schwermetallspuren im menschlichen knochen — probleme bei der analyse und interpretation

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Sehwermetallspuren im mensehlichen Knochen - Probleme bei der Analyse und Interpretation * Thomas Liese and Jiirgen Simon Institut ffir Anorganische und Analytische Chemie der Freien Universitfit Berlin, Fabeckstrage 34/36, D-1000 Berlin 33 Trace Determination of Heavy Metals in Human Bones -- Problems in their Analysis and Result Interpretation Summary. An investigation of the lead and cadmium contents of rib-bones of patients suffering from bronchial cancer was carried out with the aid of electrothermal AAS and DPASV. An analysis of the anamnesis data indicated a significant correlation between the bone-cadmium content and the patient's smoking history. Znsammenfassnng. Die Rippenknochen von Bronchial-Car- cinom-Patienten wurden mit der elektrothermalen AAS und der DPASV auf ihren Blei- bzw. Cadmiumgehalt untersucht. Die Auswertung der Anamnese-Daten liefert einen signifi- kanten Zusammenhang von Cadmiumgehalt und den jeweili- gen Rauchgewohnheiten. Das analytische Problem bei der Bestimmung von Schwermetallspuren in Knochen besteht in den Matrixeffek- ten, die der auch nach dem Aufschlul3 vorhandene hohe Ca3(PO4)5-Anteil auf die jeweiligen Bestimmungsmethoden ausfibt. In vorangegangenen Arbeiten berichteten wir [1, 2] fiber geeignete AufschluBverfahren zur Analyse von Blei- und Cadmium-Spuren im ppm(Pb)- bzw. ppb-Bereich (Cd) mit Hilfe der elektrothermalen AAS und der DPASV. Ffir beide Elemente liel3en sich die internen Fehler auf deutlich unter 10% relativer Standardabweichung begrenzen. Dieses gilt sowohl ffir die AAS wie auch ffir die inverse Voltammetrie. Da beide Bestimmungsmethoden jeweils verschiedene Auf- schluBverfahren ffir das Probenmaterial erforderlich roach- ten, lieB der Vergleich der jeweiligen Mel3daten zugleich den SchluB auf die Richtigkeit der Analysen zu. Dabei wird zun~chst deutlich, dab der zu beobachtende h6here externe Fehler (bei Pb 15 % und bei Cd 30 %) eindeutig ein Fehler der Probennahme ist. Es ging uns um die Ermittlung der Spuren- gehalte der Compacta, doch liegen sich nut schwer solche Knochensplitter auffinden, die v611ig frei waren yon Spongio- sa und anderem anhaftenden Material. Eine Abtrennung unterliel3en wir aber, um sicher sein zu k6nnen, dal3 hier eine Ver~nderung im Spurengehalt der Compacta durch Verluste oder Kontamination unterbleibt. Somit wurde bei der Aus- wahl der Knochenproben bewuBt ein gewisser wenn auch geringer Anteil an nicht erwfinschter Spongiosa in Kauf * Herrn Prof. Dr. W. Fresenius zum 70. Geburtstag gewidmet Offprint requests to: Prof. J. Simon Fresenius Z Anal Chem (I984) 317:482--483 Springer-Verlag 1984 genommen, was den h6heren, aber immerhin einzugrenzen- den Probenahmefehler bedingt. Diejeweils mit der AAS bzw. der DPASV erhaltenen Megdaten stimmen befriedigend miteinander fiberein. Ffir die Bleibestimmung ergibt sich ein Korrelationskoeffizient von r = 0,9 und ffir die Cadmium- bestimmung einer von r = 0,75. Die yon uns untersuchten Knochenproben stammen aus einer Berliner Klinik, die auf die Behandlung von Lungen- krankheiten spezialisiert ist. Aus operationstechnischen Grfinden wurde solchen Patienten, die sich wegen eines Bronchialcarcinoms einer Thoraxoperation unterziehen muften, jeweils ein Teil eines Rippenknochens entfernt. Insgesamt 66 derartige Knochenstficke wurden vom BGA Berlin gesammelt und uns zusammen mit den zugeh6rigen Anamnese-Daten zur Verftigung gestellt. Das Probenmate- rial war insofern von besonderem Interesse, als es von Patienten stanmat, die an der gleichen Krankheit litten. Da das Auftreten von Bronchialcarcinomen h/iufig auf solche Bela- stungen zurfickzuffihren ist, die auch den Blei- bzw. Cad- miumgehalt im K6rper ansteigen lassen, durften wir erwar- ten, diesen Schwermetallgehalt mit bestimmten Lebensge- wohnheiten und speziellen berufiichen Expositionen in Zu- sammenhang bringen zn k6nnen. Dabei ist bekannt, dab Blei fiberwiegend im Knochen angereichert wird, w/ihrend Cad- mium nur zu einem sehr geringen Teil in den Knochen gelangt. In den von uns untersuchten Rippenknochen streut der Pb-Gehalt im Bereich zwischen 3 und 14 ppm, der Cd-Gehalt liegt zwischen 0 und 55 ppb. Genauere Angaben entnimmt man der Abb. 1. Der mittlere Gehalt an Blei betrfigt7,4 ppm 0 10 20 30 40 50 60 70 le i ' ,p'pb 'ca 14 t 14 12 12 3 4 5 5 7 8 9 10 11 12 1 0 > ppm Pb Abb. l. Blei- und Cadmiumgehalt der Knochen (n = Zahl der FSlle, [] = Pb-Gehalt in ppm, [] = Cd-Gehalt in ppb)

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Sehwermetallspuren im mensehlichen Knochen - Probleme bei der Analyse und Interpretation *

Thomas Liese and Jiirgen Simon

Institut ffir Anorganische und Analytische Chemie der Freien Universitfit Berlin, Fabeckstrage 34/36, D-1000 Berlin 33

Trace Determination of Heavy Metals in Human Bones -- Problems in their Analysis and Result Interpretation

Summary. An investigation of the lead and cadmium contents of rib-bones of patients suffering from bronchial cancer was carried out with the aid of electrothermal AAS and DPASV. An analysis of the anamnesis data indicated a significant correlation between the bone-cadmium content and the patient's smoking history.

Znsammenfassnng. Die Rippenknochen von Bronchial-Car- cinom-Patienten wurden mit der elektrothermalen AAS und der DPASV auf ihren Blei- bzw. Cadmiumgehalt untersucht. Die Auswertung der Anamnese-Daten liefert einen signifi- kanten Zusammenhang von Cadmiumgehalt und den jeweili- gen Rauchgewohnheiten.

Das analytische Problem bei der Bestimmung von Schwermetallspuren in Knochen besteht in den Matrixeffek- ten, die der auch nach dem Aufschlul3 vorhandene hohe Ca3(PO4)5-Anteil auf die jeweiligen Bestimmungsmethoden ausfibt. In vorangegangenen Arbeiten berichteten wir [1, 2] fiber geeignete AufschluBverfahren zur Analyse von Blei- und Cadmium-Spuren im ppm(Pb)- bzw. ppb-Bereich (Cd) mit Hilfe der elektrothermalen AAS und der DPASV. Ffir beide Elemente liel3en sich die internen Fehler auf deutlich unter 10% relativer Standardabweichung begrenzen. Dieses gilt sowohl ffir die AAS wie auch ffir die inverse Voltammetrie. Da beide Bestimmungsmethoden jeweils verschiedene Auf- schluBverfahren ffir das Probenmaterial erforderlich roach- ten, lieB der Vergleich der jeweiligen Mel3daten zugleich den SchluB auf die Richtigkeit der Analysen zu. Dabei wird zun~chst deutlich, dab der zu beobachtende h6here externe Fehler (bei Pb 15 % und bei Cd 30 %) eindeutig ein Fehler der Probennahme ist. Es ging uns um die Ermittlung der Spuren- gehalte der Compacta, doch liegen sich nut schwer solche Knochensplitter auffinden, die v611ig frei waren yon Spongio- sa und anderem anhaftenden Material. Eine Abtrennung unterliel3en wir aber, um sicher sein zu k6nnen, dal3 hier eine Ver~nderung im Spurengehalt der Compacta durch Verluste oder Kontamination unterbleibt. Somit wurde bei der Aus- wahl der Knochenproben bewuBt ein gewisser wenn auch geringer Anteil an nicht erwfinschter Spongiosa in Kauf

* Herrn Prof. Dr. W. Fresen ius z u m 70. Gebur t s t ag gewidmet Offprint requests to: Prof. J. S imon

Fresenius Z Anal Chem (I984) 317:482--483 �9 Springer-Verlag 1984

genommen, was den h6heren, aber immerhin einzugrenzen- den Probenahmefehler bedingt. Diejeweils mit der AAS bzw. der DPASV erhaltenen Megdaten stimmen befriedigend miteinander fiberein. Ffir die Bleibestimmung ergibt sich ein Korrelationskoeffizient von r = 0,9 und ffir die Cadmium- bestimmung einer von r = 0,75.

Die yon uns untersuchten Knochenproben stammen aus einer Berliner Klinik, die auf die Behandlung von Lungen- krankheiten spezialisiert ist. Aus operationstechnischen Grfinden wurde solchen Patienten, die sich wegen eines Bronchialcarcinoms einer Thoraxoperation unterziehen muften, jeweils ein Teil eines Rippenknochens entfernt. Insgesamt 66 derartige Knochenstficke wurden vom BGA Berlin gesammelt und uns zusammen mit den zugeh6rigen Anamnese-Daten zur Verftigung gestellt. Das Probenmate- rial war insofern von besonderem Interesse, als es von Patienten stanmat, die an der gleichen Krankheit litten. Da das Auftreten von Bronchialcarcinomen h/iufig auf solche Bela- stungen zurfickzuffihren ist, die auch den Blei- bzw. Cad- miumgehalt im K6rper ansteigen lassen, durften wir erwar- ten, diesen Schwermetallgehalt mit bestimmten Lebensge- wohnheiten und speziellen berufiichen Expositionen in Zu- sammenhang bringen zn k6nnen. Dabei ist bekannt, dab Blei fiberwiegend im Knochen angereichert wird, w/ihrend Cad- mium nur zu einem sehr geringen Teil in den Knochen gelangt.

In den von uns untersuchten Rippenknochen streut der Pb-Gehalt im Bereich zwischen 3 und 14 ppm, der Cd-Gehalt liegt zwischen 0 und 55 ppb. Genauere Angaben entnimmt man der Abb. 1. Der mittlere Gehalt an Blei betrfigt7,4 ppm

0 10 20 30 40 50 60 70

le i ' ,p'pb 'ca

14 t 14 12 12

3 4 5 5 7 8 9 10 11 12 1 0 > ppm Pb

Abb. l . Blei- u n d C a d m i u m g e h a l t der K n o c h e n (n = Zahl der FSlle, [] = Pb-Geha l t in p p m , [] = Cd-Geha l t in ppb)

(AAS) bzw, 7,7 ppm (DPASV), der an Cadmium 24,4 ppb (AAS) bzw. 24,7 ppb (DPASV), jeweils bezogen auf das sogenannte ,,Frischgewicht" der Knochen.

Da das Durchschnittsalter der Patienten bereits bei 59 Punkte Jahren lag, konnte an dem uns vorliegenden Probenmaterial nicht die sonst erwartete Zunahme des Schwermetallgehaltes mit dem Lebensalter aufgezeigt werden.

Die Einstufung, ob die Ausfibung des Berufes oder die 0 Lage des Wohnortes einen Patienten im Hinblick auf eine 1 Aufnahme yon Schwermetallen belastet hat oder nicht, ist 2 relativ unsicher und h/ingt deshalb zu einem gewissen Grad 3 vonder Person ab, die mit der Auswertung der Anamnesen betraut war. Ftir diesen yon uns zunfichst vermuteten Zusam- menhang seien zwei derartige und voneinander unabhfingige Punkte Einstufungen als Beispiel angef~hrt:

Einstufung A: Personen- Pb (lag/g) Cd (ng/g) zahl

belastet 7 8,0 +_ 3,3 26,8 -+ 17,4 evtl. belastet 10 7,4_+ 3,3 23,1_ 9,3 nicht belastet 14 6,7-4- 2,6 16,1 +_ 11 Korrelations-

koeffizient r = 0,17 r = 0,35 Varianzanalyse

( f l = 2 , f 2 = 2 9 ) F = 0,41 F = 2,13

beide kleiner als VG (95 ~) = 3,33

Einstufung B : belastet 18 8,0 +_ 3,2 27,4_+ 13,2 evtl. belastet 13 6,7 _+ 2,0 23,1 -+ 13,2 nicht belastet 12 6,5 -+ 2,0 18,8 -+ 15,8 Korrelations-

koeffizient r = 0,27 r = 0,31 Varianzanalyse

( f l = 2 , f 2 = 4 0 ) F = 1,52 F = 1,36 beide kleiner als VG (95 ~) = 3,23

Ein Zusammenhang ist somit in beiden F/illen varianz- analytisch nicht signifikant, evtl. kann man eine Tendenz erkennen.

In allen den Ffillen, bei denen die vorliegenden Anamne- sen klare Aussagen fiber die Rauchgewohnheiten der Patien- ten zulieBen, bewerteten wit diese nach folgendem Schema:

Dauer des Zahl der am Tag Rauchens durchschnittlich (Jahre) gerauchten Zigaretten 0 0 1 - 1 9 1 - 9

20 und mehr 1 0 - 39 40 und mehr

Auf Grund dieser immerhin recht groben Einstufung ergibt sich das nachfolgende Bild:

Probanden- Mittelwert Mittelwert zahl Cd (ng/g) Pb (gg/g)

0 4 7,2_+ 1,5 6,2_+0,4 1 - 3 4 15,8_+6,9 7,6_+2,1 4 22 25,9 + 13,3 7,1 _+ 2,3 5 8 34,8_+13,7 8,4_+3,1 Korrelationskoeffizient r = 0,54 r = 0,J9 Varianzanalyse F = 5,34 F = 0,95

Somit l~iBt sich erkennen, dab ein Zusammenhang zwi- schen sehr starkem Rauchen (Dauer und Zahl der Zigaretten) und der H6he des Cadmiumgehalts in den Knochen varianz- analytisch gesichert ist.

Die yon uns durchgefiihrten Untersuchungen machen aber auch deutlich, dab einmal noch genauere Analysendaten wfinschenswert w~iren, dab vor Mlem aber sehr viel sicherere Anamnesen ben6tigt werden, um weitere Zusammenh~inge aufdecken und statistisch absichern zu k6nnen. Das aber ist eine Aufgabe, die sich Medizinern und Naturwissenschaftlern gemeinsam stellt.

Die Autoren danken dem Bundesgesundheitsamt Berlin ftir die Bereitstellung der Proben und dem Fonds der Chemischen Industrie ftir seine finanzielle Untersttitzung dieser Arbeiten.

Literatur

1. Simon J, Liese T (1981) Fresenius Z Anal Chem 309:383 2. Simon J, Liese T (1983) Fresenius Z Anal Chem 314:483

Eingegangen am 8. Juli 1983

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