reise & erlebnis leichtigkeit italienische in 500 fuß der ... · reise & erlebnis 92...

3
Text: Michael Schubert E inmal mit dem UL über die Alpen nach Italien fliegen – diesen Traum trage ich schon seit einer ganze Weile mit mir herum. Damit er endlich in Erfüllung geht, recherchiere ich zuerst in Internet-Foren, dann bestelle ich den Avioportolano, einen UL-Fluggeländeführer, ohne den es nicht geht (siehe Kasten Seite 92). Außerdem besorge ich Jeppesen-Karten von Österreich und Italien sowie Ein- und Ausflugbestimmungen. Dann geht die Planung erst richtig los. Nach einem Monat ist schließlich alles Nö- tige zusammengetragen, und die Route steht fest. Die Navigationspunkte habe ich ins GPS eingegeben, außerdem eine Checkliste für Notverfahren erstellt. An einem Freitagnachmittag mache ich mit meiner Lebensgefährtin und Copilotin Hildegard, die aber keinen Schein hat, am UL-Platz Durrweiler bei Freudenstadt unsere C42 startklar: Scheiben putzen, Tanks füllen, Vorflugcheck – alles okay. Jetzt kann die Reise beginnen. Am nächsten Morgen checke ich im Inter- net nochmals das Wetter für unsere Route: bis zum Abend alles Oskar und Charly, sogar bis nach Süditalien. Also frühstücken wir erstmal, dann geht’s zum Flugplatz. Kurz nach acht Uhr starten wir den Rotax 912. Unser erstes Ziel: Kempten. Nach einer guten Stunde sind wir dort an- gekommen und fassen etwas Benzin nach. Ich verinnerliche mir nochmals die Route: über Reute, den Fernpass, Landeck, dann den Re- schenpass und Meran nach Termon in Nord- italien. Um 10.11 Uhr sind wir wieder in der Luſt und steigen auf knapp 7000 Fuß. Bis zur Zugspitze ist das Wetter noch etwas trüb, doch kurz hinter der österreichischen Grenze klart es ab dem Fernpass auf. Dann geht’s entlang den sonnenbeschiene- nen Berghängen Richtung Süden. Hier und da kreisen Paraglider in der ermik, einige sind sogar über uns unterwegs. 3/2010 www.fliegermagazin.de 89 88 www.fliegermagazin.de 3/2010 REISE & ERLEBNIS Mit dem UL an die Adria In 500 Fuß der Adria- küste folgen, auf Wiesen landen, die mehr Zelt- platz als Flugplatz sind, und ohne Flugleiter in den Sonnenaufgang hinein starten – das ist die ultraleichte Flieger- freiheit in Italien Leichtigkeit Italienische Parkplatz im Grünen: Die C42 vor der Vereins- halle des Aeroclubs von Termon in Südtirol Mittelalterliche Trutzburg mit mediterranem Flair: Castello Scaligero am Südufer des Lago di Garda Fotos: Karl Martin Kienzer, Michael Schubert

Upload: trinhdiep

Post on 14-Aug-2019

215 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Text: Michael Schubert

E inmal mit dem UL über die Alpen nach Italien fliegen – diesen Traum trage ich schon seit einer ganze Weile mit mir

herum. Damit er endlich in Erfüllung geht, recherchiere ich zuerst in Internet-Foren, dann bestelle ich den Avioportolano, einen UL-Fluggeländeführer, ohne den es nicht geht (siehe Kasten Seite 92). Außerdem besorge ich Jeppesen-Karten von Österreich und Italien sowie Ein- und Ausflugbestimmungen. Dann geht die Planung erst richtig los.

Nach einem Monat ist schließlich alles Nö-tige zusammengetragen, und die Route steht fest. Die Navigationspunkte habe ich ins GPS eingegeben, außerdem eine Checkliste für Notverfahren erstellt.

An einem Freitagnachmittag mache ich mit meiner Lebensgefährtin und Copilotin Hildegard, die aber keinen Schein hat, am UL-Platz Durrweiler bei Freudenstadt unsere C42 startklar: Scheiben putzen, Tanks füllen, Vorflugcheck – alles okay. Jetzt kann die Reise beginnen.

Am nächsten Morgen checke ich im Inter-net nochmals das Wetter für unsere Route: bis zum Abend alles Oskar und Charly, sogar bis nach Süditalien. Also frühstücken wir erstmal, dann geht’s zum Flugplatz. Kurz nach acht Uhr starten wir den Rotax 912. Unser erstes Ziel: Kempten.

Nach einer guten Stunde sind wir dort an-gekommen und fassen etwas Benzin nach. Ich verinnerliche mir nochmals die Route: über Reute, den Fernpass, Landeck, dann den Re-schenpass und Meran nach Termon in Nord-italien. Um 10.11 Uhr sind wir wieder in der Luft und steigen auf knapp 7000 Fuß. Bis zur Zugspitze ist das Wetter noch etwas trüb, doch kurz hinter der österreichischen Grenze klart es ab dem Fernpass auf.

Dann geht’s entlang den sonnenbeschiene-nen Berghängen Richtung Süden. Hier und da kreisen Paraglider in der Thermik, einige sind sogar über uns unterwegs.

3/2010 www.fliegermagazin.de 8988 www.fliegermagazin.de 3/2010

■ REISE & ERLEBNIS

Mit dem UL an die Adria

In 500 Fuß der Adria-küste folgen, auf Wiesen landen, die mehr Zelt-platz als Flugplatz sind, und ohne Flugleiter in den Sonnenaufgang hinein starten – das ist die ultraleichte Flieger-freiheit in ItalienLeichtigkeit

Italienische

Parkplatz im Grünen: Die C42 vor der Vereins- halle des Aeroclubs von Termon in Südtirol

Mittelalterliche Trutzburg mit mediterranem Flair: Castello Scaligero am Südufer des Lago di Garda

Foto

s: K

arl M

artin

Kie

nzer

, Mic

hael

Sch

uber

t

3/2010 www.fliegermagazin.de 91

■ REISE & ERLEBNIS

90 www.fliegermagazin.de 3/2010

Foto

s: J

örg

Bod

enbe

nder

, Kar

l Mar

tin K

ienz

er, M

icha

el S

chub

ert

Hurra, wir sind in Italien! Das Ufer des Re-schensees hat sich weit zurückgezogen, der berühmte Kirchturm im Wasser hat heute tro-ckene Füße.

Wir fliegen weiter entlang dem Vinschgau nach Meran, über die Südtiroler Apfelplanta-gen, immer noch auf rund 6500 Fuß.

An der Talbiegung kurz vor Meran wech-seln wir die Seite, um in das nächste, nach Süden führende Tal einzufliegen. Jetzt geht’s in 6000 Fuß über den Gampenjochpass. Dahin-ter ist schon der Santa-Guistino-See in Sicht. Nun heißt es, entlang der rechten Flanke zu sinken.

Das GPS hat uns richtig geführt: Genau vor uns ist ein Windsack zu erkennen. Wir drehen über dem Platz eine große Runde und melden uns an. Die Antwort von dem kleinen UL-Fluggelände Termon kommt prompt, auf Deutsch: »Den Platz mit mindestens 110 bis 120 km/h anfliegen.« Die Piste liegt in stark ansteigendem Gelände, mit immerhin 18 Me-tern Höhenunterschied zwischen den beiden Schwellen – und es gibt keine Durchstart-möglichkeit. Also erstmal Klappen ausfahren, Höhe halten, dann kurz vor dem Aufsetzen et-was Gas rein und bergauf sauber aushungern. Nach einem knapp zweistündigen Flug rollen wir die abschüssige Landebahn hinunter und stellen die C42 auf einer Parkfläche ab. Eine knifflige Landung, aber wir bekommen ein großes Lob dafür, als wir den Rotax ausge-schaltet haben.

Wir werden herzlich empfangen. Gottfried, ein UL-Pilot vom örtlichen Aeroclub, bringt uns zu einer Tankstelle, an der wir unseren Benzinvorrat auffüllen. Nach dem Mittages-sen und einer langen Ruhepause brechen wir nachmittags zum dritten und letzten Abschnitt dieses Tages auf. Zwei Carabineri beobachten interessiert unseren Start – vielleicht würden sie jetzt auch gerne in der Luft patrouillieren.

Nördlich des Gardasees gehen wir auf Rei-seflughöhe, 6000 Fuß. Kurze Zeit später liegt der See direkt vor uns. Wir halten die Höhe

und drehen gleich hinter Riva nach Nordwes-ten, um einen kleinen Abstecher zum Lago di Ledro zu machen. Nach einer Ehrenrunde nehmen wir wieder Kurs auf den Gardasee. Ich nehme etwas Gas raus und wechsle ans östliche Ufer, dort geht’s weiter nach Süden, wir sinken auf 700 Fuß MSL. Jetzt noch etwa 30 Kilometer bis nach Ceresara. Dort überflie-gen wir den Platz dreimal, bis Hildegard ihn sieht. Am späten Nachmittag haben wir unser Ziel erreicht.

Punkt 18 Uhr holt uns Giovanni ab, den wir bei den Vorbereitungen für die Reise am Telefon kennengelernt haben. Wir verstau-en unser UL im Hangar und stürzen uns ins italienische Dolce Vita. Giovanni spricht gut Englisch, die Verständigung ist kein Problem. Auf dem Weg ins Hotel, etwa zwölf Kilometer entfernt, kommen wir an seinem »Häuschen« vorbei – wie er es nennt. Erst halten wir das für einen Scherz, aber sein ferngesteuerter Gara-genöffner überzeugt uns: Das »Häuschen« ist eine Luxus-Villa – mit einer 1000 Meter lan-gen privaten Landebahn. Dann zeigt uns der Hausherr seine »Spielzeuge«, insgesamt sieben Flugzeuge, für jede Gelegenheit eines: Robin, Pitts, Savannah, Cessna 182 und viele mehr stehen in dem Hangar; darüber wohnt Gio-vanni. Wir fahren weiter zum Hotel Paris.

Wie verabredet holt uns Giovanni am nächsten Morgen um acht Uhr vom Hotel ab, den Benzinkanister hat er bereits im Auto. Am Flugplatz angekommen hilft er uns, die Ma-schine startklar zu machen. Der Abschied ist so herzlich wie der Empfang, wir sind über-wältigt von so viel Gastfreundschaft.

Unser neuer Kurs lautet 120 Grad, Richtung Ravenna an der Adria. Nach rund eineinhalb Stunden über dem Po bei Mentua und Ferra-ra ist die Adria in Sicht – und unser nächster Stopp: Der Club »Ali di classe« liegt zweiein-halb Kilometer von der Küste entfernt, südlich von Ravenna. Nach einer kurzen Erfrischung tanken wir auf und fliegen weiter entlang der Kontrollzone Rimini. Eine knappe Stunde

Bergidylle in Blau und Grün: Reschensee mit Blick nach Süden Richtung Vinschgau

Hinflug über den Fernpass: Im Süden erheben sich die Ötztaler AlpenErster Stopp: Flugplatz Kempten-Durach Tiefflug übers Meer: Adriaküste unweit von San MarinoVon oben schwer zu erkennen: UL-Graspiste nahe CeresaraMarkant: Kirchturm im Re schensee

■ REISE & ERLEBNIS

92 www.fliegermagazin.de 3/2010

später landen wir in Senigalia – nur 300 Meter vom Strand entfernt. Dort empfängt uns Gior-gio, der Flugplatzbesitzer.

Nachdem die C42 festgezurrt ist, packt Gi-orgio wie selbstverständlich unser Gepäck in sein Auto und fährt uns zu einem kleinen Hotel direkt am Strand. Mit einigen Verständigungs-problemen – unsere Italienisch-Sprachführer helfen schließlich – erklären wir Giorgio, dass wir hier für zwei Tage pausieren wollen und noch etwas Benzin für die C42 brauchen. Nach dem Check-in im Hotel gibt es nur noch eins: Badesachen aus dem Koffer und ab an den Strand. Den Abend lassen wir mit einem Spaziergang am Meer, italienischer Küche und ein paar Gläschen Wein ausklingen.

Am nächsten Tag gehen wir die zwei Kilo-meter zum Flugplatz, um nach unserem UL zu sehen. Alles in Ordnung. Jetzt ist erstmal Ent-spannung, gutes Essen und Baden angesagt.

Zwei Tage später warten wir vor dem Hotel auf Giorgio, der uns pünktlich um 8.15 Uhr mit einem Kanister Benzin abholt. Am Flug-platz heißt es dann »Arrivederci Giorgio – bis zum nächsten Mal!«

Unser nächstes Ziel ist Valle Gaffaro. Wir fliegen über herrliche Berglandschaften und kilometerweite Strände an der Adria in nörd-liche Richtung. Einfach traumhaft! Valle Gaf-faro ist ein Geheimtipp für Fischspezialitäten.

Weiter geht’s nach Piazola Il Brento, zum Flugplatz »Il Ranch«. Die Verständigung klappt hier problemlos auf Englisch, was die Sache sehr vereinfacht. Der Platz hat viel Ähn-lichkeit mit Tannheim, inklusive LTB, Pool und Fliegerheim – alles sehr familiär.

Hier können wir uns auch über die Wetter-lage in den Alpen für den Rückweg informie-ren. Dabei stellen wir fest, dass wir am nächs-ten Morgen zeitig aufbrechen müssen, da es an den folgenden Tagen unmöglich scheint, den Alpenhauptkamm zu überqueren.

Das Wetter bereitet uns am nächsten Mor-gen Kopfzerbrechen: Am Platz soll es bald regnen, unsere Alpenroute ist nach der Vor-hersage aber erst ab 13 Uhr passierbar. Auf der Strecke in nordwestlicher Richtung gibt es

immerhin bis zu 7000 Fuß hohe Berge. In der Ebene zwischen Bozen und Trento ebenso wie in den Tälern vor Termon sind Windstärken bis 30 Knoten und Turbulenzen angekündigt.

Die Wetterlage zwingt uns, schnell in die Luft zu gehen, um nicht doch für Tage hier festzusitzen. Nach einem etwas verkürzten Check sind wir auch schon auf der Piste, und ich schiebe den Gashebel nach vorn. Drei Mi-nuten später fängt es an zu regnen. Zum Glück fliegen wir am äußersten Rand des Tiefs. Vor uns tauchen die ersten Gipfel auf, wir steigen auf 7000 Fuß. Hier wird es jetzt richtig turbu-lent. Die Nadel des Varios tanzt ständig am Anschlag bei plus und minus fünf Meter pro Sekunde herum.

Nach zwei Stunden über den Alpen landen wir in Kempten. Mit vollen Tanks und vollen Mägen nehmen wir die letzte Etappe nach Durrweiler in Angriff.

Erst dort wird uns bewusst, was für eine atemberaubende Strecke da unter den Flügeln unsrer C 42 vorbeigezogen ist. Wir haben es geschafft, das macht Mut für neue Abenteuer-pläne. ■

Genua Bologna

Florenz

Venedig

Durrweiler

Kempten

EhrwaldPrütz

NaudersGlurnz Meran

Termon

Ceresara

Valle Gaffaro

Ali di Classe

San Marino

Il Ranch

Eckdaten der Reise:■ Gesamtflugzeit: 14 Stunden■ Strecke: rund 1850 Kilometer■ Maximale Flughöhe in Italien: 500 ft GND

von Montag bis Freitag, 1000 ft GND sams-tags und sonntags.

■ Seit dem 28. Oktober 2009 gilt die neue Regelung in Italien für so genannte »er-weiterte ULs«. Solche ULs mit »advanced mode« (ausgestattet mit Funk, Transponder und ELT) sind von der Höhenbeschränkung (siehe oben) befreit und dürfen in CTRs einfliegen. Ohne diese Zusatzausstattung oder mit ausgeschaltetem Funk und Trans-ponder gilt die alte Regelung.

■ Im Radius von drei Kilometern darf nicht über Städten, Badestränden oder Indus-trieanlagen geflogen werden, außerdem Naturschutzgebiete beachten!

■ Wir mussten auf dieser Reise durch Italien weder Landegebühren noch Abstellgebüh-ren bezahlen.

■ Kartenmaterial: Jeppesen VFR+GPS für Österreich und Italien

■ Planungshilfe: Avioportolano, Flugplatz-handbuch für Italien mit über 500 UL-Gelän-den und Flugplätzen mit Navigationshilfen, Pistenausrichtung sowie Anflugkarten und Luftaufnahmen der meisten Plätze. Außer-dem enthalten: Informationen zu Ausflugs-zielen, Unterkünften, Campingplätzen und Restaurants in der Umgebung der Plätze. Ab März 2010 auch in Englisch erhältlich. Preis: 36 Euro zuzüglich Versandkosten, bestellbar über www.avioportolano.it oder http://bancaero.it.

■ Unterkünfte: Übernachtung pro Person in Mittelklassehotels zwischen 50 und 70 Euro, Vergünstigungen gibt’s durch die Vermittlung der Flugplätze (zwischen 25 und 35 Euro pro Person/Nacht). Preisbei-spiel: Hotel Paris in Ceresara 35 Euro pro Person/Übernachtung.

UL-FLIEgEN IN ItaLIEN

Maritimer Treffpunkt: Yachthafen von Ravenna, Adriaküste Seeblick: Ufer des Lago di Garda auf dem Rückflug nach Durrweiler