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5. Tagung „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“ Dienstag, den 24.04.2018, Potsdam Menschen mit Demenz in der Notaufnahme – Identifikation und Betreuung als wesentliche Bausteine! Rajan Somasundaram Zentrale Notaufnahme und Aufnahmestation Campus Benjamin Franklin Charité – Universitätsmedizin Berlin

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5. Tagung „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“Dienstag, den 24.04.2018, Potsdam

Menschen mit Demenz in der Notaufnahme –Identifikation und Betreuung als

wesentliche Bausteine!

Rajan Somasundaram

Zentrale Notaufnahme und Aufnahmestation

Campus Benjamin Franklin

Charité – Universitätsmedizin Berlin

• Kasuistik

• Was ist ein „Notfall“?

• Struktur der Notfallversorgung in Deutschland und Aufgaben von Notaufnahmen

• Altersentwicklung von Notfallpatienten in Deutschland

• Spezielle Problemstellungen bei älteren Notfallpatientenoder der „ältere Patient als „Hochrisikopatient“ (Charité-Leitsymptomstudie)

• Der ältere Patient mit Demenz in der Notaufnahme

• Zusammenfassung

• Frage zum Schluss: Brauchen wir einen Geriater in der Notaufnahme?

Übersicht

Ein typischer Fall ...

80-jährige Patientin

Herz-Kreislauf: Herzinsuffizienz kompensiert, Schrittmacher bei Vorhofflimmern

Lunge: chronisch obstruktive Lungenerkrankung

Niere: Dialysepflicht

ZNS: fortschreitende Demenz

Bewegungsapparat: Rheuma, Schmerztherapie

Stoffwechsel: insulinpflichtiger Diabetes

Soz. Umfeld: wohnt bei Kindern u. Enkeln; häusliche Pflege, hat noch Lebensqualität lt. Angehörigen

14 Medikamente von 5 Fachärzten

Grenzwertig stabil, bei geringer Störung droht Dekompensation ...Keimträgerin (4-MRGN und VRE)

3

... das akute Ereignis und der Verlauf

Fr.

Sa.

So.

Dialyse

Sturz

zunehmendesUnwohlsein

Notarzt

ZNA

Intensiv

Resümee:zu viel Wasser entzogen?Interaktion der Medikamente?zu wenig getrunken (heißer Tag)?

langwierige, für Patientin u. Angehörigebelastende Behandlunghohe Kosten

Wäre das vermeidbar gewesen?Wer überblickt die Krankengeschichte?

Herz-Kreislauf-Dekompensation, inkl. Verschlechterung der Kognition undManifestation eines hyperreaktiven Delirs

Beatmung multiresistente Keime ...4

Notfallmedizin - Begrifflichkeiten

„Notfall“:„Als medizinischer Notfall bzw. als Notfallpatienten werden alle Personen definiert, die körperliche oder psychische Veränderungen im Gesundheitszustand aufweisen, für welche der Patient selbst oder eine Drittperson unverzügliche medizinische und pflegerische Betreuung als notwendig erachtet.“

Gemeinsame Stellungnahme der DGINA, AAEM, SGNOR„Fünf Thesen zur Weiterentwicklung der Notfallmedizin in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ (Notfall- u. Rettungsmedizin, 2013)

Beweggründe für die Inanspruchnahme vonNotaufnahmen – Ergebnisse einer Patientenbefragung

„Wie dringlich schätzen Sie persönlich Ihre Beschwerden ein?“ (aufgeteilt nach Alter (n=1.902)

Somasundaram, Geissler, Leidel, Wrede; Gesundheitswesen, 2016

Notfallmedizin:Drei Säulen der Notfallversorgung in Deutschland

AmbulanteNotfallversorgung

Notfallrettung Stationäre Notfallversorgung

Bereitschaftsdienste der kassenärztlichen Vereinigung (KV)

z.B. Berliner Feuerwehr u.a.

Notaufnahmen der Krankenhäuser

4-8 Mio. p.a. Ca. 7 Mio. p.a. >20 Mio.p.a.(davon ca. 11 Mio. ambulant)

1. SACHVERSTÄNDIGENRAT zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechte Versorgung − Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche; Gutachten 2014

2. Riessen et al., Positionspapier für eine Reform der medizinischen Notfallversorgung in deutschen Notaufnahmen. Notfall- und Rettungsmedizin, 2015

3. DKG-Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus - Fallkostenkalkulation und Strukturanalyse, 2015

Struktur der Notaufnahmen in Deutschland (2015)

Dezentrale NA (ca. 30%)- "chirurgisch"- "internistisch"- u.a.m

Zentrale NA (ca. 70%)Alle oder mehrere Disziplinen beisammen

Blum et al., Deutsches Krankenhausinstitut, 2010Schöpke et al., Notfall- und Rettungsmedizin, 2011www.destatis.de, abgerufen 23.4.2018 **Notfallkonzept: G-BA beschließt Drei-Stufen-Plan; Dt. Ärzteblatt 20.4.2018

1.951 Krankenhäuser* in Deutschland ( inkl. 35 Unikliniken in 2016)

1.748 allgemeine Krankenhäuser mit Notaufnahmen (nach GBA-Stufung und aktueller Modellrechnung werden künftig nur noch 1.120 Zuschläge für

die Notfallversorgung erhalten)**

*inkl. Krankenhäuser mit ausschließlich psychiatrischen,psychotherapeutischen oder psychiatrischen,psychotherapeutischen und neurologischen Betten

1. Sicherstellung der medizinischen Notfallversorgung 24h an 365 Tagen im Jahr

2. Festlegung der Behandlungsdringlichkeit (Triage)

Klinische Notfallmedizin/Notaufnahmen – Aufgaben

Triage in Notaufnahmen Manchester-Triage-System (MTS) - Grundlagen

→ standardisiertes und evaluiertes Sichtungssystem für Notaufnahmen

→ Triage = Risikomanagement, wenn klinische Anforderungen Kapazitäten überschreiten

In Notaufnahmen:Schwerstkranke zuverlässig identifizieren (KEIN Behandlungsausschluss!)

→ PROZESSVERBESSERUNG!

Manchester Triage - Praktischer Ablauf -

Erstkontakt mit speziell geschulter Pflegekraft

(vor administrativer Anmeldung!)

Ggf. Bestimmung HF, Blutdruck, Sättigung, BZ, Schmerzklassifikation

Kurze standardisierte Anamnese

Zuweisung der Dringlichkeitsstufe anhand standardisierter Diagramme

Regelmäßige Reevaluierung

Legt Zeit bis zum ersten Arztkontakt fest!

Manchester-Triage-System - Grunddiagramm

Sofort Rot

Sehr dringend

Orange

Dringend Gelb

Normal Grün

Nicht dringend

Gefährdeter Atemweg ?Stridor?

Speichelfluss?Fehlende oder unzureichende Atmung?

Fehlender Puls oder Schock?Lebensbedrohliche Blutung?Nicht ansprechbares Kind?Anhaltender Krampfanfall?

Stärkster Schmerz?Unstillbare große Blutung?

Veränderter Bewusstseinszustand?Reagiert nur auf Stimme oder Schmerz?

Unterkühlt?Heißes Kind? Sehr heißer Erwachsener?

Mäßiger Schmerz?Unstillbare kleine Blutung?

Bericht über Bewußtlosigkeit?Anhaltendes Erbrechen?

Heißer Erwachsener?

Jüngerer leichter Schmerz?Überwärmt?

Jüngeres Problem?

Manchester Triage Dringlichkeitsstufen mit Zeiten

NUMMER NAME FARBE MAX. ZIELZEIT

1 Sofort Rot 0 min.

2 Sehr dringend Orange 10 min.

3 Dringend Gelb 30 min. (UK: 60)

4 Normal Grün 90 min. (UK: 120)

5 Nicht dringend Blau 120 min. (UK: 240)

1. Sicherstellung der medizinischen Notfallversorgung 24h an 365 Tagen im Jahr

2. Festlegung der Behandlungsdringlichkeit (Triage)

3. Einleitung einer Notfalldiagnostik/-behandlung unter Hinzuziehung verschiedener Fachdisziplinen mit frühest möglicher Trennung von zeitkritischen und nicht-zeitkritischen Fällen

4. Entscheidung über stationäre Behandlungspflichtigkeit und

5. Festlegung der Aufnahmediagnose

6. Zuordnung zu Fachgebiet bzw.

7. Übergabe an klinische Spezialdisziplin nach Beseitigung der Vitalgefährdung

Klinische Notfallmedizin/Notaufnahmen – Aufgaben

Notaufnahme:

Aufgaben:Triage/ zeitkritisch vs. zeitunkritischNotfalldiagnostik/-therapie,Beobachtung,Weiterleitung

Spezielle Aufgaben:Massenanfall von Verletzten; Katastrophenschutz

Patientmit akutem medizinischen Problem

zu Hause oder inVersorgungseinrichtung (z.B. Pflegeheim)

Hausarzt/KV-Bereitschaftsdienst Rettungsdienst

Stationäre Versorgung im eigenen oder Weiterleitung in anderes Krankenhaus

4-8 Mio Notfallversorgungen

7,1 Mio Einsätze

> 20 Mio Notfallversorgungen (ca. 11 Mio ambulant)

Klinische Notfallmedizin/Notaufnahmen heute –Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung

Die Anzahl an älteren Patienten im Krankenhaus und Notaufnahmen steigt an

„Von den insgesamt rund 19,2 Millionen Fällen, die 2013 im Krankenhaus behandelt wurden, entfielen rund 8,3 Millionen auf Personen, die 65 Jahre und älter........ waren.

Gegenüber dem Jahr 2000 ist das ein Anstieg von 20,6 % bei den Frauen und 52,0 % bei den Männern.

Im Vergleich dazu fiel der Anstieg von 9,4 % für alle Altersgruppen zusammen geringer aus........ .“ (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2015)

Patientenzahlen in Notaufnahmen sind ansteigend (2012 zu 2013: 6%) - Anteil der älteren und multimorbiden Patienten steigt ebenfalls (CBF ca. 30% ≥70J)- Anstieg der Patienten mit multiresistenten Keimen (oft ebenfalls ältere Patienten)

1. Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2015

2. SACHVERSTÄNDIGENRAT zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechte Versorgung − Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche; Gutachten 2014

3. Riessen et al., Positionspapier für eine Reform der medizinischen Notfallversorgung in deutschen Notaufnahmen. Notfall- und Rettungsmedizin, 2015

4. DKG-Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus - Fallkostenkalkulation und Strukturanalyse, 2015

5. Groening et al; Umfrage der DGINA AG „Der ältere Patient in der Notfallmedizin“, Dt. Ärzteblatt 2017

Zuwachs von Notfallpatienten in 11 deutschen Notaufnahmen, nach Altersgruppen gegliedert von 2010 zu 2013 (in Prozent; n = 582.000),

Ergebnis einer Umfrage der AG „Der ältere Patient in der Notfallmedizin“ der DGINA

Groening et al., Deutsches Ärzteblatt, März 2017

Anzahl der chronischen Erkrankungen in Deutschland in Abhängigkeit vom Alter

Quelle: GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG DES BUNDES, Gesundheit in Deutschland, 2015

In Notaufnahmen treffen die Fälle ein, die medizinisch kompliziert sind: nämlich diejenigen mit unklarer Diagnose, denn……

Notfallmedizin/Notaufnahmen: Ein wesentliches Problem…..

1. SACHVERSTÄNDIGENRAT zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechte Versorgung − Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche; Gutachten 2014

2. Riessen et al., Positionspapier für eine Reform der medizinischen Notfallversorgung in deutschen Notaufnahmen. Notfall- und Rettungsmedizin, 2015

3. DKG-Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus - Fallkostenkalkulation und Strukturanalyse, 2015

4. Groening et al; Umfrage der DGINA AG „Der ältere Patient in der Notfallmedizin“, 2015

Das Problem:

Der Patient kommt mit einem oder mehreren Symptomen und nicht mit einer

Diagnose!

Charité – Leitsymptomstudie

Welches ist das häufigste Leitsymptom?

1. Kopfschmerz?2. Brustschmerz?3. Luftnot?4. Bauchschmerz?5. Keines dieser Symptome?

Notaufnahme – Aufgaben„Ein Patient kommt mit Symptomen und nicht einer Diagnose“

Ergebnisse der Charité – Leitsymptomstudie

Möckel M, Searl J, Müller R, Slagmann A, Storchmann H, Oestereich P, Wyrwich W, Ale Abaei A, Koch M, Somasundaram R., Eur J Emerg Med, 2012

N = 34.334

[68%]*

[12,3%]*

[6,4%]*

[11,4%]*

[1,8%]*

*Patienten ≥ 65 Jahre (38,8% aller Patienten)

Mortalität: ca. 5%

Mortalität: ca. 1%

Mortalität: ca. 5%

Mortalität: ca. 9%

Mortalität: ca. 1%

ICD-10 I21

< 65 J. ≥ 65 J. gesamtn % n % n %

keines der Symptome 36 14,5 100 26,6 136 21,8Brustschmerz 194 78,2 208 55,3 402 64,4Bauchschmerz 2 0,8 4 1,1 6 1,0Luftnot 15 6,0 64 17,0 79 12,7Kopfschmerz 1 0,4 0 0,0 1 0,2

gesamt 248 100,0 376 100,0 624 100,0

Myokardinfarkt

Wie häufig ist Brustschmerz bei einem Myokardinfarkt?

Mortalität und Leitsymptom: Alter und Art des Eintreffens in der NotaufnahmeErgebnisse der Charité – Leitsymptomstudie

Walsh et al., unveröffentlichte Daten

Mortalität und Leitsymptom: Alter und Art des Eintreffens in der NotaufnahmeErgebnisse der Charité – Leitsymptomstudie

Walsh et al., unveröffentlichte Daten

Das bedeutet:

Der ältere Notfallpatient ist ein „Hochrisikopatient“, d.h. das Risiko, eine

relevante Diagnose zu übersehen,ist hoch!

Kohorte von 754 Pat., ≥ 70J

813 NA*-Besucheohne stationäre Aufnahme

631 NA*-Besuchemit stationärer Aufnahme

813 Patienten ohne NA*-Besuche (gematched)

Wie ist der Verlauf über die nächsten 6 Monate in Bezug auf Funktionalität?

Nu

mb

ero

fD

isa

bil

itie

s

Besuche älterer Patienten in der Notaufnahme sind auch ohne stationäre Aufnahme mit einem Funktionsverlust über die nächsten 6 Monate assoziiert

*NA: Notaufnahme Nagurney et al., Ann Emerg Med, 2016

Stürze bei älteren Patienten

“Old age starts with the first fall and death comes with the second”

Gabriel Marquez

Hintergrund

- Stürze älterer Patienten sind häufig Anlass für Hospitalisierung und Pflegebedürftigkeit und können durch darauffolgende Komplikationen sogar zum Tod führen. Eine Studie an geriatrischen Patienten zeigte, dass 12% direkt oder indirekt an den Folgen eines Sturzes sterben (Baraff LJ et al., Ann Emerg Med, 1997)

- Stürze können Surrogatmarker sein für: a) funktionellen Abbau im Alterb) Zeichen für eine neue oder Verschlechterung einer bestehenden Erkrankungc) Risiko für höhere Morbidität & Mortalität sowie Einweisung in Pflegeheime

- z.B. können hinter einem Sturz eines älteren Patienten u.a. schwere kardiovaskuläre Ereignisse wie ein stummer Herzinfarkt verborgen sein

- D.h. die Identifizierung potentieller Risikofaktoren für Stürze könnte Basis einer besseren Risikostratifizierung von älteren Patienten nach Sturzereignis sein

Baraff LJ et al., Ann Emerg Med, 1997; Bean WB et al., Lancet. 1977; Bingisser R et al. Am Heart J., 2013

„FUKNO (Falls of Unknown Origin) –prospektive Multicenter - Observationsstudie“

(Universitätsspital Basel, Charité Berlin):

Sind Mortalität und Morbidität bei älteren gestürzten Patienten vorhersehbar?

Studienziele

1. Indentifizierung von - Beschwerden (Symptome)- zu Grunde liegenden Erkrankungen

2. Outcome- primary outcome: 30- Tages Mortalität- secondary outcomes: Morbidität und Hospitalisierungssrate,

3-/6-/12-Monats Mortalität

3. Entwicklung- Risikostratifizierung bzw. Erkennung von Risikogruppen- Strategie für Verlegungsentscheidungen

Der Notfallpatient mit Demenz

• Anteil der Patienten mit Demenz ansteigend (80-84J: 16%; >90J: 41%)

• In einer Notfallsituation ist die Ursachensuche und Einschätzung der Beschwerden von Patienten mit Demenz besonders schwierig u.U. längerer Aufenthalt in der NA notwendig

• Umgebung Notaufnahme überfordert demente Patienten zusätzlich: Bedrohungs- und Verunsicherungssituation in fremder Umgebung u.U. starke Lautäußerungen (dd Schmerz??) Hinlauftendenzen mit Sekundärkomplikationen wie Stürze

Risiko eines schlechteren Gesamtverlaufs Erhöhter Betreuungsaufwand

Aufgaben für Notaufnahmen:1. Schnelle Identifizierung dieser Patientengruppe bei Eintreffen in der NA2. Spezielle Betreuung dieser Patienten während des Aufenthaltes

a) personell („Begleiter“) und spezielle räumliche Gestaltungb) technisch unterstützende Verfahren

Testinstrumente zur Identifizierung von geriatrischen u./o. dementen u./o. deliranten Patienten in der Notaufnahme

• ISAR („Identification of Seniors at Risk“): sechs einfache Fragen, die mit ja/nein beantwortet werden als Screeningverfahren für geriatrische Patienten

• CDT („Clock-Drawing-Test): Uhrenzeichentest, Screeningverfahren für Demenz

• MMSE („Mini-Mental State Examination“): Testinstrument für verschiedene kognitive Fähigkeiten, Screeningverfahren für Demenz

• CAM („Confusion-Assessment-Method“): Algorithmus zum Erkennen eines Delir

ISAR-Score zur Identifizierung geriatrischer Patienten in Notaufnahmen („Identification of Seniors At Risk“)

Uhrentest zur Erkennung von Demenz („Zeichnen Sie eine Uhr und setzen Sie die Zeiger auf 11.10 Uhr“)

a) gesunder b) dementer Patient

Screeningverfahren zur Identifzierung von geriatrischen u./o. dementen u./o. deliranten Patienten ≥ 65 Jahre

Ergebnisse der DAPIR*-Studie (Daten bisher nicht veröffentlicht)

• Es wurden 480 Patienten (≥ 65J) erfasst. Die Geschlechtsverteilung war gleich, das Durchschnittsalter lag bei 77 Jahren. Die stationäre Aufnahmequote betrug im Gesamtkollektiv 57%.

• Der Median der Testzeit betrug 10 Minuten. Dabei stellte sich eine mittlere negative Korrelation (k=0,538) zwischen kognitiver Einschränkung und Testdauer dar.

• Von den getesteten Patienten wurden 45% als geriatrisch eingestuft.

• Jeder fünfte Patient gab an, subjektiv an Gedächtnisproblemen zu leiden. Allerdings hatten von ihnen nur 58% tatsächlich eine eingeschränkte Kognition.

• Von den Patienten, die keine erheblichen Gedächtnisprobleme angaben, hatten 18% ein auffälliges Testergebnis.

*DAPIR: “der alte Patient in der Rettungsstelle“ (Notaufnahme, Campus Benjamin Franklin, Charité

Der Notfallpatient mit Demenz: Projekt „Charité-Haube“Fragestellung/Zielsetzung

1. Wie kann man in einer Notaufnahmesituation eine zunehmend „Unruhe“von Patienten mit Demenz frühzeitig erkennen? Wie kann man „Unruhe“ messen?

2. Wie könnte eine technischen Lösung zur Überwachung- und Intervention (Prävention von Komplikationen) aussehen?Konzept der „Charité-Haube“

3. Kann die Versorgung dieser Patienten durch eine solche technische Unterstützung dieser Patientengruppe wirklich verbessert werden? Klinische Studien

Der Notfallpatient mit Demenz: Projekt „Charité-Haube“Methodik und Durchführung

- Analyse des Problems und Entwicklung eines möglichen Lösungskonzepts(gemeinsames Projekt mit School of Design Thinking/HPI, Potsdam, Rettungsstelle CBF, Förderung durch die Stiftung Charité):

- Patienten müssen besser abgeschirmt werden- Kombination aus Haube mit technischen Überwachungs- und Interventionsmöglichkeiten

- Überwachung ohne Körperkontakt (demente Patienten reißen vieles ab!)

- Entwicklung einer „Konzepthaube“ (mit Patentantrag)

- Suche nach geeigneten Projektpartnern und gemeinsame Forschungsantragsstellung (Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen, AiF):- iDoc Institut für Telemedizin und Gesundheitskommunikation (Berlin-Potsdam)

- Kinderwagenhersteller Gesslein (Bayern) - TU-Berlin

Der Notfallpatient mit Demenz: Projekt „Charité-Haube“Methodik und Durchführung

Entwicklung eines ersten Prototypen und CE-Zertfizierung (mit Hilfe der TU-Berlin) und Studie mit Probanden

Erste Evaluationen im Rahmen von Pilotstudien bei Patienten in der Notaufnahme am Campus Benjamin Franklin und der interdisziplinären Geriatrisch-gerontopsychiatrischen Station der Oberhavel Kliniken bei nicht-dementen und dementen Patienten

Konzept „Charité-Haube“

Charité-Haube: Beispiel von Messergebnissen

Optischer Sensor

Mikrofon

Bewegung/Sensor-Matte

HF

AF/Sensor-Matte

Der Notfallpatient mit Demenz

1. In ersten Versuchen konnte die Sicherheit des Prototyps belegt werden

2. Die Messsysteme haben Unruhe in Form von Bewegung, Herz- und (Atem)frequenzanstieg und Geräuschänderungen zuverlässig erfasst

3. Die Haube wurde von nicht dementen Patienten der Rettungsstelle überwiegend positiv angenommen (Zitat Patient: „Ich fühle mich total gut aufgehoben“)

4. Bei dementen Patienten zeigte sich ebenfalls ein tendenziell beruhigender Effekt, der auch von Angehörigen wahrgenommen wurde (Zitat Ehefrau eines Demenzpatienten: „Können wir die Charité-Haube gleich mit nach Hause nehmen?“)

Das Konzept „Charité-Haube“ könnte zur Prävention und Intervention bei älteren und dementen Notfallpatienten geeignet sein. Für die weitere Bewertung müssen aber die Ergebnisse der Pilotstudien abgewartet werden.

Der Notfallpatient mit Demenz: Projekt „Charité-Haube“Ergebnisse

Zusammenfassung – Menschen mit Demenz in der Notaufnahme

I. Strukturprobleme

A: außerhalb des Krankenhauses- ambulante Notfallversorgung – besonders von älteren Patienten- ist unzureichend sowohl zeitlich (insbesondere außerhalb regulärer Arbeitszeiten) als auch organisatorisch – vor allem in ländlichen Gebieten bessere Vernetzung zwischen ambulantem Bereich und Notaufnahmen (z.B. mittels Telemedizin)

B: innerhalb des Krankenhauses/der Notaufnahme- Bau- und Ausstattung nicht einheitlich (z.B. zentrale vs. dezentrale NA) und aufheutige Anforderungen nicht eingestellt (z.B. spezielle Räumlichkeiten für älteremultimorbide u./o. demente Patienten sowie für Patienten mit multiresistentenErregern) Zentralisieren der NA; Berücksichtigung des Pat.-Spektrums

- Fächerzusammensetzung sehr heterogen (mind. Innere Medizin und Chirurgie)u.a. Gesetzgeber gefordert (z.B. Vorgaben im Krankenhausplan)

- Qualifikation des Personals sehr unterschiedlich („Facharztstandard“; lediglich Berlin hat notfallmedizinische Zusatzqualifikation für Ärzte und jetzt auch Pflege). Erheblicher Qualifikations- und Trainingsbedarf

Fakten: Notfallmedizinische Qualifikation in Europa 2014

29 Mitgliedsländer derUnion Européenne des Médecins Spécialistes(UEMS) mit anerkanntenFortbildungen in Notfallmedizin

Eigenes Fachgebiet = 13

Facharzt aufsattelnd = 5

< 5 Jahre = 4

Ohne = 7

Quelle: Williams D.; The Development of European Emergency Medicine, Göttingen, 30.09.2011, ergänzt durch W. Wyrwich, Ärztekammer Berlin, 2015

Berlin

+ Berlin

- Kernproblem: Patienten kommen mit Beschwerden und keiner klaren Diagnose! Diagnostikprozesse müssen sich mehr an Beschwerden unter Berücksichtigung des Alters

orientieren (Älterer Patient = atypische Präsentation = Hochrisikopatient!)

- hohe Dynamik (Patientenaufkommen bzw. Versorgungsaufwand nicht vorhersehbar, damit schwer planbar); bessere Verzahnung, z.B. mit Rettungsdienst (IVENA)?

- Patientenzahlen in NA steigen (insbesondere auch ältere/multimorbide Pat.); mehr Prävention im ambulanten Vorfeld?

- relativ chaotische Informationslage (viele Akteure: Haus-/Fachärzte, Pflegedienst, Notfallrettung, Spezialeinrichtungen wie z.B. Dialysepraxen u.a.) Verbesserung der Kommunikationsstrukturen („Industrie 4.0“)

-Weiterverlegung aus NA sowohl stationär (nach intern und extern) als auch nach ambulant wesentliches Problem für Überfüllung von NA Schaffung effizienter Dispositionsstrukturen (z.B. durch bessere Vernetzung von

Krankenhäusern)

- Zu wenig Daten bzw. Forschung bzgl. Notfallversorgung und der beteiligten Sektoren in Deutschland, insbesondere auch zum älteren Notfallpatienten

II. Prozessprobleme

Zusammenfassung – Menschen mit Demenz in der Notaufnahme

- Kernproblem: Patienten kommen mit Beschwerden und keiner klaren Diagnose! Diagnostikprozesse müssen sich mehr an Beschwerden unter Berücksichtigung des Alters

orientieren

- hohe Dynamik (Patientenaufkommen bzw. Versorgungsaufwand nicht vorhersehbar, damit schwer planbar); bessere Verzahnung, z.B. mit Rettungsdienst?

- Patientenzahlen in NA steigen (insbesondere auch ältere/multimorbide Pat.); mehr Prävention im ambulanten Vorfeld?

- relativ chaotische Informationslage (viele Akteure: Haus-/Fachärzte, Pflegedienst, Notfallrettung, Spezialeinrichtungen wie z.B. Dialysepraxen u.a.) Verbesserung der Kommunikationsstrukturen („Industrie 4.0“)

-Weiterverlegung aus NA sowohl stationär (nach intern und extern) als auch nach ambulant wesentliches Problem für Überfüllung von NA Schaffung effizienter Dispositionsstrukturen (z.B. durch bessere Vernetzung von

Krankenhäusern)

- Zu wenig Daten bzw. Forschung bzgl. Notfallversorgung und der beteiligten Sektoren in Deutschland, insbesondere auch zum älteren Notfallpatienten

Erheblicher Handlungsbedarf sowohl strukturell als auch prozessual, um die Notfallversorgung – auch von älteren Patienten - sowohl im ambulanten wie im stationären (Notaufnahme) Bereich zu verbessern!

II. Prozessprobleme

Zusammenfassung der aktuellen und zukünftigen Probleme der Notfallversorgung im demographischen Wandel

Frage zum Schluss: Brauchen wir einen Geriater in der Notaufnahme?

Krankenhausplan Berlin 2016:Medizinische und organisatorische Anforderungen an Notfallkrankenhäuser

und Notfallzentren

• Ein Konzept zur Erst- und Weiterversorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten unter Berücksichtigung der hausindividuellen Besonderheiten ist vorzuhalten. In diesem Konzept muss u.a. dargestellt werden, wie die geriatrische Kompetenz in der Notaufnahme sichergestellt wird (siehe Abschnitt 10.2.).

• Der Notaufnahme im Krankenhaus kommt daher eine zentrale Bedeutung und Lenkungsfunktion für die adäquate gesundheitliche Versorgung alter Menschen zu.

• ........... In diesem Konzept wird dargestellt:- wie geriatrische Kompetenz in der Notaufnahme sichergestellt

- welches Screening zur Identifizierung geriatrischer Patientinnen und Patienten angewendet

- welches Screening zur Identifizierung von Patientinnen und Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen/Demenz angewendet und

- wie ein hausinternes Casemanagement, das bereits ab Notaufnahme einsetzt, durchgeführt wird

Can consultant geriatrician led comprehensive geriatric assessment in the emergency department reduce hospital admission rates?- A systematic review

(Jay et al., Age and Ageing 2016)

Frage zum Schluss: Brauchen wir einen Geriater in der Notaufnahme?

→ in jedem Fall geriatrische Expertise, auch beim Notaufnahmepersonal!

→ Projekt am CBF (Heuser/Somasundaram), gefördert durch die Robert Bosch Stiftung:

„Verbesserung der Identifizierung und Betreuung von Patienten mit Demenz und Delir in der Notaufnahme“

Vielen Dank!