rechtliche grenzen unentgeltlicher zuwendungen an Ärzte

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MedR 1999, Heft 7 299 AUFSÄTZE Lothar Mahlberg Rechtliche Grenzen unentgeltlicher Zuwendungen an Ärzte I. Einleitung Der Markt für medizinische und pharmazeutische Produkte ist von vielen Besonderheiten geprägt. Als Teilbereich des Gesundheitswesens ist er auf der eingeschränkten Markt- fähigkeit des Gutes „Gesundheit“ beruhenden massiven staatlichen Interventionen ausgesetzt; dadurch kommt es zu Störungen des Marktgleichgewichts, die wiederum Folge- interventionen verlangen. Dies läßt sich insbesondere an- hand der für eine Marktwirtschaft systemfremden Funk- tionszuweisungen an die Ärzteschaft beobachten: Sie sind vor allem Sachwalter der Gesundheitsinteressen ihrer Pa- tienten, daneben aber auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet, müssen also als Marktgegenseite zur Arznei- mittelindustrie auftreten, ohne in mit sonstigen Märkten vergleichbarer Weise als Nachfrageentscheider in den Ge- nuß des Nutzens zu kommen oder mit den Kosten belastet zu werden 1 . Daraus ergibt sich eine gewisse Zwiespältig- keit des Verhältnisses von Ärzten und pharmazeutischen Unternehmen. Bestmögliche Kommunikation ist im Inter- esse ordnungsgemäßer Arzneimittelanwendung und -über- wachung geboten, zugleich muß aber größtmögliche per- sönliche Distanz gewahrt werden. Wie im folgenden zu zeigen, bestimmen Distanzgebot und Informationsgebot – in einem dialektischen Spannungsverhältnis stehend – letztlich denn auch, was Pharmaunternehmer einem Arzt unentgeltlich zuwenden dürfen, was der Arzt an unentgelt- lich Zugewandtem annehmen darf. Der Beitrag greift unbeschadet der geringen Zahl publi- zierter Judikate Fragen von durchaus nicht unerheblicher praktischer Bedeutung auf; er bemüht sich zunächst um Aufweis und Kommentierung der einschlägigen ordnungs- widrigkeitenrechtlichen Verbotsschranken (II.), wendet sich sodann den berufsrechtlichen Schranken der Annahme un- entgeltlicher Zuwendungen für die Ärzteschaft zu (III.), um endlich abschließend der Ausstrahlwirkung der Rege- lungen des Heilmittelwerberechts und des ärztlichen Be- rufsrechts auf das allgemeine Wettbewerbsrecht nachzu- gehen (IV.). II. Besondere Regelungen des Werbeverhaltens pharmazeutischer Unternehmer Besondere gesetzliche 2 Regelungen unentgeltlicher Zu- wendungen an Ärzte finden sich in § 7 HWG und § 47 Abs. 3, 4 AMG, wobei § 7 HWG ausweislich seines Abs. 1 S. 3 nicht auf die nach § 47 AMG zulässige Abgabe von Mustern anzuwenden ist. Beide Tatbestände sind Ord- nungswidrigkeiten (§§ 97 Abs. 2 Nr. 11 AMG, 15 Abs. 1 S. 3 HWG), mittels § 1 UWG – „Rechtsbruch“ – aber auch wettbewerbsrechtlich relevant (dazu IV.). 1. § 47 AMG § 47 Abs. 3, 4 AMG beschränkt die Zulässigkeit der Abgabe von Arzneimittelmustern an Ärzte. Nur auf schriftliche An- forderung und gegen schriftliche Empfangsbestätigung dür- fen jährlich maximal zwei Muster der kleinsten Original- packungsgröße, versehen mit der Aufschrift „unverkäuf- liches Muster“ 3 , abgegeben werden. Zweck der Abgabe muß „insbesondere die Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels“ sein, § 47 Abs. 4 S. 2 AMG. Nach herkömmlicher Ansicht in der arzneimittelrechtlichen Literatur 4 werden von Mustern Proben (eigens zum Zweck der Erprobung hergestellte Probepackungen) unterschieden. Gegen diese Ansicht sprechen bereits der allgemeine Sprachgebrauch und die synonyme Verwendung in anderen Gesetzen 5 . Zudem wäre unerwünschte Konsequenz, daß § 47 Abs. 3 S. 2 AMG – das Verbot der Abgabe von Mustern von Arzneimitteln, die dem BtMG unterfallende Stoffe enthalten – nicht auf Proben anwendbar wäre. Vor allem aber ist § 47 Abs. 3, 4 AMG vor dem Hintergrund von § 7 Abs. 1 HWG ein Erlaubnis- und kein Verbotssatz: Faßt man die kostenlose Abgabe von Proben nicht unter § 47 Abs. 3, 4 AMG, so wird es sich in der Regel um nach § 7 Abs. 1 HWG unerlaubte Wertwerbung handeln 6 . Die Wirksamkeit des § 47 Abs. 3, 4 AMG erscheint an- gesichts naheliegender Umgehungsmöglichkeit 7 fragwür- dig. Rechtspolitisch vorzugswürdig wäre es wohl – auch unter dem Gesichtspunkt der Patientenaufklärung –, einen Aufdruck zu verlangen, daß der Arzt sich ein Bild von der Wirkung des Medikaments machen will. 2. § 7 HWG § 7 HWG enthält eine im Vergleich zu § 47 AMG wesent- lich weitergehende Regelung: Soweit produktbezogen, Lothar Mahlberg, Wiss. Mitarb., Lehrstuhl Prof. Dr. Lindacher, Universität Trier, D-54296 Trier 1) Letzteres gilt zwar wegen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Re- greßmöglichkeiten gem. §§ 84, 106 SGB V nicht uneingeschränkt, wohl aber im Grundsatz. 2) Die hauptsächlich vertraglich wirkenden Regeln des Kodex des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sind – soweit den hier behandelten Kontext betreffend – inhaltlich im wesent- lichen eine Wiedergabe der gesetzlichen Rechtslage. 3) Sander, Arzneimittelgesetz (Stand: 1997), § 47, Erl. 18; Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 1980, § 7, Rdnr. 59. 4) Sander (Fn. 3), § 47, Erl. 18; Pelchen, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrecht- liche Nebengesetze, 5. Aufl. (Stand: 1998), § 47 AMG, Rdnr. 9; Pelchen/Vöcks, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht (Stand: 1998), § 47 AMG, Rdnr. 52; s. auch Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 59. 5) Doepner (Fn. 3), § 11 Nr. 14, Rdnr. 16 m.w.N.; a. A. Sander (Fn. 3), § 47, Erl. 19; Kleist/Hess/Hoffmann, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl. (Stand: 1998), § 11, Rdnr. 51. 6) Wie hier: LG Hamburg, Urt. v. 4. 8. 1978 – 15 O 596/78 –, zitiert nach Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 27; Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 27; a. A. Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 16. 7) Soweit ein Arzt nur Verwendung für einen Teil der Produkte hat, läßt sich die Anzahl der Muster pro Arzt durch unwahre Emp- fangsbestätigung bei kreuzweisem Austausch der Quote erhöhen.

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Page 1: Rechtliche Grenzen unentgeltlicher Zuwendungen an Ärzte

MedR 1999, Heft 7 299

AU F S Ä T Z E

Lothar Mahlberg

Rechtliche Grenzen unentgeltlicher Zuwendungen an Ärzte

I. Einleitung

Der Markt für medizinische und pharmazeutische Produkteist von vielen Besonderheiten geprägt. Als Teilbereich desGesundheitswesens ist er auf der eingeschränkten Markt-fähigkeit des Gutes „Gesundheit“ beruhenden massivenstaatlichen Interventionen ausgesetzt; dadurch kommt es zuStörungen des Marktgleichgewichts, die wiederum Folge-interventionen verlangen. Dies läßt sich insbesondere an-hand der für eine Marktwirtschaft systemfremden Funk-tionszuweisungen an die Ärzteschaft beobachten: Sie sindvor allem Sachwalter der Gesundheitsinteressen ihrer Pa-tienten, daneben aber auch dem Wirtschaftlichkeitsgebotverpflichtet, müssen also als Marktgegenseite zur Arznei-mittelindustrie auftreten, ohne in mit sonstigen Märktenvergleichbarer Weise als Nachfrageentscheider in den Ge-nuß des Nutzens zu kommen oder mit den Kosten belastetzu werden1. Daraus ergibt sich eine gewisse Zwiespältig-keit des Verhältnisses von Ärzten und pharmazeutischenUnternehmen. Bestmögliche Kommunikation ist im Inter-esse ordnungsgemäßer Arzneimittelanwendung und -über-wachung geboten, zugleich muß aber größtmögliche per-sönliche Distanz gewahrt werden. Wie im folgenden zuzeigen, bestimmen Distanzgebot und Informationsgebot – in einem dialektischen Spannungsverhältnis stehend –letztlich denn auch, was Pharmaunternehmer einem Arztunentgeltlich zuwenden dürfen, was der Arzt an unentgelt-lich Zugewandtem annehmen darf.

Der Beitrag greift unbeschadet der geringen Zahl publi-zierter Judikate Fragen von durchaus nicht unerheblicherpraktischer Bedeutung auf; er bemüht sich zunächst umAufweis und Kommentierung der einschlägigen ordnungs-widrigkeitenrechtlichen Verbotsschranken (II.), wendet sichsodann den berufsrechtlichen Schranken der Annahme un-entgeltlicher Zuwendungen für die Ärzteschaft zu (III.),um endlich abschließend der Ausstrahlwirkung der Rege-lungen des Heilmittelwerberechts und des ärztlichen Be-rufsrechts auf das allgemeine Wettbewerbsrecht nachzu-gehen (IV.).

II. Besondere Regelungen des Werbeverhaltenspharmazeutischer Unternehmer

Besondere gesetzliche2 Regelungen unentgeltlicher Zu-wendungen an Ärzte finden sich in § 7 HWG und § 47Abs. 3, 4 AMG, wobei § 7 HWG ausweislich seines Abs. 1S. 3 nicht auf die nach § 47 AMG zulässige Abgabe vonMustern anzuwenden ist. Beide Tatbestände sind Ord-nungswidrigkeiten (§§ 97 Abs. 2 Nr. 11 AMG, 15 Abs. 1 S. 3 HWG), mittels § 1 UWG – „Rechtsbruch“ – aberauch wettbewerbsrechtlich relevant (dazu IV.).

1. § 47 AMG§ 47 Abs. 3, 4 AMG beschränkt die Zulässigkeit der Abgabevon Arzneimittelmustern an Ärzte. Nur auf schriftliche An-forderung und gegen schriftliche Empfangsbestätigung dür-

fen jährlich maximal zwei Muster der kleinsten Original-packungsgröße, versehen mit der Aufschrift „unverkäuf-liches Muster“3, abgegeben werden. Zweck der Abgabemuß „insbesondere die Information des Arztes über denGegenstand des Arzneimittels“ sein, § 47 Abs. 4 S. 2 AMG.Nach herkömmlicher Ansicht in der arzneimittelrechtlichenLiteratur4 werden von Mustern Proben (eigens zum Zweckder Erprobung hergestellte Probepackungen) unterschieden.Gegen diese Ansicht sprechen bereits der allgemeineSprachgebrauch und die synonyme Verwendung in anderenGesetzen5. Zudem wäre unerwünschte Konsequenz, daß § 47 Abs. 3 S. 2 AMG – das Verbot der Abgabe vonMustern von Arzneimitteln, die dem BtMG unterfallendeStoffe enthalten – nicht auf Proben anwendbar wäre. Vorallem aber ist § 47 Abs. 3, 4 AMG vor dem Hintergrundvon § 7 Abs. 1 HWG ein Erlaubnis- und kein Verbotssatz:Faßt man die kostenlose Abgabe von Proben nicht unter § 47 Abs. 3, 4 AMG, so wird es sich in der Regel um nach§ 7 Abs. 1 HWG unerlaubte Wertwerbung handeln6.

Die Wirksamkeit des § 47 Abs. 3, 4 AMG erscheint an-gesichts naheliegender Umgehungsmöglichkeit7 fragwür-dig. Rechtspolitisch vorzugswürdig wäre es wohl – auchunter dem Gesichtspunkt der Patientenaufklärung –, einenAufdruck zu verlangen, daß der Arzt sich ein Bild von derWirkung des Medikaments machen will.

2. § 7 HWG § 7 HWG enthält eine im Vergleich zu § 47 AMG wesent-lich weitergehende Regelung: Soweit produktbezogen,

Lothar Mahlberg, Wiss. Mitarb.,Lehrstuhl Prof. Dr. Lindacher, Universität Trier,D-54296 Trier

1) Letzteres gilt zwar wegen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Re-greßmöglichkeiten gem. §§ 84, 106 SGB V nicht uneingeschränkt,wohl aber im Grundsatz.

2) Die hauptsächlich vertraglich wirkenden Regeln des Kodex desBundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sind – soweitden hier behandelten Kontext betreffend – inhaltlich im wesent-lichen eine Wiedergabe der gesetzlichen Rechtslage.

3) Sander, Arzneimittelgesetz (Stand: 1997), § 47, Erl. 18; Doepner,Heilmittelwerbegesetz, 1980, § 7, Rdnr. 59.

4) Sander (Fn. 3), § 47, Erl. 18; Pelchen, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrecht-liche Nebengesetze, 5. Aufl. (Stand: 1998), § 47 AMG, Rdnr. 9;Pelchen/Vöcks, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht (Stand: 1998), § 47 AMG, Rdnr. 52; s. auch Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 59.

5) Doepner (Fn. 3), § 11 Nr. 14, Rdnr. 16 m.w.N.; a. A. Sander (Fn. 3), § 47, Erl. 19; Kleist/Hess/Hoffmann, Heilmittelwerbegesetz,2. Aufl. (Stand: 1998), § 11, Rdnr. 51.

6) Wie hier: LG Hamburg, Urt. v. 4. 8. 1978 – 15 O 596/78 –,zitiert nach Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 27; Doepner (Fn. 3), § 7,Rdnr. 27; a. A. Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 16.

7) Soweit ein Arzt nur Verwendung für einen Teil der Produkte hat,läßt sich die Anzahl der Muster pro Arzt durch unwahre Emp-fangsbestätigung bei kreuzweisem Austausch der Quote erhöhen.

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300 MedR 1999, Heft 7 Mahlberg, Rechtliche Grenzen unentgeltlicher Zuwendungen an Ärzte

sind unentgeltliche Zuwendungen und andere Werbegabenmit Ausnahme von wirtschaftlich unbedeutenderen sowieim Rahmen wissenschaftlicher Veranstaltungen gewährtenZuwendungen unzulässig.

Erste Voraussetzung ist die Eröffnung des Anwendungs-bereiches des HWG gem. § 1, also Werbung für ein Arz-neimittel oder mit einer krankheitsbezogenen Werbeaus-sage. Werbung ist – verkürzt gesagt8 – Kommunikationzwecks Absatzförderung, kann folglich auch in sachlicherInformation bestehen9. Während der sachliche Anwen-dungsbereich des HWG im Falle der Fachkreiswerbung inder Regel keine besonderen Probleme bereitet, kann dieBestimmung des instrumentellen Bereiches – Produktwer-bung im Gegensatz zur Unternehmenswerbung – schwierigsein10: Zwar dient auch die Unternehmenswerbung mittel-bar der Absatzförderung, das HWG ist jedoch nur einschlä-gig, soweit die Werbung ihrem Gesamterscheinungsbildnach von den angesprochenen Verkehrskreisen einem be-stimmten Produkt zugeordnet wird11. Unproblematisch istvon Produktwerbung auszugehen, wenn ein bestimmtesArzneimittel mit seinem Namen genannt, andererseits vonUnternehmenswerbung, wenn bei breiter Produktpalettelediglich mit dem Firmennamen geworben wird. Dazwi-schen sind zahlreiche Abstufungen denkbar – von der Nen-nung eines bestimmten Wirkstoffes, der sich in verschiede-nen Produkten befinden mag, über die Verwendung pro-duktspezifischer Farbkombinationen bis hin zur Unterneh-menswerbung eines hochspezialisierten Anbieters. Bei dernotwendigen Gesamtschau der Umstände ist für die Wer-bung bei Ärzten zu beachten, daß es sich hier um ein imVergleich zur Verbraucherschaft hochinformiertes und -in-teressiertes Publikum handelt, das u. U. Bezüge zu konkre-ten Arzneimitteln selbst herstellen kann12.

Gem. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist das Anbieten, Ankündi-gen oder Gewähren von Zuwendungen und sonstigenWerbegaben nur erlaubt, wenn es sich um Gegenständevon geringem Wert, die dauerhaft und deutlich sichtbarmit der Bezeichnung des Werbenden oder Arzneimittelsgekennzeichnet sind, um geringwertige Kleinigkeiten oderum Werbegaben handelt, die nach der ZugabeVO zulässigwären. S. 2 schränkt dies für die Gewährung von Werbega-ben an im Gesundheitswesen tätige Personen dahingehendweiter ein, daß die Werbegaben für die Verwendung in derärztlichen Praxis bestimmt sein müssen. Werbegaben sindalle tatsächlich oder angeblich unentgeltlichen Zuwendun-gen, die akzessorisch oder abstrakt zum Zweck der Absatz-förderung von Heilmitteln vergeben werden13.

Als Werbegaben zulässig sind geringwertige Kleinigkei-ten oder mit Arzneimittel- oder Firmennamen gekenn-zeichnete Gegenstände von geringem Wert14. Aufgrundder Kennzeichnung offenbar in geringerem Ansehen ste-hende Gegenstände dürfen höherwertig sein als geringwer-tige Kleinigkeiten, weil die Unterscheidung sonst sinnloswäre15. Dennoch werden hier strenge Anforderungen ge-stellt: Gegenstände sollen bereits bei einem Wert von 70 Pf – 1 DM nicht mehr von geringem Wert sein, weilder Verkehr sie schon wegen ihrer selbst schätze und er-strebe; geringwertige Kleinigkeiten sollen sogar nur solcheProdukte sein, die in der Regel nicht auf dem Markt ange-boten werden16. Eine feste Geringwertigkeitsgrenze läßtsich allerdings nicht bestimmen17. Diskutiert wird, ob dieGeringwertigkeitsgrenze unter Berücksichtigung des Adres-satenkreises zu ermitteln ist18: Dagegen spricht die fehlendeDifferenzierung im Wortlaut, dafür, daß es sich um einewettbewerbsregelnde Vorschrift handelt, bei der die mög-lichen Wirkungen auf den Adressatenkreis nicht außer achtgelassen werden dürfen. Selbst wenn man letzterer Ansichtfolgt, kann dies jedoch nicht zu einer wesentlichen Er-höhung der Wertgrenze für Zuwendungen an Ärzteführen.

Erlaubt sind weiterhin Werbegaben, die als Zugabennach der ZugabeVO zulässig sind, wobei insbesondere anKundenzeitschriften (§ 1 Abs. 2 lit. e ZugabeVO) und Zu-behör zu denken ist. Obwohl Auskünfte und Ratschlägefür Ärzte durchaus eine vermögenswerte Zuwendung be-deuten, sind auch diese sinnvollerweise durch den Verweisauf § 2 Abs. 2 lit. f ZugabeVO ausgenommen. Dies giltnach der Fortbildungs-Kassetten-Entscheidung des BGHnicht für den Wert der Information auf Videokassetten19 –im entschiedenen Fall sicherlich richtig, da es sich nicht umproduktspezifische Informationen handelte. Dagegen er-scheint die Ausnahme in § 1 Abs. 2 lit. b ZugabeVO, nachder Geldzuwendungen nicht unter die ZugabeVO fallen,als eine problematische Durchbrechung des Distanzgebotes.Obwohl die Zahlung von Geld an Ärzte zu Werbezweckenohne weiteres sittenwidrig i.S. von § 1 UWG ist20, bleibtordnungswidrigkeitenrechtlich eine Lücke bestehen21.

Während im Bereich der Publikumswerbung in gerin-gem Umfang auch die persönliche Ansprache zulässig ist,erscheint die Verquickung privater und beruflicher Belangebei Ärzten ohne beruflichen Informationsgewinn wegendes Distanzgebotes als schlechthin unerträglich. Konsequentwird die Zulässigkeit von Werbegaben dadurch einge-schränkt, daß die Werbegabe für die Verwendung in derPraxis bestimmt sein muß (§ 7 Abs. 1 S. 2 HWG), wobeidie ernstgemeinte subjektive Zweckbestimmung ausreicht.

8) Ausführlich Doepner, WRP 1993, 445, 446; Kleist/Hess/Hoffmann(Fn. 5), § 1, Rdnrn. 5 ff.; Bülow, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbe-gesetz, 1996, § 1, Rdnrn. 2–8; Doepner (Fn. 3), § 1, Rdnrn. 8–20;zum wettbewerbsrechtlichen Begriff Gloy, in: Gloy (Hrsg.),Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl. 1997, § 14; für Pflicht-angaben einschränkend BGH, NJW 1998, 3412 – Neurotratforte.

9) BGHZ 114, 354, 356 f. = NJW 1992, 751, 751 f. – Katovit; an-ders akzentuierend noch BGH, NJW 1972, 339, 340 – Pflan-zensäfte; s. auch Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 1, Rdnr. 7.

10) Zur Abgrenzung BGH, NJW 1992, 2967 = MedR 1993, 66 –Femovan; NJW 1992, 2964 – Pharma-Werbespot; GRUR 1983,597, 598 = WRP 1983, 608 – Kneipp-Pflanzensaft; Doepner,WRP 1993, 445 m.w.N.; zur grundsätzlichen wettbewerbsrecht-lichen Zulässigkeit der Image-Werbung Sosznitza, WRP 1995,786, 787.

11) BGH, NJW 1992, 2967 = MedR 1992, 66 – Femovan; NJW1992, 2964 – Pharma-Werbespot.

12) Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 1, Rdnr. 13.13) Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 22; ausführlich zur Diskussion Doepner

(Fn. 3), § 7, Rdnrn. 18–21; ähnlich Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5),§ 7, Rdnr. 14.

14) Zu den Einzelheiten s. Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), § 7, Rdnrn.12–18; Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnrn. 33–39; Kleist/Hess/Hoffmann(Fn. 5), § 7, Rdnrn. 23–31 (jeweils m.w.N.).

15) Forstmann, WRP 1977, 691, 695; Baumbach/Hefermehl, Wett-bewerbsrecht, 20. Aufl. 1998, § 1 ZugabeVO, Rdnr. 67; i. Erg.ähnlich Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 38.

16) Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 26; Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), § 7, Rdnrn. 11–18; Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnrn.33–55 (jew. m.w.N.). Eine geringwertige Kleinigkeit wurde1975 schon bei einem Wert von über 40 Pf verneint, OLGHamburg, WRP 1975, 606.

17) Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 31; Doepner (Fn. 3), § 7,Rdnr. 35.

18) Bejahend: Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 27; Doepner(Fn. 3), § 7, Rdnr. 14; Pelchen, in: Erbs/Kohlhaas (Fn. 4), § 7HWG, Rdnr. 4a; Baumbach/Hefermehl (Fn. 15), § 1 ZugabeVO,Rdnr. 70; a. A. Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), § 7, Rdnr. 16.

19) BGH, NJW-RR 1990, 1451 = MedR 1991, 32 – Fortbildungs-Kassetten: Der Wert einer Videokassette kann hinter dem Wertder Fortbildungsinformation zurücktreten; auf § 2 Abs. 2 lit. fZugabeVO wird dort allerdings nicht eingegangen.

20) Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 35; Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), § 7, Rdnr. 29.

21) Doepner (Fn. 3), § 7, Rdnr. 17.

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Mahlberg, Rechtliche Grenzen unentgeltlicher Zuwendungen an Ärzte MedR 1999, Heft 7 301

Hauptzweck der Werbegabe muß also die Verwendung inder Praxis, die private Verwendung darf höchstens Neben-zweck sein22. Inhaltlich stellt dies keine Abweichung vonArt. 9 Abs. 1 – Werbegabe „von Belang“ für die Praxis –der RL 92/28/EWG23 dar24: Eine handhabbare Auslegungmuß auch dort letztlich auf die Zweckbestimmung abstel-len.

Von § 7 Abs. 1 HWG macht § 7 Abs. 2 HWG – wieder-um eine Ausprägung des Informationsgebotes – eine Aus-nahme für Zuwendungen an Angehörige von Heilberufen,die im Rahmen ausschließlich berufsbezogener wissen-schaftlicher Veranstaltungen gewährt werden und in bezugauf den wissenschaftlichen Zweck der Veranstaltung vonuntergeordneter Bedeutung sind. Eindeutig unzulässig sindgem. § 7 Abs. 2 a. E. HWG Zuwendungen an andere alsim Gesundheitswesen tätige Personen, z. B. Familienange-hörige von Ärzten als solche. Umstritten ist die Bedeutungdes Merkmals „berufsbezogen“ im Kontext der Wissen-schaftlichkeit: Während nach einer Auffassung jede Art desBezugs zum Beruf ausreicht, soweit der Anforderung derWissenschaftlichkeit genüge getan wird, also z. B. Seminarezur ärztlichen Praxisführung oder zu Rechtsfragen die Vor-aussetzungen des § 7 Abs. 2 HWG erfüllen25, sind nach a. A. nur Zuwendungen im Rahmen solcher Veranstaltun-gen erlaubt, die medizinische Themen betreffen26. Da be-rufsbezogenen nichtmedizinischen Veranstaltungen der not-wendige Sachzusammenhang zu den Produkten der phar-mazeutischen Industrie und die zur zum Überwiegen desInformationsgebotes notwendige Gesundheitsrelevanz fehlt,ist letztere Ansicht vorzugswürdig. Dagegen läßt sich nichtder zweideutig formulierte Art. 10 Halbsatz 1 der RL92/28/EWG27 anführen, der von „ausschließlich berufs-bezogenen und wissenschaftlichen Veranstaltungen“ spricht,weil der 2. Halbsatz der Norm unzweideutig von einemwissenschaftlichen Hauptzweck ausgeht.

Ob die zunächst naheliegende Übernahme der strengenAnforderungen an Wissenschaftlichkeit aus Art. 5 Abs. 3GG angebracht ist, erscheint fraglich. Aus dem Zusammen-hang ergibt sich, daß § 7 Abs. 2 HWG nicht in erster Liniedie Wissenschaftsfreiheit thematisiert, vielmehr den Infor-mationsaustausch zwischen Arzt und Industrie privilegierensoll. Ärzte sind aber als Praktiker weniger an Details als anFortbildung interessiert; es geht um Information, die nichtnotwendig in der Vermittlung des Forschungsfortschrittsbestehen muß. Dies spricht dafür, Wissenschaftlichkeit i.S.des § 7 Abs. 2 HWG wegen Einschlägigkeit des Informa-tionsgebotes dort anzunehmen, wo ernsthafte Auseinander-setzung mit fachlichen Themen stattfindet, also etwa auchbei Fortbildungsveranstaltungen, in denen nur eine Auf-arbeitung des Standes der Forschung präsentiert wird28.Lediglich in diesem Sinne genügt Berufsbezogenheit.

Soweit eine Veranstaltung diese Anforderungen erfüllt,sind in ihrem Rahmen bestimmte Zuwendungen erlaubt.Das Tatbestandsmerkmal „im Rahmen“ ist nicht etwa mitBetonung auf „im“ zu lesen29; soweit die Wahl des Ta-gungsortes nicht aus sachfremden Motiven geschieht, beste-hen gegen die Erstattung der Anreisekosten heilmittelwer-berechtlich keine Bedenken. Zuwendungen halten sich imRahmen der Veranstaltung, soweit nachvollziehbar nichtnur bei Gelegenheit, sondern in einem sachlichen Zusam-menhang mit der Tagung gewährt, also unmittelbar derFörderung des Tagungszwecks dienende Zuwendungen,etwa das Anmieten von Räumlichkeiten, die Unterbrin-gung der Teilnehmer, aber auch die Zuwendung derschriftlichen Fassung der Referate. Darüber hinaus sindbloße Aufmerksamkeiten erlaubt, etwa eine Stadtführungim Rahmen eines mehrtägigen Aufenthaltes; unzulässig da-gegen sind eine Einladung zum Galakonzert oder zu einemRundflug über eine Stadt. Was den weiteren Rahmen desAlltäglichen verläßt, stellt nicht mehr Beiwerk zur Haupt-

veranstaltung dar, ist als Durchbrechung des Distanzgebotesnicht mehr durch das Informationsgebot gerechtfertigt. An-haltspunkte für die Auslegung bietet die umfangreicheRechtsprechung des BFH30 zur Qualifikation eigener pri-vater Aufwendungen für die Teilnahme an Fortbildungs-kongressen und -reisen als Betriebsausgaben i.S. von § 4Abs. 4 EStG. Werden diese Grenzen deutlich überschritten,kann auch der wissenschaftliche Charakter der Veranstal-tung fragwürdig werden. „Im Rahmen“ läßt sich – soweitman nicht einer oben abgelehnten „bildlichen“ Auslegungfolgen möchte – kaum von dem Kriterium der untergeord-neten Bedeutung in bezug auf den wissenschaftlichenHauptzweck der Veranstaltung abgrenzen. Auch hier ist dieAdressatenperspektive maßgeblich, d. h. es darf nicht dieGefahr bestehen, daß Ärzte nur wegen der Zuwendungenan der Veranstaltung teilnehmen31. Auf die Üblichkeit kannes nicht ankommen32, da auch Unsitten üblich sein kön-nen. Von Bedeutung sind sowohl der Zeitrahmen der Ver-anstaltung als auch der Wert der Zuwendungen33, die zu-einander in Relation gesetzt werden müssen.

III. Berufsrechtliche Bindungen der Ärzteschaft

Die neue MBO 199734 enthält gegenüber der alten MBO35

einige einschneidende Änderungen. Da die Landesberufs-ordnungen teils noch der alten, teils schon der neuen MBOentsprechen, soll ein Überblick über beide Regelungskom-plexe gegeben werden.

Auffälligster Unterschied zu den Regelungen des HWGist, daß keiner der Tatbestände eine Beschränkung aufProduktwerbung enthält. Im einzelnen finden sich jeweils (§ 34 Abs. 2 MBO a. F. und § 30 Abs. 2 MBO n. F.) Ver-bote der entgeltlichen Weitergabe von Ärztemustern, wor-aus allerdings auf die grundsätzliche Zulässigkeit der An-nahme von Ärztemustern geschlossen werden kann36. DasVerbot, Werbegaben anzunehmen, soweit es sich nichtlediglich um geringwertige Gegenstände handelt (§ 32 Abs. 2 MBO a. F.), entspricht in etwa § 7 HWG, allerdingsohne die Beschränkung auf Gegenstände, die für die Praxisbestimmt sind. Bedenklich ist dagegen die Regelung in §§ 32, 33 MBO n. F.: Die allgemeine Regelung des § 32MBO n. F. verbietet die Annahme von Geschenken und

22) Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 27.23) ABl. Nr. L 113 v. 30. 4. 1992, S. 13.24) A. A. Bülow, PharmaR 1994, 299, 301; Bülow, in: Bülow/Ring

(Fn. 8), § 7, Rdnr. 53.25) Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 41.26) Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), § 7, Rdnr. 60.27) So aber Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 41.28) „Wissenschaftlicher Zweck im weitesten Sinne“, Kleist/Hess/

Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 41.29) Die Befürchtung, daß die Rspr. zu einem solchen Ergebnis kom-

men könnte, äußert Räpple, in: Engler/Räpple/Rieger, Werbenund Zuwenden im Gesundheitswesen, 1996, Rdnr. 158.

30) S. Beker/App, Die Besteuerung der Ärzte und Zahnärzte, 2. Aufl.1990, Rdnrn. 248 f.; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck (Hrsg.),Handbuch des Arztrechts, 1992, § 21, Rdnr. 15; jew. m.N. DieGrenze der Geringwertigkeit aus § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG (z. Zt.75,– DM) läßt sich dagegen wegen des anderen Regelungs-grundes (dazu Söhn, in: Kirchhof/Söhn, EStG (Stand: 1995), § 4,Rdnr. G 8) nicht auf § 7 Abs. 1 HWG übertragen, Forstmann,WRP 1977, 691, 695.

31) Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), § 7, Rdnr. 62.32) So aber Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), § 7, Rdnr. 62.33) Kleist/Hess/Hoffmann (Fn. 5), § 7, Rdnr. 41.34) Musterberufsordnung, veröffentlicht in DÄBl. 1997, A-2354 (zu-

gänglich auch über die Datenbank unter http://www.aerzte-blatt.de/), und in NJW 1997, 3076.

35) DÄBl. 1994, B-39.36) In vieler Hinsicht einschränkend allerdings Narr, Ärztliches Be-

rufsrecht, 2. Aufl., Rdnr. 1196 (Stand: 1988).

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302 MedR 1999, Heft 7 Mahlberg, Rechtliche Grenzen unentgeltlicher Zuwendungen an Ärzte

anderen Vorteilen nur, wenn sie das übliche Maß kleinerAnerkennungen überschreiten und zudem der Eindruck er-weckt werden kann, daß der Arzt in seiner ärztlichen Ent-scheidung beeinflußt werden könnte. Fraglich erscheint,welche Leistung des Arztes für den Arzneimittelanbietereigentlich „anerkannt“ werden soll: Auch bei zulässigerLeistungserbringung für Anbieter von Arznei-, Heil- undHilfsmitteln entspricht eine feste Geschäftsverbindung, diezur Üblichkeit kleiner Anerkennungen führen kann, nichtdem Leitbild des unabhängigen – distanzwahrenden – Arz-tes. § 33 MBO n. F. beschränkt dagegen nur die Zulässig-keit der Annahme von Werbegaben für den Besuch vonInformationsveranstaltungen und für den Bezug von Arz-nei-, Heil- und Hilfsmitteln und medizinisch-technischenGeräten auf Gegenstände von geringem Wert.

Hinsichtlich des Verbotes der Annahme unangemessenerVergütungen von Leistungen für Hersteller dürften die ver-schiedenen sprachlichen Akzentuierungen („der Leistungentsprechende Vergütung“ in § 33 S. 1 MBO n. F. bzw.„angemessen und der Leistung entsprechend“ in § 32 Abs. 1MBO n. F.) regelmäßig nicht zu verschiedenen Ergebnis-sen führen. Gleiches gilt – obwohl der Formulierung nachnicht äquivalent – auch für Zuwendungen im Rahmen vonInformationsveranstaltungen: Zwar enthält die alte MBOdie – ebenfalls im wesentlichen dem HWG entsprechen-den – Anforderungen, daß der Informationszweck im Vor-dergrund bleiben muß und keine unangemessenen Auf-wendungen für Bewirtung oder vergleichbare Vorteile an-genommen werden dürfen, während sich die neue MBOdamit begnügt, die Annahme von nicht geringfügigen Vor-teilen für den Besuch von Informationsveranstaltungen zuverbieten. Aus dem Sachzusammenhang läßt sich jedochschließen, daß damit lediglich die Annahme von privatnüt-zigen Vorteilen, also solchen, die nicht im Zusammenhangmit der Informationsvermittlung stehen, untersagt wird.

Größere Unterschiede zwischen alter und neuer MBOfinden sich bei der Regelung des Sponsorings und der Ver-pflichtung des Arztes zur Mitwirkung an der Bekämpfungdes sog. Heilmittelschwindels37. Die neue MBO verbietetals Veranstalter von Fortbildungsveranstaltungen tätigenÄrzten, Sponsoren Einfluß auf den Inhalt zu gewähren:Art, Inhalt und Präsentation von Fortbildungsveranstaltun-gen müssen vom Veranstalter bestimmt werden, Zuwen-dungen sind auf einen „angemessenen Beitrag“ zu begren-zen (§ 35 MBO n. F.). Wegen der Vagheit des Begriffes„angemessen“ ist zwar zweifelhaft, ob „product-placement“damit effektiv vorgebeugt werden kann, zumindest abersind offene Absprachen eindeutig unzulässig. Verzichtetwurde in der neuen MBO dagegen auf das Gebot, daßÄrzte an der „Bekämpfung des Heilmittelschwindels“ teil-nehmen sollen (§ 30 Abs. 5 MBO a. F.). Wo noch in Kraft,steht der durch die Formulierung bestehende Zumutbar-keitsvorbehalt einer Pflicht zur Mitteilung an die Ärzte-kammer bei Kenntnis einer unzulässigen Werbemaßnahmenicht entgegen.

IV. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

Zivilrechtliche Unterlassungsansprüche der Konkurrentensowie der Wirtschafts- und Verbraucherverbände aus § 1UWG kommen unter drei Aspekten in Betracht: Unterdem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs bei Verstoß gegenAMG und HWG; ebenfalls wegen Rechtsbruchs bei Aus-nutzen fremder Berufsstandesvergessenheit; schließlich un-abhängig von besonderen Verboten, falls unentgeltlicheZuwendungen sich als unzulässige Wertwerbung darstellen.

1. RechtsbruchEin Gesetzesverstoß führt ohne weiteres zur wettbewerbs-rechtlichen Sittenwidrigkeit, wenn die verletzte Norm

wertbezogen ist, also einer sittlichen Auffassung Ausdruckverleiht, unmittelbar wettbewerbsschützenden Charakterhat oder den Schutz überragender Gemeinschaftsgüter be-zweckt38. Wiewohl umstritten ist, ob das HWG nur ge-sundheitsschützend oder auch wettbewerbsschützend39 ist,besteht im Ergebnis Einigkeit, daß es sich – ebenso wie beiden Vorschriften des AMG – um wertbezogene Normenhandelt40, also im Gegensatz zu den sog. wertneutralenNormen weder ein bewußter und planmäßiger Verstoßnoch eine Vorsprungerzielung i.S. einer Wettbewerbsposi-tionsverbesserung notwendig ist.

2. Ausnutzen fremder BerufsstandesvergessenheitPraktische Bedeutung kommt der Frage, ob das Ausnutzenfremder Berufsstandesvergessenheit in diesem Fall unlauterist, vor allem für den Bereich der nicht von § 7 HWG er-faßten Unternehmenswerbung zu, denn für die Beurteilungärztlicher Zuwendungsempfangnahme spielt diese Unter-scheidung keine Rolle. Auch hier wird wettbewerbsrecht-lich wieder in gleicher Weise zwischen wertbezogenen undwertneutralen Normen differenziert41. Wegen Schutz-zweckidentität zu § 7 HWG sind die entsprechenden Vor-schriften als wertbezogen anzusehen, es bedarf also unterdiesem Gesichtspunkt weder eines planmäßigen Vorgehensnoch einer Vorsprungerzielung. Bei Gesetzen im materiel-len Sinne wie den ärztlichen Berufsordnungen ist auch derNachweis tatsächlicher Übung und entsprechender Stan-desüberzeugung nicht Voraussetzung wettbewerbsrecht-licher Beachtlichkeit42.

Probleme bereitet hier allerdings, daß es sich um fremdenRechtsbruch handelt. Betrachtet man die zum Ausnutzenfremder Berufsstandesvergessenheit ergangenen Judikate, somüssen zunächst diejenigen ausgeschieden werden, indenen es sich um „Störerhaftung“ handelt, also wissentlicheFörderung fremden Wettbewerbsverstoßes des Berufsstan-desangehörigen43, denn die Annahme unentgeltlicher Zu-wendungen stellt für den Arzt in aller Regel keine Wett-bewerbshandlung dar. Ebenfalls anderer Natur als der hierinteressierende Fall sind institutionalisierte Kooperationenzwischen Berufsstandesangehörigen und Beklagten44. Viel-mehr muß eine echte Drittbindung Berufsstandesfremderbegründet werden. Die bloße Teilnahme am ohne Bezugzur Wettbewerbssphäre erfolgten fremden Rechtsbruchgenügen zu lassen, hieße, mittelbar die Marktgegenseiteuneingeschränkt dem Geltungsanspruch des fremden Be-rufsrechts zu unterwerfen, ohne daß ein hinreichenderBezug des Normbruchs zur Wettbewerbssphäre45 bestünde.

37) „Heilmittelschwindel“ umfaßt jegliche Art unseriöser Praktiken,Narr (Fn. 36), Rdnr. 1202.

38) Baumbach/Hefermehl (Fn. 15), § 1 UWG, Rdnr. 61239) Doepner (Fn. 3), Einleitung, Rdnr. 24; Struntz, Heilmittelwerbe-

recht, Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz, 1987, S. 28 f.,jew. m.w.N.

40) Etwa zu § 7 HWG Bülow, in: Bülow/Ring (Fn. 8), Einführung,Rdnr. 25; zu § 47 AMG Kiethe, WRP 1976, 133, 136; allg.Baumbach/Hefermehl (Fn. 15), § 1 UWG, Rdnrn. 616, 618.

41) Baumbach/Hefermehl (Fn. 15), § 1 UWG, Rdnr. 67442) Jacobs/Hasselblatt, in: Gloy (Hrsg.) (Fn. 8), § 48, Rdnr. 2; Baum-

bach/Hefermehl (Fn. 15), § 1 UWG, Rdnr. 673; dies verkennendOLG Hamburg, GRUR 1988, 141 = WRP 1988, 178 = MedR1989, 151 – Branchenverzeichnis.

43) In OLG Hamburg, GRUR 1988, 141 = WRP 1988, 178 =MedR 1989, 151 – Branchenverzeichnis – ist zwar auch dereigene Wettbewerbsverstoß des beklagten Verlegers tragend; in-sofern war die klagende Ärztekammer jedoch weder klagebefugtnoch hatte sie einen dahingehenden Klageantrag gestellt (!).

44) Etwa OLG Stuttgart, MedR 1997, 175; OGH, ÖBl 1986, 154.45) Zum Erfordernis des Bezugs zur Wettbewerbssphäre Schricker,

Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 1970, S. 243 ff.

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Ein planmäßiges46 Ausnutzen in diesem Sinne liegt daher erstdann vor, wenn besondere Umstände darauf hindeuten,daß mehr als nur Image-Verbesserung gewollt ist, vielmehrdie durch die entsprechenden Vorschriften der MBO gene-rell verbotenen Verhaltensweisen nicht mehr nur abstraktgefährlich sind, sich also hin zu einer konkreten Gefähr-dung verdichten: Zu denken ist daran etwa bei besondererHöhe der Zuwendungen, bei fortlaufenden Verstößen oderbei im Anschluß an die Werbemaßnahme nicht mehrdurch Info-Marketing-Effekte zu erklärendem Umsatzan-stieg.

3. Unzulässige WertwerbungDie einschlägige Zuwendungspraxis muß sich trotz beste-hender ordnungswidrigkeitenrechtlicher Verbotsschrankenauch an allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Maßstäbenmessen lassen. Die Beurteilung der Wertwerbung anhandvon § 1 UWG, geläufigerweise unter „Kundenfang“ kata-logisiert, ist von Unsicherheiten geprägt47. Unter dem Be-griff werden Werbemethoden zusammengefaßt, bei denender Kunde nicht durch Qualität und Preis der Ware, son-dern durch die Zuwendung geldwerter Vorteile umworbenwird48. Einigkeit besteht nur insoweit, daß Wertwerbungzwar grundsätzlich zulässig ist, jedoch keine unsachlicheBeeinflussung der Abnehmer bewirken darf49, wobei es fürdie Abgrenzung in erster Linie auf die Umstände des Ein-zelfalls ankommt. Maßgeblich sind außer dem Wert desGeschenks der Anlaß und der Zweck der Zuwendung, diePersönlichkeit der Beteiligten sowie die Art und Weise derGewährung des Geschenkes50. Mag auch – obwohl imGrundsatz leistungswettbewerbsfremd – das Interesse an derPflege von Geschäfts- und Kundenkontakten allgemein fürdie Zulässigkeit von Wertwerbung sprechen, gilt für Wer-bung bei Ärzten doch ähnlich der Beurteilung der Beein-flussung fremder Mitarbeiter51, daß der Schutz der Sachwal-terfunktion (dazu oben, sub I.) Strenge erfordert; das Wis-sen um die eigene Verpflichtung zur Gegenleistung alsRegulativ zu emotionaler Beeinflussung besteht geradenicht oder doch nur unvollkommen. Der Nutzung einesErmessensspielraums zugunsten eines Zuwendenden dürfteregelmäßig eine geringere Hemmschwelle entgegenstehen,wenn nicht eigene, sondern bloß fremde Verpflichtungausgelöst wird. Beweggründe ärztlichen Handelns sollenFörderung des Patientenwohls und Kosteneffizienz des Ge-

sundheitssystems sein, nicht aber Dankbarkeit gegenübereinem Dritten52. Wegen der latenten Mißbrauchsgefahrmuß deshalb die Schwelle der relevanten konkreten Ge-fährdung in der Nähe zur Bildung eines abstrakten Gefähr-dungsdelikts angesiedelt werden. Wertwerbung, die nichtnur geringfügig über die der Zuwendungspraxis durch § 7HWG für den Bereich der Produktwerbung gesetztenGrenzen hinausgeht, kann nur in Ausnahmefällen zulässigsein. Daß die Verbindung mit fremdem Berufsrecht ein sol-ches Ergebnis nur eingeschränkt trägt, steht dem nicht ent-gegen: Grund dafür ist die beschränkte personale Satzungs-hoheit, nicht eine zustimmende Wertung entsprechendenWerbeverhaltens. Überhaupt scheint die Unterscheidungzwischen Produkt- und Unternehmenswerbung im HWGfür dessen § 7 nicht recht einsichtig, denn Dankbarkeitsge-fühle bestehen bei Zuwendungen nicht gegenüber demProdukt, für das geworben wird, sondern gegenüber demZuwendenden. Im Bereich der wissenschaftlichen Veran-staltungen ist dagegen auch für die Unternehmenswerbungauf das Informationsgebot Rücksicht zu nehmen; betrachtetman die allgemein üblichen Tagungsgebühren, so dürftenansonsten die wettbewerbsrechtlichen Obergrenzen regel-mäßig überschritten sein.

46) Daß die Planmäßigkeit besondere Voraussetzung bei der Auffor-derung zur Verletzung des nur den Adressaten bindenden Rechtsist, betont BGH, GRUR 1991, 540 = WRP 1991, 157 – Ge-bührenausschreibung.

47) Vgl. etwa Borck, in: FS Gaedertz, 1991, 61, 63 m.w.N. 48) Vgl. Baumbach/Hefermehl (Fn. 15), § 1 UWG, Rdnr. 85; Krüger=

Nieland, WRP 1979, 1, 2.49) Zu den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Anforderungen an

die Zulässigkeit von Werbegeschenken Jacobs/Hasselblatt, in: Gloy(Hrsg.) (Fn. 8), § 50, Rdnrn. 64, 67–71, 79–100; Baumbach/Hefer-mehl (Fn. 15), § 1 UWG, Rdnrn. 89, 91b, 108–110.

50) BGH, NJW-RR 1989, 744, 746 = GRUR 1989, 366, 368 =WRP 1990, 28, 30 – Wirtschaftsmagazin, m. w. Rechtsprechungs-nachw.

51) Dazu BGH, GRUR 1959, 31, 33.52) So bereits RG, GRUR 1944, 88, 90: Werbegaben dürfen nicht

so gestaltet sein, daß der Arzt sich der gebenden Firma „derartgebunden fühlt, daß er bei der Auswahl der von ihm zu verord-nenden Mittel innerlich irgendwie unfrei wird“ (i. Erg. allerdingsweniger streng als die hier vertretene Ansicht).

BU C H B E S P R E C H U N G E N

Die Berufskrankheitenverordnung (BeKV). Handkommentaraus rechtlicher und medizinischer Sicht für Ärzte, Ver-sicherungsträger und Sozialgerichte. Von Gerhard Mehrtens undEdith Perlebach. Verlag Erich Schmidt, Berlin Bielefeld München,hier: 33. u. 34. Erg.-Lfg.

Das bewährte Werk wurde seit der letzten Besprechung (MedR 1999,94) durch zwei Lieferungen ergänzt.

Die 33. Lieferung enthält die amtlichen Merkblätter für die ärztlicheUntersuchung der Silikose und der Siliko-Tuberkulose vom 5. 2.1998, die im Jahre 1997 nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannten Krank-heiten sowie die „Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufs-krankheiten“ in der ab dem 1. 1. 1997 geltenden Fassung. Fernerwurden die Erläuterungen zu § 9 SGB VII, § 48 SGB X, § 3 BKVsowie zu den BK-Nrn. 1201, 1301, 1310, 1312, 2101, 2102, 2103,4101, 4102, 4103 überarbeitet.

Die 34. Lieferung erweitert die Erläuterungen zu den Berufskrank-heiten (BK) (§ 1 SGB VII), den Maßnahmen gegen die BK (§ 3 BKV)und zu Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs (§ 56 SGBVII). Einzelhinweise betreffen die Mitwirkung der für den medizini-schen Arbeitsschutz zuständigen Stellen (§ 4 SVV) und Gebühren-fragen (§ 5 BKV). Anmerkungen beziehen sich auf die Erkrankungendurch Chrom (BK-Nr. 1103), Mechanische Einwirkungen (BK-Nrn.2103, 2108), Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301), Asbest, Erkran-kungen durch anorganische Stäube (BK-Nrn. 4103, 4119), Kokerei-gase, Erkrankungen durch organische Stäube (BK-Nr. 4203), Ob-struktive Atemwegserkrankungen (BK-Nr. 4203) und Hautkrankhei-ten (BK 5101).

Prof. Dr. med. Gerhard Möllhoff, Heidelberg