referentialität in comic-texten am beispiel pronominaler...

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Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium (M. A.) im Fach Germanistische Linguistik Referentialität in Comic-Texten am Beispiel pronominaler Anaphern Berlin, den 26. Oktober 2007 Eingereicht von Axel Herold, geboren am 28. 11. 1978 in Berlin (Matrikelnummer 179 530) Wissenschaftlich betreut durch Prof. Dr. Anke Lüdeling

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Humboldt-Universität zu BerlinPhilosophische Fakultät IIInstitut für deutsche Sprache und Linguistik

Magisterarbeitzur Erlangung des akademischen Grades

Magister Artium (M. A.)im Fach Germanistische Linguistik

Referentialität in Comic-Textenam Beispiel pronominaler Anaphern

Berlin, den 26. Oktober 2007

Eingereicht von Axel Herold,geboren am 28. 11. 1978 in Berlin

(Matrikelnummer 179 530)

Wissenschaftlich betreut durch Prof. Dr. Anke Lüdeling

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Zusammenfassung

Referenzen sind ein wichtiges sprachliches Mittel zur Erzeugung von Kohäsionin Texten und Diskursen. Die Auswahl referenzierender Ausdrücke ist vonverschiedenen sprachlichen und außersprachlichen Kritierien abhängig.

Am Beispiel von Personalpronomen der dritten Person und Demonstrativpro-nomen versuche ich, Präferenzen und Regeln zu formulieren, die die Distributionbeider Pronomenklassen erklären können. Die Arbeit steht in direktem Bezugzu der in Bosch/Rozario/Zhao (2003) formulierten Komplementaritätshypo-these sowie deren späteren Verfeinerungen. Diese Hypothese beschreibt dasDistributionsverhältnis als eine Präferenz von Personalpronomen thematischeReferenten und von Demonstrativpronomen rhematische Referenten. Sie lässtsich durch Comic-Texte jedoch nicht stützen. Das ist möglicherweise auf die un-terschiedliche Verwendung beider Pronomenklassen in konzeptionell mündlicherund schriftlicher Sprache zurückzuführen.

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Inhalt1 Einführung 1

1.1 Linguistische Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.3 Satzkonvention der Korpusbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Theoretische Grundlagen 72.1 Referentialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2 Pronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.2.1 Semantische und prosodische Wortklassenabgrenzung . 122.2.2 Syntaktische Wortklassenabgrenzung . . . . . . . . . . . 142.2.3 Wortklassenumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.2.4 Eigenschaften von Verweisen durch PROPers3 und PRODem 172.2.5 Pronomendefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.3 Gesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.4 Comics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.4.1 Zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit . . . . . . . . 332.4.2 Comic-Texte als Grundlage linguistischer Arbeit . . . . 37

3 Analyse 403.1 Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403.2 Annotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

3.2.1 Merkmale des Verweiselements . . . . . . . . . . . . . . 423.2.2 Merkmale des Referenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.2.3 Merkmale der Referenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503.3.1 Inventar und Verteilung der Referenzklassen . . . . . . . 503.3.2 Morphologische Merkmale der Pronomen . . . . . . . . 523.3.3 Syntaktische und topologische Position der Pronomen . 563.3.4 Morphologische Merkmale der Antezedenten . . . . . . . 613.3.5 Syntaktische Funktion der Antezedenten . . . . . . . . . 643.3.6 Semantik der Referenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673.3.7 Referenzeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

4 Diskussion 724.1 Bewertung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724.2 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

A Literatur 89

B Daten auf der CD-ROM 92

C Labels 93

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Tabellen1 Flexionsformen der Elemente aus PROPers . . . . . . . . . . . . 162 Flexionsformen der Elemente der der-Reihe aus PRODem . . . . 163 Verhältnis der Textelemente in den Comic-Texten . . . . . . . . 414 Inventar der Klasse PRODem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Verteilung der annotierten Referenzklassen . . . . . . . . . . . 516 Vorkommen von er und der . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Vorkommen von PROPers3 und PRODem in den Comic-Texten . 528 Verteilung von PROPers3 und PRODem nach Numerus und Genus 539 Verteilung von PROPers3 und PRODem nach Kasus . . . . . . . . 5510 Distanz (d) von Antezedens und referierendem Ausdruck . . . . 5511 Verteilung von PROPers3 und PRODem nach topologischer Position 5712 Verteilung von phorischem und deiktischem PRODem nach topo-

logischer Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5813 Verteilung von PROPers3 und PRODem nach syntaktischer Funktion 6014 Verteilung von phorischem und deiktischem PRODem nach syn-

taktischer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6015 Verteilung der Antezedenten nach Kasus . . . . . . . . . . . . . 6216 Vergleich der Verteilung der Antezedenten nach Kasus . . . . . 6317 Verteilung der Antezedenten nach syntaktischer Funktion . . . 6518 Vergleich der Verteilung der Antezedenten nach syntaktischer

Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6719 Vergleich der Verteilung der Antezedenten nach syntaktischer

Funktion unter Einbeziehung von Präpositionalobjekten undPrädikativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

20 Verteilung der Antezedenten nach semantischer Klasse (phori-sche Verweise) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

21 Verteilung der Antezedenten nach semantischer Klasse (deikti-sche Verweise) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

22 Verteilung der Verweisarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7023 Verteilung der Referenzverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . 71

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Abbildungen1 Sprachliche und außersprachliche Faktoren zur Auswahl von

PROPers3/PRODem (vorläufig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Sechs Klassen von Referenzen in Texten und Diskursen . . . . . 103 Textelemente in Comics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Mediale und konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit . . 345 Uneindeutige Gleichzeitigkeit von Äußerungen . . . . . . . . . . 396 Annotierte semantische Klassen und ihre Beziehung untereinander 477 Entfernung d von Antezedens und Pronomen . . . . . . . . . . 738 Satzinterne Verteilung von PROPers3 und PRODem . . . . . . . . 759 Präferenz von PROPers3 und PRODem für die syntaktische Funk-

tion des Antezedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7610 Sprachliche und außersprachliche Faktoren zur Auswahl von

PROPers3/PRODem (überarbeitet) . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

AbkürzungenARTDem demonstrativer ArtikelPG Zeigegeste (pointing gesture)NULL nicht realisiertes PronomenPRODem DemonstrativpronomenPROPers PersonalpronomenPROPers3 Personalpronomen der dritten Person

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1 Einführung1.1 Linguistische FragestellungPronomen sind ein wichtiges sprachliches Mittel, das Verweise auf sprachlicheoder außersprachliche Einheiten ermöglicht. Sie dienen damit der (Wieder-)Aufnahme solcher Einheiten im Text – auch und gerade über Satzgrenzenhinweg. Im allgemeinsten Sinne kann Wiederaufnahme auf allen linguistischenEbenen konstatiert werden: im einfachsten Fall durch bloße Duplizierung linguis-tischen Materials (beispielsweise prosodische Strukturen, syntaktische Muster,Lexik). Neben den beiden genannten Mitteln Verweis und Duplizierung kannbeispielsweise die Ersetzung durch semantisch ähnliche Wörter oder Paraphra-sierung erfolgen. Einen Sonderfall stellen elliptische Konstruktionen dar, beidenen die eigentlich verweisenden Elemente getilgt sind (Linke/Nussbaumer(2000, 307)). In jedem Fall erzeugt die (Wieder-)Aufnahme von sprachlichenoder nichtsprachlichen Einheiten erst einen zusammenhängenden Text.

Ziel dieser Arbeit ist es, den Gebrauch der Demonstrativpronomen (PRODem)und der Personalpronomen der dritten Person (PROPers3) als Verweismittel an-hand von Comic-Texten kontrastiv zu beschreiben. Ich nehme an, dass Elementebeider Klassen sowohl deiktisch (in den außersprachlichen Kontext verweisend)als auch phorisch (in den sprachlichen Kontext verweisend) verwendet werdenkönnen:

(1) (a) Hans trifft Paul und gibt{

ihmdem

}sein Buch zurück.

(b) Wer war das?{

ErDer

}! (Identifikation durch Zeigegeste)

Trotzdem kann nicht angenommen werden, dass beide Klassen in freier Variationauftreten (Beispiel nach Bosch/Rozario/Zhao (2003)):

(2) Paul1 wollte mit Peter2 laufen gehen. Aber{

er1/2der2

}wurde krank.

In (2) wird deutlich, dass er sowohl auf Peter als auch auf Paul referierenkann. Im Gegensatz dazu kann der nur auf Paul referieren. Er und der sind imzweiten Satz nicht gegeneinander austauschbar, ohne die Referenz des jeweiligenPronomens zu verändern. Allerdings kann durch Hinzunahme eines größerenKontextes gezeigt werden, dass eine Referenz von der auf Peter nicht prinzipiellausgeschlossen ist:

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1 Einführung 2

(2)′ (Wieso läuft Paul denn mit Maria?)

Peter wollte mit Paul laufen gehen, aber{

er1/2der1/2

}wurde krank.

Hier bewirkt die zusätzlich vorhandene kontrastive Prosodie (Peter und nichtMaria) einer Blockade der Referenz der–Peter entgegen (hierzu cf. vor allemAbschnitt 4).

In Bosch/Katz/Umbach (2007) werden eine Reihe von Faktoren genannt,die möglicherweise zur Erklärung der Wahl zwischen PRODem und PROPers3herangezogen werden können:

• PROPers3 bevorzugt Topik-Elemente (thematische Elemente), PRODemdagegen Nicht-Topik-Elemente (rhematische Elemente) (»Komplementa-ritätshypothese« nach Bosch/Rozario/Zhao (2003)).

• PROPers3 bevorzugt Subjekte als Antezedens, PRODem dagegen Objekte.Dieses Verhalten diente Bosch/Rozario/Zhao (2003) als Heuristik fürThematizität (Thematizität, cf. Abschnitt 2.2.4).

• PRODem weist eine klare Tendenz zur Positionierung vor dem finiten Verbauf während PROPers3 topologisch keine ausgeprägte Präferenz zeigt.

Alle Punkte stellen dabei wahrscheinlich keine unabhängigen Faktoren dar.Insbesondere die Komplementaritätshypothese untermauern Bosch/Rozario/Zhao (2003) und Bosch/Katz/Umbach (2007) anhand eines Zeitungskorpus undmit Hilfe psycholinguistischer Experimente. In ihrer Analyse zur Verwendungvon PROPers3 und PRODem kommt bereits Bethke (1990, 272 f.) zu einemähnlichen Schluss: Die durch PROPers3 erzeugte Referenz ist »unauffällig (undthematisch)«, die durch PRODem erzeugte ist »auffällig (und rhematisch)«.

Ein weiterer in Grammatiken des Deutschen oft genannter Erklärungsansatzist pragmatischer Natur. PRODem wird im Gegensatz zu PROPers3 als »umgangs-sprachlich« bevorzugt gesehen. Einige Autoren behaupten auch eine Abwertungdes Referenten durch die Verwendung von PRODem, zumindest unter bestimm-ten kontextuellen Bedingungen (so beispielsweise Klosa/Scholze-Stubenrecht/Wermke (1998) und Zifonun et al. (1997)).

Howe (1996, 7) beobachtet zudem, dass PROPers3 in der Regel unbetont auf-tritt, PRODem dagegen einen prominenteren Akzent aufweist. Diese prosodischeDifferenzierung kann an schriftsprachlichen Texten verständlicherweise nichtuntersucht werden.Die wichtigsten in der Literatur genannten Faktoren zur Auswahl von

PROPers3 und PRODem sind in Abbildung 1 noch einmal zusammengefasst.

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1 Einführung 3

prosodische Einbettung

(repäsentiert durch

Informationsstruktur

Einbettung des Referenten)

?

pragmatische Faktoren Semantik des Referenten

PRODem

PROPers3Auswahl

syntaktische Einbettung

Abbildung 1: Sprachliche und außersprachliche Faktoren zur Auswahl von PROPers3/PRODem (vorläufig)

Das dargestellte Modell ist produktionsspezifisch. Sowohl sprachliche als auchaußersprachliche Faktoren wirken bei der Besetzung eines referierenden Aus-drucks durch ein Pronomen zusammen. Als wichtigsten sprachlichen Faktornehme ich die Informationsstruktur des sprachlichen Kontexts an, die im we-sentlichen aus syntaktischen und prosodischen Spezifika rekonstruiert werdenkann. Außersprachliche Faktoren stellen die semantische Klasse des Referentensowie durch die Auswahl beabsichtigte pragmatische Wirkungen dar.

Ein offensichtliches Desideratum für die Evaluierung der Komplementaritäts-hypothese, aber auch für syntaktische Präferenzunterschiede zwischen PROPers3und PRODem ist die Überprüfung an spontanen Diskursen. Die Untersuchungvon Comic-Texten stellt zumindest einen Schritt in diese Richtung dar.

Comic-Texte sind multimodale Daten, die Probleme bei der Abgrenzung vonanderen Textsorten provozieren. Sie weisen gleichzeitig Merkmale von (schriftli-chen) Texten und (mündlichen) Diskursen auf. Jede Analyse dieser Daten mussdaher diese Charakteristik beachten, wenn die Ergebnisse zu anderen Arbeitenin Bezug gesetzt werden sollen. Allerdings liegen zur kontrastiven Analysedes Pronomengebrauchs zwischen gesprochener und geschriebener Sprachemeines Wissens bisher keine verlässlichen Studien vor. Bosch/Katz/Umbach(2007) beschreiben zwar einen korpusbasierten Vergleich für das Deutsche, bei

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1 Einführung 4

dem die oft angenommene Präferenz für Demonstrativpronomen in der ge-sprochenen Sprache sehr deutlich wird. Für anaphorisch gebrauchte maskulinePronomen finden sie im Verbmobil-Korpus ungefähr zu 80% Elemente derKlasse PRODem und im NEGRA-Korpus (Zeitungstexte) dagegen nur zu 7%.Gleichzeitig müssen sie jedoch einräumen, dass der Unterschied möglicherwei-se auf Genre-Unterschieden beruht (Terminabsprachen versus journalistischeTextsorten).

Der oft postulierte Zusammenhang von PRODem und Zeigegesten soll fürdie vorliegenden Comic-Texte ebenfalls untersucht werden. Es soll aufgezeigtwerden, in welchem Umfang Zeigegesten auftreten und welchen Beitrag zurReferenzspezifizierung von Pronomen sie leisten.

Zunächst wird die in Bosch/Rozario/Zhao (2003) formulierte Komplementa-ritätshypothese zur Referenz von PROPers3 und PRODem anhand von Comic-Texten überprüft. Das Hauptaugenmerk liegt bei der Analyse auf den dort undin Bosch/Katz/Umbach (2007) untersuchten Faktoren: syntaktische Funkti-on und topologische Position von Referent beziehungsweise Pronomen. EineReihe weiterer syntaktischer Faktoren wird in der Literatur vorgeschlagen,unter anderem die Distanz zwischen Pronomen und Antezedens in Bezug aufPhrasen – und damit in höherer Genauigkeit als durch das bloße Zählen vonSätzen –, sowie die Tiefe der syntaktischen Einbettung des Antezedens. Mitder als Faktor vorgeschlagenen semantischen Klasse des Antezedens setzt sichebenfalls ein Teil der Analyse auseinander (Bosch/Katz/Umbach (2007)).Die vorliegende Arbeit weist insgesamt einen stark deskriptiven, sprecher-

orientierten Charakter auf. Dadurch unterscheidet sie sich insbesondere vonArbeiten wie Winter (2003), die die konkrete Antezedensbestimmung vonPROPers3 und PRODem problematisiert und damit einen eher hörerorientiertenAnsatz wählt. Winter (2003) widmet sich dabei ebenfalls der Klasse PRODemdes Deutschen und verwendet für ihre Analyse die Centering-Theorie (Grosz/Joshi/Weinstein (1995)).

Walker/Joshi/Prince (1998, 10) weisen darauf hin, dass die Centering-Theorieauf konstruierte Beispiele gut anwendbar ist, dass jedoch »issues arise as soon asone attempts do develop empirical support for the theory through corpus basedor experimental research«. Der wichtigste Problemkomplex, den sie identifizie-ren, ist die Notwendigkeit, Äußerungen im Diskurs klar zu separieren, denndie Grundeinheit der Centering-Theorie ist die Äußerung. NatürlichsprachigeDiskurse weisen jedoch typischerweise eine fragmentierte Syntax auf und sindzudem durch eine Vielzahl elliptischer Konstruktionen gekennzeichnet. DieseCharakteristik weisen auch Comic-Texte auf (cf. Abschnitt 2.4.2). Ein weiteresProblem stellt die Frage dar, wie mit Koordination und Subordination auf

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1 Einführung 5

Satzebene zu verfahren ist. Aus diesen Gründen wird auf die Centering-Theoriein der Analyse nicht zurückgegriffen.

1.2 Aufbau der ArbeitWichtige Voraussetzungen für pronominale Wiederaufnahme – unabhängigdavon, welche Pronomenklasse für die Realisierung gewählt wird – sind das Vor-handensein eines Referenten, auf den verwiesen werden kann und die Referenzi-dentität zwischen dem Referenten und dem Pronomen (cf. Heidolph et al. (1984)645; diese Darstellung ist jedoch nicht unumstritten). Beide müssen auf dassel-be Objekt oder denselben Sachverhalt verweisen. In der vorliegenden Arbeitwird jeder Verweis auf sprachliche und außersprachliche Einheiten als Referenzbezeichnet. Es werden zwei Referenztypen unterschieden: deiktische Referenzist der Verweis auf außersprachliche und phorische Referenz der Verweis aufsprachliche Einheiten. Eine eingehendere Diskussion folgt in Abschnitt 2.1.Wesen, Form und Funktion von Pronomen werden in Abschnitt 2.2 aus

verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Dabei konzentriere ich mich vor allemauf die Klassen PROPers3 und PRODem. Dort werden auch Möglichkeiten zurAbgrenzung der Pronomenklassen voneinander sowie gegenüber anderen Wort-klassen diskutiert. Schließlich wird eine eigene Pronomendefinition entwickelt,die der weiteren Arbeit zugrundegelegt wird.In Abschnitt 2.3 werden gestische Symbole (Zeigegesten) beschrieben, die

die Identifizierung von Referenten im außersprachlichen Kontext unterstützenoder sogar erst ermöglichen.Anschließend erfolgt eine kurze Analyse und Definition der »Textsorte«

Comic. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Einordnung im Spannungsfeldzwischen Texten und Diskursen anhand des Modells konzeptioneller Mündlich-keit/Schriftlichkeit (Abschnitt 2.4).Die Distribution von PRODem und PROPers3 wird unter syntaktischen, to-

pologischen, morphologischen und semantischen Gesichtspunkten untersucht.Abschnitt 3 stellt die Ergebnisse dieser Analyse vor. Es werden zum Teildeutliche Abweichungen von den Daten von Bosch/Rozario/Zhao (2003) bezie-hungsweise Bosch/Katz/Umbach (2007) in den Comic-Texten nachgewiesen.Die Diskussion und theoretische Einordnung der Ergebnisse erfolgt schließlichin Abschnitt 4.

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1 Einführung 6

1.3 Satzkonvention der KorpusbeispieleAls linguistische Beipiele – insbesondere zur Illustration von Annotationspro-blemen – habe ich weitgehend auf die analysierten Comic-Texte zurückgegriffen.Auf konstruierte Beispiele habe ich so weit wie möglich verzichtet. Die Comic-Beispiele sind wie folgt gesetzt:

(3) [NL3:13] Aber ich will nicht sterben ! Ich will toasten ! ——Es ist keine Zeit zum Toasten ! Geben Sie das Ding her !

In eckigen Klammern vor dem Beleg steht die Quellenangabe (cf. Abschnitt 2.4).Das Zeichen »——« deutet einen Sprecherwechsel an. Typographische Aus-zeichnungen in den Originaltexten (Fettdruck, Schriftgrößenwechsel und soweiter) sind ohne Unterschied wortweise durch einschließende Unterstriche ge-kennzeichnet. Im folgenden Beispiel ist das Wort »indiskutabel« ausgezeichnet:

(4) [S020610:1] Chef , ich benötige Ihren Rat ! Es geht um das Wort_ indiskutabel _ !

Vollführt ein Sprecher während einer Äußerung zusätzlich eine Zeigegeste, soist diese als »PG« am Anfang der Äußerung notiert:

(5) [M0304:38–39] PG Leute , da gibt es was zu futtern !

Alle übrigen (konstruierten oder zitierten) Beispiele sind in der Schrift desFließtextes gesetzt. Fettdruck verdeutlicht die starke Akzentuierung einesWortes:

(6) Aber der Baum ist grün.

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2 Theoretische Grundlagen 7

2 Theoretische Grundlagen2.1 ReferentialitätTraditionell werden zwei Arten von Verweisen unterschieden: phorische Ver-weise und deiktische Verweise. Beiden Verweisarten gemein ist die (Wieder-)Aufnahme von Referenten aus dem Kontext. Anaphern dienen der Referenzauf sprachlich realisierte Referenten (sprachlicher Kontext) und Deiktika derReferenz auf Elemente der realen oder einer imaginierten Welt (außersprachli-cher Kontext), die nicht bereits sprachlich vorerwähnt wurden. Für Referentenaus dem sprachlichen Kontext wird üblicherweise der Terminus Antezedensverwendet.

Die sprachliche Realisierung von Verweisen erfolgt oft durch Pronomen. DieBeispiele in (7) sollen nicht vollständig alle Möglichkeiten zur Realisierung vonsprachlichen Verweisen illustrieren, sondern im Rahmen dieser Arbeit wichtigeMöglichkeiten darstellen:

(7) (a) Peter sieht Maria. Sie steht auf dem Dach.(b) Peter sieht Paul. Er steht auf dem Dach.(c) Da drüben ist das Bürschchen! Der steht auf dem Dach.(d) Sieh mal – der da! Der steht auf dem Dach. (Zeigegeste auf Person

auf dem Dach)(e) Da steht jemand auf dem Dach.(f) Peter lief auf dem Dach herum. Die Steine knirschten unter seinen

Tritten.

In (7a) dient das Personalpronomen sie der phorischen Referenz auf Maria.Der Verweis auf Peter ist ausgeschlossen, da typischerweise eine morphologi-sche Kongruenz von Pronomen und Antezedens vorliegt. Stehen wie in (7b)mehrere mögliche Antezedenten aufgrund ihrer morphologischen Eigenschaftenzur Verfügung, so ist die Referenz in der Regel nicht eindeutig auflösbar. Erkann in diesem Beispiel sowohl einen Verweis auf Peter als auch auf Paulverweisen. Auf morphologische Kongruenz des Genus kann unter bestimmtenBedingungen verzichtet werden. In Beispiel (7c) wird die GenuseigenschaftNeutrum von Bürschchen durch dessen Sexus-Konnotation (männlich) über-schrieben. Der Verweis erfolgt dabei mit Hilfe des Demonstrativpronomensder. Ein deiktischer Verweis liegt in Beispiel (7d) vor: Das erste Wort derverweist auf eine Person, die nicht im sprachlichen Kontext vorerwähnt ist,sondern durch eine gleichzeitig ausgeführte Zeigegeste identifiziert wird. Daszweite Wort der (im zweiten Satz der Äußerung) stellt dagegen wiederum

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2 Theoretische Grundlagen 8

eine anaphorische Referenz dar (nämlich auf die Nominalphrase der da). Dasist unmittelbar einleuchtend, denn die Identifikation des außersprachlichenReferenten hat ja zum Äußerungszeitpunkt bereits stattgefunden; eine zweiteexplizite Identifikation ist nicht notwendig. Auch andere Pronomen könnenReferenten (wieder-)aufnehmen. Beispielhaft sei auf (7e) verwiesen. Dort dientdas Indefinitpronomen jemand als Verweiselement. Schließlich können nebenPronomen auch Nomen als phorisch referierende Elemente auftreten. So beruhtdie Referenz der Phrase die Steine auf Dach in (7f) darauf, dass zwischen Dachund Stein im gegebenen Kontext eine Kontiguitätsrelation vorliegt. An diesemBeispiel wird deutlich, dass im Zusammenhang mit Referenzauflösungen auchdas Weltwissen eine wichtige Rolle spielen kann. Ohne das Wissen, dass Dächermit (Dach-)Steinen gedeckt werden können, kann die Steine nicht als Referenzauf Dach bestimmt werden.

Die Unterteilung des deiktischen Systems des Deutschen erfolgt – in Traditionvon Bühler – anhand dreier Kategorien: Personen-, Lokal- und Temporaldeixis.Mit Hilfe der personalen Deixis wird auf Diskursteilnehmer referiert. Reprä-sentiert wird diese Klasse durch die Personalpronomen der ersten und zweitenPerson. Lokale Deixis dient der Identifizierung und Benennung von Punktenund Richtungen im Raum. In der Regel wird hierzu auch die Referenz aufObjekte gezählt (so beispielsweise bei Diessel (1999, 36)). Die temporale Deixisschließlich ermöglicht die Referenz auf Zeitpunkte und Zeiträume.Das »Zentrum der in Raum und Zeit situierten Äußerungssituation« ist

die Origo (Eisenberg (2006, 169)). Die Origo entspricht damit dem Nullpunkteines Koordinatensystems, das die Dimensionen Raum und Zeit, aber auchdie Dimension der Kommunikationsrollen aufspannt. Die Interpretation deik-tischer Pronomen kann nur in Relation zur Origo erfolgen. Insbesondere dieVerankerung der Kommunikationsrollen bewirkt eine ständige Verschiebungder Origo in dem Sinne, dass sie für jede Äußerung beim jeweiligen (realen oderimaginierten) Sprecher positioniert wird. Auf diese Weise erhalten Sätze wiedie in (8) ihre kontextabhängige Bedeutung (Eisenberg (2006, 169 f.), cf. auchFricke (2007)). Die Interpretation dieser Sätze hängt davon ab, wer sie wannund wo äußert:

(8) (a) [NL3:19] Ich hab morgen einen langen Arbeitstag vor mir.(b) [M0309:8–9] So , jetzt erkläre mir doch bitte mal , was du hier

zu suchen hast !

In der Literatur werden verschiedentlich Ergänzungen der Dimensionen desdeiktischen Systems diskutiert. Das prominenteste Beispiel, das auch das

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2 Theoretische Grundlagen 9

Deutsche aufweist, ist die soziale Deixis, die als Subkomponente der personalenDeixis verstanden werden kann (beispielsweise bei Levinson, zitiert nach Diessel(1999, 36)). Hierzu zählt die Kodierung der sozialen Relation von Personen:

(9) (a) [NL3:8] Das ist eine lange spannende Geschichte . Wollen Siesie hören ?

(b) [S020923:1] (PG) Mundschenk , öffne er mir eine , nein - zweiDosen Katz-Gourmet !

Sie in Beispiel (9a) drückt eine Relation sozialer Achtung aber auch Distanzdes Sprechers dem Adressaten gegenüber aus. Es entspricht morphologischden Formen des Personalpronomens der dritten Person im Plural. Eine gegen-sätzliche soziale Beziehung liegt in (9b) vor. Hier wird der Adressat durch einPronomen der dritten Person im Singular angesprochen. Dadurch wird dersozial niedrigere Rang des Angesprochenen repräsentiert. In beiden Beispielenwerden typischerweise objektbezügliche Personalpronomen personal, in diesemFall zur Sprecher/Hörer-Identifizierung verwendet. Auf soziale Deixis wird imRahmen der Analyse nicht weiter eingegangen,Das bisher beschriebene Verweissystem wird in Abbildung 2 noch einmal

zusammengefasst. Die Darstellung weicht dabei in zweierlei Hinsicht von einigentraditionellen Einteilungen des deiktischen Systems ab (so zum Beispiel vonEisenberg (2006, 169 f.)). Um die Problemstellung besser verdeutlichen zukönnen, unterscheide ich Lokaldeixis als Verweis auf allgemeine Punkte imRaum (beispielsweise zur Positionsangabe von Objekten) oder auf Richtungenim Raum vom Verweis auf Objekte. Der Begriff Objekt wird dabei im weitestenSinne verstanden als sinnlich wahrnehmbares Element der Welt. Hierbei sindauch Menschen und Tiere eingeschlossen. Die Unterscheidung von lokaler undobjektbezüglicher Deixis ist durch drei Beobachtungen motiviert. Erstens kannauf Punkte im Raum oder auf Richtungen verwiesen werden, ohne dass damitgleichzeitig auf Objekte referiert wird, beziehungsweise ohne dass Punkt oderRichtung durch ein konkretes Objekt spezifiziert werden müssen:

(10) (a) Wir müssen dort hin. (zeigt auf Punkt im Raum)(b) Wir müssen da lang. (zeigt in die Richtung)

Zweitens unterscheiden sich beide Klassen durch die verwendeten Verweisaus-drücke. Lokaldeiktische Verweise werden hauptsächlich durch Lokaladverbienoder Präpositionalphrasen etabliert, objektbezügliche Verweise dagegen haupt-sächlich durch Personalpronomen der dritten Person, Demonstrativpronomenoder Nominalphrasen. Die dritte Beobachtung ist die Feststellung, dass der

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2 Theoretische Grundlagen 10

Nominalphrasen

anaphorisch propositional

(Teil-)Sätze,Propositionen,

Verweis

Diskurs-

(sozial)

personal temporal objektbezüglich

Orte,ObjekteZeiträume

Zeitpunkte,

lokal

wahrnehmbare

(diskursdeiktisch)

Referenten:

sprachlicher Kontext außersprachlicher Kontext

teilnehmer RichtungenHandlungen

Realisierung:PRODem

PROPers3,

(nur Neutrum)PRODem

PROPers3,

PROPers3)(außerPROPers

phrasenPräpositional-Adverbien,

phrasenPräpositional-Adverbien,

NominalphrasenPRODem,PROPers3,

Abbildung 2: Sechs Klassen von Referenzen in Texten und Diskursen

Bezug zur Origo für die lokale, temporale und personale Dimension des Äu-ßerungskontexts zum Teil vielfältige Abstufungen erkennbar machen kann,bei objektbezüglichen Verweisen jedoch nur als binäres Abgrenzungsmerkmalfungiert. Für lokale Verweise beispielsweise können durchaus unterschiedliche»Entfernungen« angenommen werden, die durch Wörter wie dort, nach dreiKilometern, weit weg und so weiter repräsentiert werden. ObjektbezüglicheVerweise enthalten dagegen nur die Information »nicht hier« – also außerhalbder Origo befindlich.

Die zweite Abweichung in Abbildung 2 ist die Tatsache, dass propositionaleVerweise nicht ausschließlich zu den Deiktika gerechnet werden. Traditionell als»Diskursdeiktika« bezeichnet, verweisen sie auf sprachlich realisierte Propositio-nen (Diessel (1999, 100 ff)). Diese Propositionen können folglich oft durch einenAusschnitt des sprachlichen Kontexts exakt beschrieben werden. In diesemSinne wäre eine angemessenere Bezeichnung wohl Diskursphorika. Aber nichtin jedem Fall muss das, worauf ein diskursdeiktisch verwendetes Pronomenverweist, sprachlich realisiert sein. In (11) beobachtet ein Kaufhausdetektiv,wie ein Kunde Waren in seine Jacke steckt und sagt zu diesem:

(11) (a) Das würde ich lieber bleiben lassen.(b) Ich würde es lieber bleiben lassen.

Hier verweisen Das beziehungsweise es ebenfalls »propositional«, jedoch aufeinen Ausschnitt des nichtsprachlichen Kontexts. Eine gleichzeitige sprachliche

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2 Theoretische Grundlagen 11

Realisierung der Proposition ist dabei nicht ausgeschlossen aber auch nichtzwingend notwendig. Die Verwendung des Begriffes der Proposition ist indiesem Zusammenhang allerdings nicht unproblematisch, weil auch er – wie derBegriff Diskursdeixis – üblicherweise auf sprachliche Äußerungen beschränktbleibt.

Die in Abbildung 2 dargestellte Klassifikation der referenzierenden Ausdrückeermöglicht eine deutliche Trennung der einzelnen Klassen anhand zweier Di-mensionen: mögliche Referenten und sprachliche Realisierung des referierendenAusdrucks. Als mögliche sprachliche Realisierungen sind jedoch nur die für dievorliegende Arbeit wesentlichen Möglichkeiten genannt. Phorische Verweisekönnen sowohl durch PROPers3 als auch durch PRODem erfolgen. Das gilt auchfür die Objektdeixis, die außerdem durch Nominalphrasen realisiert werdenkann. Beide Klassen sind Gegenstand der Untersuchung in der vorliegendenArbeit.

Propositionale Verweise (Diskursdeixis) werden nur durch Neutra der Pro-nomen realisiert. Diese Verweise finden nur am Rande der Untersuchung Be-achtung. Die übrigen »klassischen« deiktischen Verweise (Personal-, Lokal-,Temporaldeixis) werden nicht weiter betrachtet, da sie weder durch PROPers3noch durch PRODem realisiert werden können.

2.2 PronomenPronomen werden stets mindestens durch die Fähigkeit zur Ersetzung anderernominaler Elemente des Satzes definiert; sie haben selbst ebenfalls nomina-len Charakter. Als Unterklassen werden traditionell Personal-, Demonstrativ-,Reflexiv-, Possessiv-, Relativ-, Interrogativ- und Indefinitpronomen angenom-men. Die genaue Zuordnung zu den Unterklassen variiert jedoch in den be-trachteten Grammatiken.Die Klasse PROPers wird annähernd einheitlich beschrieben. Zunächst dient

sie der Referenz auf Kommunikationsrollen, übt also unter anderem die per-sonaldeiktische Funktion der Sprecher-Hörer-Distinktion aus. Dabei wird derSprecher durch die erste Person (ich, wir) und der Hörer durch die zweitePerson (du, ihr) bestimmt. Die Kommunikationsrolle des »Besprochenen« wirddurch die dritte Person (er, sie, es; sie) realisiert; diese Referenz kann sowohldeiktisch als auch phorisch sein.Eine Genusunterscheidung findet sich ausschließlich für die Pronomen der

Klasse PROPers3. Das Pronomen es nimmt zusätzlich syntaktische Funktionenwar, beispielsweise die Füllung von Argumentstellen bestimmter Verbklassen(Witterungsverben, Ereignisverben und andere, cf. Beispiel (12)) oder bei

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der Besetzung der Vorfeldposition in Verbzweitstellungssätzen, wenn dieseansonsten unbesetzt bliebe (objektlose Sätze im Passiv oder Kopulasätze ohneSubjekt und andere, cf. Beispiel (13) (Eichler/Büntig (1976, 64), Helbig/Buscha(2001, 239) und andere)).

(12) (a) Im Winter schneit es oft.(b) Dann war es um ihn geschehen.

(13) (a) Es wird jetzt geschlafen.(b) Es ist schon spät.

Derartige Vorkommen von unpersönlichem (fixem, expletiven und Korrelat-es),das heißt: nicht auf ein sprachliches oder außersprachliches Element bezogenemes stellen keine Referenz dar (Heidolph et al. (1984, 282 f.), Zifonun et al. (1997,38)). Sie werden in dieser Arbeit nicht weiter betrachtet.

2.2.1 Semantische und prosodische Wortklassenabgrenzung

In der Grammatikschreibung können zwei grundsätzlich verschiedene Heran-gehensweisen an das Problem der Abgrenzung der Klasse PRODem gegenüberanderen Wortklassen nachgewiesen werden. Das traditionelle Verfahren ist funk-tional semantisch (so zum Beispiel Klosa/Scholze-Stubenrecht/Wermke (1998))oder prosodisch (so zum Beispiel Eichler/Büntig (1976)) motiviert. NeuereAbgrenzungsmethoden orientieren sich ausschließlich an der syntaktischenEinbettung der Pronomen und ermöglichen dadurch eine leicht operationali-sierbare Abgrenzung von PRODem und den Artikelwörtern (so zum Beispiel beiHelbig/Buscha (2001), Engel (1991) und Eisenberg (2006)).Das Abgrenzungsproblem zur Klasse der Artikelwörter wird in Beispielen

wie (14) deutlich:

(14) (a) Dort steht ein Baum.{

DerDieser

}steht schief.

(b){

DerDieser

}Baum steht schief.

In (14a) tritt das Demonstrativpronomen der beziehungsweise dieser auf, dasauch von allen Definitionen als solches erkannt wird. Die Analyseergebnisseunterscheiden sich jedoch hinsichtlich des Wortes der beziehungsweise dieserin (14b). Nach rein syntaktischen Definitionen ist dieses Vorkommen keinDemonstrativpronomen, sondern ein Artikelwort.

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Der semantische Aspekt, der die Klasse PRODem bei Klosa/Scholze-Stubenrecht/Wermke (1998) bestimmt, ist ihre Fähigkeit, phorische oder deik-tische Verweise »in besonderer Weise«, das heißt: besonders nachdrücklichzu erzeugen. Diese Nachdrücklichkeit kann beispielsweise durch Zeigegestenunterstützt werden. Darauf aufbauend unterscheiden sie »alleinstehende« und»attributive« Vorkommen. Hieraus resultierende Abgrenzungsprobleme vonder Wortklasse Artikel werden durch die Definition einer Klasse von »Artikelnim weiteren Sinne« umgangen. Diese Klasse umfasst neben den eigentlichen Ar-tikeln (bestimmter, unbestimmter und Nullartikel) alle attributiv verwendetenPronomen (Klosa/Scholze-Stubenrecht/Wermke (1998, 326 ff.)). Wörter, die»Artikel im weiteren Sinne« sind, gehören damit zum Teil in zwei Wortklassen –eine schwierige Voraussetzung für eindeutige Wortklassenanalysen.

Eichler/Büntig (1976) verzichten auf ein explizit semantisches Kriterium undgeben die stärkere Betonung der Demonstrativa als Abgrenzungsmöglichkeitzwischen Demonstrativpronomen und Artikel an (so auch Howe (1996)). Dasprosodische Kriterium kann jedoch gerade für Texte im Gegensatz zu Diskursennicht ausreichend operationalisiert werden. Zudem bewirkt die angenommenestärkere Betonung ja gerade eine besondere Nachdrücklichkeit, wie sie Klosa/Scholze-Stubenrecht/Wermke (1998) postulieren und die Eichler/Büntig (1976)ebenso annehmen. Auf der prosodischen Eigenschaft aufbauend nehmen sieschließlich eine Unterscheidung von »ersetzenden« und »adjektivisch gebrauch-ten« Pronomen vor. Ein typisches Resultat des prosodischen Ansatzes zeigtsich in Beispiel (15) nach Howe (1996, 31), der für das Deutsche folgerichtigein Kontinuum zwischen definiten Artikeln (15a) und Demonstrativpronomen(15b) annehmen muss:

(15) (a) Der Baum steht schief.(b) Der Baum steht schief.

Nach Howe (1996) ist sogar generell die »Referenzstärke« von Pronomen vomAkzent abhängig, der auf ihnen liegt – eine These, die wohl nur experimentellzu überprüfen ist. Auch Zifonun et al. (1997, 212 ff.) nehmen an, dass deik-tisch verwendete Pronomen stets prominente Wortakzente tragen, solange ihreUmgebung nicht deakzentuierend wirkt. In diese Gruppe gehören auch alle In-haltswörter. Erhalten Determinative und Pronomen einen solchen prominentenAkzent, so wird dadurch oft eine Gewichtung oder ein Kontrast ausgedrückt.Im Gegensatz hierzu ist das anaphorische, das expletive und das Korrelat-esbeispielsweise im Satz überhaupt nicht akzentuierbar.

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Das geschilderte Problem der unsicheren Wortklassenabgrenzung auf derBasis nicht-syntaktischer Kriterien ist auch Heidolph et al. (1984) bewusst. Aufein distinktives semantisches oder prosodisches Kriterium verzichten sie ganz,nehmen jedoch trotzdem an, dass Pronomen »Element[e] mehrerer Wortklas-sen« sein können (Heidolph et al. (1984, 280)). Pronomen können nach ihrerKlassifikation substantivisch, artikelartig oder adjektivisch auftreten.

2.2.2 Syntaktische Wortklassenabgrenzung

Helbig/Buscha (2001, 209) bestimmen die Wortklasse der Pronomen im Gegen-satz zu den bisher geschilderten Klassifikationen rein syntaktisch, indem sie all-gemein zwischen substantivischen Pronomen und Artikelwörtern unterscheiden.Im Speziellen sehen sie den Unterschied zwischen »substantivischen Demons-trativpronomen« (PRODem) und »demonstrativen Artikelwörtern« (ARTDem).PRODem übernimmt syntaktisch alle Funktionen von Nominalphrasen, ARTDemdagegen kann nur vor einer Nominalphrase auftreten, die dadurch spezifiziertwird. Diese syntaktische Unterscheidung findet sich bereits in Helbig/Buscha(1987). Auch Eisenberg (2006), Engel (1991) und Zifonun et al. (1997) folgendieser Einteilung.Als Abgrenzungskriterium zwischen den Klassen PROPers3 und PRODem

benennen Helbig/Buscha (2001) den »Hinweischarakter« der Demonstrativpro-nomen. Sie sehen dagegen keinen semantischen Unterschied im Sinne einer be-sonderen Nachdrücklichkeit zwischen den homomorphen Elementen der KlassenARTDem und PRODem, wie er in den traditionellen Grammatiken angenommenwird.

Die Tragweite des syntaktischen Kriteriums verdeutlicht Eisenberg (2006)an Beispielen wie (16): Pronomen können allein – wie alle anderen nominalenElemente – im Satz die Funktion des Subjekts, des Objekts, eines Attributsoder des Kerns einer Präpositionalgruppe übernehmen (Eisenberg (2006, 167)).

(16) Ihr Freund ist verreist, meiner nicht.

In (16) ist nur meiner ein Pronomen (Possesivpronomen in Subjektposition),ihr hingegen übernimmt syntaktisch die Funktion eines Artikels.Auf der syntaktischen Abgrenzung aufbauend bestimmt Eisenberg (2006)

Unterklassen der Pronomen gemäß ihres Gebrauchs. Er unterscheidet zunächstselbständigen von unselbständigem Gebrauch.Selbständiger Gebrauch zeigt sich bei Pronomen, für die kein Nomen im

sprachlichen Kontext existiert. Solche Pronomen können nur durch deiktischen

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2 Theoretische Grundlagen 15

Bezug auf Gegenstände oder Situationen des außersprachlichen Kontextesaufgelöst werden. Als prototypische Elemente dieser Klasse erscheinen diePersonalpronomen (Personaldeixis).Unselbständiger Gebrauch eines Pronomens setzt den phorischen Bezug

auf ein anderes Nominal des sprachlichen Kontextes voraus (Eisenberg (2006,167 ff.)).

Auch Engel (1991) folgt einer syntaktischen Wortklasseneinteilung. Er nutztein streng distributionelles Verfahren, bei dem er von Wortstämmen ausgeht.Auf diese Weise werden Flexionsaffixe als Teil der Wortumgebung gewertet(Engel (1991, 17 f.)). Demonstrative Elemente finden sich in zwei Klassen:Pronomen und Determinative. Pronomen »haben . . . die gleiche Distributionwie die Nominalphrase«; sie können diese im Satz substituieren (autonome Ele-mente). Determinative sind dagegen bloße »Begleiter des Nomens« (attributiveElemente). Die Beschränkung auf Wortstämme bei der Wortklassenabgrenzungermöglicht dabei die Feststellung, dass pronominale Elemente semantisch leersind. Sie verweisen direkt oder indirekt auf andere – semantisch determinierte –Elemente des Textes oder auf Elemente der außersprachlichen Welt (Engel(1991, 80 ff.)).

Im Gegensatz dazu nehmen Helbig/Buscha (2001, 230) und andere durchausfür einige Elemente der Klasse PRODem eine »konkretisierende Nebenbedeu-tung« und damit einen gewissen semantischen Gehalt an. So drücken dieser undjener allgemein die relative Nähe beziehungsweise Ferne (nicht ausschließlichlokal) ihrer Referenten zum Sprecher aus.

Auch die Stärke des »Hinweischarakters« variiert nach Helbig/Buscha (2001)zwischen den Elementen der Klasse PRODem und ist damit wortspezifisch. Soist beispielsweise »derjenige ein nachdrücklicherer Hinweis als der«. MeinerMeinung nach bleibt jedoch zu zeigen, dass dieser Unterschied inhärent wortse-mantisch ist und welchen Einfluss die Prosodie auf die Hinweisstärke hat. Nachmeiner Einschätzung trägt derjenige zumindest bevorzugt einen Hauptakzentdes Satzes, der ebenfalls Grund für Nachdrücklichkeit ist (Howe (1996, 31)).Einen Grenzfall in der Wortklassenabgrenzung zwischen ARTDem und

PRODem, der auch von syntaktischen Klassifikationen nicht ohne weiteresgeklärt werden kann, geben Bosch/Katz/Umbach (2007) an:

(17) Die Gelder sollen nicht aus dem Etat des Umweltministeriums, son-dern aus dem des Entwicklungsministeriums fließen.

Mit Beispiel (17) verdeutlichen sie die Möglichkeit, dass es sich bei dem (desEntwicklungsministeriums) um eine elliptische Nominalphrase handeln könnte,

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1. Person 2. Person 3. Person (=PROPers3)Sg. Pl. Sg. Pl. Sg. Pl.

Nominativ ich wir du ihr er sie es sieAkkusativ mich uns dich euch ihn sie es sieDativ mir uns dir euch ihm ihr ihm ihnenGenitiv meiner unser deiner euer seiner ihrer seiner ihrer

Tabelle 1: Flexionsformen der Elemente aus PROPers

Mask., Sg. Fem., Sg. Neut., Sg. Pl.Nominativ der die das dieAkkusativ den die das dieDativ dem der dem denenGenitiv dessen deren dessen deren/derer

Tabelle 2: Flexionsformen der Elemente der der -Reihe aus PRODem

die ursprünglich dem Etat des Entwicklungsministeriums lautete. Diese Mög-lichkeit schließen sie jedoch zu Recht aus. Wird (17) in den Plural gesetzt, sokann der Satz nur lauten:

(17)′ Die Gelder sollen nicht aus den Etats des Umweltministeriums, son-dern aus denen des Entwicklungsministeriums fließen.

Das Wort denen tritt jedoch im Flexionsparadigma des definiten Artikels nichtauf, folglich handelt es sich in der Tat nicht um eine elliptische Nominalphrase,sondern ein Element von PRODem.

2.2.3 Wortklassenumfang

Den Umfang der gesamten Wortklasse der Pronomen geben Klosa/Scholze-Stubenrecht/Wermke (1998) mit ungefähr 100 Elementen an. Sie charakte-risieren die gesamte Klasse als abgeschlossen. Diese Feststellung ist sowohlfür PROPers (und damit ebenso für die Unterklasse PROPers3) als auch fürPRODem unbestritten. Die Flexionsformen der Elemente beider Klassen lassensich folglich tabellarisch angeben (cf. Tabelle 1 für die Klasse PROPers sowie Ta-belle 2 für die der-Reihe der Klasse PRODem). Im Genitiv und im Dativ Pluralweicht die Flexion des Demonstrativpronomens der von der des gleichnamigenArtikelworts ab. Diese Formen sind in der Tabelle hervorgehoben.

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2 Theoretische Grundlagen 17

Diese relativ genaue Abschätzung darf dabei jedoch nicht darüber hinweg-täuschen, dass über das Inventar der Klasse PRODem keine definitive Einigkeitbesteht. Während alle gesichteten Grammatiken des Deutschen zumindest dieder-, dieser-, und jener-Reihe anführen – mit Ausnahme von Zifonun et al.(1997) und Engel (1991), die PRODem explizit auf die der- und die dieser-Reihebeschränken –, sind andere Klassenelemente teilweise bedenklich.So erscheint mir die Aufnahme von selbst/selber bei Klosa/Scholze-

Stubenrecht/Wermke (1998) nur schwer zu rechtfertigen. Im Gegensatz zuallen anderen Pronomen flektieren beide Wörter nicht und sie treten syn-taktisch in der Regel als nachgestellte Apposition auf – unter anderem nachPronomen verschiedener Unterklassen. Im Gegensatz zu anderen Elementen ausPRODem kann selbst nicht frei verweisen sondern ist auf Referenten innerhalbdes Satzes angewiesen (syntaktisch gebunden, cf. Abschnitt 2.2.4).

Helbig/Buscha (2001, 229 f.) wiederum integrieren ein solcher und – wenigs-tens implizit mit einem Hinweis auf die Möglichkeit der Ersetzung von einsolcher – so etwas in die Klasse PRODem. Beide Formen scheinen mir jedochsystematisch eher Ähnlichkeit anstelle von Referenzidentität auszudrücken. DieAnnahme analytischer Wortformen ist sprachsystematisch ebenfalls schwer zumotivieren. Zudem durchbricht zumindest ein solcher ganz offensichtlich dassyntaktische Kriterium.

2.2.4 Eigenschaften von Verweisen durch PROPers3 und PRODem

Gebundene Pronomen Anaphorische Pronomen können innerhalb der syn-taktischen Struktur eines Satzes frei oder gebunden vorkommen. Das trifft vorallem auf PROPers3 zu. Es lassen sich jedoch auch (wenige) Fälle aufzeigen, indenen ein Element aus PRODem gebunden auftritt (cf. (18c)). Als gebundeneVorkommen betrachte ich die markierten Pronomen:

(18) (a) [S021129:1] Jeder hat Dinge erlebt , die ihn geprägt haben !(b) [M0311:18–19] Mr Califax sieht aus , als ob er eine anständige

Mahlzeit zu schätzen wüsste .(c) [M0304:36–37] . . . aber ich kann Ihre kapitalistischen

Ausbeutermethoden nicht akzeptieren ! ——Ach wirklich ? . . . Na , dann frag doch mal die vielenArbeitslosen da draußen , was die von meinen Methoden halten !

Diesen Sätzen ist gemeinsam, dass sie in der syntaktischen Struktur der je-weiligen Sätze von ihrem Antezedens c-kommandiert werden. In diesem Sinnekönnen sie nicht »frei« referieren. Wenn man annimmt, dass die Auswahl refe-

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rierender Ausdrücke durch die Informationsstruktur des sprachlichen Kontextesbestimmt (oder wenigstens beeinflusst) ist, wird klar, dass gerade die Elementeder Umgebung eines Satzes/einer Äußerung als Referenten auftreten müssen.Nur so können die informationsstrukturellen Bedingungen Einfluss auf denreferierenden Ausdruck erlangen. Aus diesem Grund werden in der Analysegenerell satzinterne Referenzen nicht weiter betrachtet.

Semantische Restriktionen Es existieren einige formale Restriktionen, diedie Distribution von PROPers3 und PRODem beeinflussen können. So zeigenHelbig/Buscha (2001, 227) beispielsweise, dass die semantische Eigenschaft[-menschlich] des Antezedens eine Referenz mit genitiv-markierten Elementenaus PROPers3 ausschließt.

(19) (a) Ich bedarf des Dolmetschers nicht. −→ Ich bedarf{

seinerdessen

}nicht.

(b) Ich bedarf des Geldes nicht. −→ Ich bedarf{

*seinerdessen

}nicht.

Einen Grenzfall stellen hierbei meiner Ansicht nach Antezedenten mit derEigenschaft [-menschlich] aber [+belebt] dar:

(20) (a) Der Hamster ist tot. Ich gedenke{

seiner?dessen

}nicht.

(b) Die Kuh hat ein Kalb bekommen. Wir bedürfen{

?seinerdessen

}nicht.

Während Haustieren (zum Beispiel Hamstern) möglicherweise eher die Eigen-schaft [+menschlich] zugeschrieben wird, passiert das bei typischen Nutztie-ren nicht. Daher erscheint (20a) mit PROPers3 als akzeptabel, während dieAkzeptanz von (20b) mit PROPers3 zumindest zweifelhaft ist. Hier spielen an-thropologische Faktoren eine Rolle, die sich nicht allein linguistisch fassenlassen.

Syntaktische Restriktionen Eine syntaktische Restriktion, die PROPers3 be-trifft, wird in (21) deutlich (ähnlich auch bei Bethke (1990, 115)):

(21) (a) Wo ist das Buch?{

EsDas

}liegt auf dem Tisch.

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2 Theoretische Grundlagen 19

(b) Wo ist das Buch?{

*EsDas

}habe ich auf den Tisch gelegt.

(c) Wo ist das Buch? Ich habe{

esdas

}auf den Tisch gelegt.

(d) Peter wollte anrufen.{

*EsDas

}hat er versprochen.

(e) Peter wollte anrufen. Er hat{

esdas

}versprochen.

Es kann offensichtlich nicht die Vorfeldposition eines Satzes besetzen, wennes das morphologische Merkmal Akkusativ trägt, wie das in (21b) und (21d)der Fall ist. Die Besetzung einer Mittelfeldposition wie in (21c) kann dagegendurchaus erfolgen. In (21a) und (21e) trägt es die Kasusmarkierung Nominativ.Eine Vorfeldbesetzung ist damit möglich. Für das Demonstrativpronomen dasexistiert eine solche Beschränkung nicht. Alle Genera sowie der Plural vonPROPers3 sind von dieser Beschränkung betroffen:

(22) (a) Wo ist die Schnur?{

*SieDie

}habe ich auf den Tisch gelegt.

(b) Wo ist der Stift?{

*IhnDen

}habe ich auf den Tisch gelegt.

(c) Wo ist Maria?{

*SieDie

}habe ich auf den Tisch gelegt.

(d) Wo ist Peter?{

*IhnDen

}habe ich auf den Tisch gelegt.

(e) Wo sind die Bücher?{

*SieDie

}habe ich auf den Tisch gelegt.

Die Verwendung in Dativ und Genitiv dagegen steht PROPers3 auch in Vorfeld-position offen:

(23) (a) Was ist mit dem Baum?{

IhmDem

}fehlt ein Ast.

(b) Wer ist Peter?{

IhmDem

}gehört dieses Haus.

(c) Wo ist Peter?{

Seiner?Dessen

}gedenken wir gerade.

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Bethke (1990) weist jedoch darauf hin, dass unter bestimmten Bedingungen(bei kontrastiver Verwendung oder emphatischer Formulierung) auch PROPers3im Akkusativ das Vorfeld besetzen kann:

(24) (a) Sie ist nett, aber ihn kenne ich gar nicht.(b) Dort steht ein Baum. Ihn will ich fällen.

Die übrigen angeführten syntaktischen Beschränkungen für die Verwendung vonPROPers3 sind auf Sätze bezogen, in denen mehrere Objekte durch Pronomenrealisiert sind (Beispiele nach Bethke (1990, 117 ff.)):

(25) . . . , weil der Fotograf die Kamera dem Assistenten gegeben hat.(a) . . . , weil er sie ihm gegeben hat.

(b) *. . . , weil{

erder

} {ihmdem

}sie gegeben hat.

(c) . . . , weil{

erder

} {ihmdem

}die gegeben hat.

Die Autorin stellt dazu fest, dass die Reihenfolge Akkusativobjekt–Dativobjektim Mittelfeld zwingend ist, wenn das Dativobjekt durch PROPers3 realisiertwird.

Unrichtig ist dagegen die in Bethke (1990) behauptete generelle Inakzeptabi-lität von (26):

(26) *. . . , weil er die ihm gegeben hat.

Das lässt sich leicht durch einen entsprechenden Kontext nachweisen:

(26)′ Peter findet seine Kamera bei Hans wieder, weil er die ihm gegebenhat.

Sicherlich spielt bei (26)′ der Umstand eine Rolle, dass die pronominale Wie-deraufnahme genau in der Reihenfolge der Referenten erfolgt. Die in (26)vorliegende prinzipiell bevorzugte Reihenfolge Akkusativobjekt–Dativobjektwird offenbar nicht dadurch verhindert, dass das Akkusativobjekt als PRODemrealisiert ist, wie Bethke (1990) das annimmt.Eine syntaktische Besonderheit des Deutschen (und anderer Topic-Drop-

Sprachen) ist die Tatsache, dass »a sentence-initial pronoun can be dropped ifpragmatic reasoning allows us to pick out a referent« (Wiese/Simon (2002)).Unter bestimmten Bedingungen kann also der Verweisausdruck im Deutschenganz ausgelassen werden:

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(27) Wo sind die Bücher? NULL Liegen auf dem Tisch.

Hier ist im zweiten Satz die Vorfeldposition unbesetzt. Mögliche Rekonstruktio-nen sind zum Beispiel Die Bücher liegen auf dem Tisch oder Sie liegen auf demTisch oder Die liegen auf dem Tisch. Der Grund für diese mögliche Auslassungliegt in der Tatsache, dass insbesondere »[i]m Gesprochenen . . . thematischeSatzglieder in Erstposition häufig weggelassen« werden (Eisenberg (2006, 395)).Die Bedingung der Thematizität erfüllen phorische Pronomen normalerweise,da sie gerade auf vorerwähnte – und damit thematische – Referenten verweisen.Anhand der Thematizität kann das ausgelassene Element rekonstruiert werden(cf. Abschnitt 4).

Weitere Distributions- und Funktionsunterschiede Aussagen über distri-butionelle Unterschiede zwischen PROPers3 und PRODem finden sich in derGrammatikschreibung insgesamt selten. Die wenigen Hinweise sind dabei aufdie Feststellung beschränkt, dass »[d]ie Rückverweisung . . . durch der usw.statt durch das Personalpronomen . . . oft als umgangssprachlich empfunden«werde – mit Ausnahme der Vorkommen im Genitiv (Klosa/Scholze-Stubenrecht/Wermke (1998, 339)).

Einen neueren informationsstrukturellen Unterscheidungsansatz bieten bei-spielsweise Bethke (1990), Zifonun et al. (1997) und Bosch/Rozario/Zhao (2003).Sie versuchen, einen Bezug der Distribution beider Pronomenklassen zur Thema-Rhema-Struktur eines Texts beziehungsweise Diskurses herzustellen. In ihrerursprünglichen Arbeit nutzten Bosch/Rozario/Zhao (2003) zwar das Begriffs-paar Topik–Fokus, in einer späteren Arbeit (Bosch/Umbach (2007)) wirdjedoch darauf hingewiesen, dass mit der Thema-Rhema-Gliederung etwas sehrähnliches gemeint sei. Angesichts der Tatsache, dass nicht genau klar wird,an welchem Topik- beziehungsweise Fokus-Begriff sich Bosch/Rozario/Zhao(2003) orientieren, wird in dieser Arbeit auf die traditionellere Unterscheidungzwischen Thema und Rhema zurückgegriffen:

»Unter einem Thema verstehen wir den kommunikativ konsti-tuierten Gegenstand oder Sachverhalt, über den in einem Diskursoder Text(-abschnitt) fortlaufend etwas gesagt wird.« Zifonun et al.(1997, 509) »Unter einem Rhema verstehen wir das, was an einerbestimmten Stelle von Text oder Diskurs über ein Thema gesagtwird.« Zifonun et al. (1997, 511)

Das Thema ist folglich äußerungsübergreifend, während das Rhema auf einzelneÄußerung beschränkt bleibt. Durch pronominale Verweise kann rhemtische

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Information (wieder-)aufgenommen und dadurch selbst zum Thema werden(Thematisierung, cf. Zifonun et al. (1997, 513 ff.), auch Gansel/Jürgens (2007,42 f.)).

Ein konstantes Thema wird typischerweise durch PROPers3 fortgeführt. DieseFunktion kann jedoch ebenso PRODem übernehmen. Ein funktionaler Unter-schied zwischen beiden Pronomenklassen kommt erst zum Tragen, wenn aufrhematische Information des direkt vorhergehenden Satzes verwiesen wird oderauf Information, die »gerade erst thematisiert« wurde. Diese Fälle gehören zumtypischen Einsatzbereich von PRODem (Zifonun et al. (1997, 509 und 558)).

Die Salienz im Sinne des »Grad[es] der mentalen Wichtigkeit oder Prominenzeines Diskursgegenstandes« (Chiarcos (2003, 53)) ist auf diese Weise eng mitder Thema-Rhema-Struktur verbunden. Thematische Informationseinheitenweisen eine hohe Salienz auf. Sie müssen mental präsent sein, um einen Bezugfür rhematische Einheiten herstellen zu können und einen Anker für phorischeVerweise zu bieten.

Ihren Ausdruck findet die Informationsstruktur eines Diskurses vor allembei der Hervorhebung von Konstituenten. Das kann durch die Stellung im Satzoder durch den Satz- und Wortakzent geschehen, aber auch durch lexikalischeMittel wie Grad- oder Negationspartikel (Zifonun et al. (1997, 218 f.)).

Schließlich sei noch auf zwei pragmatische Distributionsunterschiede verwie-sen. Die Verwendung von PRODem wird – unabhängig vom thematischen Statusdes Antezedens als pejorativ erkannt, »wenn die betreffenden Personen auchangesprochen oder mit Namen genannt werden könnten« (Zifonun et al. (1997,323), ebenso Bethke (1990, 87)). Diese Beobachtung kann durch Beispiele wiein (28) belegt werden:

(28) [M0302:46–47] Aber Mrs. Ferrando! So beruhigen Sie sich doch !... —— PG Aber der hat mich "Verrückte "genannt ! ——Und dafür entschuldigt er sich ! Nicht wahr , Califax ?

Hier verweist der (unterstützt durch eine Zeigegeste) deiktisch auf eine an-wesende Person, die durchaus auch direkt angesprochen werden könnte. Dieaufgebrachte Mrs. Ferrando drückt auf diese Weise ihre Geringschätzung gegen-über Califax aus, von dem sie sich beleidigt fühlt. Dieser Beleg scheint zudemder Festellung von Bethke (1990, 96) zu entsprechen, dass bei »identifizieren-de[r] Erstreferenz« (deiktischer Referenz) diese nur durch PRODem realisiertwerden kann. Ihre Festellung ist jedoch in dieser Pauschalität nicht richtig,denn gerade bei der deiktischen Referenz auf (anwesende) Personen spielen

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Überlegungen zur Höflichkeit der Äußerung eine Rolle, die auch die Wahl vonPROPers3 veranlassen können.Die Elemente von PRODem werden insgesamt gesehen nicht einheitlich ge-

nutzt. Die der-Reihe ist in Alltagsdiskursen »praktisch die einzige autonomeVerweisform«. In Texten überwiegt die diskursdeiktische Funktion von PRODemalle übrigen Verwendungen (Engel (1991, 660 ff.), cf. auch Bethke (1990, 14)).

Modifikation von Verweiseigenschaften Referenzen durch Elemente derKlassen PROPers3 und PRODem sind »eher weniger genau« im Vergleich zu deneindeutigen Referenzen der Personalpronomen der ersten und zweiten Person.In vielen Fällen lässt sich »nicht einmal eindeutig erkennen, welcher Art derVerweisraum sein könnte« (Zifonun et al. (1997, 747 f.)). Derartige Referenzenkönnen durch spezifizierende Erweiterungen deutlicher werden:

(29) Das da hinten ist meins!

In (29) dient da hinten der näheren Bestimmung des Verweisraums.In spontan gesprochener Sprache (cf. Abschnitt 2.4.1) kommt dieses Mit-

tel häufig zum Einsatz. Ich nehme an, dass das auch bei Comic-Texten derFall ist, allerdings in geringerem Maße, da die Bewegungen einer Figur nichtkontinuierlich abgebildet werden, sondern zu einzelnen Zeitpunkten. Dabeiwerden mögliche Gesten, die zeitlich zwischen zwei derartigen Abbildungszeit-punkten liegen, nicht abgebildet (cf. auch »uneindeutige Gleichzeitigkeit« inAbschnitt 2.4.2).

Neben den (lokal-)deiktischen Adverbien wie hier oder da und so weiter treteninsbesondere bei deiktischen Verweisen oft Zeigegesten als Bestimmung oderKonkretisierung des Referenten auf (Eichler/Büntig (1976), cf. Abschnitt 2.3).Prinzipiell können Elemente aus PROPers3 und PRODem jeweils rechtsseitig

ergänzt werden durch die Quantoren alle (bei Pluralvorkommen) und beide(bei Dualvorkommen), durch parenthetische Appositionen, Relativsätze oderPräpositionalphrasen (Zifonun et al. (1997, 37 ff.)):

(30) (a) Dort sind Peter und Maria. [Die beiden] wollen ins Kino.(b) Da sitzt Peter. [Er, freundlich wie immer,] winkt uns zu.(c) Welchen Baum meinst du? [Den, der keine Blätter mehr hat.](d) Welchen Baum meinst du? [Den ohne Blätter ].

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Verweise durch das und es Besonders vielfältig ist die Verwendung derneutralen Demonstrativpronomen das und dies(es). Sie können zum einen alsgenerische »Hinweisgeste« fungieren (Eichler/Büntig (1976, 64 f.)):

(31) (a) Dort steht ein Baum. Das ist ein besonders großer.(b) Dort stehen Bäume. Das sind besonders große.(c) Das ist ein großer Baum. (Zeigegeste auf Baum)(d) Das sind große Bäume. (Zeigegeste auf Bäume)

In (31a) referiert das anaphorisch auf das maskuline Nomen Baum; Genuskon-gruenz liegt offensichtlich nicht vor. Das Beipiel (31b) macht deutlich, dassauch die Numeruskongruenz keine notwendige Bedingung für diese generischeReferenz ist. Schließlich zeigen (31c) und (31d), dass derartige generische Ver-weise auch deiktisch verwendet werden können. Selbst eine Referenzidentitätvon Antezedens und Pronomen muss für neutrale Demonstrativpronomen nichtzwingend vorliegen. In (32) beispielsweise referiert das auf die Mitarbeiterder Firma Blechschmitt. Diese werden jedoch weder im sprachlichen noch imsituativen Kontext erwähnt. Lediglich der Firmenname taucht als Teil desNomens Blechschmitt-Verhandlungen zuvor bereits auf:

(32) [S021022:1] Eventuell schicke ich Sie zu denBlechschmitt-Verhandlungen ! Das sind ziemlich harte Jungs ,die es auch schon mal mit Einschüchterung versuchen . . .

Darüber hinaus können das und dies(es) nicht nur auf nominale Elemente dessprachlichen Kontexts oder auf Elemente der außersprachlichen Realität refe-rieren, sondern auch auf verbale Aussagen oder allgemeiner auf Propositionen(diskursdeiktische Verwendung, Beispiel aus Helbig/Buscha (2001, 230)):

(33) Er wollte kommen.{

Dies(es)Das

}hatte er versprochen.

Die Referenz von das ist nicht auf bestimmte Sätze oder Äußerungen beschränkt,sondern kann praktisch auf beliebige Ausschnitte des vorangegangenen Diskur-ses verweisen:

(34) (a) Das, was ich vorhin erzählt habe, . . .(b) (nach dem Vorlesen eines Märchens:) Keine Angst, das war doch nur

ein Märchen.

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Diese diskursdeiktische Verweisfunktion kann nicht in jedem Fall von es über-nommen werden:

(34)′ (a) *Es, was ich vorhin erzählt habe, . . .(b) (nach dem Vorlesen eines Märchens:) Keine Angst, es war doch nur

ein Märchen.

2.2.5 Pronomendefinition

Eine sehr allgemeine und unkontroverse Definition für die Wortklasse Pronomenlautet zunächst wie folgt:

Pronomen bilden eine Klasse von Wörtern, die Referenzen auf an-dere nominale Elemente, Diskursausschnitte oder außersprachlicheElemente sprachlich abbilden.

Im Rahmen dieser Arbeit folge ich der in Eisenberg (2006), Engel (1991) undHelbig/Buscha (2001) vorgeschlagenen rein syntaktisch motivierten Wortklas-senabgrenzung. Auch Bosch/Rozario/Zhao (2003) und Bosch/Katz/Umbach(2007), auf die weite Teile meiner Arbeit bezogen sind, folgen dieser Einteilung.Insbesondere übernehme ich dabei die Unterscheidung zwischen den KlassenARTDem und PRODem. Dieses Vorgehen erscheint mir sinnvoll, da nur so ein-deutig die Klassenzugehörigkeit entschieden werden kann. Darüber hinaus gibtes auch keine Variation zwischen den Klassen ARTDem und PROPers:

(35) (a) Wer war das?{

DieserARTDem MannDieserPRODem (+Zeigegeste)

}!

(b) Wer war das?{

*Er MannErPROPers (+Zeigegeste)

}!

In (35a) wird die Antwort auf die Frage mit Hilfe eines Nomens (Mann) inKombination mit ARTDem beziehungsweise nur durch PRODem mit deiktischerReferenz gegeben. Diese Alternative existiert nicht für PROPers3, wie (35b)zeigt: Die Referenz ist nur mit dem Personalpronomen (er) grammatisch; esgibt keine Klasse »personaler Artikelwörter«. Die Klasse ARTDem ist für dendirekten Vergleich von Demonstrativ- und Personalpronomen also nicht vonBelang.

Neben der der- und dieser-Reihe gehören zur Klasse PRODem weitere Wörter,zum Beispiel die jener- und die derjenige-Reihe und möglicherweise weite-re, auf die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht weiter eingegangen wird.Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass außer den vier genannten keine

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weiteren Elemente von PRODem in den untersuchten Comic-Texten auftreten(cf. Abschnitt 3.3.1).

Elemente der Klassen PRODem und PROPers3 treten in identischer Form inanderen Klassen auf, insbesondere in ARTDem und in anderen Pronomenklassen.Die im Rest dieses Abschnitts beschriebenen Tests werden angewendet, um zubestimmen, ob ein Wort W Element einer der Klassen PRODem oder PROPers3ist. Die Tests werden anhand der Sätze (36a)–(36g) illustriert.

(36) (a) Hans ist ein Riese. Er ist zwei Meter groß.(b) Ein Baum steht gerade, aber der steht schief (Zeigegeste auf weiteren

Baum).(c) Ein Baum steht gerade, aber dieser Baum steht schief.(d) Hans wäscht sich.(e) Hans liest Bücher seiner Schwester.(f) Hier war so ein Typ, der unbedingt deine Adresse haben wollte!(g) Jeder hat Dinge erlebt, die ihn geprägt haben.

1. W kann durch das Antezedens ersetzt werden, auf das es referiert (even-tuell unter Anpassung der flexionsmorphologischen Merkmale). Der Satzbleibt dabei syntaktisch wohlgeformt (notwendige, aber schwache Bedin-gung, da allen Pronomen eigen). Ist die Referenz nicht eindeutig, mussdieser Test durch alle möglichen Antezedenten erfüllt werden.

(36)′ (a) Hans ist ein Riese. Hans ist zwei Meter groß.(b) Ein Baum steht gerade, aber der Baum steht schief.(c) *Ein Baum steht gerade, aber Baum Baum steht schief.(d) Hans wäscht Hans.(e) *Hans liest Bücher Hans’ Schwester.(f) *Hier war so ein Typ, so ein Typ unbedingt deine Adresse haben

wollte!(g) Jeder hat Dinge erlebt, die jeden geprägt haben.

Der Test verwirft alle artikelartigen Wörter (36c) und attributiv gebrauch-te Possesivpronomen (36e) sowie Relativpronomen (36f).Aufgrund der Anwendung dieses Tests wird eine Regel, durch die explizitattributiver von nicht-attributivem Gebrauch unterschieden wird, nichtbenötigt.

2. W kann durch ein Element der jeweils anderen Klasse (PRODem oderPROPers3) ersetzt werden. Elemente aus PRODem können zudem auch

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durch andere Elemente aus PRODem ersetzt werden. Der Satz bleibt dabeisyntaktisch wohlgeformt; der Referent kann sich allerdings ändern.

(36)′′(a) Hans ist ein Riese. Der ist zwei Meter groß.

(b) Ein Baum steht gerade, aber{

erdieser

}steht schief.

(c) Ein Baum steht gerade, aber{

*er Baumdieser Baum

}steht schief.

(d) Hans wäscht{

ihndiesen

}.

(e) ?Hans liest Bücher dessen Schwester.

(f) Hier war so ein Typ,{

*er*dieser

}unbedingt deine Adresse

wollte.

(g) Jeder hat Dinge erlebt, die{

dendiesen

}geprägt haben.

Dieser Test verwirft wiederum die artikelartigen Wörter (36c) und dieRelativpronomen (36f).Problematisch ist bei diesem Test die weiter oben diskutierte syntak-tische Beschränkung der Vorkommen von PROPers3 in Vorfeldposition.Diese Beschränkung lässt den Test in Fällen, in denen vor der Erset-zung PRODem im Akkusativ an Vorfeldposition auftritt, ungerechtfertigtderartige Vorkommen verwerfen.

3. Die Referenz von W wird durch deiktische Adverbien (zum Beispiel daoder hier) unterstützt, wenn diese W nachgestellt werden.

(36)′′′ (a) Hans ist ein Riese. Er hier ist zwei Meter groß.(b) Ein Baum steht gerade, aber der hier steht schief.(c) *Ein Baum steht gerade, aber dieser hier Baum steht schief.(d) Hans wäscht sich hier.(e) *Hans liest Bücher seiner hier Schwester.(f) Hier war so ein Typ, der hier unbedingt deine Adresse wollte.(g) Jeder hat Dinge erlebt, die ihn hier hier geprägt haben.

Dieser Test zielt allerdings nicht auf syntaktische Wohlgeformtheit. Viel-mehr muss nach dem Einfügen des Adverbs dessen Skopus geprüft werden.

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Der Test akzeptiert einen Satz nur, wenn sich der Skopus auch nach derErsetzung auf W beschränken lässt. Das ist für die Sätze (36c) bis (36g)nicht der Fall. (36c) und (36e) sind sogar ungrammatisch.Problematisch ist die Anwendung dieses Tests auf Beispiele, in denen einPronomen bereits eine Phrase in Apposition aufweist. An dieser Stellesei noch einmal auf die Diskussion um Satz (17) (Seite 15) verwiesen. Beidiesem Beispiel ist nicht klar, an welcher Stelle eine weitere Appositionangefügt werden sollte. Dabei spielt allerdings auch die Tatsache eineRolle, dass es sich bei dem Wort Etat um ein Abstraktum handelt, dasssich schwerlich lokal positionieren lässt. Der analog konstruierte Satz (37)macht deutlich, dass der Test auf semantisch konkrete Antezedenten sehrwohl anwendbar ist:

(37) Du sollst nicht aus der Tasse mit den roten Punkten, sondernaus der mit den grünen Sternen trinken.

(a) Du sollst nicht aus der Tasse mit den roten Punkten, sondernaus der hier mit den grünen Sternen trinken.

(b) Du sollst nicht aus der Tasse mit den roten Punkten, sondernaus der mit den grünen Sternen hier trinken.

Sowohl (37a) als auch (37b) sind akzeptable Sätze. Der Skopus deshinzugefügten Lokaladverbs kann jeweils auf W beschränkt werden.

Durch die drei geschilderten Tests wird allerdings keine komplette Erkennungaller Vorkommen von PRODem und PROPers3 gewährleistet. Der erste Testermittelt zwar alle Pronomen, die im Sinne unserer Pronomendefinition nicht-attributiv auftreten. Er akzeptiert jedoch beispielsweise auch Reflexivpronomen.Der zweite Test reflektiert die prinzipiell gleichartige syntaktische Satzumge-bung, die PROPers3 und PRODem aufnehmen kann. PROPers3 und PRODemähneln einander in dieser Hinsicht weit stärker als beispielsweise PROPers3den übrigen Elementen von PROPers (Bethke (1990, 46)). Dieser Test kannkeine notwendige Bedingung darstellen, da rein syntaktische Beschränkungenfür die Distribution von PROPers3 existieren, die PRODem nicht betreffen. Mitdem dritten Test schließlich werden PRODem und PROPers3 besonders effizienterkannt. Allerdings ist er nur auf semantisch konkrete Antezedenten und damitnicht allgemein anwendbar.Der von Bosch/Katz/Umbach (2007) in der Diskussion um Satz (17) (Sei-

te 15) vorgeschlagene Numeruswechsel wurde von mir nicht als weiterer Testangewendet. Zum einen verlangt ein solcher Test umfangreiche Eingriffe in den

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Originalsatz. So muss neben der finiten Verbform oft auch das Antezedensselbst geändert werden. Zum anderen ist die Analyseleistung, die nicht bereitsvon den anderen Tests erreicht wird, auf einen sehr speziellen Fall beschränkt:die Referenz auf abstrakte Antezedenten, wenn das referierende Demonstrativ-pronomen von einer Apposition begleitet wird und nach dem Numeruswechselkeiner Wortform aus ARTDem entspricht.

2.3 GestenArmstrong/Stroke/Wilcox (1995) beschreiben Gesten als Bewegungen, diedurch gesteuerte Muskelaktivität hervorgerufen werden. Gesten können allge-meinen semiotischen Inhalt transportieren oder – stark konventionalisiert – alslinguistisches Zeicheninventar verwendet werden (Gestensprachen). Nicht alslinguistische Zeichen verwendete Gesten sind »intentional, non-componential,symbolic structures: a single gesture represents a single meaning« (Armstrong/Stroke/Wilcox (1995, 38)). Auch diese Klasse von Gesten tritt teilweise kon-ventionalisiert, aber kulturspezifisch auf (beispielsweise Kopfschütteln als Ver-neinung im Gegensatz zu Nicken als Bestätigung).Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird nur eine genau definierte Unter-

menge nicht-linguistischer Gesten untersucht: die Zeigegesten, die deiktischePronomen begleiten. Mindestens zwei Aspekte, die in der Definition von Arm-strong/Stroke/Wilcox (1995) genannt werden, finden sich in den Zeigegestenwieder. Zunächst handelt es sich dabei um absichtsvolle Gesten. In vielenFällen sind sie das einzige Signal an den Kommunikationspartner, das eineIdentifizierung des intendierten Referenten ermöglicht:

(38) Welchen Baum meinst du? Den dort. (Zeigegeste auf einen Baumaus einer Gruppe von Bäumen)

Das deiktische Verweispronomen reicht in (38) nicht aus, um eindeutig denReferenten zu bezeichnen. Erst in der Kombination mit der Zeigegeste kanndie Referenz aufgelöst werden. Der Verweis durch die Zeigegeste ist sogar alsAntwort eindeutig, wenn keine lautsprachliche Äußerung erfolgt.

Zudem sind Zeigegesten symbolisch in dem Sinne, dass ihre Bedeutung starkkonventionalisiert ist: Die Zeigegeste muss als solche vom Kommunikations-partner erkannt werden, damit sie als bedeutungstragender Bestandteil desDiskurses analysiert werden kann. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dasses sich in jedem Fall um »unteilbare« Gesten handeln muss. Es sind durchausSituationen vorstellbar, in denen Zeigegesten mit anderen Gesten kombiniertauftreten:

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(39) (a) (auf dem Spielplatz:) Welches ist dein Kind? Dieses! (winkt seinemKind zu)

(b) (eine Fahrrad-Hindernisstrecke wird erklärt:) Da fährst du rüber(zeigt auf Wippe), um die schlängelst du dich herum (zeigt mitwellenförmiger Handbewegung auf Pylonenreihe), . . .

In (39a) wird die Zeigegeste mit einer konventionalisierten Begrüßungsgeste(Winken) kombiniert. Die Winkgeste weist allerdings selbst bereits eine Ge-richtetheit auf; insofern besteht auch die Möglichkeit, dass das Beispiel keineKombination, sondern eine Ersetzung der Zeigegeste illustriert. Deutlicher istder Fall in (39b). Hier wird durch die »schlängelnde« Handbewegung die mitdem Fahrrad zu vollführende Bewegung nachgeahmt, während die Richtungder Bewegung auf die Pylonenreihe weist und diese dadurch identifiziert.

Die Gerichtetheit der Zeigegeste ist ein konstituierendes Merkmal derselben.Nach Kendon (2005) sind Zeigegesten dadurch gekennzeichnet, dass der »zei-gende« Körperteil einen bestimmten Weg zurücklegt, der wenigstens zum Endeder Bewegung hin linear verläuft. Dabei ist das Zeigen durch Gesten nicht aufdie Hand beschränkt. Auch Kopf- oder Augenbewegungen können beispielsweisezum Zeigen genutzt werden. Prinzipiell kann jedes Körperteil, das die obenbeschriebene Bewegung vollführen kann, Zeigegesten ausführen. Zeigegestenverweisen auf Objekte oder allgemeiner auf Punkte im Raum sowie auf Rich-tungen (Kendon (2005, 199 f.)). Damit nehmen sie zumeist eine raumdeiktischeFunktion wahr. Meiner Meinung nach können Zeigegesten darüber hinaus auchtemporaldeiktische Funktionen wahrnehmen, wenn ein entsprechender Kontextvorliegt:

(40) Hier sind wir gerade im Urlaub (Zeigegeste auf Urlaubsfoto)

Zeigegesten werden typischerweise durch lokaldeiktische Wörter begleitet (bei-spielsweise Adverben wie hier oder da), wenn sie durch einen ausgestrecktenZeigefinger vollführt werden. Wird die gesamte Handfläche zum Zeigen genutzt,treten deiktische Adverben deutlich seltener auf. Damit einher geht ein funk-tionaler Unterschied: Mit dem Zeigefinger wird bevorzugt auf Objekte, mit derHandfläche dagegen hauptsächlich auf Richtungen verwiesen (Kendon (2005,205 ff.), Fricke (2007)).

2.4 ComicsStrukturell lassen sich Comics am einfachsten beschreiben: Nach Sabin (1993,5 ff.) sind Comics Sequenzen von Bildern die oft mit Text kombiniert werden.

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In der Sequenzialität liegt auch der Ursprung der englischen Bezeichnungcomic strip. Es kann also prinzipiell zwischen zeichnerischen (piktoralen) undtextuellen (linguistischen) Elementen unterschieden werden.Die Grenze zwischen piktoralen und linguistischen Elementen kann aller-

dings nicht immer scharf gezogen werden. Ein wichtiger Grund hierfür ist dienaturgemäß piktorale Darstellung paralinguistischer Elemente wie Mimik undGestik. Ein weiterer wichtiger Grund ist in der Textsortenspezifik zu finden. Soist in der Literaturwissenschaft das Verständnis von Comics als eigenständigesequentielle Kunstform (»sequential art«, Eisner (2006)) etabliert: ». . . theyare a language, with their own grammar, syntax and punctuation. They arenot some hybrid form halfway between ›literature‹ and ›art‹ . . . « (Sabin (1993,9)). Daher ist es bei Comics nicht ungewöhnlich, wenn die Schrift selbst einenpiktoralen Charakter trägt und damit neben ihrer Funktion der Kodierunglinuistischer Information weitere Informationsebenen abbildet.Die Einzelbilder eines Comics werden als Panel bezeichnet. Panels können

sowohl gerahmt als auch frei ineinander übergehend gezeichnet sein. Typischer-weise findet sich jedoch Weißraum (gutter) zwischen den Panels, die dadurchvoneinander abgegrenzt werden. Sowohl piktorale als auch linguistische Ele-mente treten normalerweise innerhalb der Panels auf.

Die wichtigsten linguistischen Elemente sind Sprech- und Gedankenblasen, dielautliche Äußerungen beziehungsweise Gedanken der Protagonisten enthalten,sowie Textblöcke, in denen narrative Information vermittelt wird, die nichtvon einem der Protagonisten geäußert oder gedacht wird (Saraceni (2003,7ff.), Dolle-Weinkauff (1990, 325 ff.)). Eine vierte Gruppe von Textelementenumfasst die paraverbalen Ausdrücke. Mit Krieger (2003, 34 ff.) verstehe ichunter paraverbalen Ausdrücken

1. motorische Äußerungen (Mimik, Gestik, Blickverhalten, . . . )

2. nonverbale lautliche Äußerungen (Lachen, Weinen, Räuspern, . . . )

3. Geräusche, die keine Äußerungen der Protagonisten darstellen (Schussge-räusche, Aufschlaggeräusche, bewegungsnachahmende Ausdrücke, . . . ).

Diese treten in der Regel – aber nicht notwendigerweise – außerhalb von Sprech-oder Gedankenblasen auf (Krieger (2003, 211)). Schließlich kann eine fünfteGruppe von Textelementen identifiziert werden, die im Rahmen dieser Arbeitjedoch keine Beachtung findet: Text auf Gegenständen, der keine narrativeFunktion erfüllt und auch nicht von einer der handelnden Figuren geäußert

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Abbildung 3: Textelemente in Comics. Linkes Panel: narrativer Textblock (oben), Ge-dankenblase (Mitte); mittleres Panel (ohne Rahmen): Sprechblase (ohneBegrenzung); rechtes Panel: Sprechblasen, paraverbales Element (Mitte).(Abbildungen: S021125:1, S021127:1, S021202:1)

wird. Dazu gehören typischerweise Schilder, Bücher oder Zeitungen, die Teilder gezeichneten Szene sind.1Eine Übersicht zu den wichtigsten Textelementen von Comics gibt Abbil-

dung 3.Neben den strukturalistischen Merkmalen existiert eine Reihe produktionsbe-

dingter beziehungsweise medienspezifischer Merkmale, von denen vermutet wer-den muss, dass sie einen Einfluss insbesondere auf die linguistischen Elementevon Comics haben. Zum einen werden viele Comics – vor allem umfangreichereProduktionen – in Team-Arbeit hergestellt. Ideengeber, Zeichner, Texter undFarbgestalter sind häufig verschiedene Personen (Sabin (1993, 6)). In solchenFällen ist daher von einer mehrfachen Überarbeitung auch der linguistischenElemente auszugehen. Zum anderen existieren dramaturgisch bedingte Re-striktionen, die Umfang und Anzahl der Textelemente beschränken: Innerhalbder Panels steht nur ein begrenzter Platz für Textelemente zur Verfügungund Szenen enden bei mehrseitigen Produktionen vorzugsweise am Ende einerDoppelseite und umfassen bei kurzen Strips ohnehin nur wenige Panels. Dialogemüssen daher dem beschränkten Platzangebot angepasst und tendenziell kurzund effizient gestaltet werden.

1Cf. hierzu auch die Beschreibung des BKS-Comic-Korpus (TUSNELDA-Projekt, Tübin-gen), im Internet unter http://tusnelda.sfb.uni-tuebingen.de/TUSNELDA/b8/comics/comicheader.html.

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Im Gegensatz zu den bisher dargestellten formalen strukturellen Eigenschaf-ten von Comics fällt eine inhaltliche Definition deutlich schwerer. DahingehendeVersuche finden sich eher im literaturwissenschaftlichen Umfeld als in der Lin-guistik.Comic-Texte sind nicht zwingend und inhärent »komisch«. Jedes in der

Literatur verhandelbare Thema kann auch in Comics verarbeitet werden –beispielhaft sei »Maus« von Art Spiegelmann erwähnt, das die Lebens- undLeidensgeschichte der Eltern des Protagonisten als Juden im dritten Reichproblematisiert. Auch das Auftreten von menschlich agierenden Tieren oder vonPhantasiewesen ist kein konstituierendes Merkmal, wie sich an vielen Folgender »Strizz«-Reihe von Volker Reiche leicht zeigen lässt.

Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht notwendig, eine endgültige und umfas-sende Comic-Definition anzugeben. Eine Konzentration auf die grundlegendeStruktur und die linguistischen Textelemente erscheint mir ausreichend.

Comics sind Sequenzen von Text-Bild-Kombinationen. Linguisti-sche Elemente sind Äußerungen, Gedanken, narrative Texte, para-verbale Ausdrücke sowie Aufschriften auf Gegenständen.

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Äußerungen und Gedanken der han-delnden Figuren Im Folgenden bezeichne ich mit dem Begriff Comic-Text genaudiese diskursiven Textelemente. Wird zum Vergleich zusätzlich auf narrativeTexteelemente zurückgegriffen, so erwähne ich das explizit.

2.4.1 Zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit

In diesem Abschnitt gehe ich der Frage nach, ob es sich bei Comic-Textenum mündliche oder schriftliche Sprache handelt. Koch/Oesterreicher (1994,587) weisen auf die Unschärfen in der Verwendung des Begriffspaars mündlich/schriftlich hin: Hiermit kann sowohl »das Medium der Realisierung sprachli-cher Äußerungen« oder »die Modalität der Äußerungen sowie die verwendetenVarietäten« gemeint sein. Ersteres entspricht der Unterscheidung zwischen pho-nischer und schriftlicher Äußerungsrealisierung, letzteres dagegen dem Einflusssozialer und kontextueller Bedingungen auf die Äußerung. Eine (sehr grobe)Differenzierung dieser Art ist die Unterscheidung zwischen umgangssprachli-chen Varietäten und der allgemeinen Schriftsprache. Koch/Oesterreicher (1994)bezeichnen die Äußerungsmodalität als Konzeption und stellen fest, dass »dieBegriffe ›mündlich/schriftlich‹ . . . die Endpunkte eines Kontinuums« darstellen(cf. Abbildung 4).

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2 Theoretische Grundlagen 34

konzeptionellmündlich

(ungeplant)

phonisch

graphisch

typische Comic-Diskurstypen

d e

f

g h

i j

k

l m

n o p konzeptionellschriftlich(geplant)a cb

Abbildung 4: Mediale und konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit als Feld nachKoch/Oesterreicher (1994, 588); Textsortenbeispiele aus Geyer (2003, 6):a – Schmerzensäußerung, b – Streit, c –Unterhaltung, d – Chat, e – E-Mail,f – spontane Erzählung, g – Tagebuchnotiz, h – Privatbrief, i – Vorstellungs-gespräch, j – Podiumsdiskussion, k – Zeitungsinterview, l – frei gehalteneRede, m – Vortrag, n – Leitartikel, o – Aufsatz, p – Gesetzestext.

Geyer (2003, 9) bevorzugt die Begriffe geplant und ungeplant anstelle vonkonzeptionell mündlich und konzeptionell schriftlich. Auf diese Weise vermeideter die implizite Erinnerung an die mediale Unterscheidung von Äußerungen.Der inhaltliche Bezug ist dabei gleich. Die Definition erscheint mir für die vorlie-gende Untersuchung prinzipiell als sehr fruchtbar. Comic-Texte stellen geradeden Versuch dar, Dialoge wiederzugeben, die zwar während ihrer Entstehungsehr wohl geplant werden, beim Rezipienten jedoch den Eindruck ungeplanterÄußerungen hinterlassen sollen. Typische Comic-Textsorten entsprechen fol-gerichtig den in Abbildung 4 als phonisch realisiert charakterisierten Typen.In diesem Punkt unterscheiden sich Comic-Texte grundlegend von anderen»(Sprach-)Inszenierungen« wie Film oder Hörspiel, insbesondere auch vonZeichentrickfilmen. Abgesehen von ersten Stummfilmen mit eingeblendetenDialogtafeln wird Sprache dort in der Regel phonisch reproduziert. Theater-stücke, die in schriftlicher Form vorliegen, sind in konzeptioneller Hinsicht wohlComic-Texten am ähnlichsten. Im Gegensatz zu diesen ist bei jenen jedochebenfalls die phonische Realisierung der Texte die Regel.Comic-Texte spielen also offenbar eine interessante Zwitterrolle im Span-

nungsfeld (konzeptioneller) Mündlichkeit–Schriftlichkeit. Diese Positionierungspricht meiner Meinung nach auch dagegen, Comic-Texte als eigene Textsortezu begreifen. Die Unterhaltung von Comic-Protagonisten findet sehr oft in

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privatem Umfeld in der dargestellten fiktionalen Welt statt. Typischerweise sindes befreundete Figuren, die gemeinsame Abenteuer bestehen und dabei mitein-ander reden. Die Darstellung formalerer Situationen ist jedoch gleichzeitig nichtausgeschlossen. So kann ein konzeptionell stark schriftlicher – dabei jedochmedial mündlicher – wissenschaftlicher Vortrag auch von einer Comic-Figurgehalten werden. Ein weiteres Argument, das gegen eine Textsorte »Comic«spricht, ist die Existenz typischer Gebrauchstexte in Form von Comic-Texten.So ist es mittlerweile nicht nur in Japan verbreitet, Gebrauchsanleitungen inForm von Comics zu erstellen.Ein weiteres deutliches Zeichen für die konzeptionelle Mündlichkeit von

Comic-Texten ist neben den bevorzugten (medial mündlichen) Textsorten dieFeststellung, dass viele Charakteristika und Eigenheiten der gesprochenenSprache Eingang in diese Texte finden. So zeichnen sich die untersuchten Textedurch eine große Anzahl orthographischer Zusammenziehungen oder Auslas-sungen aus, die phonologische Reduktionen modellieren, wie sie exemplarischin (41) dargestellt sind:

(41) (a) [S020705:1] Wenn ich Bär und Krokodil eingebe , sieht’s ganzanders aus !

(b) [M0309:40–41] Find schon , dass das ’n Problem is , Joe . Inmeinen Augen isses eins .

(c) [KL2:10] Wir machen Kugelstoßen , du Zwerg , das kannst’enicht !

Auch elliptische Sätze und Satzabbrüche treten häufig auf. Dieser Umstandist ebenfalls auf die Modellierung beziehungsweise Immitation gesprochenerSprache zurückzuführen:

(42) (a) [KL1:3] Ist das sehr weit ? – Na ja , 1000 Trillion(sic!)Lichtjahre

(b) [NL3:4] Sechs mal Pizza . Bitteschön .(c) [KL2:17] Egon ! Wir hab’n noch’n Auspu . . . —— Den bekommt

Schulze , von dem krieg ich nämlich Zement !(d) [S021122:1] Geben Sie mir den Hörer! Auf der Stelle! —— Den?

Öh . . .

Die oben dargestellte Charakteristik konzeptioneller Ungeplantheit von Äuße-rungen ist in Comic-Texten ebenfalls häufig nachweisbar. Es treten beispielswei-se Schmerzensäußerungen, spontane Flüche aber auch Hesitationsäußerungen(beispielsweise hm oder äh) auf:

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(43) (a) [M0311:6–7] Au ! Was soll das ? Nimm deine dreckigen Pfotenweg !

(b) [KL3:16] Verflixt , immer wenn ich am gewinnen bin(c) [S021031:1] Von der ganzen Belegschaft ? Ah . . . Hm . . .(d) [M0302:42–43] Also . . . Äh . . . der Hut ! Ja , der . . . der

wurde mir . . . gestohlen !

Weitere lautsprachliche Besonderheiten sind Silbenduplizierungen (cf. (44a)),in einem Fall auch ein konsequenter phonetischer Fehler in Form von stimm-loser Artikulation sämtlicher Konsonanten (cf. (44b)). In zwei Fällen dienensyntaktische Abweichungen von der Standardsprache der Charakterisierungder sozialen Gruppenzugehörigkeit von Sprechern als ostpreußische Amerika-Einwanderer (cf. (44c)) beziehungsweise als Anghörige der amerikanischenUnterschicht (cf. (44d)):

(44) (a) [M0305:16–17] Aber M-Mr. Brabax sagte mir, da-da-dass Sie ihnmal gerne haben können und, falls Sie noch mehr Informationendazu brauchen, anrufen möchten!

(b) [KL3:23] Was keht ta vor ! Hat sich tenn alles keken unsverschworen ?

(c) [M0301:44–45] Nu , was willst du ? ! Wie ich war beim Metzgerin Hamburg , sag ich ihm , er soll mir geben von dem Fisch .

(d) [M0309:40–41] Gibste ihm eben Kredit . Wie die Bank bei mirgeben tat . Aber gewiss nur gegen beste Sicherheit . Wie ichhatte mein Land als Sicherheit . —— Aber was is , wenn ernu gerade kein Land haben tut ?

Angesichts der Vielzahl der aufgeführten Oberflächenmerkmale konzeptionellungeplanter, mündlicher Sprache, die in Comic-Texten zu finden sind, formuliereich die Hypothese, dass sich auch auf anderen linguistischen Ebenen Unterschie-de zu typischen konzeptionell schriftlichen Texten vorhanden sind. Im Rahmender Analyse untersuche ich insbesondere die syntaktischen, topologischen undinformationsstrukturellen Präferenzen für PROPers3 und PRODem.Eine teilweise vergleichbare Stellung zwischen konzeptioneller Mündlich-

keit/Ungeplantheit und Schriftlichkeit/Geplantheit nimmt beispielsweise dieKommunikation im Chat ein (cf. Hess-Lüttich/Wilde (2003)). Auch dort wirdein konzeptionell typischerweise mündlicher Text in medial schriftlicher Formerzeugt. Dabei sind jedoch die Produktionsbedingungen gänzlich verschiedenvon denen der Comic-Texte, beispielsweise die Beziehung der Kommunikati-

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onspartner untereinander oder die zeitliche Differenz zwischen Produktion undRezeption.

2.4.2 Comic-Texte als Grundlage linguistischer Arbeit

Konzeptionell mündliche Sprache unterscheidet sich in vielen Aspekten vonkonzeptionell schriftlicher Sprache. Miller/Weinert (1998)2 benennen dazu fünfCharakteristika ungeplanter, konzeptionell mündlicher Sprache:

1. Echtzeit-Produktion ohne die Möglichkeit, bereits Geäußertes nachträg-lich zu ändern

2. unterliegt Beschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses

3. typischerweise Face-to-Face-Kommunikation

4. kodiert prosodische Informationen

5. durch Mimik und Gestik unterstützt

Daraus leiten sie eine Reihe von Folgerungen ab, die konkrete Unterschiedekonzeptionell mündlicher im Vergleich zu konzeptionell schriftlicher Sprachedarstellen:

• Sätze/Phrasen enthalten nur kleine Informationseinheiten

• Sätze/Phrasen sind weniger komplex

• lexikalisches Inventar ist weniger umfangreich

• die Syntax ist fragmentiert (Diskurse sind nicht unbedingt Folgen vonSätzen im Sinne syntaktischer Theorien.)

• Kodierung von Satz- und Phrasenbeziehungen erfolgt hauptsächlich(diskurs-)deiktisch

• bestimmte syntaktische Konstruktionen finden sich nicht in konzeptionellschriftlicher Sprache wieder (und umgekehrt)

Allein die Feststellung, dass sich geplante und ungeplante Sprache in vielenAspekten grundlegend unterscheiden, lässt ungeplante Sprache als linguistischinteressanten Gegenstand erscheinen – unabhängig von der Diskussion um den»Primat der Mündlichkeit« (Koch/Oesterreicher (1994, 600)).

2zitiert nach Geyer (2003, 9)

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Allerdings erschweren eine Reihe von methodischen Problemen die Sammlungvon unverfälschter ungeplanter Sprache. Vorhandene Datenbestände sind in derRegel stark domänenspezifisch beschränkt (beispielsweise Terminabsprachenoder map tasks). Mit der Aufnahme ungeplanter Sprachdaten geht oft dieNotwendigkeit der Anonymisierung der Daten einher; in jedem Fall muss dasEinverständnis der Sprecher (beziehungsweise eines Vormunds) eingeholt wer-den. Hinzu kommen rein technische Schwierigkeiten der Gesprächsaufzeichnungund gegebenenfalls der Videoaufnahme. Oft sind bereits vorhandene Datendarüber hinaus nicht frei verfügbar.Comic-Texte stellen zu einem gewissen Grad ebenfalls konzeptionell unge-

plante Daten dar. Die oben genannten technischen und methodischen Problemetreten hier nicht auf. Comic-Texte liegen in einem weiten thematischen Spek-trum und in vielen Sprachen in großer Anzahl schriftlich vor. Damit entfälltder aufwendige und nicht immer eindeutige Schritt der Verschriftlichung derDaten, allerdings um den Preis fehlender prosodischer Information. Dieseist nur ansatzweise durch Interpunktionszeichen und typographische Konven-tionen (Fettdruck und ähnliches) kodiert. Zusätzlich zu den linguistischenTextelementen stehen dafür durch die piktoralen Elemente szenische Kontext-beschreibungen zur Verfügung. In diesem Sinne handelt es sich bei Comics ummultimodale Daten.Die einzelnen Äußerungen der Comic-Figuren liegen durch die inhärente

Leserichtung innerhalb eines Panels (kulturspezifisch, entspricht der Leserich-tung in allgemeinen Texten) typischerweise in eindeutiger Folge vor, sind alsozeitlich bereits linearisiert.Allerdings kann nicht in jedem Fall eine exakte zeitliche Linearisierung

erfolgen. Abbildung 5 zeigt beispielsweise einen Fall, in dem die Figur mit derFernbedienung zeitgleich mit den Nachrichtensprechern spricht. Der genaueZeitpunkt der Artikulation bleibt innerhalb des Panels jedoch vage. Anhandder Panelsequenz wird nur deutlich, dass ihre Äußerung Das gibt’s doch nicht!annähernd über den Zeitraum gestreckt erfolgt, der für die Äußerungen derSprecher und die Umschaltvorgänge am Fernsehgerät notwendig ist. Generellist die exakte Zeitbestimmung für Äußerungen in Comic-Texten nicht möglich.Die Zeit, die durch ein Einzelpanel beschrieben wird, kann oft nur durchIndizien erschlossen beziehungsweise ungefähr geschätzt werden. Einzig dierelative Reihenfolge einzelner Äußerungen ist zwischen zwei Panels eindeutig.Innerhalb eines Panels kann es jedoch wiederum zu Unsicherheiten bei derReihenfolgeanalyse kommen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Comic-Texte starke Ähn-lichkeiten zu ungeplanter mündlicher Sprache aufweisen. Während viele me-

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Abbildung 5: Uneindeutige Gleichzeitigkeit von Äußerungen

thodische und technische Probleme der Aufnahme mündlicher Sprache beiComic-Texten vermieden werden können, stellen die fehlende prosodischeInformation und die unscharfe zeitliche Abfolge der Äußerungen neue Heraus-forderungen dar. Im Rahmen dieser Arbeit wird nur die relative Reihenfolgevon Äußerungen betrachtet. Prosodische Informationen werden jedoch – soweitsie vorhanden sind – in die Analyse mit einbezogen.

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3 Analyse 40

3 AnalyseIn Abschnitt 3.1 wird zunächst dargelegt, welche Daten für die Analyse genutztwurden. Die linguistische Analyse erfolgte zweistufig: Auf der Basis der inAbschnitt (3.2) zusammengefassten Annotationsschritte wurde zunächst einequantitative Analyse der Distribution von PRODem und PROPers3 vorgenommen.Diese Daten werden mit den Daten verglichen, von denen Bosch/Rozario/Zhao(2003) und Bosch/Katz/Umbach (2007) berichten (Abschnitt 3.3).

3.1 DatengrundlageMir ist nur ein einziges linguistisch aufbereitetes Comic-Korpus bekannt, dasallerdings Texte enthält, die aus dem Französischen ins Serbische übertragenwurden und das daher für die vorliegende Arbeit nicht verwendet werden konnte(cf. Fulir/Raecke (2002)). Die Daten, die der Analyse zugrunde liegen, entstam-men sämtlich einer kleinen Sammlung von Comic-Texten. Die Textauswahlerfolgte beschränkt opportunistisch: Aufgenommen wurden Comic-Texte, die imOriginal oder gescannt verfügbar waren und die von Deutsch-Muttersprachlernverfasst wurden. Übersetzungen aus anderen Sprachen waren systematischausgeschlossen. Aufgenommen wurden sowohl kurze Strips im Umfang wenigerPanels als auch lange Serienproduktionen beziehungsweise Ausschnitte ausdiesen. Insgesamt wurden 4 017 Panels analysiert. Folgende Texte wurde in dieAnalyse einbezogen:

• Joscha Sauer: (ohne Titel), in: Nichtlustig 3, Hamburg: Carlsen, 2005 (20Seiten, 252 Panels, Sigle: NL3)

• Volker Reiche: Strizz (Jahrgang 2002, Mai–Dezember), werktägliche Serieder Frankfurter Allgemeinen Zeitung (151 Folgen, je 8–10 Panels, Siglen:S020521–S021231)

• Hubertus Rufledt und Jens U. Schubert: Mosaik (Jahrgang 2001), mo-natliche Heftreihe, Berlin: Steinchen für Steinchen (12 Hefte, je Heft 30Comic-Seiten, ca. 150 Panels, Siglen: M0301–M03012)

• Jürgen Günther: »Flitzi«, in: Neue Berliner Illustrierte (1978/79), ver-wendet wurde ein Nachdruck: Guido Weißhahn (Hrsg.): Klassiker derDDR-Bildgeschichte, Band 1, Dresden: Holzhof 2006 (26 Folgen, je circa8 Panels, Sigle: KL1)

• Reiner Schwalme: »Der Schatz von Finkenrode«, in: Für Dich (1980),verwendet wurde ein Nachdruck: Guido Weißhahn (Hrsg.): Klassiker der

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3 Analyse 41

diskursiv narrativ paralinguistisch Anteil DiskursivaText Äußerungen GedankenKL1 170 87 10 25 88,0%KL2 317 53 40 2 89,8%KL3 273 20 46 7 84,7%NL3 269 0 0 14 95,1%S020521–S021231 1 491 427 49 74 94,0%M0301–M0312 2 456 238 181 68 91,5%gesamt 4 976 825 326 190 91,8%

Tabelle 3: Verhältnis der Textelemente in den Comic-Texten

DDR-Bildgeschichte, Band 2, Dresden: Holzhof 2006 (26 Folgen, je circa9 Panels, Sigle: KL2)

• Andreas J.Mueller: »Basil im Regenbogenland«, in: Für Dich (1979),verwendet wurde ein Nachdruck: Guido Weißhahn (Hrsg.): Klassiker derDDR-Bildgeschichte, Band 3, Dresden: Holzhof 2006 (26 Folgen, je circa9 Panels, Sigle: KL3)

Aufgrund methodischer Schwierigkeiten bei der automatischen Verarbeitung derTexte wurden alle Comic-Texte von vornherein per Hand abgeschrieben. Einesystematische Qualitätskontrolle fand nicht statt. Korrigiert wurden jedochTextfehler, die im Verlauf der Analyse offenbar wurden.

3.2 AnnotationBereits in Abschnitt 2.4 wurden die in Comic-Texten vorkommenden Textele-mente detailliert vorgestellt. In die Analyse habe ich Äußerungen und Gedankender Protagonisten einbezogen (diskursive Elemente); alleinstehende paralin-guistische Texte sowie Aufschriften auf Gegenständen wurden nicht betrachtet.Wenn zusätzlich auf narrative Textelemente zurückgegriffen wurde, wird dasexplizit erwähnt.

Mit Hilfe eines Belegverwaltungsprogramms wurden alle Belegstellen mitsamtdem zur Referenzbestimmung notwendigen Kontext in ein TEI-kodiertes Korpusüberführt und manuell annotiert. Die annotierten Belegstellen stehen aufder beigefügten CD-ROM zur Verfügung (cf. Abschnitt B im Anhang). Einetechnische Beschreibung der verwendeten Labels für die einzelnen Merkmalefindet sich ebenfalls im Anhang (Abschnitt C).

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3 Analyse 42

Quantitativ entsprechen die diskursiven Elemente in den untersuchten Textendem deutlich größten Teil der insgesamt enthaltenen linguistischen Elemente(Tabelle 3).

Durchschnittlich über 90% aller Textelemente, die in den Comics auftreten,sind entweder Gedanken- oder Sprechblasen. Dieser Wert variiert nur geringfü-gig in den unterschiedlichen Publikationen. Der Anteil der paralinguistischenund narrativen Elemente ist dagegen weit uneinheitlicher verteilt, soll hier abernicht Gegenstand der Diskussion sein.

3.2.1 Merkmale des Verweiselements

Zunächst wurde aus den betrachteten Comic-Texten jedes einzelne Vorkommender Wortformen der Klassen PROPers3 und PRODem unabhängig von seinersyntaktischen Funktion herausgesucht. Zusätzlich wurden alle Zeigegesten(Klasse PG) aufgenommen sowie alle Belege, in denen ein Element der KlassenPROPers3 oder PRODem ausgelassen wurde, wenn dies die einzige Auslassungan dieser Satzposition war (Klasse NULL, cf. Beispiel (45a)). WeitreichendereEllipsen wie in (45b) wurden nicht betrachtet.

(45) (a) [S021210:1] Würden Sie bitte Ihr albernes Gesinge unterlassen, wenn ich mit Ihnen rede ? ! —— Oh ! Entschuldigen Sie ,Chef ! NULL War mir gar nicht bewusst !

(b) [KL3:26] Nicht zu fassen ! Der Strauss bringt mir meinenRegenschirm zurück

Während in (45a) der Satz durch Hinzufügen von das oder es vervollständigtwerden kann, ist in (45b) neben dem Pronomen auch noch die finite Verb-form zu ergänzen, um einen grammatischen Satz zu bilden. Eine möglicheRekonstruktion lautet Es ist nicht zu fassen oder Das ist nicht zu fassen.Im Folgenden bezeichne ich die Zuordnung der Belege zu den Klassen

PROPers3, PRODem und NULL als Referenzklassen-Annotation. In einigen Fällenwar eine Annotation der Referenzklasse nicht möglich. Wegen der zugrunde-liegenden konzeptionellen Mündlichkeit der Comic-Texte (cf. Abschnitt 2.4.1)traten einige orthographische »Verschmelzungen« von Pronomen und ande-ren Wörtern im Satz auf, die eine eindeutige Rekonstruktion des Pronomensverhindern:

(46) [M0301:8–9] Oh , schade ! Leider fehlt der andere Teil derZeitung . . . —— Ich kann mir schon denken , wie’s weitergeht!

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3 Analyse 43

Bei diesem Beleg ist nicht eindeutig entscheidbar, ob wie’s aus wie es oder auswie das entstanden ist. Alle 48 Belege, bei denen die Wortklasse der Pronomennicht bestimmt werden konnte, wiesen dasselbe Konstruktionsmuster ’s auf.Es handelt sich also durchweg um neutrale Pronomen im Singular. Aber nichtjedes Vorkommen phonologisch reduzierter Pronomen ist uneindeutig:

(47) [M0304:42–43] POLIZEI ! —— Sie wollen den Genossen Kropotkin- aber wir werden ihn mit unserem Leben verteidigen ! ——Gebt’s ihnen ! Aber tüchtig !

In diesem Fall ist nur die Analyse Gebt es ihnen möglich.Die beschriebenen Verschmelzungen sind ein Artefakt der »Immitation« der

Umgangssprache, in der phonologisch oder phonotaktisch bedingte Reduktionenüblich sind, die jedoch in der Schriftsprache vorzugsweise nicht abgebildetwerden.

In einem orthographischen Satz können mehrere Belege auftreten. So weistder Satz in (48) beispielsweise drei Belege auf.

(48) [M0301:50–51] Woher sollten sie1 den2 haben , wenn sie3 aus demOrient kämen ?

Anschließend wurden alle Belege entfernt, die sich keiner der vier Refe-renzklassen zuordnen ließen. Das sind vor allem diejenigen Belege, die keinenVerweis auf sprachliche oder außersprachliche Referenten darstellen, also Belegevon es, die nur eine syntaktisch geforderte Funktion ausüben (cf. Abschnitt 2.2).Außerdem wurden alle diskursdeiktisch verwendeten Vorkommen von PRODemausgeschlossen.

In einigen Fällen kann allerdings nicht eindeutig entschieden werden, ob einPronomen objekt- oder diskursdeiktisch verwendet wird. Während in (49a)eine Referenz von das nur auf den Satz mir ist ganz wirr im Kopf möglich ist,können in (49b) zwei mögliche Referenzen für das angenommen werden. Soist sowohl eine Referenz auf ein hübsches Sümmchen – also einen nicht näherbestimmten Geldbetrag – möglich, als auch eine Referenz auf den Satz Ichhabe . . . auf die Seite geschafft:

(49) (a) [S021104:1] Herr Paul , mir ist ganz wirr im Kopf . . . ——Das überrascht mich nicht wirklich .

(b) [S021202:1] Ich habe durch Beratungstätigkeit ein hübschesSümmchen auf die Seite geschafft - äh - gespart ! Das sollte

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3 Analyse 44

für die eine oder andere überzeugende Werbekampagne fürserste genügen !

Belegstellen wie (49b) wurden in die Analyse einbezogen unter der Annah-me, dass keine Referenz auf einen (Teil-)Satz, sondern ein Konkretum oderAbstraktum vorlag.

Nach der Referenzklassen-Annotation erfolgte die Annotation der morphologi-schen Merkmale Kasus, Numerus und Genus für jede Belegstelle mit Ausnahmeder Referenzklassen PG und NULL. Bei Vorkommen im Plural wurde auf eineGenus-Annotation verzichtet.

Anschließend wurden topologische und syntaktische Annotationen vorgenom-men. Die topologische Annotation ist auf das Feldermodell bezogen (cf. hierzubeispielsweise Eisenberg (2006, 394)). Ich unterscheide Vorkommen in Vor-feldposition (VF), Mittelfeldposition (MF) und Nachfeldposition (NF). DieseUnterscheidung ist für einfache Hauptsätze anhand der Satzklammern (SK)leicht zu treffen: Da im Mittelfeld mehrere Satzglieder auftreten können, habeich zusätzlich eine grobe Positionsunterscheidung innerhalb des Mittelfeldesvorgenommen: Ausgezeichnet wurde, ob ein referenzierender Ausdruck an ersterStelle im Mittelfeld auftritt (MF1) oder an einer anderen Stelle (MFn).

(50)

Vorfeld SK Mittelfeld SK Nachfeld[Er/Der ] hat das Buch gelesenDas Buch hat [sie/die] gestern gelesen

Hat [er/der ] das Buch gelesenGib [ihm/dem] das Buch

Peter lässt sich [von ihm/dem] provozierenPeter hat sich wieder eingekratzt [bei ihm/dem]

Positionen in jedem der drei Felder können von PRODem und PROPers3 besetztwerden. Auch Nebensätze sind entweder im Vorfeld, im Mittelfeld oder imNachfeld in den Hauptsatz integriert:

(51)

Vorfeld SK Mittelfeld SK NachfeldDass sie liest weiß erEr hat das Buch, das sie schrieb gelesenEr hat das Buch gelesen weil . . .

Ich habe die topologische Position eines Verweiselements sowohl in Bezug aufden übergeordneten Hauptsatz (entspricht der Position des Nebensatzes imHauptsatz), als auch in Bezug auf den Nebensatz selbst unterschieden. Al-

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3 Analyse 45

lerdings ist die topologische Position des Nebensatzes von der Zeitform desSatzes abhängig, wie die Beispiele in (52) zeigen. In (52a) ist der Nebensatzim Mittelfeld angeordnet, in (52b) dagegen im Nachfeld. Wegen dieser Ab-hängigkeit scheint mir eine entsprechende Annotation in diesen Fällen wenigaussagekräftig.

(52) (a) Ich weiß doch, [dass der Himmel blau ist.]MFn(b) Ich habe doch gewusst, [dass der Himmel blau ist.]NF

Da im Nebensatz die linke Satzklammer bereits durch die Subjunktion besetztist, bleibt nur zwischen den Mittelfeldpositionen und der Nachfeldpositionzu entscheiden. Dieses Vorgehen stößt allerdings an eine Grenze, wenn einNebensatz (NS2) in einen anderen Nebensatz (NS1) eingebettet ist:

(53) [M0308:42–43] . . . und ich fand heraus , [dass die beidenMänner , [mit denen er im Restaurant gespeist hatte ,]NS2

Mitarbeiter des Diamantenhändlers De Beers waren .]NS1

In (53) befinden sich NS1 und NS2 im Nachfeld des Hauptsatzes; NS2 jedochgleichzeitig im Mittelfeld von NS1. In solchen Fällen habe ich stets die topo-logische Position in dem Satz annotiert, in den der entsprechende Nebensatzdirekt eingebettet ist.

Bei koordinierten Hauptsätzen liegt dagegen gar keine Einbettung vor. Des-wegen wurde in solchen Fällen nur die topologische Position des Pronomensinnerhalb des Hauptsatzes annotiert, in dem es auftrat.

In einigen Fällen konnte keine topologische Annotation vorgenommen werden.So ist in der elliptischen Konstruktion Ihm nach! in (54a) kein Verb mehrvorhanden, das zur Identifizierung der Satzklammern beitragen könnte. In (54b)dagegen ist zwar das Verb (geht) in der Ellipse anhand des vorhergehendenSatzes rekonstruierbar; die genaue Position kann jedoch nicht sicher bestimmtwerden.

(54) (a) [KL2:19] Aber nun . . . . ——. . . . ist Poppi hinter diesemHasen her ! —— Ihm nach !

(b) [KL2:21] Der Bengel zieht los , als ginge es um eineGoldmedaille . —— Geht’s ja auch . Aber nicht nur um eineund nicht für ihn !

Die syntaktische Annotation der Verweiselemente macht ihre syntaktischeFunktion im Satz explizit. Ich unterscheide zunächst die Subjekt- und die

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3 Analyse 46

Objektfunktion, ferner prädikative Vorkommen in Kopulakonstruktionen undVorkommen innerhalb von Präpositionalobjekten:

(55) (a) [KL2:14] Du , da sind wieder Raff und Co . —— Was die wohlwieder aushecken

(b) [M0302:40–41] Wir suchen eine gewisse Eloise Stapleton . KennenSie die ?

(c) [M0303:12–13] Das ist sie ! Die Frau , du weißt schon !(d) [S020723:1] Mein Computer ist kaputt ! Können Sie mal nach ihm

schauen ?

In (55a) und (55b) werden die Subjekt- beziehungsweise die Objektfunktionillustriert. Beispiel (55c) verdeutlicht die prädikative Verwendung. Durch dasgenerisch verwendete Pronomen das wird hier die Subjektfunktion übernom-men. Es dient der Identifizierung des Referenten. Das Pronomen sie dagegenbeschreibt nur eine Charakteristik des generisch identifizierten Referenten,nämlich, dass es sich dabei um eine Frau handelt, die bereits früher ein Themades Diskurs gewesen sein muss (du weißt schon). Um ein Präpositionalobjekthandelt es sich bei dem Pronomen in Beispiel (55d).

3.2.2 Merkmale des Referenten

Die syntaktische Annotation der Antezedenten der phorisch verwendeten Pro-nomen erfolgte analog zu der der Pronomen selbst.Bereits in Abschnitt 2.2 ist dargestellt worden, dass Pronomen – von Aus-

nahmen wie dieser und jener abgesehen – semantisch weitgehend unbestimmtsind. Träger semantischer Annotation kann daher nur der jeweilige Referentsein. Ich habe für die semantische Beschreibung des Referenten eine bewusstgrobe Klassifikation vorgenommen (cf. auch Abbildung 6).

abstrakt vs. konkret: Abstrakta und Konkreta bilden die wichtigste Dicho-tomie, die der semantischen Klassifikation zugrundeliegt. Als Konkretabetrachte ich alle Referenten, die physikalische Eigenschaften aufweisenund damit sinnlich erfahrbar sind (nicht notwendigerweise in der Äuße-rungssituation eines referenzierenden Ausdrucks). Deiktisch verwendetePronomen können nur auf Konkreta verweisen. Abstrakta dagegen sindalle übrigen nicht sinnlich erfahrbaren Konzepte, auf die in Äußerun-gen phorisch verwiesen werden kann. Hierzu zähle ich auch Prozesse(Vorgänge/Aktionen).

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3 Analyse 47

[+abstrakt]

[+belebt] [+unbelebt]

[+menschlich]

(Referent)

[+konkret]

[-menschlich]

Abbildung 6: Annotierte semantische Klassen und ihre Beziehung untereinander

belebt vs. unbelebt: Die Klasse der Konkreta wurde durch eine weitere Di-chotomie unterteilt. Die Klasse der Belebten umfasst alle menschlichagierenden Figuren sowie Tiere; die Klasse der Unbelebten enthält allenicht-lebenden Objekte sowie Pflanzen.

menschlich: In die Klasse der Menschlichen wurden alle Figuren aufgenom-men, die sprachliche Äußerungen produzieren oder von denen wenigstensangenommen werden kann, dass sie dazu fähig sind. Hierzu zählen nebenmenschlichen Figuren auch sprechende Tiere und Fantasiewesen.

Auf diese Weise werden vier semantische Gruppen unterschieden: [+abstrakt],[+unbelebt], [+belebt]/[-menschlich] und [+belebt]/[+menschlich]. Angesichtsder insgesamt geringen Anzahl von Belegen für PRODem und PROPers3 halteich eine differenziertere Unterscheidung der semantischen Klassen nicht fürnotwendig, um die einzelnen Gruppen nicht unnötig zu verkleinern. Ich nehmeaußerdem an, dass sich wichtige Generalisierungen vor allem für [+abstrakt]und [+menschlich] ergeben.

3.2.3 Merkmale der Referenz

Zunächst wurde der Referenztyp bestimmt. Ich habe zwischen deiktischenund phorischen Verweisen unterschieden. Zusätzlich habe ich den Referenztyp»generisch« für Belege wie in (56) angenommen. Ein Einwanderer in New Yorkärgert sich, dass ihm ein Stück Käse gestohlen wurde:

(56) [M0301:12–13] Alles nur Pack und Abschaum ! Nicht zu fassen ,was die hier so ins Land lassen !

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3 Analyse 48

Das Pronomen die steht in diesem Beleg nicht für eine fest definierbare Gruppevon Menschen, sondern bleibt unscharf. Es kann sowohl die Einwanderungs-behörde als auch die Beamten der Einwanderungsbehörde in New York odersogar das US-amerikanische Volk gemeint sein.

In der Analyse wurden diejenigen Belegstellen, in denen ein neutrales Prono-men ausschließlich diskursdeiktisch verwendet wurde (wie in Beispiel (57a)),nicht weiter betrachtet:

(57) (a) [KL1:1] Ich belle den Mond an . Das haben meine Vorfahrenschon so gemacht !

(b) [KL3:21] Warum haben Sie bloss eine Kanone mit Rückstosskonstruiert ? —— Aper tas ist toch ein Naturkesetz , HerrKraf

(c) [NL3:8] Aber ich habe eine Art Messer und könnte Ihnen einenTausch anbieten . Geschnittene Sardellen-Pizza gegen dentoten Tintenfisch . —— Geschnittene Sardellen-Pizza gegeneinen Freund ? Das ist fair

In Belegen wie (57b) ist allerdings nicht eindeutig zu bestimmen, ob dasAntezedens zu das das Nomen Rückstoss oder die Nominalphrase eine Kanonemit Rückstoss ist. Im ersten Fall könnte die Referenz aufgelöst werden zu»Aber der Rückstoss ist doch ein Naturgesetz, Herr Graf«; im zweiten Fallwäre als Antezedens eher ein Teilsatz anzunehmen: »Aber dass Kanonen einenRückstoss haben, ist doch ein Naturgesetz, Herr Graf«.In (57c) dagegen kann nur eine mögliche Referenz angenommen werden.

Obwohl es sich bei der Phrase Geschnittene Sardellen-Pizza gegen einen Freundnicht um einen (vollständigen) Satz handelt, liegt dennoch Diskursdeixis vor.Es wurde lediglich das Verb tauschen elliptisch ausgelassen.Wenn wie in (57b) eine Referenz auf ein Konkretum oder Abstraktum

angenommen werden konnte, wurde ein solcher uneindeutiger Beleg in dieAnalyse einbezogen.

Belege vom Typ PG sind stets deiktisch. In (58) zeigt Müller auf eine Stellein einer von Herrn Paul zerfetzten Zeitung:

(58) [S021028] PG Hm . . . Was zum Beispiel heisst das ? —— Das? Ah ! Eine brilliante Passage ! Das heisst : Nieder mit derKatzensteuer !

Das erste Vorkommen von das kann ebenfalls eindeutig als deiktische Referenzannotiert werden. Die Identifikation des Antezedens erfolgt durch die Zeige-

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3 Analyse 49

geste. In der zweiten Äußerung wird sowohl mit dem ersten als auch mit demzweiten Pronomen das auf dieselbe Stelle in der Zeitung referiert. In solchenFällen habe ich angenommen, dass nur das erste Pronomen einen deiktischenVerweis etabliert und alle folgenden koreferenten Pronomen auf ihre jeweiligenVorgänger in der Verweiskette referieren.

Für phorische Verweise habe ich zusätzlich die Verweisrichtung angegeben.Befindet sich das Antezedens vor dem Verweiselement, so liegt eine Anapher vor,im anderen Fall handelt es sich um eine Katapher. Für ein deiktisch verwendetesPronomen kann eine vorausweisende Funktion nicht angenommen werden. DerReferent, auf den es sich bezieht, ist schließlich dadurch gekennzeichnet, dasser im außersprachlichen Kontext bereits vorhanden ist.

Außerdem habe ich für phorisch verwendete Pronomen die Distanz zum jewei-ligen Antezedens angegeben. Ich unterscheide zwischen Referenzen innerhalbdesselben Hauptsatzes (satzintern, cf. (59a)), Referenzen von einem Hauptsatzzu einem benachbarten Hauptsatz (satzextern, cf. (59b)) sowie Referenzen zuStellen im Diskurs, die nicht innerhalb eines benachbarten Hauptsatzes liegen(»entfernt«, cf. (59c)). Sprecherwechsel wurden dabei ignoriert:

(59) (a) [S021112:1] Der Chef weiss gar nicht , was er riskiert ...(b) [KL2:10] Wir machen Kugelstoßen , du Zwerg , das kannst’e

nicht !(c) [M0302:14–15] Aber Vorsicht , auf der linken Seite beginnt

das Chinesenviertel ! Persönlich hab ich ja überhaupt nichtsgegen die Burschen ! Aber ich rate euch : Geht da bloß nieessen ! Was die einem alles auftischen !

Durch diese Unterscheidung können gebundene Anaphern leicht von der Analyseausgeschlossen werden, da sie stets innerhalb eines Hauptsatzes auftreten(cf. Abschnitt 2.2.4).

Die Refererenz eines Pronomens kann außerdem auf verschiedene Weisenverstärkt oder verdeutlicht werden. Bereits Beispiel (58) hat gezeigt, dassmitunter erst eine Zeigegeste die Identifikation des Referenten ermöglicht. Eineandere Möglichkeit der Referenzverdeutlichung ist eine stärkere Betonung desPronomens. In Comic-Texten kommen hierfür vielfältige typographische Mittelzum Einsatz (Fett- und Kursivdruck, Schriftgrößenänderungen und anderesmehr). Darüber hinaus können Adverben, die in Aposition zum Pronomenstehen, die Referenz verdeutlichen (cf. Abschnitt 2.2.5).

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3 Analyse 50

Wort diskursiv narrativVorkommen Anteil Vorkommen Anteil

der/die/das 363 97,6% 4 23,5%dieser/diese/dies(es) 7 1,9% 9 52,9%jener/jene/jenes 1 0,3% 0 0,0%derjenige/diejenige/dasjenige 1 0,3% 4 23,5%

Tabelle 4: Inventar der Klasse PRODem

3.3 Ergebnisse3.3.1 Inventar und Verteilung der Referenzklassen

Das Inventar der Klasse PROPers3 birgt verständlicherweise keine besonderenÜberraschungen. Die Klasse umfasst nur die vier Wörter er, sie, es im Singularsowie sie im Plural. Alle vier können in den Daten nachgewiesen werden, wennauch in stark unterschiedlicher Verteilung (cf. Abschnitt 3.3.2).Die Klasse PRODem ist lexikalisch deutlich reicher als PROPers3. Tabelle 4

fasst die absoluten und relativen Vorkommen der wichtigsten in der Literaturvorgeschlagenen Elemente von PRODem für die untersuchten Texte zusammen.Kontroverse Wörter wie selbst, selber, (ein) solcher oder so etwas wurden dabeinicht berücksichtigt. Sie entsprechen nicht der in Abschnitt 2.2 entwickeltenPronomendefinition.Fast alle Elemente aus PRODem, die in den diskursiven Daten auftreten, ge-

hören zur der-Reihe. Weniger als 2% der Vorkommen gehören zur dieser-Reiheund nur jeweils ein Beleg konnte für jene und diejenigen nachgewiesen werden.Die Situation für die narrativen Elemente der Comic-Texte ist angesichts dergeringen Zahl von Demonstrativpronomen nicht sehr sicher belegt. Vermutenlässt sich jedoch immerhin, dass nicht die der-Reihe, sondern mit gut der Hälfteder Belege die dieser-Reihe die bevorzugte Wahl aus PRODem ist. Die anderenBelege entstammen je zur Hälfte der der-Reihe und der derjenige-Reihe.Vergleicht man die Anzahl der Vorkommen von Belegen der unterschiedli-

chen Referenzklassen, so werden deutliche Frequenzunterschiede zwischen denKlassen PROPers3 und PRODem offenbar. Ein Drittel aller Belege für Personal-und Demonstrativpronomen sowie deren Auslassung entfällt auf die KlassePROPers3, knapp ein Siebtel auf die Klasse PRODem. Zusammen mit den Be-legen der Klasse NULL sind 51,3% der Belege phorisch oder deiktisch (alsoreferentiell) verwendete Pronomina. Die übrigen Belege stellen ausschließlich

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3 Analyse 51

Referenzklasse Vorkommen AnteilPROPers3 746 33,8%PRODem 327 14,8%NULL 60 2,7%syntaktisches es 382 17,3%diskursdeiktisches das 526 23,8%NULL 119 5,4%(syntaktisch/diskursdeiktisch)unklar 48 2,2%gesamt 2 208 100,0%

Tabelle 5: Verteilung der annotierten Referenzklassen (außer PG)

Daten/Korpus er, absolut der, absolut er, relativ der, relativ VerhältnisComics, diskursiv 288 43 85% 15% ≈ 6 : 1Comics, narrativ 71 0 100% 0% ∞ : 1Verbmobil — — ≈20% ≈80% ≈ 1 : 4NEGRA — — >93% <7% ≈ 13 : 1

Tabelle 6: Vorkommen von er und der

syntaktisch geforderte es-Vorkommen, diskursdeiktische das-Vorkommen oder –aufgrund orthographischer Verschmelzung – unklare Belege dar (Tabelle 5).Der Vergleich dieser Daten mit den von Bosch/Katz/Umbach (2007) ermit-

telten Werten zeigt zwar, dass wie erwartet eine Verschiebung des Verhältnissesvon PROPers3 und PRODem zugunsten letzterer Klasse vorliegt, allerdings fälltdiese Verschiebung nicht so deutlich aus, wie ursprünglich angenommen. ImVergleich zu den NEGRA-Daten (Zeitungstexte) kann jedoch immerhin eindoppelt so großer Anteil von PRODem nachgewiesen werden. Die Zahlen fürdie narrativen Textelemente der Comics sind wiederum von geringer Aussage-kraft aufgrund der wenigen absoluten Vorkommen von er beziehungsweise desNicht-Vorkommens von der (cf. Tabelle 6).Betrachtet man dagegen alle Vorkommen von PROPers3 und PRODem, so

werden deutlichere Unterschiede zwischen den diskursiven und narrativenTextelementen der Comics offenbar. In den diskursiven Textelementen stellenVorkommen von PRODem ein Drittel der Belege, in den narrativen nur einZehntel. Damit ähnelt das Verhältnis beider Pronomenklassen für die nar-rativen Texte dem im NEGRA-Korpus (cf. Tabelle 7). Bosch/Katz/Umbach(2007) weisen allerdings völlig zu Recht darauf hin, dass die Diskurstypen

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3 Analyse 52

Daten PROPers3, absolut PRODem, absolut PROPers3, relativ PRODem, relativ Verhältnisdiskursiv 746 372 67% 33% ≈ 2 : 1narrativ 142 17 89% 11% ≈ 8 : 1diskursiv 746 143 84% 16% ≈ 5 : 1(ohne Neutra)

Tabelle 7: Vorkommen von PROPers3 und PRODem in den Comic-Texten

des Verbmobil- und des NEGRA-Korpus höchst unterschiedlich sind. DieseFeststellung trifft auch auf die von mir untersuchten Texte im Vergleich zu denbeiden anderen Korpora zu.

Die Tatsache, dass sich das Verhältnis PROPers3 : PRODem bei Einbeziehungaller jeweiligen Belege deutlich verändert – von circa 6 : 1 für er : der zu circa2 : 1 für PROPers3 : PRODem –, legt die Vermutung nahe, dass das Verhältnisnicht nur textsorten- und diskursspezifisch, sondern auch genusspezifisch ist.Tatsächlich entfallen in den diskursiven Comic-Texten circa 62% der Belegeaus PRODem auf neutrale Pronomen. Der größte Teil dieser Pronomen istdabei Teil von Kopulakonstruktionen wie in (60), mit denen ohne notwendigeGenuskongruenz auf Referenten verwiesen wird.

(60) (a) [NL3:15] Was ist das ? —— Meine Lieblingsbadehose . Die mitden Enten .

(b) [M0307:6–7] Das hier ist also der besagte Kartenabschnitt ,...

Werden die neutralen Belege nicht berücksichtigt, sinkt der Anteil von PRODemvon 33% auf 16% und entspricht damit annähernd dem Wert bei der bloßenBetrachtung maskuliner Vorkommen von 15% (Tabelle 7).In den folgenden Analysen werden nur noch die anaphorisch und objekt-

deiktisch referierenden Vorkommen von PROPers3 und PRODem untersucht. DieAnalysen zu den grammatischen Eigenschaften der Referenten (Morphologieund Syntax) sind dabei naturgemäß auf phorische Verwendungen von PROPers3und PRODem beschränkt.

3.3.2 Morphologische Merkmale der Pronomen

Auffällig ist die sehr ungleiche Verteilung der Genera innerhalb beider Pro-nomenklassen. Mehr als die Hälfte aller aufgefundenen Elemente der Klasse

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3 Analyse 53

Referenzklasse Genus, Numerus Anzahl Anteil in ReferenzklassePROPers3 Maskulinum, Singular 431 57,8%

Femininum, Singular 165 22,1%Neutrum, Singular 52 7,0%Plural 98 13,1%

PRODem Maskulinum, Singular 74 19,9%Femininum, Singular 21 5,6%Neutrum, Singular 229 61,6%Plural 47 12,6%unklar 1 0,3%

PROPers3 Maskulinum, Singular 431 62,1%(ohne Neutra) Femininum, Singular 165 23,8%

Plural 98 14,1%PRODem Maskulinum, Singular 74 51,7%(ohne Neutra) Femininum, Singular 21 14,7%

Plural 47 32,9%unklar 1 0,7%

Tabelle 8: Verteilung von PROPers3 und PRODem nach Numerus und Genus

PROPers3 sind maskuline Pronomen im Singular, knapp ein Viertel sind femini-ne Pronomen und deutlich weniger als ein Zehntel sind neutral; nur ein Achteltritt im Plural auf. Zwar tritt auch in der Klasse PRODem ein Achtel der Belegeim Plural auf, die restlichen Werte unterscheiden sich jedoch erheblich vondenen der Klasse PROPers3. So ist nur ein Fünftel der Belege maskulin und fastzwei Drittel sind neutral. Feminine Pronomen bilden nur ein Zwanzigstel derBelege (cf. Tabelle 8).Der Grund für die generell deutlich selteneren Vorkommen von femininen

im Gegensatz zu maskulinen Pronomen ist möglicherweise spezifisch für dieuntersuchten Texte: Es treten vorwiegend männliche Akteure auf. Entspre-chend oft wird im Diskurs auf diese referiert. So sind in der Serie »Strizz« imuntersuchten Jahrgang von sieben handelnden Hauptfiguren nur zwei weiblich,in der Serie »Mosaik« steht sogar nur eine einzige weibliche Hauptfigur neunmännlichen Akteuren gegenüber.

In beiden Klassen PROPers3 und PRODem werden Pronomen im Plural seltenverwendet. Es besteht offenbar eine klare Tendenz zur Referenz auf einzelneAntezedenten. Unklar ist jedoch die Frage, welchen Einfluss dabei neutralePronomen haben, die auch ohne strenge morphologische Kongruenz mit ihremAntezedens in Genus und insbesondere Numerus auf dieses referieren können.

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3 Analyse 54

Wenn Neutra beim Vergleich der Verteilung über die Genera ausgeschlossenwerden, tritt die Dominanz maskuliner Vorkommen noch deutlicher zum Vor-schein. Zwar nähern sich die Werte für Maskulina und Feminina beim Vergleichvon PROPers3 und PRODem einander an, der Anteil von Belegen im Plural istnun jedoch für PRODem doppelt so groß wie für PROPers3. Werden neutralePronomen nicht betrachtet, so lässt sich eine deutlich größere Präferenz fürPluralformen für PRODem als für PROPers3 feststellen.

Auf den ersten Blick scheint sich auch für die Kasusverteilung von PROPers3und PRODem ein Unterschied zu zeigen – wenn auch bei weitem nicht so deutlichwie für die Genusverteilung. So stehen 67,6% der Vorkommen von PROPers3im Nominativ 79,3% Nominativ-Vorkommen von PRODem gegenüber. DiesesUngleichgewicht geht zu Lasten der Dativ-Vorkommen, die bei PROPers3 inderselben Größenordnung häufiger sind. Der Anteil für den Akkusativ weistfür beide Pronomen die gleiche Größenordnung auf. Der Genitiv tritt praktischso gut wie nicht auf (Tabelle 9). Einziges Beispiel für die Verwendung desGenitivs ist Beispiel (61), das zudem aus einem vorgelesenen Brieftext stammtund folglich nicht als konzeptionell mündlich verstanden werden kann:

(61) [S021010:1] Junger Mann , das ist Irmi ! Erweisen Sie sichihrer würdig !

Werden wiederum die neutralen Vorkommen ausgeschlossen, so gleichen sichdie Werte für beide Klassen einander an. Die Zahlen für PROPers3 ändern sichnur geringfügig. Bei PRODem sinkt die Präferenz für den Nominativ etwas undentspricht nun annähernd dem Wert für PROPers3. In beiden Klassen ändertsich die Präferenzreihenfolge der Kasus nicht; sie ist als Nominativ–Akkusativ–Dativ–Genitiv festgelegt. Es kann jedoch für PRODem eine stärkere Präferenzvon Akkusativ gegenüber Dativ festgestellt werden, als das bei PROPers3 derFall ist (2, 2 : 1 vs. 1, 4 : 1).

Auch bei der satzrelativen Position der Antezedenten zeigen die untersuchtenDaten teilweise andere Eigenschaften, als die Vergleichsdaten in Bosch/Rozario/Zhao (2003). Tabelle 10 fasst die Ergebnisse zusammen.Während in den Vergleichsdaten für das Pronomen der immerhin 30%

der Vorkommen satzintern, also syntaktisch gebunden auftreten, lässt sichin den Comic-Texten lediglich ein Beleg nachweisen (cf. Beispiel (18c) aufSeite 17). Das entspricht 1,5% der Vorkomen. Auch bei der Betrachtungaller Vorkommen von PRODem weisen nur 5,3% der Belege ein satzinternesAntezedens auf. Ähnliches lässt sich für PROPers3 beobachten: Hier ist der Anteilder gebundenen Vorkommen halb so groß wie in den Vergleichsdaten, also

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3 Analyse 55

Referenzklasse Kasus Anzahl Anteil in ReferenzklassePROPers3 Nominativ 504 67,6%

Akkusativ 145 19,4%Dativ 96 12,9%Genitiv 1 0,1%

PRODem Nominativ 295 79,3%Akkusativ 62 16,7%Dativ 15 4,0%Genitiv 0 0,0%

PROPers3 Nominativ 466 67,1%(ohne Neutra) Akkusativ 131 18,9%

Dativ 96 13,8%Genitiv 1 0,1%

PRODem Nominativ 95 66,4%(ohne Neutra Akkusativ 33 23,1%

Dativ 15 10,5%Genitiv 0 0,0%

Tabelle 9: Verteilung von PROPers3 und PRODem nach Kasus

Wort/Referenzklasse absolute Werte relative Werted = 0 d = 1 d > 1 unklar d = 0 d = 1 d > 1 unklar

er (NEGRA) — — — — 27,2% 55,3% 17,7% —der (NEGRA) — — — — 30,0% 61,2% 8,9% —er (Comics) 51 240 77 7 13,9% 65,2% 20,9% 1,9%der (Comics) 1 62 3 0 1,5% 93,9% 4,5% 0,0%PROPers3 (Comics) 98 413 132 14 14,9% 62,9% 20,1% 2,1%PRODem (Comics) 10 158 22 0 5,3% 83,2% 11,6% 0,0%PROPers3 (Comics, ohne Neutra) 88 382 128 12 14,4% 62,6% 21,0% 2,0%PRODem (Comics, ohne Neutra) 4 88 8 0 4,0% 88,0% 8,0% 0,0%

Tabelle 10: Distanz (d) von Antezedens und referierendem Ausdruck. Bei d = 0 liegtsatzinterne Referenz vor, bei d = 1 Referenz in einen benachbarten Satz, beid > 1 Referenz auf ein noch vor dem Vorgängersatz befindliches Antezedens.

ebenfalls deutlich geringer. Der Anteil der »weiten« Verweise, also der Referenzauf Antezedenten, die noch vor dem voranstehenden Hauptsatz situiert sind, istdem der Vergleichsdaten recht ähnlich. Für PROPers3 liegt er annähernd bei 20%(mit und ohne Neutra), für PRODem um 8% ohne Neutra. Die beobachtetenSchwankungen können für PRODem angesichts der insgesamt sehr wenigensatzinternen und »weiten« Belege nicht als signifikant gewertet werden.

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3 Analyse 56

In allen folgenden Analysen werden satzintern verweisende Pronomen nichtweiter betrachtet.

3.3.3 Syntaktische und topologische Position der Pronomen

Die syntaktische Annotation der Pronomen unterscheidet die vier FunktionenSubjekt, Objekt, Präpositionalobjekt und Prädikativ; die topologische Annota-tion bezieht sich auf das Feldermodell des Satzes. Bosch/Katz/Umbach (2007)bilden beide Eigenschaften für das NEGRA-Korpus gemeinsam ab und stellenfest, dass über 90% der Vorkommen von PRODem vor dem finiten Verb liegen,also die Vorfeldposition besetzen. PROPers3 ist dagegen topologisch wenigerstark festgelegt (40% Vorfeldposition, 60% Mittel- und Nachfeldposition). IhreAnalyse der jeweils bevorzugten syntaktischen Funktion weist für jede derbeiden Klassen eine deutliche Präferenz nach. PROPers3 und PRODem tretenjeweils in über 80% der Fälle als Subjekt und in 20% der Fälle als Objekt auf,je zu gleichen Teilen in Vor- und Mittelfeldposition.Die Verteilung der Pronomen der Klassen PROPers3 und PRODem bezüglich

ihrer eigenen topologischen Position in den von mir untersuchten Daten ist inTabelle 11 zusammengefasst. Um das Resultat mit den in Bosch/Katz/Umbach(2007) berichteten Daten vergleichbar zu halten, habe ich keine Vorkommen inNebensätzen in die Analyse einbezogen. Nebensätze weisen selbst kein Vorfeldauf; die Daten würden folglich eine nochmals deutlich geringere Präferenz fürdie Vorfeldbesetzung zeigen.

Auch bei dieser Analyse zeigen sich deutlich Unterschiede in der bevorzugtenVerwendung beider Klassen. In der Hälfte seiner Belege erscheint PROPers3 anerster Position des Mittelfeldes, direkt nach dem finiten Verb. Ein weiteresDrittel sind Vorkommen in Vorfeldposition, also direkt vor dem finiten Verb.PRODem dagegen bevorzugt deutlich die Vorfeldposition, die in zwei Dritteln derBelege auftritt. Die übrigen Belege weisen Mittelfeldpositionierung auf. In denuntersuchten Daten ist der Anteil von PRODem in Vorfeldposition damit doppeltso groß wie der Anteil von PROPers3 in Vorfeldposition. Für das Mittelfeld istdas Verhältnis genau umgekehrt. Das Genus der Pronomen spielt in diesemZusammenhang keine entscheidende Rolle, wie der Vergleich mit den Datenohne die Neutra verdeutlicht.

Die Daten entsprechen nicht allen in Bosch/Katz/Umbach (2007) getroffenenFeststellungen. Weniger als 70% der Belege von PRODem (ohne Neutra) sindVorfeld-Vorkommen (NEGRA: über 90%). Neutrale PRODem haben offenbareine höhere Präferenz für Vorfeldbesetzung, wie der niedrigere Anteil nach ihrerEntfernung verdeutlicht. Für PROPers3 sind die Werte für die Vorfeld-Belege

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3 Analyse 57

Referenzklasse topologische Position Anzahl Anteil in ReferenzklassePROPers3 Vorfeld 200 36,6%

Mittelfeld, 1. Position 282 51,6%Mittelfeld, n. Position 64 11,7%Nachfeld 1 0,2%

PRODem Vorfeld 238 70,2%Mittelfeld, 1. Position 67 19,8%Mittelfeld, n. Position 34 10,0%Nachfeld 0 0,0%

PROPers3 Vorfeld 185 36,3%(ohne Neutra) Mittelfeld, 1. Position 264 51,8%

Mittelfeld, n. Position 60 11,8%Nachfeld 1 0,2%

PRODem Vorfeld 82 65,6%(ohne Neutra) Mittelfeld, 1. Position 25 20,0%

Mittelfeld, n. Position 18 14,4%Nachfeld 0 0,0%

Tabelle 11: Verteilung von PROPers3 und PRODem nach topologischer Position

ebenfalls etwas niedriger, aber mit 36–37% den NEGRA-Daten (circa 40%)doch sehr ähnlich.

Vorkommen von Belegen der Klasse NULL sind in Tabelle 11 nicht aufgeführt.Sie werden auch von Bosch/Katz/Umbach (2007) nicht behandelt. Eine derBedingungen für die Auslassung von referierenden Ausdrücken ist gerade dieBesetzung der Vorfeldposition. Alle der insgesamt 60 Belege genügen dieserBedingung. Unter den Belegen, in denen ein diskursdeiktisch verwendetesPronomen ausgelassen wurde, finden sich allerdings fünf Abweichungen vondieser Bedingung. Alle entstammen dem »Mosaik« und weisen die in (62)vorliegende Konstruktion lass NULL gut sein auf, bei der sich NULL auf einevorhergehende Äußerung oder Handlung des so Angesprochenen bezieht:

(62) (a) (während einer Prügelei:)[M0311:26–27] Lasst NULL gut sein , Jungs . Gehen wir liebernoch einen Happen essen !

(b) [M0312:12–13] Bring Pfefferminztee für alle , Kellner ! ——Aber Pinky , es ist noch nicht mal acht Uhr ! —— Lass NULLgut sein , Süße . Man lebt nur einmal !

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3 Analyse 58

Referenzklasse topologische Position Anzahl Anteil in ReferenzklassePRODem Vorfeld 130 71,8%(phorisch) Mittelfeld, 1. Position 31 17,1%

Mittelfeld, n. Position 20 11,0%Nachfeld 0 0,0%

PRODem Vorfeld 108 68,4%(deiktisch) Mittelfeld, 1. Position 36 22,8%

Mittelfeld, n. Position 14 8,9%Nachfeld 0 0,0%

Tabelle 12: Verteilung von phorischem und deiktischem PRODem nach topologischer Posi-tion

Ich nehme an, dass deiktisch verwendete Pronomen in Zeitungstexten sehrselten auftreten. Denkbar ist ihr Vorkommen nur in wenigen Kontexten, soetwa bei der Wiedergabe direkter Rede:

(63) »Der war es«, sagte er und zeigte auf Peter.

Die Abweichung von den Referenzdaten könnte also möglicherweise der gemein-samen Untersuchung der phorischen und deiktischen Vorkommen von PROPers3und PRODem geschuldet sein.

Aus diesem Grund habe ich in Tabelle 12 die präferierte topologische Beset-zung durch PRODem nach phorischer und deiktischer Verwendung differenziert.Zwar zeigt sich, dass phorisch verwendete PRODem tatsächlich etwas häufi-ger das Vorfeld besetzen als deiktisch verwendete, aber dieser Unterschied istmarginal. Der Referenztyp beeinflusst die Wahl der topologischen Positionpraktisch nicht.Die Belege mit Mittelfeldvorkommen von PRODem sind ausschließlich Auf-

forderungs- und Fragesätze wie in (64). Der Satzmodus spielt folglich eineentscheidende Rolle bei der Besetzung der topologischen Felder:

(64) (a) [M0301:48–49] Was wollte der denn ?(b) [S020826:1] Ist da nicht eine junge Frau , deren Stimme Sie

mögen ? Kümmern Sie sich lieber um die !

Als eine andere mögliche Erklärung für die Abweichung von den Vergleichsdatendes NEGRA-Korpus in Bosch/Katz/Umbach (2007) kommt daher die höhereFrequenz von Aufforderungs- und Fragesätzen in der konzeptionell ungeplantenSprache in Frage.

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3 Analyse 59

Dass der Anteil der Belege im hinteren Mittelfeld geringer ist als an ersterMittelfeldposition, ist zum Teil der Valenz der finiten Verben geschuldet. VieleVerben fordern nur eine einzige Ergänzung, so dass eine weitere Besetzungdes Mittelfelds gar nicht in jedem Fall notwendig ist. Ein weiterer Einfluss-faktor ist die Bevorzugung weniger komplexer syntaktischer Satzstrukturen inkonzeptionell ungeplanter Sprache. Es werden vergleichsweise oft kurze Sätzegebildet, bei denen das Mittelfeld nur durch eine Konstituente besetzt ist. DieseStrategie wird möglicherweise gerade durch die Präferenz von Verben realisiert,die weniger Ergänzungen fordern. Eine solche Hypothese zu testen, ist an dieserStelle jedoch nicht möglich.Die Verteilung der syntaktischen Funktionen der Pronomen ist in Tabel-

le 13 zusammengefasst. Wiederum werden nur die Vorkommen in Hauptsätzenbetrachtet. Die Abweichungen von den Vergleichsdaten betreffen bei dieserAnalyse zunächst nur PROPers3. Hier weisen deutlich weniger als 70% der Bele-ge die Subjektfunktion auf (NEGRA: über 80%), über 30% der Belege sindObjekte (NEGRA: unter 20%). Für PRODem entsprechen die von mir ermittel-ten Werte dagegen genau den Daten in Bosch/Katz/Umbach (2007). Werdenjedoch die Neutra ausgeschlossen, wie das in der Vergleichsstudie der Fall war,ändern sich die Werte für PRODem, während sie für PROPers3 stabil bleiben.Ohne Neutra sind die Unterschiede in der Präferenz syntaktischer Funktionenim Satz zwischen beiden Pronomenklassen nicht besonders stark ausgeprägt.Dieses Verhalten entspricht der Beobachtung in Bosch/Katz/Umbach (2007).Die Subjektpräferenz ist jedoch insgesamt deutlich geringer ausgeprägt, als inden Vergleichsdaten.Gründe für die beobachtete Abweichung kann ich an dieser Stelle nur ver-

muten (analog kann für die topologische Position argumentiert werden): Ange-nommen, die syntaktische Funktion des Subjekts sei ein Indikator für dessenhohe Salienz (cf. Chiarcos (2003, 61)) beziehungsweise für Thematizität. Einegeringere Präferenz für die Vergabe dieser Funktion an PRODem und PROPers3bedeutet unter dieser Voraussetzung, dass das Thema, das das Pronomenrepräsentiert, weniger oft als Thema wiederaufgenommen wird. Seine Salienzwird schneller geringer. Als Ursache für dieses Phänomen kommen möglicher-weise die spezifischen Produktionsbedingungen von Comic-Texten in Betracht(cf. Abschnitt 2.4): Für diskursive Textelemente steht nur beschränkter Raumzur Verfügung, Themen müssen relativ zügig verhandelt werden, wechseln alsohäufig. Ich nehme an, dass sich diese Hypothese heuristisch anhand der Längevon »Verweisketten«, also der Anzahl wiederholter pronominaler Wiederauf-nahmen von Antezedenten überprüfen ließe.

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3 Analyse 60

Referenzklasse syntaktische Funktion Anzahl Anteil in ReferenzklassePROPers3 Subjekt 373 67,1%

Objekt 152 27,3%Präpositionalobjekt 29 5,2%Prädikativ 2 0,4%

PRODem Subjekt 275 79,7%Objekt 56 16,2%Präpositionalobjekt 12 3,5%Prädikativ 2 0,6%

PROPers3 Subjekt 348 67,1%(ohne Neutra) Objekt 140 27,0%

Präpositionalobjekt 29 5,6%Prädikativ 2 0,4%

PRODem Subjekt 82 63,6%(ohne Neutra) Objekt 33 25,6%

Präpositionalobjekt 12 9,3%Prädikativ 2 1,6%

Tabelle 13: Verteilung von PROPers3 und PRODem nach syntaktischer Funktion

Referenzklasse syntaktische Funktion Anzahl Anteil in ReferenzklassePRODem Subjekt 55 57,3%(phorisch, Objekt 27 28,2%ohne Neutra) Präpositionalobjekt 12 12,5%

Prädikativ 2 2,1%PRODem Subjekt 27 81,8%(deiktisch, Objekt 6 18,2%ohne Neutra) Präpositionalobjekt 0 0,0%

Prädikativ 0 0,0%

Tabelle 14: Verteilung von phorischem und deiktischem PRODem nach syntaktischer Funk-tion

Um den Einfluss phorischer beziehungsweise deiktischer Verwendung derPronomen auf die Vergabe der syntaktischen Funktion zu untersuchen, habeich die Daten für PRODem noch einmal nach der Referenzart differenziert(Tabelle 14).

Die phorischen PRODem weisen einen geringeren Anteil von Vorkommen inSubjektposition auf (unter 60%) als die deiktischen (über 80%). Interessant istdie Beobachtung, dass dieser Unterschied auf die Tatsache zurückzuführen ist,dass alle 12 nachgewiesenen Vorkommen von PRODem in Präpositionalobjektennur phorisch verwendet wurden wie in den folgenden Beispielen:

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3 Analyse 61

(65) (a) [S021112:1] Ich war damals in der Ausbildung und der einzigeunserer Clique , der ein bisschen Geld hatte ! Und ein Auto !Einen ausrangierten Polizei-Käfer , für 500 Mark ersteigert .. . Mit dem sind wir nach Hamburg gefahren . . .

(b) [M0306:6–7] Und mach dir wegen des Gangsters bloß keine Sorgenmehr . Um den kümmert sich jetzt die Polizei in New York !

Doch selbst wenn Präpositionalobjekte in den Vergleich nicht mit einbezogenwerden, ist das Verhältnis Subjekt : Objekt für phorische PRODem ungefähr2 : 1 und für deiktische 4, 5 : 1.

Wie bei der Mittelfeldbesetzung durch PRODem spielt auch bei der Vergabeder syntaktischen Funktion der Satzmodus eine entscheidende Rolle, diesmaljedoch nur für die deiktisch verwendeten Belege. Alle Fälle deiktischer PRODemin Objektfunktion sind wiederum in Aufforderungs- oder Fragesätzen zu finden.In (66a) gerät ein Protagonist zufällig in eine Beratung von Alkoholschmugglern,in (66b) in eine Demonstration von Anarchisten:

(66) (a) [M0306:44-45] Hat jemand von euch den hier schon mal gesehen ?(b) [M0304:42-43] He , seht euch mal die hier an !

In Fragesätzen sind deiktische PRODem in Subjektfunktion jedoch nicht prin-zipiell ausgeschlossen. Sie treten in den Daten allerdings nicht auf. Auf-forderungssätze mit deiktischem PRODem in Subjektfunktion sind dagegennur durch sehr ungewöhnlich klingende Passivkonstruktionen zu erzeugen:

(66)′ (a) Ist jemandem von euch der hier schon mal{

begegnetuntergekommen

}?

(b) He, die hier sollten von euch mal angesehen werden!

3.3.4 Morphologische Merkmale der Antezedenten

Als einziges morphologisches Merkmal der Antezedenten habe ich deren Ka-sus annotiert. Den Einfluss von Numerus und Genus des Antezedenten aufdie Auswahl eines referierenden Pronomens habe ich nicht untersucht, denntypischerweise geht die phorische Referenz gerade mit einer Kongruenz inNumerus und Genus einher (cf. Abschnitt 2.2). Ich gehe daher davon aus,dass sich ähnlich wie bereits in Abschnitt 3.3.2 bei der Untersuchung dermorphologischen Eigenschaften der Pronomen eine Überrepräsentation mas-kuliner Antezedenten aus den dort geschilderten Gründen nachweisen lässt.Fälle morphologischer Inkongruenz zwischen Antezedens und Pronomen traten

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3 Analyse 62

Referenzklasse Kasus Anzahl Anteil in ReferenzklassePROPers3 Nominativ 354 61,7%

Akkusativ 114 21,8%Dativ 60 11,9%Genitiv 12 1,8%unklar 18 2,7%

PRODem Nominativ 101 52,9%Akkusativ 59 30,9%Dativ 14 7,3%Genitiv 2 1,0%unklar 15 7,9%

PROPers3 Nominativ 337 64,7%(ohne Neutrum) Akkusativ 97 18,6%

Dativ 59 11,3%Genitiv 12 2,3%unklar 16 3,1%

PRODem Nominativ 48 50,0%(ohne Neutrum) Akkusativ 34 36,4%

Dativ 9 9,4%Genitiv 2 2,1%unklar 3 3,1%

Tabelle 15: Verteilung der Antezedenten nach Kasus

in den Daten höchst selten auf. Satzinterne Referenzen wurden – wie in denvorhergehenden Analysen – ausgeschlossen.

PROPers3 und PRODem weisen beide eine ähnliche Präferenz in Bezug aufden Kasus des Antezedenten auf. Die Präferenzreihenfolge ist für beide Klassenidentisch: Nominativ–Akkusativ–Dativ-Genitiv. PROPers3 zeigt jedoch einedeutlichere Bevorzugung für Nominativ (über 60%) als PRODem (über 50%).Dieser Unterschied entspricht dem für Akkusativ-Antezedenten, auf die vonPRODem (über 30%) etwas häufiger als von PROPers3 (über 20%) verwiesenwird.

Werden Vorkommen im Neutrum aus der Analyse ausgeschlossen, ändertsich die Verteilung nur geringfügig. Die Präferenzreihenfolge ist vom Genusweitgehend unabhängig.

Die Fälle unklarer Kasuszuordnung sind sämtlich auf Szenenanfänge in denComic-Texten zurückzuführen, bei denen das erste Panel nicht den Anfangeines Diskurses, sondern bereits ein späteres Stadium wiedergibt. Dieses Phä-nomen tritt insgesamt selten auf. In Beispiel (67) berichtet ein Protagonist

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3 Analyse 63

Wort/Referenzklasse absolute Werte relative WerteNominativ andere Kasus Nominativ andere Kasus

er (NEGRA) — — 86,7% 13,2%der (NEGRA) — — 23,6% 76,4%er (Comics) 179 86 67,5% 32,5%der (Comics) 26 27 49,1% 50,9%

Tabelle 16: Vergleich der Verteilung der Antezedenten nach Kasus

seinem Kommunikationspartner von einem Erlebnis. Der Leser konnte in dervorhergehenden Szene das Erlebnis bereits beobachten, so dass eine vollständigeWiedergabe redundant wäre. Das Antezedens des Pronomens ist dabei nichtim Text wiedergegeben. Daher kann auch die Kasuseigenschaft nicht bestimmtwerden.

(67) [KL2:23] . . . und nun buddeln sie wie Maulwürfe !

Festzuhalten bleibt, dass die eine Hälfte der Belege mit PRODem auf Nominativ-Antezedenten verweist, die andere Hälfte auf Antezedenten in den übrigenKasus. PROPers3 dagegen bevorzugt tendenziell Nominativ-Antezdenten. DasVerhältnis liegt hier bei 1, 5 : 1.

Bosch/Rozario/Zhao (2003) nutzen die morphologische Eigenschaft Kasusder Antezedenten als Heuristik für Thematizität (». . . the nominative signalstopicality of the referent . . . and non-nominatives signal non-topicality«). IhreUntersuchung ist auf Vorkommen von der und er und deren Flexionsformenbei satzexterner Referenz in Hauptsätzen beschränkt. Um die Daten direktmiteinander vergleichen zu können, sind in Tabelle 16 auch für die Comic-Textenur Daten dieser Formen angegeben.Auch im direkten Vergleich zwischen den NEGRA-Daten und den Comic-

Texten kann für der keinerlei Präferenz für Antezedenten im Nominativ gegen-über Antezedenten in anderen Kasus konstatiert werden. Für er orientierensich die Werte ebenfalls an denen für die gesamte Klasse PROPers3, für diebereits eine Nominativ-Präferenz von 1, 5 : 1 festgestellt wurde. Diese ist damitdeutlich geringer als in den Vergleichsdaten (6, 5 : 1).

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3 Analyse 64

3.3.5 Syntaktische Funktion der Antezedenten

In Bosch/Katz/Umbach (2007) wird als Heuristik für Thematizität die syn-taktische Funktion des Antezedens genutzt. Ein Vergleich mit den von mirgewonnenen Daten gestaltet sich allerdings schwierig, da sie die syntaktischeFunktion aus dem Kasus des Antezedens ableiten.3 Auf diese Weise werdenzwei Grenzfälle nicht ausreichend berücksichtigt, die in Comic-Texten auftretenund die im Folgenden diskutiert werden.

Eins der in 2.4.2 genannten Merkmale konzeptionell mündlicher, ungeplanterSprache ist die teilweise fragmentierte Syntax von Äußerungen. Dieses Phä-nomen lässt sich in den untersuchten Comic-Texten oft nachweisen. So tretenBelege wie in (68) vergleichsweise häufig auf.

(68) (a) [M0301:48–49] Huch , da fällt was raus : ein Glassplitter ! —— Seht mal , wie der funkelt !

(b) [KL2:25] Tschüs , Grimmi ! —— Wo geht er nun hin ?

In (68a) ist ein Glassplitter nicht in die syntaktische Struktur des Satzes Huch,da fällt was raus eingebunden. Die Rekonstruktion einer (hypothetischen)ursprünglichen Äußerung muss Spekulation bleiben. Einzig sicher ist die Tatsa-che, dass was und ein Glassplitter auf einen identischen Gegenstand referieren,der in ein Glassplitter spezifischer beschrieben wird. In (68b) verabschiedetsich Sprecher 1 von einer Person (Grimmbald), und wird daraufhin von ei-nem weiteren Sprecher auf diese Person angesprochen. Die NominalphraseGrimmi der Verabschiedungsäußerung erscheint zusammen mit dem tschüs alsSatzfragment.

Auch Modifikatoren wie die Nominalphrase der Lady in (69a) oder Präposi-tionalobjekte, die wie in (69b) nicht obligatorisch zur Erfüllung der Verbvalenzsind, können neben dem Subjekt und den Objekten Antezedens eines Prono-mens sein:

(69) (a) [M0304:12–13] Wir schauen uns mal das Zimmer der Lady an !Vielleicht finden wir dort irgendeinen Hinweis , mit welchemZiel sie das Hotel verlassen hat !

(b) [KL3:12] Es wird von einem alten Drachen bewacht —— Nahoffentlich plagt ihn schon das Zipperlein

3Ich vermute, dass die Daten den in Bosch/Rozario/Zhao (2003) dargestellten Kasus-Datengenau entsprechen.

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3 Analyse 65

Referenzklasse syntaktische Funktion Anzahl Anteil in ReferenzklassePROPers3 Subjekt 286 53,1%

Objekt 126 23,4%Präpositionalobjekt 59 10,9%Prädikativ 13 2,4%Einzelphrase 55 10,2%

PRODem Subjekt 90 40,0%Objekt 62 27,6%Präpositionalobjekt 9 4,0%Prädikativ 7 3,1%Einzelphrase 57 25,3%

PROPers3 Subjekt 274 54,4%(ohne Neutra) Objekt 111 22,0%

Präpositionalobjekt 56 11,1%Prädikativ 11 2,2%Einzelphrase 52 10,3%

PRODem Subjekt 42 38,2%(ohne Neutra) Objekt 39 35,5%

Präpositionalobjekt 6 5,4%Prädikativ 6 5,4%Einzelphrase 17 15,5%

Tabelle 17: Verteilung der Antezedenten nach syntaktischer Funktion

Sollen diese Fälle in die Untersuchung mit einbezogen werden, so ist nichtohne Weiteres klar, wie sie zu den Vergleichsdaten in Beziehung gesetzt werdensollten.

Präpositionalobjekte könnten beispielsweise zu den übrigen Objekten hinzu-gezählt werden. Ein Begründung für solches Vorgehen wäre, dass alle Objekteden Valenzrahmen des Verbs füllen. Außerdem weisen sie die Kasusmarkierungnicht-Nominativ auf. Nur sind nicht alle Präpositionalobjekte zwingend zurealisieren.Nominale Einzelphrasen als Resultat von Satzellipsen sind nicht eindeutig

einer der Funktionen Subjekt oder Objekt zuzuordnen. Stärkstes Argument fürdiese Behauptung ist die Tatsache, dass sie prinzipiell in allen Kasus auftretenkönnen. Das ist weder für Subjekte noch für Objekte der Fall (cf. Beispiel (70a)weiter unten).

In Tabelle 17 ist daher zunächst die Verteilung der syntaktischen Funktionender Antezedenten nach der detaillierteren Klassifikation dargestellt, bevor imnächsten Schritt der Vergleich zu den NEGRA-Daten gezogen wird.

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3 Analyse 66

Bei der Betrachtung der gesamten Klassen PROPers3 und PRODem wirdzunächst deutlich, dass beide einen sehr ähnlichen Anteil von Referenzen aufObjekte (direkt/indirekt/präpositional) aufweisen. Hierzu zählt jeweils circa einDrittel der Belege. Wenig mehr als die Hälfte der Belege aus PROPers3 verweistauf Subjekte, bei PRODem liegt dieser Anteil bei 40%. Auffällig ist zudemder sehr hohe Anteil an Verweisen auf Einzelphrasen, der am deutlichsten beiPRODem zu Tage tritt:

(70) (a) [S020716:1] Aber wie komme ich an ihren Namen und Adresse ?Das Einwohnermeldeamt hat mich ausgelacht ! Datenschutz !Wenn ich das schon höre . . .

(b) [M0301:50–52] Ihre Behauptung , noch nie in New York gewesenzu sein , war eine glatte Lüge . —— Genau ! Äh . . . Warumeigentlich ? —— Der Hut , Fenner ! Der grüne Hut ! Wohersollten sie den haben , wenn sie aus dem Orient kämen ?

Beide Beispiele verdeutlichen zudem noch einmal die Unmöglichkeit, für sol-che Antezedenten zu entscheiden, welche syntaktische Funktion sie besetzen.Mögliche Einbindungen der Phrase Datenschutz in (70a) sind beispielsweiseDas unterliegt dem Datenschutz (Objekt) oder Das lässt der Datenschutz nichtzu (Subjekt) und viele weitere. In (70b) unterhalten sich zwei Kriminalbeamteüber eine Gruppe Verdächtiger. Auch hier sind verschiedene Einbindungen derPhrase Der (grüne) Hut möglich: Der Hut passt nicht dazu (Subjekt) oder DerSchlüssel ist der Hut (Prädikativ) und so weiter.

Werden die neutralen Belege nicht in die Analyse einbezogen, ändern sichdie Anteile für PROPers3 einmal mehr nur marginal. Für PRODem besteht diedeutlichste Veränderung in der Reduzierung des Anteils der Einzelphrasenum 10%. In der selben Größenordnung steigt der Anteil der Objekte an.Offenbar ist für neutrale PRODem die Tendenz zum Verweis auf Einzelphrasengrößer als bei den übrigen Klassenmitgliedern.Im Gegensatz dazu berichten Bosch/Katz/Umbach (2007) von einem deut-

lich ausgeprägten Unterschied in der Präferenzreihenfolge von PRODem undPROPers3 für Subjekt- beziehungsweise Objekt-Antezedenten. In Tabelle 18werden die Ergebnisse einander gegenübergestellt.

Der Vergleich der Daten weist zum Teil deutliche Abweichungen der Comic-Texte von den journalistischen Texten des NEGRA-Korpus nach. Einzig dieVorkommen von PROPers3 entsprechen zumindest annähernd der Präferenzver-teilung der NEGRA-Daten. Der Anteil von Objekt-Antezedenten ist jedoch

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3 Analyse 67

Referenzklasse absolute Werte relative WerteSubjekt Objekt Subjekt Objekt

PROPers3 (NEGRA) — — ≈85,0% ≈15,0%PRODem (NEGRA) — — ≈25,0% ≈75,0%PROPers3 (Comics) 286 126 69,4% 30,6%PRODem (Comics) 90 62 59,2% 40,8%PROPers3 (Comics, ohne Neutra) 274 111 71,2% 28,8%PRODem (Comics, ohne Neutra) 42 36 53,8% 46,2%

Tabelle 18: Vergleich der Verteilung der Antezedenten nach syntaktischer Funktion

ungefähr doppelt so groß. PROPers3 bevorzugt in den Comic-Texten Subjekt-Antezedenten im Verhältnis 2,3 : 1 (NEGRA: 5,7 : 1).

Für PRODem findet sich keine Übereinstimmung mit den Daten aus Bosch/Katz/Umbach (2007). Die Präferenzordnung ist sogar genau umgekehrt. Wäh-rend die NEGRA-Daten ein Verhältnis von Subjekt- zu Objektantezedentenvon 1 : 3 aufweisen, liegt dieser Wert in den Comic-Texten bei 1,5 : 1. Dasbedeutet, dass auch PRODem Subjekt-Antezedenten bevorzugt, wenn auch nichtin dem selben Maße wie PROPers3.

Werden Vorkommen im Neutrum nicht betrachtet, so ändern sich die Wertefür PROPers3 kaum. Bei PRODem schwächt sich die Präferenz für Subjekt-Antezedenten auf 1,2 : 1 ab. Sie wird damit annähernd indifferent.

Da Bosch/Katz/Umbach (2007) die syntaktische Funktion aus dem Kasusableiten, habe ich im nächsten Schritt Präpositionalobjekte zu den übrigenObjekten hinzugezählt und Prädikative entsprechend zu den Subjekten. DieseWerte erscheinen in Tabelle 19. Für PRODem ergeben sich dadurch zunächst nursehr geringfügige Änderungen. Werden wie in der Vergleichsstudie die Neutraignoriert, sinkt die untersuchte Präferenz bei PROPers3 auf 1,7 : 1 und beiPRODem auf 1,1 : 1. Damit zeigt PROPers3 nur noch eine schwache Bevorzugungvon Subjekt-Antezedenten, PRODem bleibt in dieser Hinsicht indifferent, wennauch mit marginaler Tendenz zu Subjekt-Antezedenten.

3.3.6 Semantik der Referenten

Bereits bei der Beschreibung der Fragestellung dieser Arbeit wurde daraufhingewiesen, dass die semantischen Eigenschaften des Referenten einen Einflussauf die Auswahl der verwendeten Pronomen haben könnte. Dieser Vermutungsoll nun nachgegangen werden. Um die Resultate zu den übrigen Analysen sinn-

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3 Analyse 68

Referenzklasse absolute Werte relative WerteSubjekt Objekt Subjekt Objekt

PROPers3 (NEGRA) — — ≈85,0% ≈15,0%PRODem (NEGRA) — — ≈25,0% ≈75,0%PROPers3 (Comics) 345 139 71,3% 28,7%PRODem (Comics) 97 71 57,7% 42,3%PROPers3 (Comics, ohne Neutra) 281 167 62,7% 37,3%PRODem (Comics, ohne Neutra) 48 42 53,3% 46,7%

Tabelle 19: Vergleich der Verteilung der Antezedenten nach syntaktischer Funktion unterEinbeziehung von Präpositionalobjekten und Prädikativen

Referenzklasse absolute Werte relative Werteunbelebt abstrakt belebt Mensch unbelebt abstrakt belebt Mensch

PROPers3 112 13 29 404 20,1% 2,3% 5,2% 72,4%PRODem 65 45 9 53 37,8% 26,2% 5,2% 30,8%PROPers3 (ohne Neutra) 83 9 29 401 15,9% 1,7% 5,6% 76,8%PRODem (ohne Neutra) 35 5 8 48 36,5% 5,2% 8,3% 50,0%

Tabelle 20: Verteilung der Antezedenten nach semantischer Klasse (phorische Verweise)

voll in Beziehung setzen zu können, habe ich syntaktisch gebundene Pronomenwiederum nicht betrachtet.

Die Annahme unterschiedlicher semantischer Präferenzen für die verschiede-nen Referenztypen (phorisch, deiktisch, generisch, cf. Abschnitt 2.2.4) erscheintzunächst intuitiv plausibel. Mit generisch verweisenden Pronomen kann nurauf Personen oder Gruppen von Personen verwiesen werden, deiktisch kannnicht auf Abstrakta verwiesen werden; bei phorischen Verweisen gibt es keineprinzipielle semantische Beschränkung. Aus diesem Grund habe ich eine Diffe-renzierung nach Referenztypen vorgenommen. Auf eine quantitative Analyseder generischen Vorkommen muss dabei verzichtet werden, da insgesamt nurvier derartige Belege auftraten (cf. Abschnitt 3.3.7).

In Tabelle 20 sind die Daten der phorisch verwendeten und in Tabelle 21 dieder deiktisch verwendeten Pronomen zusammengefasst.

Für phorische Verweise können anhand der Daten tatsächlich unterschiedlichePräferenzen für die Klassen PROPers3 und PRODem nachvollzogen werden. Inüber 70% der Belege verweist PROPers3 auf menschliche Figuren, in 20% derBelege auf unbelebte Objekte. Andere Belebte sowie Abstrakta treten nur

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3 Analyse 69

Referenzklasse absolute Werte relative Werteunbelebt abstrakt belebt Mensch unbelebt abstrakt belebt Mensch

PROPers3 5 0 1 51 8,8% 0,0% 1,8% 89,5%PRODem 85 7 5 63 53,1% 4,4% 3,1% 39,4%PROPers3 (ohne Neutra) 4 0 1 50 7,3% 0,0% 1,8% 90,9%PRODem (ohne Neutra) 3 0 1 31 8,6% 0,0% 2,9% 88,6%

Tabelle 21: Verteilung der Antezedenten nach semantischer Klasse (deiktische Verweise)

vergleichsweise selten auf. Durch einen Verzicht auf die Neutra ändert sich dasVerhältnis nochmals geringfügig zugunsten der Klasse [+menschlich].

PRODem weist dagegen eine ungefähr doppelt so große Präferenz für un-belebte Objekte auf wie für PROPers3. Nur knapp ein Drittel der Pronomenverweist auf menschliche Figuren. Ein Viertel aller Belege sind Verweise aufAbstrakta. Das Verhalten von PRODem ändert sich durch das Weglassen neu-traler Vorkommen deutlich. Während die Zahl der Verweise auf die Klasse[+unbelebt] nur geringfügig abnimmt, treten nur noch sehr wenige Verweiseauf Abstrakta auf. Der Anteil der Verweise auf menschliche Antezedentensteigt erheblich an und stellt mit 50% der Belege die bevorzugte Klasse dar.Die absoluten Zahlen belegen, dass Verweise auf Abstrakta und die Hälfteder Verweise auf unbelebte Objekte fast ausnahmslos durch Neutra realisiertwerden. Ohne Neutra entspricht die Präferenzreihenfolge genau derjenigen derKlasse PROPers3. Das Verhältnis Mensch : unbelebtes Objekt liegt für PROPers3bei 4,8 : 1, für PRODem jedoch nur bei 1,4 : 1.Bei den deiktisch verwendeten Pronomen ist die Präferenz bestimmter se-

mantischer Antezedensklassen deutlicher ausgeprägt als bei den phorisch ver-wendeten. Zudem treten nur sehr wenige Belege für Verweise auf Abstraktaauf. Dass diese nicht unmöglich sind, verdeutlicht Beispiel (71). Nach der inAbschnitt 3.2.2 vorgenommenen Definition der semantischen Klassen zählenauch Vorgänge und Prozesse im weitesten Sinne zu den Abstrakta:

(71) [KL2:17] Warum stehst du ? Das is’ne Sitzung !

Für PROPers3 liegt das Verhältnis [+unbelebt] : [+menschlich] ungefähr bei1 : 10; Neutra beeinflussen diesen Wert praktisch nicht. PRODem dagegen weistein Verhältnis von 1,3 : 1 auf. Das bedeutet, dass eine leichte Präferenz fürunbelebte Objekte vorliegt. Werden Neutra in der Analyse ausgeblendet, sonimmt das Präferenzverhältnis denselben Wert an wie bei PROPers3. Der Verweis

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3 Analyse 70

Referenzklasse absolute Werte relative Wertephorisch deiktisch generisch phorisch deiktisch generisch

PROPers3 559 57 3 90,3% 9,2% 0,5%PRODem 180 165 1 52,0% 47,7% 0,3%PROPers3 (ohne Neutra) 522 55 3 90,0% 9,5% 0,5%PRODem (ohne Neutra) 95 35 1 73,1% 26,9% 0,8%

Tabelle 22: Verteilung der Verweisarten

auf Objekte erfolgt also vorwiegend durch neutrale Pronomen aus PRODem.Ein Unterschied in der Verwendung nicht-neutraler deiktischer Pronomen kannnicht festgestellt werden.

3.3.7 Referenzeigenschaften

Abschließend wird die Verteilung der Referenzeigenschaften untersucht. Ta-belle 22 fasst die Verwendung der drei Referenztypen phorisch, deiktisch undgenerisch zusammen. Generische Verweise traten insgesamt sehr selten auf(vier Belege) und werden hier nicht weiter betrachtet. Für PROPers3 kann einegenus-unabhängige Präferenz für phorische Verwendung konstatiert werden.Nur jeder zehnte Beleg stellt ein deiktisches Pronomen dar. Die Klasse PRODemdagegen ist in der Bevorzugung eines der beiden Referenztypen indifferent.Die Ursache ist in der häufigen deiktischen Verwendung des neutralen Pro-nomens zu suchen (cf. Abschnitt 3.3.6). Werden diese neutralen Vorkommennicht gewertet, so wird eine größere Bevorzugung der deiktischen Verwendungerkennbar. Jeder vierte Beleg ist für nicht-neutrale Pronomen deiktisch.

Einer der Tests, der in Abschnitt 2.2.5 zur Identifizierung von PROPers3 undPRODem bei der Referenz auf Konkreta angegeben wurde, war die möglicheErgänzung des Pronomens durch ein deiktisches Adverb. Andere Möglichkeiten,die »Nachdrücklichkeit« einer Referenz zu verstärken, stellen die Vergabe einesprominenten Wortakzentes (wiedergegeben durch typographische Hervorhe-bung, cf. Abschnitt 2.4.2) und Zeigegesten dar (cf. Abschnitt 2.3). In Tabelle 23ist die Häufigkeit dieser drei Mittel einander gegenübergestellt.Alle referenzverstärkten Vorkommen von PROPers3 treten zusammen mit

einer Zeigegeste auf. Prosodische Information oder Adverben kommen nichtzum Einsatz. Bei PRODem tritt dagegen nur die Hälfte derartiger Vorkommenin Kombination mit PG auf. Die übrigen Vorkommen werden von einem Adverb

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3 Analyse 71

Referenzklasse absolute Werte relative Wertetypographisch Adverb PG typographisch Adverb PG

PROPers3 0 0 16 0,0% 0,0% 100,0%PRODem 3 18 23 6,8% 40,9% 52,3%PROPers3 (ohne Neutra) 0 0 15 0,0% 0,0% 100,0%PRODem (ohne Neutra) 0 5 7 0,0% 41,7% 58,3%

Tabelle 23: Verteilung der Referenzverstärkung

begleitet und nur sehr wenige typographisch hervorgehoben. Zudem offenbarendie absoluten Zahlen eine starke Tendenz, gerade neutrale PRODem zu verstärkenbeziehungsweise zu spezifizieren. Das ist auch verständlich, denn diese weisen invielen Fällen keine morphologische Kongruenz mit ihrem sprachlich realisiertenAntezedens auf. Dadurch stellen entsprechend selten gleiche morphologischeKategorien einen Hinweis auf mögliche Antezedenten dar und andere Mittelzur Spezifizierung müssen genutzt werden.

In einigen wenigen Fällen können allerdings mehrere referierende Ausdrückeangenommen werden, die mit der Zeigegeste korrespondieren:

(72) [M0302:42–43] Was war das eigentlich für einer ? —— PG Dumeinst Mr . Smith ? Er wohnt hier im Haus . NULL Besitzt daschinesische Restaurant gegenüber .

Die möglichen Referenten der Zeigegeste sind in Beispiel (72) hervorgehoben.Für er ist eine Kombination mit PG zwar möglich, aber sehr ungewöhnlich. DasPanel, in dem diese Äußerung erscheint, zeigt die Kommunikationspartner desDiskurses, aber keinen der möglichen Referenten. Lediglich die Eingangsstufendes Hauses, auf das sich hier im Haus bezieht, sind sichtbar. Diese Phrase kannals Referent ausgeschlossen werden, da die Zeigegeste vom Eingang wegweist.Damit bleiben als wahrscheinliche Referenten Mr. Smith und das chinesischeRestaurant gegenüber sowie (weniger wahrscheinlich) er. Eine Disambiguierungder Zeigegeste ist auf Basis dieser Daten nicht möglich, weil das Verweisziel vonPG weder lokal, noch anhand des Zeitpunkts der Ausführung der Zeigegesteidentifiziert werden kann (cf. »uneindeutige Gleichzeitigkeit«, Abschnitt 2.4.2).

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4 Diskussion 72

4 Diskussion4.1 Bewertung der ErgebnisseIn Abschnitt 2.4.1 habe ich die Hypothese formuliert, dass es sich bei diskur-siven Comic-Texten um eine Sprachform handelt, die zwischen konzeptionellmündlicher und schriftlicher Sprache anzusiedeln ist. Diese Hypothese wirddurch das Verhältnis von PROPers3 und PRODem in den untersuchten Daten undden Vergleichsdaten gestützt (cf. Abschnitt 3.3.1). Für die Zeitungstexte liegtdas Verhältnis bei 13 : 1, für narrative Comic-Texten bei 8 : 1, für diskursiveComic-Texte bei 2 : 1 (4 : 1 ohne Neutra) und für Terminabsprachen bei 1 : 4.Damit ergibt sich die Reihenfolge:

Zeitungstexte > narrative Comic-Texte > diskursive Comic-Texte > Terminabsprachen(konzeptionell schriftlich) (konzeptionell mündlich)

Hierdurch wird ein Teil des Kontinuums zwischen konzeptioneller Mündlichkeitund Schriflichkeit aufgespannt. Je weiter ein Text in Richtung konzeptionellerMündlichkeit einzuordnen ist, desto größer wird der Anteil von PRODem anden auftretenden Pronomen.Die thematischen Unterschiede der Diskurstypen, die Bosch/Katz/Umbach

(2007) anführen, spielen möglicherweise als Erklärung ebenfalls eine Rolle. Die-ser Einfluss wurde in Bezug auf meine Fragestellung meines Wissens bisher nochnicht untersucht. Die beiden Comic-Texttypen sind einander jedoch thematischsehr ähnlich. Oft sind narrative Texte inhaltliche Zusammenfassungen vonGeschehnissen, die zuvor diskursiv vermittelt wurden. Vielfach leiten sie auchdiskursive Abschnitte ein oder fassen diese zusammen. Dadurch kann für dieComic-Texte zumindest ein nebenläufiger thematischer Einfluss ausgeschlossenwerden.

Die Hypothese von der konzeptionellen Mündlichkeit diskursiver Comic-Texte wird zusätzlich durch die Tatsache gestützt, dass bis auf sehr wenigeAusnahmen alle Vorkommen von PRODem in diesen Texten der der-Reihezuzuordnen sind. In den narrativen Comic-Texten entstammen dagegen mehrals die Hälfte der Vorkommen der dieser-Reihe.

Schließlich ist auch das häufige Auftreten von diskursdeiktischen Verwendun-gen von PRODem als Indiz für die konzeptionelle Mündlichkeit der Comic-Textezu werten. Die überwiegende Mehrheit der Vorkommen entfällt auf diese Grup-pe und weist auch eine deutlich andere satzinterne Distribution auf als dieübrigen Klassenmitglieder (Abschnitt 3.3.1).

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>110

[%]

[d]

PROPers3PDem

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>110

[%]

[d]

PROPers3PDem

Abbildung 7: Entfernung d von Antezedens und Pronomen. Links die Daten aus Bosch/Rozario/Zhao (2003), rechts die Daten der Comic-Texte

Die Frage ist, ob neben dem höheren quantitativen Anteil von PRODemim Vergleich zu den NEGRA-Daten auch ein qualitativer Unterschied zu ver-zeichnen ist. Für die Terminabsprachen stehen keine diesbezüglichen Datenzur Verfügung. Zwischen Zeitungstexten und Comic-Texten konnten jedochteilweise erhebliche Unterschiede für die Verwendungspräferenzen von PROPers3und PRODem nachgewiesen werden. Bei allen im Folgenden dargelegten Verglei-chen werden nur die Belege berücksichtigt, die phorisch verwendete Pronomen(außer Neutra) enthalten, die nicht syntaktisch gebunden sind. Auf diese Weisewird die Vergleichbarkeit mit den Daten der nicht von mir durchgeführtenUntersuchungen sichergestellt.

Zunächst muss festgestellt werden, dass der untersuchte Phänomenbereich –syntaktisch ungebundene Vorkommen von PROPers3 und PRODem – in denComic-Texten größer als im NEGRA-Korpus ist. Sowohl für PRODem als auchfür PROPers3 treten deutlich weniger gebundene Belege als in den Vergleichsda-ten auf (cf. Abbildung 7). Der Grund hierfür ist im konzeptionell mündlichenCharakter der Comic-Texte zu suchen. Eines der Merkmale, die Miller/Weinert(1998) für konzeptionell mündliche Texte beziehungsweise Diskurse nennen, istdie geringe Komplexität von Sätzen und Phrasen. Diese können darüber hinausauch fragmentiert auftreten. Das ist in den Comic-Texten durchaus häufig derFall (cf. Abschnitt 3.3.5).

Die Ergebnisse der Analysen für die satzinterne topologische und syntaktischeDistribution der untersuchten Pronomen sind in Abbildung 8 einander graphischgegenübergestellt. Die am stärksten ausgeprägte satzinterne Präferenz für

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PRODem ist in beiden Datensätzen die Kombination Subjekt/Vorfeld. In denComic-Texten ist sie jedoch weniger dominant als in den NEGRA-Texten.Bei ihrer Analyse stellen Bosch/Katz/Umbach (2007) fest, dass Subjekt-

Vorkommen in Vorfeldposition sowohl für PRODem als auch für PROPers3 typischsind. Verweise durch PROPers3 in Vorfeldposition als syntaktisches Objekt be-zeichnen sie dagegen als »unnatural«. Derartige Daten traten auch in denComic-Texten nur in vier Fällen auf. Ein repräsentatives Beispiel ist (73). Hierist das Pronomen mit den entsprechenden Eigenschaften Teil eines Präpositio-nalobjekts:

(73) [M0311:8–9] Der Kleine hier scheint deinen Freund Pryer auchzu kennen ! Du kannst ihm vertrauen ! Ohne ihn hätten wir esnicht bis zu dir geschafft .

Es scheint mir wichtig, deutlich darauf hinzuweisen, dass nicht Sätze diesesTyps oder das Auftreten von PROPers3 an dieser Stelle »unnatürlich«, sonderndie Position von PROPers3 statistisch gesehen sehr selten ist. Sie kann aufgrundsyntaktischer Restriktionen in der Regel nicht durch PROPers3 allein besetztwerden (cf. Abschnitt 2.2.4). Alle Vorkommen in den anderen Funktionen/Positionen von PROPers3 treten annähernd gleichverteilt auf. Hier ist keinePräferenz für eine bestimmte Kombination zu verzeichnen.Die Feststellung der »Unnatürlichkeit« von Vorkommen von PRODem als

Objekte im Mittelfeld – selbst im Sinne statistischer Seltenheit – wird für dieComic-Texte sogar deutlich widerlegt. Diese Kombination tritt genauso häufigauf, wie Objekt/Vorfeldfeld und Subjekt/Mittelfeld:

(74) [M0308:8–9] Die Fahrkarten zahle ich ! —— Was , Fahrkarten ?Wovon willst du die denn bezahlen ?

In Beispielen wie (74) wäre ganz im Gegenteil ein Vorkommen von PROPers3als Objekt im Mittelfeld fragwürdig:

(74)′ ?Die Fahrkarten zahle ich ! —— Was, Fahrkarten ? Wovon willst dusie denn bezahlen ?

Beispiel (74) illustriert auch, wodurch die relative Häufigkeit hervorgerufen wird.Fast alle derartigen Belege sind Fragesätze, einige auch Aufforderungssätze.In den vielen Fragesätzen ist die Vorfeldposition bereits durch ein Interroga-tivpronomen besetzt. PRODem muss folglich in einem weiter hinten liegendenFeld positioniert werden. Aufforderungssätze sowie einige Fragesätze weisen alsVerb-Erst-Sätze gar kein durch ein Pronomen besetzbares Vorfeld auf. Auch

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Objekt/MFSubjekt/MFObjekt/VFSubjekt/VF

[%]

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Objekt/MFSubjekt/MFObjekt/VFSubjekt/VF

[%]

PROPers3PDem

Abbildung 8: Satzinterne Verteilung von PROPers3 und PRODem. Links die Daten ausBosch/Katz/Umbach (2007), rechts die Daten der Comic-Texte

für PROPers3 treten mehr Objekt-Belege im Mittelfeld auf als bei den Ver-gleichsdaten. Die Erklärung ist analog zu der eben geschilderten. Ein wichtigerFaktor für die satzinterne Distribution der Pronomenklassen ist also auch derSatzmodus. Dass dieser Faktor einen ungleich größeren Einfluss aufweist als inden NEGRA-Daten, ist der diskursiven Natur der Comic-Texte geschuldet.Eine mögliche Erklärung für die beschriebenen Unterschiede liegt auf der

Hand: Der Parameter Textsorte variiert zwischen beiden Daten. Damit ein-her geht auch ein Unterschied in der Konzeption der jeweils repräsentiertenTexte. Die Unterschiede könnten also auf unterschiedliche Verwendung vonPROPers3 und PRODem in konzeptionell mündlicher und schriftlicher Sprachezurückzuführen sein.Auch das relativ häufige Auftreten von NULL – ebenfalls ein Artefakt kon-

zeptioneller Mündlichkeit – kommt als Erklärung für die Verschiebung imVorfeld in Frage. Derartige Belege treten generell nur im Vorfeld auf. Aller-dings können sie nicht pauschal einer der beiden Pronomenklassen zugerechnetwerden, denn in den meisten Fällen ist eine eindeutige Rekonstruktion nichtmöglich (cf. Abschnitt 2.2). Ihr Einfluss kann daher an dieser Stelle nicht exaktbestimmt werden. Festzustellen ist jedoch, dass über 8% der Vorkommen vonPROPers3 und PRODem durch NULL realisiert werden. Topic-Drop ist damitin den untersuchten Daten kein marginales Phänomen. Allerdings sind zweiDrittel aller Vorkommen von NULL Auslassungen syntaktischer es-Vorkommenoder Auslassungen von Diskursdeiktika. Sie würden die Werte ohnehin nichtbeeinflussen.

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ObjektSubjekt

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PROPers3PDem

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ObjektSubjekt

[%]

PROPers3PDem

Abbildung 9: Präferenz von PROPers3 und PRODem für die syntaktische Funktion desAntezedens. Links die Daten aus Bosch/Katz/Umbach (2007), rechts dieDaten der Comic-Texte

Die wichtigste Beobachtung in Bosch/Rozario/Zhao (2003) war die Feststel-lung, dass PROPers3 eine deutliche Präferenz für Subjekt-Antezedenten undPRODem eine etwas weniger ausgeprägte Präferenz für Objekt-Antezedentenaufweisen. Die syntaktische Funktion der Antezedenten wurde als Heuristikgenutzt, um dessen informationsstrukturellen Status zu ermitteln. Subjektesind typischerweise thematisch, Objekte dagegen nicht. In Abbildung 9 werdendiese Daten den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung gegenübergestellt.Offenbar kann für die Distribution von PRODem in Comic-Texten von einerKomplementarität in Bezug auf die syntaktische Rolle des Antezedens keineRede sein. Insbesondere zeigt PRODem im Gegensatz zu den Vergleichsdatenebenfalls eine Bevorzugung von Subjekt-Antezedenten. Für PROPers3 ist diePräferenz für Subjekt-Antezedenten zwar nachweisbar, allerdings verweist einDrittel der Vorkommen auf Objekt-Antezedenten.Die Abweichungen von den Daten des NEGRA-Korpus können in dieser

Größenordnung nicht als Ausnahmen verstanden werden. Vielmehr sind sie eindeutlicher Beleg für die Vermutung, dass nicht die grammatischen Eigenschaftendes Antezedens das entscheidende Kriterium für die Wahl des referierendenPronomens sind. Diese sind bestenfalls ein indirekter Hinweis auf die eigentlichzugrundeliegenden Ursachen. Auch Bosch/Umbach (2007) kommen zu diesemSchluss. Sie untermauern diese Vermutung durch die folgenden theoretischenÜberlegungen:

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1. »[T]he interpretation of personal pronouns . . . is more a matter of refe-rent search than a search for coreferential antecedent expressions.« Einsprachliche realisiertes Antezedens muss gar nicht zwingend vorliegen,wenn eine pronominale Referenz etabliert wird. Folglich ignoriert manbei der Konzentration auf grammtische Eigenschaften der Referentenzwangsläufig all die Vorkommen, in denen der Referent nicht sprachlichrealisiert ist. Das trifft zum Beispiel auf allen deiktische Verweise zu(cf. Abschnitt 2.1).

2. »[I]f they (pronouns, A.H.) have antecedents, they need not be corefe-rential with them . . . « Zur Illustration sei an dieser Stelle noch einmalBeispiel (32) wiederholt (cf. Abschnitt 2.2):

(32) [S021022:1] Eventuell schicke ich Sie zu denBlechschmitt-Verhandlungen ! Das sind ziemlich harteJungs , die es auch schon mal mit Einschüchterungversuchen . . .

Der sprachliche Ausdruck, auf den sich das Pronomen das bezieht, istunzweifelhaft Blechschmitt-Verhandlungen. Eine Koreferenz ist hier je-doch nicht gegeben. Das kann leicht durch die Ersetzung des Pronomensdurch das Antezedens nachgewiesen werden:

(32)′ Die Blechschmitt-Verhandlungen sind ziemlich harte Jungs, diees auch schon mal mit Einschüchterung versuchen . . .

In solchen Fällen kommt eine Klassifikation mit Hilfe der grammatischenEigenschaften des Antezedens zwangsläufig zu falschen Ergebnissen.

Die genannten Gründe machen deutlich, dass die Formulierung einer exaktenRegel zur Vorhersage der Auswahl zwischen PROPers3 und PRODem möglicher-weise prinzipiell nicht geleistet werden kann. Es bleibt also nur der Versuch,anhand von Eigenschaften des sprachlichen und nichtsprachlichen KontextsPräferenzen zu formulieren.

Erste Versuche in dieser Richtung stellen die pragmatisch und soziolinguis-tisch orientierten Ansätze dar, nach denen PRODem in der Umgangssprachebevorzugt wird, PROPers3 dagegen in schriftlichen Texten (cf. Abschnitt 2.2.1).Hierdurch wird die prinzipielle Austauschbarkeit beider Pronomenklassen im-pliziert. Diese ist jedoch ganz offenbar nicht gegeben.

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4 Diskussion 78

Bosch/Rozario/Zhao (2003) formulieren mit ihrer Komplementaritätshypo-these einen informationsstrukturellen Ansatz. Sie nehmen an, dass PROPers3thematische Referenten (discourse topics) und PRODem rhematische Referenten(non-topical) bevorzugt. Diese Hypothese wird in Bosch/Umbach (2007) leichtmodifiziert (PRODem vermeidet thematische Referenten, PROPers3 nicht).Die Größenordnung der von mir beobachteten Abweichungen von dieser

Hypothese lässt jedoch nicht nur den Schluss zu, dass die untersuchten gram-matischen Eigenschaften nur indirekte Hinweise auf zugrundeliegende Phäno-mene sind. Die syntaktische Funktion des Antezedens stellt in Comic-Textenvielmehr nur einen vagen Hinweis dar. Wenn das ursächliche Phänomen infor-mationsstruktureller Art ist, so kann für Comic-Texte offenbar die syntaktischeFunktion des Antezedens nicht als Heuristik für dessen thematischen Statusgenutzt werden.

Eine weitere Möglichkeit, den thematischen Status von Antezedenten heuris-tisch durch grammtische Eigenschaften abzubilden, stellt dessen topologischePosition dar. Die beiden oben diskutierten Gründe, die der Grund dafür sind,dass die syntaktische Funktion des Referenten nur eine indirekte Abbildung derInformationsstruktur ist, treffen jedoch analog auch für die topologische Positi-on zu. Möglicherweise ist auch sie für Comic-Texte keine geeignete Wahl. Zudemwird sie durch den Satzmodus beeinflusst. Dadurch kann für Konstituentendes Satzes in vielen Fällen eine Vorfeldbesetzung verhindert werden.

Soll die Frage nach informationsstrukturellen Präferenzen von PROPers3 undPRODem für das Deutsche methodisch belastbar quantitativ untersucht werden,so wird man auf die Annotation eben dieser Merkmale nicht verzichten können.Eine heuristische Abbildung auf grammatische Kategorien ist nicht universellauf alle Sprachdaten anwendbar.Festzuhalten bleibt bisher die Feststellung, dass die Auswahl zwischen

PROPers3 und PRODem durch (mindestens) einen Faktor beeinflusst wird, derzwischen verschiedenen Text- und Diskurstypen offenbar variiert.

Bosch/Umbach (2007) diskutieren eine Reihe von Ausnahmefällen der Kom-plementaritätshypothese. Sie versuchen so zu testen, ob dieser Faktor wirklichinformationsstruktureller Art ist. Ihr Hypothese ist, dass PROPers3 gar keinerprinzipiellen informationsstrukturellen Einschränkung in der Wahl der Referen-ten unterworfen ist. PRODem dagegen, so vermuten sie, vermeidet eine Referenz,wenn der Referent bereits im vorangehenden Satz thematisch war, das heißt,wenn er bereits vor dem Vorgängersatz als neuer Referent eingeführt wurde.Die Hypothese nenne ich im Folgenden kurz »Thema-Vermeidungshypothese«.Die Thema-Vermeidungshypothese ist implizit auf den sprachlichen Kontextbeschränkt. Aussagen über nicht sprachlich realisierte Referenten werden da-

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4 Diskussion 79

durch nicht getroffen. Anders ausgedrückt: Am Ende von Satzfolgen oderDiskursabschnitten vermeidet PRODem die Lesart als thematische Progressionmit durchlaufendem (unverändertem) Thema. Es ist nur die Interpretation alslineare thematische Progression möglich (cf.Gansel/Jürgens (2007) 42 f.):

(75) Maria hat einen neuen Hut1.(a) Er1 stammt von einem jungen Designer2.

Der2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen.(b) Der1 stammt von einem jungen Designer2.

Der1/2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen.

Beide Sequenzen weisen in den ersten beiden Sätzen dieselbe Thema-Rhema-Strukturierung auf. Im ersten Satz ist einen neuen Hut rhematische Information;im Folgesatz wird diese Information (Hut) pronominalisiert zum Thema. Dierhematische Information hierzu ist von einem jungen Designer.In Beispiel (75a) referiert Der im letzten Satz auf jungen Designer (das

Rhema des vorhergehenden Satzes). Entsprechend der Hypothese ist nur dieangegebene Lesart möglich: Der referiert nicht auf das Thema (Er) des vorhe-rigen Satzes. Das Thema wird also in dieser Sequenz bei jedem Schritt (linear)verändert.

In (75b) jedoch stößt die Thema-Vermeidungshypothese von Bosch/Umbach(2007) an ihre Grenze. Hier sind durchaus beide Lesarten im letzten Satzmöglich – sowohl der Verweis auf das Thema als auch auf das Rhema desvorherigen Satzes. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass auch PRODem alsMittel der »thematischen Fortführung« eingesetzt werden kann (Zifonun et al.(1997, 558)).

Beide Beispieldiskurse unterscheiden sich nur in einem Punkt. Im zweiten Satzwird das Thema entweder durch PROPers3 oder durch PRODem repräsentiert.Offenbar muss die konkrete Realisierung desjenigen Pronomens beachtet werden,auf das sich PRODem im letzten Satz der Sequenz bezieht.Die folgenden Beispiele dienen der Systematisierung dieser Überlegung.

Gleichzeitig werden noch zwei weitere Möglichkeiten pronominaler Referenzbetrachtet – zum einen PRODem mit starkem Akzent und zum anderen NULL:

(76) Maria hat einen neuen Hut1.Er1 stammt von einem jungen Designer2.

(a) Er1/2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: = 1 ∨ 1→ 2)(b) Der2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: 1→ 2)(c) Der2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: 1→ 2)(d) NULL1 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: = 1)

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(77) Maria hat einen neuen Hut1.Der1 stammt von einem jungen Designer2.

(a) Er1/2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: = 1 ∨ 1→ 2)(b) Der1/2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: = 1 ∨ 1→ 2)(c) Der2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: 1→ 2)(d) NULL1 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: = 1)

Sowohl in Beispiel (76a) als auch in (77a) wird deutlich, dass die Referenzmög-lichkeiten von er beide möglichen Referenten einschließen. Durch er ist alsosowohl eine thematische Progression mit konstantem Thema (Thema: = 1) alsauch eine lineare thematische Progression (Thema: 1→ 2) möglich. Diese Be-obachtung ist kompatibel mit der Thema-Vermeidungshypothese. Die Beispiele(76c) und (77c) sind unmittelbar einleuchtend. Eine starke Akzentuierung vonPRODem bewirkt eine Referenz auf das Rhema des vorhergehenden Satzes.NULL in den Beispielen (76d) und (77d) zeigt ein komplementäres Verhalten zuakzentuiertem PRODem. Es kann nur das Thema repräsentieren (topic drop).

Der Unterschied in den Referenzmöglichkeiten für PRODem in den Beispielen(76b) und (77b) wird deutlicher, wenn die beiden jeweils letztgenannten Sätzekoordiniert werden. Die Thema-Rhema-Struktur ändert sich dadurch nicht,solange ein neutraler Satzakzent ohne prominente Betonung von PRODemangenommen wird:

(76b)′ Maria hat einen neuen Hut1. Er1 stammt von einem jungenDesigner2 und der2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen.

(77b)′ Maria hat einen neuen Hut1. Der1 stammt von einem jungenDesigner2 und der1/2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen.

Wird PRODem im letzten Satz von 1 stark akzentuiert, so fällt die Referenzmög-lichkeit auf der (=Hut) weg. Der Satz entspricht dann dem in Beispiel (77c).

In Beispiel (78) wird im zweiten Satz anstelle eines Pronomens der Referentebenfalls durch Hut bezeichnet:

(78) Maria hat einen neuen Hut1.Der Hut1 stammt von einem jungen Designer2.

(a) Er1/2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: = 1 ∨ 1→ 2)(b) Der2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: 1→ 2)(c) Der2 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: 1→ 2)(d) NULL1 hat ihr auf Anhieb gut gefallen. (Thema: = 1)

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Die Pronomen weisen genau dieselben möglichen Referenten auf wie in Bei-spiel (76). Genau wie bei diesem unterscheidet sich jedoch (78b), die zweitemögliche Fortsetzung, von (77b) in der Realisierung des Referenten, auf densich PRODem bezieht.Die Befunden lassen sich wie folgt zusammenfassen (»Thema-Rhema-

Hypothese«):

1. Die Referenz von PROPers3 wird nicht informationsstrukturell beschränkt.PROPers3 kann auf rhematische und thematische Elemente des Kontextsverweisen.

2. Die Referenz von PRODem wird in zwei Fällen informationsstrukturellbeschränkt:a) Nicht stark akzentuierte PRODem verweisen auf rhematische Elemen-

te des Kontexts. Sie können aber auch auf thematische Elementeverweisen, wenn diese selbst bereits durch PRODem realisiert sind.(Die Regel der Thema-Vermeidungshypothese würde lauten: Nichtakzentuierte PRODem vermeiden thematische Elemente.)

b) Stark akzentuierte PRODem verweisen stets auf rhematische Elementedes Kontexts.

3. NULL verweist stets auf ein thematisches Element des Kontexts.

Wenn diese Verallgemeinerung stimmt, dann darf die syntaktische Strukturdes Satzes, in dem mehrere mögliche Referenten auftreten, nicht relevant sein,da sie keine Thema-Rhema-Struktur vorgibt, sondern nur (vage) abbildet. Dasgleiche gilt analog für die Besetzung der topologischen Positionen.Als ersten Test verwende ich die Beispielsätze aus Bosch/Umbach (2007),

mit denen sie die Thema-Vermeidungshypothese illustrieren.

(79) Woher ich das weiß?Ich habe mit Peter1 gesprochenIch habe es von Peter1 gehörtPeter1 hat es mir gesagt

.{

Er1Der1

}war gerade hier.

(80) Woher Maria1 das weiß?Sie1 hat mit Peter2 gesprochenSie1 hat es von Peter2 gehörtPeter2 hat es ihr1 gesagt

.{

Er2Der2

}war gerade hier.

Für die Beispiele (79) und (80) ist der Test trivial. Nur ein einziger möglicherReferent tritt auf und dieser ist außerdem rhematisch. Die Wahl zwischen

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PROPers3 und PRODem ist daher prinzipiell frei. In Beispiel (81) treten dagegenzwei mögliche Referenten auf:

(81) Woher Karl1 das weiß?Er1 hat mit Peter2 gesprochenEr1 hat es von Peter2 gehörtPeter2 hat es ihm1 gesagt

.{

Er1/2Der2

}war gerade hier.

PROPers3 kann im letzten Satz sowohl auf Referent 1 als auch auf Referent 2verweisen. PRODem dagegen verweist aussschließlich auf Referent 2. DiesesVerhalten lässt sich aus Regel 2a ableiten: Referent zwei ist im zweiten Satzbereits thematisch, weil er im Satz davor eingeführt wurde. Er ist aber nichtals PRODem realisiert. Folglich kommt er als Referent für PRODem im letztenSatz nicht in Frage. Rhema von Satz zwei ist Referent 2 (Peter), auf diesenkann problemlos verwiesen werden.

Wird Beispiel (81) nun so verändert, dass im zweiten Satz Referent 1 durchPRODem realiert wird, so sollte ein Verweis auf diesen Referenten auch durchPRODem im letzten Satz möglich sein:

(81)′ Woher Karl1 das weiß?Der1 hat mit Peter2 gesprochenDer1 hat es von Peter2 gehörtPeter2 hat es dem1 gesagt

.{

Er1/2Der1/2

}war gerade

hier.

Tatsächlich ist nun eine solche Referenz möglich. Diese Lesart kann durch einsatzmodales Wort wie außerdem sogar explizit gemacht und dadurch bevorzugtwerden:

(81)′′ Woher Karl1 das weiß?Der1 hat mit Peter2 gesprochenDer1 hat es von Peter2 gehörtPeter2 hat es dem1 gesagt

.{

Er1/2Der1/2

}war außerdem

gerade hier.

Das letzte Beispiel lautet:

(82) Woher Maria1 das weiß?Sie1 hat mit Peter2 gesprochenSie1 hat es von Peter2 gehörtPeter2 hat es ihr1 gesagt

.{

Sie1?Die1

}war gerade hier.

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4 Diskussion 83

Ich betrachte das Vorkommen von Die im letzten Satz ebenso wie Bosch/Umbach (2007) als zumindest zweifelhaft. Beispiel (82) stellt intuitiv keinenkohärenten Diskurs dar. Dass ein Bezug auf sie/ihr (Maria) überhaupt inBetracht kommen kann, ist der morphologischen Kongruenz mit Die geschuldet.Nach Regel 2a ist ein Bezug ausgeschlossen. Maria stellt ein thematischesElement des Vorgängersatzes dar. Eine Referenz durch PRODem kommt alsowie schon in Beispiel (81) nicht in Frage. Ebenso kann Peter kein Referentfür die sein. Zwar entspricht die informationsstrukturelle Einbettung diesesWortes der prototypischen Wahl von PRODem, die fehlende morphologischeKongruenz verhindert jedoch die Auswahl. Sie kann auch nicht durch eineSexuskonnotation überschrieben werden (cf. Abschnitt 2.1).Der Gegentest besteht wiederum in der Ersetzung der Vorkommen von

PROPers3 im zweiten Satz durch PRODem:

(82)′ Woher Maria1 das weiß?Die1 hat mit Peter2 gesprochenDie1 hat es von Peter2 gehörtPeter2 hat es der1 gesagt

.{

Sie1Die1

}war (außerdem)

gerade hier.

Nach der Ersetzung ist ein Bezug auf Referent 1 (Maria) ohne weiteres sowohlfür PROPers3 als auch für PRODem möglich.

Die Analyse der Beispiele hat zeigt, dass die oben formulierte Thema-Rhema-Hypothese die diskutierten Beispiele erklären kann. Ein direkter Einfluss vonSatzkonstruktion oder syntaktischer Funktion der Referenten konnte nicht nach-gewiesen werden. Für die theoretisch untersuchten Daten reicht der Rückgriffauf informationsstrukturelle Informationen aus.

Die Beschränkung auf Eigenschaften des Vorgängersatzes erscheint in diesemZusammenhang auch kognitiv plausibel. Die mentale Diskursrepräsentation, diezur Äußerungsproduktion notwendig ist, muss der Thema-Rhema-Hypothesezufolge nur die Informationsstruktur der direkten Vorgängeräußerung exaktrepräsentieren. Weiter zurückliegende Diskursabschnitte sind für die Auswahlzwischen PROPers3 und PRODem nicht notwendig.

Ein Phänomen, dass durch die Thema-Rhema-Hypothese anscheinend nichterklärt werden kann, zeigen die Beispiele unter (83):

(83) (a) Maria1 hat einen neuen Hut. Sie1 hat ihn bei einem jungen Designergekauft. Die1 glaubt wohl, man trägt sowas jetzt. (Thema: = 1)

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4 Diskussion 84

(b) (A:) Paul1 hat schon wieder seine Lehrerin beleidigt. Er1 kann eseinfach nicht lassen.(B:) Der1 handelt sich doch ständig Probleme ein. (Thema: = 1)

(c) (A:) Paul hat in der Mathearbeit eine Fünf geschrieben. Jetzt sitzter ganz traurig in seinem Zimmer.(B:) Aber der schreibt doch sonst immer Zweien! (Thema: = 1)

Obwohl im jeweils letzten Satz eine Referenz von PRODem auf ein thematischesPROPers3 erfolgt und dadurch Regel 2a verletzt wird, klingen die Beispiele nichtungewöhnlich. Allen ist jedoch gemeinsam, dass nur ein möglicher Referentfür PRODem im Diskurs auftritt. Offenbar gilt die informationsstrukturelleEinschränkung nur dann, wenn tatsächlich mindestens zwei mögliche Referentenauftreten. Das war in Beispiel (81) der Fall. In allen anderen Beispielen ist sienicht notwendig, um die Referenzmöglichkeiten von PRODem zu erklären. Siekann also abgewandelt werden zu:

2a′) Nicht stark akzentuierte PRODem verweisen auf rhematische Elementedes Kontexts. Tritt mehr als ein möglicher Referent auf, so können sieauch auf thematische Elemente verweisen, wenn diese selbst bereits durchPRODem realisiert sind.

Möglicherweise gelingt es also doch, mit Hilfe eines Regelsatzes die Distribu-tion von PROPers3 und PRODem zu beschreiben. Anhand der relativ wenigenDaten, die im Rahmen der Untersuchung der Comic-Texte gesichtet werdenkonnten, lässt sich die Thema-Rhema-Hypothese nicht weiter erhärten. Insbe-sondere die Grenzfälle, also die zumindest theoretisch mögliche Referenz durchPRODem auf ein Antezedens, das bereits als Pronomen realisiert ist, treten sehrselten auf. Alle drei Fälle sind in Beispiel (84) aufgeführt:

(84) (a) [KL2:17] Tut mir leid , Anton , vielleicht krieg ich nächstenMonat mal ’n Auspuff1 rein ! ——Egon ! Wir hab’n noch’n Auspu . . .1 ——Den1 bekommt Schulze2 ,von dem1/2 krieg ich nämlich Zement !

(b) [KL2:23] Aber vorher sollten wir noch herauskriegen , wo [diebeiden]1 [die ergaunerten Möbel]2 deponiert haben ! ——Die1/2 wohnen doch beim Gastwirt Schluder .

(c) [M0302:50–51] Das ist vielleicht ein Drachen1 . . . ——Immerhin hat sie1 uns die Kerze2 geschenkt . ——Die2 kannst du gleich ausmachen .

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4 Diskussion 85

In (84a) liegt zunächst eine thematische Progression mit durchlaufendem Thema(Auspuff ) vor. Der Diskurs ist im Comic nicht vollständig wiedergegeben. SeinAnfang kann jedoch aus der Bedauernsäußerung Tut mir leid . . . geschlossenwerden: Offenbar hat jemand nach einem Auspuff gefragt, sodass Auspuff bereitsals thematisch angesehen werden muss. In der nächsten Äußerung wird dasThema wörtlich wiederholt. In der letzten Äußerung schließlich kann PRODemnach Regel 2a′ theoretisch auf dieses Thema verweisen, da es durch PRODemrealisiert ist. Außerdem ist die Referenz auf das Rhema möglich (Schulze),die auch durch das Weltwissen unterstützt wird: Von einem Auspuff kannman keinen Zement erhalten. Eine Ersetzung von Den im Vorgängersatz wäreaufgrund syntaktischer Beschränkungen schwerlich möglich (cf. Abschnitt 2.2.4).Der Verweis auf das Thema dieser Äußerung wäre dann jedoch unmöglich:

(84a)′ Wir hab’n noch’n Auspu. . . ——Ihn1 bekommt Schulze2 ,von dem2 krieg ich nämlich Zement !)

In Beispiel (84b) muss der Anfang des Diskurses ebenfalls vom Leser rekonstru-iert werden. Sicher ist jedoch, dass die beiden sprachlich vorerwähnt wordensein muss, denn es handelt sich nicht um einen deiktischen Verweis. Folglichist diese Phrase thematisch. Weil sie als PRODem realisiert ist, kann in dernächsten Äußerung mit PRODem auf sie verwiesen werden, wie auch auf dasRhema (die ergaunerten Möbel). Die Disambiguierung leistet wiederum dasWeltwissen: Möbel wohnen nicht bei Gastwirten.

Beispiel (84c) schließlich zeigt zunächst einen metaphorischen Referenten(Drachen), auf den durch PROPers3 in der Folgeäußerung referiert wird. DieMetaphorizität ist dabei der Grund für die fehlende morphologische Kongruenz.Durch die Wiederaufnahme wird Referent 1 thematisch. Regel 2a′ verhindertnun die erneute Aufnahme in der letzten Äußerung. Damit bleibt nur dieReferenz auf Kerze.Die Thema-Rhema-Hypothese kann also auch die (wenigen) Beispiele er-

klären, die in den untersuchten Comic-Texten auftauchen. Ich gehe allerdingsdavon aus, dass bei einer breiteren Untersuchung von Beispielen, weitere Aus-nahmen von den oben formulierten Regeln entdeckt werden können.Die geringe Anzahl von Daten mit (zumindest theoretisch) mehreren mög-

lichen Referenten ist jedoch auch eine Erklärung dafür, warum die Komple-mentaritätshypothese nicht anhand der Comic-Texte nachvollzogen werdenkonnte. Wenn ohnehin nur ein möglicher Referent in Frage kommt, muss desseninformationsstruktureller Status nicht unbedingt durch eine entsprechende

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syntaktische Einbettung unterstrichen werden. Er wird auch so mit Hilfe derThema-Rhema-Struktur des Diskurses sicher erkannt. Die Ursache für dasrelativ seltene Auftreten von mehr als einem möglichen Referenten liegt darin,dass im Vergleich zu den NEGRA-Daten in den Comic-Texten deutlich kürzereSätze auftreten. Ein Extremum stellen dabei nominale Einzelphrasen dar. Diesestellen über 10% der Referenten bei PROPers3 und über 15% der Referentenbei PRODem dar (jeweils ohne Neutra, cf. Abschnitt 3.3.5).

4.2 FazitAlles, was wir sagen oder schreiben, ist »in einen breiten Strom von Infor-mationen eingebettet« (Klein/Jungbluth (2002, 5)). Pronominale Referenzist eines der Mittel, diesen Strom zu ordnen und zu strukturieren. Sie hängtvon einer Vielzahl von Faktoren ab. Mit der Untersuchung distributionellerUnterschiede zwischen PROPers3 und PRODem in Comic-Texten habe ich meineArbeit einem kleinen Ausschnitt dieses Feldes gewidmet. Die Ergebnisse sindzu denen ähnlicher Studien an Zeitungstexten in Beziehung gesetzt worden.Es sind unterschiedliche Präferenzen bei der Auswahl der lexikalischen Klas-senelemente nachgewiesen worden, Unterschiede in der Verwendungshäufigkeitbeider Klassen, Unterschiede in der satzinternen Distribution und Unterschiedein den Präferenzen für bestimmte syntaktische Eigenschaften der Referenten.Die Bewertung der Ergebnisse hat deutlich gemacht, dass informationss-

trukturelle Eigenschaften von Pronomen und Referent die Beziehung zwischenbeiden bestimmen. Auch wenn die syntaktische Funktion eines Referenten dazudient, diese Beziehungen zu repräsentieren, so scheint sie dies bei Comic-Textennicht sehr verlässlich zu tun. Andere Heuristiken (topologische Position und woanwendbar: prosodische Information) sollten in Zukunft genutzt werden, wenndie Untersuchung konzeptionell mündlicher Sprache angestrebt wird. Ideal wärejedoch eine informationsstrukturelle Annotation, die den Rahmen dieser Arbeitjedoch bei weitem gesprengt hätte.Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Auswahl zwischen PROPers3 und

PRODem sind in Abbildung 10 (einer Überarbeitung von Abbildung 1 auf Seite 3)dargestellt. Neben dem eben genannten Faktor der Informationsstruktur spieltvor allem das Weltwissen eine große Rolle. Es ermöglicht in vielen Fälle eineBeschränkung der Anzahl möglicher Referenten.Einen wichtigen pragmatischen Faktor stellt die Tatsache dar, dass konzep-

tionell verschiedene Texte und Diskurse zum Teil unterschiedliche syntaktischeKonstruktionen bevorzugen. Das wird beispielsweise an der hohen Zahl vonKopulakonstruktionen in den Comic-Texten deutlich.

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4 Diskussion 87

pragmatische Faktoren:

von PPers3Beschränkungensyntaktische

?

Semantik des Referenten

Weltwissen

prosodische Einbettung

Einbettung des Referenten)(repäsentiert durch

Informationsstruktur

PRODem

PROPers3Auswahl

bevorzugte Konstruktionen

(soziale) Bewertung

thematische Einbettung

Abbildung 10: Sprachliche und außersprachliche Faktoren zur Auswahl von PROPers3/PRODem (überarbeitet)

Die semantischen Eigenschaften der Referenten wiederum bestimmen, obdie Referenz diskursdeiktisch, phorisch oder deiktisch sein kann. Sie ermögli-chen damit auch den Einsatz von gestischen Verweisen oder schließen diesengerade aus. Die Analyse hat gezeigt, dass es durchaus unterschiedliche Präfe-renzen von PROPers3 und PRODem zur Referenz auf Antezedenten verschiedenersemantischer Klassen gibt (Abschnitt 3.3.6). Auch die unterschiedlich star-ke Bevorzugung phorischer gegenüber deiktischer Verweise konnte für beidePronomenklassen nachgewiesen werden (Abschnitt 3.3.7).

Schließlich existieren syntaktische Vorkommensbeschränkungen von PROPers3,die die Auswahl ebenfalls beeinflussen.Unabhängig davon, ob sich letztlich ein wirklicher Satz von Regeln formu-

lieren lässt, der das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren (und möglicherweiterer Faktoren) beschreibt, scheint mir jedoch klar zu sein, dass deren Ge-wichtung textsortenspezifisch ist. Hieraus resultieren letztlich die beobachtetenDistributionsunterschiede in den Daten.Die Komplementaritätshypothese konnte anhand der untersuchten Daten

nicht untermauert werden. Sie muss vielmehr für diese Daten zurückgewiesen

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4 Diskussion 88

werden. Das Zusammenspiel zwischen PROPers3 und PRODem ist offenbar zukomplex, als dass es auf eine Form von Komplementarität im Sinne einerexakten Trennung der Einsatzgebiete zurückzuführen wäre. Das legen auchdie vielen Beispiele nahe, in denen PROPers3 und PRODem gegen einanderausgetauscht werden können, oft ohne auch nur einen stilistischen Unterschiedzu verursachen.

Ich bin mir der beschränkten Aussagekraft der untersuchten Daten durchausbewusst. Die Anzahl der Belege kann bestenfalls Rückschlüsse auf Tenden-zen zulassen und keine allgemeingültigen Aussagen über Referentialität inComic-Texten belegen. Hinzu kommt die quasi-opportunistische Auswahl deruntersuchten Texte. Zwar habe ich versucht, eine große Zahl verschiedenerEigenschaften von Comic-Texten abzudecken (intendiertes Alter der Leser, Um-fang der Publikation, Erscheinungsweise und so weiter). Von Ausgewogenheitbezüglich auch nur einer dieser Dimensionen kann dabei jedoch keine Redesein.Verweise auf sprachliche und außersprachliche Referenten sind allerdings

nicht nur durch PRODem und PROPers3 möglich. So benennt Fricke (2007, 56)beispielsweise als eine weitere distributionelle Überschneidung die Austausch-barkeit von Indefinitpronomen und PRODem:

(85) Ich habe mir gerade zwei neue Bücher gekauft.

Eines1 habe ich zu Hause gelassen und{

dieses2eines2

}(+Zeigegeste)

habe ich mitgebracht.

Solche Phänomene lassen sich leicht für weitere Pronomenklassen beobachten,beispielsweise für Possessivpronomen, die ebenfalls syntaktisch eigenständig auf-treten können (bei (86c) und (86d) handelt es sich um eine umgangssprachlicheoder dialektale Varianten):

(86) Wem gehört das Buch?(a) Das ist seins. (+Zeigegeste)(b) Das ist dessen. (+Zeigegeste)(c) Das ist dem (seins). (+Zeigegeste)(d) ?Das ist ihm (seins). (+Zeigegeste)

Eine Beschreibung pronominaler Referenz muss letztlich auch die übrigenPronomenklassen einschließen.

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B Daten auf der CD-ROM 92

B Daten auf der CD-ROMAuf der beigefügten CD-ROM befinden sich die Daten, die Grundlage dieser Ar-beit sind. Die Belege liegen nach Referenzklassen getrennt in unterschiedlichenDateien vor:

Belege_D.xml — Belege, die Pronomen der Klasse PRODem enthalten

Belege_P3.xml — Belege, die Pronomen der Klasse PROPers3 enthalten

Belege_PG.xml — Belege, die Pronomen der Klasse PG enthalten

Belege_NULL.xml — Belege, in denen ein Pronomen der Klasse PRODem oderPROPers3 ausgelassen wurde (NULL)

Belege_INFO.xml — Belege, die Pronomen der Klasse PRODem, PROPers3,PG oder NULL enthalten, die jedoch nicht in diskursiven sondern innarrativen Textelementen auftreten

Belege_Ausschluss.xml — Belege, die Pronomen der Klasse PROPers3 oderPRODem enthalten, die weder phorische, noch deiktische oder generischeReferenzen etablieren und daher nicht Gegenstand der Analyse sind

Belege_original.xml — alle Vorkommen von PROPers3, PRODem, PG undNULL in den untersuchten Comic-Texten (nicht annotiert)

Alle Dateien sind Tei.2-Korpora. Sie sind so aufbereitet, dass sie sich miteinem (XML-fähigen) Web-Browser betrachten lassen. Dargestellt werden dieBelegstelle mit Kontext, die Wortform des Pronomens, die Annotationsmarkensowie die genaue Quellenangabe des Belegs.

Außerdem befindet sich auf dem Datenträger die elektronische Version dieserArbeit (PDF-Datei).

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C Labels 93

C LabelsDie folgende Übersicht wurde während der Annotation der Daten genutzt, umEigenschaften der untersuchten Pronomen und ihrer Referenten zu beschreiben.Für eine ausführliche Darstellung der einzelnen Eigenschaftenklassen sowie fürAbgrenzungskriterien cf. Abschnitt 3.2. Diese Liste stellt die Referenz für dieannotierten Belege auf der beigelegten CD-ROM dar.Alle Labels, die mit dem Suffix :UNCLEAR enden, bezeichnen Eigenschaften,

die nicht oder nicht sicher bestimmt werden konnten.

Textsorte:

INFO, DIALOGUE — INFO bezeichnet narrative Belege, DIALOGUE dis-kursive Belege

Eigenschaften der Pronomen

P:K:P3/D/PG/NULL — Diese Labels repräsentieren die Wortklasseeines Pronomens. Annotiert wurden PROPers3 (P:K:P3), PRODem(P:K:D), PG (P:K:PG) und NULL (P:K:NULL).

P:Num:Sg/Pl — P:Num:Sg bezeichnet Pronomen im Singular, P:Num:Plsolche im Plural.

P:Gen:Mas/Fem/Neu — Mit diesen Labels wurde das Genus für Prono-men im Singular annotiert: Maskulinum (P:Gen:Mas), Femininum(P:Gen:Fem) und Neutrum (P:Gen:Neu).

P:Cas:Nom/Acc/Dat/Gen —Kasusannotation: Nominativ (P:Cas:Nom),Akkusativ (P:Cas:Acc), Dativ (P:Cas:Dat), Genitiv (P:Cas:Gen).

P:Vs — Dieses Label wurde vergeben, wenn das Pronomen orthogra-phisch mit einem benachbarten Wort »verschmolzen« wurde (Re-präsentation phonologisch reduzierter Vorkommen).

P:Ik — Morphologische Inkongruenz von Antezedens und Pronomenwurde mit dem Label P:Ik markiert.

P:Syn:Sub/Obj/Prp/Cop —Als syntaktische Funktionen der Pronomenwurden Subjekt (P:Syn:Sub), Objekt (P:Syn:Obj) und Präpositio-nalobjekt (P:Syn:Prp) annotiert. Zusätzlich wurden Kopulakon-struktionen (P:Syn:Cop) markiert.

P:Top:VV/VF/MF1/MFn/NF — Es wurde das topologische Feld an-notiert, in dem das Pronomen auftritt, bezogen auf den Satz, in denes direkt integriert ist: Vorvorfeld (P:Top:VV), Vorfeld (P:Top:VF),

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C Labels 94

Mittelfeld (erste Mittelfeldposition: P:Top:MF1, spätere Mittelfeld-position: P:Top:MFn), Nachfeld (P:Top:NF).

P:EmbTop:VV/VF/MF1/MFn/NF — Eine weitere topologische An-notation wurde für eingebettete Sätze vorgenommen. Es wurdemarkiert, an welcher topologischen Position des übergeordnetenSatzes sich der eingebettete Satz befindet (Benennung analog zumvorhergehenden Punkt).

Eigenschaften der Antezedenten/Referenten:

A:Cas:Nom/Acc/Dat/Gen —Kasusannotation: Nominativ (P:Cas:Nom),Akkusativ (P:Cas:Acc), Dativ (P:Cas:Dat), Genitiv (P:Cas:Gen).

A:Syn:Sub/Obj/Adj/Cop/Phr — Die möglichen syntaktischen Funktio-nen der Antezedenten entsprechen denen der Pronomen mit Aus-nahme der zusätzlichen Unterscheidung von Satzfragmenten, dieohne Verb auftreten (P:Syn:Phr).

A:Sem:Abs/Bel/Hum/Unb — Vier semantische Eigenschaften derReferenten wurden annotiert: [+abstrakt] (A:Sem:Abs), [+be-lebt] (A:Sem:Bel), [+menschlich] (A:Sem:Hum) und [+unbelebt](A:Sem:Unb).

Eigenschaften der Referenz:

R:Typ:Pho/Dei/Gen — Drei Verweistypen wurden annotiert: phorisch(R:Typ:Pho), deiktisch (R:Typ:Dei) und generisch (R:Typ:Gen).

R:Dir:Ana/Kat — Für phorische Referenzen wurde zusätzlich die Ver-weisrichtung annotiert: anaphorisch (R:Dir:Ana) beziehungsweisekataphorisch (R:Dir:Kat).

R:Dst:Int/Ext/Far — Ebenfalls nur für phorische Referenzen wurdedie Entfernung zum Antezedens annotiert: (mittelbar) im selbenHauptsatz (R:Dst:Int), im direkt vorhergehenden oder direkt nach-folgenden Satz (R:Dst:Ext) oder in einem weiter zurückliegendenSatz (R:Dst:Far).

R:Amp:Typ/Adv/PG — Schließlich wurden Mittel zur Unterstützungder Nachdrücklichkeit von Referenzbeziehungen am Pronomen an-notiert: typographische Verstärkung (R:Amp:Typ) bei fetten oderkursiven Schriftschnitten, Schriftschnitt- oder Schriftgrößenwechseln,Verstärkung durch ein deiktisches Adverb in Aposition (R:Amp:Adv)und Unterstützung durch eine Zeigegeste (R:Amp:PG).

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C Labels 95

Sonstiges:

INT:* — Mit INT:* annotierte Belege sind während des Arbeitsprozessesals »interessant« markiert worden. Anstelle des Asterisks folgt dabeitypischerweise ein Hinweis auf die vorliegende Besonderheit.

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Wissenschaftlicher Lebenslauf1985–1990 POS »Alexander Puschkin«, Neuenhagen (Grundschule)

1990–1998 Einstein-Gymnasium, Neuenhagen

1998–2000 Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, BerlinStudium im Fach Technische Informatik

2000–2002 Humboldt-Universität, BerlinStudium in den Fächern Informatik und Mathematik

seit 2002 Humboldt-Universität, BerlinStudium in den Fächern Germanistische Linguistik und Informatik

2003–2007 studentischer Mitarbeiter an der Berlin-BrandenburgischenAkademie der Wissenschaften, Berlinim Projekt Kollokationen im Wörterbuch

seit 2007 studentischer Mitarbeiter an der Berlin-BrandenburgischenAkademie der Wissenschaften, Berlinim Projekt Das digitale Wörterbuchder Deutschen Sprache des 20. / 21. Jahrhunderts (DWDS)

PublikationenHerold, Axel/Katerina Stathi (2007): Measuring syntagmatic fixedness ofmulti-word expressions. In: Proceedings of the 4th Corpus Linguistics Confe-rence, Birmingham 28.–30. Juli

Herold, Axel (2007): Corpus queries. In: Christiane Fellbaum (Hrsg.): Idiomsand collocations. Corpus-based linguistic and lexicographic studies. London:Continuum (Research in corpus and discourse)

Fellbaum, Christiane/Alexander Geyken/Axel Herold/Fabian Körner/GeraldNeumann: Corpus-based studies of german idioms and light verbs. In: Interna-tional Journal of Lexicography 19, Nr. 4, 349–360

Herold, Axel (2005): Reducing the size of sample corpora for research onidioms in the German language. Poster, 3rd Corpus Linguistics Conference,Birmingham 14.–17. Juli

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SelbständigkeitserklärungIch erkläre, dass ich die Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als dieangegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Berlin, den 26.Oktober 2007, Axel Herold.