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SATTDAMPF AUS DER ENERGIEZENTRALE Im Rahmen einer neuen Versorgungsstrategie wurde die autarke Energieversorgung der arabern durch eine integrale Verbundlösung mit dem lokalen Energieversorger Energie Wasser Bern (ewb) abgelöst. Heute wird der gesamte thermische Energiebedarf der arabern über eine unterirdische Sattdampfdruckleitung der ewb gedeckt. Im Gegenzug speist die arabern das bei ihr produzierte Biomethan in das ewb-Erdgasnetz ein und reinigt das anfallende Prozessabwasser der Kehricht- verbrennungsanlage. Für die arabern hatte die Realisierung des Projektes Anpassungen des gan- zen Prozesses und Neubauten zur Folge. Beat Ammann*, ara region bern ag; Steff Schneider ARA REGION BERN: WEG VON DER AUTARKEN ENERGIE- VERSORGUNG, HIN ZUR INTEGRALEN GESAMTLÖSUNG EINLEITUNG Wie alle Abwasserreinigungsanlagen ist auch die ara region bern ag (arabern) heute mit diversen Herausforderungen kon- frontiert: allen voran das Thema Energie und die damit ein- hergehende Energiestrategie 2050 des Bundes sowie die Grüne Wirtschaft. Daneben stehen eine effiziente Nutzung der Res- sourcen, die Anpassung an veränderte Kundenbedürfnisse und die durch eine verschärfte Gesetzgebung nötige neue Behand- lungsstufe zur Elimination von Spurenstoffen im Fokus. Diese neuen Anforderungen verändern den Abwasserreinigungspro- zess und machen eine langfristige Planung, die über Gemeinde- und Kantonsgrenzen, aber auch über den Abwassersektor hin- ausgeht, nötig. Gefragt sind Investitionen in neue Technologien und Kompetenzen, aber auch Partnerschaften mit Akteuren aus anderen Branchen. Die arabern, eine der drei grössten Abwasserreinigungsanlagen der Schweiz, gehört bezüglich Innovation und Technologie euro- paweit zu den führenden Unternehmen der Siedlungsentwässe- rung. Insbesondere in den Bereichen Energieeffizienz, Kosten und Umwelt ist die arabern führend. Das Unternehmen, das 1967 als ARA Bern-Neubrück den Be- trieb aufgenommen hat, ist seit 1996 eine Aktiengesellschaft. In RÉSUMÉ LA VAPEUR SATURÉE PROVENANT DE LA CENTRALE ÉNERGÉTIQUE (EWB) MODIFIE L’ARA REGION BERN AG En 2007, l’idée d’une collaboration entre les deux institutions ara region bern ag (arabern) et Energie Wasser Bern (ewb) a été lancée. La possibilité de couvrir l’ensemble des besoins en énergie thermique de l’arabern, dans le cadre d’une intég- ration horizontale en matière d’énergie entre la centrale éner- gétique et l’arabern, à l’aide d’une conduite de pression de vapeur saturante souterraine, a été discutée. En contrepartie, l’arabern devra injecter le biométhane qu’elle produit dans le réseau de gaz naturel ewb. Et enfin, toutes les eaux de pro- cess des UIOM et les eaux usées du nouveau centre de renfort des sapeurs-pompiers doivent être redirigées vers l’arabern. La coopération est judicieuse car, d’une part, l’installation de traitement des déchets produit beaucoup d’énergie et d’eau usée tandis que, d’autre part, la digestion et le séchage des boues d’épuration nécessitent beaucoup d’énergie. La réalisation du projet a entraîné, pour l’arabern, des adaptations considérables de l’ensemble du processus et de nouvelles constructions. Il a fallu résoudre des prob- lèmes non seulement techniques mais aussi de construction et d’architecture dans un temps très court. L’arabern a dû remplacer l’installation de séchage des boues existante et > S. 63 *Kontakt: [email protected] AQUA & GAS N o 2 | 2016 FACHARTIKEL | 57

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SATTDAMPF AUS DER ENERGIEZENTRALE

Im Rahmen einer neuen Versorgungsstrategie wurde die autarke Energieversorgung der arabern durch eine integrale Verbundlösung mit dem lokalen Energieversorger Energie Wasser Bern (ewb) abgelöst. Heute wird der gesamte thermische Energiebedarf der arabern über eine unterirdische Sattdampfdruckleitung der ewb gedeckt. Im Gegenzug speist die arabern das bei ihr produzierte Biomethan in das ewb-Erdgasnetz ein und reinigt das anfallende Prozessabwasser der Kehricht-verbrennungsanlage. Für die arabern hatte die Realisierung des Projektes Anpassungen des gan-zen Prozesses und Neubauten zur Folge.

Beat Ammann*, ara region bern ag; Steff Schneider

A R A R E G I O N B E R N: W E G VO N D E R A U TA R K E N E N E RG I E-V E R S O R G U N G, H I N Z U R I N T E G R A L E N G E SA M T LÖ S U N G

EINLEITUNG

Wie alle Abwasserreinigungsanlagen ist auch die ara region bern ag (arabern) heute mit diversen Herausforderungen kon-frontiert: allen voran das Thema Energie und die damit ein-hergehende Energiestrategie 2050 des Bundes sowie die Grüne Wirtschaft. Daneben stehen eine effiziente Nutzung der Res-sourcen, die Anpassung an veränderte Kundenbedürfnisse und die durch eine verschärfte Gesetzgebung nötige neue Behand-lungsstufe zur Elimination von Spurenstoffen im Fokus. Diese neuen Anforderungen verändern den Abwasserreinigungspro-zess und machen eine langfristige Planung, die über Gemeinde- und Kantonsgrenzen, aber auch über den Abwassersektor hin-ausgeht, nötig. Gefragt sind Investitionen in neue Technologien und Kompetenzen, aber auch Partnerschaften mit Akteuren aus anderen Branchen.Die arabern, eine der drei grössten Abwasserreinigungsanlagen der Schweiz, gehört bezüglich Innovation und Technologie euro-paweit zu den führenden Unternehmen der Siedlungsentwässe-rung. Insbesondere in den Bereichen Energieeffizienz, Kosten und Umwelt ist die arabern führend.Das Unternehmen, das 1967 als ARA Bern-Neubrück den Be-trieb aufgenommen hat, ist seit 1996 eine Aktiengesellschaft. In

RÉSUMÉ

LA VAPEUR SATURÉE PROVENANT DE LA CENTRALE ÉNERGÉTIQUE (EWB) MODIFIE L’ARA REGION BERN AGEn 2007, l’idée d’une collaboration entre les deux institutions ara region bern ag (arabern) et Energie Wasser Bern (ewb) a été lancée. La possibilité de couvrir l’ensemble des besoins en énergie thermique de l’arabern, dans le cadre d’une intég-ration horizontale en matière d’énergie entre la centrale éner-gétique et l’arabern, à l’aide d’une conduite de pression de vapeur saturante souterraine, a été discutée. En contrepartie, l’arabern devra injecter le biométhane qu’elle produit dans le réseau de gaz naturel ewb. Et enfin, toutes les eaux de pro-cess des UIOM et les eaux usées du nouveau centre de renfort des sapeurs-pompiers doivent être redirigées vers l’arabern. La coopération est judicieuse car, d’une part, l’installation de traitement des déchets produit beaucoup d’énergie et d’eau usée tandis que, d’autre part, la digestion et le séchage des boues d’épuration nécessitent beaucoup d’énergie. La réalisation du projet a entraîné, pour l’arabern, des adaptations considérables de l’ensemble du processus et de nouvelles constructions. Il a fallu résoudre des prob-lèmes non seulement techniques mais aussi de construction et d’architecture dans un temps très court. L’arabern a dû remplacer l’installation de séchage des boues existante et

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*Kontakt: [email protected]

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der arabern wird das Abwasser von zwölf Gemeinden der Region Bern gereinigt.

ENERGIE ALS HERAUSFORDERUNG

Die arabern erzeugt seit 1967 erneuer-bare CO2-freie Energie – seit 2007 in Form von Biomethan. Mit seinem hohen Energieverbrauch ist das Unternehmen von den aktuellen Veränderungen in der Energiebranche direkt betroffen. Bis 2012 hat die arabern ihren gesamten Wärme-bedarf und einen Teil ihres Strombedarfs selbst produziert. Im Rahmen der neuen Versorgungsstrategie, deren Umsetzung im Jahr 2013 eingeleitet wurde, wird das Ziel einer autarken Energieversorgung durch eine integrale Verbundlösung mit dem lokalen Energieversorger Energie Wasser Bern (ewb) abgelöst. Dieser be-treibt seit Mitte 2012 im Gebiet Forsthaus eine Energiezentrale mit einer Kehricht-verwertungsanlage (KVA), einem Bio-masse- und Erdgaskombikraftwerk. Aus Kehricht, Holz und Erdgas wird Strom, Sattdampf und Fernwärme produziert. Die Anlage wurde im März 2013 eröffnet.2007 kam erstmals die Idee einer Zusam-menarbeit der beiden Berner Institutio-nen auf den Tisch. Diskutiert wurde über die Möglichkeit, im Rahmen eines Ener-gie-Querverbunds zwischen der Energie-zentrale und der arabern den gesamten thermischen Energiebedarf der arabern über eine unterirdische Sattdampfdruck-leitung zu decken. Im Gegenzug sollte

die arabern das bei ihr produzierte Bio-methan in das ewb-Erdgasnetz liefern. Und schliesslich sollte das ganze Prozess-abwasser der KVA sowie das Abwasser des neuen Feuerwehrstützpunkts in die arabern abgeleitet werden. Dies, nachdem ursprünglich vorgesehen war, dass ewb das Abwasser (Prozesswasser) selbst rei-nigt und über eine fünf Kilometer lange Leitung durch den Bremgartenwald in die Mitte des Wohlensees einleitet (Fig.  1). Die Zusammenarbeit zwischen dem Was-serreiniger und dem Kehrichtverwerter ist sinnvoll, denn in der Kehrichtverwer-tung fällt einerseits sehr viel Energie und andererseits Schmutzwasser an, während in der Abwasserreinigung viel Energie für die Faulung und Trocknung des Klär-schlamms benötigt wird.Die arabern und ewb liegen beide auf Stadtberner Boden, sind organisatorisch aber völlig unabhängig. Die arabern ist eine Aktiengesellschaft, mit der Stadt Bern als grösstem Aktionär, ewb mit der Energiezentrale ist ein Unternehmen der Stadt Bern. Die Integration der arabern in den Energieverbund ist seit Ende 2015 abgeschlossen.

PROJEKTIDEE

Für die arabern hatte die Realisierung des Projektes gewaltige Anpassungen des ganzen Prozesses und Neubauten zur Fol-ge. Neben technischen, galt es bauliche und architektonische Fragen in sehr kur-

zer Zeit zu lösen. Die arabern musste die bestehende Schlammtrocknungsanlage ersetzen und für die Schlammtrocknung und für die Faulwasserbehandlungsanla-ge neue Gebäude bauen. Damit die neue Trocknungsanlage wirtschaftlich betrie-ben werden kann, musste die Anlage für eine Schlammmenge von 11 000 t Tro-ckenrückstand (TR) pro Jahr mit einem durchschnittlichen TR-Gehalt von 29% ausgelegt werden. Der Trockner sollte da-bei anstelle des bisher eingesetzten Bio-gases mit Sattdampf aus der neuen Ener-giezentrale versorgt werden. Die neue Trocknungsanlage war erst am Standort des bisherigen Dienstgebäudes vorgese-hen. Für den Standortwechsel sprachen vor allem optimierte Verfahrensabläufe, kürzere Verbindungsleitungen, die beste-henden Anlagen sowie die Inbetriebnah-me ohne Unterbruch.Das Projekt hatte grosse bauliche Verän-derungen zur Folge. So mussten das alte Dienstgebäude, der Verbindungstrakt, die Trocknungsanlage, das Blockheiz-kraftwerk, die Heizung, die Anlagen für Schlammbehandlung, -entwässerung, -erwärmung und -rückkühlung und die Sequencing-Batch-Reactor(SBR)-Anlage zurückgebaut werden. Neubauten waren nötig für die gesamte Klärschlammver-arbeitungsanlage (ausser Voreindicker, Faultürme und Nacheindicker) sowie für die Faulwasserbehandlungsanlage im Hang vor der neuen Klärschlammverar-beitungsanlage.

VORGEHEN

Indem die arabern auf dem Gebiet der Stadt Bern liegt, gilt für das Baubewil-ligungsverfahren die Bauordnung der Stadt. Und diese verlangt für öffentliche Gebäude – auch für Abwasserreinigungs-anlagen – ein Wettbewerbsverfahren, das heisst einen Architekturwettbewerb. Ne-ben umfangreichen organisatorischen und technischen Fragen standen somit baurechtliche Fragen und unter Umstän-den ein langwieriges und schwieriges Baubewilligungsverfahren im Raum. Hinzu kam der enorme Zeitdruck, unter dem die arabern stand, wollte doch ewb bereits ab Mitte 2014 Sattdampf liefern und die arabern im Gegenzug Biomethan ins Erdgasnetz einspeisen. Im Dezem-ber 2010 wurde die Projektidee in einer Vereinbarung – in einem Letter of Intent – festgehalten. Gleichzeitig löste das Vor-haben in der arabern eine eingehende

Fig. 1 Businessmodell erneuerbare Energie Modèle commercial d’énergie renouvelable

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Lageanalyse und eine Überprüfung der gesamten Prozesse aus. Im Fokus stand dabei die Trocknung des Klärschlamms.

WORKSHOP-DIALOGVERFAHREN Für die hauptsächlich von der Technik bestimmten notwendigen Bauten für die neue Klärschlammtrocknung fehlte die Zeit für ein langwieriges Verfahren. Des-halb schlug die arabern der Stadt Bern vor, anstelle einer Wettbewerbsausschrei-bung ein Workshopverfahren durchzu-führen. Zu diesem bisher in der Schweiz noch selten angewandten Vorgehen, bei dem in mehreren moderierten Workshops mit allen Beteiligten und Betroffenen ein

ARCHITEKTURDie neue Faulwasserbehandlungsanlage ist ein Betonkörper, der als Sockel der Schlammtrocknung leicht abgedreht und unterhalb der bestehenden Strasse in den Boden eingelassen ist. Die maximal elf Meter hohe Sichtbetonwand verläuft in den Hang hinein und ihre Oberkante bildet den Abschluss des neuen Verkehrsplatzes vor der Schlammtrocknung.Die Schlammtrocknung ist ein kubisch geprägter Baukörper, der sich aus einem massiven, geschlossenen und einem transparenten, auskragenden Volumen zusammenfügt. Der geschlossene Betonteil beinhaltet die eigentliche Trocknungsanlage und andere Ver-fahrenseinrichtungen. Im leichten, acht Meter auskragenden Glasteil sind die Granulatsilos, die Leitwarte und weitere Anlageteile untergebracht. Die Profilitfassade und das Glasdach bringen viel Licht in diesen transparenten Körper und lassen die Tragkonstruk-tion und die technischen Installationen erkennen (Fig. 2).

Fig. 2 Ein funktionales Gebäude mit einer transparenten Fassade vermochte im Workshop-Dialogverfahren zu überzeugen Un bâtiment fonctionnel muni d’une façade transparente réussit à convaincre au cours de la procédure de dialogue (workshop)

Projekt bis zur Baubewilligungsreife ent-wickelt wird, gab die Stadt grünes Licht. Im Frühjahr 2012 fanden vier ganztägige Workshops statt, die von einem Bauin-genieur  – einem professionellen Mode-rator – geleitet wurden. Beteiligt waren jeweils zehn bis zwölf Personen. Neben der arabern als Bauherrin waren als Ex-perten Vertreter des Stadtplanungsamtes der Stadt Bern, drei SIA-Architekten, ein Landschaftsarchitekt als Vertreter der Nachbargemeinde Bremgarten sowie zwei weitere Architekten engagiert. In den Workshops wurden Lösungen disku-tiert und beraten, wie die Schlammtrock-nungsanlage sowie die Neubauten für

eine Faulwasserbehandlungsanlage und eine zweite Biogasaufbereitungsanlage realisiert werden könnten. Dabei wurden die Grundlagen für das ordentliche Bau-bewilligungsverfahren für die Schlamm-trocknung, die Faulwasserbehandlung sowie die Biogasaufbereitungsanlage erarbeitet. In den Workshops wurden die Vorschläge des Planers von Experten, Behördenvertretern und Bauherrschaft diskutiert, bewertet und weiterentwi-ckelt. Beurteilt wurden dabei Kriterien wie Einpassung in den bestehenden Raum, Ästhetik, spätere bauliche Ent-wicklung, ökologischer und effektiver Betrieb sowie Wirtschaftlichkeit. Für

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das Schlammtrocknungsgebäude stan-den verschiedene Ansätze und Varianten zur Diskussion: eine strukturierte, schil-fähnliche Fassade, eine eher futuristische Metallfassade, die sich optisch an die be-stehenden Faultürme anlehnt, ein Gebäu-de mit einer Membranfassade (eine Haut aus grossflächig gespannten Polyedern) sowie eine Variante «Transluszent» mit einer transparenten, lichtdurchlässigen Fassade (Box). Das Gremium einigte sich schliesslich auf die letzte Varian-

te. Der Vorschlag fand die Zustimmung der Experten, da die Fassadenstruktur nicht nur auf der Vorderseite überzeugte, sondern auch an den Stirnfassaden mit den Anschlüssen an die Betonwände. Weitere Pluspunkte waren die einfache Tragstruktur sowie die Transparenz und Zurückhaltung des Baus. Mit dem Work-shopverfahren konnte verhindert werden, dass im Rahmen des Architekturwettbe-werbs ein kostspieliges Prestigeobjekt umgesetzt wurde.

BAUBE WILLIGUNGDas Verfahren ging in rekordverdäch-tiger Zeit über die Bühne: Im Mai 2012 wurden die Baugesuche eingereicht – im Oktober gleichen Jahres wurden die Bau-bewilligungen erteilt. Einsprachen gab es keine. Den Betroffenen – vor allem den Bewohnern in der auf der andern Seite der Aare gelegenen Gemeinde Bremgar-ten – wurde vorgängig an drei gut be-suchten Informationsanlässen das Bau-vorhaben vorgestellt. Die arabern konnte an den Anlässen glaubhaft darlegen, dass durch die neuen Technologien der Nutzen für die Umwelt gesamthaft grösser wird, dass die Geruchsbelästigungen, die in der Vergangenheit immer wieder zu Be-anstandungen geführt haben, praktisch verschwinden und die Lärmimmissionen deutlich reduziert werden.Im Oktober 2012 wurden die Planerar-beiten für den Bau an GIM Gauer Itten Messerli Architekten und Planer, Bern, und für das Verfahren an TBF + Partner AG, Zürich, vergeben. Im Juni 2013 konn-te die Biogasaufbereitungsanlage, im April 2014 die Faulwasserbehandlungs-anlage und im Mai 2015 die Schlamm-trocknungsanlage in Betrieb genommen werden. Bis Ende 2015 konnten fast alle Umgebungs- und Fertigstellungsarbei-ten abgeschlossen werden. Die gesamten Investitionen belaufen sich auf 60 Mio. Franken.

DIE NEUEN ANLAGEN

Die neue Anlage der arabern (Fig. 3)umfasst im Wesentlichen sieben wich-tige Teile: die Biogasaufbereitung, die Schlammbehandlung, die Schlammtrock-nung, die Faulwasserbehandlungsanlage, die Abluftbehandlungsanlage, die Wär-metauscher in der Schlammaufwärmung und ein neues Prozessleitsystem. Die einzelnen Teile werden nachfolgend kurz beschrieben.

BIOGASAUFBEREITUNGSANL AGE NR. 2Die arabern produziert seit 2008 Bio-methan unter dem Label Naturemade Star. 2011 konnten mit der 300-m3/h-Druckwechselabsorption(PSA)-Biogas-aufbereitungsanlage 14,5 Mio. kWh Biomethan ins öffentliche Erdgasnetz ab-gegeben werden. Das übrige Biogas wur-de intern für die Schlammtrocknung mit einer Leistung von 2,7 MWth und für das Blockheizkraftwerk (BHKW) von 650 kWel verwendet.

Fig. 3 Situation der neuen Anlage Situation de la nouvelle station

Fig. 4 Aminwäsche Biogasaufbereitungsanlage Traitement aux amines installation de traitement de biogaz

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Mit dem Querverbund wird seit Mitte 2013 sämtliches Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet und ins Erdgasnetz der ewb ein-gespeist. Die neue Biogasaufbereitungsanlage Nr. 2 mit dem Aminwäscheverfahren ist auf neu 1500 m3/h ausgelegt und wird mit Sattdampf aus der Energiezentrale ewb betrieben (Fig. 4). Der Methanschlupf verringert sich durch den Wechsel des Biogasaufbereitungsverfahrens von < 1,5% (PSA) auf < 0,1% (Aminwäsche).Die jährliche Produktion von Biomethan erhöht sich mit dem Querverbund um über 366% auf 53 Mio. kWh. Eine weitere Stei-gerung auf 60 Mio. kWh ist durch eine vermehrte Annahme von Co-Substrat absehbar. Insgesamt erlaubt dies der Stadt Bern mit dem Label Energiestadt Gold die angestrebte Zuwachsrate an erneuerbarer Energie einzuhalten.

SCHL AMMBEHANDLUNGDie neue Schlammbehandlungsanlage besteht aus den Strain-pressen (Siebe), der Klärschlammentwässerungsanlage, der Wirbelschicht-Trocknungsanlage (Fig. 5), den Klärschlammsilos sowie dem Abluftwäscher. Die Schlammsiebung in den Strain-pressen ist für einen problemlosen Betrieb der Schlammbe-handlung von zentraler Bedeutung, denn alle feinen Störstoffe, welche die Grob- und Feinrechen passieren können, bleiben im späteren Verlauf der Reinigungskette im Schlamm und führen in den Pumpen und Rührwerken zu Problemen. In der neuen Anlage erfolgt die Schlammsiebung wie bisher mit zwei Strain-pressen, bei denen der Schlamm durch ein Sieb gepresst wird. Die am Sieb festhängenden Störstoffe werden mittels eingebau-ter Schnecke ausgetragen. Die bisher verwendeten Strainpres-sen werden neu für die Fremdschlamm-Annahme eingesetzt. Die Störstoffe werden nach der Siebung in einem Silo gesammelt und kommen zur Entsorgung in die Kehrichtverwertung.In der Faulung wird der vorgewärmte Schlamm unter Sauer-stoffabschluss mineralisiert. Dies geschieht hauptsächlich durch Methanbakterien, die etwa die Hälfte des organischen Anteils des Schlammes abbauen und dabei Biogas bilden. Der «ausgefaulte» Schlamm ist stabil und riecht wesentlich weni-ger. Als Co-Substrat wird an dieser Stelle Biomasse beigegeben. Die Faulung geschieht in drei Faultürmen, danach gelangt der Schlamm durch die Schlammkühlung in die Nacheindicker.

SCHL AMMENT WÄSSERUNGDer Klärschlamm wurde bereits in der alten Anlage mit Dekan-tern entwässert. Dekanter sind Schneckenzentrifugen, die unter Ausnutzung der Zentrifugalkraft Flüssiges und Festes trennen. Im neu erstellten Schlammtrocknungsgebäude sind zwei neue Dekanter installiert. Die Beschickung dieser Dekanter erfolgt mit einer Exzenterschnecken-Schlammpumpe aus den beiden Nacheindickern. Der entwässerte Schlamm aus den Dekantern wird direkt in die Trichter der Dickschlammpumpen fallenge-lassen, von wo er in die Vorhaltesilos der Schlammtrocknungs-anlage gelangt. Das anfallende Zentrat aus der Entwässerung wird über eine Rohrleitung der Faulwasserbehandlungsanlage zugeführt.Die neue Klärschlammtrocknungsanlage ist für eine jährliche Klärschlammmenge von 11 000 t Trockenrückstand (TR) ausge-legt. Der entwässerte Klärschlamm wird von ungefähr 29% auf mindestens 90% TR -Gehalt getrocknet. Zur Trocknung dieser Klärschlammmenge wird Sattdampf mit 40 bar und 240 °C aus der Energiezentrale Forsthaus genutzt. Das Sattdampfkondensat

wird von der Trocknungsanlage wieder abgegeben und die dar-in noch enthaltene nutzbare Energie wird für die erforderliche Niedertemperaturwärme der Kläranlage genutzt.Der in den Dekantern entwässerte Schlamm wird in das Schlammdosiersilo und danach in den Wirbelschichttrock-ner gepumpt, wo er bei einer Temperatur von 85 °C in einem geschlossenen Gaskreislauf getrocknet wird. In einem Wir-belschichttrockner wird der Schlamm von unten von Gas durchströmt, in Schwebe gehalten und durchmischt. Wenn der Schlamm trocken ist, wird er durch das Gas ausgetragen. Das im Wirbelschichttrockner erzeugte Granulat mit einer Körnung von 0,5 bis 4 mm wird gekühlt und mit einer Förderschnecke in die drei Trockengutsilos, die mit einem Speichervolumen von jeweils 73 m3 eine Speicherkapazität von etwas mehr als vier Tagen haben, geführt. FAULWASSERBEHANDLUNGIm Verlauf der Abwasserbehandlung fällt ammoniumhaltiges Abwasser – Faulwasser – an. Dieses Faulwasser wurde bisher in der SBR-Anlage durch biochemische Nitrifikation und Deni-trifikation entstickt. SBR steht für Sequencing Batch Reactor – eine Anlage, in der biologische Prozesse und eine Sedimentation stattfinden. Bei diesem Verfahren wird in einem ersten Schritt

Fig. 5 Wirbelschicht-Klärschlammtrocknungsanlage Installation de séchage des boues d’épuration avec la technologie du lit fluidisé

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sämtliches Ammonium (NH4+) zu Nitrat

(NO3) umgewandelt. In einem zweiten bio-logischen Prozess – der Denitrifikation – wandeln Bakterien das gebildete Nitrat zu elementarem Stickstoff (N2) um. Hierfür muss eine Kohlenstoffquelle, beispiels-weise Methanol oder Ethanol, zugegeben werden.Die bestehende SBR-Anlage wurde im Neubau durch eine Demon®-SBR-Anlage ersetzt – ein neuartiges Verfahren zur Stickstoffelimination. Es basiert wie das SBR-Verfahren auf zwei biologischen Pro-zessen. In einem ersten Schritt werden jedoch nur rund 50% des Ammoniums zu Nitrit (NO2) umgewandelt. Dazu muss Luft mithilfe von Verdichtern eingeblasen werden; die benötigte Luftmenge ist sig-nifikant geringer als vorher, da nur die Hälfte des Ammoniums umgewandelt werden muss und als Endprodukt Nitrit statt stärker oxidiertes Nitrat anfällt. In einem zweiten biologischen Prozess wandeln Bakterien das gebildete Nitrit zusammen mit dem verbleibenden Am-monium zu elementarem Stickstoff (N2) um. Dieser Prozess läuft ohne Sauerstoff (anoxisch) ab – man spricht von einer an-oxischen Ammoniumoxidation. Bei die-sem zweiten Prozess muss keine externe Kohlenstoffquelle zugegeben werden und die Schlammproduktion ist gering. Mit dem neuen Verfahren wird der Prozess der klassischen Nitrifikation und Denitri-fikation deutlich abgekürzt. Gleichzeitig

werden pro Jahr gegenüber dem frühe-ren Verfahren ca. 60% oder 700 000 kWh weniger Energie benötigt. In der Summe wurde der ökologische Fussabdruck mit der Faulwasserbehandlung im Demon®-Verfahren deutlich kleiner.

ABLUFTBEHANDLUNGDie Abluft wurde bisher in der arabern mit Ausnahme der Klärschlammtrock-nung zentral gesammelt und in einem Biofilter behandelt. Die Anlage war mit den Ausbauten stetig gewachsen und war schwierig zu steuern. Je nach Wetterlage, Tages- und Jahreszeit sowie Betriebszu-stand kam es zu Geruchsbelästigungen, welche die Anwohner in der Nachbarge-meinde Bremgarten störten. Mit dem Neubau konnte die geruchliche Belastung in den Betriebsräumen und vor allem in der Nachbarschaft stark redu-ziert werden. Bisher war die Abluftreini-gung in zwei Teilbereiche unterteilt: Die Abluft der mechanischen Reinigungsstu-fe wurde in einem Biofilter gereinigt, die Abluft aus der stark belasteten Schlamm-behandlung und der ebenfalls geruchs-belasteten Actiflo -Anlage wurden in der Biostyr-Anlage behandelt. Mit dem Neu-bau wurde die Abluftbehandlung völlig neu konzipiert. Neu wird die Abluft je nach Stärke der Luftbelastung differenziert behandelt. Die weniger stark belastete Abluft aus der mechanischen Behandlung gelangt direkt

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Fig. 6 Chemische Desodorierung Désodorisation chimique

Fig. 7 Abluft-Biofilter Biofiltre de l’air repris

auf den Abluft-Biofilter 2. Die stark belas-tete Abluft aus der Schlammtrocknung wird in der dreistufigen Abluftwäsche (chemische Desodorierung) gereinigt, bevor sie zusammen mit weiterer Abluft aus dem Betrieb auf den grossen Abluft-Biofilter 1 geführt wird (Fig. 6 und 7).In einem Abluftbiofilter durchströmt die befeuchtete Abluft eine Biofilterschicht, wo es zum Stoffaustausch zwischen dem Gas und dem Biofilm aus Bakterien und niederen Pilzen kommt. Der auf einer Trägersubstanz aus Torf, Holz- und Rin-denschnitzel angesiedelte Biofilm baut die organischen Schadstoffe direkt ab. Die Mikroorganismen sorgen für eine Umwandlung der abbaubaren Schad- und Geruchsstoffe zu nicht toxischen, geruchsneutralen und überwiegend nie-dermolekularen Substanzen wie CO2 und H2O. Chlor oder Schwefel werden dabei zu säurebildenden Verbindungen abgebaut und müssen neutralisiert werden.Durch die Triage in hoch und niedrig be-lastete Abluft konnten die Abluftmengen der arabern stark reduziert werden, so-dass es praktisch keine Geruchsimmissi-onen mehr gibt.

WÄRMETAUSCHER IN DER SCHL AMM-AUF WÄRMUNGDie bestehende Schlammaufwärmung mit drei Rohrbündelwärmetauschern wurde durch zwei neue Wärmetauscher im bestehenden Werkleitungsgang zwi-

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schen Faulturm 2 und 3 ersetzt. Anstelle der Cleaning-in-Place-Anlage (CIP) wurde eine Faulschlammspülung eingerichtet. Der Schlammwärmetauscher ist in zwei Strassen ausgelegt und wird alternierend zur Schlammerwärmung verwendet. Da-mit kein Faulgas aus dem Faulturm zu-rück in die Rohrleitung gedrückt werden kann, wurde die Rohrleitung mit einem Siphon nachgerüstet. Von den beiden Voreindickern wird der Frischschlamm durch die neuen Beschickungspumpen über die beiden neuen Doppelmantel-Rohrwärmetauscher in die Faulung ge-fördert. Die Rohrwärmetauscher sind

komplett mit Wärmedämmung versehen. Für die Erwärmung des Schlamms wird maximal 1200 kW Leistung benötigt, die aus der Brüden-Wärmerückgewinnung entnommen wird (Fig. 8).

PROZESSLEITSYSTEM (PLS)Seit 2002 hatte die arabern das Pro-zessleitsystem FactoryLink im Einsatz. Als der Hersteller 2010 mitteilte, das System nicht mehr weiterzuentwickeln und zu unterstützen, entschied sich die arabern für einen Totalersatz und eine Migration über die ganze Anlage vorzu-nehmen. In der Evaluation verschiedener

Produkte obsiegte schliesslich ein Leit-system der Firma Chestonag Automation AG. Das Leitsystem wurde parallel zur Inbetriebsetzung der neuen Anlagen migriert. Alle zukünftigen Projekte sollen mit der neuen Prozessvisualisie-rung ausgerüstet werden. Die Software der bestehenden speicherprogrammier-baren Steuerung (SPS) wurde ebenfalls ersetzt. Das gesamte Prozessleitsystem – das heisst Prozessvisualisierung und SPS-Steuerungen  – kommt damit neu aus einer Hand.

construire de nouveaux bâtiments pour le séchage et le traitement des eaux putrides. La ville de Berne a demandé une procédu-re de mise en concurrence, car la station d’épuration est un bâtiment public. Comme le temps manquait, une procédure de dialogue (workshop) a été mise en place. Celle-ci a abouti à la construction d’un bâtiment fonc-tionnel muni d’une façade transparente. La nouvelle station comprend donc ce bâtiment ainsi que d’autres constructions neuves. Elle comporte sept parties importantes: le traite-ment de biogaz, le traitement des boues, le séchage des boues, l’installation de traite-ment des eaux putrides, l’installation de trai-tement de l’air repris, l’échangeur de chaleur dans le réchauffage des boues et un nouveau système de gestion des processus.

SUITE DU RÉSUMÉ>

Fig. 8 Brüden-Wärmerückgewinnung Récupération de chaleur par les buées

CHF 2‘000.-

pr | award | 2015/16

Machen Sie mit! – Participez! – Partecipate!www.svgw.ch/prawardwww.ssige.ch/praward-frwww.ssiga.ch/praward-it

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