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Österreich Z Soziol (2013) 38:115–134 DOI 10.1007/s11614-013-0100-8 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 M. Griesbacher () Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Soziologie, Universitätsstraße 15/G4, 8010 Graz, Österreich E-Mail: [email protected] Prozessphilosophie und Sozialtheorie bei George Herbert Mead Martin Griesbacher Zusammenfassung: George Herbert Meads Werk liefert ein originäres Beispiel für das Zusam- menspiel von prozessphilosophischen und sozialtheoretischen Argumenten. Der Artikel befasst sich mit der These, dass bereits in Meads frühen Schriften zentrale prozessphilosophische Grund- annahmen enthalten sind, welche die Formulierung seiner Theorie der sozialen Identitätsbildung maßgeblich prägten. Aus einigen der frühesten Schriften wird Meads bewusste Prozessorientie- rung und deren Quellen herausgearbeitet. Danach erfolgt die Darstellung der zentralen Konzepte seiner Theorie der Identitätsbildung. Diese sozialtheoretischen Konzepte weisen nicht nur eine starke prozessphilosophische Verankerung auf. Sie stehen wiederum in Verbindung mit der spä- teren Entwicklung einer systematischeren Zeitphilosophie, deren allgemeine Grundannahmen mit Meads früher prozessphilosophischer Orientierung vergleichbar sind. Der Artikel versucht mit dieser Darstellung eine ideengeschichtliche „Lücke“ in der bisherigen Mead-Interpretation zu schließen und die grundsätzliche Problematik von Prozess und Sozialtheorie aufzuzeigen. Schlüsselwörter: Zeit · Prozess · Sozialtheorie Process Philosophy and Social Theory in the Works of George Herbert Mead Abstract: The work of George Herbert Mead provides an original example of the interplay of process philosophy and social theory. The article addresses the assumption that central process- philosophical statements can be found in Mead’s early works, which significantly shaped his theory of the social constitution of the self. Based on some of the earliest writings Mead’s inten- tional orientation on processes and their sources are worked out. After that follows a description of central elements of his theory of self-constitution. The central concepts of this theory exhibit not only a strong process-philosophical foundation. They are also connected with his late more systematic philosophy of time, which holds basic assumptions similar to Mead’s early process- philosophical orientation. The article tries to fill a gap in the hitherto existing interpretation of the work of Mead and explicates the fundamental problem of process and social theory. Keywords: Time · Process · Social theory

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Page 1: Prozessphilosophie und Sozialtheorie bei George Herbert Mead; Process Philosophy and Social Theory in the Works of George Herbert Mead;

Österreich Z Soziol (2013) 38:115–134DOI 10.1007/s11614-013-0100-8

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

M. Griesbacher ()Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Soziologie, Universitätsstraße 15/G4, 8010 Graz, ÖsterreichE-Mail: [email protected]

Prozessphilosophie und Sozialtheorie bei George Herbert Mead

Martin Griesbacher

Zusammenfassung: George Herbert Meads Werk liefert ein originäres Beispiel für das Zusam-menspiel von prozessphilosophischen und sozialtheoretischen Argumenten. Der Artikel befasst sich mit der These, dass bereits in Meads frühen Schriften zentrale prozessphilosophische Grund-annahmen enthalten sind, welche die Formulierung seiner Theorie der sozialen Identitätsbildung maßgeblich prägten. Aus einigen der frühesten Schriften wird Meads bewusste Prozessorientie-rung und deren Quellen herausgearbeitet. Danach erfolgt die Darstellung der zentralen Konzepte seiner Theorie der Identitätsbildung. Diese sozialtheoretischen Konzepte weisen nicht nur eine starke prozessphilosophische Verankerung auf. Sie stehen wiederum in Verbindung mit der spä-teren Entwicklung einer systematischeren Zeitphilosophie, deren allgemeine Grundannahmen mit Meads früher prozessphilosophischer Orientierung vergleichbar sind. Der Artikel versucht mit dieser Darstellung eine ideengeschichtliche „Lücke“ in der bisherigen Mead-Interpretation zu schließen und die grundsätzliche Problematik von Prozess und Sozialtheorie aufzuzeigen.

Schlüsselwörter: Zeit · Prozess · Sozialtheorie

Process Philosophy and Social Theory in the Works of George Herbert Mead

Abstract: The work of George Herbert Mead provides an original example of the interplay of process philosophy and social theory. The article addresses the assumption that central process-philosophical statements can be found in Mead’s early works, which significantly shaped his theory of the social constitution of the self. Based on some of the earliest writings Mead’s inten-tional orientation on processes and their sources are worked out. After that follows a description of central elements of his theory of self-constitution. The central concepts of this theory exhibit not only a strong process-philosophical foundation. They are also connected with his late more systematic philosophy of time, which holds basic assumptions similar to Mead’s early process-philosophical orientation. The article tries to fill a gap in the hitherto existing interpretation of the work of Mead and explicates the fundamental problem of process and social theory.

Keywords: Time · Process · Social theory

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Wenn wir uns in den Sozialwissenschaften mit unseren Forschungsobjekten beschäftigen, so benötigen wir dafür ein begriffliches Repertoire, um unsere Gegenstände beschrei-ben und Vermutungen über mögliche Zusammenhänge äußern zu können. In der Sozio-logie werden solche begrifflichen Repertoires aus den unterschiedlichen Sozialtheorien bezogen, welche unsere Vorstellungskraft um basale Grundzüge des Zusammenhangs individueller und sozialer Objekte erweitert (vgl. Griesbacher 2012). Eine solche kon-zeptionelle Grundlegung des soziologischen Gegenstandsbereichs legte George Her-bert Mead vor. Mead ging es in seinem Theorieentwurf insbesondere nicht darum, ein logisch-abstraktes System soziologischer Elemente aufzustellen, sondern die Entstehung solcher Elemente nachzuvollziehen. Wie er selbst betonte, ging es ihm vordringlich um den tatsächlichen Entstehungsprozess und nicht um die Produkte dieses Prozesses (vgl. Mead 1909a). In diesem Artikel befasse ich mich mit den ideengeschichtlichen Ursprün-gen dieser Prozessorientierung sowie den sozialtheoretischen Konsequenzen, die aus der Betonung der zeitlichen Aspekte in Meads Theorieentwurf folgen.

Ich verfolge hier die These, dass die Problemstellung Meads, welche die Form sei-ner sozialtheoretischen Ausführungen bestimmt hat, ohne dessen prozessphilosophische Orientierung nicht adäquat rekonstruiert werden kann. Vielmehr bilden prozessphiloso-phische Grundannahmen den konstitutiven theoretischen Möglichkeitsrahmen, in dem er seine interaktionistische Sozialtheorie aufbaut. Obwohl Mead erst in seinem Spätwerk eine detaillierter ausgearbeitete Zeitphilosophie vorlegte, zieht sich eine prozessphiloso-phische Wirklichkeitsbestimmung durch weite Teile seines Gesamtwerks. Wenn man sich in seinen Texten auf eine historische „Spurensuche“ dieser Prozessorientierung macht, kann man von Beginn seiner wissenschaftlichen Publikationstätigkeit an fündig werden.

Die Stellung der Prozessphilosophie in der Mead-Interpretation ist nicht unumstrit-ten. Deshalb gehe ich im ersten Kapitel auf den diesbezüglichen Stand der Diskussion ein und zeige, dass die frühe Prozessorientierung Meads bisher vernachlässigt wurde. Danach verfolge ich Hinweise auf diese Orientierung in Meads frühesten Artikeln seiner wissenschaftlichen Publikationstätigkeit beginnend ab 1894 bis 1909 (Kap. 1).1 Mead steht dabei bereits seit 1891 in Diskussion mit John Dewey an der University of Michigan und damit in Verbindung mit der in diesem Umfeld beginnenden und dann ab 1894 an der University of Chicago fortgesetzten Entwicklung pragmatistischer Philosophie und Erkenntnistheorie. Wie zu zeigen sein wird, setzt hier eine zentrale Quelle der bewussten prozessphilosophischen Orientierung Meads an.

Nach der Herausarbeitung der zentralen prozessphilosophischen Grundannahmen in Meads frühen Schriften zeige ich im zweiten Kapitel, welche (maßgebliche) Rolle sie für die Entwicklung seiner sozialtheoretischen Arbeiten ausübten. Diesen Einfluss werde ich in Hinblick auf zentrale Elemente seiner sozialpsychologischen Theorie symbolvermit-telter Interaktion und Identitätsbildung aufzeigen. Dazu gehe ich auf die fünf hierfür zen-tralen Aufsätze, die zwischen 1909 und 1913 erschienen, ein (vgl. Joas 1989, S. 91 ff.).

1 Davor gibt es von Mead lediglich vier Artikel, die zwischen 1881 und 1883 im Oberlin Review erschienen, und einen Kommentar von 1884, der in The Nation erschien. Für Meads Sozialpsy-chologie spielen diese keine Rolle, erfolgte seine Hinwendung zur Psychologie doch erst Ende der 1880er Jahre im Zuge seiner Studien in Deutschland (vgl. Cook 1993, S. 20 ff.).

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Im anschließenden dritten Kapitel zeige ich dann, wie Mead die frühen prozessphilo-sophischen Argumente in Verbindung mit dessen sozialtheoretischen Arbeiten zu seiner später ausformulierten Zeitphilosophie weiterentwickelt, welche in der 1929 erschiene-nen „The Nature of the Past“ und der 1932 posthum von Arthur Murphy redigierten „Phi-losophy of the Present“ zu finden ist. Das sich in dieser Weiterentwicklung entfaltende Wechselspiel von prozessphilosophischen und sozialtheoretischen Argumenten macht deutlich, wie das Problem der Zeit mit den grundlegenden Elementen soziologischer Theoriebildung verknüpft ist.

Erst über Sozialtheorien erhalten wir Zugriff auf unseren Gegenstandsbereich. Daher wird und muss immer wieder die ideengeschichtliche und theoriesystematische Frage gestellt werden, wie und unter welchen Bedingungen derartige Begriffssysteme über-haupt zustande kommen sowie welche Konsequenzen für die Theoriebildung entstehen, wenn spezifische ontologische Grundsatzentscheidungen, etwa zugunsten eines prozess-philosophischen Wirklichkeitsverständnisses, getroffen werden. Diesen beiden Fragen gehe ich im vorliegenden Artikel nach.

1 Prozessphilosophie in Meads frühen Schriften

1.1 Stellenwert der Prozessphilosophie in der bisherigen Mead-Interpretation

Eine These, welche die Rolle der Zeit in Meads sozialtheoretischer Entwicklung her-vorhebt, wirft eine spezifische Herausforderung im Rahmen der bestehenden Mead-In-terpretation auf. So kritisiert Hans Joas einige Mead-Interpretationen, bei welchen „die Gefahr einer Deutung von Meads Werk ausschließlich vom Spätwerk her entstand“ (Joas 1989, S. X). Denn „[n]ur wenn wir annehmen dürften, daß Meads Entwicklung ohne Brüche war und daß seine Spätschriften einfach das artikulieren, was in seinen frühen Werken angelegt war, dürften wir diesen Blickwinkel einnehmen“ (ebd.). Im vorliegen-den Aufsatz soll zwar keineswegs die historisch gewagte Behauptung aufgestellt werden, dass Meads Sozialpsychologie wesentlich von dessen später „Metaphysik der Sozialität“ geprägt ist. Meine Auseinandersetzung soll vielmehr zeigen, dass einige Grundgedanken seiner späten zeitphilosophischen Position sehr wohl bereits in seinen frühesten Arbeiten enthalten sind und sich auf seine sozialtheoretischen Arbeiten auswirkten.

John D. Baldwin und andere Autoren haben bereits auf die hohe Bedeutung von Meads Prozessphilosophie im Rahmen seines Gesamtwerks hingewiesen:

An examination of Mead’s writings and lectures reveals that his key method of approach was to organize all topics in terms of evolutionary processes, developmental processes, interactional processes, and other types of processes. […] [O]ne compo-nent of Mead’s methods is a focus on process, viewing all elements of the complex organic whole as they interact and change over time. (Baldwin 1986, S. 37 f.)

Baldwins Aufarbeitung der zentralen zeittheoretischen Argumente Meads erfolgt aber nicht in einer konsequenten chronologischen Form. Dies ist insofern problematisch, als er dadurch den Nachweis nur mangelhaft erbringt, dass diese Argumente sehr früh eine wichtige Rolle für Meads Theorieentwicklung spielten. Zwar zitiert er auch frühe Texte,

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doch bezieht er Meads zeitphilosophische Argumente hauptsächlich aus Texten, die nach 1910 erschienen sind, insbesondere auch jene um und nach 1930. Des Weiteren verfolge ich hier den Ansatz, dass man die prozessphilosophischen Grundannahmen, die hinter Meads Werk stehen, entgegen der Auffassung von Baldwin weniger als Methode denn als einen ontologischen Möglichkeitsrahmen deuten kann, der zwar im Endeffekt eine äußerst konstruktive Wirkung entfaltete, bei der Ausarbeitung sozialtheoretischer Kon-zepte aber zuvorderst eine spezifische Problemlage für die Theorieentwicklung lieferte.

Auch Anselm Strauss, der wie Baldwin Mead als „Prozessphilosophen“ bezeichnet (Baldwin 1986, S. 37; Strauss 1991, S. 414), hebt die Bedeutung der Zeit bei Mead her-vor: „Mead could not think of interaction without also making temporality central to it“ (Strauss 1991, S. 424; vgl. auch ebd., S. 414). Wobei Strauss dabei nicht denselben Weg geht, der hier verfolgt wird. Er geht davon aus, dass sämtliche (zeitlichen) Themen, mit denen sich Mead beschäftigt, unter der Ägide zweier Grundprobleme stehen: dem Prozess der Evolution und dem der Zivilisation (vgl. edb., S. 413 f.). Das Konzept natür-licher Evolution sollte tatsächlich von Bedeutung sein, und auch war Mead, ebenso wie sein unmittelbares universitäres Umfeld, sehr an der Frage zivilisatorischen Fortschritts interessiert (vgl. dazu Feffer 1993). Allerdings scheint mir diese Interpretation nicht den wesentlichen Kern zu treffen, zumindest nicht, wenn wir uns für die Entwicklung zentra-ler sozialtheoretischer Argumente interessieren.

David Miller rückt die Bedeutung Meads prozessphilosophischer Position für seine sozialtheoretischen Konzepte in den Vordergrund, indem er argumentiert, dass sämtliche Arbeiten Meads Teil eines philosophischen Systems sind, bei dem das Verständnis jedes einzelnen Teils das Verständnis des Ganzen benötige. Auch wenn Meads Arbeiten ein erstaunliches Beispiel konsequenter theoretischer Entwicklung darstellen, ist dieses Argu-ment für eine adäquate Werksrekonstruktion schwer nachzuvollziehen. Denn Miller liefert für diese Behauptung keine Belege, da er Meads Zeitphilosophie praktisch ausschließlich auf Basis seines posthum erschienenen Spätwerks erläutert (vgl. Miller 1973, S. 26 ff.).

Um nachzuweisen, dass Meads frühe prozessphilosophische Orientierung tatsächlich dessen sozialtheoretische Werksentwicklung maßgeblich prägte, soll in nachfolgendem Abschnitt schrittweise jene ideengeschichtliche Lücke geschlossen werden, die bisher in der Mead-Interpretation hinterlassen wurde.

1.2 Prozessphilosophische Grundannahmen in Meads frühen Schriften (1892–1909)

Einen ersten Zugang zur Rolle der prozessphilosophischen Grundannahmen finden wir bereits kurz nach der Ankunft Meads an der University of Michigan.2 Dort arbeitet John Dewey an einem erkenntnistheoretischen Zugang, der von einem sozialen Ganzen

2 Bei der Rekonstruktion der zeitphilosophischen Züge von Meads interaktionistischer Sozial-theorie folge ich dem von Joas eröffneten Pfad in der Mead-Rezeption (vgl. Joas 1989, S. 91). Joas’ Rekonstruktion der Entstehung des Konzepts symbolvermittelter Interaktion sieht explizit von Meads bekannteren posthum erschienenen Büchern ab, da diese nicht von ihm selbst ver-fasst, sondern zum größten Teil aus Vorlesungsnotizen zusammengestellt wurden. Da es mir hier gerade um die Art und Weise geht, in der Mead seine Problemstellungen in den Griff zu bekommen suchte, muss ich mich entsprechend stark auf dessen eigenhändig verfasste Artikel beziehen.

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ausgeht, bei dem einzelne Individuen organisch zu diesem Ganzen beitragen (vgl. Cook 1993, S. 30 f.). Cook hält für diese Position fest: „to regard mind also as a phase of action“ und „Mind is not a thing; it is that process whereby human action experimentally works out or discovers how it can most successfully utilize and enter into its materials“ (ebd., S. 30). Cook weist anhand von Briefen nach, dass die Ansätze Deweys sehr schnell von Mead übernommen werden (ebd.). 1892 schreibt Mead in einem Brief:

For me in Physiological Psychology the special problem is to recognize that our psychical life can all be read in the functions of our bodies – that it is not the brain that thinks but… our organs in so far as they act together in processes of life. This is quite a new standpoint for the science and has a good many important consequen-ces. (Mead in einem Brief an Mr. und Mrs. Samuel Northrup Castle, 18.6.1892, zit. nach Cook 1993, S. 31)

Mead folgte dabei Deweys Position, dass das Mentale und das Physische zwei Aspekte eines einzelnen Lebensprozesses sind (ebd., S. 32). So verweist auch Baldwin darauf, dass sich Meads Arbeiten auf eine Welt beziehen, die als „organic whole“ konzipiert ist, „in which all parts affect each other to produce a dynamically fluctuating system“ (Bald-win 1986, S. 37). Ich gehe davon aus, dass Meads Einsatz des Prozessbegriffs in seinen Arbeiten nicht aus der unbewussten Befolgung einer sprachlichen Konvention folgte, sondern dass Mead sich bewusst an Prozessen orientiert hat. Wirklichkeit, als der einzige mögliche Ansatzpunkt wissenschaftlicher Argumentation, besteht aus einem singulären Lebensprozess, außerhalb dessen nichts existieren kann. Wir finden im oben zitierten Brief auch einen expliziten Hinweis, dass ein solcher ontologischer Rahmen für Meads beginnende Arbeit an der University of Michigan von zentraler Relevanz war:

I can’t do my work successfully without working out my standpoint consistently in all directions. I am unwilling to experiment as most of the physiological psycho-logists have done heretofore – at haphazard. I must have a consistent ground for investigation, and this must be worked out before the work itself can be done. (ebd.)

Mead verband mit der Annahme eines einheitlichen Lebensprozesses das Vorhaben, eine „konsistente Grundlage“ für seine wissenschaftliche Arbeit zu schaffen. Dies wird den Grundstein seiner prozessphilosophischen Grundannahmen bilden. Zwar sollte eine Absichtskundgebung in einem privaten Brief nicht vorschnell als Grundlegung der nach-folgenden Werksentwicklung gedeutet werden. Doch in der Nachfolge wird sehr schnell deutlich, dass Mead sich sehr wohl von dieser Absicht in der Formulierung und Bearbei-tung seiner Problemstellungen leiten ließ.

1894 trug Mead bei einem Meeting der American Psychological Association ein Paper vor, welches das „Problem der psychologischen Messung“ thematisierte. Das Abstract dieses Vortrags – praktisch die erste Publikation seiner wissenschaftlich-psychologischen Tätigkeit – zeigt bereits deutlich, wie Meads Problembewusstsein sich entlang einer pro-zessphilosophischen Orientierung bewegt. In diesem kurzen Text problematisiert Mead die Frage der Messung vor dem Hintergrund einer temporalen Wirklichkeit, indem er herausstellt, dass es bei der psychologischen Messung um das Herausbrechen einzelner vergleichbarer Einheiten aus rhythmischen und bilateralen Prozessen geht, welche er mit dem „life-process“ in Verbindung bringt (Mead 1894a, S. 22). Dieser Verweis auf den

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„Lebensprozess“ sowie auch darauf, dass eine zentrale Problematik der psychologischen Messung darin liegt, ein Kontinuum in vergleichbare Einheiten zu „brechen“ (ebd.), weist unmittelbar auf Meads fundamentale Prozessorientierung hin, die für ihn eine spezifische Herausforderung wissenschaftlicher Arbeit hervorbrachte: „The problem of the physicist is to make a magnitude out of change“ (Mead 1894b, S. 172). Folgen wir Meads Argu-mentation in dessen Review „Herr Lasswitz on Energy and Epistemology“ weiter, so muss dieses Problem des Physikers, aus einem Wandel Größen zu gewinnen, auch den Psycho-logen betreffen, da Mead zufolge für das psychologische Objekt ebenso die „Gesetze der exakten Wissenschaften“, also die Gesetze der Physik, anwendbar sind (ebd., S. 175).

Diese ersten Arbeiten Meads fallen in eine Zeit, in der gleichsam die Entstehung des Reflexbogenaufsatzes von Dewey zu datieren ist. Wie Andrew Feffer hervorhebt, fanden Arbeiten an der Terminologie zu diesem Aufsatz schon in den frühen 1890er Jahren statt (Feffer 1993, S. 150), sodass bereits einige Jahre vor Erscheinen des Aufsatzes dessen zent-rale Inhalte Mead bekannt sein mussten (vgl. Cook 1993, S. 30). „The Reflex Arc Concept“ von 1896 arbeitet mit der Annahme eines einheitlichen Lebensprozesses und weist darüber hinausgehend auf eine Besonderheit der Diskussion innerhalb der Theorieentwicklung in der Psychologie hin, welche für Meads konsequente Prozessorientierung von Relevanz ist. Die zentrale Kritik von Dewey widmet sich dem damals vorherrschenden Konzept des Reflexbogens, das einerseits auf einem Dualismus von stimulus und response fußt und andererseits ein desintegriertes Handlungsbild zeichnet: „the reflex arc is not a compre-hensive, or organic unity, but a patchwork of disjointed parts, a mechanical conjunction of unallied processes“ (Dewey 1896, S. 358), worunter er die Trennung von Wahrnehmung, Gedanken und Handeln versteht.3 Deweys Ausführungen laufen auf die Feststellung hin-aus, dass diese drei Elemente stets in einem gemeinsamen Prozess ablaufen – man denke beispielsweise daran, dass die visuelle Wahrnehmung stets in Verbindung mit der Bewe-gung des Auges steht und entsprechend Wahrnehmung und physische Bewegung nicht in die Form von Reiz und Reaktion gebracht werden können. Allerdings lehnt Dewey damit keine theoretischen Modellierungen von Handlungs- bzw. Interaktionsketten in Form von stimulus und response ab. Bei der Kritik der Idee des Reflexbogens geht es ihm darum, dass im Prozess Wahrnehmen, Denken und Handeln nicht in dieser Form aufgeschlüsselt werden können: „Neither mere sensation, nor mere movement, can ever be either stimulus or response; only an act can be that“ (ebd., S. 367). Nicht nur bringt die Hervorhebung des Reiz-Reaktions-Schemas ein intensiveres Nachdenken über das Problem von Vorher und Nachher hervor – eine für die Zeitphilosophie zentrale Unterscheidung –, sondern Deweys Kritik fußt zudem auf der allgemeinen zeitlichen Frage, wann Elemente des psychologi-schen Gegenstandsbereichs in Erscheinung treten. Wenn man nach den Objekten psycho-logischer Wissenschaft suchte, sah man sich dazu veranlasst, diese in der Welt nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich einzuordnen. Es ist entsprechend naheliegend anzunehmen,

3 Bereits 1892 vertritt Dewey eine Argumentation für ein einheitliches Handlungskonzept in einem Syllabus für den Kurs „Introduction to Philosophy“ (vgl. Dewey 1892). Seine Position zum Konzept des „Reflexbogens“ blieb zwar in den Folgejahren bis zur Veröffentlichung des Aufsatzes von 1896 nicht unverändert (vgl. Feffer 1993, S. 150 ff.; Cook 1993, S. 28 ff.), doch betrafen diese Veränderungen nicht dessen allgemeine Orientierung an einem einheitlichen Handlungs- und Lebensprozess.

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dass diese kritische Stelle in der Diskussion um das Reiz-Reaktions-Schema in der Psy-chologie ein förderliches Umfeld für Meads prozessorientiertes Arbeiten hervorbrachte.

In der Nachfolge findet man bei Mead in einem Review bzw. einer Kritik an Gustav Class’ „Untersuchungen zur Phänomenologie und Ontologie des menschlichen Geis-tes“ in Verbindung auf die prozessuale Wirklichkeitsauffassung erste sozialtheoretische Argumente.

Against the static view of the self all of the social sciences have been more or less unconsciously working. The individual has been reduced to conditions operating upon him from a so-called outer environment. (Mead 1897, S. 790)

Diesem (theologischen) Persönlichkeitskonzept stellt Mead ein „soziales Bewusstsein“ gegenüber, das sich in Interaktionen, im Bewusstsein wirklicher bzw. gegenwärtiger (actual) sozialer Beziehungen, erst heranbildet: „From this standpoint personality is an achievement rather than a given fact“ (ebd., S. 791). Mead schließt seine Kritik auch mit der Bemerkung, dass die Besonderheiten des Individuums in der Bewegung des sozialen Lebens ausge-drückt werden müssen und nicht in statischen Entitäten außerhalb dieser Bewegung (ebd., S. 792). Tatsächlich ist hier deutlich erkennbar, dass Meads zentrale sozialtheoretische Pro-blemstellung, jene der Identitätsbildung, auf einem prozessphilosophischen Wirklichkeits-verständnis fußt und ohne dieses erst gar nicht formuliert werden könnte.

Ein zentrales Thema, mit dem sich Mead beschäftigte, liegt wie oben bereits erwähnt in der Frage der gesellschaftlichen bzw. zivilisatorischen Entwicklung. In „The Working Hypothesis in Social Reform“ (1899) plädiert Mead gegen die Orientierung an utopi-schen Zukunftsbildern für die Organisation sozialen Lebens und auch in der Sozialre-form für den Einsatz von „working hypothesis“ nach dem Vorbild der wissenschaftlichen Methode. Der Artikel wird von dem Argument getragen, dass Vorhersagen unmöglich sind: „It is always the unexpected that happens“ (Mead 1899, S. 369). Daraus schließt Mead, dass experimentell entlang von Arbeitshypothesen vorzugehen ist, um Fortschritte zu erreichen: „every attempt to direct conduct by a fixed idea of the world of the future must be, not only a failure, but also pernicious“ (ebd., S. 371).

Auch in weiteren Artikeln bleibt die Prozessorientierung aufrecht, bei denen Mead die durch Problemerfahrungen hervorgerufene bewusste Aufmerksamkeit behandelt (Mead 1900, S. 2) und vom „Subjekt als eine Phase in einem Prozess“ spricht (Mead 1901, S. 95). In „Die Definition des Psychischen“, einem der nach Joas bedeutendsten Texte „vor der Entwicklung seiner interaktionstheoretischen und sozialpsychologischen Grund-annahmen“ (Joas 1989, S. 67), beschäftigt sich Mead mit dem Bewusstsein als Gegen-stand der Psychologie insbesondere in kritischer Auseinandersetzung mit dualistischen Begriffskonzeptionen von Bewusstsein und physischer Welt. In diesem Text erweitert er die Problematik unerwarteter Ereignisse um eine sozialtheoretisch-interaktionistische Begründung. Die Zukunft ist nicht nur unvorhersehbar, da man unmöglich über alle Infor-mationen verfügen kann, die für eine akkurate Prognose nötig werden. Mead schildert, wie „soziale Erfahrungen“ Rekonstruktionen von Charaktervorstellungen einer bekann-ten Person erforderlich machen können (vgl. Mead 1903, S. 106 f.). Wenn wir uns über das Verhalten eines Bekannten unsicher sind, müssen wir unsere Annahmen über diesen neu organisieren. Im Zuge einer solchen Rekonstruktion „there will emerge subjects and predicates which were never there before“ (ebd., S. 107). In sozialen Interaktionen, im

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reflexiven Aufeinandertreffen von Individuen, kann Neues entstehen („novel emerges“). Durch die „Interpretation unserer Welt“ emergiert aus ihr eine „neue Welt“ (ebd.).4

Wenn man weiter nach den Quellen von Meads Prozessorientierung sucht, stößt man unweigerlich auf die Arbeiten von Henri Bergson, welche Mead aufmerksam verfolgte. Jon Moran weist dabei aber nach, dass eine intensivere Beschäftigung mit Bergsons Problemstellungen erst um 1920 einsetzte (vgl. Moran 1996). Hinsichtlich der früheren Auseinandersetzung wird in einem Review von 1907 des im selben Jahr erschienenen „L’Évolution créatrice“ eine breite Zustimmung von Mead zu Bergsons Ansätzen deut-lich (vgl. Mead 1907). Dazu gehören die Prozessorientierung Bergsons und insbeson-dere die Ablehnung von teleologischen und mechanischen Naturerklärungen, welche das Erscheinen von Neuem nicht erklären könnten. Meads Review fokussiert stark auf dieses Moment des Neuen im Prozess, welches mehr ist als die Elemente, aus denen es ent-standen ist und entsprechend nicht vorhergesagt werden könne. Kritisch merkt Mead zu Bergson aber an, dass er die kreative Leistung des Bewusstseins bei der Konstruktion der wissenschaftlichen Welt nicht anerkenne.

Der singuläre Lebensprozess, den Mead stets vor Augen hat, hat schließlich starke Bezüge zu Darwins Evolutionstheorie. Bereits 1899 setzte Mead in seiner Argumentation Verweise auf den Evolutionsprozess ein, ohne jedoch explizit Charles Darwins Evolu-tionstheorie zu nennen. Explizit beschäftigte sich Mead mit Darwin erst später in einem nicht publizierten Manuskript (vgl. Mead 1909a)5, allerdings gelten dessen Theorien nicht nur als einflußreich für die Chicagoer Pragmatisten im Allgemeinen und für Dewey im Besonderen (Feffer 1993, S. 150), sie wurden – folgen wir den Nachforschungen von David Wallace – bereits in Meads Elternhaus diskutiert und Darwins On the Origin of Species wird auch Anfang der 1880er in einem Brief von Henry Castle an Mead in einer Lektüreliste angeführt (Wallace 1967, S. 400, 402). In „On the Influence of Darwin’s Ori-gin of Species“ diskutiert Mead die Entwicklung einiger erkenntnisfördernder Konzepte in den Wissenschaften (z. B. „Energie“), welche er dann insbesondere mit der Kritik konfrontiert, dass sie „change in terms of results“ ausdrücken. Als zentrales Streben des Wissenschaftlers formuliert Mead hingegen:

He [the scientist] is not satisfied with the measurement of the quantities of both in terms of the work done, he must see the actual process go on, and until he has con-ceptions which reveal the process of molecular nature in operation, he will never be satisfied with his statements. (Mead 1909a, S. 8)

4 Baldwin hat diese Erweiterung in Form der Entstehung des Unerwarteten im Rahmen von Interaktionen nicht gesehen: „Mead did not ask if the world ‚really’ is a determinitic system or not. He merely assumed that, practically speaking, humans would never know enough to predict everything, thus the unexpected would always occur“ (Baldwin 1986, S. 41). Wenn die (sozialwissenschaftliche) Wirklichkeit aus jenen Ereignissen besteht, die von einem Bewusst-sein wahrgenommen werden, werden auch jene Ereignisse, die Ergebnis eines Rekonstruktions-aufwandes darstellen, Teil der Wirklichkeit. Dies geht über Baldwins Einschätzung hinaus, dass nur aus praktischen Gründen Zukunftsprognosen fehlschlagen müssen.

5 Das Manuskript dürfte 1909 zum 50jährigen Jubiläum von Darwins Origin of Species verfasst worden sein. So verweist Mead auch gleich im ersten Satz auf das Erscheinungsdatum: „The Origin of Species appeared in the year 1859.“ (Mead 1909a, S. 1)

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Bevor wir die Formen und Resultate des Lebens verstehen können, müssen wir nach Mead erst den „process of living“ verstehen (ebd., S. 16).6 Dies kennzeichnet Mead als den zentralen Einfluss von Darwin wie auch von Hegel, deren Positionen er dahingehend als identisch bezeichnet (ebd., S. 13).

Meads konsequente Orientierung an einem prozessualen Wirklichkeitsverständnis übte einen deutlichen Einfluss auf seine theoretisch-konzeptionelle Arbeit aus. Zentrale Argumentationen seiner Arbeit erfolgten unter Berücksichtigung dieser Vorstellung der Wirklichkeit. Mead konnte nicht über den Aufbau und die Wirkung von Etwas schreiben, das nicht als Phase im Lebensprozess verstanden werden kann.

2 Prozessualistische Theorieentwicklung (1909–1913)

Es mag in der Soziologie heute kaum jemanden geben, der der Ansicht widersprechen würde, dass der gemeinsame Gegenstandsbereich prinzipiell entlang von Prozessen zu verstehen ist. In der klassischen Diktion haben wir es in unserem Fach nicht mit einer Gesellschaft, sondern mit Vergesellschaftung zu tun. Die Besonderheit bei Mead liegt aber darin, dass bei ihm der Prozessbegriff nicht zu einem hohlen Konstrukt verkommt. Er fokussiert konsequent darauf, zentrale Elemente seiner Sozialpsychologie, wie bei-spielsweise Bewusstsein, Identität oder Bedeutung, prozessual zu konzipieren. Das heißt, der wiederholte Einsatz des Prozessbegriffs in seinen Texten, resultiert bei Mead nicht nur aus einer gewohnten Art und Weise, über seinen Gegenstandsbereich zu schreiben. Meads Objekte sind keine Dinge oder statische Eigenschaften des Individuums, sondern sie sind stets eine Phase im Prozess.

Zwar brachte Meads prozessphilosophische Orientierung Einschränkungen hervor, doch entfalteten sie ebenso eine sehr konstruktive Wirkung bei dessen Entwicklung einer Theorie der Gesellschaftlichkeit des Menschen. Meads Lösung für das sozialtheoretische Problem, Identität und Gesellschaft im Wirklichkeitsprozess aufzuklären, findet sich in fünf Aufsätzen, die zwischen 1909 und 1913 erschienen. Joas geht dabei davon aus, dass „Meads Ansatz zu einer Sozialpsychologie […] von der Idee [geleitet ist], die sozialen Bedingungen und Funktionen der Selbstreflexivität von Individuen aufzuklären“ (Joas 1989, S. 92). Durch die nachfolgende Schilderung der Kernaussagen von Meads Sozial-psychologie will ich zeigen, dass sie ebenso maßgeblich von der Idee bestimmt ist, diese im engen Rahmen eines einheitlichen Lebensprozesses zu entwickeln.

In „Sozialpsychologie als Gegenstück der physiologischen Psychologie“ (1909b) führt Mead in den Gegenstand der Sozialpsychologie ein. Dabei setzt er sich kritisch mit Autoren seiner Zeit auseinander, mit dem Ziel, den sozialen Ursprung des Bewusstseins herauszuarbeiten. Meads Argumentation hält sich dabei an den Rahmen der bis dahin for-mulierten zeitphilosophischen Grundannahmen. So kritisiert er den Ansatz, den Ursprung

6 Dass Mead diesem Streben vergleichsweise besondere Aufmerksamkeit schenkte, kann bereits in einem quantitativen Vergleich mit dem im selben Jahr verfassten Vortrag von Dewey zum Einfluss Darwins auf die Philosophie gesehen werden (Dewey 1909). Während Dewey in sei-nem (um ein Drittel kürzeren Text) den Begriff „process“ zwei Mal und „evolution“ kein ein-ziges Mal verwendet, erscheint ersterer bei Mead 32 Mal und letzterer neun Mal.

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sozialen Bewusstseins an Imitationsprozessen festzumachen, indem er herausstellt, dass Imitation bereits ein Bewusstsein von Anderen voraussetzt: „Imitation becomes compre-hensible when there is a consciousness of other selves, and not before.“ (Mead 1909b, S. 405) Seine Argumentation beachtet damit einerseits kritisch die Zeitfrage von Davor und Danach und andererseits richtet er seine Aufmerksamkeit insbesondere auf das Wechselspiel von Stimulus und Reaktion, wodurch der Gegenstand der Sozialpsycho-logie stets entlang von Sequenzen problematisiert wird:

The important character of social organization of conduct or behavior through instincts is not that one form in a social group does what the others do, but that the conduct of one form is a stimulus to another to a certain act, and that this act again becomes a stimulus to first to a certain reaction, and so on in ceaseless interaction. (Mead 1909b, S. 406)

In einen solchen Interaktionsprozess, in dem das Verhalten verschiedener Individuen wechselseitig bedeutsam wird, legt Mead auch den Ursprung von Symbolen als Vor-aussetzung sozialer Kommunikation und reflexiven Bewusstseins. Der Gegenstand der Sozialpsychologie entsteht im Aufeinandertreffen, im prozessualen Wechselspiel von Stimulus und Reaktion.

Im zweiten Aufsatz, „Soziales Bewußtsein und das Bewußtsein von Bedeutungen“ knüpft Mead an den ersten interaktionistischen Ausführungen an, indem er gleich zu Beginn betont, dass eine soziale Handlung darin besteht, dass „one individual serves in his action as a stimulus to a response from another individual“ (Mead 1910a, S. 397). Mead legt besonderen Wert darauf, dass bereits in Frühphasen von Interaktionen weite Teile derselben vorweggenommen, antizipiert werden. Nur so werden in seinem prä-sentistischen Wirklichkeitsverständnis Interaktionssequenzen über längere zusammen-hängende Themen möglich. Aufschlussreich ist in diesem Artikel auch seine Erläuterung des Bedeutungsbegriffs. Die Bedeutung einer Handlung oder eines Objekts liegt konse-quenterweise nicht unmittelbar bei der Handlung oder dem Objekt selbst, sondern muss entsprechend Meads Wirklichkeitskonzeption als Bewusstseinsprozess verstanden wer-den. So verleiht er dem Bedeutungsbegriff eine präsentistische Nuancierung: „Meaning is a statement of the relation between the characteristics in the sensuous stimulation and the responses which they call out.“ (edb., S. 402) Wenn ein Individuum in einer Phase des Prozesses das Bewusstsein einer Bedeutung erlangt, heißt dies, dass es gegenwärtig ein Bewusstsein seiner eigenen Reaktionshaltung gewinnt.

Ausgangsbasis für Meads Verständnis von sozialer Kommunikation sind Gebär-den, die als Reiz eine Reaktion bei einem anderen Individuum auslösen können, und so als Anfangsphasen von sozialen Handlungen dienen. Der Mensch antizipiert aber auch Reaktionen von Handlungspartnern und richtet die Handlungen an diesen mögli-chen Reaktionen (Reizen) aus (vgl. ebd., S. 403 f.). Diese Verhaltenserwartungen kön-nen kollektiv verbindliche Muster annehmen und so kollektives Handeln ermöglichen (vgl. Joas 2007, S. 297). Dieser Teilschritt in der Kommunikation, die Antizipation der Reaktionen des Anderen, ist die zentrale Stelle, mittels der sich Mead im Rahmen seiner sozialtheoretischen Konzeption vom klassischen behavioristischen Reiz-Reaktions-Mo-dell distanziert. Das neue Sequenzmodell lautet so Reiz-Interpretation-Antwort (stimu-lus-interpretation-response, vgl. Flaherty und Fine 2001, S. 149).

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Wenn man sich die Argumentation der einzelnen Elemente der Sozialpsychologie ansieht, so fällt auf, dass diese nicht einfach nur prozessual ausformuliert werden, son-dern man gewinnt auch den Eindruck, dass sie von Mead logisch aus dem Wirklichkeits-prozess abgeleitet werden:

[S]ocial conduct must be continually readjusted after it has already commenced, because the individuals to whose conduct our own answers, are themselves cons-tantly varying their conduct as our responses become evident. Thus our adjustments to their changing reactions take place, by a process of analysis of our own responses to their stimulations. In these social situations appear not only conflicting acts with the increased definition of elements in the stimulation, but also a consciousness of one’s own attitude as an interpretation of the meaning of the social stimulus. (Mead 1910a, S. 403)

Würde sich Mead in seiner Argumentation nicht im engen Rahmen seines prozessualen Wirklichkeitsverständnisses bewegen, würde sich eine derartige Herleitung – die Entde-ckung des Selbst im Interaktionsprozess – nicht unmittelbar ergeben. In diesem Rahmen denkt Mead auch weiter, als er Ende 1909 ein Paper bei einem Meeting der American Psychological Association vorträgt, in welchem er in bekannter Weise den Dualismus von psychischer und physischer Welt kritisiert sowie auch die Sozialwissenschaften auf-fordert, seine Prozessorientierung als überlegene Perspektive zu übernehmen:

Until the social sciences are able to state the social individual in terms of social processes, as the physical sciences define their objects in terms of change, they will not have risen to the point at which they can force their object upon an introspective psychology. (Mead 1910b, S. 176)

Zusätzlich sieht er die Sonderstellung des Menschen in der Tierwelt darin, dass zur Bewusstwerdung der eigenen Reaktionshaltung gegenüber einem Anderen eine beson-dere Eigenheit im Interaktionsprozess auftritt. Damit Identität als Phase im Interak-tionsprozess auftreten kann, muss erst eine „Hemmung“ (inhibition) im Handlungsfluss auftreten, in der das reflexive Bewusstsein eintritt. Diese Hemmung ist deshalb notwen-dig, weil der übliche Handlungsfluss von Gewohnheiten geprägt ist, in denen das refle-xive Bedeutungsbewusstsein sonst nicht zur Geltung kommt.

Die sozialen Entstehungsbedingungen der Identität werden von Mead in „The Mecha-nism of Social Consciousness“ (1912) unter einem sozialisationstheoretischen Vorzei-chen erweitert. Mead setzt dabei seine prozessualistische Argumentation betont fort. Einerseits werden „social objects“ als „selves“ und diese wiederum als Phase im Pro-zess konzipiert und andererseits bestimmt er auch „physical objects“ als „percepts“ (vgl. Mead 1912, S. 401). Objekte werden stets nur im Moment ihrer Wahrnehmung relevant, wobei diese Wahrnehmung in Kombination mit vergangenen Erfahrungen des gleichen oder eines ähnlichen Objekts die Objektvorstellung im Bewusstsein hervorrufen. Zwar bleibt ein Individuum im Zusammentreffen mit einem anderen Individuum stets auch ein physikalisches Objekt, doch in der gegenseitigen Wahrnehmung geht es über diese Bedeutung hinaus und wird als soziales Objekt relevant. In diesem Zusammentreffen, in dem Mead „soziales Verhalten“ bestimmt, spielt sich das Wechselspiel von gegenseitigen Stimuli, Handlungserwartungen und Reaktionen ab, in dem soziales Bewusstsein erst

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entsteht (vgl. ebd., S. 402 f.). Mead zeigt anhand der kindlichen Entwicklung auf, wie soziale Identität und damit die Fähigkeit, sich sozial zu verhalten, entsteht:

The awakening social intelligence of the child is evidenced not so much through his ready responses to the gestures of others […]. It is the inner assurance of his own readiness to adjust himself to the attitudes of others that looks out of his eyes and appears in his own bodily attitudes. (ebd., S. 403 f.)

Die steigende Sicherheit des Kindes, sich auf die Erwartungen Anderer einstellen zu kön-nen, beschreibt gleichsam den Prozess, durch den das Kind sich selbst in Bezug zu ande-ren verstehen lernt. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die einzelnen Teile, die es im Laufe der Zeit von sich selbst wahrnimmt, in ein Objekt zu vereinen. Doch dies sieht vor, dass zunächst erst die soziale Identität anderer erkannt wird: „The child’s early social percepts are of others.“ (ebd. 404) Erst danach entstehen „partial selves“, für die Mead den Begriff „Me“ verwendet.

Die Entstehung eines solchen „Me“ setzt sprachliche Gesten voraus, auf Basis derer es möglich ist, „mit sich selbst zu sprechen“. Auf diese Weise macht man sich selbst zum Objekt. Dies geschieht in zweierlei Form: erstens nehmen wir im Moment unserer Interaktion unsere Handlungen selbst wahr und reagieren wiederum auf diese; zweitens kommt es auch zu einer bewussten Auseinandersetzung mit der Erinnerung an unser eige-nes Verhalten. Jener Aspekt unseres Selbst, welches unmittelbar im Prozess unsere Hand-lungen und Reaktionen hervorruft, nennt Mead „I“. Dieses „I“ ist uns nie unmittelbar zugänglich, denn in dem Moment, wo wir uns selbst thematisieren, erscheinen wir bereits als „Me“.

Die Auseinandersetzung mit der Problematik von Identität, „Me“ und „I“ setzt Mead 1913 in „The Social Self“ fort. In diesem Text interessiert er sich für das dynamische Wech-selspiel dieser Phasen des Selbst. Der Mensch erinnert sich einerseits daran, wie er gehan-delt hat (I), und andererseits daran, wie er auf seine eigene Handlung reagiert hat (Me).

Wiederum sieht sich Mead veranlasst, gegen eine dualistische Konzeption des Bewusstseins zu argumentieren. Das Bewusstsein von sich Selbst und der Welt, mit der wir uns beschäftigen, kann psychologisch nicht in der Weise verstanden werden, dass kontinuierlich zwei simultane Bewusstseinsströme aktiv sind. Einer, der sich der Selbst-wahrnehmung, und einer der sich der Wahrnehmung der Objekte widmet, mit denen wir uns aktuell beschäftigen. Vielmehr erscheint unser eigenen Verhalten uns selbst als Reiz wie jeder andere äußere Reiz auch. Im Handlungsprozess sind diese von der gleichen Wirkungsart (vgl. Mead 1913, S. 376 f.). Allerdings hemmen unsere eigenen Reaktionen im Regelfall den Interaktionsprozess nicht so stark wie jene unseres Gegenübers, sodass wir unser Verhalten primär an dem Anderen anpassen müssen.

Das Identitätskonzept Meads entwickelte sich im Rahmen einer konsequenten Hin-wendung zu einer einheitlichen prozessualen Wirklichkeitsvorstellung. Bereits an anderer Stelle wurde das zeitliche Wesen dieser Identitätskonzeption deutlich erkannt: „Mead’s work suggests that the self-concept does not simply have a temporal aspect. Rather, tem-porality is integral to the self-concept in a more fundamental way“ (Ezzy 1998, S. 241 f.). Wenn wir uns die Entwicklung zu Meads interaktionistischer Sozialtheorie genauer ansehen, können wir erkennen, dass hier Prozessphilosophie und Sozialtheorie mitein-ander verschmelzen. Vergangenheit und Zukunft werden über Erwartung und Erinnerung

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im Interaktionsprozess stets neu konstituiert, in kontinuierlicher Reaktion auf emergente Ereignisse (vgl. auch ebd., S. 250).

Die zentrale These, die ich zu Beginn dieser Arbeit vorgelegt hatte, lautete, dass Meads prozessphilosophische Orientierung eine Art ontologischen Möglichkeitsrah-men für seine interaktionistische Sozialtheorie bildete. In den bisherigen Ausführungen sollte sich abgezeichnet haben, dass dieser Rahmen einen wesentlichen restriktiv-kons-truktiven Einfluss auf seine sozialtheoretischen Konzeptionen ausübte. Restriktiv in dem Sinne, dass gewisse Konzepte nicht mehr denkbar wurden (man denke bspw. an die verschiedenen kritisierten Dualismen); konstruktiv andererseits, da die prozessphilo-sophische Orientierung durch ihre Einschränkung dessen, was wirklich sein kann, eine gewisse Ordnungsfunktion im scheinbaren Chaos der Wirklichkeit erfüllte und die Form und Grundlage seiner ursprünglichen Problemstellung auf Basis der Kritik an statischen Theorien hervorbrachte.

3 Weiterentwicklung der Zeitphilosophie in Meads späten Schriften

In seinem Spätwerk baute Mead seine über zahlreiche Arbeiten verstreuten prozessphi-losophischen Argumente zu einer systematischer ausgearbeiteten Zeitphilosophie aus.7 Die bisher geschilderte Entwicklung brachte ein erstes Verständnis von Meads (früher) zeitphilosophischer Position über den Nachvollzug zweier grundsätzlicher Annahmen hervor. Die erste ist eine Feststellung über die Natur der Welt im Allgemeinen: die Wirk-lichkeit ist eine Welt von einander ablösenden, ineinander fließenden und überlappenden Ereignissen; die zweite bedeutet bereits die Einnahme einer sozialwissenschaftlichen Per-spektive: die Wirklichkeit, über die Mead zeittheoretisch reflektiert, ist stets eine bewusst wahrgenommene Wirklichkeit. Diese beiden Annahmen sind einerseits in seiner Orien-tierung am einheitlichen Lebensprozess und andererseits in frühen psychologischen Aus-einandersetzungen mit der Frage des Bewusstseins angelegt (vgl. Mead 1903). Prozess und Bewusstsein werden von Mead konzeptionell verschmolzen, um klassische Dualis-men von Geist und Materie zu überwinden: „Both the subject matter of the experience and the process by which the new arises, are necessarily subjective.“ (Mead 1900, S. 9) Zieht man des Weiteren Meads Theorie der Identitätsbildung in Betracht, fällt auf, dass prozessphilosophische Grundannahmen zwar maßgeblichen Einfluss auf Meads sozial-psychologische Theorieentwicklung hatten, letztere aber wiederum die weiterführenden zeitphilosophischen Argumente trug.

Die verzeitlichte Wirklichkeitskonzeption Meads, die meines Erachtens dessen sozial-theoretische Entwicklung so stark bestimmte, zeigt sich am deutlichsten in seiner 1932 posthum erschienenen Philosophy of the Present8. Der Hauptteil dieses Werkes besteht aus den Carus Lectures, die Mead im Dezember 1930 beim Meeting der American Phi-

7 Es sei darauf hingewiesen, dass Mead in seinem Spätwerk nicht nur eine Philosophie der Zeit vorlegte, sondern sich auch mit weiterführenden mit ihr verbundenen erkenntnistheoretischen Arbeiten befasste, wie sie etwa in Meads Essay „The Objective Reality of Perspectives“ aus-gearbeitet werden (in Mead 2002).

8 Im Deutschen unglücklich als „Philosophie der Sozialität“ publiziert (Mead 1969).

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losophical Association hielt. Zum Abdruck waren sie von Mead noch nicht gedacht. Auf-grund akuten Zeitmangels konnte er auch wesentliche Teile erst unmittelbar während der Anreise zum Meeting ausarbeiten (vgl. Murphy 2002, S. 7). Die Notizen von Meads Lec-tures – „hurriedly prepared notes of extreme condensation“ (Dewey 2002, S. 34) – sind von Arthur Murphy in Buchform gegossen worden. Allerdings kann man auch bereits auf seine philosophy of the past zurückgreifen, die, wie Maines et al. hervorheben, auch eine Theorie der Zeit(lichkeit) zumindest in den wesentlichen Grundzügen enthält (vgl. Maines et al. 1983, S. 161).9

Die Ausgangsposition von Meads Zeittheorie, die er in The Present as the Locus of Reality formuliert, ist bestechend einfach: „[R]eality exists in a present“ und „present of course implies a past and a future, and to these both we deny existence.“ (Mead 2002, S. 35). Mead geht dabei über ein einfaches Konzept eines „linearen Zeitbewusstseins mit offener Zukunft“ (vgl. Rammstedt 1975, S. 55 f.) hinaus, indem er Gegenwart deutlicher spezifiziert: „[e]xistence involves non-existence; it does take place. The world is a world of events“ (Mead 2002, S. 35).

Meads Zeitphilosophie weist zudem mehr auf als eine Wirklichkeitsauffassung, bei der ein Ereignis stets auf ein neues folgt und sich dabei verflüchtigt. Wichtig ist, dass er gegen ein streng kausal deterministisches Modell argumentiert, wie es etwa die mechanische Theorie in den klassischen Naturwissenschaften darstellt (vgl. Baldwin 1986, S. 39 ff.). Die Lektüre von Charles Darwin führte ihn zum Konzept der Evolution, welches das Moment der Neuheit (novelty) im natürlichen Wirklichkeitsablauf betont. Mead nutzt in seinen zeittheoretischen Ausführungen den Begriff der Emergenz, um den diskontinu-ierlichen Verlauf der Wirklichkeit hervorzuheben. Das Emergenzkonzept erfüllt so die Aufgabe, das Erscheinen der Gegenwart in seiner Beziehung zur Vergangenheit wirklich-keitsadäquat zu klären (vgl. Adam 1994, S. 38). Definitorisch bedeutet Emergenz zunächst einmal die Realisation von Ereignissen, die sich nicht direkt bzw. nicht zur Gänze aus den vorangegangenen faktischen Ereignissen ableiten lassen (vgl. Mead 1907, S. 379 f.). Das Hier-und-Jetzt birgt so stets das Moment des Neuen und Unvorhergesehenen.

Mead hat die Charakteristiken und Zusammenhänge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einer Form ausgearbeitet, die über schlichte Formeln hinausgeht (Ver-gangenheit als jenes, das war; Gegenwart als jenes, das gerade ist; Zukunft als jenes, das passieren wird). Ich werde entsprechend nun in einem ersten Schritt die Spezifika dieser „drei Zeiten“ nach Mead bestimmen10 und im Anschluss eine Zusammenführung in einen Wirklichkeitsprozess darstellen.

Gegenwart (bzw. Wirklichkeit) erscheint nach Mead als eine „island of reality in a sea of ideation“, „suspended in nothingness“ (Abbott 2001, S. 239). Das unmittelbare Gegen-wartsverständnis von Mead findet sich in den Arbeiten von William James. Er übernimmt

9 Bei den nachfolgenden Ausführungen zu Meads später Zeitphilosophie greife ich auch auf Interpretationen anderer Autoren zurück, da an diesen auch die aktuellere Rezeption in der Soziologie mittransportiert wird. Meads Zeitphilosophie ist nicht nur ein Problem historischer Rekonstruktion, sondern stellt noch immer eine aktuelle Herausforderung soziologischer Theo-riebildung dar.

10 Diese Form der Darstellung haben Flaherty und Fine bereits vorgelegt (siehe Flaherty und Fine 2001).

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den Begriff der specious present, der „scheinbaren Gegenwart“,11 der durch James’ Arbeiten Verbreitung erfuhr12 (vgl. James 1993 [1886], S. 34 f.). Die Wahrnehmung der Gegenwart gilt in dieser Konzeption stets als Wahrnehmung ausgedehnterer Ereignisse, als Wahrnehmung von Dauer. Ein Verständnis von Gegenwart als Messerschneide, die sich sukzessive entlang einer Zeitachse bewegt, wird abgelehnt. James verwendet anstelle dessen die Metapher des „Sattelrückens“. Konzeptionen, die von einer darüber hinaus-gehend ausgedehnten Gegenwart ausgehen, wie sie etwa Whitehead vorschlägt, lehnt Mead ab (Mead 1929, S. 235). „The actual passage of reality is in the passage of one present into another, where alone is reality“ (ebd.). Das Konzept der Dauer setzt für Mead ein (menschliches) Bewusstsein voraus, da es einer Interpretationsleistung bedarf, die das Entstehen und Vergehen von Ereignissen, deren Bedeutung und Inhalt zusammen-setzt (vgl. Flaherty und Fine 2001, S. 151). Da das menschliche Bewusstsein in sozialen Situationen, in der Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt, aktiv ist, ist der ver-wendete Begriff der scheinbaren Gegenwart nicht deckungsgleich mit der Verwendung bei James, sondern erhält damit eine sozialbehavioristische Wendung (vgl. Maines et al. 1983, S. 161 f.). Die scheinbare Gegenwart bezeichnet damit nun bei Mead nicht einfach nur die unmittelbare Zeitwahrnehmung, sondern die tatsächliche Wirklichkeitswahrneh-mung schlechthin, die darüber hinausgehend auch ein sozial-interaktives Wesen besitzt.

In der Gegenwart verwirklichen sich emergente Ereignisse, also Ereignisse, die über die Prozesse hinausgehen, die zu diesen geführt haben (vgl. Flaherty und Fine 2001, S. 150). Emergenz ist das bedeutende Moment gegenwärtiger Wirklichkeitsprozesse. Das jeweils Neue ist dabei weder deterministisch vorgegeben, noch in seiner Entwicklungs-logik chaotisch.

Der Frage nach der Charakteristik der Vergangenheit ist Mead nicht erst in seiner Phi-losophy of the Present explizit nachgegangen. Er widmete bereits zuvor einen Artikel exklusiv der Frage nach der „Natur der Vergangenheit“ (Mead 1929). Diese liege nicht einfach darin, dass das gerade Passierende sofort zur Vergangenheit wird, da es noch Teil der scheinbaren Gegenwart sein kann. In einer Hinsicht liege die Vergangenheit in den Bedingungen, die der Emergenz des Neuen zugrunde liegen (vgl. Mead 1929, S. 235 f.). Das soll heißen, dass die Verwirklichung von Ereignissen von vorangehenden Bedingungen abhängig ist. Diese grundsätzliche Bestimmung führt Mead aber noch wei-ter fort, und zwar indem er den doppelten Charakter der Vergangenheit festhält. Einer-seits ist Vergangenheit unwiderruflich: „To Mead the past is irrevocable to the extent that events cannot be undone, thoughts not unthought, and knowledge not unknown“ (Adam

11 Der Begriff der specious present wurde als „scheinbare“ (in James 1993) wie auch als „trügeri-sche“ Gegenwart (in Mead 1983) ins Deutsche übersetzt. Joas belässt ihn in seiner Diskussion von Meads Zeitphilosophie unübersetzt, bezeichnet ihn jedoch an einer Stelle als „psychische Gegenwart“ (Joas 1989, S. 168).

12 Tatsächlich bezieht James den Begriff der scheinbaren Gegenwart von Edmunt R. Clay, den er dafür ausgiebig zitiert (vgl. James 1993, S. 34 f.). Das Zitat von Clay exemplifiziert die Zeitwahrnehmung am Beispiel der wahrgenommenen Ortsveränderungen eines Meteors. Einen Hinweis, dass Meads Quelle des Begriffs der scheinbaren Gegenwart hier liegt, findet man gleich zu Beginn seiner Philosophy of the Present, wo er ebenso das gleiche Meteorbeispiel einsetzt: „While the flash of the meteor is passing in our own specious presents it is all there if only for a fraction of a minute“ (Mead 2002, S. 35, eig. Hervorh.).

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1994, S. 164). Andererseits ist Vergangenheit aber auch widerruflich. Und dieser zweite Charakterzug ist für Mead wesentlich relevanter, denn sein Hauptfokus auf menschli-che Interaktion und Bewusstseinsleistung bringt nicht nur die Einsicht hervor, dass dem menschlichen Bewusstsein Grenzen auferlegt sind, sondern auch, dass die jeweilige Ver-gangenheit perspektivenabhänig ist, und in jeder Gegenwart in seiner Bedeutung neu aufgefasst werden kann. Die Vergangenheit verliert in dieser Sichtweise ihre feste Gestalt und Unumkehrbarkeit. In der Gegenwart wird eine kontinuierliche Umformung der Ver-gangenheit vorgenommen (vgl. Abbott 2001, S. 180). Nach Mead habe es noch nie eine Vergangenheit gegeben, die sich mit dem Übergang der Generationen nicht verändert hätte (Mead 2002, S. 36). Die Vergangenheit wird so zu einem Gedächtnisbild, das sei-nen Sitz in der Gegenwart hat (Mead 1929, S. 235). Diese Argumentation für eine stets hypothetische und rekonstruierte Vergangenheit sieht Mead in den Naturwissenschaften durch die Relativitätstheorie bekräftigt, die eine beobachtungsabhängige Zeitkonzeption vorsieht (vgl. Ezzy 1998, S. 241).

Gegenwart und Vergangenheit stehen so in einem besonderen Verhältnis. Während in der Gegenwart das Moment der Neuheit für einen diskontinuierlichen Wirklichkeitsprozess sorgt, wird in der hypothetischen Vergangenheit ein kontinuierlicher Prozess konstruiert:

The continuity is always of some quality, but as present passes into present there is always some break in the continuity – within the continuity, not of the continuity. The break reveals the continuity, while the continuity is the background for the novelty. (Mead 1929, S. 239)

Die Zukunft ist bei Mead rein geistig und hypothetisch. Analog zu seinem Verständnis von Vergangenheit gilt bei ihm die Gegenwart als genauso wenig durch die Vergangen-heit determiniert wie die Zukunft durch die Gegenwart (vgl. Flaherty und Fine 2001, S. 154). Die Zukunft verdankt ihre unbestimmte Form der kreativen Seite des menschli-chen Handelns, dem „Ich“. Nach Flaherty und Fine liegt die Zukunft demnach im unmit-telbaren Jetzt: „For Mead, the future is now, on the cutting edge of the present“ (ebd., S. 155). Mead unterscheidet zwei verschiedene Arten von Zukunft: die eben genannte unmittelbare Zukunft und die hypothetische Zukunft. Letztere taucht in seinem Inter-aktionsmodell im Moment der Interpretation auf, bei dem das Individuum die möglichen Reaktionen von Alter antizipiert. Auf diese Weise kann gewissermaßen sogar jenes, was noch nicht passiert ist, jenes beeinflussen, das gerade erst passiert (vgl. ebd., S. 156). Daran lässt sich Meads Position wiedererkennen, dass aus der Vergangenheit keine gänz-liche Determination der Gegenwart folgen kann. Das menschliche Bewusstsein hat es mit einer Welt als „ever-changing stream of reality“ zu tun (Mead 1929, S. 242):

The conclusion is that there is no history of presents that merge into each other with their emergent novelties. The past which we construct from the standpoint of the new problem of today is based upon continuities which we discover in that which has arisen, and it serves us until the rising novelty of tomorrow necessitates a new history which interprets the new future. (ebd., S. 241)

Zusammengefasst nimmt Meads zeitphilosophisches Wirklichkeitsverständnis folgende Form an: Ausgehend von der bewussten Wahrnehmung der (scheinbaren) Gegenwart bestimmt er als real das Entstehen (becoming) von Ereignissen, die aufgrund der Unge-

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wissheit der Vergangenheit und des Vorgriffes in die Zukunft nie gänzlich vorbestimmt sind, sondern immer das Moment des Unerwarteten und Neuen beherbergen (so klein dieses Moment auch in vielen Fällen ausfallen mag).

Die ideengeschichtliche Frage in der Mead-Interpretation, welche Relevanz prozess-philosophischen Grundannahmen für die Werksentwicklung zukommt, lässt sich damit wie folgt beantworten. Wenn wir uns die Eckpunkte seiner Zeittheorie vor Augen führen, wird deren Übereinstimmung mit den frühen prozessphilosophischen Hinweisen deut-lich: Wirklichkeit ist ein gegenwärtiger Prozess; Gegenwart ist von emergenten Ereignis-sen geprägt; Gegenwart ist immer von einem Bewusstsein wahrgenommene Gegenwart; Vergangenheit und Zukunft sind hypothetische Konstrukte. Jeder dieser Eckpunkte ist in Meads frühen Werken, welche zwischen 1894 und 1909 erschienen, bereits angelegt. Sie bilden den ontologischen Möglichkeitsrahmen, der jene restriktiv-produktive Wirkung13 entfalten sollte, die den Aufbau Meads interaktionistischer Sozialtheorie maßgeblich beeinflussen sollte.

4 Die Wirklichkeit ist jetzt: Konsequenzen für die Theoriebildung

Sozialtheorien konstituieren nicht nur soziale Wirklichkeiten, indem sie diese begrifflich fassbar machen. Sie selbst sind von grundsätzlichen Annahmen über die beobachtbare Wirklichkeit geprägt. Die Entwicklung George Herbert Meads Sozialpsychologie bietet hierfür ein originäres Beispiel und zwar im Zusammenspiel zeitphilosophischer Ideen und sozialtheoretischer Argumentation.

Es kann hier nicht viel mehr als nur angedeutet werden, dass die Herausforderungen einer prozessualistischen Wirklichkeitskonzeption kaum systematisch in die Diskussion der Grundlagen der soziologischen Disziplin Eingang gefunden haben. Meads Zeittheo-rie gibt tatsächlich einen nur sehr engen Weg vor, der noch sozialtheoretisch-konzeptio-nell begangen werden kann. Barbara Adam sieht darin etwa einen Grund dafür, warum Meads Philosophy of the Present kaum in die soziologische Theorieentwicklung Eingang gefunden hat, denn bei einer Annahme der Inhalte würden deutliche Konsequenzen für die Theoriekonstruktion folgen: „Mead’s temporal theory of time […] affects the very foundations of social theory. It goes far beyond mere scientific trimming. Taken on board, it radically alters the way social reality may be understood and theorised.“ (Adam 1994, S. 38) Adam hebt insbesondere hervor, dass Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart über Gedächtnis und Erwartung stets neu konstituiert werden, sowie dass dem Wesen der Zeit die stete Entstehung des Neuen (Emergenz) zugrunde liegt (Adam 2006, S. 64–66). Folgt man Meads Argumentation, so liegt es Nahe, von der Anwendung statischer Theo-riesysteme zur Analyse von Ausschnitten des soziologischen Gegenstandsbereichs

13 Dieser ontologische Rahmen kann als Forschungsperspektive gedeutet werden, die Mead bei der Ausarbeitung seiner Sozialpsychologie bewusst einsetzte: „Einerseits ermöglichen [theo-riegeleitete Forschungsperspektiven] erst einen Zugriff auf die soziale Wirklichkeit und ande-rerseits schränken sie den Bereich möglicher Beobachtungen und Problemstellungen ein“ (Griesbacher 2012, S. 24).

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abzusehen, und sich stattdessen auch in der Theoriebildung verstärkt der Erforschung (diskontinuierlicher) Entstehungsprozesse zu widmen.

Da die Entstehung von Meads Sozialtheorie nicht ohne seine frühe prozessphilosophi-sche Position adäquat nachvollzogen werden kann, wird für die aktuelle Theoriebildung die Frage relevant, inwieweit sie auch mit einem grundsätzlichen prozessualen Wirk-lichkeitsverständnis vereinbar ist. Eine besondere Leistung Meads besteht darin, aus der Anerkennung des Wirklichkeitsprozesses konsequent eine prozessuale Sozialtheorie ent-wickelt zu haben. Deutlich zeigt sich dabei, dass einerseits die theoretische Spezifika-tion von Wirklichkeit (Ontologie) wesensbestimmend für die theoretische Spezifikation von Gesellschaft bzw. Vergesellschaftung wirkt. Andererseits dass durch die sukzessiv fortgesetzte Theoriebildung auch Grundannahmen über die Wirklichkeit modifiziert werden können. Während Mead von einem prozessualen Wirklichkeitsverständnis aus-ging, mündete seine Auseinandersetzung mit den Ursprüngen des Selbstbewusstseins in der Anerkennung von bewusstseinsbildenden sozialen Interaktionsprozessen. Daraus resultierte die Auffassung eines sozialen Bewusstseins, das wiederum eine soziologische Erweiterung des Wirklichkeitsverständnisses und damit auch eine soziologische Fundie-rung des Zeitkonzepts lieferte.

Folgen wir Meads Argumentation, so können wir Wirklichkeit nur in Form von Pro-zessen und diese Wirklichkeit wiederum nur aus einer Leistung des Bewusstseins herlei-ten. Da der Ursprung des Bewusstseins in sozialen Interaktionsprozessen gesucht werden muss, finden wir uns für die Basis weiterführenderer Theoriebildung in einer von Dis-kontinuitäten geprägten Welt wieder, in der die Zeit uns nicht nur in Form eines ontologi-schen Denkrahmens in die Schranken weist, sondern uns auch als soziologische Variable in Form einer unbekannten Vergangenheit und Zukunft begegnet.

Für die ideengeschichtliche Rekonstruktion von Meads Prozessorientierung folgte ich zwar prinzipiell auch der Annahme, dass der Versuch, eine „Theorie aus ihren Bedin-gungen abzuleiten [, …] eine prinzipiell unerfüllbare Forderung“ darstellt (Joas 1989, S. 11). Doch wenn man davon ausgeht, dass nur eine vollständige Ableitung unerfüll-bar ist, schließt dies die Identifikation von Bedingungen, die einen prägenden Einfluss ausübten, nicht aus. Denn auch „kreative Lösungsentwürfe“ verlaufen nicht vollständig losgelöst von den sozial-kognitiven Bedingungen ihrer Autoren und Autorinnen. So ging Mead auch davon aus, dass ein Aspekt der Vergangenheit darin liege, gegenwärtigen Pro-zessen Bedingungen aufzuerlegen, sie einzuschränken und auch zu strukturieren. Wie Maines, Katovich und Sugrue herausgearbeitet haben, handelt es sich hierbei aber um keine deterministische Strukturierung (vgl. Maines et al., S. 164). So war Meads Prozess-orientierung zwar keine zwingende Folge seines Umfeldes, doch erscheint sie außerhalb dieses Kontextes doch unwahrscheinlicher.

Danksagung: An dieser Stelle möchte ich mich bei den Herausgebern und den Mitgliedern des Doktoratsprogramms Geschichte und Soziologie der Sozial- und Kulturwissenschaften an der Uni-versität Graz für wertvolle Hinweise bedanken, die wesentlich zur Verbesserung des vorliegenden Textes beigetragen haben.

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Martin Griesbacher, MA., ist Projektmitarbeiter bei der gemeinnützigen Forschungsgesellschaft Spectro und am Institut für Soziologie der Universität Graz (dort auch Lehrbeauftragter). For-schungsschwerpunkte: Zeitsoziologie (Arbeitszeit und Zeitkultur), Tablet-Computerassistierte persönliche Interviews (TCAPI), pragmatistische und praxistheoretische Soziologie sowie digitale Editionstechniken (z. B. http://agso.uni-graz.at/gumplowicz). Aktuelle Publikation: „Perspektiven soziologischer Zeitforschung. Zur Rolle theoretischer Perspektiven in der Soziologie“, In J. Gruh-lich et al. (Hrsg.): Soziologie im Dialog. Kritische Denkanstöße von Nachwuchswissenschafter_innen. Berlin [u.a.]: Lit Verlag.