reklamation – aber bitte effizient! - vda-qmc.de · im rahmen der reklamationsbearbeitung auf...

3
D ie Automobilindustrie erfährt zurzeit eine massive Verschie- bung der Wertschöpfungsanteile vom Hersteller (OEM) hin zu den Liefe- ranten, Tendenz weiter zunehmend. Hier- durch ist auch der Anteil der durch Liefe- ranten verursachten Fehler deutlich ange- stiegen. In den Unternehmen werden da- her CAQ-Systeme zur Verwaltung der Re- klamationen und auf Lieferantenseite auch zur Unterstützung des internen Feh- lerabstellprozesses genutzt. Viele OEMs und auch die größeren Zulieferer haben Lieferantenportale im Einsatz, über die deren (Sub-) Lieferan- ten ihre Informationen (Stellungnahmen) zu den Reklamationen – meist in Form ei- nes 8D-Reports – direkt eingeben kön- nen. Die Portallösungen stellen jedoch ei- nen Medienbruch in der Kommunikation zwischen OEM und Lieferant dar, da die NORMEN 40 VDA-LEITFADEN STANDARDISIERT REKLAMATIONSPROZESS Reklamation – aber bitte effizient! Hartmut Ide, Ostfildern Der Reklamationsprozess zwischen Kunde und Lieferant enthält meist Medienbrüche und kundenindividuelle Pro- zessschritte. Dabei ermöglicht das QDX-Format längst den standardisierten Austausch von Reklamationsdaten. Ein neuer VDA-Leitfaden vereinheitlicht den den Reklamations- prozess und kann so zur Reduktion der Reklamations- kosten beitragen. © Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 54 (2009) 10 Foto: 123rf © zentilia

Upload: dangdung

Post on 17-Sep-2018

216 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Reklamation – aber bitte effizient! - vda-qmc.de · im Rahmen der Reklamationsbearbeitung auf Lieferantenseite entstehenden Daten redundant eingegeben und gepflegt wer-den müssen

D ie Automobilindustrie erfährtzurzeit eine massive Verschie-bung der Wertschöpfungsanteile

vom Hersteller (OEM) hin zu den Liefe-ranten, Tendenz weiter zunehmend. Hier-durch ist auch der Anteil der durch Liefe-ranten verursachten Fehler deutlich ange-

stiegen. In den Unternehmen werden da-her CAQ-Systeme zur Verwaltung der Re-klamationen und auf Lieferantenseiteauch zur Unterstützung des internen Feh-lerabstellprozesses genutzt.

Viele OEMs und auch die größerenZulieferer haben Lieferantenportale im

Einsatz, über die deren (Sub-) Lieferan-ten ihre Informationen (Stellungnahmen)zu den Reklamationen – meist in Form ei-nes 8D-Reports – direkt eingeben kön-nen. Die Portallösungen stellen jedoch ei-nen Medienbruch in der Kommunikationzwischen OEM und Lieferant dar, da die

N O R M E N

40

VDA-LEITFADEN STANDARDISIERT REKLAMATIONSPROZESS

Reklamation –aber bitte effizient!

Hartmut Ide, Ostfildern

Der Reklamationsprozess zwischen Kunde und Lieferant

enthält meist Medienbrüche und kundenindividuelle Pro-

zessschritte. Dabei ermöglicht das QDX-Format längst den

standardisierten Austausch von Reklamationsdaten. Ein

neuer VDA-Leitfaden vereinheitlicht den den Reklamations-

prozess und kann so zur Reduktion der Reklamations-

kosten beitragen.

© Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 54 (2009) 10

Foto

: 123rf

© z

entil

ia

Layout 1 21.09.2009 14:47 Uhr Seite 40

Page 2: Reklamation – aber bitte effizient! - vda-qmc.de · im Rahmen der Reklamationsbearbeitung auf Lieferantenseite entstehenden Daten redundant eingegeben und gepflegt wer-den müssen

im Rahmen der Reklamationsbearbeitungauf Lieferantenseite entstehenden Datenredundant eingegeben und gepflegt wer-den müssen – in das eigene, interne Sys-tem und über das Portal in das „fremde“System des Kunden. Um den Aufwand derLieferanten im Reklamationsprozess zuminimieren, wird von einigen Herstellernsowie einigen großen Zulieferern eineSchnittstelle zum elektronischen Aus-tausch der Reklamationsdaten auf Basisvon QDX angeboten.

Kommunikationsproblem gelöst

Die bisher realisierten Anbindungen aneine QDX-Schnittstelle offenbarten je-doch offene Punkte in der Definition derKommunikation zwischen Kunde undLieferant. Eine davon ist die Komplexitätdes Reklamationsprozesses selbst. Ober-flächlich betrachtet erfolgen im Reklama-tionsprozess lediglich zwei Schritte:� Der Kunde beanstandet bei seinem Lie-

feranten einen Fehler.� Der Lieferant führt die Fehlerbehe-

bung durch und sendet die Dokumen-tation dazu in Form eines 8D-Reportsan den Kunden zurück.

Wird der Reklamationsprozess aber imDetail betrachtet, so lassen sich weitere(und vor allem notwendige) Schritte iden-tifizieren. Beispiele dafür sind:� Stellungnahme des Kunden zum 8D-

Report,� Zurücknehmen bzw. Stornieren einer

Reklamation oder� Abschluss einer Reklamation.

Da die einzelnen Prozessschritte bishernicht allgemeingültig festgelegt waren,wurden diese von jedem Kunden (OEMbzw. größerer Zulieferer) individuell vor-gegeben. Das führte dazu, dass in den Re-klamationsprozessen und damit in derKommunikation zwischen Kunde undLieferant im Detail erhebliche Unterschie-de bestehen und die Lieferanten jedenKunden separat anbinden müssen, um dieReklamationsdaten auf elektronischemWeg direkt miteinander austauschen zukönnen.

Zur Behebung dieser Schwachstellewurde der Reklamationsprozess zwischenKunde und Lieferant von QM-Expertender OEM, der Lieferanten und namhafterCAQ-Anbieter diskutiert, vereinheitlichtund in einem neuen Leitfaden des VDAQMC erstmals im Detail beschrieben.

Ein Schwerpunkt ist dabei die Be-schreibung der Kommunikation zwischenKunde und Lieferant und damit die Fest-legung der Schnittstellen für den elektro-nischen Datenaustausch via QDX. Insbe-sondere wird auf die einzelnen QDX-Do-kumente eingegangen, die für den Daten-austausch zu verwenden sind.

Der Leitfaden setzt dabei auf vorhan-denen Prozessen, Methoden und Werk-zeugen auf. Daher wird weder auf die ein-zelnen Schritte des 8D-Reports im Detaileingegangen (Methode), noch werden diezum Einsatz kommenden QDX-Doku-mente inhaltlich beschrieben (Werkzeug).

Beschreibung des Gesamt-

prozesses auf zwei Ebenen

Zunächst wird der Kontext der Schritteinnerhalb des Gesamtprozesses beschrie-ben. Anschließend erfolgt die detaillierteBeschreibung der Prozessschritte, geglie-dert nach den vier Teilprozessen „Initiali-sierung des Reklamationsprozesses“,„8D-

Methode‘“, „Verifikation/Abschluss“ und„Reklamation ablehnen“. Für jeden ein-zelnen Prozessschritt ist dargestellt, wasder notwendige Input bzw. der erwarteteOutput ist, wer der Verantwortliche fürdie Durchführung des Prozessschrittes istund wo ggf. ein Datenaustausch (Kom-munikation) mit dem Geschäftspartnervia QDX stattfindet.

Der Leitfaden betrachtet – falls sinn-voll und notwendig – auch die wesent-lichen Unterstützungsprozesse, die durchReklamationen ausgelöst werden, klassi-scherweise aber nicht zum Qualitätsma-nagement gehören. Damit soll klargestelltwerden, wo Schnittstellen zu logistischen(z. B. Rücklieferung) oder kaufmänni-schen Prozessen (z. B. Rückbelastung) be-stehen.

Allerdings sei an dieser Stelle auch dar-auf hingewiesen, dass trotz der Standar-disierung des Reklamationsprozesses,weitere, über die Empfehlungen des VDAQMC hinausgehende Vereinbarungen be-züglich des Austauschs von Rekla-

QZ Jahrgang 54 (2009) 10

N O R M E N

41

Reklamationabgeschlossen

Wirksamkeitder

Maßnahmenbestätigt

Stellungnahmeausreichend?

Prüfung derStellungnahme

8D-Methode

Reklamationberechtigt?

VorprüfungReklamation

Reklamationerfassen undan Lieferantübertragen

Reklamationablehnen

Stellungnahmezurückweisen

Reklamationstorniert

Bild 1. Die wesentlichen Schritte im neuen Reklamationsprozess gemäß VDA-Leitfaden

© Q

Z–

Qua

lität

und

Zuv

erlä

ssig

keit

Layout 1 21.09.2009 14:47 Uhr Seite 41

Page 3: Reklamation – aber bitte effizient! - vda-qmc.de · im Rahmen der Reklamationsbearbeitung auf Lieferantenseite entstehenden Daten redundant eingegeben und gepflegt wer-den müssen

mationsdaten zwischen Kunde und Lie-ferant zu treffen sind. Hierzu gehören dieFestlegung zusätzlicher Pflichtfelder (diein QDX lediglich als optional deklariertwurden) und die Definition der Daten-formate und deren Feldlänge.

Werden vom Kunden weitere optionaleQDX-Datenfelder als Pflichtfeld definiert,so sind diese vom Lieferanten zu füllen undin der elektronischen Kommunikation ge-nauso zu behandeln wie QDX-Pflichtfel-der.Das bedeutet,dass ein Nicht-Füllen die-ser Datenfelder zu einem Abbruch desÜbertragungsprozesses führen würde.

Anerkennung einer Reklamation

auf zwei Ebenen

Die Trennung bzw. Unterscheidung zwi-schen technische und kaufmännische An-erkennung ist notwendig, da Fälle außer-halb der Gewährleistung und auch Ku-lanzfälle betrachtet werden müssen, beidenen die Rechtslage nicht immer eindeu-tig ist.� Technische Anerkennung – Der Lie-

ferant erkennt an, dass er der Verursa-cher eines Fehlers ist.

� Kaufmännische Anerkennung – DerLieferant erkennt den Vorschlag zu denkaufmännischen Forderungen desKunden bezüglich der Reklamation an.

Die technische Anerkennung seitens desLieferanten kann über folgende Status-Codes erfolgen:� Accepted – der Lieferant akzeptiert die

Reklamation, da der Fehler bzw. derDefekt von ihm verursacht wurde.

� Not Accepted – der Lieferant akzeptiertdie Reklamation nicht, da der Fehlerbzw. der Defekt nicht von ihm verur-sacht wurde.

� No Trouble Found – der Lieferant ak-zeptiert die Reklamation nicht, da erkeinen Fehler am Teil finden konnte.Das Teil ist nach Spezifikation in Ord-nung [1].

� Pending – der Lieferant kann noch kei-ne Stellungnahme abgeben, da er denFehler bzw.den Verursacher noch nichtidentifizieren konnte.

Die kaufmännische Anerkennung ist inder Praxis ebenfalls Bestandteil des Rekla-mationsprozesses. Sie sollte spätestens mitAbschluss der Ursachenanalyse (D4 im8D-Report) erfolgen. Die hierfür definier-ten Status-Codes sind:� True – der Lieferant akzeptiert die mit

der Reklamation verbundenen kauf-männischen Forderungen des Kunden.

� False – der Lieferant akzeptiert nicht diemit der Reklamation verbundenen kauf-männischen Forderungen des Kunden.

Die Reklamation und der 8D-Reportsind als „lebende Dokumente“ anzuse-hen. Beide Dokumente können daherteilweise oder vollständig und zu jederZeit aktualisiert werden. Beide Ge-schäftspartner können grundsätzlich freientscheiden, wie oft eine Reklamationbzw. ein 8D-Report aktualisiert und anden anderen Geschäftspartner über-mittelt wird.

Wird der 8D-Report vom Kunden ak-zeptiert und ist die Reklamation abge-schlossen, so kann der Lieferant davonausgehen, dass der Kunde hiermit auchdie Wirksamkeit des 8D-Reports bestä-tigt. Der Vorgang der Reklamation kannsomit auch auf Seiten des Lieferanten ab-geschlossen werden. Das bedeutet aberauch, dass der Kunde eine Reklamationnicht mehr reaktivieren kann und im Fal-le von Wiederholfehlern eine neue Rekla-mation erstellen muss.

Die dadurch realisierte Integration derGeschäftspartner (Lieferant bzw. Kunde)in den eigenen Reklamationsprozess op-timiert die Effizienz der Bearbeitung aufbeiden Seiten. Durch die lückenlose, me-dienbruchfreie Dokumentation der Feh-lerbehebung sowie durch die Verringe-rung der Durchlaufzeiten können dasAufkommen von Reklamationen und diedamit verbundenen Kosten deutlich re-duziert werden. �

Quelle1 Westhof, M.: Schadenursache er-

kannt, Kosten gebannt.

QZ 54 (2009) 8, S. 22–24

2 http://webshop.vda.de/qmc/index.php

AutorDipl.-Ing. Hartmut Ide, geb. 1961, ist

für das VDA QMC tätig und u. a. Leiter der

dort eingerichteten QDX-Geschäftsstelle.

Zuvor war er über zwanzig Jahre im Qua-

litätsmanagement der Automobilindustrie

tätig, zuletzt im Pkw-Bereich der Daimler

AG.

KontaktHarmut Ide

T 0711 51867647

[email protected]

www.qm-infocenter.deDiesen Beitrag finden Sie online unter der Dokumentennummer: QZ110133

© Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 54 (2009) 10

N O R M E N

42

� REKLAMATIONSMANAGEMENT MIT QDX

Der Reklamationsprozess wird üblicher-weise durch das Beanstanden einer Ware oder Dienstleistung seitens Kundegegenüber Lieferant initiiert. Juristen spre-chen in einem solchen Fall von der Män-gelrüge. Das Reklamationsmanagementumfasst neben der Kommunikation vonAbweichungen von definierten Forderun-gen auch das Handling beanstandeterWaren und insbesondere die Planung,Durchführung und Überwachung allerMaßnahmen, die ein Lieferant bezüglichder Reklamation ergreift. Die Internatio-nalisierung der Einkaufsaktivitäten undder Produktionsstätten der Automobilin-dustrie erfordert weltweit gleiche Quali-tätsmanagementstandards und -prozes-se. Eine immer engere, partnerschaftliche

Zusammenarbeit zwischen Kunde und Lie-ferant ist eine zwingende Voraussetzungfür die globale Wettbewerbsfähigkeit. DerQDX-Standard bietet die Möglichkeit, Re-klamationsdaten zwischen Geschäftspart-nern auf direktem Weg auszutauschen.

Mängel beanstanden – Informationen austauschen

Layout 1 21.09.2009 14:47 Uhr Seite 42