen Beruf gut gefahren bin. ich könnte es mir nicht an-ders vorstellen.

Mein eigenes Material hat sich gut gehal-ten. Wichtig ist zum Ersten, dass das Materi-al vor Staub und Licht geschützt ist. Wenn ein diapositiv gut gelagert ist, dann hält das sicher hundert Jahre und noch länger. ich habe diapositive von 1970, die sind noch wie am ersten tag. ich sah einmal das archiv des ateliers Eidenbenz* in einem Kellerschrank. da waren noch viele Glasplatten dabei. Wenn man den Schrank aufgemacht hat, dann hat das nach Entwickler und Fixierbad gerochen, weil das alles nicht gut gewässert worden war. Es gab chemische restsubstanzen darin, die weiter gearbeitet und die Schichten angefres-sen und die Fotos zusammengeklebt haben. Wie hiessen die Substanzen schon wieder? an der Lehrabschlussprüfung mussten wir sagen, woraus sich die Substanzen zusammensetzen. Man musste die Chemikalien damals noch beim drogisten Lehner kaufen und selber an-setzen. Um Filme abzuschwächen, hat man Zyankali gebraucht, und da hat mich der Willi Eidenbenz* geschickt und gesagt, jetzt holst du ein Pfund Zyankali, und das waren so harte Kugeln, die man im Labor in den Mörser tat und zerstampfte. ich habe den Geruch noch in der Nase, es schmeckte wie Bittermandel. Und da hat er dann gewarnt: «Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!» das war die einzige Vorsichtsmassnahme, und das war bei allen Fotografen so: Luegsch, dass de nüt ans Muul griegsch!

KunstWenn ich jetzt so schaue: im Staatsarchiv hat es viele aufnahmen, von den Höflingers*, vom Spreng*, von allen möglichen, sogar von noch früher. der Heman*, Bernauer* und andere, die haben in Zeitschriften und Zeitungen, in den «Basler Nachrichten» oder der «National-Zeitung», enorm über Basel publiziert. ich aber habe eigentlich nie in der Stadt fotogra-fiert. Bei mir ist das Merkmal, dass ich von ver-schiedensten auftraggebern direkt angefragt worden bin, was eigentlich schön ist. das hat einen auch bei der Stange gehalten. Man hat mit der Zeit einen gewissen ruf bekommen, und dann gibt das eine art Kettenreaktion. der Kundenkreis wächst. die Vielfalt war ein Merkmal meiner ganzen Berufsarbeit, man kam an Sachen oder Leute heran, zu denen man sonst nie Zugang gehabt hätte. ich habe das immer geschätzt.

Viel lief erst über die Werbung, wobei die Fotografie noch einen ganz anderen Status hatte. die Foto ging tel quel, vielleicht mit ein paar kleinen retuschen, in die Verwer-tung. das war schön. dann kam eine Zeit, wo es hiess: Mach einfach eine Foto. die Foto wurde dann bearbeitet, gedehnt, eingefärbt, angepasst, bis man sie gar nicht mehr wie-

dererkannte. als Fotograf wurde man so zum rohmaterial-Lieferanten. Und dann war es eigentlich auch nicht mehr befriedigend. Ende der 70er-Jahre hat sich das Gewicht meiner ar-beit verlagert. die Werbung wurde damals für mich weniger interessant, der anteil Kunst ist bei mir gestiegen. Viele haben das gar nicht ge-macht, da die reproduktion von Kunstwerken oft als etwas Minderwertiges galt. Meine ersten selbstständigen arbeiten, die ich in der Lehre bei Eidenbenz* gemacht habe, sind aber gera-de reproduktionen gewesen. Wenn die 33er zu uns kamen und ihre Bilder fotografiert haben

wollten – die hatten ja kein Geld –, dann hiess es, gib das dem Stift, der kostet nichts. Und so kam ich in diese reproduktionsgeschichte. das war eine tolle Kontaktbörse. Man ging in die Kunsthalle, dort sassen Bodmer und otti abt. die fragten: Wer ist das? – das ist der junge Christian Baur, wenn du mal ein Bild fotografiert haben willst, der macht dir das! das zog seine Kreise, insbesondere der Basler Kunstverein und später das Museum tinguely wurden wichtige auftraggeber, und ich habe diese arbeit damals und später immer gerne gemacht.

NaMEN ErForSCHENWo Menschen leben, gibt es Namen. Sie teilen das von ihnen bewohnte und genutzte Land in überschaubare Einheiten auf. Erst durch Namen werden bestimmte raumeinheiten zu eigentlichen orten. diese strukturieren den Lebensraum mit einem Netzwerk, mit dessen Hilfe man sich orientieren und über orte reden kann. das geschieht kleinräumig und innerhalb spezieller Kommunikations-gruppen oder auch bezogen auf grossräumi-ge Strukturen wie Städte oder Nationen mit ge-sellschaftsübergreifenden Nutzergruppen oder gar in globalen dimensionen.

auch die Stadt Basel und die Landgemeinden riehen und Bettingen be-sitzen eine solche Namen-struktur, die das Produkt einer langen historischen Entwicklung ist. im all-tag begegnet sie uns meist in Form von Siedlungs-, Quartier-, Strassen-, Platz- oder Hausnamen, die wir auf Karten, Navigations-geräten, Schildern oder im Gespräch verwenden. Ebenso gebrauchen wir Gewässer-, Berg-, Wald- oder Flurnamen für nicht besiedelten raum.

Einige ortsnamen wie beispielsweise Marktplatz, Mittlere Brücke oder Baselstrasse sind völlig verständlich. Man sieht sofort, was sie inhaltlich bezeichnen. andere wiederum wie Basel, Grosspeterstrasse, Gundeldingen, Na-delberg, Brühlmatte, Riehen oder Heuberg sind bezüglich ihrer sprachlichen Herkunft alles andere als klar, und erst der Blick auf die teil-weise sehr alte Beleggeschichte solcher Namen weist den Weg zum Verständnis eines alltäg-lich benutzten ortsnamens. Wer vermutet schon, dass der Strassenname Grosspeterstrasse

eigentlich auf einen dortigen Grundbesitzer Peter Hug aus dem 14. Jahrhundert zurück-geht, der den charakterisierenden Übernamen «der grosse Peter» trug? inzwischen garantiert der geplante Grosspetertower dem über 600 Jahre alten ortsnamen auch weiterhin eine lange Verwendung.

Seit 2008 arbeitet am deutschen Seminar der Universität Basel unter dem dach des von Prof. dr. annelies Häcki Buhofer gelei-

teten Projekts «Namen-buch Nordwestschweiz» ein Forschungsprojekt an der Erforschung der top-onyme (ortsnamen) im Kanton Basel-Stadt (www.ortsnamen.unibas.ch). Es wird hauptsächlich vom Schweizerischen National-fonds getragen, kann seine hohen wissenschaftlichen ansprüche aber letztlich nur durch die zusätzliche Unterstützung von Geld-gebern wie der Christoph Merian Stiftung realisie-ren. das Projekt will hel-fen, ein besseres Verständ-

nis für die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton Basel-Stadt zu entwickeln. Woher kommen die Namen, die wir als selbstverständ-lichen teil unseres alltagslebens betrachten? Wie lassen sie sich sprachwissenschaftlich, na-menkundlich und historisch erfassen? Welche Faktoren spielten bei ihrer Entstehung eine rolle, und wie lassen sie sich kulturhistorisch sowohl als Einzel- als auch als Gesamtphäno-men verorten?

Zur Beantwortung dieser Fragen musste eine solide datenbasis von historischen und aktuellen Namenbelegen zu den erwähnten orten (Siedlung, Quartier, Strasse, Platz, Haus, Gewässer, Berg, Wald, Flur) mit quellenkri-

tischer Prüfung und exakter transkription angelegt werden. dafür wurden vorwiegend dokumente des Staatsarchivs Basel-Stadt aus-gewertet. Es entstand eine auswahl von rund 500 unterschiedlichen Quellen (Urkunden, Verwaltungsbücher, Karten, Pläne etc.) mit 47 000 exzerpierten Namenbelegen, die mit ih-ren Kontexten in einer datenbank (FLUNa) festgehalten wurden. diese arbeit konnten wir im Winter 2011 abschliessen.

da die Namenbelege orten zugeordnet sind, kann die datenbank chronologische Belegreihen dieser ortsnamen erstellen. da-durch liess sich die Entwicklung von rund 13 000 unterschiedlichen toponymen sichtbar machen. da diese zum grössten teil geore-ferenziert sind und die datenbank über ver-schiedene Zusatzfunktionen verfügt, können wir nicht nur spezifischen Fragestellungen zu einzelnen Namen nachgehen, sondern auch bestimmte historische Namenschichten oder -gruppen untersuchen und auf unterschied-lichem Kartenmaterial darstellen. Ebenfalls möglich sind direktlinks der daten auf offene darstellungssysteme wie Google Maps.

aus den vielen informationsfeldern (Be-schreibung, Koordinaten, Belege etc.) dieser datenbank generieren wir namenkundliche artikel, sie bilden die Grundlage eines in Ent-stehung begriffenen Namenlexikons. Es be-handelt die toponyme im Kantonsgebiet von Basel-Stadt und soll eine Sammlung, darstel-lung und wissenschaftliche Besprechung mög-

lichst vieler (sowohl aktueller wie auch nicht mehr gebräuchlicher) ortsnamen sein und für jeden Namen eine repräsentative sprachhisto-rische Belegreihe vorweisen. das Namenbuch Basel-Stadt wird ein Grundlagenwerk sein, das sich an Experten und interessierte Laien rich-tet. Wegen der Heterogenität der innerhalb des Kantons zu untersuchenden Siedlungen (Ba-sel, riehen und Bettingen) ist das Namenbuch Basel-Stadt in drei Bänden konzipiert. im ers-ten Band, der im November 2013 beim CMV erscheint, werden die orts- und Flurnamen der Landgemeinden riehen und Bettingen in jeweils einem Lexikonteil historisch und aktuell dokumentiert und besprochen. der zweite Band der reihe beschäftigt sich mit den orts- und Flurnamen der Stadt Basel, der dritte Band versteht sich als auswertungsband zur Namengebung im Kanton. Er wird auf die Geschichte ländlicher und städtischer topo-nyme und auf ihre Bezüge eingehen und die Entstehung der Namenlandschaft im Kanton als Ganzes fassbar machen, sowohl in ihrer sprachlichen als auch historischen dimension.

Jürgen Mischke und inga SiegfriedJürgen Mischke und inga Siegfried sind Herausge-ber des Basler Flurnamenbuchprojekts, an dem seit 2008 unter der Leitung von annelies Häcki Buhofer gearbeitet wird.

der erste Band «die ortsnamen von riehen und Bet-tingen» erscheint im November 2013 im Christoph Merian Verlag. der Band über die ortsnamen der Stadt Basel folgt ein Jahr später.

Christian Baur, Ebauches Marin, ca. 1975Christian Baur, transportbänder Habasit aG. die Bänder scheinen nicht dank digitaler Bearbeitung zu schweben, sondern stehen auf kleinen Nadeln, die durch den aufnahmewinkel unsichtbar werden.Christian Baur, theater Basel, Blick auf das dach im Bau, ca. 1975

Modeaufnahmen im atelier Eidenbenz. Beleuchter ist der 17 Jahre alte

Christian Baur in ausbildung, 1946Christian Baur, Labor der CiBa Basel, ca. 1975

Christian Baur, Lenz Klotz (Künstler), 1975Christian Baur, BBC, Baden, ca. 1975

a

g

b

Foto

tite

lsei

te: C

hris

tian

Baur

, BBC

, Bad

en, c

a. 19

75h

a

c

d

dd