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REFERAT ÜBER EIN BUCH VON
OLEG ALEXANDROVIC KONOPKIN
INHALT
Inhaltsübersicht 1
Bemerkungen des Referenten 2
Der Gegenstand der Untersuchung 3
II. Tempo des Eingangs der Signale und Tempo derInformationsaufnahme 4
Versuchsreihe I (Reaktionszeit und Alternativenzahl)
5
Versuchsreihe II (Reaktionszeit und verbal vorangekündigtesSignaltempo) 6
Versuchsreihe III (Reaktionszeit und falsche Vorankündigungdes Signaltempos) 7
Versuchsreihe IV (Reaktionszeit und Voranzeige des Signal-tempos durch eine Signalfolge) 7
Versuchsreihe V (Reaktionszeit bei nicht angekündigten Signal-tempoänderungen; Nachweis einer Strategie) 9
Versuchsreihe VI (Reaktionszeit bei periodischen Signaltempo-änderungen) 10
Versuchsreihe VII (Strategien der antizipatorischen RZ-Anpas-sung bei ungleichen Signalwahrscheinlich-keiten) 11
Tätigkeitsregulation unter zeitlicher Unbestimmtheit 13
A. Zeitliche Unbestimmtheit kritischer Ereignisse 13
Experimentelle Modellierung der zeitlichen Unbestimmtheit
15
B. .Berücksichtigung der Arbeitsdauer in der willkürlichenTätigkeitsregulation 16
Experiment mit bestimmter und unbestimmter Arbeitszeit 16
IV. Signalwahrscheinlichkeit und Reaktionszeit 19
Experiment I (Reaktionszeit bei richtiger und falscher Vor-information über die Alternativenzahl) 19
Experiment II (Reaktionszeit bei Information über Alternati-venwahrscheinlichkeiten) 20
Experiment III (Selbständige Bildung eines subjektivenWahrscheinlichkeitsmodells) 21
Experiment IV (Inzidentelles Wahrscheinlichkeitslernen) 23
Experiment V (Inzidentelles Wahrscheinlichkeitslernen) 23
Experiment VI (Reaktionsvorbereitung in Abhängigkeit vonPrognosen) 24
V. Der Vollständigkeitsgrad des psychologischen Regula-tionssystems und die Überwindung der "Refraktärzeit"und des "Stärkegesetzes" 26A. Die Rolle der bewußten Regulation für die Refraktärzeit
bei einfachen Reaktionen 26
Experiment I (Abhängigkeit der Refraktärzeit von derOrientierung der Vp) 26
Experiment II (Refraktärzeit in Abhängigkeit von der Signal-wahrscheinlichkeit bei zeitlich bestimmtemSignaleintritt) 31
Experiment III (Wirkung von Resultatrückmeldung über dasReaktionstempo sowie von Bewertungskriterienauf die Refraktärzeit) 36
B. Die Abhängigkeit der Reaktionszeit von der Reizintensitätund die Selbstregulation der .Tätigkeit
39
Experiment I (Modifikation des Stärkegesetzes durch Ein-stellungen, die durch Information über dieSignalstruktur erzeugt wurden)
39
Experiment II (Modifikation des Stärkegesetzes durch Reiz-auszeichnung und Temporückmeldung)
42
Experiment III (Rolle eines exakten Bewertungskriteriums) 43
C. Das Tempo einfacher sensomotorischer Reaktionen in Abhängig-keit von der sukzessiven Vervollkommnung der Selbstregula-tion 45
VI. Die funktionale Struktur des Systems der bewußtenTätigkeitsregulation 48
Blockschema 49Das Ziel 50Die Programmierung 50Die Resultatbewertung 51Die Korrektur 51
Anwendung des Modells der Tätigkeitsregulation 52
Stabilisierung wichtiger Elemente und Parameter gegenMonotonie 52
"Emanzipation" von Wahrscheinlichkeitsprognosen 52
Verbesserung der Detektion schwacher Signale 54
ANHANG (bibliographische Hinweise) 55
REFERAT ÜBER DAS BUCH
"Psichologiceskie mechanizmy reguljacii dejatel'nosti"
(Psychologische Mechanismen der Tätigkeitsregulation )
von
Oleg Alexandrovic Konopkin,
Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Psy-chologie. Moskau: Nauka 1980, 256 S., 11 Abb., 29 Tab.
INHALTSÜBERSICHT
In dem Buch werden mehr als 50 Arbeiten von Konopkin und Mit-
arbeitern verwertet. Die meisten dieser Arbeiten befinden
sich in Kongreßberichten und Sammelbänden, vor allem zur Ar-
beitspsychologie. 20 der zitierten Titel sind in den Periodika
"Voprosy Psichologii" und "Novye issledovanija v psichologii"
genereller zugänglich (Stellenangaben siehe im Anhang). Das
Buch enthält 295 Literaturangaben (216 Titel russ., 79 Titel
engl. u. deutsch - u.a. G.O. Berger, Exner, Martius, Merkel
z.Tl. aus den Phil. Studien).
Das sensomotorische Reagieren auf Signale (die einfache• Reaktion und die Wahlreaktion) wird als ein besonders einfa-
cher und methodisch zugänglicher Modellfall der Willkürtä-
tigkeit untersucht.
Es wird ein allgemeines Modell der Tätigkeitsregulation
entworfen, und zwar ein Informationsmodell, dessen funktio-
nale Glieder in mannigfaltigen Versuchsreihen belegt und
konkretisiert werden und das im Schlußkapitel zusammenhän-
gend dargestellt wird.
Die Aspekte der empirischen Untersuchungen:
Signaltempo und Reaktionstempo (Tempo der Informationsaufnahme)
Die Unbestimmtheit des Eintritts von kritischen Ereignissen und. dieUnbestimmtheit der Arbeitsdauer in ihrer Auswirkung auf die psycho-physiologische Arbeitsbereitschaft
Signalwahrscheinlichkeit und Reaktionszeit
Überwindung der Refraktärzeit bei einfachen Reaktionen durch Ausbaudes psychischen Regulationssystems
Überwindung des Stärkegesetzes (Reaktionszeit als Funktion der Reiz-intensität) durch Ausbau des psychischen Regulationssystems
Beschleunigung einer einfachen motorischen Reaktion durch den suk-zessiven Ausbau des psychischen Regulationssystems
Anwendungsfälle: Vom Modell geleitete Eingriffe
zur Optimierung von Arbeitstätigkeiten bei Operatoren und Maschinisten:
Widerstand gegen Monotonie
"Emanzipation" des Reagierens von. Wahrscheinlichkeitsprognosen
Vervielfachung der Sensibilität für schwache Signale durch die Ver-vollständigung des Regulationsprozesses
BEMERKUNGEN DES REFERENTEN
Konopkins Buch ist eine Fundgrube von theoretischen Ideen
und empirischen Befunden. In den empirischen Untersuchungen
werden Leistungs- und Berichtsdaten mit einer selten zu fin-
denden Konsequenz integriert.
Das Buch besticht durch seinen klaren Aufbau: Nach einer
Modellskizze werden Experimente auf die Komponenten des Mo-
dells angesetzt, wobei jedes Experiment eine Lücke aufweist,
die ein weiteres, im nächsten Experiment zu belegendes Mo-
dellglied zu ihrer Schließung verlangt. Das in dieser Dar-
stellung induktiv synthetisierte Modell wird dann in einer
Art Längsschnittuntersuchung auf sein Funktionieren hin un-
tersucht: Vpn werden durch eine Kette von Versuchsbedingun-
gen geführt, in denen ihr Regulationssystem modellgemäß suk-
zessiv vervollständigt wird, so daß man das Zusammenspiel
der funktionalen Glieder erkennen kann.
Der Autor hat größten Wert darauf gelegt, die Fülle von Un-
tersuchungen in eine gut lesbare Darstellung zu bringen. Er
schildert die Versuchsbedingungen meist detailliert, be-
schränkt aber die Beschreibung der Befunde auf Wesentliches.
Dabei ist es ihm wichtiger, den Stellenwert eines Faktums
im Argumentationszusammenhang klar zu machen, als die tech-
nischen Details seiner Absicherung zu erörtern. Die Vielfalt
der prägnant formulierten Untersuchungsfragen und Ergebnisse
strukturiert sich zu einer sehr einsichtlichen Gesamtkonzep-
tion der Tätigkeitsregulation.
Im Referat folge ich dem Aufbau des Buches. Ich versuche,
die Thesen und Versuche in komprimierter Form wiederzugeben.
1. DER GEGENSTAND DER UNTERSUCHUNG
Der Gegenstand der Untersuchung ist das bewußte Niveau des
Prozesses der willkürlichen Tätigkeitsregulation. Die Un-
tersuchung wird an sensomotorischen Tätigkeiten durchgeführt.
Dies ist die verbreitetste Form der Willkürtätigkeit. Ihre
Regulation ist trotzdem noch unvollständig untersucht. Die
bisher verwendeten theoretischen Modelle waren zu einfach.
Sie erlaubten nur zu beschreiben, wie die sensomotorische
Willkürtätigkeit von den Charakteristika der Signale und
Signalfolgen abhängt. Außerdem wird die Komplexität der be-
wußten Selbstregulation sehr leicht durch die gerade bei
diesen Tätigkeitsarten so rasche Gewohnheitsbildung mas-
kiert.
Es wird ein konzeptuelles Modell konstruiert, das die
funktionale Struktur dieses Regulationsprozesses widerspie-
gelt. Welche Komponenten hat dieser Prozeß, und in welchen
Wechselbeziehungen stehen sie?
In der Untersuchung wird eine zentrale These der sowje-
tischen Psychologie realisiert: "Der Mensch ist das Subjektder Tätigkeit."
Diese These impliziert das Prinzip der Selbstregulation.Das
umfaßt die folgenden Aspekte:
1) Der Mensch ist nicht ein System, das von einem vorgegebenen Ziel undden vorgegebenen Bedingungen determiniert wird, sondern ein Subjekt,das Bedingungen adäquat ausnutzt oder überwindet.
2) Die gesamte geschlossene Kontur des Regelungssystems wird ganzheit-lich betrachtet.
3) Man beschränkt sich nicht auf eine operationale Analyse von konkretenTätigkeiten und einzelnen ihrer führenden Funktionen, sondern manstrebt eine verallgemeinernde, von der situationsspezifischen Implementierung abstrahierende Untersuchung der funktionalen Tätigkeits-komponenten und ihrer Wechselwirkung an (d.h. ihrer Stelle in der ge-schlossenen Kontur).
Den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden 1956 - 1960
durchgeführte Versuche zur Optimierung von Montagearbeiten
am Fließband und von Überwachungstätigkeiten in Energiean-
lagen. Damals stellte sich heraus, daß die Abhängigkeit der
Operatorentätigkeit von ihren "Determinanten", als da sind
statistische Charakteristik der Signalfolge, zeitliche Unbe-
stimmtheit der Signale, zeitliche Dichte der Signalreihe,
physikalische Signalcharakteristika, eine vermittelte Abhän-
gigkeit ist - vermittelt durch Selbstregulation.
II. TEMPO DES EINGANGS DER SIGNALE UND TEMPO DER INFORMA-
TIONSAUFNAHME
Untersucht werden Wahlreaktionen an einem Reaktionsgerät.
Dessen aufrecht stehendes Display besteht aus 16 Quadraten,
die einzeln für je 250 msec aufleuchten können. Die Finger
jeder Hand ruhen auf 5 im Halbkreis angeordneten Reaktions-
knöpfen.
Als Leistungsmaß wird das Tempo der Informationsaufnahme
- entsprechend dem einfachsten Modell der Vp als eines "Ka-
nals mit bestimmter Durchlaßkapazität" - bestimmt. Die For-
mel istR H / T ,
wo H die mittlere Reizinformation und T der Quotient aus
der Gesamtzeit aller Reaktionen einer Vp zur Zahl ihrer rich-tigen Reaktionen ist.
Berichtsdaten stammen aus spontanen Äußerungen und aus
Befragungen nach dem Versuch.
Die Untersuchung des Faktors "Signaltempo" besteht aus
sieben Versuchsreihen.
Versuchsreihe 1
Jede Vp wird zunächst in Signalfolgen mit zwei verschiedenen
Geschwindigkeiten und sieben Komplikationsstufen der Wahl-
reaktion eingeübt:
ISI 1 sec bzw. 3 sec,
Alternativenzahl 2 bis 8, gleichwahrscheinlich in Zufalls-folge.
Die Aufgabe lautete immer:
"So schnell und genau wie möglich reagieren!"
Vor jedem der dann folgenden Testversuche werden Signal-
tempo und Alternativenzahl angekündigt. Versuche, bei denen
die Vp so viele Fehler und Auslassungen machte, daß mehr als
10% der Signalinformation verlorenging, wurden abgebrochen.
Resultat: Die Reaktionszeit (RZ) steigt bei beiden Signal-
tempos monoton mit der Alternativenzahl an (Hicksches Ge-
setz), ist aber bei den rascheren Signalfolgen durchgängig
kürzer, bei gleichzeitig höherer Durchlaßkapazität R.
Zur differenzierteren Betrachtung werden bei jeder Alter -
nativenzahl zwei Quotienten gebildet:
a) Das Verhältnis der mittleren Reaktionszeiten von der schnellen zudenen der langsamen Signalfolge. Dieses fällt von 80% bei 2 Alter-nativen auf 67% bei 8 Alternativen nahezu monoton.
b) Das Verhältnis der mittleren Durchlaßkapazitäten von der schnellenzu denen der langsamen Signalfolge. Dieses steigt von 119% bei 2Alternativen auf 138% bei 8 Alternativen nahezu monoton.
Versuchsreihe II
In einer Sitzung führte jede Vp nacheinander 5 Versuche durch,
bei denen die Alternativenzahl immer gleich 4 blieb, das Sig-
naltempo aber von Folge zu Folge stieg:
ISI 3 sec - 2 sec - 1.5 sec - 1 sec - 0.75 sec.
Vor jeder Signalfolge wurde ihr Tempo angekündigt.
Resultat: Die RZ nimmt mit wachsendem Signaltempo - ohne
nennenswerte Fehler - bei jeder Vp monoton ab (von 100% auf70% ), während die Durchlaßkapazität von 100% auf 136%
steigt.
In der Erörterung wird der Indikator "Durchlaßkapazität"
als zu summarisch, Unterschiedliches verdeckend, kritisiert.
In der Praxis eines Operators ist es nicht sinnvoll, seine,
Fehlreaktionen als Informationsverlust zu bezeichnen und in
bit zu messen.
Die mit der Reizbeschleunigung einhergehende Reaktionsbe-
schleunigung kann nicht als Folge einer summativen physiolo-
gischen Erregungssteigerung erklärt werden, da sie, wie Ver-
laufsdiagramme zeigen, nicht allmählich, sondern sofort bei
Beginn der Reizfolge eintritt - gerade die ersten Reaktionen
einer Folge sind besonders rasch. Man muß annehmen, daß das
Arbeitsniveau des funktionellen Systems schon vor Beginn der
jeweiligen Arbeit gesichert, d.h. sofort nach der Tempoankün-
digung umgestellt und während der Arbeit kaum geändert wird.
Entscheidend ist die Antizipation der Vp bezüglich der bevor-
stehenden Tempobedingungen des Signaleingangs. Es handelt
sich um eine Selbstprogrammierung der bevorstehenden Tätig-
keit, um eine antizipatorische funktionelle Einstellung.
Aus dieser zur Erklärung herangezogenen Hypothese läßt
sich die Wirkung von falscher Tempoinformation vorhersagen.
Diese wird in der nächsten Versuchsreihe untersucht.
Versuchsreihe III
Die Vpn erhielten nacheinander zwei Signalfolgen mit 4 Alter-
nativen im 1.5-Sekunden-Takt. Die Tempovorinformation lau-
tete vor der ersten Folge "3 sec" und vor der zweiten. Folge
"1 sec".
Resultat: Trotz des gleichen Signaltempos war bei allen Vpn
das Reaktionstempo bei der zweiten Folge, die als schneller
deklariert worden war, rascher (im Mittel RZ gleich 346 statt
417 msec, bei 7 von 8 Vpn signifikante Senkung), und die
Durchlaßkapazität lag bei der angeblich schnelleren Folge im
Mittel um 15% höher. Die Stabilität dieses Unterschieds wur-
de nicht über 100 Signale hinaus geprüft.
Die verbale Mitteilung des V1 über die Signalbeschleuni-
gung enthält möglicherweise für die Vp implizit die Auffor-
derung: "Noch schneller reagieren!" In der folgenden Ver-
suchsreihe wird versucht, diese implizite Aufforderung auszu-
schalten.
Versuchsreihe IV
Die Vorinformation über das Signaltempo wird im "1. Signal-
system" gegeben: Eine Reihe akustischer Signale zeigt das
Tempo der bevorstehenden Signalfolge an. Eine Selbstinstruk-
tion der Vp im "2. Signalsystem" wird dadurch natürlich nicht
ausgeschlossen; aber jedenfalls muß die Vp das Tempo selb-
ständig einschätzen.
In einer Sitzung werden nacheinander vier Folgen mit je
5 Alternativen und den ISIs 3 sec, 1.5 sec, 1 sec bzw.
0.75 sec gegeben.
Resultate: Analog wie vorher.
Es ist also entscheidend, welche Information der Vp bewußt
wird, nicht, wie sie erhalten wurde. Die Kenntnis der Bedin-
gungen der bevorstehenden Arbeit ist eine wesentliche Vor-
aussetzung zur psychophysiologischen Vorbereitung auf die
Arbeit.
Diese pauschale These muß nach der Analyse individueller
Daten und subjektiver Berichte differenziert werden. Obwohl
in allen Bedingungen die Instruktion lautete: "So schnell
und genau wie möglich!", war die individuelle Arbeitsweise
verschieden: Manche Vpn beschleunigten ihr Tempo z.B. beim
Übergang vom ISI 3 sec zum ISI 2 sec, obwohl ihr für den 3-
sec-Takt berechnetes Tempo bereits für den 1.5 -sec-Takt
ausgereicht hätte. Der Autor sieht ein enges funktionelles
Band zwischen der subjektiven Vorstellung über die Tätig-
keitsbedingungen und der Selbstprogrammierung.
Aus den Berichten der Vpn lassen sich diese Vorstellungen
genauer spezifizieren. Die Vpn berichten, daß ihnen einzelne
besonders langsame Reaktionen auffielen, ohne daß sie er-
mitteln konnten, ob diese noch in den Bereich der "Norm" fie-
len. Präventiv erhöhten sie nach solchen Beobachtungen bei
einer weiteren Beschleunigungsankündigung ihr Arbeitsniveau
- doch nicht in jedem Fall: Eine Umprogrammierung blieb aus,
wenn die Vp, wie sie sagte, die neue Tempoerhöhung für unbe-
deutend hielt.
Hieraus folgt für den Autor, daß die exakte Information
über eine Tempoänderung noch nicht ausreicht, um zwischen
Signal- und Reaktionstempo zu vermitteln, sondern daß eine
subjektive Bewertung der Bedeutsamkeit dieser Information
erfolgen muß, d.h. eine Einschätzung, ob diese Information
zur Zielerreichung berücksichtigt werden muß.
In der nächsten Versuchsreihe wird nun der realistische
Fall modelliert, daß die Vp sich während des Arbeitsverlaufs
selbst über die Arbeitsbedingungen orientieren muß, um plötz-
liche oder unmerkliche Tempoänderungen zu erkennen.
Versuchsreihe V
Der V1 gibt keine Vorankündigungen über den Signaltakt mehr.
Fünf Signalfolgen mit den ISIs: 3 sec - 2 sec - 1.5 sec -
1 sec - 0.75 sec gehen nahtlos ineinander über. Zwischen je
zwei Abschnitten mit unterschiedlichem Takt befindet sich
ein Übergangsstück mit allmählichem Tempoanstieg.Es gibt 4 Alternativen.
Reihe V kann also mit Reihe II verglichen werden. Außer-
dem kann innerhalb von Reihe V der Signaltempoeinfluß vorund nach dem Bemerken einer Tempoänderung untersucht werden.
Resultat: Auch hier fällt die RZ monoton mit der Beschleu-
nigung des Signaltakts ab, während die Durchlaßkapazität an-
steigt (von 100% zu Beginn auf 113% zum Ende der Folge).
Allerdings setzt die Beschleunigung bei den meisten Vpn erst
mit dem ISI von 1 sec oder 0.75 sec deutlich ein; in manchen
Fällen kommt es zwischendurch sogar zu geringen Verlangsa-
mungen.
Aus Daten und Beobachtungen läßt sich ermitteln, daß die
Reaktionsbeschleunigung erst nach dem Bemerken einer Unstim-
migkeit einsetzt, wenn nämlich ein Signal unmittelbar nachoder noch während einer Reaktion eintritt, so daß die Vp die
Gefahr verspäteter Reaktionen erkennt. Diese Unstimmigkeit
interpretiert sie als Erfordernis einer weiteren Reaktions-
beschleunigung.
Einen derartigen Entschluß der Vp bezeichnet der Autor
als eine Strategie, insofern er für die nachfolgende Tätig-
keit in Kraft bleibt. Eine Strategie ist etwas Komplizier-
teres als die einfache antizipatorische Abstimmung auf ein
bestimmtes festes Tempo. Hier geht es nämlich, genau be-
trachtet, um die Einstellung auf eine Beschleunigung, d.h.
um die Erwartung weiterer Tempoänderungen. Die Strategie
impliziert auch eine Beobachtung der Signalfolge im Hinblick
auf diese erwarteten weiteren Tempoänderungen.
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Konopkin führt nun den zusammenfassenden Begriff "subjekti-
ves Modell der bedeutsamen Tätigkeitsbedingungen" (SMTB) ein.
Das SMTB bezeichnet die gemeinsame Rolle, welche die verbale
Vorankündigung, die Antizipation des Signaltempos im "1.Sig-
nalsystem" (also die sinnliche Repräsentation), das selb-
ständige Erkennen und Bewerten des Signaltempos und die Pro-
gnose der Tempoentwicklung für die Selbstprogrammierung spie
len. Das SMTB enthält die für adäquate Selbstprogrammierung
notwendige Information.
Parameter zur Charakterisierung von SMTBs: selbständig
entwickelt vs. vorgegeben, begrifflich vs. sinnlich-konkret,
einfach vs. komplex (je nachdem, ob die Bedingungen statisch
oder dynamisch sind), stabil vs. instabil, adäquat vs. in-
adäquat.
Versuchsreihe VI
In diesen Versuchen finden ohne Vorwarnung plötzliche Tempo-
änderungen der Signalfolge statt.
Die Signalfolge von 600 Signalen (4 Alternativen) besteht
aus 6 Abschnitten zu je 100 Signalen. Im 1. Abschnitt kommen
die Signale im 3- sec-Takt, im 2. Abschnitt im 1 -sec-Takt,
im 3. Abschnitt wieder im 3 -sec-Takt usw. im Wechsel. Die
Abschnitte folgen ohne Übergang aufeinander.
Resultat: Nach dem 1. Wechsel zeigt sich keine Reaktionsbe-
schleunigung, stattdessen eine Reihe von Störungsanzeichen:
einzelne lange Latenzen, Rhythmusstörungen (nachhinkende Be-
dienung von Signalen in großer Hast), Fehler und Auslassun-
gen.
Erst bei der 3. Signalbeschleunigung (6. Abschnitt) werden
die Reaktionen generell deutlich rascher.
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Aus den Berichten geht hervor, daß die Vpn extrapoliert und
auf dieser Basis eine Strategie entworfen haben. Schon nach
dem 1. Tempowechsel haben sie die Möglichkeit von Tempoän-
derungen in Erwägung gezogen, doch blieb die Gesetzmäßigkeit
bis zur "2. Periode" offen. Danach dann wurde die Erwartung
aktiv, d.h. man versuchte den erneuten Wechsel zu erraten.
Es war schon vor dem erneuten Wechsel eine gewisse antizi-
patorische Reaktionsbeschleunigung zu bemerken.
Aus den Versuchsreihen V und VI zieht Konopkin die fol-
genden Schlüsse:
Eine deutliche Beziehung zwischen Signaltempo und Infor-
mationsaufnahme gibt es nur dann, wenn die Vp die Tempobe-
dingungen kennt, also die Tempodynamik vorhersieht. Aberdas bloße Kennen reicht noch nicht aus - nach dem 1.Wechsel
kennt die Vp die Verhältnisse auch schon, jedoch noch ohne
Bewertung, d.h. sie ist noch unentschieden, ob sie umpro-
grammieren muß. Erst nach dem 2. Wechsel wird aus dem bloßen
Kennen eine Strategie.
Versuchsreihe VII
Diesmal werden zur Untersuchung des Tempoeinflusses 4 Alter-
nativen mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten verwen-
det.
Die 4 alternativen Signale haben die Wahrscheinlichkei-ten 50% - 30% - 15% - 5% .
In dieser Zusammensetzung werden 4 Signalfolgen gegeben,
deren ISIs 3 sec - 1.5 sec - 1 sec - 0.75 sec betragen.
Die Instruktion lautet wieder "maximal schnell und genau".Die Wahrscheinlichkeiten werden mitgeteilt, die 4 Alternati-ven dabei als gleichwertig deklariert.
Vor jeder Signalfolge erfährt die Vp deren Tempo.
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Resultat: Für jede der 4 Alternativen zeigt sich bei allen
Vpn im Durchschnitt eine monotone Reaktionsbeschleunigung
mit dem Anwachsen des Signaltempos. Entsprechend nimmt bei
jeder Alternative auch die Durchlaßkapazität zu (maximal um
15%).
Hinter diesem Durchschnittsbild verbergen sich individu-
elle Strategien, die durchaus bewußt sind. Einzelne Vpnver-
langsamen zeitweilig ihre Reaktionen auf gewisse Alternati-
ven zugunsten anderer; erst bei weiterer Erhöhung des Sig-
naltempos ziehen diese "benachteiligten" dann auch nach.
Bei den "benachteiligten" kann es sich entweder um die häu-
figsten oder um die seltensten Signale handeln. In diesen
individuellen Strategien drücken sich unterschiedliche Be-
ziehungen zu den Alternativen aus: Entweder widmet man die
höchste Aufmerksamkeit den häufigsten Signalen, oder - was
häufiger vorkommt - man richtet eine aktive Erwartung auf
die selteneren, um gerade bei ihnen nicht aus Überraschung
falsch oder verzögert zu reagieren.
In diesem Zusammenhang hebt Konopkin hervor: Der Mensch
bleibt Mensch auch bei der einfachsten Willkürtätigkeit.
Auf die bewußte Selbstregulation verzichtet er nur dann,
wenn er übersättigt oder ermüdet ist oder das Ziel gar nicht
akzeptiert hat.
Der Effekt des Signaltempos ist vermittelt durch die an-
tizipatorische Selbstprogrammierung der Tempoparameter der
Tätigkeit. Dabei kann das auf der Basis des Regulations-
gliedes SMTB entworfene Programm der Exekutivhandlungen
konkret-psychologisch sehr unterschiedlich ausfallen: Es
kann komprimiert sein in der Formel "schneller arbeiten",
und es kann entfaltet sein zu einer Strategie der Anpassung
an die Dynamik der Signalbeschleunigung.
Konopkin hebt seine Konzeption des zielgerichteten Han-
delns von der Konzeption Anochins ab: Bei Anochin legt das
Resultat der afferenten Synthese ziemlich streng die Lösung
fest. Bei Konopkin dagegen determiniert das subjektive Mo-
dell die Selbstprogrammierung noch nicht eindeutig. Je kom-
plexer die Willkürtätigkeit ist, desto mehr verschiedene
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Programme können einem Ziel dienen, desto mehr Selbständig-
keit hat das Subjekt, wenn es seine Tätigkeit im Hinblick
auf das Ziel und unter Berücksichtigung der Bedingungen ent-wirft. In den Versuchen hat dieselbe Tempoinformation zu
unterschiedlichen Programmen geführt.
III. TÄTIGKEITSREGULATION UNTER ZEITLICHER UNBESTIMMTHEIT
In diesem Kapitel werden zwei Arten der zeitlichen Unbe-
stimmtheit untersucht: Die Unbestimmtheit des Eintritts
wichtiger Ereignisse und die Ungewißheit über die Arbeits-
dauer. -
A. Zeitliche Unbestimmtheit kritischer Ereignisse
Untersucht wurden Operatoren in chemischen Betrieben. Deren
Überwachungstätigkeit bestand zu 70- 90 % der Arbeitszeit
in der aktiven Erwartung von Gefahrensignalen, auf die hin
manuelle Eingriffe erfolgen mußten. Es wurden zwei automa-
tisierte Betriebe verglichen. In beiden hatten die Operato-
ren ein Überwachungspult mit ca. 200 Anzeigen (Indikatoren).
Der eine Betrieb war eine stabil und zuverlässig arbei-
tende Anlage, wo die Wahrscheinlichkeit von Gefahrensignalen
gering, die Arbeit infolgedessen ruhig war.
Im anderen Betrieb war die Technologie "launenhafter"
(hohe Temperatur, extreme Druckwechsel) und die Wahrschein-
lichkeit einer Abweichung entsprechend groß.
Die psychophysiologische Anspannung der Operatoren in
beiden Betrieben wurde verglichen. Anspannung wurde aufge-
faßt als der Aufwand zur Aufrechterhaltung der Arbeitsbereit-
schaft. Es wurden Indikatoren der tonischen, d.h. über län-
gere Zeit wirkenden, Anspannung sowie der momentanen Arbeits-
bereitschaft verwendet. Zur Messung des unspezifischen vege-
tativen Tonus wurden erhoben: Blutzucker, adrenalinartige
Substanzen im Blut, Kortikostereoide im Harn. Die Messung
erfolgte bei Arbeitsbeginn und nach 3 bis 3.3 Stunden Arbeits
dauer. Ferner wurden Puls und Arteriendruck (wohl als Indi-
katoren momentaner Anspannung) gemessen. Psychologisch wurde
die Arbeitsbereitschaft viermal durch Messung der RZ beiein-
fachen Reaktionen und bei Wahlreaktionen sowie durch Messung
der Durchlaßkapazität bei der Korrekturprobe (nicht näher
beschrieben) ermittelt.
Resultat: Die biochemischen Unterschiede in der Mobilisie-
rung der Operatoren waren schon vor Schichtbeginn nachweis-
bar: Die Operatoren des unregelmäßig arbeitenden Betriebes
begannen die Schicht schon in einer Voreinstellung höherer
Anspannung. Während der Arbeit verstärkten sich die Unter-
schiede noch (der Harnindikator war wenig trennscharf. Auch
bei Puls kein signifikanter, nur tendenzieller Unterschied).
Auch in der Arbeitsbereitschaft zeigte sich deutlich die
höhere Aktivierung im unruhigeren Betrieb: Die RZ waren sig-
nifikant kürzer, die Durchlaßkapazität geringfügig (abersig-
nifikant) höher. In den Gesprächen mit den Operatoren kam
zum Ausdruck, daß die hohe Anspannung in dem unruhigen Be-
trieb auch so erlebt wurde.
In einem theoretischen Abschnitt untersucht Konopkin Mög-
lichkeiten des Operators zur überwindung der zeitlichen Un-
bestimmtheit. Unbestimmt ist nicht der Katalog eventuell nö-
tiger Maßnahmen, sondern der Zeitpunkt ihrer Abrufung. Ent-
sprechend der Dynamik des Produktionsprozesses gibt es in
jeder seiner Phasen eine bestimmte Verteilung von möglichen
Ereignissen. Der erfahrene Operator prognostiziert die Pro-
zeßentwicklung und somit die Dynamik der Ereignisverteilung.
Sein scheinbar passives Beobachten ist in Wirklichkeit eine
Extrapolation des Prozeßverlaufs und auf dieser Basis ein
probabilistisches Prognostizieren von Signalen, die zugeord-
nete Handlungsprogramme abrufen. Der prognostizierende Ope-
rator kann dem Eintritt eines unerwünschten Ereignisses schon
zuvorkommen.
Konopkin nennt dies eine Intellektualisierung der Erwar-
tung. Sie senkt den zur Kontrolle des Produktionsprozesses
notwendigen psychophysiologischen Energieaufwand: Man weiß,
wann man seine Aufmerksamkeit wohin zu lenken hat.
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Die Gefahr nichterwarteter, ja, nicht zu erwartender Ereig-
nisse ist natürlich durch die Intellektualisierung nichtvöllig zu beseitigen. Zur Kompensation dieserrestlichen Unbestimmtheit muß auch der erfahrene Operator ständig eine
globale Mobilisierungsbereitschaft aufrechterhalten, d.h.
neben der intellektuellen immer auch eine
physiologische Erwartungskomponente. Je schwieriger die Prognose, desto höher
ist der Anteil dieser physiologischen Komponente.
Experimentelle Modellierung der zeitlichen Unbestimmtheit
Jede Vp arbeitete nacheinander unter zwei Regimen je 3.5
Stunden lang. In unregelmäßigen Abständen leuchteten Warn-
lampen auf, die durch schnellstmöglichen Knopfdruck zu lö-
schen waren. Es gab 4 verschiedene gleichwahrscheinliche
Lichtsignale. Die ISIs schwankten unregelmäßig zwischen 5 sec
und 3 min.
In Regime I kamen die Signale ohne Vorwarnung, in Regime
II leuchtete 3 sec vor einem Signal ein Vorsignal auf.
Abhängige Variablen: RZ, RZ-Variabilität, Atemfrequenz,
Hautwiderstand, EKG 5 min lang alle 15 min (als Pulsindi-
kator), Arteriendruck vor und nach dem Versuch, ebenfalls
vorher und nachher Blutzucker, adrenalinartige Substanzen
im Blut und Kortikostereoide im Harn.
Resultat: In Regime I mit zeitlicher Unbestimmtheit sind
die RZ länger und variabler, und zwar durchgängig in 8Teil-
phasen. Die physiologischen Indikatoren außer Atem und Ar-
teriendruck zeigen bei zeitlicher Unbestimmtheit höheren
vegetativen Tonus an. Der hautgalvanische Reflex blieb in
Regime I auf einem relativ gleichförmigen hohen Niveau und
zeigte somit ein hohes Niveau der Erwartungsspannung an.
Der von Regime I verlangte höhere physiologische Aufwand
war schon vor Beginn der Arbeit nachweisbar (vermutlich auf
Grund der Instruktion).
In Regime II dagegen ließ sich jeweils nach dem Vorsig-
nal eine stoßweise Aktivierung nachweisen, und zwar von weit
höherem Niveau und größerer Effizienz als unter Regime I.
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Das Niveau dieser Aktivierungen ließ sich offensichtlich nurkurzzeitig aufrechterhalten.
Konopkin ordnet die zeitliche Unbestimmtheit in sein bis-
her entwickeltes Modell der Tätigkeitsregulation ein und er-
weitert dieses: Zeitliche Unbestimmtheit in der Signalfolge
führt zur Konstruktion eines unzureichenden subjektiven Mo-
dells. Dessen Unzulänglichkeit muß durch einen höheren phy-
siologischen Aufwand kompensiert werden, der mit subjektivem
Unbehagen verbunden ist. Ein gesetzmäßig sich entwickelnder
Prozeß dagegen ermöglicht ein dynamisches subjektives Modell,
vom Charakter einer Prozeßextrapolation, aus dem phasenspe-
zifische Wahrscheinlichkeitsprognosen über kritische Signale
ableitbar sind. Je sicherer die Prognosen, desto geringer
der vegetative Aufwand.
B. Berücksichtigung der Arbeitsdauer in der willkürlichen
Tätigkeitsregulation
Konopkins Hypothese ist, daß Information über die Arbeits-
dauer als Komponente in das subjektive Modell der Tätigkeits-
bedingungen eingeht, mithin ihr Fehlen sich nachteilig be-
merkbar macht.
Experiment mit bestimmter und unbestimmter ArbeitszeitDie Arbeit der Vp besteht in einer Durchstreichaufgabe. Die
Ziffern 1 bis 8 treten gleichwahrscheinlich in Zufallsfolge
auf dem Arbeitsblatt auf, jede Ziffer ist auf eine eigene
Art zu streichen. Nach je 3 min ist auf ein Tonsignal hin
die gerade erreichte Stelle im Blatt zu markieren.
Instruktion: "Maximal schnell und genau arbeiten!"
Jede Vp absolviert 12 bis 15 Sitzungen dieser Art von je 45
min, um ihre Arbeitsweise zu stabilisieren. Der Schluß ei-
ner Sitzung wird jedesmal vom V1 mündlich angekündigt.
Danach wird der kritische Versuch gemacht, in dem der V1
das Abbruchsignal - ohne Vorankündigung - erst nach 117 mingibt. Anschließend folgen zwei weitere lange Versuche, dies-
mal mit Vorankündigung der Arbeitsdauer.
- 17 -
Leistungsmaße: Mittlere Zeichenzahl pro 3-min-Intervall, de-
ren Varianz, mittlere Fehlerzahl. Bei den langen Versuchen
werden die Maße getrennt für die ersten 45 min und für den
Rest der Zeit berechnet.
Resultat: Die ersten 15 Intervalle des kritischen Versuchs
unterschieden sich nicht von den vorhergehenden kurzen Ver-
suchen, in den Intervallen 16 bis 39 dagegen gab es eine sig-
nifikante (bei 8 von 10 Vpn deutliche) Leistungssenkung um
durchschnittlich 10% . In den beiden angekündigten langen
Versuchen betrug der Leistungsabfall zwischen den Interval-
len 1 bis 15 einerseits und 16 bis 39 andrerseits nur durch-
schnittlich 3 %. Der Abfall im kritischen Versuch ist also
nicht allein durch Ermüdung zu erklären. Bei der unerwarte-
ten Verlängerung verdoppelt sich die Varianz zwischen den
Intervallen, bei den erwarteten Verlängerungen verändert sich
die Varianz kaum. Die Fehlerzahl blieb von den Verlängerun-
gen unbeeinflußt.
Aufschlußreich ist das Verhalten der Vpn bei der kriti-
schen Verlängerung: Die sonst befolgte Regel der Stillarbeit
wird verletzt. Die an den V1 gerichteten Äußerungen sind von
zweierlei Art: Es sind Fragen und Hypothesen über die Dauer,
welche die Unbestimmtheit beseitigen sollen, und es sind Be-
schwerden, die darauf zielen, vom V1 zusätzliche Anreize zur
Erleichterung des Weitermachens zu erhalten.
Aus Gesprächen ging hervor, daß die Weiterarbeit durch
Annahme einer Hypothese vorübergehend erleichtert wurde, so-
lange bis die Hypothese zusammenbrach.
In einem theoretischen Abschnitt interpretiert Konopkin
den Befund, daß unter den durch Unbestimmtheit erschwerten
Arbeitsbedingungen die Tempo- aber nicht die Güteleistung
abfällt. Bei Unbestimmtheit, z.B. bezüglich der Arbeitsdau-
er, treten Prozesse der Informationssuche auf, die mit der
laufenden Regulation konkurrieren. Um die differentielle Be-
einträchtigung zu erklären, reichen die bisher konzipierten
Regulationsglieder nicht aus. Der durch konkurrierende In-
formationssuche beeinträchtigte Prozeß ist, so lautet die
Hypothese, ein Prozeß der Kontrolle.
- 18 -
Logischerweise verlangt die Kontrolle zwei funktionale Glie-
der: Information über Resultate und ein System von Erfolgs-
kriterien. Konopkin schließt also auf ein Rückführungsglied
"Information über die Tätigkeitsresultate", das der Bewer-
tung der Entsprechung von Ziel und Tätigkeit dient. Ohne ei-
nen Bewertungsmaßstab ist die Resultatrückmeldung zur Regu-
lation jedoch nicht ausreichend. Da die Resultate in der
Regel mehrparameterig sind, ist ein Kriteriensystem erfor-
derlich.
In den geschilderten Versuchen sind Tempo und Güte die
Leistungsparameter. Warum sind sie unterschiedlich anfällig
gegen Störungen? Konopkin stützt sich auf die Beobachtung,
daß eine eingearbeitete Vp nach längeren fehlerfreien Peri-
oden ihr Reaktionstempo beschleunigt und nach einem Fehler
vorübergehend wieder verlangsamt. Der Tempoparameter scheint
dem Genauigkeitsparameter untergeordnet, gleichsam von ihm
abgeleitet zu sein. Eine Analyse der Kriteriumsfestlegung
(per Instruktion) und der Resultatrückmeldung macht dies
Verhältnis plausibel: Das Genauigkeitskriterium ist eindeu-
tiger festgelegt und bestimmter zurückgemeldet als das Tem-
pokriterium. Einzelne Fehler sind leicht, Tempoabweichungen
schwer zu identifizieren. Zur Tempokontrolle bei der Durch-
streichaufgabe wären Zählungen erforderlich. Wegen seiner
besseren Kontrollierbarkeit wird der Genauigkeitsparameter
zum führenden.
Diese beiden zunächst hypothetischen Kontrollglieder wer-
den in später zu berichtenden Experimenten belegt und kon-
kretisiert. Einstweilen wird zur Erklärung des Unbestimmt-
heitseffekts angenommen, daß durch die konkurrierende Infor-
mationssuche die Kontrolle geschwächt wird, indem Resultat-
bewertungen ausgelassen, Resultatinformationen emotional
verzerrt oder ein Parameter überhaupt nicht kontrolliert
werden.
- 19 -
IV. SIGNALWAHRSCHEINLICHKEIT UND REAKTIONSZEIT
In sechs Experimenten wird verfolgt, wie durch das subjektive
Modell der Zusammenhang von Signalwahrscheinlichkeiten und
Reaktionszeiten vermittelt wird.
Die Untersuchungen gehen von der Tradition aus, welche den
Menschen als Nachrichtenkanal betrachtet. In dieser Tradition
ist die Signalwahrscheinlichkeit die wichtigste Determinante
des Tempos der Informationsaufnahme (Hicksches Gesetz: Die RZ
steigt mit der Alternativenzahl so, daß das Tempo der Infor-
mationsaufnahme in bit konstant bleibt; Hyman: Informations-
änderungen durch Änderungen der Alternativenzahl, der W-Ver-
teilung über den Alternativen und der seriellen Abhängigkei-
ten sind psychologisch äquivalent - die RZ steigt immer li-
near.).
Schon innerhalb dieser Tradition mußten Einschränkungen
des allgemeinen Zusammenhangs zwischen Wahrscheinlichkeit und
RZ vorgenommen werden. Die Beziehung wird moduliert durch
Trainiertheit der Vp, S-R-Kompatibilität, sensorische Dis-
kriminierbarkeit der Signale, Signaltempo, Alter und ZNS-Typ
der Vp. Selbst in den einfachsten, strengstens instruierten
Situationen folgt die Vp nicht immer Hicks Gesetz.
Entscheidend ist das subjektive Modell von der W-Charakte-
ristik der Signale - so lautet Konopkins allgemeine Hypothe-
se.
Experiment I
Um zu zeigen, daß die Vorstellung der Vp über die Alternati-
venzahl maßgeblich ist für das die RZ determinierende Pro-
gramm, wird wieder mit Falschinformation über die tatsächli-
chen Verhältnisse gearbeitet.
Jede Vp durchläuft 3 Versuche, zwischen denen 10-minütige
Pausen liegen. Die Vpn sind in dieser Art von Versuchen er-
fahren. In jedem Versuch werden 100 Signale geboten, auf die
"maximal schnell und genau" zu reagieren ist. Die 100 Signale
bestehen aus vier gleichwahrscheinlichen Alternativen.
- 20 -
Vor dem 1. und 3. Versuch werden die Vpn richtig über die
Alternativenzahl informiert, vor dem 2. Versuch erhalten sie
die Falschinformation "8 Alternativen", d.h. die Kompliziert-
heit des Versuchs wird übertrieben.
Resultat: Bei Versuch (2) geht die RZ deutlich in die Höhe
(im Mittel 136% gegenüber 100 % im 1. und 2. Versuch).
Die Vpn haben sich also auf die ihnen vorgespiegelte kom-
pliziertere Situation eingestellt. Durch die Diskrepanz zwi-
schen den tatsächlichen und den widergespiegelten Verhält-
nissen wird die aktive Rolle der bewußten Widerspiegelung
für die Programmierung aufgedeckt.
Experiment II
Hier wird die Wirkung der Information über die Wahrschein-
lichkeiten von ungleichwahrscheinlichen Alternativen unter-
sucht.
Im 1. Versuch erhielten Vpn, die mit gleichwahrscheinli-chen Alternativen Versuchserfahrung hatten, die Vorankündi-
gung: "4 Alternativen", die Wahrscheinlichkeiten (50 % - 30%
- 15 % - 5 %) wurden nicht mitgeteilt. Es handelte sich um
unterschiedlich lokalisierte Lichtsignale. Die Instruktion
lautete wieder: "Maximal schnell und genau reagieren!"
Es wurden in Zufallsfolge 100 Signale mit IST 3 sec gegeben.
Resultat: Die RZ sind für alle Alternativen nahezu gleich,
die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme mithin unter-
schiedlich. Das in der Vergangenheit gebildete subjektive
Gleichwahrscheinlichkeitsmodell ist maßgebend.
Im 2. Versuch erhält ein Teil der Vpn Information überdie W-Verteilung, ein Teil nicht (für sie ist dies einfach
eine Fortsetzung des 1. Versuchs).
Resultat: Bei den über die W informierten Vpn kommt es so-
fort zur Diversifizierung der RZ, bei den nicht informierten
- 21 -
zeigt sich nur eine allmähliche Berücksichtigung der W-Ver-
hältnisse. Die informierten Vpn berücksichtigen die W-Ver-
hältnisse keineswegs einheitlich: 6 Vpn reagieren auf die
selteneren Signale langsamer als auf die häufigeren, 2 Vpn
dagegen reagieren in der umgekehrten Weise - sie scheinen
den seltenen Signalen geradezu aufzulauern.
Experiment III
Hier wird verfolgt, wie die Vpn das zur Reaktionsprogram-
mierung notwendige subjektive Wahrscheinlichkeitsmodell
selbständig bilden.Die Signalreihe enthielt insgesamt 8 Alternativen. Sie
bestand aber aus 10 Abschnitten, in denen jeweils nur 4 der
Alternativen "überwiegend" benutzt wurden. In den ungerad-
zahlig numerierten Abschnitten waren dies die Signale Nr. 1
bis 4, in den geradzahlig numerierten die Signale Nr. 5 bis
8. Jedes der "überwiegenden" Signale erschien in jedem Ab-
schnitt zehnmal, die anderen 4 Signale je einmal. Die Sig-
nalfolge war mit dieser Maßgabe zufällig. Die Abschnitte
gingen nahtlos ineinander über. Das ISI war konstant3 sec.
Den Vpn wurden 8 Alternativen angekündigt, darüber hinaus
erfuhren sie nichts vorher über den Aufbau der Signalfolge.
Sie sollten ein maximales mittleres Reaktionstempo anstre-
ben, eine Anweisung, die nicht näher interpretiert wurde.
Resultat: Die RZ wiesen eine interessante Dynamik auf. In
den beiden ersten Abschnitten entsprachen sie dem bei 8
gleichwahrscheinlichen Alternativen üblichen Reaktionstem-
po. Dann stellte sich eine Divergenz zwischen den Haupt-
und Nebensignalen ein (jedes Signal fungierte von Abschnitt
zu Abschnitt abwechselnd als Haupt- und Nebensignal): Die
Hauptsignale erreichen im 8. Abschnitt das für 4 Alternati- .
ven übliche Reaktionstempo, die Nebensignale erreichen RZ,
die in der Mitte zwischen den für 8 und für 4 Alternativen
üblichen liegen.
- 22 -
Die Berichte der Vpn entsprechen dieser Dynamik. Gegen Ende
der Signalfolge konnten einige Vpn den Wechsel der Abschnitte
vorhersagen, und zwar achteten sie auf das 5. Signal nach dem
Auftreten des 4.. Nebensignals. Die Nebensignale wurden so zu
Orientierungspunkten im subjektiven Modell, von denen die
aktive Vorbereitung des Programmwechsels ausging. Erkennbar
war dies auch daran, daß die RZ beim 4. Nebensignal eines
Abschnitts, das ja im nächsten Abschnitt zu den Hauptsigna-
len gehören wird, schon anfängt abzusinken, sich der RZ der
Hauptsignale anzunähern. Diese vom 8. Abschnitt an beobacht-
bare antizipatorische Regulation ist durchaus effizient be-
züglich des Ziels "die mittlere Reaktionszeit minimieren".
Konopkin ordnet die Befunde dieses Experiments in die The-
matik des Wahrscheinlichkeitslernens ein. Diesem Aspekt des
Aufbaus des subjektiven Modells sind die folgenden Experi-
mente gewidmet. Zunächst ist aber eine Abgrenzung von der
experimentellen Tradition des W-Lernens nötig: Die experi-
mentelle Modellierung von Situationen mit Reizunbestimmtheit
erfolgt meist durch intentionales W-Lernen. In der realen
Berufstätigkeit (z.B. bei der Signalentdeckung durch Opera-
toren) ist dieses Paradigma unrealistisch, insofern der Ope-
rator Entscheidungen zu treffen hat, ohne eine Phase des
intentionalen W-Lernens vorher absolvieren zu können. Seine
Haupttätigkeit geht ununterbrochen weiter und verlangt die
Ausnutzung von inzidentell gesammelter Erfahrung. Andern-
falls müßte in veränderlicher Umgebung die W-Berechnung zu
einer ständig parallellaufenden selbständigen Aktivität
werden.
•
•
- 23 -
Experiment IV
Das Ziel ist der Nachweis der inzidentellen Widerspiegelung
der W-Charakteristik des Reizangebots.
Die Haupttätigkeit der Vp besteht in der zeichenweisen
Bearbeitung einer Tabelle mit 2 Alternativen (die Versuchs-
tätigkeit wird nicht genauer berichtet. Der Versuch ist in
einer früheren - mir nicht zugänglichen Arbeit dargestellt.).
Es gibt 16 Typen von Tabellen, die sich hinsichtlich der
Verteilung der Alternativen unterscheiden: von 50:50 bis
65:35. Jeder Tabellentyp wird von einer unabhängigen Vpn-
Gruppe bearbeitet. Als Ziel wird den Vpn gesagt, es solle
das Tempo der Ausarbeitung einer Fertigkeit zur Aufmerksam-
keitsverteilung untersucht werden.
Nach dem Versuch sollen die Vpn die W der Zeichen auf
ihren Tabellen aus dem Gedächtnis schätzen. Diese Aufforde-
rung kommt unerwartet. Es wird also die Retrospektion zu
einer im Versuch nicht bedeutsamen und daher nicht inten-
tional widergespiegelten Bedingung verlangt. (Die Schätzun-
gen werden auf zwei Weisen erhoben, in einem verbalen Ver-
fahren und in einem Herstellungsverfahren. Beide sind hier
nicht näher beschrieben. Die Resultate stimmen überein.)
Resultat: Die W-Schätzung steigt linear mit der tatsächli-
chen W an. Die Korrelation zwischen geschätzter und wirkli-
cher W liegt bei beiden Schätzverfahren (unterschiedliche
Vpn-Gruppen) in der Gegend von .80 bis .90.
Experiment V
Es wird eine Überprüfung des inzidentellen W-Lernens
berichtet (Sipacev 1972). Die Wahrscheinlichkeiten zweier Alterna-
tiven, auf die zu reagieren war, wurden hier intraindividuell
variiert. Es gab 4 Versuchstypen, die je zehnmal wiederholt
wurden. Sie unterschieden sich in den Signalwahrscheinlich-
keiten: 50:50 - 60:40 - 70:30 - 80:20. Nach jedem Versuch,
also insgesamt 40-mal, hatte die Vp eine W-Schätzung abzuge-
ben.
- 24 -
Resultat: 40 % der Schätzungen waren absolut richtig. In den
übrigen Fällen bemerkten die Vpn zumindest die Richtungen der
Unterschiede zwischen den Signalfolgen deutlich.
Erwähnt wird noch, daß nach einer unveröffentlichten Un-
tersuchung die Vpn nicht nur W-Parameter, sondern auch andere
strukturelle Besonderheiten von Signalfolgen, z.B. die Größe
homogener Signalgruppen, inzidentell lernen.
Im folgenden wird die Rolle des subjektiven W-Modells bei
der Reaktionsvorbereitung näher untersucht.
Zunächst wird konstatiert, daß die Parameterkenntnis bei
einer zufälligen Signalfolge keine ausreichende Informations-
basis darstellt, um die Reaktion auf das einzelne Signalvor-
zubereiten. Zur Reaktionsvorbereitung ist ein hoher Grad an
Gewißheit über das nächste Signal erforderlich. Eine aus-
reichende Gewißheit der Prognose stellt sich aber nur bei
Signalfolgen ein, wo die W der Alternativen kraß verschieden
sind. Dann ist die Gewißheit für die wahrscheinlichste Al-
ternative hoch.
Es wird nun gefragt, ob inzidentell gelernte W auch zu
gleichsam inzidentellen Prognosen verwendet werden, d.h. zur
Reaktionsvorbereitung auch dann, wenn die Aufgabe dies nicht
unbedingt verlangt, sondern die Reaktionswahl auch nach dem
Eintritt des Signals erfolgen kann.
Experiment VI
Um inzidentelle Reaktionsvorbereitung nachzuweisen, hat
Sipacev (1976) einen Hebelschalter für binäre Wahlreaktionen
konstruiert, an dem jeweils nur eine Reaktion, auf Kosten
der anderen, vorbereitet werden kann, und dies dann deutlich
sichtbar. Es handelt sich um eine Art Waagebalken, der bis
zur Erreichung eines der beiden Kontakte ziemlich stark aus-
gelenkt werden muß. Wenn die Vp z.B. mit ziemlicher Gewiß-
heit erwartet, daß das nächste Signal eine Reaktion mit der
rechten Hand verlangen wird, so kann sie sich durch Senkung
- 25 -
des Waagebalkens auf der rechten Seite zum Kontakt hin dar-
auf vorbereiten und so durch Verkürzung des Hebelweges ihre
RZ verkürzen. Vom V1 kann am Hebel das Ausmaß dieser Vorbe-
reitung abgelesen werden. (Sipacevs Versuchsbedingungen wer-
den von Konopkin nicht genauer referiert.)
Resultat: Nach einer Orientierungsphase zeigen die Vpn deut-
lich erkennbares stabiles Prognoseverhalten. Der Weg von der
Signalcharakteristik zur Prognose ist allerdings durch in-
dividuelle Taktiken kompliziert. Deren theoretischer Analyse
widmet sich Konopkin.
Er unterscheidet eine Taktik der negativen Rezenz und ei-
ne Taktik der positiven Rezenz. Rezenz bedeutet, daß die Vp
sich bei einer Prognose nach ihrer vorhergehenden Prognose
richtet, sofern diese erfolgreich war. Bei negativer Rezenz
erwartet sie einen Reaktionswechsel, bei positiver Rezenz
die Beibehaltung der vorherigen Reaktion.
Konopkin interpretiert negative Rezenz als die aktivere
Form des Prognoseverhaltens. Positive Rezenz stellte sich
i.a. erst nach dem Scheitern einer Taktik der negativen Re-
zenz oder bei Verlust des Interesses am Versuch ein. Posi-
tive Rezenz ist eigentlich der Verzicht auf die Berücksich-
tigung der Signalwahrscheinlichkeiten bei der Reaktionsvor-
bereitung; es ist die primitivste Regel, die Regel eines
linearen Automaten.
Daß eine Vp die Selbstprogrammierung im Sinne der posi-
tiven Rezenz vornehmen kann, obwohl ihre inzidentell erwor-
bene Kenntnis der Signalwahrscheinlichkeiten eigentlich ei-
ne andere Taktik der Reaktionsvorbereitung nahelegen würde,
ist ein Hinweis darauf, daß die subjektiven Vorstellungen
von den Signalwahrscheinlichkeiten erst dann zum wirksamen
subjektiven Modell werden, wenn ihre subjektive Gewißheit
groß genug ist.
Das subjektive Modell wird als ein kreatives Glied des
Regulationsprozesses bezeichnet, insofern es nicht nur eine
konstatierende Widerspiegelung (z.B. von Parametern) leistet,
sondern auch die Prognose von Ereignissen auf der Basis des
Vergleichs von "konstanten" Informationen (Alternativenzahl,
- 26 -
W) mit den laufenden Informationen über die bereits dargebo-
tenen Signale realisiert. Eine solche kreative Prognose ver-
langt angespannte bewußte Aktivität. Man entlastet sich häu-
fig von ihr, indem man auf eine einfache Prognoseregel wie
positive Rezenz zurückgreift. Auch eine solche starre Regel
beseitigt die Unsicherheit der Reaktionswahl und kann unter
manchen Bedingungen (z.B. Ermüdung) die Vp zufriedenstellen,
sofern sie nur eine geringfügige Verbesserung der Chancen
gegenüber dem bloßen Raten bewirkt.
V. DER VOLLSTÄNDIGKEITSGRAD DES PSYCHOLOGISCHEN REGULATIONS-
SYSTEMS UND DIE ÜBERWINDUNG DER "REFRAKTÄRZEIT" UND DES
"STÄRKEGESETZES"
In den bisher berichteten Untersuchungen Konopkins sind die
folgenden funktionalen Glieder des psychologischen Niveaus
der Tätigkeitsregulation zutage getreten:
Das von dem Tätigkeitssubjekt akzeptierte Ziel,das subjektive Modell der Tätigkeitsbedingungen,das Programm der Exekutivhandlungen,das System der Erfolgskriterien,das System der Informationen über reale Tätigkeitsresultate.
In den Experimenten dieses Kapitels werden über die
Versuchsbedingungen Regulationssysteme hergestellt, die unterschied-
lich viele der genannten Glieder enthalten. Es wird untersucht,
wie diese unterschiedlich vollständigen Regulationssysteme
die beiden viel untersuchten Phänomene "Refraktärzeit" und
"Stärkegesetz" modulieren.
A. Die Rolle der bewußten Regulation für die Refraktärzeit
bei einfachen Reaktionen
Wieder wird die Wirksamkeit der bewußten Regulation am Extrem-
fall der einfachen sensomotorischen Reaktionen untersucht,
die hinsichtlich der psychologischen Regulierbarkeit
den Minimalfall und hinsichtlich der Externalisierung den Maximalfall
darstellen.
27 -
Das Phänomen der Refraktärzeit: Eine Reaktion oder ein Signal
verlängern die RZ der folgenden Reaktion, wenn diese in ei-
nem zu kurzen zeitlichen Abstand folgt.
Welcher zeitliche Abstand z.B. für ein Warnsignal optimal
ist, konnte noch nicht eindeutig bestimmt werden.
Zur Erklärung der Refraktärzeit wurde bisher mit physio-
logischen Begrenzungen argumentiert:
Mindestzeiten für die Informationsverarbeitung im "einka-naligen" System;
interne Induktionsperiodik von Erregung und Hemmung.
Konopkins Position: Die physiologischen Grenzen werden nor-
malerweise im Experiment nicht erreicht. Die gemessene Re-
fraktärzeit hängt dann praktisch davon ab, welche Gliederdes
funktionellen Systems an der Regulation teilnehmen und welche
fehlen.
In seinen Versuchsreihen konzentriert sich Konopkin nach-
einander auf die funktionalen Glieder "subjektives Modell",
"Resultatinformation" und "Erfolgskriterien".
Für die Wirksamkeit des subjektiven Modells ist entschei-
dend, ob in ihm die kurzen ISIs als die wichtigen und dieschwierigen repräsentiert sind - so lautet die zu belegende
Hypothese. Unter den üblichen Versuchsbedingungen fehlt der
Vp die Information zum Ausbau dieses Teils ihres subjektiven
Modells.
Experiment I
In vier Versuchsreihen (Serien) wird die Dynamik des negati-
ven Nacheffekts, der sich in der Refraktärzeit ausdrückt, in
Abhängigkeit von der Orientierung der Vp auf die kürzesten
Intervalle untersucht.
In den drei ersten Serien werden Geräuschsignale paarwei-
se mit variierenden ISIs gegeben.
- 28 -
Instruktion: "Auf alle Signale so schnell wie möglich rea-gieren!"
Die Signale: 400 Hz, 65-70 dB.
Pause zwischen je zwei Paaren: 15-17 sec.
Nach dem Versuch wurde ein Nachgespräch geführt, um zu er-
fahren, welche Einstellung die Vp zum Experiment hatte, wie
gewissenhaft und konsequent sie versucht hatte, die Instruk-
tion zu befolgen, und was für sie das Schwierigste gewesen
war.
1. Serie
Es wurden 10 verschiedene ISIs von 1 sec bis 10 sec je 10 mal
in Zufallsfolge verwendet. Dieser Versuch wurde mit jeder Vp
5 mal nacheinander identisch durchgeführt.
Resultat: Im 1. Versuch zeigte sich der negative Nacheffekt
des Erstsignals bei den Paaren mit ISI 1 sec bis 4 sec (die
RZ lag bis zu 140 % über der RZ des Erstsignals des Paares,
die als 100 % bezeichnet wurde). Der Nacheffekt war um so
kräftiger, je kürzer das ISI war.
Nach dem 3. Versuch ist der negative Nacheffekt verschwunden.
2. Serie
Die Orientierung auf kurze Intervalle wird verstärkt, indem
jetzt nur Signalpaare mit den ISIs 1 sec - 0.5 sec - 0.25 sec
- 0.125 sec eingesetzt werden, wieder in Zufallsfolge. Erst
die ISIs unter 1 sec stellen für die Vpn ein Problem dar.
Resultat: Mit dem kürzesten Intervall kamen nur 2 von 5 Vpn
zurecht (d.h. reagierten überhaupt). Bei den anderen Inter-
vallen verschwand der negative Nacheffekt des Erstsignals
schon mit dem zweiten oder dritten Auftreten des Paares. Er
verkehrte sich sogar in einen positiven Nacheffekt: Die Reak-
tion auf das Zweitsignal eines Paares wurde im Mittel etwas.
schneller als die auf das Erstsignal desselben Paares (bei
ISI 1 sec: Abfall auf 90 % der RZ des Erstsignals, bei ISI
0.5 sec und 0.25 sec: Abfall auf ungefähr 75 %).
- 29 -
3. Serie
Der 2. Versuch dieser Serie ist ein Lernversuch, in dem die
Paare mit demselben 181 je 10 mal unmittelbar nacheinander
dargeboten werden. Die verwendeten ISIs sind - in dieser
Reihenfolge - 10 sec - 5 sec - 2 sec - 1 sec - 0.5 sec -
0.25 sec - 0.125 sec.
Der 1. und der 3. Versuch bilden einen Vortest und einen -
identischen - Nachtest. In Zufallsfolge wurden die ISIs
0.125 sec - 0.25 sec - 0.5 sec - 1 sec - 2 sec - 3 sec usw.
bis einschließlich 10 sec benutzt.
Resultat: Im 1. Versuch (Vortest) zeigte sich der aus der
1. Serie bekannte negative Nacheffekt bei den ISIS von 4 sec
an abwärts. Im 2. Versuch (Lernversuch) war der negative
Nacheffekt anfangs auch beim Ina von 5 sec zu bemerken. Er
verschwand aber allmählich. Bei den Intervallen mit ISI 1 sec,
0.5 sec und 0.25 sec ging der Abfall der RZ besonders rasch
(Tabelle mit den mittleren RZ für jede der 10 Realisierungen
jedes Intervalls). Bei ihnen pendelte sich nach dem 5. Auf-
treten die RZ zum Zweitsignal auf 60 bis 70 % der RZ zum
Erstsignal des Paares ein. Selbst bei ISI 0.125 sec gab es
schließlich nur noch wenige Auslassungen, und die RZ zum
Zweitsignal fiel auf weniger als 60 % .
Aus den Berichten der Vpn zum Lernversuch geht hervor, daß
sie sich darauf einstellten, nicht mehr Einzelreaktionen,
sondern paarweise Reaktionen zu geben, jedenfalls bei den
kurzen Intervallen.
Im 3. Versuch (Nachtest) liegen die RZ zu den Zweitsigna-
len generell unter den entsprechenden vom 1. Versuch. Beiden
ISIs von 1 sec an abwärts fallen die RZ zum Zweitsignal so-
gar unter die zum zugehörigen Erstsignal ab, wie im Lernver-
such. Die massierte Erfahrung mit kurzen gleichen Interval-
len hat also eine positive Nachwirkung auf Zufallsfolgen,
die sich anschließen.
- 30 -
4. Serie
Diese Versuchsvariante von Stepanskij (1974) wird von Konopkin
nur skizziert.
Hier bestanden die Signalpaare aus einem Vorsignal, das nur
als Warnsignal diente und keine Reaktion erforderte, und einen
Kommandosignal, auf das reagiert werden mußte. Das Vorsignal
war ein Lichtsignal, das Kommandosignal ein akustisches. Die
ISIs in den Paaren betrugen 0.2 sec - 1.6 sec - 3 sec und
wurden in Zufallsfolge realisiert.
In einem der Versuche wurden per Instruktion die Paare mit dein
ISI 0.2 sec ausgezeichnet: "Deren RZ zählt besonders!"
Mit einem Druckmesser am Schalter wurde die motorische Reak-
tionsvorbereitung untersucht.
Resultat: Die verbale Auszeichnung der kürzesten Intervalle
bewirkte eine selektive Reaktionsbeschleunigung bei diesen
Kommandosignalen (gegenüber einem Vergleichsversuch ohne ver-
bale Auszeichnung).
Bei einigen Vpn ließ sich eine motorische Vorbereitung schon
von der Intervallmitte an - steigend bis zum Eintritt des
Kommandosignals - nachweisen, jedoch nur in den Versuchen
mit selektiver verbaler Betonung! Die Vorbereitung fand dann
aber in allen Intervalltypen statt, d.h. das zunächst wohl
nur für die kürzesten Intervalle eingerichtete Programm wurde
für alle Intervalle benutzt.
Bei den anderen Vpn wurde die motorische Reaktionsvorberei-
tung erst nach dem Eintritt des Kommandosignals beobachtbar.
Insgesamt manifestieren sich in Konopkins Untersuchungen
enorme individuelle Unterschiede hinsichtlich des Umgangs
mit der Refraktärzeit: Manche Vpn zeigen das Phänomen beharr-
lich noch bei Intervallen von 3 bis 4 sec, andere überwinden
es schon bei den kürzesten ISIs und verkehren es in eine po-
sitive Nachwirkung des unmittelbar vorausgehenden Ereignis-
ses (Vorsignal oder Reaktion).
- 31 -
Experiment II
Hier wird gegenüber Experiment I das subjektive Modell da-
durch vervollständigt, daß die zeitliche Unbestimmtheit des
Eintretens des Kommandosignals aufgehoben wird.
Es wird mit Paaren von akustischen Signalen gearbeitet
(1000 Hz, 65 dB, 20-25 msec Dauer eines Signals). Es werden
240 Paare gegeben, die Pausen zwischen ihnen sind 6 sec lang
(= 1 Versuch). Instruktion: "Auf alle Signale maximal schnell
reagieren!"
1. Serie
Es werden 3 Versuche durchgeführt (unklar, ob mit verschie-
denen Vpn-Gruppen), in denen jeweils 4 ISIs je 60 mal reali-
siert werden (Zufallsfolge). Vor jedem Versuch werden die
verwendeten ISIs und die Zufälligkeit ihrer Abfolge bekannt-
gegeben.
Für den Vergleich der 3 Signalfolgen ist entscheidend, daß sie
sich hinsichtlich der verwendeten ISIs partiell überlappen:
1. Versuch: ISI 0.3 sec - 0.5 sec - 1.0 sec - 2.0 sec;2. Versuch: ISI 0.5 sec - 1.0 sec - 2.0 sec - 3.0 sec;3. Versuch: ISI 1.0 sec - 2.0 sec - 3.0 sec - 4.0 sec.
Die Resultate für jedes Paar werden in Form des Quotienten
RZ 2 / RZ 1 (in %), d.h. als das RZ-Verhältnis von Zweit- und
Erstsignal des Paares, berechnet.
Resultat: In allen drei Versuchen ist der Quotient RZ 2/
RZ 1 eine und dieselbe Funktion - nicht des ISI, sondern des
Rangplatzes, den das ISI in dem betreffenden Versuch einnimmt.
D.h. bei allen drei Versuchen ist der Quotient für das kür-
zeste Intervall nahezu identisch, während der Quotient für
ein bestimmtes ISI von Versuch zu Versuch deutlich verschie-
den ist.
Der Quotient hängt also nicht vom Absolutwert der Intervall-
dauer, sondern von ihrem Stellenwert innerhalb des Versuchs
ab.
- 32 -
Da RZ1, die RZ zum Erstsignal eines Paares, für jede Vp
praktisch eine Konstante ist, individuell verschieden natür-
lich, basiert die Variabilität auf RZ 2: Bei den kürzesten
Intervallen ist die RZ am längsten.
Zur Interpretation dieser Daten wird angenommen, daß in
allen drei Versuchen ein und dasselbe Programm realisiert
worden sei, und zwar das folgende:
Unmittelbar nach dem Erstsignal eines Paares sind alle 4 der
angekündigten Intervalldauern gleichwahrscheinlich (0.25).
Die W für die Realisierung des kürzesten Intervalls ist also
25%. Verstreicht das kürzeste Intervall, ohne daß das Zweit-
signal eintritt, so bleiben die restlichen 3 ISIs gleich-
wahrscheinlich (0.33), die W für das nächstlängere Intervall
ist also 33 %. Tritt auch nach seinem Ablauf das Zweitsig-
nal noch nicht auf, so wird die W für das nächstlängere In-
tervall 50%. Nach seinem Verstreichen ist schließlich das
Eintreten des längsten Intervalls 100 % sicher.
Diese Überlegung erklärt, daß die subjektive W einer Inter-
valldauer nicht von ihrer Länge, sondern von ihrer Stelle
in der Rangreihe der verwendeten Intervalle abhängt.
Die beobachteten RZ entsprechen diesen hypothetischen Wahr-
scheinlichkeiten.
2. Serie
Um die vermutete Beziehung zwischen W und RZ 2 zu erhärten
und zu differenzieren, wurden zwei Versuche durchgeführtmit den ISIs des 2. Versuchs von Serie (1) (0.5 - 1.0 - 2.0- 3.0 sec), jedoch mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkei-
ten, über die die Vpn vor dem Versuch informiert wurden.
1. Versuch: 120 Paare der Zufallsfolge hatten ISI 0.5 sec,je 40 Paare hatten ISIs von 1 sec, 2 sec und 3 sec.
Das kürzeste Intervall hatte also eine Auftretens-W von 50%.
Sobald es bei einem Paar verstrichen war, galten für die
gleichwahrscheinlichen 3 anderen Intervalle dieselben
W-Überlegungen wie in Serie (1).
- 33 -
Resultat: Beim kürzesten Intervall (ISI 0.5 sec) geht der
Quotient RZ 2 / RZ 1 im Vergleich zum Resultat beim 2. Versuch
der 1. Serie von 122 auf 103 signifikant zurück, während bei
den anderen Intervallen keine Änderungen gegenüber dem
früheren Versuch erkennbar sind.
Die W-Dynamik ist hier gegenüber dem Vergleichsversuch nur
beim kürzesten Intervall geändert worden, und nur bei ihm
zeigt sich eine sinngemäße Änderung der RZ 2.
2. Versuch: Für das kürzeste Intervall (0.5 sec) wurde die
W auf 100 % eingestellt, indem dieses Intervall immer auf
das längste Intervall (3 sec) folgte, was die Vp wußte. Nach
Befragung waren sich die Vpn dieser Abfolge - kürzestes In-
tervall immer und nur nach dem längsten - tatsächlich sicher.
Resultat: Beim kürzesten Intervall fällt der Quotient RZ 2/
RZ 1 jetzt auf 96 ab, während bei den übrigen Intervallen
wieder kein Unterschied zum Vergleichsversuch herauskommt.
3. Serie
Die Versuche dieser Serie sind Replikationen der vorigen mit
der einzigen Änderung, daß die Vpn nur auf das Zweitsignal
eines Paares zu reagieren hatten, während das Erstsignal als
Vorsignal diente. (Kürzestes ISI laut anschließendem Text
vermutlich 0.4 sec.)
Resultat: Völlig übereinstimmend mit der 2. Serie.
Nach dieser pauschalen Feststellung führt Konopkin noch
einige individuelle Daten aus der 3. Serie an, die für die
Interpretation wichtig sind:
Nicht alle Vpn verstanden oder entdeckten die gesetzmäßige
Abfolge des längsten und des kürzesten Intervalls. In diesen
Fällen gab es keine Verkürzung von RZ. Erst wenn die Vpn
nach mehrfachem Erklären die Abfolge einsahen und glaubten,
- 34 -
wurde RZ kürzer. Es gab auch Fälle, wo selbst die Einsicht
nicht ausreichte, um das dem - nun adäquaten - subjektiven
Modell entsprechende Reaktionsprogramm auszuarbeiten: Eine.
Vp verkürzte die RZ erst, nachdem man sie aufgefordert hatte
zu prüfen, ob die von ihr bemerkte Abfolgegesetzmäßigkeit
nicht gelegentlich durchbrochen würde.
Konopkins Schlußfolgerung hieraus ist, daß subjektives
Modell und Reaktionsprogrammierung zwei verschiedene Glieder
des Regulationssystems sind, die nicht in einer eindeutigen
Beziehung stehen.
4. Serie
Logischerweise werden nun die bisher auf verschiedene Versu-
che verteilten Manipulationen der W eines Kommandosignales
in einer einzigen Signalfolge zusammengefaßt. Es soll unter-
sucht werden, ob und wie die Vp ihr Reaktionsprogramm an die.
jeweils angekündigten W-Änderungen unmittelbar während der
Tätigkeit anpaßt.
Die Signalfolge besteht aus Paaren von je einem Vorsignal
und einem Kommandosignal mit den ISIs 0.4 sec - 1.0 sec -
2.0 sec - 3.0 sec. Jede Intervalldauer wird 60 mal verwen-
det, und zwar auf folgende Weise: 8 mal folgen jeweils 4 Paa-
re mit identischem ISI unmittelbar aufeinander, wobei vor
jeder Vierergruppe ein vereinbartes Signal die Intervalldau-
er anzeigt. In solchen Vierergruppen hat also das Kommando-
signal keine zeitliche Unbestimmtheit mehr. 128 von den 240
Paaren befinden sich in solchen Vierergruppen. Die restlichen
Signalpaare sind in zufälliger Abfolge zwischen die Vierer-
gruppen gestreut.
Resultat: Im Zufallsteil der Signalfolge ist die RZ eine
monoton abnehmende Funktion zunehmender Intervalldauer, ent-
sprechend den früheren Ergebnissen und der W-Dynamik nach
dem Vorsignal. In den signalisierten Paaren dagegen ist die
- 35 -
RZ eine mit abnehmender Intervalldauer monoton fallende Funk-
tion. Beim längsten Intervall sind die RZ von den Paaren im
Zufallsteil und im signalisierten Teil identisch, beim kür-
zesten Intervall ist die Differenz am größten.
Wenn die subjektive W allein für die RZ maßgebend wäre,
müßte die RZ in den signalisierten Stücken der Folge von der
Intervalldauer unabhängig sein, da sich die Intervalle nach
der Signalisierung nicht mehr in der zeitlichen Unbestimmt-
heit des Kommandosignals unterscheiden (sie ist aufgehoben).
Warum also ist in den Vierergruppen die RZ bei den kürzesten
Intervallen am kürzesten?
Hypothese: Die Vp hält kurze Intervalle für besonders
schwierig und bereitet sich auf solche Kommandosignale be-
sonders angespannt vor.
Beleg: Die Häufigkeit vorzeitiger Reaktionen (in der In-
struktion war zu ihrer Vermeidung aufgefordert worden) ver-
teilt sich wie folgt über die Intervalldauern:
ISI 0.4 sec: 11.5% vorzeitige Reaktionen,ISI 1.0 sec: 5.1 % vorzeitige Reaktionen,ISI 2.0 sec und 3.0 sec: weniger als 1 % vorzeitige Reak-
tionen.
Bei zeitlicher Bestimmtheit kann sich die Vp also exakter
selektiv auf die bekannten Bedingungen einstellen - und mit
Blick auf das Ziel der RZ-Minimierung adäquater - als in den
Zufallsfolgen, wo das einzige Mittel zur Unbestimmtheitsre-
duktion die mit dem Verstreichen des Intervalls ansteigende
W der Signaleintrittsprognose ist.
Die folgende Hypothese ist der Ausgangspunkt für ein wei-
teres Experiment:
Die Kenntnis der Bedingungen der Signaldarbietung ist zwar
ein notwendiges Glied in der Prozeßkette der Tätigkeitsre-
gulation; aber ohne die Kenntnis des eigenen Reaktionstempos
kann das Ziel der RZ-Minimierung unmöglich erreicht werden.
Auf die Rolle der Resultatrückmeldung weist schon die Tatsa-
che hin, daß die Vpn laut ihren Berichten auch ohne exakte
Temporückmeldung jede Reaktion auf Grund kinästhetischer Ein-
drücke zwei- oder dreistufig bewertet haben, z.B. "gut - normal
- schlecht".
- 36 -
Experiment III
Es soll nachgewiesen werden, daß die in den bisherigen Ver-
suchen den Vpn zur Verfügung stehende Information über ihr
Reaktionstempo weder der Form noch der Genauigkeit nach op-
timal ist, sondern verbessert werden kann.
1. Serie
Welchen Einfluß hat die Resultatrückmeldung über das Reak-
tionstempo auf das Gesamtbild des Nacheffekts (der Reffak
tärzeit also) und auf das Niveau der RZ bei verschiedenen
ISIs ?
Die Vpn sind diejenigen, die die Versuche Nr. 1 und 3der
3. Serie von Exp. II absolviert haben, und die jetzigen Ver-
suche sind identische Wiederholungen jener Versuche mit dem
einzigen Unterschied, daß jetzt der Vp mit einer großen msec-
Uhr zu jeder Reaktion genaue RZ-Rückmeldung gegeben wurde.
Die Signalfolgen der beiden Versuche werden jetzt genauer
beschrieben:
a) Intervalle zwischen Vor- und Kommandosignal mit den ISIs
0.4 sec -1.0 sec - 2.0 sec-3.0 sec, je 60mal, zufällig;
b) dieselben Intervalle, W des kürzesten Intervalls wird auf100 % erhöht, indem es an das längste Intervall gekoppelt
wird, d.h. diesem regelmäßig folgt.
Resultat: Die RZ-Verteilungsstruktur ist gleich der in den
Vergleichsversuchen von Exp. II, doch liegt das generelle
Niveau der RZ jetzt um ca. 14 % niedriger.
Die RZ-Rückmeldung hat also eine unspezifische Beschleuni-
gung bewirkt.
- 37 -
2. Serie
In diesen Versuchen wurde die Wirkung von Bewertungskrite-
rien, die zusätzlich zur RZ-Rückmeldung eingeführt wurden,
überprüft. Die Zeitrückmeldung wurde manipuliert, um ihren
gesonderten Einfluß isolieren zu können.
Die Signalfolge bestand aus Paaren von Warnsignal (Licht)
und Kommandosignal (Ton: 2000 Hz, 65 dB, 20 msec Dauer) mit
den ISIs 0.2 sec -1.6 sec -3.0 sec, die je 33mal verwendet
wurden und zufällig aufeinander folgten. Instruktion
wie üblich.
Im Basisversuch erhielten die Vpn kein Bewertungskrite-
rium. Die RZ-Rückmeldung war unverfälscht.
Im anschließenden Hauptversuch wurde denselben Vpn die
Kriteriums-RZ mitgeteilt, die sie in jeder Reaktion errei-
chen sollten. Dies Kriterium war individuell auf der Basis
der mittleren RZ im Basisversuch bestimmt worden.
Die rückgemeldete RZ wurde in der ersten Hälfte der Signal-
folge um einen Faktor von 1.1 bis 1.2 übertrieben (also ver-
mutlich mit ihm multipliziert), in der zweiten Hälfte um
denselben Faktor untertrieben (also vermutlich durch ihn di-
vidiert). Es gab keine Zäsur zwischen den beiden Hälften, und
die Vpn bemerkten den Unterschied nicht. Sie arbeiteten stän-
dig unter dem Regime "so schnell wie möglich!"
Resultat: In der 1. Hälfte der Signalfolge, wo die Vpn zur
Unterschätzung ihres Reaktionstempos verleitet wurden, sank
die RZ beim kürzesten ISI (0.2 sec) auf 91 % derjenigen vom
Basisversuch, bei den anderen ISIs gab es keine Beschleuni-
gung. In der 2. Hälfte dagegen stieg die RZ bei allen ISIs
gegenüber dem Basisversuch etwas an, im Schnitt um 8 %- unbe-
merkt von den Vpn.
Diese Daten müssen mit Daten aus einem hier nicht näher
dargestellten Experiment von Stepanskij (1975) verglichen
werden, wo die RZ-Rückmeldung ebenfalls manipuliert worden
war, aber ohne daß die Vpn ein Erfolgskriterium bekommen hat-
ten: Dort blieb die Variation der RZ-Rückmeldung wirkungslos.
- 38 -
Fazit aus Experiment Durch die Glieder "Kriterium" und
"Resultatinformation" erwachsen der Vp beträchtliche zusätz-
liche Regulationsmöglichkeiten. Maximal wird das Reaktions-
tempo erst, wenn beide Glieder bestens aufeinander abge-
stimmt sind, was ihre Exaktheit angeht. Ohne Resultatrück-
meldung kann ein Kriterium gar nicht ausgenutzt werden.
Die beobachteten RZ-Änderungen schreibt Konopkin Program-
mierungen zu, welche die Reaktionsbereitschaft ändern. Diese
interpretiert er im Sinne Anochins als unterschwellige affe-
rente Synthese. Durch den Startreiz wird die dabei einge-
stellte Schwelle überschritten. Je näher das Ergebnis der
afferenten Synthese an der Schwelle liegt, desto höher ist
die Reaktionsbereitschaft und desto kürzer die RZ.
über Anochin hinausgehend hat Konopkin die selektive Be-
dienung der schwierigeren Reize (nach kurzen ISIs) nachge-
wiesen. Diese Bevorzugung ist möglich in dem Maße wie sie
vorhersehbar sind und wie die Exaktheit von Erfolgskrite-
rium und RZ-Rückmeldung zunimmt.
Der Fokussierung der schwierigeren Reize entspricht die
Erhöhung ihrer Bedeutsamkeit im subjektiven Modell. Dieser
Vorgang ist bewußt. Es handelt sich um eine Selbstinstruk-
tion, die inhaltlich spezifischer ist als das per Instruk-
tion gegebene Ziel.
Die Orientierung der bewußten Regulation auf die kürze-sten Intervalle kann das Phänomen der Refraktärzeit über-
winden, jedenfalls im Bereich der Ins von 0.4 sec bis 0.25sec.
Mit dieser Behauptung ist nicht geleugnet, daß es über-
haupt eine physiologische Refraktärzeit gibt. Aber was bis-
her als Refraktärzeit erfaßt wurde, ist eine Folge unzu-
reichender Ausstattung des psychologischen
Regulationssystems. Erst unter der Bedingung einer optimalen Organisation
des Prozesses der willkürlichen Selbstregulation ist es
sinnvoll, weiter nach der Refraktärzeit zu suchen.
- 39 -
B. Die Abhängigkeit der Reaktionszeit von der Reizintensi-
tät und die Selbstregulation der Tätigkeit
Daß die RZ mit zunehmender Reizintensität abnimmt, dieses
"Stärkegesetz" scheint universal zu gelten, vom Nerv-Muskel-
Präparat über den bedingten Reflex bis zur Willkürhandlung
(z.B. beim Start eines Sprinters).
Allerdings stellte schon Pawlow die Modulation des Ge-
setzes durch Reizbarkeitsänderungen der Reflexzentren fest.
Ferner kann es verwischt werden durch besonders starke un-
bedingte Bekräftigung von schwachen bedingten Reizen, z.B.
bedingten Hemmern.
Bei Willkürhandlungen zeigt sich das Stärkegesetz am
deutlichsten, wenn durch Zusatzbelastung eine Ablenkung
stattfindet. Eine Orientierungsreaktion, z.B. auf Intensi-
tätsänderungen, kann es dagegen maskieren.
Konopkin untersucht, wie das Stärkegesetz durch psycho-
logische Faktoren modifiziert wird.
Experiment
Als psychologische Faktoren, die das Stärkegesetz modifizie-
ren können, werden hier die Intensität der Einstellung der
Vp auf maximales Reaktionstempo sowie die Information über
die Abfolge von Signalen unterschiedlicher Intensität mani-
puliert.
Verwendet wurden Tonsignale (1000 Hz) der Intensitäten:
40 dB - 60 dB - 80 dB - 100 dB - 120 dB, außerdem Licht-
signale in 5 Helligkeitsstufen.
Als abhängige Variable wurde der Regressionskoeffizient
(b) der Regression der Reaktionszeiten auf die Reizintensi-
täten berechnet.
1. Serie
In ihr sollten die Anforderungen an die willkürliche Tätig-
keitsregulation minimal gehalten werden. Deshalb wurde von
der Vp nicht gefordert, so schnell wie möglich zu reagieren,
sondern die Instruktion lautete: "Vernehmen Sie das Signal
- drücken Sie den Knopf." Zusätzliche Forderungen wurden
nicht gestellt.
- 40 -
Die Signale unterschiedlicher Intensität (Lautstärke) folgten
zufällig aufeinander, worüber keine Bemerkung gemacht wurde,
so daß von der Instruktion her die Signalintensität kein
Merkmal ist, auf das unbedingt geachtet werden mußte.
Die 1. Serie stellt gleichsam die Basisbedingung für das
Stärkegesetz (in Gestalt des Koeffizienten b) dar, auf die
als ein Bezugssystem die Daten der folgenden Serien mit ih-
ren verschärften Regulationsanforderungen bezogen werden
müssen.
2. Serie
Die einzige Änderung gegenüber der 1. Serie besteht darin,
daß es jetzt heißt: "So schnell wie möglich reagieren!"
Resultat: Es gibt einen signifikanten Abfall des Regres-
sionskoeffizienten von der 1. zur 2. Serie (im Mittel von
-21.2 auf -15.5).
Die Verschärfung der Instruktion hat das Stärkegesetz abge-
schwächt.
In den drei folgenden Serien wird eine differentielle
Vorbereitung auf Signale unterschiedlicher Intensität ermög-
licht, indem regelmäßige Abfolgen von Intensitäten angekün-
digt werden.
3. Serie
Die Signalfolge besteht aus zyklischen Abfolgen von den
schwächsten zu den stärksten Signalen (Fünferzyklen
von Tonsignalen). Die Vp wird über diesen Aufbau vorher informiert.
Resultat: Der Regressionskoeffizient fällt im Mittel nicht
weiter ab (b = -16.5).
Hinter diesem pauschalen Ergebnis verbergen sich aber zwei
Reaktionstypen (je 8 bzw. 7 Vpn): Bei dem einen Typ wächst
die IU mit abnehmender Reizintensität gemäß dem Stärkegesetz
an.
- 41 -
Bei dem anderen Typ werden die Reaktionen auf die schwachen
Reize noch über das bei der 2. Serie für die entsprechenden
Signale erreichte Tempo hinaus beschleunigt (keine detail-
lierteren Angaben).
Nach den Berichten der Vpn wird die Wahrnehmung des
schwächsten Signals durch das extreme Gefälle von dem unmittelbar
vorhergehenden stärksten Signal beeinträchtigt. Dasschwächste
Signal ist daher unangenehm, aber nicht besonders ausgezeich-
net.
4. Serie
Die Signalfolge besteht aus Fünferzyklen von Tonsignalen, in
denen jeweils die Intensität vom stärksten zum schwächsten
Reiz abfällt.
Resultat: Bei dieser Anordnung wird das Stärkegesetz weiter
abgeflacht (b= -11.3), und zwar in der Weise, daß die Reak-
tionen auf das schwächste Signal im Vergleich zu ihrem Tempo
bei der 2. Serie weiter beschleunigt und die Reaktionen auf
das intensivste Signal weiter verlangsamt werden (beide Dif-
ferenzen sind signifikant).
Die Anordnung in der 4. Serie ist eine günstige Vorbereitung
auf die Wahrnehmung des schwächsten Signals.
5. Serie
Sie besteht wie die 3. Serie aus ansteigenden Zyklen, jedoch
wechselt die Intensität nicht mit jeder Darbietung, sondern
erst nach fünfmaliger Darbietung einer Intensität.
Wie bei den vorigen Serien kennen die Vpn den Aufbau der Sig-nalfolge und sollen so schnell wie möglich reagieren.
Resultat: Gegenüber der 2. Serie keine weitere Abflachungdes Stärkegesetzes (b = -15.0); allerdings nur im Mittel -
wie bei der 3. Serie gab es bei einer Untergruppe der Vpn
(6 aus 15) doch eine merkliche Beschleunigung bei dem schwäch-sten Signal, im Vergleich zum Tempo bei der 2. Serie.
- 42 -
Experiment II
Per Instruktion werden die verschieden intensiven Signale
ungleichwertig gemacht. Außerdem erhalten die Vpn die Mög-
lichkeit, ihr Reaktionstempo zu bewerten.
Die differentielle Auszeichnung der schwächsten Signale
erfolgt so, daß den Vpn gesagt wird (Instruktion nicht wört-
lich mitgeteilt), für jede Reaktion, deren RZ nicht über der
entsprechenden in Vorversuchen festgestellten liegt, gebe
es Pluspunkte, wobei "Treffer" beim schwächsten Signal höher
bewertet würden als bei den übrigen Signalen und ihre wei-
tere Beschleunigung mit noch zusätzlichen Punkten bewertet
würde. Das Sinken des Tempos unter die "Norm" bei irgendei-
nem Signal werde mit Strafpunkten geahndet.
Die Aufgabe lautet, die Gesamtpunktzahl über alle Signale
zu maximieren.
Die Temporückmeldung, die die Vpn erhalten, ist exakt;
aber ein Bewertungskriterium (d.h. die erwähnte "Norm") wird
ihnen bei diesem Experiment noch nicht gegeben.
Das Experiment enthält drei Reizfolgen, die analog denen
von Serie 3 bis 5 in Exp. I aufgebaut sind, so daß diese
Serien von Exp. I als Vergleichsserien herangezogen werden
können.
Resultat: In allen drei Serien kommt es zu einer weiteren.
Abflachung des Stärkegesetzes, d.h. b fällt unter den Wert
der Vergleichsserie (-16.5 - 13.3; -11.3 - 7.6; - 15.0
-11.3). Und zwar ist die Abflachung bedingt durch Beschleu-
nigung der Reaktionen auf die schwächsten Reize.
Doch trotz der Betonung des schwächsten Signals behält
die Anordnung der Signalfolge ihren Einfluß wie in Exp. I:
Am wenigsten wird das Stärkegesetz bei den aufsteigenden
Zyklen abgeflacht.
Die RZ-Verkürzungen und Vpn-Berichte belegen, daß ein dif-
ferenziertes Programm realisiert wird: Es bewirkt kurzzeitige
Bereitschaftserhöhungen auf ein Niveau, das nicht permanent
aufrechtzuerhalten ist.
•
- 43 -
Experiment III
In zwei Serien wird die Brechung des Stärkegesetzes durch
Auszeichnung einer Reizmodalität versucht, einmal ohne und
einmal mit Angabe eines exakten Bewertungskriteriums.
Die Signalfolge besteht aus ansteigenden Fünferzyklen
(nach Exp. 1 der ungünstigsten Anordnung zur Brechung des
Stärkegesetzes). Tonzyklen und Lichtzyklen wechseln sich ab
(5 Tonsignale ansteigender Intensität, dann 5 Lichtsignale
ansteigender Intensität usw.).
1. Serie
Diese kann als Basisversuch bezeichnet werden, auf den die
Daten der 2. Serie zu beziehen sind. Sie besteht aber ihrer-
seits aus einem Grund- und zwei Hauptversuchen, durch deren
Vergleich die Wirkung der Reizauszeichnung - ohne Bewertungs-
kriterium - getestet wird.
1. Versuch (Grundversuch): Der Aufbau der Signalfolge
wird der Vp bekanntgegeben. Instruktion: "So schnell wie
möglich reagieren!" Die Vp erhält weder Kriterien noch Rück-
meldung.
2. Versuch: Im Unterschied zum 1. Versuch wird jetzt ei-
ne Reizmodalität ausgezeichnet (als Ganze, nicht die
schwächsten Reize): Die Vp erfährt, daß ihre RZ mit Gut- und Straf-
punkten bewertet werden, wobei die Reaktionen auf Tonsignale
schwerer gewichtet werden. Die Bewertungskriterien werden
ihr aber nicht genau mitgeteilt.
Die tatsächliche RZ bei jeder Reaktion (unabhängig von der
Modalität des Signals) wird der Vp angezeigt.
3. Versuch: Wie der 2. Versuch, mit Auszeichnung der
Lichtsignale.
Resultat von Serie (1): Bei der jeweils ausgezeichneten Mo-
dalität wird das Stärkegesetz im Vergleich zum 1. Versuch
abgeschwächt (signifikanter Abfall des Regressionskoeffizien-
ten bei Ton von - 21.9 auf -14.4 und bei Licht von - 12.4
auf -7.8).
- 44 -
Zugleich gab es aber auch bei der nichtausgezeichneten Moda-
lität eine signifikante, wenn auch nicht ganz so kräftige
Abflachung (von -21.9 auf -17.4 bzw. von -12.4 auf -8.8).
Der Effekt bei der untergeordneten Modalität ist plausibel,insofern sie ebenfalls Strafpunkte und Gewinne einbringen
konnte. Konopkin nimmt an, daß die Tatsache der Rückmeldung
für den Effekt entscheidend ist.Aus den Berichten geht hervor, daß es für die Vpn keine
unbedeutenden Signale gab, nur mehr oder weniger wichtige.
2. Serie
Der Grundversuch entspricht dem 2. Versuch der 2. Serie
(Lautsignale bedeutsam; in 2. Serie andere Vpn).
Im Hauptversuch wird zusätzlich ein exaktes quantitatives
Erfolgskriterium angegeben, und zwar nur für die Lautsigna-
le (hier nicht im Detail dargestellt). Die Vpn kennen die
Skalenwerte der Belohnung bzw. Bestrafung von besonders ra-
schen bzw. verzögerten Reaktionen auf Tonsignale, Bei Licht-
signalen wissen sie nur, daß bewertet wird, aber nicht, wie.
Resultat: Die Wirkung des Kriteriums zeigt sich darin, daß
der Regressionskoeffizient b bei den Lautsignalen von -17.0
im Grundversuch auf -13.7 im Hauptversuch abfällt, wohin-
gegen es bei den Lichtsignalen einen (nichtsignifikanten)
Anstieg gibt (von -7.4 auf - 9.7).
Man kann also sagen, die Kenntnis des Kriteriums wird
ausgenutzt. Zumindest erhöht sie die Bedeutsamkeit der aus-
gezeichneten Signale.
Auch nach ihren Berichten konzentrierten sich die Vpn
hauptsächlich auf die Lautsignale, und zwar, wie sie sagen,
weil sie deren Beitrag zum Endziel "maximale Gesamtpunkt-
zahl" exakt verfolgen konnten. Zugleich bemühten sie sich
aber, ihr Tempo auf die Lichtsignale, deren Bewertung sie
nicht kannten, nicht sinken zu lassen.
45 -
Die dargestellten Befunde zur Modifizierung des Stärkege-
setzes stehen nach Konopkin in einer gewissen Analogie zu
Befunden von Pawlow. Die Instruktion "So schnell wie möglich
reagieren" wird in Analogie zum "hohen Erregungsniveau" bei
Pawlow gesetzt, und die Reizauszeichnung per Instruktion
wird als Analogon zu Pawlows "starker unbedingter Bekräfti-
gung schwacher bedingter Reize" gesehen (also zu Pawlows
beiden Fällen der Einschränkung des Stärkegesetzes). Für
Konopkin handelt es sich aber nur um Analogien; denn die
Mechanismen der bewußten willkürlichen Regulation sind an-
dere.
Fazit aus Exp. I bis III: Je vollständiger das psychologi-
sche Niveau der Tätigkeitsregulation ausgestattet ist, desto
flexibler gegenüber dem Stärkegesetz ist die Regulation.
Die Auszeichnung von Signalen führt zur Konkretisierung und
Einengung des Handlungsziels. Dies stellt Anforderungen an
die Präzisierung des subjektiven Modells; z.B. wird es wich-
tig, die Zeitstelle der bedeutsamen Signale zu kennen, damit
statt einer globalen (aufwendigen, nur auf mäßigem Niveau
durchzuhaltenden) Reaktionsbereitschaft eine differenzierte,
nur momentan erhöhte Bereitschaft programmiert werden kann.
C. Das Tempo einfacher sensomotorischer Reaktionen in Abhän-
gigkeit von der sukzessiven Vervollkommnung der Selbst-.
regulation
Fragmentarisch wird ein Experiment berichtet, in dem das
System der Selbstregulation durch Einbeziehung von immer mehr
funktionalen Gliedern bzw. Präzisierung von vorhandenen suk-
zessiv vervollständigt wurde.
Das Experiment besteht aus 7 Serien von je 23 Lichtsigna-
len (jeweils die ersten 3 zur Orientierung, nicht ausgewer-
tet), die unter immer anspruchsvolleren Instruktionen von
allen Vpn (106 Frauen, 106 Männer) durchlaufen werden. Die
- 46 -
Signale folgen immer im 7-sec-Takt aufeinander. Es handelt
sich um einfache Reaktionen.
Für jede Vp werden in jeder Bedingung Mittelwert und Va-
rianz V (Angabe als Variabilität in %) der Reaktionszeit
berechnet.
1. Serie: "Das Signal sehen - den Knopf drücken; dabei dasbequemste Tempo wählen!"
2. Serie: Instruktion unverändert, 2 sec vor jedem Signalwird ein akustisches Warnsignal gegeben.
3. Serie: "So schnell wie möglich reagieren!", sonst wievorher.
4. Serie: Wie die 3. Serie, aber mit RZ-Rückmeldung.
5. Serie: Wie die 4. Serie, aber zusätzlich vorher Angabedes hinreichenden Tempos (in msec). Als Kriteriumwurde bei jeder Vp ihre schnellste Reaktion vonSerie (4) genommen.
6. Serie: Identisch mit der 2. Serie (mit Warnsignal).
7. Serie: Identisch mit der 1. Serie.
Resultat: Die 7 Serien ergaben die folgenden mittleren RZ:
240 - 228 - 202 - 198 - 188 - 203 - 219 (in msec)
(V: 20.5 - 17.4 - 16.1 - 13.9 - 13.5 - 17.7 - 18.3 (in %)).
In dem Maße, wie die bewußte Tätigkeitsregulation bean-
sprucht und ermöglicht wird, steigt das Reaktionstempo mono-
ton an. Bei Rückkehr auf die Ausgangsbedingungen der 1. und
2. Serie fällt es allerdings nicht auf das Ausgangsniveau
zurück, vielmehr gibt es einen positiven Nacheffekt, den die
Vpn auch selbst bemerken: "bequem" ist jetzt viel schneller.
Die Vpn haben sich die Zeitstruktur der Signalfolgen (den
Abstand von Warn- und Kommandosignal) angeeignet und fahren,
wie sie sagen, unwillkürlich fort zu prognostizieren.
- 47 -
Beobachtungen und Befragungen in den Serien:
In Serie (1) beginnen die Vpn langsam, finden nach 10 bis
15 Reaktionen ihr "bequemes" Tempo und werden wieder langsa-
mer. Das Problem für die Vp ist, daß sie erst ein der gene-
rellen Instruktion entsprechendes Empfindungsbild für "bequem"
erzeugen muß, das als Arbeitsmaßstab dienen kann. Es wird
über Schwierigkeiten berichtet, dieses Empfindungsbild gegen
die Interferenz von Reaktionsempfindungen - aus denen es ja
erst erzeugt worden sein muß - im Gedächtnis zu fixieren.
In Serie (2) wird ein steter Abfall der RZ während des
ganzen Versuchs beobachtet. Die Vpn bemerken eine Erleichte-
rung durch das Vorsignal, versuchen aber nicht aktiv, es zur
bewußten Reaktionsvorbereitung auszunutzen. Der Beschleuni-
gungseffekt muß auf der inzidentellen Aneignung der zeitli-
chen Bestimmtheit des Kommandosignals beruhen.
In Serie (3) versuchen die Vpn, das 181 zu lernen, um die
Prognose des Kommandos präzisieren zu können. Sie wollen eine
hohe Bereitschaft im Moment des Kommandos einstellen, wie
sie sagen und wie auch die Häufigkeit vorzeitiger Reaktionen
beweist.
Erst in der 5. Serie, mit exakter quantitativer Informa-
tion über Kriterium und Resultat, wird die erreichbare Ge-
schwindigkeit erreicht. Vorher ist es der Vp nicht möglich,
für "maximal schnell" ein kinästhetisches Kriterium zu schaf-
fen. Die Bewertung ist höchstens im Vergleich mit benachbar-
ten Reaktionen möglich, wobei aber auch wieder die Gedächt-
nisfixierung der Eindrücke schwierig ist.
Der Effekt der bloßen Resultatinformation in Serie (4)
wird nur bei den Männern signifikant. Ein Teil der Frauen
berichtet, daß die zusätzliche Information sie stört, ihre
Konzentration behindert. Dies sind Vpn, die versuchen, auf
jedes Signal so schnell wie möglich zu reagieren, indem sie
die ISI-Information zum Aufbau eines Rhythmus von An- und
Abspannung ausnutzen, aber dabei nichts mit der Rückmeldung
anfangen können.
- 48 -
Erst die zusätzliche Fehlermeldung in der 5. Serie motiviert
schließlich die meisten Vpn, alle ihre Regulationsmittel be-
wußt einzusetzen. Hierzu gehören auch Programmkorrekturen.
Wenn Regulationsglieder mangelhaft sind, so daß die Präzi-
sion von Kriterium und Resultatinformation nicht zur Produk-
tion einer klaren Erfolgs- oder Fehlermeldung ausreicht, so
zerfällt die Tätigkeit in einzelne zyklische Akte der Prog-
nose, Vorbereitung und Reaktion (bestenfalls), denen der in
Korrekturen sich manifestierende Zusammenhang fehlt.
VI. DIE FUNKTIONALE STRUKTUR DES SYSTEMS DER BEWUSSTEN
TÄTIGKEITSREGULATION
Die dargestellten Experimente dienten dem Nachweis und der
Konkretisierung einzelner funktionaler Glieder des Regula-
tionssystems. Hinter ihrer Konzeption stand die Vorstellung
von einem Gesamtprozeß der Tätigkeitsregulation (Selbstre-
gulation), in dem die einzelnen funktionalen Glieder den
Platz von Komponenten einnehmen. Diese Vorstellung hat sich
im Laufe der Untersuchungen entwickelt und präzisiert. In
diesem Kapitel wird nur die Endfassung dargestellt.
Konopkins Modell repräsentiert nur den Informations-
aspekt des Regulationsprozesses. Information wird dabei als
bewußte Widerspiegelung verstanden. Bei diesem Begriff wird
von spezifischen Formen der psychischen Widerspiegelung und
von der Diversität der Quellen und Träger der Information
abstrahiert.
Die funktionale Struktur des Prozesses der bewußten Tä-
tigkeitsregulation wird durch ein Blockschema zusammenfas-
send dargestellt (S. 206 des Buches von Konopkin). Dieses
nimmt die folgende Seite ein:
Blockschema der funktionalen Struktur des Prozesses derbewußten Tätigkeitsregulation
- 50 -
Die Blöcke des Modells und ihr Zusammenwirken werden wie
folgt vorgestellt:
Das Ziel
Das Ziel - eine ständig bewußte Determinante - hat system-
bildende Funktion, indem es die Regulation zu einem
vektoriellen Gebilde macht, dessen Richtung es vorgibt.
Bei identischer Aufgabe führt unterschiedliches Zielverni
ständnis zu verschiedenen Resultaten. Es gab z.B. Unterschie-
de, je nachdem, ob die Aufgabe ausgelegt wurde als "Tempo-
maximierung bei den häufigsten Signalen" oder als "Auflau-
ern der seltenen Signale". Ebenfalls hing das Ergebnis ab
von der individuell verschiedenen Gewichtung von Schnellig-
keit und Genauigkeit.
Die Programmierung
Dieser Block enthält das Glied "subjektives Modell". Wenn
dieses inadäquat ist, wird die Tätigkeit instabil, verlang-
samt sich z.B. drastisch bei Unvorhergesehenem, so daß die
informationelle Durchlaßkapazität sinkt.
Beim Arbeiten in einer veränderlichen Umgebung, wo die
Bedeutsamkeit der Bedingungen sich entwickelt und verschiebt,
muß das subjektive Modell ein dynamisches Gebilde sein, um
Prognosen zu ermöglichen. Der Arbeitende (Operator, Chauffeur)
leistet außer seiner ausführenden Aktivität ständig eine
Kontrolle der sich entwickelnden Bedingungen, um ihre Gesetzni
mäßigkeit zu erfassen.
In dem Maße, wie Prognose möglich ist, ist vorauseilende
Programmierung für den Moment des Signaleintritts möglich.
Bei Beschränkung der Prognosemöglichkeit wird die Erwartung
global, d.h. die Reaktionsbereitschaft kann nicht mehr für
einzelne Alternativen selektiv erhöht werden.
Die Selbstprogrammierung vermittelt zwischen Ziel und Be-
dingungsmodell. Sie geschieht bewußt.
- 51 -
Ein Programm ist ein informationelles Gebilde, das Informa-
tion über die gewählten Verfahren, deren Reihenfolge und
deren energetisch-dynamische Parameter präsentiert. Es ist
mehr oder weniger bewußt, konkret entfaltet versus verall-
gemeinert, mehr oder weniger festgelegt.
Erzeugung, Akzeptierung und Veränderung eines Programms
erfolgen bewußt, die wiederholte Ausführung nicht unbedingt
in allen Aspekten bewußt.
Ein falsches Modell hat ein falsches Programm zur Folge.
Die Programmkorrektur kann erst nach der Modellkorrektur
geschehen. Aber die Modellkorrektur ist keine hinreichende
Bedingung zur Programmkorrektur, sondern die Modelländerung
wird bewertet, ob sie eine Programmänderung erfordert. Die
Bewertung ergibt sich nicht zwangsläufig aus dem per Instruk-
tion gegebenen Bedeutsamkeitsprofil, sondern hängt von der
Strategie ab. In die Strategie gehen die konkrete Zielaus-
legung sowie die Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und
Fertigkeiten ein; sie ist das Ergebnis einer speziellen Be-
wertungstätigkeit vor und während der ausführenden Tätig-
keit.
"Bedeutungen" werden per Instruktion gegeben, "persönli-
cher Sinn" per individueller Auslegung (Leontjevs Begriffs-
paar).
Die Resultatbewertung
In diesem Block wirken Erfolgskriterium und Resultatinfor-
mation zusammen. Wie sehr es auf ihre Präzision und auf ihr
Zusammenspiel ankommt, wurde in den Experimenten gezeigt.
Das Ergebnis der Resultatbewertung führt u.U. zur Entschei-
dung für eine Korrektur.
Die Korrektur
Die Korrektur kann sowohl im nachhinein durch Kompensation
des vom Ziel abweichenden Handlungsergebnisses als auch
durch fortlaufende feedback-gesteuerte Programmanpassung
erfolgen. Korrekturen vollziehen sich auf Grund von Diskre-
panzinformationen entweder laufend oder - bei stoßartigen
- 52
Handlungen - nachträglich, und sie gehören zur Vorbereitung.
der nächsten Handlung bzw. Handlungsphase.
Die Reaktion auf eine Diskrepanz kann verschieden sein,
je nach dem Ergebnis der Modellüberprüfung, die immer zuerst
erfolgt: Modelländerung, Programmänderung, eventuell auch
bloß Zweifel an der Resultatrückmeldung.
Anwendung des Modells der Tätigkeitsregulation
Im Schlußabschnitt des 5. Kapitels beschreibt Konopkin kur-
sorisch drei Anwendungsfälle, in denen sein Modell zielge-
richtete Eingriffe zur Verbesserung - d.h. Stabilisierung
und Effektivierung - von Tätigkeiten ermöglicht hat.
Stabilisierung wichtiger Elemente und Parameter gegen Monotonie
Kruglova (1974, 1976) konnte durch geeignete Instruktion und
entsprechende Resultatrückmeldung den Monotonieeinfluß bei
einer stereotypen Dynamometerarbeit zurückdrängen. Auch Rück-
meldung über Resultatparameter, die in der Instruktion nicht
angesprochen, mithin zweitrangig sind (Druckkraft, wenn die
Instruktion nur eine möglichst große Anzahl von Druckaktio-
nen verlangt), stabilisiert die Leistung hinsichtlich des
Hauptparameters. Wenn zusätzlich die wenig bestimmte Aufgabe
"so oft wie möglich drücken" noch durch ein quantitatives
Erfolgskriterium (Anzahl der zum Erfolg nötigen Druckaktio-
nen) präzisiert wird, so steigt die Ausdauer gegen Monotonie
weiter enorm an.
"Emanzipation" von Wahrscheinlichkeitsprognosen
In den geschilderten experimentellen Untersuchungen war ge-
zeigt worden, daß die Vpn schneller reagieren können, wenn
sie sich durch W-Prognosen selektiv auf Signalalternativen
und/oder Zeitmomente des Signaleintritts vorbereiten können.
Es gibt aber Arbeitssituationen, wo Fehlreaktionen absolut
unerwünscht sind. Da bei W-Prognosen definitionsgemäß ein
Fehlerrisiko besteht, heißt das, in Situationen, wo die Reak-
tionen unbedingt richtig sein müssen, muß der Operator sich
- 53 -
von der Tendenz zu W-Prognosen emanzipieren. Wie dies gesche-
hen kann, wurde in einem Experiment von Verbickij (1973) mo-
delliert.
Experiment
Durch Instruktion wurde eine Selbstprogrammierung aufgebaut,
nach der die Vp bei binären Wahlreaktionen nur auf das be-
reits eingetretene Signal reagierte und es vermied, sich auf
Grund einer Prognose selektiv vorzubereiten.
Es wurden 2 Signalfolgen verwendet, in denen 2 Alternati-
ven zufällig aufeinander folgten, in der einen mit gleicher
W, in der anderen im Verhältnis 30 : 70. Die ISIs waren gleich
und konstant, d.h. die Prognose des Signaleintritts blieb
"erlaubt".
Die Vpn sollten sich aber auf den stochastischen Charak-
ter der Folgen einstellen und niemals ein bestimmtes Signal
erwarten. Vielmehr sollten sie sich die Signal-Reaktions-
Beziehungen sicher aneignen, danach nur noch auf das bereits
erschienene Signal achten und unbedingt Fehler und vorzeiti-
ge Reaktionen vermeiden.
Sie sollten nicht nach Rekordtempo bei einzelnen Reaktio-
nen streben, sondern sich auf beide Reaktionstypen gleicher-
maßen bereitmachen.
Die RZ wurde bei jeder 3. oder 4. Reaktion angezeigt. Zum
Vergleich wurden Versuche gemacht, in denen die Alternati-
venprognose nicht ausgeschlossen wurde.
Resultat: Unter beiden W-Bedingungen war die "prognosefreie"
RZ deutlich niedriger als in der Kontrollbedingung. Auch gab
es in den "prognosefreien" Bedingungen weniger Fehler, und
die Varianz der RZ war geringer.
Offensichtlich ist es gelungen, eine effektive Selbstpro-
grammierung, die sich nicht auf Prognosen stützt, aufzubau-
en. (Es müßte eigentlich diskutiert werden, wieso Reaktionen,
die vorbereitet werden können - in der Kontrollbedingung -
langsamer sind als unvorbereitete!)
- 54 -
Die "Emanzipation" von der Prognose zeigt sich auch darin,
daß der sonst ausgeprägte Unterschied zwischen den RZ zu
Signalen unterschiedlicher W verschwindet.
Anzumerken bleibt, daß die "Emanzipation" anscheinend
nicht schlagartig durch verbale Instruktion zu erreichen
war, sondern über Zwischenstufen eines Trainings, in dem
vorübergehend auch die Anweisung "so schnell wie möglich!"
zurückgenommen worden war und der Vp ein allmähliches An-
wachsen ihres Reaktionstempos suggeriert wurde.
Verbesserung der Detektion schwacher Signale
Konopkin erwähnt kurz ein kompliziertes Experiment von
Mislavskij (1976), in dem durch die Vervollständigung des
Regulationssystems um üblicherweise fehlende Glieder die
Detektionsleistung von Beobachtern schwacher Signale ver-
vielfacht werden konnte. Schritt für Schritt wurden ein an-
spruchsvolleres Ziel, ein W-Modell über die Signalquelle,
Resultatrückmeldung, Erfolgskriterien eingeführt und akku-
muliert. Konopkin deutet die Verbesserung als Erhöhung der
Sensibilität des Beobachters.
Als einen weiteren Anwendungsfall deutet Konopkin an,
man habe Erfahrungen gemacht mit der Diagnose der Zuver-
lässigkeit von Maschinisten und mit der Erhöhung ihrer
Zuverlässigkeit, indem man die Bedingungen analysiert hat,
unter denen sie ihr subjektives Modell der Arbeitsbedin-
gungen erzeugen und korrigieren.
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ANHANG
Stellenangaben zu Artikeln von Konopkin und Mitarbeitern in
Voprosy Psichologii (VP) und Novye issledovanija v psichologii (NI):
Konopkin, allein oder mit Mitarbeitern:
VP 1958,1964,1971,1972,1973,1976,
1973,
H2,H1,H3,H4,H4,H5,
H1,
8-1645-6046-5615-29
159-16470-83
3-5NI
VP 1973,1974,
1974,1976,
1976,
H2,H6,
H3,H2,
H2,
26-36107-116
75-84138-141
72-76
VP
NI
VP 1972, H5, 137-141
NI 1976, H2, 29-32
VP 1972,1973,
1974,1975,
1973,
H2,H5,
H3,H1,
H1,H2,
145-157131-133
9-105-7
69-7164-67
NI
NI
Kondrateva:
Kruglova:
Mislavskij:
Sipacev:
Stepanskij:
Verbickij:
Siehe ferner: Konopkin, O.A.:
Zur funktionellen Struktur der psychologischenSelbstregulation der Tätigkeit.
Probleme und Ergebnisse der Psychologie 1976,H. 59, 67-72
(H bedeutet: Heft)