schwebefähren: triumphbögen zwischen festland und meer – versuch einer chronologie

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575 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 77 (2008), Heft 8 Fachthemen Die Schwebefähren waren eine überwiegend hängebrückenartige Konstruktion mit fest installierten Fahrgeräten, die dem Personen- und Gütertransport in See- und Flusshäfen dienten wie auch für innerbetriebliche Transporte in Industrieanlagen genutzt wurden. Es wird versucht, ihre Entstehungsgeschichte chronologisch zu beschreiben und die wichtigsten technischen Merkmale und ihre Veränderungen aufzuzeigen. Insgesamt werden siebzehn bedeutende Fähren aus den Jahren 1893 bis 1920 besprochen. Transporter bridges: Triumphal archs between continent and sea – Attempt of a chrono- logy. Transporter bridges mainly correspond with types of suspension bridge construc- tions with fixed installations for passenger transport and goods traffic in inland and sea- ports. They have although been used for internal transports in industrial plants. The paper tries to describe chronologically the history of origins. The most important characteristics and their changes will be shown. Altogether seventeen great transporter bridges from 1893 to 1920 are reviewed. Abhilfen wurden dringend ge- sucht, so in Saint-Malo [14], [21]. Nur eine etwa 90 m breite Fahrrinne, La Passe genannt, unweit der südli- chen Bastion Saint Louis die heutige Chaussée Eric Tabarly unterquerend, zerschneidet die kürzeste Verbindung zwischen der von Festungsmauern umgürteten Stadt und dem nächsten kleinen Hafen Saint-Servan. Dem re- gen Personenverkehr zwischen ihnen dienten bei Flut weitgehend Boote. Bei Ebbe konnte, nach gut 10 m Abstieg vom Kai über Treppen, die kurze was- serfreie, glitschige Fahrrinne durch- laufen und nach gleich hohem Auf- stieg der Kai des Nachbarorts betre- ten werden. Nicht alle wählten den etwas mühseligen Weg, sie nahmen, wie der Gütertransport, den 4 km langen Umweg über Land. Anfang 1871 schlägt derArchitekt Leroyer aus Saint-Servan den Betrieb einer „Fahr-Brücke“, Le Pont Rou- lant, vor. Nach längeren Verzögerun- gen, auch infolge des Krieges von 1870/71, nimmt die Anlage 1873 ihren Dienst auf (Bild 1). Es ist ein Chassis auf Rädern mit 4,6 m Spurweite, darauf steht ein Fachwerkturm mit vier Eckstäben aus Rundeisen, mit Auskreuzungen ver- steift. Er hält die 7 m × 6 m große Plattform etwa 11 m über Grund. Sie nimmt die Personen und leichteren Güter auf. Die Fähre versieht ihren Dienst bei Ebbe und Flut. Sie läuft auf verankerten Schienen und wird von einer Antriebskette gezogen. Die Antriebsaggregate (Dampfmaschine, Umlenkungen usw.) sind am Ufer in- stalliert. Leroyer betreibt die Fähre bis zu seinem Tod, dann wechselt sie mehr- mals den Besitzer. Es kommt bald nach der Eröffnung zu schnellem Ver- Klaus Stiglat Schwebefähren: Triumphbögen zwischen Festland und Meer – Versuch einer Chronologie 1 Einleitung Als Triumphbogen zwischen Festland und Meer bezeichnet Nathali Abou- Isaac in ihrem Beitrag in [17] die Schwebefähre von Marseille, so als wollte diese die neuen geographischen wie technischen Eroberungen grüßen. Es war in der Tat eine große Zeit mit den sich überstürzenden technischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Euphorisch be- grüßten die Menschen jener Zeit jede neue technische Errungenschaft. 1908 konnte der Biophysiker und Philosoph Friedrich Dessauer schrei- ben: „Der Fortschritt der Menschheit stammt vom Fortschritt derTechnik Der Durchschnitt der Menschheit steigt im selben Maße in seiner geistes- kulturellen Höhe, wie die Technik wächst Der größte Ingenieur ist der größte Freund der Kultur “. Das Bild von der Technik wurde noch nicht als Fratze gesehen. Davon zeugen die ebenfalls in [17] enthaltenen weiteren Beiträge mit Fotos von László Mo- holy-Nagy und anderen Lichtbildnern der zwanziger Jahre im letzten Jahr- hundert, die in der luftig wirkenden Schwebefähre die konstruktive Schön- heit im Zusammenspiel mit dem Licht, den Schiffen, den Passanten im Hafen entdeckten oder von ihrer Höhe herab die neuen Blickwinkel auf die Stadt und ihr Inneres nutzten. Der Handelsverkehr auf den Mee- ren nahm zu, die Häfen wurden zu klein und die Fahrrinnen zu eng, ihre Verkehrserschließung musste ständig verbessert werden, stieß jedoch an Grenzen. Das Transportwesen kannte noch keine Autos. Der Umschlag von Kai zu Kai verlief meist über große Um- wege, was zusätzliche Kosten und Zeit- verlust bedeutete. Dies galt für Perso- nen und Güter gleichermaßen. Zur Be- hebung dieser Engpässe schied der Bau von Brücken aus, da die Masten der Hochseeschiffe mehr als dreißig Meter Höhe erreichten und damit für die Brücken lange Anfahrrampen erforder- lich geworden wären, wofür weder die Gelder noch der Bauplatz im Stadtge- biet zur Verfügung standen. Ebbe und Flut sowie die ein- und auslaufenden Handelsschiffe behinderten den Boots- verkehr. Er genügte dem Transport von Personen einigermaßen, größere Stück- güter bewältigte er jedoch nicht. DOI: 10.1002/stab.200810070

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Page 1: Schwebefähren: Triumphbögen zwischen Festland und Meer – Versuch einer Chronologie

575© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 77 (2008), Heft 8

Fachthemen

Die Schwebefähren waren eine überwiegend hängebrückenartige Konstruktion mit festinstallierten Fahrgeräten, die dem Personen- und Gütertransport in See- und Flusshäfendienten wie auch für innerbetriebliche Transporte in Industrieanlagen genutzt wurden. Es wird versucht, ihre Entstehungsgeschichte chronologisch zu beschreiben und diewichtigsten technischen Merkmale und ihre Veränderungen aufzuzeigen. Insgesamtwerden siebzehn bedeutende Fähren aus den Jahren 1893 bis 1920 besprochen.

Transporter bridges: Triumphal archs between continent and sea – Attempt of a chrono-logy. Transporter bridges mainly correspond with types of suspension bridge construc-tions with fixed installations for passenger transport and goods traffic in inland and sea-ports. They have although been used for internal transports in industrial plants. The paper tries to describe chronologically the history of origins. The most importantcharacteristics and their changes will be shown. Altogether seventeen great transporterbridges from 1893 to 1920 are reviewed.

Abhilfen wurden dringend ge-sucht, so in Saint-Malo [14], [21]. Nureine etwa 90 m breite Fahrrinne,La Passe genannt, unweit der südli-chen Bastion Saint Louis die heutigeChaussée Eric Tabarly unterquerend,zerschneidet die kürzeste Verbindungzwischen der von Festungsmauernumgürteten Stadt und dem nächstenkleinen Hafen Saint-Servan. Dem re-gen Personenverkehr zwischen ihnendienten bei Flut weitgehend Boote. BeiEbbe konnte, nach gut 10 m Abstiegvom Kai über Treppen, die kurze was-serfreie, glitschige Fahrrinne durch-laufen und nach gleich hohem Auf-stieg der Kai des Nachbarorts betre-ten werden. Nicht alle wählten denetwas mühseligen Weg, sie nahmen,wie der Gütertransport, den 4 kmlangen Umweg über Land.

Anfang 1871 schlägt derArchitektLeroyer aus Saint-Servan den Betriebeiner „Fahr-Brücke“, Le Pont Rou-lant, vor. Nach längeren Verzögerun-gen, auch infolge des Krieges von1870/71, nimmt die Anlage 1873 ihrenDienst auf (Bild 1).

Es ist ein Chassis auf Rädern mit4,6 m Spurweite, darauf steht einFachwerkturm mit vier Eckstäben ausRundeisen, mit Auskreuzungen ver-steift. Er hält die 7 m × 6 m großePlattform etwa 11 m über Grund. Sienimmt die Personen und leichterenGüter auf. Die Fähre versieht ihrenDienst bei Ebbe und Flut. Sie läuftauf verankerten Schienen und wirdvon einer Antriebskette gezogen. DieAntriebsaggregate (Dampfmaschine,Umlenkungen usw.) sind am Ufer in-stalliert.

Leroyer betreibt die Fähre bis zuseinem Tod, dann wechselt sie mehr-mals den Besitzer. Es kommt baldnach der Eröffnung zu schnellem Ver-

Klaus Stiglat

Schwebefähren: Triumphbögen zwischen Festland und Meer – Versuch einer Chronologie

1 Einleitung

Als Triumphbogen zwischen Festlandund Meer bezeichnet Nathali Abou-Isaac in ihrem Beitrag in [17] dieSchwebefähre von Marseille, so alswollte diese die neuen geographischenwie technischen Eroberungen grüßen.Es war in der Tat eine große Zeit mitden sich überstürzenden technischenEntwicklungen in der zweiten Hälftedes 19. Jahrhunderts. Euphorisch be-grüßten die Menschen jener Zeit jedeneue technische Errungenschaft.

1908 konnte der Biophysiker undPhilosoph Friedrich Dessauer schrei-ben: „Der Fortschritt der Menschheitstammt vom Fortschritt derTechnik …Der Durchschnitt der Menschheitsteigt im selben Maße in seiner geistes-kulturellen Höhe, wie die Technikwächst … Der größte Ingenieur ist dergrößte Freund der Kultur …“. Das Bildvon der Technik wurde noch nicht alsFratze gesehen. Davon zeugen dieebenfalls in [17] enthaltenen weiterenBeiträge mit Fotos von László Mo-holy-Nagy und anderen Lichtbildnernder zwanziger Jahre im letzten Jahr-hundert, die in der luftig wirkenden

Schwebefähre die konstruktive Schön-heit im Zusammenspiel mit dem Licht,den Schiffen, den Passanten im Hafenentdeckten oder von ihrer Höhe herabdie neuen Blickwinkel auf die Stadtund ihr Inneres nutzten.

Der Handelsverkehr auf den Mee-ren nahm zu, die Häfen wurden zuklein und die Fahrrinnen zu eng, ihreVerkehrserschließung musste ständigverbessert werden, stieß jedoch anGrenzen. Das Transportwesen kanntenoch keine Autos. Der Umschlag vonKai zu Kai verlief meist über große Um-wege, was zusätzliche Kosten und Zeit-verlust bedeutete. Dies galt für Perso-nen und Güter gleichermaßen. Zur Be-hebung dieser Engpässe schied der Bauvon Brücken aus, da die Masten derHochseeschiffe mehr als dreißig MeterHöhe erreichten und damit für dieBrücken lange Anfahrrampen erforder-lich geworden wären, wofür weder dieGelder noch der Bauplatz im Stadtge-biet zur Verfügung standen. Ebbe undFlut sowie die ein- und auslaufendenHandelsschiffe behinderten den Boots-verkehr. Er genügte dem Transport vonPersonen einigermaßen, größere Stück-güter bewältigte er jedoch nicht.

DOI: 10.1002/stab.200810070

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schleiß, damit zu höheren Unterhal-tungskosten und Fahrpreisen, schließ-lich wird das Auto zur Konkurrenz.Bei einer letzten schweren Havariemit einem aus dem Ruder gelaufenenFrachter wird die Fähre vollständigzerstört. Damit ist 1923 ihr Ende be-siegelt.

Eine ähnliche Fähre, als Tramparallel zum Ufer fahrend, wird 1896zwischen Brighton und Rottingdeaneingerichtet. Bereits 1901, nach vielenSchwierigkeiten im Betrieb, von einerVerlegung als Folge städtischer Ufer-baumaßnahmen bedroht und ohneden Endausbau je erreicht zu haben,wird sie aufgegeben [21].

Wie konnten sich die hänge-brückenartigen Schwebefähren sorasch und ohne große Rückschlägeverbreiten? – Vorangegangen warein gutes halbes Jahrhundert mit ei-ner großen Zahl von Seil- und Ka-belbrücken. Unbestritten hatte derBrückenbau mit Seilen und Kabelnseinen Schwerpunkt in Frankreich,wo in den ersten vierzig Jahren des19. Jahrhunderts die meisten Bau-werke dieser Art errichtet wordensind. Zu den Wegbereitern und Pio-nieren zählen u. a. die IngenieureSeguin, Dufour und Vicat. Erstererfasste schon früh seine theoretischen,versuchsbedingten und ausführungs-nahen Überlegungen und Erfahrun-gen, die er u. a. beim Bau von Rhône-Brücken gewonnen hatte, in breitererForm zusammen [26]. Bereits 1824hatte Berg die erste Auflage vonSeguins Buch und die Mitteilungen vonStevenson, Dufour, Navier u. a. zumAnlass für eine Buchpublikation ge-

nommen, um „… auch in Teutschlanddie Aufmerksamkeit auf die Vortheiledieses Bausystems...“zu verstärken [27].

1851 stürzte eine Kabelbrücke inAngers ein, über zweihundert Solda-ten der darüber marschierenden Trup-pe ertranken. Bis etwa 1880 versag-ten mehr als ein halbes Dutzend weiterer Kabelbrücken: Ursache wa-ren Durchrostung, mangelhafte Aus-führung, falsch gewählter oder unvoll-ständiger Korrosionsschutz, unterlas-sene Unterhaltungsarbeiten. Öffentli-cher Widerstand regte sich aus Furchtvor weiteren Einstürzen, aber auch ausdem Grund, dass viele dieser Brückenvon Privaten errichtet und per Lizenzfür Mauteinnahmen genutzt wurden.

Der Staat griff mit einem Erlass1870 regelnd ein und betonte in einemRundschreiben 1886 vor allem die erst-mals von Vicat 1830 erwähnte Forde-rung nach dem Ersatz von geschädig-ten Tragelementen an den Brücken,ohne den Verkehr zu stören. Hierzugehörte auch die Empfehlung, meh-rere Kabel mit kleineren Dimensio-nen an Stelle eines einzigen zu ver-wenden, sie nach jeder Brückenöff-nung zu unterbrechen und an denStützpfeilern einzeln zu befestigen,also keine durchgehenden Kabel ein-zubauen. Dies führte dann zur zeit-weiligen französischen Bauart, die ingroßen Teilen auf amerikanische Er-fahrungen mit kräftigen Versteifungs-trägern, Geländern und Verbändenzurückgriff, jedoch die Verwendungkleinerer, leichterer, biegsamerer unddamit leicht einzubauender Kabel be-vorzugte. Mit diesem Vorgehen setzteman allerdings indirekt der Spann-

weite Grenzen: Die zahlreichen Ein-zelkabel wären bei den großen Hän-gebrücken, wie die von Röbling inNew York, nicht mehr beherrschbargewesen.

Ferdinand Arnodin (1845–1924,Bild 2) kam in diese Zeit der Klärungund Auseinandersetzung voll hinein.Er begann seinen Berufsweg im Un-ternehmen Seguin. Als „inspecteurdes ouvrages“, Oberbauleiter undKontroll- bzw. Abnahmeingenieur, er-warb er umfangreiche Erfahrung mitBrücken und den damit verbundenenFragestellungen und Schwierigkeiten.1872, 27 Jahre alt, gründete er in Cha-teauneuf-sur-Loire sein eigenes Un-ternehmen. Er widmete sich verstärktdem Bau von Hängebrücken und derEntwicklung und Herstellung vonSeilen und Kabeln. Er entwickelteu. a. die „câbles tordus alternatifs“, dieaus lagenweise abwechselnd im gegen-läufigen Sinn verwundenen Drähtenbestehen. Diese Kabel werden im obenerwähnten Rundschreiben empfohlen.

Arnodinsweitere Grundsätze beimKonstruieren von Schwebefähren sind:Er ist gegen den Einzelantrieb der Rä-dervon Rollwagen mit Elektromotorenund bevorzugt ein endloses Zugseil,das am Rollwagen oder im Pylon mitMotorkraft auf- bzw. abgewickelt wird.Grund hierfür ist, dass bei Verformun-gen des Versteifungsträgers oder beistarkem Wind auf den Fährwagen ein-zelne Räder abheben können und da-mit ihre Antriebskraft für den Rollwa-gen verloren geht, andere Räder über-lastet werden. Er verlangt, die Rädernicht einseitig auf den Flanschen desUntergurts am Versteifungsträger lau-fen zu lassen, da dies zu ungünstigenDauerbeanspruchungen führe. Die ge-

Bild 1. Le Pont Roulant zwischen Saint-Malo und Saint-Servan, Frankreich [21]; a) bei Ebbe, b) bei Flut Fig. 1. Le Pont Roulant between Saint-Malo and Saint-Servan, France [21];a) at low tide, b) at high tide

a) b)

Bild 2. Ferdinand Arnodin [17]Fig. 2. Ferdinand Arnodin [17]

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trennte Verankerung von Anker- undTragkabeln auf dem Pylon befürworteter nicht nur wegen der Möglichkeit deseinfacheren Auswechselns, sondernauch mit dem unterschiedlich erfor-derlichen Querschnitt der beiden Seileentsprechend ihrer Auslastung, alsoaus Gründen der Kostenersparnis. Ergibt der Aufhängung des Fährwagensan Seilen gegenüber einem hängendensteifen Fachwerk den Vorzug, da mitihnen eine bessere Verteilung der Las-ten auf den Rollwagen und dessenRäder bei starker Windbelastung mög-lich sei. Seine Konstruktionsgrundsät-ze führten zu Auseinandersetzungenmit den Ingenieuren der weiter untenbeschriebenen Fähre in Runcorn.

Speck setzt sich in [1] mit diesenunterschiedlichen Abhängungen undmit Berechnungsansätzen zu ArnodinsFähren [9] auseinander.

Diese knappen Hinweise sollengenügen. Natürlich hatte die Idee„Schwebefähre“ Vorläufer: Verantius(um 1600) könnte genannt werden,doch sind seine Vorstellungen nochweit von einer technischen Umset-zung entfernt. 1869, im Todesjahr vonJohn Röbling, schlug der amerikani-sche Ingenieur Morse ein Gegenpro-jekt zu dessen East-River-Hängebrü-cke vor. Dabei handelte es sich umeine Kabelbrücke mit zwei übereinan-der liegenden Fahrbahnen für Perso-nenverkehr, oben, und Wagenverkehrdarunter, alles in von Seilen gezogenenWagen transportiert. 1873 machte derLeiter der Stahlwerke Hartlepool inEngland, Charles Smith, den Vor-schlag, eine Ausleger-Brücke von 198 mLänge, mit hoch liegendem Träger undlandseitiger Verankerung der Auslegersowie mit angehängtem Fahrzeug fürdie Überquerung des Tees bei Middles-brough zu errichten. Palacios Vorstel-lungen werden weiter unten bei derFähre Portugalete erläutert. Erst Ar-nodin bereitet der Idee der Schwebe-fähre die konkrete, technisch zuverläs-sige Umsetzung, die er mit zahlreichenPatenten absichert.

2 Die Fähren2.1 Schwebefähre in Portugalete 1893

[1], [2], [6], [7], [9], [13], [14]

Zu Beginn der 1890er Jahre plante dieHafenbehörde von Bilbao eine Neu-ordnung ihres Hafengebietes. So stör-te der Fährverkehr zwischen Portuga-lete und Las Arenas (Areeta) die Hoch-

Bild 3. Schwebefähre in Portugalete/Bilbao, Spanien; a) Zustand 1893 [2], b) Zu-stand 1998, c) Fährwagen (Fotos b.) u. c.): Stiglat)Fig. 3. Transporter bridge in Portugalete/Bilbao, Spain; a) State 1893 [2], b) State1998, c) carriage

a)

b)

c)

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kopf verankert. Über 18 Tragseile istder 8 m × 6,2 m messende Fährwagenmit dem Rollwagen verbunden. Ins-gesamt 40 t vermag er zu bewegen.Äußerst filigran wirken die 62 m ho-hen Pylonen. Sie sind auf Brunnengegründet. Eine frühe Aufnahme(Bild 3a) zeigt die Schrägseile, die imZustand von 1998 (Bild 3b) durchvertikale Hänger ersetzt worden sind.

Für diese Fähre sind die anfäng-lichen Beförderungszahlen veröffent-licht worden: Vom Tag der Eröffnungam 28. 7. 1893 bis 31. 12. 1902 wur-den 5951000 Personen, 70000 Tiere,11500 Wagen übergesetzt, das sind imMittel etwa 1930 Personen je Tag. DieFähre ist noch voll in Betrieb.

2.2 Schwebefähre Bizerta in Tunesien1898 [1], [2], [9], [15]

Arnodin war nach seinem „Gesellen-stück“ in Portugalete anerkannterIngenieur und Unternehmer fürdiese neuartigen Transportanlagen.Als nächste plante und errichtete erdie Fähre über die Hafeneinfahrtvon Bizerta. Es ist wieder eine ver-steifte Hängebrücke mit 109 m Spann-weite und 45 m freier Durchfahrts-höhe. 57,8 m hohe Pfeiler tragen deninsgesamt 112 m langen Fahrbahn-Fachwerkträger, an dem, mit Seilenan den Rollwagen angekoppelt, derFährwagen mit 9,0 m × 7,5 m hängt.Gegenüber der ersten Ausführungsind kaum Veränderungen vorgenom-men worden, lediglich die bewegte

Last ist auf 80 t erhöht, was auch mitder um etwa 50 m reduzierten Spann-weite zusammenhängen mag.

1907 wurde die Anlage demon-tiert, 1909 in Brest wieder aufgebaut(Bild 4) und 1947 endgültig ver-schrottet.

2.3 Schwebefähre Rouen 1899 [1], [2],[7], [9], [15], [22]

Mit dem Ende des 19. Jahrhundertsgeht die dritte Schwebefähre Arno-dins am 16. 9. 1899 in Betrieb. Sieüberbrückt die Seine. Der 143 m weitspannende, insgesamt 146 m lange,2,4 m hohe Fachwerkträger ist am pa-rabolisch geführten Tragseil und inden Endbereichen an Schrägseilenaufgehängt. Sein Untergurt, der dieRäder des Rollwagens trägt, ist ein65 cm hoher Blechträger. 30 Seile hal-ten die 13 m × 10 m messende Platt-form des Fährwagens, die einschließ-lich der 52,5 t Nutzlast 100 t wiegt.Eine freie Durchfahrt von 51 m wirdfreigehalten, die Pfeiler erreichen66,4 m Höhe.

Für die öffentliche Nutzung wer-den für die Zeit vom 16. 9. 1899 bis31. 12. 1902 benannt: 3971000 Per-sonen, was etwa 3310 Personen je Tag entspricht ohne die kein Ent-gelt bezahlenden Soldaten und Be-amten, und 100600 Wagen. DieZahl der beförderten Personen liegtwesentlich höher als in Bilbao.

Dies ist die erste Schwebefähre,die Arnodin auf französischem Bo-

seeschifffahrt auf dem Nervion. DerBau einer Brücke mit genügenderDurchfahrtshöhe war wegen der ört-lichen Bedingungen nicht möglich.

Ein spanischer Architekt, Albertode Palacio, schlug, wohl aus derKenntnis der Sachlage heraus, eineLösung wie in Saint-Malo vor. Diesewurde jedoch ebenso verworfen wiesein Vorschlag, einen Wagen in grö-ßerer Höhe auf horizontalen, von be-sonderen Einrichtungen gehaltenenSeilen verfahren zu lassen. 1888 mel-dete er ein Patent an, das eine hochliegende, von Kabeln getragene undauf zwei Pfeilern aufliegende Fahr-bahn mit Rollbahn und einen daranaufgehängten Fährwagen beschreibt.Er wusste wohl nicht, dass FerdinandArnodin bereits 1887 ein Patent glei-chen Inhalts angemeldet hatte. Die-ser geht von strengen Vorgaben aus:Die Schifffahrt muss völlig ungehin-dert verkehren können, ohne Signaleund ohne Halt, direkt und ohne Auf-und Absteigen muss der Querverkehrvom einen zum anderen Ufer vorsich gehen. Seine Lösung dafür sindBrücken- oder Schwebefähren (PontTransbordeur) mit den beschriebenenEigenschaften. B. Marrey [14] kommt– salomonisch – zu dem Schluss, dassArnodin und Palacio die Idee derSchwebefähre etwa zur gleichen Zeitgehabt haben dürften. Während Arno-din bereits technisch bestimmt for-mulierte und beschrieb, ohne einkonkretes Projekt zu haben, bean-tragte Palacio sein Patent, um ein an-stehendes Projekt an sich zu ziehen.

Palacio gründet 1890 eine Ge-sellschaft zum Bau und für den Be-trieb einer Schwebefähre. Ihm fehlteallerdings die Erfahrung mit den neu-artigen Kabeln; er gerät an Arnodinin Chateauneuf-sur-Loire, da diesereiner der wenigen Spezialisten seinerZeit für Kabel und die Berechnung istund Erfahrung in derAusführung vonStahlkonstruktionen besitzt.

Der Bau der ersten Schwebe-fähre konnte gewagt werden. – Derinsgesamt 164 m lange Fahrbahnträ-ger ist an zwei parabolisch verlaufen-den Tragseilen und zusätzlich im End-bereich, vor den Pylonen, an Schräg-seilen aufgehängt. Die Spannweitebeträgt 160 m, die Trägerunterkanteliegt 45 m über dem höchsten Was-serspiegel. Die Anker- und Tragseilesind nicht durchgehend, sondernvoneinander getrennt auf dem Pylon-

Bild 4. Schwebefähre Bizerta, in Brest, Frankreich, wieder verwendet [15]Fig. 4. Transporter bridge Bizerta, make use of in Brest, France [15]

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den baute. Er gab eine Werbeschriftheraus, einen Leporello mit insge-samt 13 Aufnahmen (Bild 5). Sie zei-gen den Baufortschritt in Einzelauf-nahmen, allerdings in bescheidenererAufmachung, als Eiffel es bei seinemTurm getan hatte. Bemerkenswert istdie Kaschierung des Blocks für dieVerankerung der Ankerseile (Bild 5d),der die Ausmaße eines kleinen Hau-ses angenommen hat.

Bild 5. Schwebefähre in Rouen, Frankreich [22];a) Endzustand, b) Aufrichten eines gelenkig gelagerten unteren Pylonschusses, c)Montage eines Pylons, d) Ankerkörper für die schrägen Halteseile, e) Montage desVersteifungsträgers, f) Elektrokran System Arnodin, g) Arnodin mit BauarbeiternFig. 5. Transporter bridge in Rouen, France [22];a) Final state, b) Put up of a simply supported lower pylon, c) Rigging of a pylon,d) Abutment for the sloping guys, e) Rigging of the stiffening girder, f) Electriccrane system Arnodin, g) Arnodin together with construction workers

1940 zerstörten französische Trup-pen beim Einmarsch der Deutschendie Brücke.

2.4 Schwebefähre Rochefort-Martrou1900 [1], [7], [9], [15], [16], [28]

Erstmals ist ausführlich über dieseBrücke in [28] berichtet: Zwischen denbeiden 66,25 m hohen Pylonen über-spannt der Träger 139,8 m und kragt

Bild 6. Schwebefähre in Rochefort-Martrou, Frankreich; (Fotos: Stiglat)a) Fährwagen im Pylon, b) Ansicht mitneuer Hochbrücke in SpannbetonFig. 6. Transporter bridge in Rochefort-Martrou, France;a) carriage inside the pylon, b) Viewwith prestressed concrete viaduct

a) e)

b)

a)

b)

c)

d)

g)

f)

zusätzlich an beiden Seiten um 17,6 maus. Somit kann der 30,5 m langeRollwagen den 14 m langen, 11,5 mbreiten und mit Nutzlast 112 t schwe-ren Fährwagen zwischen die Pylonen-beine einfahren. Das ist eine Neuerungdieser von Arnodin erbauten Fähr-brücke gegenüber den vorangegange-nen Ausführungen in Bilbao, Bizertaund Rouen. Für die Schifffahrt auf derCharente stehen 50 m freie Durch-fahrtshöhe zurVerfügung (Bild 6).

Unweit von Rochefort, stromaufin Tonnay-Charente, überspannt eine1840/41 erbaute Hängebrücke denFluss [2]. Bei ihr, wie auch bei derin [28] ausführlich beschriebenen Eif-fel-Brücke in Cubsac-les-Ponts nörd-lich von Bordeaux, sind die mehrerehundert Meter langen Erddämmeund gemauerten Rampen anzutref-fen, die in Tonnay notwendig waren,um der Schifffahrt noch 26 m freieHöhe zu verschaffen (Bild 7): Es sindgewaltige Mengen an Baustoffen und

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äußerst umfangreiche Bauarbeiten,die bei den näher am Meer liegendenSchwebefähren und ihren nochgrößeren Durchfahrtshöhen vermie-den werden.

2.5 Schwebefähre in Nantes 1903 [1],[2], [7], [9], [14], [15]

Der Bauort für die die Loire mit 140 müberspannende Fähre stand fest, nur25 m bleiben landseitig hinter den Py-lonen für die Verankerungen frei. Da-mit schied das bisher genutzte ver-steifte Hängebrückensystem mit schrä-gen Verankerungskabeln aus. Arnodinwählte erstmals konsequent Schräg-seile und führte den Freivorbau desVersteifungsträgers symmetrisch vonden Pylonen aus, bis bei einer beidsei-tigen Kraglänge von 25 m die landseiti-gen Ankerseile in gewaltigen Mauer-werksblöcken verankert werden konn-ten. Danach ging der wasserseitige

Vorbau bis zu einer Auskragung von58,2 m weiter. Den 34,6 m langen und46 t schweren Einhängeträger trans-portierte das Unternehmen vollständigvorgefertigt auf Prahmen unter dieBrücke, Krane an beiden Kragarmen-den zogen das Mittelstück hoch undschlossen den Brückenträger (Bild 8).

Für die damalige Zeit war dieseBauart und der Montagevorgang eineneue und spektakuläre Leistung, neuwar auch die Montage eines Seilsys-tems im freien Vorbau. Die Schräg-seile sind auf dem Pylonkopf hori-zontal längs verschieblich verankert.Die Pylonhöhe ist mit 75,65 m beacht-lich. Der Rollwagen hat die dreifacheLänge des Fährwagens erhalten, 33 m,damit sollte mehr Sicherheit gegenAufkippen in Längsrichtung erreichtwerden. Bis zu insgesamt 140 t Lastkonnten bewegt werden. 1957 wurdedie Schwebefähre demontiert.

2.6 Schwebefähre über den Usk beiNewport 1904 [1], [2], [7], [9], [18],[20]

Mit dem Bau einer Schwebefähre inNewport (Bild 9) gelang Arnodin

wieder der Schritt aus Frankreichhinaus. Sie erreichte mit 196,60 m diegrößte Spannweite aller von ihm er-richteten Fähren. Auch die Pylon-höhe mit 73,60 m war ein neuer Re-kord. Die gesamte Länge der 54 müber dem Wasser liegenden Brückebeträgt 236 m.

Die Projekte Nantes und New-port liefen etwa zeitgleich ab. Wie inNantes sind Schrägseile und parabo-lisch verlaufende Tragseile verwandtworden. Die große Spannweite unddie angehängte konzentrierte Lastforderten einen durchgehenden Ver-steifungsträger ohne Gelenk undohne Einhängeträger. Zwischen dengespreizten Pylonbeinen kann derFährwagen einfahren, sparsam ragthierfür nicht der ganze Versteifungs-träger sondern nur der – ebenfalls ab-gehängte – Teil des Untergurtes zumLand über. Dreißig Seile verbindenden 10 m langen und 12 m breitenFährwagen mit dem 32 m langenRollwagen. Die bewegte konzentrierteLast kann bis zu 117,5 t betragen.

1985 wird die Fähre geschlossen,nach zehn Jahren und ausgiebiger Sa-nierung wieder in Betrieb genommen.

Bild 8. Schwebefähre in Nantes, Frankreich; a) Gesamtansicht, b) Längsschnittund Pylon [9]Fig. 8. Transporter bridge in Nantes, France; a) General view, b) Longitudinal sec-tion and pylon [9]

a)

b)

Bild 7. Hängebrücke in Tonnay-Cha-rente, Frankreich; (Fotos: Stiglat)a) Mittelfeld 90 m, b) Blick in die ge-mauerten AnfahrrampenFig. 7. Suspension bridge in Tonnay-Charente, France;a) Central span 90 m, b) View in themasonry haul ramp

a)

b)

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2.7 Schwebefähre in Marseille 1905 [2],[7], [15], [17]

Mit der Schwebefähre über den AltenHafen erreicht Arnodins Arbeit ih-ren Höhepunkt. Mit 165 m Spann-weite bleibt die Brücke zwar hinter

Bild 9. Schwebefähre bei Newport, England; a) Ansicht, b) Pylon, c) Stoß der Ka-bel auf dem Pylonkopf [9]Fig. 9. Transporter bridge near Newport, UK; a) View, b) Pylon, c) Splice of the ca-bles at the pylon head

Bild 10. Schwebefähre in Marseille, Frankreich; a) Einfahrt zum Hafen [2], b) Montagezustand [17]Fig. 10. Transporter bridge in Marseille, France; a) Harbour entrance [2], b) Erecting state [17]

a) b)

a)

b) c)

Newport zurück, doch die gesamteTrägerlänge ist mit 235 m eine wei-tere Vergrößerung, sie und die 84,6 mhohen Pylonen sind weithin sichtba-res Einfallstor in den großen Hafen(Bild 10). Unübersehbar beherrschtdiese riesige Transportbrücke das

Stadtbild, ähnlich wie der Eiffelturmin Paris.

1898 unterbreitet Arnodin denVorschlag für den Bau der Brücken-fähre. Bis 1903 sind viele Rückfra-gen seitens des Service des Ponts etChaussées zur Stabilität, zur Bean-spruchung des Materials, zur Mon-tage zu klären. Schließlich sollen biszu 144 t Gesamtlast transportiert wer-den. Vom System ist die Brückegleich ausgeführt wie ihre Vorgänge-rin in Nantes: symmetrischer Vorbaudes Versteifungsträgers mit Schrägsei-len, lotrechte Verankerung der land-seitigen Kragarme in großen Mauer-werksblöcken, ein eingehängter Mit-telträger schließt die Brücke. Diegesamte Erfahrung des Unterneh-mens mit den sechs bereits erstelltenFähren kommt hier zum Tragen.

1906 wird ein Fahrstuhl einge-richtet, der öffentliche Zugang auf dieBrücke wird den Besuchern damit er-leichtert und von diesen wegen desgroßartigen Panoramas viel genutzt.

Mit dem Ersten Weltkrieg stag-niert das Geschäft, die Einnahmenaus Transfer und Fahrstuhlnutzungdecken die Unterhalts- und Repara-turkosten immer weniger, die Tarif-erhöhungen hinken hinterher. DerAnblick der Brücke entzückt vielenicht mehr. Anfang der 1940er Jahrewird die Brücke außer Betrieb ge-nommen und der Abbruch beschlos-sen. Deutsche Truppen sprengen am22. 8. 1944 den Nordpfeiler, ein Wi-deraufbau ist ausgeschlossen. Am1. 9. 1945 beginnt die endgültige De-montage der verbliebenen Reste. Fer-dinand Arnodin hat den Fall seinesTriumphbogens nicht mehr erlebt.

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Ein Endpfeiler ist auf längsbeweg-lichen Rollen gelagert, damit werdendie Längenänderungen der Brückebei Temperaturwechseln ermöglicht.Mit dem 9,9 m langen und 15,2 mbreiten Fährwagen werden bei vollerAuslastung 120 t bewegt. An der Was-serseite sind die Endpfeiler offen, derFährwagen kann voll in sie hinein-fahren, die Kanalbreite wird nichteingeengt.

Seit 1930 ersetzt eine in die alteKonstruktion integrierte Hubbrückedie Fähre.

2.10 Schwebefähre zwischen Runcornund Widness 1905 [1], [2], [10], [18]

304 m braucht die Hängebrücke, umden Fluss Mersey und den seitlichenSchiffskanal zu überspannen. Mitden zum Land hin überragendenTrägerenden von je 16,75 m und deran-schließenden vierfeldrigen Bo-genbrücke, die zu dem im Flussgegründeten Pylon auf der SeiteWidness führt, erreicht das Gesamt-bauwerk eine Ausdehnung von na-hezu 400 m. Dagegen hält sich die

2.8 Schwebefähre Bordeaux, ein Pro-jekt 1901 bis 1904 [1], [2], [7], [8],[14], [15]

Die Ingenieure Daydé und Pillé pla-nen eine riesige Schwebefähre überdie Garonne im Stadtinneren. BeideIngenieure betreiben ein Bauunter-nehmen, das u. a. die Bogenbrückean der Gare d’Austerlitz in Paris er-richtet hat. Auf diesen „eingespann-ten Bogen mit drei Gelenken“ greifensie zurück und entwickeln eineSchwebefähre, die von zwei riesigen,über ein Fachwerk miteinander ver-bundenen Bögen getragen wird. Zweivoneinander unabhängige Rollbah-nen sollten gleichzeitig je 100 t Lastaufnehmen können. Der Stich desBogens ab Gründung erreicht 100 mbzw. 55,6 m ab Gelenk. 46 m sollenfür die Schifffahrt an freier Höhe zurVerfügung stehen (Bild 11).

Es werden keine Kabel verwen-det. Damit sollen wohl die von Ar-nodin gehaltenen Patente umgangenwerden. Mit der schrägen Anordnungder Rundeisen über dem Fährwagenwill man seinen Auslenkungen beistarkem Wind begegnen.

Das Projekt wird nicht angenom-men. Jahre später vergibt die Stadt an-derweitig einen Auftrag für die Errich-tung einer Fähre nach dem System Ar-nodin. Die Pylonen sind fast fertiggestellt, da unterbricht der Erste Welt-krieg die Bauarbeiten, die später nichtmehr weitergeführt werden. Ihre Restewurden im Laufe des Zweiten Welt-kriegs beseitigt.

2.9 Schwebefähre in Duluth/Minnesota1905 [1], [2]

Zunächst war zur Überbrückung derHafeneinfahrt eine Fähre nach demSystem Arnodin geplant. Bei der öf-fentlichen Ausschreibung schlug derIngenieur Turner vor, das Hänge-brückensystem zu verlassen und statt-dessen ein räumliches Fachwerk fürdie Brücke, die Pfeiler und die Auf-hängung des Fährwagens zu wählen.Hintergrund für diesen Systemwechselwaren die Erfahrungen mit den star-ken Stürmen am Oberen See, an des-sen südwestlicher Spitze der HafenDuluth gelegen ist.

Mit 129 m Spannweite und 41,2 müber dem Wasser verbindet der in derMitte 15,2 m Höhe messende Fach-werkträger die beiden Ufer (Bild 12).

Höhe der Pylonen mit 55 m zurück,25 m genügen für die Kopfhöhe derSchiffe (Bild 13).

Nicht direkt auf den Pylonen,sondern auf daneben gestellten Pendel-stützen liegt der 5,85 m hohe, in Feld-mitte mit einem Gelenk verseheneFachwerkträger auf. So wird seineLängenänderung bei Temperaturwech-sel unbehindert möglich. GusseiserneZylinder mit 2,75 m Durchmesser tra-gen die Pylonlasten in den Unter-grund ab. Sie sind mit Beton verfülltwie Verbundstützen, ein solches Bau-teil wurde erstmals 1858 bei der Ei-senbahnbrücke Pont Noir über denAllier in Moulins eingesetzt [28].

Eine Aufteilung des Rollwagensin fünf gelenkig miteinander verbun-dene Abschnitte soll eine gleich-mäßige Lastverteilung auf alle seineRäder bewirken. Anfangs werdenzwei Räder des Rollwagens mit Elek-tromotoren angetrieben, was jedochspäter zugunsten des üblichen An-triebs über ein endloses Seil aufge-geben wird. Auch bei den Einzelka-beln gingen die Ingenieure Websterund Wood neue Wege, was zu den

Bild 11. Geplante Schwebefähre in Bordeaux, Frankreich [8]Fig. 11. Proposed transporter bridge in Bordeaux, France [8]

Bild 12. Schwebefähre in Duluth, USA; a) Ansicht [2], b) Längsschnitt [1]Fig. 12. Transporter bridge in Duluth, USA; a) View [2], b) Longitudinal section [1]

a) b)

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weiter oben beschriebenen Diskus-sionen u. a. mit Arnodin führte.

Um 1961 ist die Brücke demon-tiert worden.

2.11 Schwebefähre in Osten 1909 [4],[5], [28]

Wie in Duluth wird diese Fähre voll-ständig bis hin zur Aufhängung desFährwagens ohne jedes Kabel alsFachwerk ausgebildet. Es ist anzuneh-men, dass die ausführende Firma Ma-schinenfabrikAugsburg-Nürnber MANGustavsburg keine Patente von Ar-nodin nutzen wollte, andererseits istdie Spannweite mit 80 m gegenüberanderen Ausführungen als gering an-zusehen, so dass ein Fachwerk einewirtschaftlichere Lösung gewesen seinkann. 27 m sind als Durchfahrtshöhefür die Schifffahrt auf dem Fluss Osteausreichend (Bild 14). 18 t beträgt die

Bild 13. Schwebefähre in Runcorn-Widness, England;a) Längsschnitt [10], b) Schrägansicht mit Blick auf Pylon [18]Fig. 13. Transporter bridge Runcorn-Widness, UK;a) Longitudinal section [10], b) View with look on the pylon [18]

a)

a)

b)

b)

Bild 14. Schwebefähre Osten, Deutschland; a) Längsschnitt [5], b) GesamtansichtFig. 14. Transporter bridge Osten, Germany; a) Longitudinal section [5], b) General view

Nutzlast für den Fährwagen, der Roll-wagen kann insgesamt bis zu 65 t be-wegen, er wird über zwei Elektromoto-ren angetrieben. Gespreizte Endpfeilerermöglichen die Einfahrt des Fähr-wagens. Hierfür wurden die Dämmeteilweise durchbrochen, so dass dieserZugang bis zu 1,4 m Wasserstand unterDeichkrone erhalten bleibt. Bei höhe-ren Wasserständen wird der Fährbe-trieb eingestellt und die Deichöffnungmit Dammbalken verschlossen.

Seit 1975 ist die Fähre als Techni-sches Baudenkmal eingestuft, sie ver-kehrt für den Tourismus.

2.12 Schwebefähre Kiel 1910 [2], [4],[11], [12], [23]

Diese Brückenfähre ist von der GuteHoffnungshütte GHH für den Mate-rialtransport zum Bau von Schlacht-schiffen in der Kaiserlichen Werft er-

richtet worden (Bild 15). Ihr Fährwa-gen nimmt bis zu zwei Eisenbahn-waggons und 250 Personen auf.

Die 58 m hohen, als Pendelstüt-zen ausgebildeten Pylonen tragen den118 m weit spannenden und 42 m überdem höchsten Wasser liegenden Ver-steifungsträger. Auf einer Seite ist eram Pylon längsverschieblich aufgela-gert. Der Rollwagen ist in zwei mitein-ander gelenkig verbundene Hälftenmit je zwei Achsen geteilt, jede wirdvon einem Elektromotor angetrieben.

Der Versailler Vertrag untersagteDeutschland den Bau großer Kriegs-schiffe. Im Februar 1923 kam es da-her zur vollständigen Demontage derBrücke, für deren Entwurf die Ingeni-eure Franzius und Knopp von derHafenbaubehörde zeichneten.

Vor dem Ersten Weltkrieg nutzteman Stähle höherer Festigkeit, dienach einem Verfahren in den USA

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durch die Zugabe von Nickel erzeugtwurden. Solch ein Stahl ist für dendrei Meter hohen Versteifungsträgerin Kiel verwendet worden; damitkonnte etwas Eigengewicht und einegeringe Summe der Baukosten einge-spart werden. Nur wenige Brückenerhielten Stähle dieser Qualität, dader Preis für Nickel in Deutschlandsehr hoch lag.

2.13 Schwebefähre Middlesbrough1911 [15], [18], [19]

Ähnlich wie in Nantes wird dasAuslegerprinzip genutzt. Bei dieserSchwebefähre über den Tees sind dieSchrägseile und der Versteifungsträ-ger durch zwei an ihren flussseitigenEnden durch Gelenk miteinanderverbundene hohe Fachwerkträger er-

setzt. Lotrechte Ankerseile am Endeder landseitig 42 m überstehendenTräger stellen das Gleichgewicht zuden von beiden Ufern je 87 m weitausladenden Armen über den Flussher. Über 170 m sind die Pylonenvoneinander entfernt, die Schifffahrthat 48 m freie Höhe zur Verfügung(Bild 16). Zu Beginn der Planungen,die an Cleveland Brigde and Enginee-ring gingen, hatte der Bauherr 1906den Rat des erfahrenen und inzwi-schen bekannten F. Arnodin eingeholt.

Die Brücke ist noch in Betrieb.

2.14 Schwebefähre Rendsburg 1913

Hier liegt keine echte Schwebefährevor [28]. Eine Eisenbahnbrücke trägtan ihrer Unterseite den Rollwagen(Bild 17). Somit entfällt die eigent-liche Brückenkonstruktion, die hierfür die dominierenden Zuglasten unddie daraus sich ergebenden besonde-ren Anforderungen ausgelegt ist.

2.15 Schwebefähre Rio de Janeiro 1915[24], [25]

Diese Schwebefähre verbindet ein Ar-senal auf dem Festland und die zu-gehörigen, auf einer Insel in der Ha-feneinfahrt stehenden Kasernen. Bei-des trennt ein 150 m breiter Meeres-arm.

In der Ausschreibung wurde mitBlick auf die Längenänderung desVersteifungsträgers eine Ausführungnach dem System Arnodin mit Ge-gengewichten und Gelenken wie inNantes oder ähnlich dem Typ Run-corn-Widness mit Pendelstützen ne-ben den Pylonen gefordert. Die Fa.

Bild 15. Schwebefähre Kiel, Deutschland; a) Längsschnitt [23], b) Ansicht [12]Fig. 15. Transporter bridge Kiel, Germany; a) Longitudinal section [24], b) View [12]

a)

b)

Bild 16. Schwebefähre Middlesbrough, England – Schrägan-sicht [18]Fig. 16. Transporter bridge Middlesbrough, UK – View [18]

Bild 17. Schwebefähre Rendsburg – Eisenbahnbrücke mitRoll- und Fährwagen über dem Nord-Ostsee-Kanal,Deutschland (Foto: Stiglat)Fig. 17. Transporter bridge Rendsburg – railway bridge withcarriage across the Kiel Canal, Germany

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Eilers/Hannover verwarf die Arno-din-Lösung wegen unschöner Form,höherer Gewichte und statischerUnklarheit (was sich wohl auf dieSchrägseile bezieht). Sie tendiertezum englischen Entwurf, nahm je-doch umfangreiche Änderungen vor.

Auf der Inselseite steigt das Ufersteil an. Damit wird aus der reinenHängebrücke ein gemischtes System:Fußgänger können den Versteifungs-träger als Brücke nutzen, er geht an den Pylonen in reine Fachwerk-brücken von je 35 m Länge über. Aufder Insel schließen sich weitere vier16-m-Felder an (Bild 18). Treppen inden Pylonen dienen der vertikalen Er-schließung. Der Fährwagen, der, ähn-lich wie in Duluth und Osten mit einemräumlichen Fachwerk am Rollwagenhängt, befördert Personen und Materialbis zu einer Gesamtlast von 33 t. 170 mweit ist die Mittelöffnung bis zu denAchsen der 47 m hohen Pylonen. Aufder Inselseite fährt der Rollwagen voll-ständig in den Pfeiler hinein. Alle sech-zehn Räder des Rollwagens werden voneinem Elektromotor für jede Fahrtrich-tung angetrieben. Sämtliche von Han-nover aus verschifften Bauteile sind imWerk vormontiert und so zugerichtet

wird der Brückenträger von aus denTürmen heraustretenden Stabwerk-Konsolen gestützt. Aus größerer Ent-fernung wirkt die Schwebefähre inder Längsansicht wie ein großesEmpfangsportal. Sie diente dem in-nerbetrieblichen Lastentransport ei-nes auf beiden Ufern angesiedeltenChemiebetriebs.

Die Fähre ist außer Betrieb.

2.17 Schwebefähren in Buenos Airesum 1914 und 1920 [29], [30], [31]

1911 beschließen die Städtischen Be-hörden den Bau von zwei Schwebe-fähren über den Riachuelo, der Teildes großen aufstrebenden Hafenswar. Sie sollen die Schifffahrt im Ha-fen vom störenden Querverkehr be-freien, der von den vielen Arbeiternherrührt, die aus der Hauptstadt indie Industrieanlagen einer durch denFlussarm abgetrennten Vorstadt pen-deln. Die Gute Hoffnungshütte Ober-hausen mit ihrer Brückenbauabtei-lung Sterkrade erhält von einer eigensgegründeten Gesellschaft den Auftragfür einen Entwurf, der ohne wesent-liche Änderungen ausgeführt wird.Die beiden Baustellen lagen fest, derFluss ist dort etwa einhundert Meterbreit.

Die örtlichen Bedingungen erfor-dern eine besondere Lösung. Vier imGrundriss dreieckförmige Fachwerk-türme werden in 42 m Höhe mit den 5,6 m hohen Brückenträgern inLängs- und Querrichtung zu einemsteifen, an zwei Fußpunkten in Quer-richtung verschieblich gelagerten Rah-menwerk verbunden (Bild 19). 67,5 mlichte Höhe und 42 m Kopfhöhe las-sen der Schifffahrt genügend Raum.Auf den beiden verkehrreichen Ufernsind Einbauten oder Gründungennicht zugelassen: So stützt sich diegesamte Brücke auf tiefen Pfahlgrün-dungen im Fluss ab. Zum Ufer führtauf beiden Seiten eine kleine Brückemit 14,5 m Spannweite, die ebenfallsvor der Uferbefestigung im Fluss ge-gründet und an die die Fußverbreite-rung der Pfeilerwände gelenkig an-geschlossen ist. Auf den Fährwagenkönnen zusätzlich zu den Personenauch Straßenbahnwaggons auffahren.Zwölf Seile tragen die Last hoch zum Rollwagen. Er ist in zwei Hälf-ten geteilt, jede der 2 × 2 Achsen wird von einem Elektromotor an-getrieben. Innerhalb der Dreieckstüt-

worden, dass möglichst viele ungelernteArbeitskräfte auf der Baustelle damitweiter umgehen konnten.

Von den beiden Pylonen ausge-hend wird der Versteifungsträger mitHilfe von zwei Montagekranen imFreivorbau montiert. Nicht die Mon-tage in einzelnen ganzen Teilabschnit-ten sondern derVorbau von Einzelele-menten in der Reihenfolge: Untergur-te, Vertikalen, Querträger mit unteremVerband, Diagonalen und schließlichObergurte mit dem oberen Verbanderwies sich als einfach und günstig.

1935 wurde die Schwebefähredemontiert.

2.16 Schwebefähre Warrington 1916[19]

Kräftige Fachwerke für die Tragwändeund Verbände hat der Ingenieur Hun-ter zu einer durchbrochenen recht-eckigen Röhre als Brückenträger ver-bunden. Sie lässt etwa 23 m freieDurchfahrtshöhe und spannt 60 mweit über den Mersey, stromauf unweitder Fähre Runcorn-Widness gelegen.An den Ufern tragen je zwei Fach-werktürme die zum Land hin überra-gende Brücke. Land- und wasserseitig

Bild 18. Schwebefähre Rio de Janeiro, Brasilien [24]; a) Längsschnitt,b) Längsansicht, c)Montagezustand Fig. 18. Transporter bridge Rio de Janeiro, Brasil [24]; a) Longitudinal section,b) View, c) Erecting state

a)

b)

c)

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zen führt auf jedem Ufer ein Fahrstuhlzur Brücke. Personal aus Sterkrademontierte die im Werk hergestellteKonstruktion in Buenos Aires.

Über die zweite Fähre findensich in [30] keine weiteren Hinweise,ebenso fehlt das Datum der Fertig-stellung, die, so ist anzunehmen, indie Zeit um den Ausbruch des ErstenWeltkriegs fällt. Darauf lässt auch der späte Erscheinungstermin des Be-richtes schließen.

Ein letztes Beispiel für diesenBautyp ist eine weitere, um 1920über den Riachuelo errichtete Schwe-befähre (Bild 20) [31]. Eine insgesamt91,5 m lange Brücke liegt mit ihrenHauptträgern mittig auf den vier40,9 m hohen Pylonen auf. Ihre La-ger lassen Bewegungen aus Tempe-raturänderungen zu. Zwischen denGründungskörpern verbleiben 53,5 mlichte Weite und 42 m freie Höhe fürdie Schifffahrt. Je vier gemauerte, bisin 24 m Tiefe reichende und vier Me-ter Durchmesser aufweisende Grün-dungskörper tragen einen Pylon. Biszu 100 t Nutzlast aus Waggons, Ma-schinen und Personen nimmt derFährwagen auf. Er darf sich unter

der größten rechnerischen Windlast(2,5 kN/m2) nicht mehr als 2,5 cmseitlich auslenken, ein steifes Fach-werk verbindet ihn mit dem Rollwa-gen. Dieser wird von einer Seilzugan-lage bewegt, die im Bild 20b am lin-ken Pylon angeordnet ist.

Der Entwurf dieserAnlage stamm-te aus dem Londoner Büro Livesey,Son and Henderson. Bild 20a zeigt daswuchtige Portal im Hafen, es hat kaumnoch Ähnlichkeit mit den leichtenKonstruktionen aus den Anfängen derSchwebefähren. Immer robuster sindsie im Laufe der Jahre geworden. Trotzimmer besserer Stähle haben die Ab-messungen der einzelnen Tragelementezugenommen. Auch wenn, wie hier, dieEckstiele der Pylonen und ihre Riegelfachwerkartig gegliedert sind, so wir-ken sie aus größerer Entfernung ge-schlossen.

Mit jeder neuen Brücke haben dieErfahrungen der Ingenieure zugenom-men. Die immer größeren zu transpor-tierenden Lasten, die Verformungenaus den Einwirkungen von Verkehr undWind, die klimatischen Bedingungenund der damit verbundene Verschleißhaben ihren Tribut gefordert. Dies lässt

sich folgern, wenn man die Entwick-lung an den siebzehn hier aufgeführtenBrücken verfolgt. Diese Art Kreuzungs-bauwerk ist mehr oder weniger aufge-geben worden. Leistungsfähige Dreh-,Klapp- und Hubbrücken, wie die vorkurzem in Rouen errichtete, sind anihre Stelle getreten.

3 Nachwort

Ein knappes Vierteljahrhundert langwurden die Schwebefähren gebautund in Betrieb genommen. Einige we-nige fahren noch in Rochefort undOsten für den Tourismus. Ihr Über-leben hängt an dünnen Fäden, siesind äußerst filigran und damit anfäl-lig für Rost, vor allem in der von Salzgesättigten Luft ihrer Aufstellungs-orte. Fehlt doch diesen nicht mehrzeitgemäßen Triumphbögen zwischenFestland und Meer das Stein-Mas-sive, das Siegestore auszeichnet.

Ihre Leichtigkeit entsprang kaumästhetischem Wollen. Es herrschterein kostenmäßiges und damit demWettbewerb um den Auftrag dienen-des Denken vor. Der Lohn der Arbeitwar äußerst niedrig, das Material hin-

Bild 19. Schwebefähren in Buenos Aires, Argentinien [30]; a) Längsschnitt, b) Querschnitt, c) Grundriss PfeilerFig. 19. Transporter bridge in Buenos Aires, Argentina [30]; a) Longitudinal section, b) Cross section, c) Plan view of the pillar

Bild 20. Schwebefähre in Buenos Aires, Argentinien [31]; a) Ansicht, b) LängsschnittFig. 20. Transporter bridge in Buenos Aires, Argentina [31]; a) View, b) Longitudinal section

a)

a) b)

b) c)

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gegen teuer im Vergleich dazu. Heutesind beide Anteile hoch im Preis undschlagen bei vielen Leichtkonstruktio-nen zu Buche: Ein der Ästhetik gezoll-terTribut, der ungern erwähnt wird.

Die verkürzte Frage: Was istschön? entzündete sich auch an die-sen Brücken. Anfangs euphorischbejubelt, wenn auch nicht von jenen,die dem Massiven, Repräsentativenanhingen, wandelte sich die Einstel-lung bis hin zur sorgenvollen Kultur-kritik. Das hing sicher auch mit demzu beobachtenden langsamen Verfallzusammen.

Die Schrägseile der Nantes-Fäh-re missfielen manchen Betrachtern,heute bewundern wir gewaltige Bau-werke, die ähnlich, wenn auch elegan-ter, schwungvoller – um Feuilleton-sprache aufzunehmen – gestaltet sind.Tatsächlich schauen wir auf einfache,klar verlaufende, von Seilen und Stä-ben sichtbar gemachte Kraftlinien.Auch dafür sind die Schwebefährenein Ausdruck. Das neue Denken derIngenieure bricht sich hier Bahn, wiebeim Eiffelturm oder der Firth-of-Forth-Brücke. Die Kunst der Ingeni-eure entwickelt sich weiter.

Das Transportprinzip der Fährenlebt in den selbstfahrenden Portalkra-nen weiter. Sie schieben sich über La-gerplätze, Containerstapel oder großeBaustellen hinweg. Die zu versetzen-den Lasten beschreiben nun, statt derGeraden als Fortsetzung einer Straße,räumliche Kurven, die sich aus ihrerlotrechten und waagerechten Versetz-bahn und dem Verfahren des Kransentwickeln: Sinnbild für die erwei-terte Durchdringung des Raums.

1996 suchte ich die Jahre zuvoraufgegebene Fabrik Arnodins in Cha-teauneuf-sur-Loire auf. Von Hinwei-sen auf Arnodin oder gar einem Ar-chiv war keine Spur. Auch im nahegelegenen Musée de la Marine deLoire im Schlosspark befanden sichzu dieser Zeit kaum Hinweise auf Ar-nodin und sein den Brückenbau und

das Transportwesen veränderndesWirken an diesem Ort.

Die Zeit der Schwebefähren istvorbei, vergessen sollten wir sie nicht.

Literatur

[1] Speck, A.: Beitrag zur Geschichteund Theorie der Schwebefähren. Leip-zig: Verlag Engelmann 1908.

[2] Mehrtens, G. C.: Vorlesungen über In-genieurwissenschaften. 2. Teil: Eisen-brückenbau. Leipzig: Verlag Engelmann,1. Bd. 1908, 2. Bd. 1920, 3. Bd. 1923.

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[7] Gerhard: Die Fährbrücken. Zentral-blatt der Bauverwaltung 1904, Nr. 39,S. 249.

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[9] Leinekugel Le Cocq, G.: Ponts àTransbordeur. Le Génie Civil 1903,S. 33–36 und Nr. 4, S. 49–55.

[10] N. N.: Die Schwebefähre über denMersey bei Runcorn in England. Deut-sche Bauzeitung 1906, S. 700–702.

[11] Piper-Wöhltz, H., Wöhlk, D.: ZurGeschichte derWerften in Kiel. PrivateMitteilung.

[12] Stein, P.: 100 Jahre GHH-Brücken-bau. Firmenschrift, Oberhausen 1951.

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[15] Prade, M.: Ponts et Viaducs enXIX. Siècle. Paris-Poitiers 1988/89.

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[29] Hawranek, A.: Konstruktionen be-weglicher Brücken. Eine Sammlungvon 53 Konstruktionsblättern. Brünn:Institut für Brückenbau und Stahl-hochbau 1943.

[30] Kusenberg: Schwebefähren überden Riachuelo in Buenos Aires. DerBauingenieur 1920, S. 161–165.

[31] Guérin, H.: Le Pont à Transbordeursur le Riachuelo à Buenos Ayres. LeGénie civil 1923, Band 82, S. 245–249.

Autor dieses Beitrages:Dr.- Ing. Klaus Stiglat Hegaustraße 1876199 [email protected]

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